Revitalisierung – Redevelopment etc.

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Revitalisierung – Redevelopment etc.
Begriffe und Beispiele rund um das anspruchsvolle „Bauen im Bestand“
Refurbishment – Revitalisierung – Redevelopment etc.
– Vom Umgang mit vorgenutzten Gebäuden und Grundstücken
Neben der Neuentwicklung von Gebäuden „auf der grünen Wiese“ wird für die Bau- und Immobilienwirtschaft die Wiedernutzung (bzw. die Verlängerung der Nutzungsdauer) von Bestandsobjekten
immer wichtiger. Dahinter stehen grundsätzliche Überlegungen und daraus folgende konkrete Strategien von Politik und Verwaltungen zum Flächensparen und verdichteten Bauen im Rahmen einer
nachhaltigen Siedlungs- und stärkeren Innenentwicklung. Die Bemühungen, bestehende Gebäude
und Standorte zu erhalten und an neue Anforderungen der Nutzer anzupassen, sollen aber vor allem
drohende oder schon bestehende Leerstände sowie das Brachfallen wertvoller Grundstücke und
Gebäude und somit den Verfall von Bausubstanzen und Immobilienwerten verhindern oder beenden.
Dabei umfasst das Themenfeld nahezu alle Nutzungen und Gebäudetypen, und es lohnt sich, die verschiedenen, in der Diskussion verwendeten Begriffe etwas genauer zu definieren und voneinander
abzugrenzen. Hierbei kann eine neue Arbeitshilfe der gif (Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche
Forschung) zum Thema Redevelopment hilfreich sein – ein Leitfaden für den Umgang mit vorgenutzten Grundstücken und Gebäuden (erschienen Jan. 2016, gratis bestellbar unter www.gifev.de/onlineshop/detail/302). Neben einer Definition der Begriffe und der Thematisierung besonders zu beachtender Fallstricke beim Bauen im Bestand liefert der Leitfaden eine Checkliste für das
Vorgehen im Redevelopment-Prozess und stellt damit für alle mit derartigen Fragen Befassten eine
Arbeitshilfe zur Ertragssteigerung und Risikominimierung bei vorgenutzten Immobilien dar.
Flächenrecycling – Konversion – Redevelopment – Revitalisierung – Refurbishment - Restrukturierung – Relaunch – Renovierung: Begrifflichkeiten und Beispiele
Die Begriffe Recycling, Redevelopment, Revitalisierung, Refurbishment und Restrukturierung sowie
Relaunch und Renovierung von Grundstücken und Gebäuden werden oft undifferenziert verwendet
(oder sogar gleichgesetzt), um verschiedene Formen der (baulichen) Verbesserung von bereits bestehenden Immobilien zu kennzeichnen. In Anlehnung an den gif-Leitfaden lassen sich die Begriffe
wie folgt unterscheiden (vgl. nachfolgende Abb. 1, siehe auch Abb. 2 aus dem gif-Leitfaden. S. 34, in
der Anlage):
Hier Abb. 1 einfügen !!
(Flächen-)Recycling und Konversion: Unter Flächenrecycling oder Flächenreaktivierung wird in
der Planungspraxis und -literatur meist die Wiedernutzbarmachung brachgefallener Flächen von
ehemaligen Industrie- und Gewerbebetrieben oder auch von Infrastrukturanlagen (z.B. Güterbahnhofareale) verstanden, wobei derartige Flächen teilweise enorme Ausmaße annehmen können. Meist
hat man es mit großflächigen Arealen und einer Vielzahl von Grundstücken zu tun, deren Entwicklung als städtebauliches Projekt bezeichnet werden kann. Hierbei werden erste Entscheidungsvorbereitungen und Entwicklungsschritte überwiegend nicht durch Private, sondern durch die öffentliche
Stadtentwicklung und -planung initiiert. Derartige städtebauliche Projekte werden meist in mehreren Etappen abgewickelt, von denen viele dann auch von Privaten durchgeführt werden.
