Bedürfnisse

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Bedürfnisse
VO Wirtschaftspsychologie I
(Wahlfachmodul)
200151, WS2010/11
Dr. Eva Hofmann
Menschenbilder
Menschenbilder
Economic man
Organisationsverständnis
technisches System
Gestaltungskonzepte
Organisationsstrukturen
Bewertungskriterien
tayloristische
Rationalisierung
zentral/bürokratisch, auf
Einzelbasis
Wirtschaftlichkeit,
Schädigungsfreiheit
Zufriedenheit,
Wohlbefinden
Social man
soziales System
Human Relations
zentral/bürokratisch, auf
Gruppenbasis
Selfactualizing man
soziotechnisches
System
Aufgabenerweiterung
dezentral/flach auf
Einzel- oder
Gruppenbasis
Persönlichkeitsförderlichkeit
Complex man
soziotechnisches
System
Individualisierungskonzepte
dezentral/flach auf
Einzel- oder
Gruppenbasis
Persönlichekeitsförderlichkeit
Social Man
• Der arbeitende Mensch wird im Wesentlichen
von sozialen Motiven geleitet als von materiellen
Anreizen.
• Das Zugehörigkeitsgefühl zur Organisation und
die Identität hängen von seinen sozialen
Beziehungen ab.
• Der/die ArbeitnehmerIn handelt eher nach
informellen Regeln seiner/ihrer Gruppe als nach
offiziellen Regeln der Organisation.
Die Hawthorne Studien
(Mayo, 1933; Roethlisberger & Dickson, 1939)
1924-32 in der Western Electric Company
Die Hawthorne Studien
Ausgangslage:
– Unbefriedigende Produktionsziffern
– Hohe Kündigungsraten
Studie: Gruppe von Frauen hatte die Aufgabe
Telefonrelais zu montieren.
– UV: Beleuchtung, Arbeitszeit und Arbeitspausen
– AV: Arbeitsleistung, Verhalten und Gesundheit
– Interviews mit Versuchsteilnehmerinnen und 20.000
Mitarbeiter der Hawthorne Werke
UV … unabhängige Variable
AV … abhängige Variable
Die Hawthorne Studien
Ergebnisse irritierend!
Arbeitsleistung verbesserte sich immer
– Verstärkung der Beleuchtung
– Einführung zusätzlicher Pausen
– bei Abgabe einer kleinen Zwischenmahlzeit
– bei Verkürzungen der täglichen Arbeitszeit
– bei Rücknahme all dieser Änderungen
Resultate als Effekte der sozialen Situation
– Gespräche zwischen den Arbeiterinnen und Studienleitern
– informelle Kontakte zwischen den Arbeiterinnen
Die Bedeutung informeller sozialer Beziehungen innerhalb
formaler Organisationsstrukturen war erkannt!
Kritik an den Hawthorne Studien
McIlvaine Parsons (1970er Jahre)
Mayo und Mitarbeiter haben wichtige Informationen unterschlagen …
Testpersonen arbeiteten unter privilegierten Bedingungen, erhielten
bessere Löhne; wurden von den gar nicht so freundlichen Studienleitern
mehrfach wegen Schwatzhaftigkeit gerügt. Ihnen wurde sogar angedroht,
wieder an ihre alten Arbeitsplätze zurückgeschickt zu werden, wenn sie
ihre Arbeitsleistungen nicht steigern würden. Zwei Frauen wurden durch
"kooperationswillige" ersetzt. Teilnehmerinnen erhielten ein
regelmäßiges Leistungs-Feedback und die Aufforderung, so schnell
wie möglich zu arbeiten.
Hawthorne-Effekt ist (teilweise) ein Mythos!
ABER
hat Sichtweise über organisatorische
Arbeitsbedingungen fundamental
verändert!
Verdienst der Hawthorne Studien
Human-Relations-Bewegung
•
•
•
•
Schock der Hawthorne-Studien
Motivation durch Lohn und Sozialkontakte
Ökonomische Funktion => Produkterzeugung
Soziale Funktion => Zufriedenheit
Organisationstheorien
auf dem Menschenbild Social Man beruhend
Organisationen werden so strukturiert, dass
Gruppen von ArbeitnehmerInnen und ihr
Wohlbefinden in der sozialen Situation im
Vordergrund stehen.
