Bahnwärter Thiel

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Bahnwärter Thiel
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Steinberger Roland
Inhaltsangabe
Bahnwärter Thiel
Von Gerhart Hauptmann
Der Bahnwärter Thiel hat ein kleines Wärterhäuschen inmitten eines
Waldes. Er macht seinen eintönigen Streckendienst schon zehn Jahre
seines Lebens. Seine Hütte ist ungefähr eine Stunde entfernt von der
nächstgelegenen menschlichen Ansiedlung. Sie liegt inmitten eines
Waldes in der märkischen Kiefernheide und ist der Mittelpunkt seines
beruflichen und zunehmend auch privaten Lebens. Thiel selbst ist in
Schön- Schornstein zu Hause, einem kleinen Kolonistendorf an der
Spree.
Nach zehn Jahren seines Dienstes lernt er Minna, eine stille kränkliche
Frau kennen und heiratet sie nach kurzer Zeit. Sie stirbt nach zwei
Jahren Ehe. Zurück läßt sie nur den kleinen Tobias.
Nach einem Jahr in Trauer, die man dem Bahnwärter gar nicht anmerkt
heiratet er zum zweiten Mal, unter dem Vorwand eine Wirtschafterin und
eine Mutter für den kleinen Tobias zu brauchen. Denn die alte Frau, die
vorher während Thiels Arbeit auf den Jungen aufgepaßt hat ist nicht
gerade das beste für den Jungen gewesen. Sie hätte ihn einmal fast
verbrennen lassen, dann fiel er ihr beim Füttern auf den Boden und so
weiter. In der früheren Magd Lene, die seiner Meinung nach zu ihm
passende Frau findet er eine musterhafte Wirtschafterin. Doch bald
wendet sich das Blatt. Lene beginnt ein hartes Regiment im Hause Thiel
zu führen, unter dem er selbst und der kleine Tobias fürchterlich zu
leiden haben. Aber er wird überdies abhängig von ihr und verliert
dadurch seine Ruhe und Ausgeglichenheit. Doch als Lene ein eigene
Kind bekommt , behandelt sie Tobias noch schlechter.
Thiel zieht sich in geheimer Absprache mit Minna ganz zurück. Eines
Tages während der Arbeit auf einem keinen Kartoffelacker geschieht
etwas fürchterliches. Lene läßt den kleinen Tobias bei der Arbeit nur kurz
unbeobachtet und schon passiert es. Der kleine Tobias wird vom
schlesischen Schnellzug erfaßt und überrollt. Thiel ist dem Wahnsinn
nahe, doch er bleibt auf seinem Posten. Die Leiche des kleinen Tobias
wird sofort geborgen und Stunden später zu Thiel nach Hause gebracht,
wo man eine schreckliche Greueltat vorfindet. Lene liegt erschlagen, und
ihr Kind mit einer durchgeschnittenen Kehle im Haus. Bahnwärter Thiel
jedoch ist spurlos verschwunden.
Am nächsten Morgen findet eine diensttuender Wärter Thiel genau an
dem Punkt der Strecke wieder, wo auch der kleine Tobias überfahren
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worden ist. Er hält das braune Pudelmützchen des kleinen im Arm und
liebkost es ununterbrochen, wie etwas, was Leben hat. Thiel ist geistig
vollkommen abwesend. Er hat seinen Verstand endgültig verloren und
muß gewaltsam in die Irrenanstalt der Charite nach Berlin gebracht
werden.
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Kritik
Bahnwärter Thiel
Von Gerhart Hauptmann
Thiel ist von Natur aus ein gesunder und kräftiger Mann, der seine zu
erledigenden Dienste untadelig versieht. Man merkt ihm seine
Doppelexistenz auf den ersten Blick überhaupt nicht an. Er entfaltet sein
eigentliches Ich nur in der Abgeschiedenheit des Wärterhäuschens, also
bei seiner Arbeit. Das Fleckchen Grund um das Wärterhaus wird für ihn
zur geweihten Stätte, wo seine erste Frau weiterlebt. Der Tod des
kleinen Tobias bringt ihn zur Verzweiflung und zerstört damit sein Leben
und das von Lene und ihrem Kind.
Lene ist eine Kuhmagd primitiver Herkunft und paßt äußerlich besser zu
Thiel als dessen erste Frau. Sie ist von robuster Gesundheit und sehr
stark. Lene ist in ihrer Ausdrucksweise ordinär, geradezu tyrannisch. Nur
einen Augenblick , als sie vom Geschenk des Ackers hört, wird sie ein
wenig liebenswert. Doch kurz darauf fällt sie schon wieder umso heftiger
und zügelloser aus der Rolle.
Das Buch gliedert sich in drei Hauptteile.
Im ersten Hauptteil wird ein knapper Abriß der Lebensumstände Thiels
dargestellt. Es weist noch gar nichts auf innere Spannungen oder die
Bedrohung seiner scheinbar gesicherten Existenz hin. Erst als seine
erste Frau Minna gestorben ist bemerkt man den ersten Moment einer
Bedrohung. Diese findet in der Einsamkeit Thiels den Hauptgrund. Thiel
trägt trotz seiner Zugehörigkeit zu einer intakten Lebensgemeinschaft
alle Züge eines Außenseiters. Diese Rolle wird durch die Ablehnung der
Mitbewohner in der Kolonie nach Thiels zweiter Eheschließung verstärkt.
Im zweiten Hauptteil bahnt sich die Katastrophe letzten Endes deutlich
erkennbar an. Die äußeren Ereignisse lassen die Spannung steigen.
Zum Beispiel Thiels Reue und Scham, oder Lenes Strenge gegenüber
dem kleinen Tobias.
Dies geschieht mit den Mitteln einer ausgewogenen Dynamik und gipfelt
vorerst nur in einem reflexartigen Aufbegehren Thiels. Er ist zu keiner
Gegenwehr mehr fähig. Aber dann verlieren die Ereignisse plötzlich an
Bedrohlichkeit.
Im dritten Hauptteil überschlagen sich die Ereignisse und erreichen ihren
Höhepunkt. Das zeigt das Zugunglück, und Thiels fürchterliche Rache an
Lene und ihrem Kind.
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Gerhart Hauptmann
Bahnwärter Thiel
Von Gerhart Hauptmann
Gerhart Hauptmanns novellistische Studie “Bahnwärter Thiel” ist 1887
entstanden. Aber sie wurde erst 1988 veröffentlicht. Dieses Buch hat
anspruchslos im schmalen Format den Rang von Weltliteratur. Jedoch
erreicht Gerhart Hauptmann als Erzähler nicht den Rang, den er als
Dramatiker hat. Er leitete mit diesem Werk eine neue Epoche des
deutschen Theaters ein.
Dank
seiner
ausgeprägten
Phantasie,
seiner
scharfen
Beobachtungsgabe und seinem Gespür für Dramatik war er geradezu
geschaffen zum Erzählen und dramatischen Gestalten.
Gerhart Hauptmann war und bleibt ein erdenschwerer Dichter, ein
Deutscher im Gefühl und Wesen. Möglicherweise begreift ihn die heutige
Jugend besser, als jene zu seiner Zeit, wenn sie spürt, wie hart sich
jemand mit Sozialisationsnöten auseinandergesetzt hat wie jeder von
uns und wie hart sich jemand bemühte, dem politisch- gesellschaftlichen
Zeitgeist mit seinen Mitteln entgegenzustellen.
Quelle: Anhang