Beispiele für großflächige Flächenrecycling-Projekte sind unter anderem die Entwicklung
des rund 90 ha großen Europa-Viertels nahe der Messe in Frankfurt am Main (D) auf
ehemaligen Güterbahnhofsflächen, die nunmehr mit Wohnungen, Büroflächen, sozialer Infrastruktur, Grün- und Freizeitflächen sowie einem Einkaufszentrum bebaut werden. Ein
ähnliches Neubauprogramm – ebenfalls unter dem Namen Europaviertel – wird derzeit
auch auf dem 20 ha großen Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs nahe dem Hauptbahnhof in Stuttgart (D) realisiert. Noch größer ist das Projekt der HafenCity Hamburg (D), hier
werden auf 240 ha ehemaliger Hafen- und Umschlagsflächen noch weit mehr neue Nutzungen realisiert (u.a. Kreuzfahrtterminal, Hotels, Universität, Parkanlagen etc.). Auch die Entwicklung der Seestadt Aspern auf ca. 240 ha ehemaligem Flugfeld in Wien (A) ist zu den
Flächenrecycling-Projekten zählen.
Demgegenüber stellen z.B. die Erstellung des Einkaufszentrums Mall of Switzerland in Ebikon-Luzern (CH) auf ehemaligen Erweiterungs-Vorratsflächen eines Industrieunternehmens oder die Glattpark-Bebauung auf 145 ha in Zürich (CH), überwiegend mit Wohnungen und Büroflächen, klassische Neuentwicklungen „auf der grünen Wiese“ dar, ebenso wie
z.B. die Planung und abschnittsweise Realisierung der Örestad in Kopenhagen (DK) auf
310 ha.
Der Begriff „Konversion“ (wörtlich: Umwandlung) als eine Spezialform des Flächenrecyclings wird
vornehmlich auf die Umnutzung ehemaliger Militärareale angewandt – wie z.B. Kasernenstandorte
oder Militärflugplätze.
Beispiele für Konversionen sind die geplante, aber noch nicht definitiv beschlossene Neunutzung großer Teile des über 170 ha großen bisherigen Militärflugplatzes Dübendorf
(CH) durch einen Innovationspark oder die Um- und Neunutzung von Teilen des ehemaligen Militärflugplatzgeländes in Zweibrücken (D) durch ein Outlet Center.
Die Übergänge zwischen Flächenrecyclings und Redevelopments sind oft fließend – bei letzteren geht
es zwar ebenso um grundsätzliche neue Nutzungen, allerdings meist auf kleineren Flächen und weniger Grundstücken.
Redevelopment: In den USA wird der Begriff Redevelopment im Allgemeinen dann verwendet,
wenn es um die Wiederbelebung vollständig brachgefallener oder durch bereits massive Leerstände
gekennzeichneter städtischer Quartiere geht. Dabei werden meist auch öffentliche Mittel eingesetzt,
um früher schon einmal genutzte, aber aktuell leer stehende Grundstücke und Gebäude (teilweise
durch bauliche Sanierung und Umbau, teilweise durch Abriss und Neubau) wieder zu beleben, mit
neuen Infrastrukturen zu versehen und neuen Nutzungen zuzuführen.
Hierzulande würde man dafür eher den Begriff „Flächenrecycling“ verwenden, weil dem Begriff
Redevelopment im deutschen Sprachraum weitgehend der für die USA charakteristische
urbanistisch-quartiersbezogene und meist auch der „community action“-bezogene Aspekt einschließlich der Verbindung zum maßgeblichen Einsatz öffentlicher Mittel fehlt. Hierzulande dominieren Begriffsbestimmungen, die sich auf einzelne bestehende Grundstücke und Gebäude beziehen, die
schon einmal genutzt wurden oder immer noch (zumindest teilweise) genutzt werden, sowie auf
entsprechend individuelle (überwiegend private) Investitionen in diese Liegenschaften zum Zwecke
einer Aufwertung und Weiter- oder Neunutzung des bereits vorhandenen Bestandes an Grundstücken und Gebäudesubstanz.
Generell nimmt in der Immobilienwirtschaft der Umgang mit Bestandssituationen und damit verbunden auch das Redevelopment von vor- bzw. aktuell nicht mehr genutzten Bestandsimmobilien
(Grundstücken und Gebäuden) zu. Das „Bauen im Bestand“ mit dem Ziel einer Neunutzung derartiger
Objekte ist keine Besonderheit mehr, sondern wird für alle Beteiligten der Immobilienwirtschaft
zunehmend Bestandteil der täglichen Praxis. Soweit es für die Immobilien-NeubauProjektentwicklung anerkannte Vorgehensweisen gibt, basieren diese überwiegend auf den Erfahrungen im Neubau. Dabei ist das Vorgehen bei Projektentwicklungen auf der „grünen Wiese“ relativ
klar definiert.