»Partizipative Theorie (Likert, 1961)
Partizipative Theorie (Renis Likert, 1961)
Ausgangssituation:
Analyse der Schwachstellen autoritärer
Organisationsformen
– Wenig Entscheidungsgewalt für MitarbeiterInnen
– Entscheidungen werden auf hierarchisch höchster Ebene
getroffen
– Fehlende Transparenz über Hintergründe der Entscheidungen
wenig Einblick in Ziele der Organisation
– Starke Kontrolle notwendig
– Nur kurzfristige Produktionssteigerungen
– Hohe Fehlzeiten und Fluktuation
Partizipative Theorie
Autoritäre Systeme
Partizipative Systeme
„Theorie von den vier Systemen“
1 –ausbeutend autoritäres System
2 –wohlwollend autoritäres System
3 –beratendes System
4 -Gruppensystem
• Kontinuierlicher Übergang vom klassischen Ansatz (1) zur idealen
Umsetzung eines partizipativen Systems (4)
• Im System 4 sollten die Schwachstellen des autoritären Systems
überwunden sein
• Motivation der Mitarbeiter entsteht aus Mitbestimmung und der
stärkeren Identifikation mit den Zielen der Organisation (Transparenz)
Partizipative Theorie
(4) Gruppensystem: Überlappende Arbeitsgruppen
Partizipation ist nur sinnvoll,
wenn die Kommunikation in beider Richtungen
verläuft
Elemente des
„Social Man“ Menschenbildes
• Das Organisationsverständnis konzentriert sich primär auf das
Soziale System.
• Individuen haben nicht nur materielle Motive, sondern auch soziale
Motive, Werte und Einstellungen. Gefühle spielen eine wichtige
Rolle.
• Die Auswahl der MitarbeiterInnen basiert auf Überlegungen der
Übereinstimmung der Werte der Mitarbeiter. Formale Kriterien und
Fähigkeiten zur Aufgabenerledigung sind weniger wichtig, als das
Verständnis des Teams.
• Informelle Kommunikationsstrukturen innerhalb der Organisation
sollen gefördert werden.
• Bewertungskriterien für „gute“ Organisationen sind Zufriedenheit
und psychosoziales Wohlbefinden.
Menschenbilder
Menschenbilder
Economic man
Organisationsverständnis
technisches System
Gestaltungskonzepte
Organisationsstrukturen
Bewertungskriterien
tayloristische
Rationalisierung
zentral/bürokratisch, auf
Einzelbasis
Wirtschaftlichkeit,
Schädigungsfreiheit
Zufriedenheit,
Wohlbefinden
Social man
soziales System
Human Relations
zentral/bürokratisch, auf
Gruppenbasis
Selfactualizing man
soziotechnisches
System
Aufgabenerweiterung
dezentral/flach auf
Einzel- oder
Gruppenbasis
Persönlichkeitsförderlichkeit
Complex man
soziotechnisches
System
Individualisierungskonzepte
dezentral/flach auf
Einzel- oder
Gruppenbasis
Persönlichekeitsförderlichkeit
Selfactualizing Man
• ArbeitnehmerInnen streben nach Selbstverwirklichung. Motiv zur
Arbeit ist der darin liegende Sinn. Dies ist erst möglich, wenn niedere
Bedürfnisse befriedigt sind (siehe Maslows Motivationskonzept).
• Bedürfnis sich weiterzuentwickeln.
Nur möglich, wenn…
» autonome Entscheidungen möglich sind,
» Chancen auf längerfristige Entwicklung bestehen, und
» die Möglichkeit auf Veränderungen flexibel zu reagieren gegeben ist.
• Zwischen individuellem Streben nach Selbstverwirklichung und
Organisationszielen besteht nicht zwingend ein Konflikt!
• Menschen sind primär intrinsisch motiviert.
Extrinsische vs. intrinsische
Motivation
Beispiel:
Ein alter Mann wurde täglich von den Nachbarskindern gehänselt und
beschimpft. Eines Tages griff er zu einer List. Er bot den Kindern eine
Mark an, wenn sie am nächsten Tag wiederkämen und ihrer
Beschimpfungen wiederholten. Die Kinder kamen, ärgerten ihn und
holten sich dafür eine Mark ab. Und wieder versprach der alte Mann:
„Wenn ihr morgen wiederkommt, dann gebe ich euch 50 Pfennige.“
Und wieder kamen die Kinder und beschimpften ihn gegen Bezahlung.
Als der alte Mann sie aufforderte, ihn auch am nächsten Tag, diesmal
allerdings gegen 20 Pfennige zu ärgern, empörten sich die Kinder: Für
so wenig Geld wollen sie ihn nicht beschimpfen. Von da an hatte der
alte Mann seine Ruhe. (nach Sprenger, 2002)
Extrinsische vs. intrinsische
Motivation
Extrinsische
Intrinsische
Motivationsfaktoren
Motivationsfaktoren
Bezahlung
Lob
Anerkennung
Freude an der Arbeit
Selfactualizing Man
• Die Aufgabe von Führungskräften liegt nicht primär in der
Kontrolle, sondern im Anregen, Unterstützen, und
Fördern.
