Die Auswirkungen der Aktion „Weichsel“ auf die kulturelle Identität
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Die Auswirkungen der Aktion „Weichsel“ auf die kulturelle Identität
Die Auswirkungen der Aktion „Weichsel“ auf die kulturelle Identität der Ukrainer in Polen Merle Schmidt Welche Folgen haben Umsiedlungen und Vertreibungen? Wie lange wirken sie sich auf die nachfolgenden Generationen aus, insbesondere im Hinblick auf Erinnerungskultur und kulturelle Identität? Diese Fragen sind auch über 60 Jahre nach dem Ende der Vertreibungen als Folge des Zweiten Weltkriegs relevant, da wir in einem Jahrzehnt leben, in dem es langsam zum Aussterben der betroffenen Generation kommt und somit zwangsläufig ein Bruch in der Erinnerungskultur geschehen wird. In Deutschland verbindet man mit dem Thema Vertreibungen häufig die Vertreibungen der Deutschen aus Polen. Dass es zu dieser Zeit allerdings auch zu Vertreibungen anderer Minderheiten kam, ist meist wenig bekannt. Aus diesem Grund behandelt dieser Essay die Umsiedlungen und Vertreibungen der Ukrainer aus Polen. Polen und Ukrainer haben jahrhundertelang größtenteils friedlich gemeinsam in Mittel- und Osteuropa gelebt. Teilweise war dieses Leben aber auch verbunden mit gewaltsamen Konflikten, wie beispielsweise 1943 in Wolhynien, als die Ukrainische Aufständische Armee (UPA) Massaker an der dort lebenden polnischen Bevölkerung verübte und mindestens 40.000 Polen getötet wurden. Deswegen sahen es die Polen und die Alliierten nach Ende des Kriegs als beste Lösung an, beide Völker zu trennen, indem es zunächst zu einem Bevölkerungsaustausch und später zu Vertreibungen kam. Diese Umsiedlungen und Vertreibungen fanden in den Jahren 1944 bis 1947 statt und entwickelten sich von einem freiwilligen und friedlichen Vorhaben zu einer erzwungenen und brutalen Maßnahme, die im April 1947 in der Aktion „Weichsel“ gipfelte. Im Zuge dieser Aktion wurden etwa 140.000 Ukrainer, die vor allem in Südostpolen lebten und sich weigerten, in die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik zu gehen, vertrieben. Den größten Teil siedelte die polnische Regierung in den neuen Landesteilen im Norden und Westen, die nach der Westverschiebung polnisch wurden, an. Damit verfolgte die polnische Regierung das Ziel, die ukrainische Kultur in Polen zu zerstören. Ein weiteres Ziel war die Liquidierung der Ukrainischen Aufständischen Armee. Die polnische Regierung ging mit Unterstützung der Sowjetunion äußerst brutal vor. Von Ukrainern bewohnte Dörfer wurden im Zuge der Aktion „Weichsel“ früh morgens von Militär umzingelt, der Bevölkerung wurden nur wenige Stunden gegeben, ihre Sachen zu packen, bevor sie zum nächstgelegenen Sammelpunkt gebracht wurde. Die darauf folgende Neuansiedlung fand unter strengsten Regeln statt: Ukrainern war es untersagt, näher als 50 km zu einer Landesgrenze und 30 km zur Küste zu wohnen. Des Weiteren durfte der Anteil der Ukrainer an der Bevölkerung in einem Ort nicht mehr als zehn Prozent betragen. Bis 1956 wurde die Einhaltung dieser Regeln streng vom polnischen Staat kontrolliert. Die Folgen der Aktion „Weichsel“ Die Ukrainer durften ihren Wohnort nicht selbstbestimmt wechseln. Außerdem war es ihnen untersagt, ihre Sprache, Kultur und Religion zu leben und zu pflegen. Das hatte zur Folge, dass sich das Ausüben der ukrainischen Kultur in den ersten Jahren nach der Umsiedlung ausschließlich auf den privaten Rahmen beschränkte. Eine weitere Folge dieser Verbote war der vorübergehende Verlust des kulturellen Erbes wie beispielsweise religiöser Heiligtümer, da es den Ukrainern nicht möglich war, ihre Kulturgüter in die neue Heimat mitzunehmen. Außerdem sahen die Polen, die in die ehemals ukrainisch bewohnten Städte zogen, keinen Anlass dazu, fremde Kulturgüter zu pflegen und zu bewahren, mit denen sie sich nicht identifizieren konnten. In Folge der Vertreibungen verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Polen und Ukrainern. Man könnte glauben, dass beide aufgrund der Tatsache, sich in der Fremde ein neues Leben aufbauen zu müssen, Gemeinsamkeiten feststellen würden, um auf dieser Basis eine eigene neue kulturelle Identität zu bilden. Dieser Fall trat allerdings aufgrund von Feindseligkeiten und fehlendem gegenseitigen Vertrauen nicht ein. Dieses Leben in einer neuen Heimat und in relativer Isolation, verbunden mit den oben genannten Verboten, führte bei einem Großteil der in Polen lebenden Ukrainer zu einem Trauma und großer Verbitterung. Dieser Zustand änderte sich erst ab 1956 mit dem Einsetzen der Liberalisierung, die viele neue Rechte für die in Polen lebenden Minderheiten mit sich brachte, wie beispielsweise die Erlaubnis, eine Organisation zu gründen, die Ukrainische Soziokulturelle Vereinigung, oder auch die eigene Sprache zu erlernen und zu sprechen. Ein Resultat der bereits genannten polnischen Ansiedlungspolitik war die Zerstreuung der ukrainischen Minderheit über den gesamten Norden und Westen des Landes. Aufgrund dessen war es für die Ukrainer nach der Liberalisierung 1956 zunächst äußerst schwierig sich zu organisieren, sowohl politisch als auch kulturell und religiös. Diese Auswirkungen sind auch heute noch spürbar, vor allem im Bezug auf die Repräsentanz der ukrainischen Minderheit im polnischen Parlament, aber auch in den Bereichen Verlagswesen und Publizistik, da es aufgrund der Zerstreuung beispielsweise nicht möglich ist, Lokalzeitungen herauszubringen. Die ukrainische Minderheit heutzutage Heutzutage lebt der Großteil der ukrainischen Minderheit wieder in Südostpolen, da viele wegen ihrer engen Verbundenheit mit der Heimat dorthin zurückgekehrt sind. Trotzdem gibt es auch weiterhin viele, die immer noch im Norden und Westen des Landes leben, sodass man nach wie vor von einer starken Zerstreuung sprechen kann. Ein weiteres Problem, mit dem sich die ukrainische Minderheit konfrontiert sieht, sind die bisher noch nicht gezahlten Entschädigungen für die Aktion „Weichsel“. Zwar kam es bereits 1990 zu einer offiziellen Entschuldigung des polnischen Senats, aber die nicht geleisteten Entschädigungen beeinflussen auch weiterhin das Zusammenleben von Ukrainern und Polen auf polnischem Staatsgebiet. Seit 1990 kam es zu einem neuen Aufleben des ukrainischen Nationalgefühls, welches zu Zeiten des Kommunismus aufgrund der von der polnischen Regierung verfolgten Assimilierungspolitik verboten war. Dieses wird auch durch die neu entstandenen ukrainischen Schulen, die Förderung der ukrainischen Sprache und die finanzielle Unterstützung für den Unterhalt ukrainischer Kulturgüter bestärkt. Es gibt außerdem mehrere ukrainische Organisationen. Die größte davon ist der Verband der Ukrainer in Polen (Związek Ukraińców w Polsce), der zugleich auch als Dachverband für viele kleinere Verbände dient. Er ist in Szczecin und Przemyśl am aktivsten. Ukrainische Erinnerungskultur und Identitätsbewahrung Trotz des Lebens in der Diaspora ist es den Ukrainern nach den Vertreibungen gelungen, ihre kulturelle Identität zu bewahren. Zwar waren die Voraussetzungen bis 1956 äußerst schlecht, was zu einem fast kompletten Stillstand des kulturellen Lebens führte, aber danach gelang es ihnen, sich zu reorganisieren. Ein Grund dafür war die große Anzahl der in Polen lebenden Ukrainer. Weitere Faktoren waren die fortbestehenden Kontakte untereinander, die trotz der Verteilung der ukrainischen Bevölkerung nie ganz verloren gingen. Auf diese Weise konnte das kommunikative Gedächtnis bewahrt werden, welches sich durch regelmäßige Interaktion, gemeinsame Lebensformen und geteilte Erfahrungen auszeichnet. Hinzu kommt ein starker Bezug auf die alte Heimat, den alle gemein hatten und über den sie sich als Ukrainer identifizieren konnten. Diese gemeinsame Vergangenheit ist die Grundlage für ein Kollektivgedächtnis, das identitätsstiftend ist