Beim Redevelopment geht es um Grundstücke und Gebäude, die schon vorhanden sind, bei denen
aber die bisherige Nutzung weitgehend oder vollständig entfallen ist und die einer neuen Nutzung
zugeführt werden sollen. Hierauf sind die Erfahrungen aus der Projektentwicklung von Immobilien,
welche auf einer von Bebauungen und Nutzungen bislang freien Fläche neu entstehen, zwar weitgehend, aber oftmals nicht 1:1 übertragbar. Es bedarf vielmehr einer Erweiterung und Vertiefung der
bei der Immobilien-Projektentwicklung für Neubauten bewährten Standards und Vorgehensweisen
bzw. einer ergänzenden Berücksichtigung von für das Redevelopment spezifischen Gegebenheiten.
Am ehesten lassen sich die Begriffe „Redevelopment“ und „Revitalisierung“ durch die Nutzungsänderung unterscheiden, die sich im Zuge eines Redevelopments ergibt, weniger durch den in beiden Fällen entstehenden vergleichsweise hohen Investitionsaufwand. Auslöser für ein Redevelopment (und
ähnlich auch für ein Refurbishment und eine Revitalisierung) ist die aufgrund des Lebenszyklus der
Immobilie eingetretene oder sich deutlich abzeichnende Gefährdung der wirtschaftlich-technischen
Effizienz der Liegenschaft und die Einsicht, dass die Realisierung des wirtschaftlichen Potenzials und
eine Verbesserung der Verwertungsmöglichkeit der Liegenschaft einer (umfangreichen) baulichen
Maßnahme bedarf, im Falle eines Redevelopments verbunden mit einer völlig neuen Nutzung der
Immobilien (z.B. Wohnnutzungen auf ehemaligem Industrieareal, Theater in einer ehemaligen Fabrikhalle etc.).
Unter einem Immobilien-Redevelopment ist demnach die Entwicklung (und anschließende bauliche
Realisierung) eines Immobilienvorhabens auf Grundstücken (ausgenommen landwirtschaftliche
Flächen oder „unberührte“ Natur) und in Gebäuden zu verstehen, die bereits heute oder in naher
Zukunft nicht mehr ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden, bei denen also die bisherige Nutzung weitestgehend oder bereits vollständig entfallen ist und die durch
Umbau der bestehenden Gebäude (oder ggf. Abriss und Neubau) einer neuen Nutzung zugeführt
werden sollen. Ein Immobilien-Redevelopment bezieht sich also regelmäßig auf bestehende Grundstücke und Gebäude, die in der Vergangenheit bereits genutzt wurden oder immer noch (zumindest
teilweise) genutzt werden, die aber durch einen bereits aktuell vorhandenen (teilweisen oder vollständigen) oder durch einen voraussichtlich kurzfristig eintretenden und möglicherweise länger
andauernden Leerstand und völligen Entfall der bisherigen Nutzung bedroht sind. Charakteristisch
für ein Redevelopment ist die Absicht, die Liegenschaften für neue Nutzungen baulich umzugestalten
und damit eine Aufwertung des vorhandenen Bestandes an Grundstücken und Gebäudesubstanz
sowie eine neue wirtschaftliche Verwertung der Immobilien zu erreichen.
Um einem länger andauernden Leerstand und völligen Entfall der Nutzung von Immobilien aufgrund
der oben genannten Ursachen entgegenzuwirken und gleichzeitig marktgängige Immobilienprojekte
zu realisieren, bestehen zwei grundsätzliche Möglichkeiten. Diese müssen jedoch, auf Grundlage der
Prüfung möglicher entgegenstehender Belange (z.B. Auflagen aufgrund des Denkmal- oder des
Brandschutzes), stets in die Abwägung der Handlungsalternativen einbezogen werden:
-
einerseits der Abriss obsoleter, nicht mehr genutzter Gebäude mit einem darauffolgenden Neubau für andere Nutzungen
zum anderen die Erhaltung nicht mehr genutzter bzw. akut leerstandsbedrohter Gebäude durch
Investitionen in die Bestandsobjekte, ebenfalls auf eine neue Nutzung zielend.
Ein Redevelopment geht mit der Aufgabe des bisherigen Nutzungszwecks einher und ist dadurch
meist umfassender als eine Revitalisierung oder ein Refurbishment.