• Im Unterschied zum „Social Man“ liegt der Fokus auf dem
Individuum statt auf der Gruppe.
• Führungskräfte sind Mediatoren zwischen
Organisationszielen und ArbeiternehmerInnen und sollen
als Katalysatoren für individuelle Arbeitsbedingungen
sorgen, die Selbstverwirklichung ermöglichen.
Defizitmotive
Wachstumsmotive
Bedürfnispyramide (Maslow, 1958)
Selbstverwirklichung
Ich-Motive (Erfolg, Status, Anerkennung)
Soziale Motive (Kontakt, Liebe, Zugehörigkeit)
Sicherheitsmotive (Schutz, Angstfreiheit)
Physiologische Grundbedürfnisse (Hunger, Durst)
Die Aktivierung höherer Bedürfnisse hängt davon ab, ob rangniedrigere Bedürfnisse ausreichend befriedigt sind oder nicht.
Kritik an der Bedürfnispyramide
• Interindividuelle Unterschiede in der Frage, ab wann
ein Bedürfnis befriedigt ist.
• Hierarchische Anordnung nicht haltbar.
• Bedürfnisklassen sind nicht eindeutig trennbar (Bsp.
Essen).
• Bedürfnisse können substituiert werden, wenn sie nicht
befriedigt werden.
• Wird stark von den Werten, Zielen und Normen der
sozialen Gruppe beeinflusst.
ERG-Theorie (Alderfer, 1969)
• Existence
– Existenzbedürfnisse (Sicherung der materiellen
Existenz; siehe Maslow 1.+2. Bedürfnisebene)
• Relatedness
– Soziale Bedürfnisse (zwischenmenschliche
Interaktion; siehe Maslow 3.+4. Bedürfnisebene)
• Growth
– Entfaltungsbedürfnisse (persönliche Entwicklung;
siehe Maslow 5. Bedürfnisebene)
ERG-Theorie
Prinzipien
1.
2.
3.
4.
Frustrations-Hypothese: Ein nicht befriedigtes
Bedürfnis wird dominant.
Frustrations-Regressions-Hypothese: Wird ein
Bedürfnis nicht befriedigt, so wird das hierarchisch
niedrigere dominant.
Befriedigungs-Progressions-Hypothese: Durch die
Befriedung eines Bedürfnisses wird das hierarchisch
höhere aktiviert.
Frustrations-Progressions-Hypothese: Frustration
eines Bedürfnisses kann zur
Persönlichkeitsentwicklung beitragen und auch höhere
Bedürfnisse aktivieren.
Hierarchische Ordnung der Bedürfnisse wurde aufgelöst
ERG-Theorie
Grundaussagen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Je weniger die Grundbedürfnisse befriedigt werden, desto
stärker werden sie.
Je weniger die sozialen Bedürfnisse befriedigt werden, desto
stärker werden die Grundbedürfnisse.
Je mehr die Grundbedürfnisse befriedigt werden, desto stärker
werden die Sozialbedürfnisse.
Je weniger die Sozialbedürfnisse befriedigt werden, desto
stärker werden sie.
Je weniger die Entfaltungsbedürfnisse befriedigt werden, desto
stärker werden die Sozialbedürfnisse.
Je mehr die Sozialbedürfnisse befriedigt werden, desto stärker
werden die Entfaltungsbedürfnisse.
Je mehr die Entfaltungsbedürfnisse befriedigt werden, desto
stärker werden sie (Wachstumsbedürfnisse).
ERG-Theorie
Prinzipien
Frustration des
Bedürfnisses
E (Grundbedürfnisse)
(P3, G3)
(P1, G4)
(P2, G5)
G (Entfaltungsbedürfnisse)
Befriedigung des
Bedürfnisses
(P1, G1)
(P2, G2)
R (Soziale
Bedürfnisse)
Stärke des
Bedürfnisses
(P3, G6)
(P4, G7)
Anmerkung: Bezug zu Alderfers Theorie: P = Prinzip, G = Grundaussage.
Zwei-Faktoren-Theorie
(Herzberg, Mausner & Snyderman, 1959)
Methode
„Critical
Incidences“
Denken Sie an eine Zeit, in der sich ungewöhnlich
unangenehme Gefühle aus Ihrem Studienalltag
ergaben.
Erzählen Sie mir bitte, was dabei geschah!
Denken Sie an eine Zeit, in der sich ungewöhnlich
angenehme Gefühle aus Ihrem Studienalltag
ergaben.
