2010-11-09 Auf Gute Nachbarschaft

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Auf gute Nachbarschaft
Artikel aus der Nord-Rundschau vom 09.11.2010
Zuffenhausen. Christen und Muslime haben am Sonntag gemeinsam die Pauluskirche und die Moschee
besucht. Von Leonie Hemminger
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Vieles ist anders, aber doch auch manches ähnlich in den christlichen und muslimischen Gotteshäusern. Das zeigte
sich am Sonntag bei einer Führung durch die evangelische Pauluskirche an der Unterländer Straße und die Moschee
der Ismalischen Gemeinde Zuffenhausen, die nur etwa 500 Meter weiter an der Markgröninger Straße in einem
Wohnhaus untergebracht ist. Etwa 30 Christen und Muslime hatten sich der Führung angeschlossen, die die
Evangelische Kirchengemeinde und die Islamische Gemeinde zum ersten Mal gemeinsam veranstaltet haben. Sich
besser kennen zu lernen, war das Ziel der gegenseitigen Besuche.
In der Pauluskirche hieß Pfarrer Dieter Kümmel die Gäste herzlich willkommen und stellte die Kirche zunächst
räumlich vor. Altar, Kanzel und Taufbecken zeigte er als die zentralen Merkmale. Fast täglich ist das Gotteshaus für
Gemeindemitglieder oder Besucher geöffnet. "Man kann hier sitzen, beten, meditieren oder in der Bibel lesen",
sagte Kümmel. Sonntags wird gemeinsam Gottesdienst gefeiert. "Wir glauben, dass Jesus an einem Sonntag
auferstanden ist. Deshalb feiern wir bis heute an diesem Tag", erklärte der Pfarrer. Allerdings sei die Kirche nur an
etwa 15 Tagen im Jahr voll, etwa an Weihnachten oder bei Schulgottesdiensten. Von den 5600 Gemeindegliedern,
die zu den drei evangelischen Kirchen in Zuffenhausen gehörten, besuchten an normalen Sonntagen etwa 80 bis 90
den Gottesdienst. "Wir leiden sehr darunter, dass wir immer weniger werden. Das macht uns ein wenig Sorgen",
sagte Kümmel. Jedes Jahr verliere die Gemeinde etwa 100 Mitglieder. Vor 30 Jahren hätten noch dreimal so viele
Menschen zur Evangelischen Kirchengemeinde Zuffenhausen gehört.
Doch nicht nur am Sonntag treffen sich die Christen, sondern auch unter der Woche gibt es verschiedene
gemeinsame Aktivitäten. "Der Gottesdienst ist nur ein Teil unserer Kirche", stellte Kümmel klar. Frauenkreise,
Musikgruppen, gemeinsame Mittagessen oder diakonische Gruppentreffen machten das Gemeindeleben aus. Dass
seit dem Umbau der Kirche in den 80er Jahren Stühle statt festen Sitzbänken aufgestellt sind, ermögliche, dass der
Raum ganz vielfältig nutzbar sei. "Die Stärke dieser Kirche ist nicht unbedingt, dass sie ein Sakralraum ist, sondern,
dass Menschen hier zusammenkommen und sich wohl fühlen."
Der anschließende Aufstieg auf den 43 Meter hohen Kirchturm und eine Vorführung der Orgel beeindruckte nicht
nur die Muslime, sondern ließ auch die Christen nicht schlecht staunen. Die Moschee konnte man vom Turm aus im
Häusermeer bereits ausmachen, und so ging es danach auch gemeinsam nach nebenan. Dort hieß es erst einmal:
Schuhe ausziehen. Und schon war der Rollentausch vollzogen, denn nun waren die vormaligen Gastgeber Gäste und
umgekehrt.
Seit 1994 besteht das islamische Gotteshaus an der Markgröninger Straße. Etwa 100 zahlende Mitglieder gehören zu
der Gemeinde. "Das ist nicht sehr viel. Wir hoffen genau wie Sie, dass es nicht weniger wird", sagte Emel Kazanç,
die aktives Gemeindemitglied ist. Dann konnten die christlichen Besucher das Kernstück des islamischen Glaubens
beobachten, denn es war Zeit für das Nachmittagsgebet. Der Ruf des Muezzins, der innerhalb des Gebäudes per
Lautsprecher übertragen wurde, gehörte genauso dazu wie der Imam, der das Gebet vorsprach. Gen Mekka
verbeugten sich die Muslime tief und murmelten dabei auf arabisch ihr Gebet zu Allah. Nur Männer nahmen daran
teil, denn die Frauen hatten sich parallel dazu im ersten Stock versammelt. "Wir wollen nicht, dass ein Mann hinter
uns steht und uns zusieht. Denn die Konzentration soll ganz auf Allah gerichtet sein", erklärte Kazanç. Dass die
Gebete aber unter den Geschlechtsgenossen gemeinsam und auch körperlich nah beieinander stattfinden, sei für die
Muslime ausgesprochen wichtig, erklärte sie.
Der Gebetssaal erinnerte die Besucher ein bisschen an 1001 Nacht, so wunderbar orientalisch verziert war der
Raum. Genau wie in der Pauluskirche ist auch die Moschee ein Ort, an dem sich die Gemeindemitglieder treffen und
austauschen können. "Der Gebetsraum ist das Zentrum der Moschee. Hier wird gebetet und gefeiert, man trifft sich
zum diskutieren oder Fragen stellen", sagte Kazanç. Genau wie in einem Kirchenraum gab es auch eine Kanzel, von
der der Imam freitags predigt. "Er kann sich das Thema selbst aussuchen. Vielleicht redet er auch über Fußball,
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wenn gerade WM ist. Er soll mit seiner Predigt auf jeden Fall auch die Integration fördern."
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