Beispiele für Redevelopments auf größeren Flächen sind unter anderem – ohne Erhalt von
Bestandsgebäuden – die Entwicklung des Einkaufszentrums Centro (mitsamt weiteren
Unterhaltungs-und Freizeiteinrichtungen wie z.B. einem Musicaltheater) auf einem Teil des
143 ha großen Geländes des ehemaligen Eisenverarbeitungs-, Stahl- und Maschinenbauunternehmens Gutehoffnungshütte in Oberhausen (D). Ähnlich verhält es sich bei der Entwicklung von Einkaufszentren (teilweise mit weiteren Nutzungen wie Hotels, Museen, Büros etc.) auf anderen ehemaligen Industriearealen, allerdings unter weitgehendem Erhalt
von Bestandsbauten, nämlich jenen einer früheren Textilfabrik wie z.B. in Lodz (PL) – Manufaktura – und einer ehemaligen Brauerei in Poznan (PL) – Stary Browar – oder die Umgestaltung der ehemaligen Fiat-Autofabrik Lingotto in Turin (I). Weitere Beispiele für
Redevelopments mit zumindest teilweisem Erhalt der früheren Bausubstanz sind multifunktionale Projekte auf dem Areal einer früheren Brauerei in Berlin-Moabit (D) – Schultheiss-Quartier – , eines früheren Gaswerks in Wien (A) – Gasometer –, eines früheren Textilveredelungsbetriebs in Basel (CH) – Stücki –, einer ehemaligen Papierfabrik in Zürich
(CH) – Sihlcity –, eines ehemaligen Giesserei- sowie Maschinen- und
Lokomotivbaubetriebes in Winterthur (CH) – Kesselhaus und Lokwerk –, eines früheren
Lebensmittelbetriebs in Lenzburg (CH) – Hero – und einer ehemaligen Metall- und Glasgießerei in Bülach (CH) – Bülachguss. Vorwiegend Wohnungen werden auf dem Gelände
eines ehemaligen Zollfreilagers in Zürich (CH) gebaut. Ähnliches ist auf dem Gelände des
ehemaligen Robotron-Werks in Dresden (D) geplant, wobei dort die alten Industriegebäude weitestgehend abgerissen werden.
Auch mittelgroße Güterbahnhofsareale sind schon mehrfach Gegenstand von
Redevelopments gewesen, so z.B. in Hamburg-Barmbek (D) – Wohnbauten im Stadtparkquartier – oder in Düsseldorf-Derendorf (D) – Wohn- und Bürobauten im Gebiet Neue
Stadtquartiere Derendorf.
Als Redevelopments auf kleineren Flächen (ohne Erhalt der Bestandsbauwerke) lassen sich
die Errichtung von Einkaufszentren auf ehemaligen Schlachthofflächen in Bayreuth (D) –
Rotmain-Center – bzw. auf der Fläche eines ehemaligen Eisenwerks sowie Anlagen- und
Maschinenbauunternehmens in Bad Oeynhausen (D) – Werrepark – anführen, ebenso die
Errichtung eines Einkaufszentrums auf dem Areal einer ehemaligen Schuhfabrik in Klagenfurt (A) – City-Arkaden – oder auf einem ehemaligen Brauereigelände in Wien (A) – Riverside Liesing (mit einer Vielzahl an Wohnungen)
Kleinere, jedoch besonders interessante Redevelopments sind unter anderem die Neunutzung einer ehemaligen Kirche in Maastricht (NL) durch eine Buchhandlung oder einer Kirche in Mönchengladbach (D) durch Wohnungen. In Basel (CH) und Ribe (DK) wurden
ehemalige Gefängnisse zu Hotels umgebaut. In Bocholt (D) wird aus einem ehemaligen Warenhaus ein Sparkassengebäude. In vielen Fällen sind kulturelle Nutzungen in ehemalige
Gewerbe- und Industriegebäude eingezogen, so ein Theater in eine ehemalige SchiffbauHalle in Zürich (CH), ebenso in die ehemalige Kampnagel-Fabrik in Hamburg (D), ein Kulturzentrum in das E-Werk in Freiburg (D) oder ein Museum in eine ehemalige Schokoladefabrik in Köln (D) – die Liste ließe sich nahezu beliebig fortsetzen.