Erzählen Sie mir bitte, was dabei geschah!
Zwei-Faktoren-Theorie
(Herzberg, Mausner & Snyderman, 1959)
Motivatoren
„satisfyers“
keine
Unzufriedenheit
(bessere Kontextbedingungen)
Zufriedenheit
(bessere Kontentbedingungen)
keine Zufriedenheit
(schlechtere Kontentbedingungen)
Unzufriedenheit
(schlechtere Kontextbedingungen)
Hygienefaktoren
„dissatisfyers“
Zwei-Faktoren-Theorie
Beispiele für Hygienefaktoren und Motivatoren
Hygienefaktoren (dissatisfiers)
Motivatoren (satisfiers)
• Führungsstil
• Unternehmenspolitik und
-verwaltung
• äußere Arbeitsbedingungen
• Beziehungen zu KollegInnen und
Vorgesetzten
• Status
• Arbeits-, Krisensicherheit
• Gehalt & Sozialleistungen
• persönliche berufsbezogene
Lebensbedingungen
•
•
•
•
•
Leistung/Tätigkeit selbst
Anerkennung der eigenen Leistung
Verantwortung
Aufstieg und Weiterentwicklung
Möglichkeit zum Wachstum
Zwei-Faktoren-Theorie
Folgerungen für die Arbeitsgestaltung
Motivatoren sind so wichtig wie Hygienefaktoren
• Klare Ziele der Aufgabe sollten vorgegeben sein, und
Rückmeldung über den Grad der Zielerreichung soll rasch
erfolgen
• Ausweitung individueller Handlungsspielräume
• Aufstiegsmöglichkeiten sollten gegeben sein
• Die Möglichkeit zum persönlichen Wachstum durch
Ausdehnung des Handlungsspielraums muss gegeben sein
Kritik an der Zwei-Faktoren-Theorie
• Ergebnisse könnten ein Artefakt der Methode
kritischer Ereignisse sein.
• Die Zwei-Faktoren-Theorie wurde als
Motivationstheorie formuliert, ist aber eher der
Arbeitszufriedenheitsforschung zuzuschreiben.
Der Zusammenhang ist fraglich!
• Generelle Zufriedenheit wurde nicht erfragt.
Könnte sein, dass zwar einzelne Aspekte
genannt wurden, die Un-/Zufriedenheit
auslösten, aber generell Zufriedenheit herrscht.
Organisationstheorien
auf dem Menschenbild Selfactualizing Man beruhend
Die Organisationsstruktur soll die
Selbstverwirklichung und die Autonomie der
ArbeitnehmerInnen unterstützen.
»Theorie XY (McGregor, 1960)
Theorie X & Theorie Y (McGregor, 1960)
Die Führungskraft
• ist verantwortlich für Produktivität einer
Organisation und
• muss MitarbeiterInnen leiten, motivieren,
kontrollieren und ihr Verhalten lenken.
Führungsstil und –verhalten hängen davon
ab, welches Menschenbild die Führungskraft
vertritt.
Theorie X & Theorie Y
McGregor unterscheidet zwei Menschenbilder:
Die Theorie X:
– Der Durchschnittsmensch ist von Natur aus träge,
arbeitsscheu und ohne Ehrgeiz.
– Er muss durch Belohnungsanreize und Sanktionen
zur Arbeit angehalten werden.
– Er übernimmt ungern Verantwortung und will geführt
werden.
Solche Ansichten führen zu einem Führungsstil, der
auf Kontrolle und Autorität beruht.
Theorie X & Theorie Y
McGregor unterscheidet zwei Menschenbilder:
Die Theorie Y:
– Der Durchschnittsmensch ist nicht passiv und
Organisationszielen gegenüber nicht gleichgültig.
– Er ist motiviert und will sich weiterentwickeln.
– Er ist bereit Verantwortung zu übernehmen.
Solche Ansichten führen zu einem Führungsstil, der
auf Partizipation und Selbstkontrolle der
MitarbeiterInnen basiert
Theorie X & Theorie Y
bestätigt
Theorie X
Verantwortungsscheu,
keine Initiative
führt zu
verstärkt
Initiative und
Verantwortungsbereitschaft
führt zu
daraus folgt
Strenge Kontrollen
und Vorschriften
Passives
Arbeitsverhalten
bewirkt
Theorie Y
daraus folgt
Handlungsspielraum,
Selbstkontrolle
Engagement für
die Arbeit
bewirkt
Nächster Termin: 22.10., 10:15 pünktlich,
Hs. III, NIG
http://psychologie.univie.ac.at/eee/studium/
wirtschaftspsycholgie/wahlfachmodul/