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Theater
Michael Thalheimer inszeniert »Die Orestie«
Titel, Die Orestie
Autor, Aischylos
Inszenierung, Michael Thalheimer
Bühnenbild, Olaf Altmann
Kostüm, Michaela Barth
Darsteller, Constanze Becker, Lotte
Ohm, Katharina Schmalenberg, Michael
Benthin, Michael Gerber
Termine, 28./29. September, 22. Oktober
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Komprimierte und blutige Inszenierung der Trilogie von Aischylos
w w w. s u m m a c u l t u r a . d e
39. Woche | 2006
Deutsches Theater
Schumannstraÿe 13a
D-10117 Berlin
Kartentelefon
+49(0)30 - 28441225
Info
2006
SUMMA-METER
FFFFF
MEDIEN-ECHO
© Sophie Koller
Inhalt
chaische Familiengeschichte, die Michael Thalheimer blutrünstig
inszeniert. Im ersten Teil ermordet Klytaimnestra ihren Gatten
Agamemnon, der einst Tochter Iphigenie opferte. Im zweiten
Teil wird Klytaimnestra von ihrem Sohn Orest umgebracht. Die
Erlösung durch eine im dritten Teil begründete, von Vernunft
regierte Gesetzlichkeit bleibt Orest hier jedoch verwehrt. Thalheimer komprimiert das mehrstündige Stück auf eindreiviertel
Stunden und konzentriert sich auf die Leiden der Individuen und
ihre mangelnde Lernfähigkeit.
Besonderheit
Alt und neu. Michael Thalheimer nähert seine Inszenierung des
rund 2500 Jahre alten Stücks einerseits wieder an alte Formen
an und treibt sie andererseits davon weg. Der Zuschauerraum des
Deutschen Theaters Berlin bleibt während der Aufführung offen
und (zunächst) hell erleuchtet, was an die damaligen Inszenierungen unter freiem Himmel erinnert. Zugleich wird die Bühne
so verengt und reduziert, dass der Zuschauer näher als üblich an
das Geschehen rückt. Der antike Chor jedoch bleibt unsichtbar,
wenn auch nicht unhörbar. Die kommentierenden, mahnenden
Stimmen erklingen vom zweiten Rang aus.
Kritikenspiegel
Biografisches
Persönlich statt politisch. Zwar überwiegen die positiven Stim-
Michael Thalheimer, *1965 in Frankfurt am Main, zählt zu den
wichtigsten Regisseuren des gegenwärtigen deutschsprachigen
Theaters. Thalheimer, der seine Karriere zunächst als Schauspieler begann und 1997 seine erste eigene Inszenierung in Chemnitz
herausbrachte, versteht sich vor allem auf die groÿen Klassiker
des Theaters, obwohl ihm unter anderem seine Adaption von
Thomas Vinterbergs Dogma-Film Das Fest 2000 in Dresden
zum Durchbruch an den groÿen Häusern verhalf. Seine Inszenierungen sind geprägt von ihrer teils radikalen Komprimierung
sowie von einem intensiven Einsatz von Musik. Vor allem das
Wort sowie die Menschen und ihre Beziehungen stehen bei ihm
im Vordergrund. Hinzu kommen die extrem reduzierten Bühnenbilder von Olaf Altmann, mit dem Thalheimer meist zusammenarbeitet. Auch international sorgte er bereits für Aufsehen. Seine
Inszenierung von Lessings Emilia Galotti beispielsweise, die in
Berlin noch immer ein ausverkauftes Haus garantiert, gastierte
bislang in Moskau, New York und Tokio.
Blut und Rache. Erbarmungslos erzählt Aischylos' Trilogie eine ar-
men zu Michael Thalheimers Inszenierung der Orestie , doch
herrscht insgesamt eine Uneinigkeit, der Simone Kaempf (taz) auf
den Grund geht: Wer die griechische Tragödie als Geburtsstunde der politischen Demokratie, gar als Schatz der humanistischen
Philosophie betrachtet, wird über den Abend fluchen wie die alten
Rachegöttinnen. Sie selbst lobt jedoch: Thalheimer hat seine
Version der 'Orestie' unerschrocken von der rationalen Groÿaufnahme auf das Schicksal des Einzelnen gelenkt ... Das ist ein
so plausibler wie emotional packender Zugriff. Peter Michalzik
(FR) hingegen vermisst die politische Dimension und hat ein
leer geleiertes Stück gesehen. Thalheimer belebt das Stück
nicht, sondern entsorgt es. Ebenso zeigt sich Hartmut Krug
(DLF) enttäuscht. Den Chor bezeichnet er als Schwäche der
Inszenierung , weil bei fehlender körperlicher Präsenz auch
die rhythmisierte ... Intonation doch recht spannungslos und
monoton klingt . Dieses Konzepttheater sei allenfalls ein
ordentlicher Versuch . Obwohl Irene Bazinger (FAZ) die Aufführung stellenweise trocken findet, sei dies doch eine brillant
verknappte ... Inszenierung, die Peter Steins druckvolle Übersetzung zupackend rafft . Sie beweise eindringlich, dass niemand
seiner eigenen Geschichte ... entkommt . Als geradezu greifbar
und erstickend fühlbar erlebte Reinhard Wengierek (Die Welt)
das Stück, als erschreckendes und verstörend gegenwärtiges Zertrümmerungskunstwerk . Heimlicher und zugleich unheimlich
zwiespältiger Hauptdarsteller sei der unsichtbare Chor. Thalheimer sei, ganz im Sinne des Autors, ein kühl warnendes,
heutigen Wahn aufklärerisch fest an den Hörnern packendes
Lehrstück gelungen mit einem Finale der Unerlöstheit, das
uns alle groÿ und trefflichst spiegelt .
Ähnliche Werke
Der antike Stoff um die Familie des Agamemnon - das Schicksal
der Tochter Iphigenie, der Gattenmord durch Klytaimnestra, die
Rache durch den Sohn Orest - ist in unzähligen Dramen und anderen literarischen Werken wieder aufgenommen worden. Vor
rund 2500 Jahren verfasste neben Aischylos, dessen Stück auf
458 v.Chr. datiert ist, auch Sophokles in Elektra (415 v.Chr.)
seine Version der Geschichte. Während Orests Handeln bei Sophokles durch den Befehl der Götter zweifelsfrei legitimiert ist,
schlieÿt sich Euripides mit seiner Elektra (413 v.Chr.) wieder
mehr an Aischylos an und erlegt seinem Orest stärkere Zweifel
auf.
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