Allerdings gibt es durchaus auch Beispiele dafür, dass geplante Redevelopments nicht bzw.
nicht so wie zunächst geplant umgesetzt werden konnten, so z.B. beim Projekt Europuls in
St. Margrethen (CH): Dort sollten auf dem 7 ha großen Gelände eines ehemaligen Holzlagerbetriebes neue Gebäude für verschiedenste Nutzungen (Einkauf, Büro, Hotel etc.) realisiert werden – veränderte Gegebenheiten auf den Märkten erzwangen hier jedoch eine
Neukonzeption, was zumindest zu einer wesentlichen Verzögerung der Umgestaltung führt.
Zu den aktuell spektakulärsten Redevelopments gehören sicherlich der Wiederaufbau des
1950 geschliffenen ehemaligen Stadtschlosses in Berlin (D), dessen Ursprünge bis ins Jahr
1442 zurückreichen, unter dem Namen Humboldtforum – dort werden künftig vor allem
Museumsnutzungen vorherrschen – und die Elbphilharmonie in Hamburg (D), die als Konzertsaal (mit ergänzenden Wohnungen und einem Hotel) auf Teilen des Baukörpers eines
ehemaligen Hafen-Lagerhauses (Kaispeicher) errichtet wird und auch als Beispiel dafür
dienen kann, welche Risiken solche Redevelopments mit sich bringen können und welche
enormen Kostenfolgen dies haben kann.
Als Revitalisierung bezeichnet man in der Immobilienwirtschaft eine (relativ umfassende) bauliche
Anpassung der Qualität und Funktionalität von bereits genutzten Bestandsobjekten an (veränderte)
spezifische (z.B. technische, funktionale, ästhetische) Nutzeranforderungen. Eine Revitalisierung
findet statt, wenn die aktuelle Nutzung beibehalten wird, die wirtschaftliche und technische Lebensdauer eines Gebäudes aber fast oder ganz beendet ist und ohne grössere investive Massnahmen alsbald Leerstände drohen oder schon (partiell) eingetreten sind. D.h. in Bezug auf die Akzeptanz der
Immobilie am Markt ist schon eine erhöhte Alarmstufe eingetreten und eine baldige Agonie nicht
mehr auszuschließen.
Ziel ist es, für von Leerstand bedrohte oder teilweise bereits leergezogene Bauwerke durch technische, konstruktive, funktionelle und/oder optische Maßnahmen eine Neupositionierung und verbesserte (Wieder-)Nutzbarkeit zu ermöglichen und eine geringer gewordene bzw. verlorene Marktbedeutung wieder zu erlangen. Der Auslöser für eine Revitalisierung ergibt sich aus der Alterung der
Immobilie und einer hieraus und aus dem Wettbewerb mit neueren Angeboten resultierenden
schlechter gewordenen Vermarktungsfähigkeit mit bereits spürbaren Auswirkungen auf den cashflow, der dem Eigentümer zufließt. Die angestrebten Maßnahmen wirken sich dabei auf das innere
und äußere Erscheinungsbild der Immobilie und im Ergebnis auf die Position des Objekts am Markt
und damit auf den Wert der Immobilien aus, wobei die ursprüngliche Nutzung erhalten bleibt.
Als Revitalisierungen sind unter anderem die diversen Umgestaltungen ehemaliger Warenhäuser in verschiedenen Städten in Deutschland zu betrachten, bei denen die bisherige
Handelsnutzung, wenn auch in teilweise stark veränderter Form, beibehalten wurde, z.B. in
Krefeld (D) – ehemals Horten, nach Umbau jetzt Ostwall Carree –, Cuxhaven (D) – ehemals
Hertie, nach Abriss und Neubau jetzt Nordsee-Galerie –, oder Hamburg (D) – an zwei Stan-
dorten ehemals Karstadt, nach Umbau jetzt Kaufland. Ähnlich zu sehen ist die Revitalisierung des Kaufhauses Tyrol im Stadtzentrum von Innsbruck (A).
Dabei kann eine Revitalisierung bis hin zu einem Abriss und Neubau an derselben Stelle
und mit gleicher Nutzung gehen. So sollen in Zürich (ZH) in absehbarer Zeit zwei Bürogebäude mit insgesamt über 30.000 m² Fläche abgerissen und neu gebaut werden, die zwar
erst 27 Jahre alt sind, jedoch den aktuellen Nutzeranforderungen nicht mehr entsprechen
und deswegen schon seit längerem Leerstände aufweisen.