und das Selbstbild dieser Gruppe beeinflusst. Dieses Kollektivgedächtnis bildet sich aus dem kulturellen und dem kommunikativen Gedächtnis. Auch heute noch fußt die kulturelle Identität der Ukrainer auf einem intensiv gelebten Traditionalismus, bei dem u.a. die Vergangenheit als Bauernvolk, aber auch die Erfahrungen der Vertreibungen eine große Rolle spielen. Besonders erwähnenswert ist hier, dass sich auch die jüngste Generation über diese Faktoren identifiziert, obwohl sie die Schrecken der Vertreibung nur aus Erzählungen kennt. Damals wie heute werden die Erinnerungen vornehmlich innerhalb der Familie oder in der Kirche weitergegeben. Dies ist umso bemerkenswerter, als die kulturelle Identität einer Gruppe aufgrund von Auswanderung oder Vertreibung an Bedeutung verlieren oder komplett verblassen kann. Bei der ukrainischen Minderheit war das Gegenteil der Fall. Das könnte man damit erklären, dass sie heutzutage wieder in ihrer alten Heimat lebt, wo es einfacher ist, eine kulturelle Identität zu bewahren oder neu aufzubauen. Allerdings entstehen auch neue Konflikte zwischen Ukrainern und Polen, da in Südostpolen eine große Verehrung der Ukrainischen Aufständischen Armee, die brutal gegen Polen gekämpft hat, herrscht. Es werden auf ukrainischer Seite oftmals Heldenlieder über diese Soldaten gesungen und es gibt viele Denkmäler, die an sie erinnern. Einer dieser erinnerungsfördernden Riten ist der Pikulice-Marsch, der jährlich stattfindet, um der im Krieg gefallenen ukrainischen Soldaten zu gedenken. Im Mittelpunkt steht dabei der Friedhof in Pikulice in der Nähe von Przemyśl, auf dem die im polnisch-ukrainischen Krieg gefallenen ukrainischen Soldaten begraben sind. Darüber hinaus wurden 200 Gräber gefallener Soldaten der Ukrainischen Aufständischen Armee ebenfalls dorthin überführt. Kontrovers diskutiert wurde dieser Erinnerungs- und Trauerort im Jahre 2003, als das Büro für die Pflege von Kriegsfriedhöfen von eben diesen Gräbern die Plaketten entfernte. Dieser Fall wurde sogar gerichtlich verhandelt, da die Aktion von den Ukrainern als Schändung ihres Ortes der Trauer und des Gedenkens angesehen wurde. An diesem Beispiel kann man gut sehen, dass es die ukrainische Minderheit in Polen geschafft hat, eine „Gegen-Identität“ zu entwickeln, indem sie sich mit eigenen Ritualen und Festen eindeutig von der dominierenden Kultur der Polen abgrenzt und unterscheidet. Diese Entwicklung ist allerdings auch kritisch zu betrachten, vor allem im Hinblick auf die zweifelhafte Rolle der Ukrainischen Aufständischen Armee während des Zweiten Weltkriegs und danach, als sie u.a. brutal große Teile der polnischen Bevölkerung in Wolhynien ermordete. Die Aktion „Weichsel“ im ukrainischen und polnischen Gedächtnis Die Erinnerung an die Aktion „Weichsel“ wird auf ukrainischer Seite von der Verehrung der Soldaten der Ukrainischen Aufständischen Armee dominiert, die für die ukrainische Unabhängigkeit gekämpft haben und somit eines Märtyrertodes gestorben sind. Diese Erinnerung kommt vor allem durch das Singen von Heldenliedern zum Ausdruck. Andererseits wird der durch diese Soldaten verübten Massaker an der polnischen Bevölkerung in Wolhynien nicht gedacht. Das Gedenken findet insbesondere bei Familienfeiern statt, sodass alle Generationen daran erinnern und nicht nur die direkt betroffenen. Das führt dazu, dass die Aktion „Weichsel“ auch heute noch im Gedächtnis der ukrainischen Minderheit in Polen sehr präsent ist. Auch diese Art der Erinnerung trägt zur Identitätsbildung bei, da die Möglichkeit des Gedächtnisses zu selektieren diese stark unterstützt. Es kommt hierbei zu einer Unterscheidung zwischen wichtig und unwichtig bzw. relevant und irrelevant. Während die Vertreibungen für die Ukrainer von äußerster Bedeutung sind, werden die Massaker in Wolhynien als irrelevant eingestuft. Somit kann man sagen, dass sich die Ukrainer über die Aktion „Weichsel“ identifizieren, sodass dieses Ereignis nicht in Vergessenheit gerät. Aus diesem Grund ist es möglich, von der ukrainischen Minderheit in Polen als Gedächtnisgemeinschaft zu sprechen. Bei der ukrainischen Erinnerung an die Aktion „Weichsel“ ist es wichtig, zwischen der Erinnerung der Opfer und Beteiligten und der Erinnerung, die dem ukrainischen Patriotismus entspringt, zu unterscheiden. Vor allem letztgenannte kann eine verzerrte Wiedergabe des wirklich Geschehenen sein. Auf polnischer Seite sieht diese Erinnerung allerdings anders aus und es kommt unter polnischen Historikern zu Meinungsverschiedenheiten. Diese resultieren vor allem daraus, dass viele der Aktion „Weichsel“ einen positiven Charakter zuschreiben, da sie den Ukrainern genutzt habe. Sie wurden, so die Argumentation, von den unzivilisierten Bergen in das zivilisierte Land im Norden und Westen umgesiedelt, wo sie angeblich wesentlich bessere Lebensvoraussetzungen vorfanden. Die Leiden, die mit der Vertreibung einher gingen, bleiben dabei unerwähnt. Dem gegenüber steht die Meinung der Historiker, für die die Aktion „Weichsel“ unentschuldbar ist. Sie befürworten zwar die Liquidierung der Ukrainischen Aufständischen Armee, allerdings sei die Umsetzung mit Vertreibung aller Ukrainer falsch gewesen. Des Weiteren lehnen sie ein weiteres Ziel der Aktion, die Zerstörung des kulturellen Lebens der Ukrainer, ab. Beiden Seiten ist allerdings gemein, dass die Erinnerung an die Aktion „Weichsel“ immer im Zusammenhang mit den Massakern an der polnischen Bevölkerung in Wolhynien steht, da diese als einer der Auslöser für die Vertreibungen gesehen werden. Die polnisch-ukrainischen Beziehungen Die polnisch-ukrainischen Beziehungen waren zu Beginn der 1990er Jahre zunächst auf beiden Seiten von Argwohn geprägt. Zwar kam es bereits im Juni 1990 zu einer offiziellen Entschuldigung des polnischen Senats für die Aktion „Weichsel“. Die daraufhin erwartete Entschuldigung seitens der ukrainischen Regierung für die Massaker in Wolhynien blieb jedoch aus, sodass die Enttäuschung auf polnischer Seite groß war. Zu einer Entspannung der Lage trug 1991 die Anerkennung der Unabhängigkeit der Ukraine durch Polen bei. Polen war das erste Land, das diesen Schritt vollzog. Großen Einfluss auf die polnischen Entscheidungen hatten in dieser Zeit sowohl die polnische Exilzeitschrift Kultura mit ihrem Chefredakteur Jerzy Giedryc als auch der Leiter der polnischen Abteilung von Radio Free Europe Jan Nowak-Jeziorański. Beide plädierten für gute Beziehungen zwischen Polen und seinen Nachbarn und setzten sich für eine für alle Parteien zufriedenstellende Regelung der Minderheitensituation ein. In Polen selbst kam es zu Beginn der 1990er Jahre zu einer Änderung der bisherigen Geschichtsschreibung. Erstmals wurde die Geschichte der Minderheiten erwähnt. Die Polen sahen sich damit konfrontiert, dass sie nicht nur Opfer, sondern auch Täter waren, was sowohl für Antisemitismus als auch die Vertreibungen gilt. Für die Ukraine bedeutete das Etablieren guter bilateraler Beziehungen zum einen die Loslösung von Russland, die zum anderen mit dem Aufbau von Beziehungen in den Westen einherging. Polen nahm somit für die Ukraine die Rolle der Brücke in den Westen ein. Als es im Mai 1997 in Kiew zu einem Treffen zwischen Aleksander Kwaśniewski und Leonid Kučma kam, fand die lang ersehnte historische Aussöhnung mit dem Unterschreiben einer Erklärung statt. Diese wurde sowohl von beiden Bevölkerungen als auch von beiden Regierungen unterstützt. Einen weiteren Schritt in dem Prozess der Aufarbeitung der Vergangenheit unternahmen Kwaśniewski und Kučma ein Jahr später, als sie in Jaworzno ein Denkmal, das den Opfern der Massaker, Umsiedlungen und Vertreibungen gewidmet ist, errichten ließen. An solchen Gesten der Aussöhnung waren neben den Staatschefs viele private Einrichtungen bzw. Initiativen und Wissenschaftler beteiligt. Neben diesen Einrichtungen