Refurbishment: Der Begriff Refurbishment bezeichnet alle (teilweise genehmigungsfreien) Verbesserungs- und Aufwertungsmaßnahmen bei einem bestehenden Gebäude, die das Ziel haben, die vorhandene Gebäudeausstattung und -qualität bei gegebener Nutzung an einen angestrebten SollZustand anzupassen. Der Ist-Zustand ergibt sich meist aus dem (fortgeschrittenen) Alter der Immobilie, der Soll-Zustand ergibt sich meist aus den Standards in technischer und ästhetisch-optischer
sowie funktionaler Hinsicht, die neuere Immobilien setzen. Er definiert sich somit durch die Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft und Nutzungsfähigkeit der Immobilie entsprechend dem
aktuellen Stand der Technik und der Marktanforderungen. Dabei lassen sich eine ‚objektive‘ und eine
‚subjektive‘ Funktionstüchtigkeit unterscheiden. Demnach ist ein Gebäude ‚objektiv funktionstüchtig‘,
wenn für den Gebrauch wesentliche Teile objektiv nutzbar sind. Dies gilt unabhängig davon, ob das
Gebäude zum Zeitpunkt der Betrachtung genutzt wird oder leer steht. Ein Gebäude ist hingegen
durch ‚subjektive Funktionstüchtigkeit‘ gekennzeichnet, wenn es für die konkrete Zweckbestimmung
des Eigentümers/Erwerbers nutzbar ist, also z.B. zu guten Konditionen voll vermietet ist.
Ein Refurbishment umfasst demnach diverse (unterschiedlich aufwändige) Verbesserungs- und Aufwertungsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung bzw. (Wieder-)Herstellung der Betriebsbereitschaft der
„eigentlich noch funktionierenden“ (also z.B. noch nicht oder nur in geringem Umfang von Leerständen gekennzeichneten), aber oft nicht mehr zeitgemäßen Immobilie. Es geht also darum, ein (sich auf
den Vermietungsgrad auswirkendes) Zurückfallen der Immobilie im Wettbewerb mit ähnlichen Immobilien zu vermeiden. Refurbishments dienen insoweit der Anpassung an den durch Eigentümerund Nutzerwünsche definierten Soll-Zustand. Deshalb deckt der Begriff Refurbishment einen weiten
Bereich von unterschiedlich intensiven Maßnahmen ab. Dazu gehören nach dem Grad der Intensität
der Eingriffe in die Substanz:
-
-
Inspektion: Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustandes der (technischen) Bauteile der Immobilie
Wartung: Damit soll (unter Einschluss kleinerer Reparaturarbeiten) der Soll-Zustand der technischen Einrichtungen und der Bausubstanz der Immobilie aufrechterhalten werden.
Instandhaltung: Maßnahmen zur Erhaltung des Soll-Zustandes der Immobilie, um einen weiterhin bestimmungsgemäßen Gebrauch für die Nutzer gewährleisten zu können.
Instandsetzung: Der Soll-Zustand, genauer: die Betriebsbereitschaft des Gebäudes und insbes.
der technischen Gebäudeausstattung und der Bausubstanz, ist nicht mehr gegeben und soll wiederhergestellt werden.
Modernisierung: Maßnahmen zur Verbesserung des Ist-Zustandes der technischen und baulichen Anlagen mit dem Ziel, die Wirtschaftlichkeit der Anlagen und Immobilien zu erhöhen oder
zu verbessern bzw. sie an den aktuellen Stand der Technik und des Marktes anzupassen.
Oft handelt es sich bei einem Refurbishment um eher kleinteilige „aufhübschende“ Maßnahmen, die
bei nahezu allen Immobilien von Zeit zu Zeit in Form von „Schönheitsreparaturen“ erforderlich sind.
Allerdings kann es im Rahmen umfassender Modernisierungen auch zu tiefgreifenden und kostenintensiven Eingriffen in die grundsätzlich unverändert weitergenutzte Immobilie kommen, um die
wirtschaftliche Lebensdauer der Immobilie zu verlängern bzw. sie den aktuellen Standards und Anforderungen anzupassen, wobei derartige umfassende Refurbishments dann oft auch als Restrukturierung (wörtlich: Wieder-Ordnen), Relaunch (wörtlich: Neu-Bewerben) oder Renovierung (wörtlich: Erneuerung) bezeichnet werden.