schlossen sich viele polnische Zeitungen den Ansichten von Kultura an und setzten sich für gute polnisch-ukrainische Beziehungen ein. Zu nennen sind hier neben den zwei großen Tageszeitungen Gazeta Wyborcza und Rzeczpospolita auch die katholische Wochenzeitung Tygodnik Powszechny. Heutzutage gibt es auf beiden Seiten wegen der Umsiedlungen und Vertreibungen keine Auseinandersetzungen mehr, was bei Historikern wie Timothy Snyder die Frage aufkommen lässt, ob die ethnischen Säuberungen zu diesen Versöhnungen geführt haben könnten und somit notwendig waren. Diese Argumentation kann aber als zweifelhaft angesehen werden, da auf diese Weise die Vertreibungen keinesfalls gerechtfertigt werden können, zumal Mitte der 1940er Jahre mit dieser Entwicklung nicht zu rechnen war. Fazit & Ausblick Die Aktion „Weichsel“ war eine der brutalsten Nachkriegshandlungen in Mittelosteuropa mit fatalen Folgen für die in Polen lebende ukrainische Minderheit. Diese Operation hat nicht nur der Ukrainischen Aufständischen Armee, sondern der gesamten zivilen ukrainischen Bevölkerung geschadet, indem ihre Menschenrechte verletzt wurden. Trotzdem lässt sich feststellen, dass die Aktion „Weichsel“ nie als Einzelereignis betrachtet werden kann, sondern immer in Zusammenhang mit den Massakern in Wolhynien zu sehen ist. Für das kollektive Gedächtnis der Ukrainer ist sie äußerst bedeutend, sie hat großen Einfluss auf die Bewahrung ihrer kulturellen Identität. Somit kann die Aktion „Weichsel“ neben dem Traditionalismus, dem Bezug auf die Heimat und die Vergangenheit als Bauernvolk als eine der Stützen der ukrainischen kulturellen Identität angesehen werden. Es trat also das Gegenteil dessen ein, was die kommunistische Führung Polens mit der Aktion „Weichsel“ erreichen wollte, nämlich die Zerstörung der ukrainischen Kultur und Identität in Polen. Die Aktion „Weichsel“ hat dazu beigetragen, dass die ukrainische Minderheit in Polen ihre Erinnerungskultur bewahrte, wodurch sie eine eigene Identität und ein neues Nationalbewusstsein ausbilden konnte. Allerdings bringt diese Entwicklung auch Schwierigkeiten im Bezug auf die Beziehungen zwischen Polen und Ukrainern in Polen mit sich, da sich die Polen durch den teilweise intensiv gelebten Nationalismus, kombiniert mit der Verehrung für die Soldaten der Ukrainischen Aufständischen Armee, gefährdet fühlen könnten. Um dies zu verhindern, sollte eine Verzerrung bzw. einseitige Auslegung der geschichtlichen Ereignisse seitens der ukrainischen Minderheit, die automatisch durch die oben genannte Verehrung eintritt, vermieden werden. Weiterführende Literatur Buzalka, J. (2007): Nation and Religion. The Politics of Commemoration in South-East Poland. Berlin: LIT Verlag Dr. W. Hopf. Fleming, M. (2010): Communism, Nationalism and Ethnicity in Poland, 1944-1950. London, New York: Routledge. Jasiak, M. (2001): Overcoming Ukrainian Resistence: The Deportation of Ukrainians within Poland in 1947. In Ther, P./ Siljak, A. (Hrsg.): Redrawing Nations. Ethnic Cleansing in East-Central Europe, 1944-1948 Lanham, Boulder, New York, Oxford: Rowman & Littlefield Publishers, Inc., 173-196. Kerski, B. (2004): Die polnisch-ukrainischen Beziehungen am Beginn des 21. Jahrhunderts. In Makarska, R./ Kerski, B. (Hrsg.), Die Ukraine, Polen und Europa. Europäische Identität an der neuen EU-Ostgrenze. Osnabrück: Fibre, 55-65. Leiserowitz, R. (2008): Die unbekannten Nachbarn. Minderheiten in Osteuropa. Berlin: Ch. Links Verlag. Snyder, T. (2003): The Reconstruction of Nations. Poland, Ukraine, Lithuania, Belarus, 1569-1999. New Haven, Conn.: Yale University Press. Ther, P. (2007): Das Jahrhundert der Vertreibung. Die Ursachen von ethnischen Säuberungen im 20. Jahrhundert. In Melville, R. / Pešek, J. / Scharf, K. (Hrsg.), Zwangsmigration im Mittleren und Östlichen Europa. Völkerrecht – Konzeptionen – Praxis (1938-1950) . Mainz am Rhein: Verlag Philipp von Zabern, 19-37.