Beispiele für Refurbishments finden sich allerorten zuhauf. Die meisten mit dem Begriff Revitalisierung bezeichneten umfassenden Modernisierungen älterer, aber noch (nahezu) voll vermieteter Einkaufszentren, die aufgrund ihres Alters, ihres Zuschnitts und ihres optischen Eindrucks den heutigen
Erwartungen der Kunden an ein Shopping Center nicht mehrvollumfänglich entsprechen, sind also
eher Refurbishments von (noch voll vermieteten, grundsätzlich „gesunden“) Objekten denn Revitalisierungen von schon bereits durch (teilweise grössere) Leerstände gekennzeichneter (eigentlich
schon „kranker“) Immobilien.
Zu den größeren Immobilien-Modernisierungen/-Refurbishments gehören z.B. die noch
laufenden etappenweisen Modernisierungsmaßnahmen im Glatt Einkaufszentrum in Zürich (CH) oder jüngst der Umbau des rund 30 Jahre alten Einkaufszentrums und Geschäftshauses Migros City an der Löwenstrasse im Zentrum von Zürich (CH) und die umfassende
Modernisierung des inzwischen über 40 Jahre alten Einkaufszentrums in Regensdorf (CH)
nahe Zürich, aber auch die 2010 erfolgte umfassende Modernisierung des damals 20 Jahre
alten Einkaufszentrums Galleria in Wien (A) bzw. aktuell der Umbau des über 40 Jahre alten Einkaufszentrums Huma in Wien (A), der einem Abriss und Neubau gleichkommt.
In vielen Fällen versuchen die Eigentümer, aus wirtschaftlichen Gründen ein Refurbishment
mit einer Erweiterung/Vergrößerung der vorhandenen Nutzung zu verbinden, so wie
jüngst beim Einkaufszentrum Fischapark in Wiener Neustadt (A) oder vor einigen Jahren
bei einem ähnlichen Objekt, dem Atrio in Villach (A). Ähnliche wirtschaftliche Überlegungen stehen hinter Versuchen, das Refurbishment eines bestehenden Gebäudes mit einer
Erweiterung um neue Nutzungen zu verbinden, so z.B. beim Umbau des Westbahnhofs
Wien (A) unter Integration eines Einkaufszentrums, eines Hotels und umfangreicher Büroflächen. Eine ähnliche Einfügung eines Einkaufszentrums erfolgte in den 90er Jahren z.B. im
Hauptbahnhof Leipzig (D), aber auch in anderen großen Bahnhöfen in Europa, so z.B. Termini in Rom (I), Gare du Nord und Gare de l’Est sowie Gare St. Nazare in Paris (F) und
Atocha in Madrid (E).
Fast jedes der vorstehend genannten Beispiele könnte eine spannende eigene Geschichte erzählen,
die von spezifischen Herausforderungen handelt, die sich bei derartigen Projekten ergeben und die
besondere Anforderungen an die Qualifikation der Beteiligten stellen.
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Autor:
Dieter Bullinger ist Geschäftsleiter des 2012 gegründeten Shopping-Center-Beratungsunternehmens debecon GmbH
Dieter Bullinger Consulting for better shopping destinations, Lutzenberg/AR. debecon ist spezialisiert auf die Entwicklung und die Restrukturierung sowie den Betrieb und das Management von Handelsimmobilien, insbesondere Einkaufszentren, in der Schweiz, in Österreich und Deutschland. Daneben bietet debecon auch Leistungen im Bereich Anund Vermietung von Handelsflächen an und berät Gemeinden in Fragen der handelsbezogenen Stadtentwicklung.
Dieter Bullinger arbeitete zuvor über 22 Jahre als Projektentwickler und Assetmanager für Shopping-Center in verschiedenen europäischen Ländern bei der ECE Projektmanagement Hamburg/Deutschland (1990-2001) und der SPAR
Österreich Gruppe/SES Spar European Shopping Centers (2001-2012).
Davor war er als Berater von öffentlichen Institutionen zu Themen der lokalen und regionalen Wirtschaftsentwicklung
bei der Prognos AG Basel/Schweiz (1978-86) sowie als Leiter des Wirtschaftsförderungsamtes der Stadt Freiburg i.Br./
Deutschland tätig (1986-1989).
Er ist Mitglied der Kompetenzgruppe Redevelopment der gif Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung u nd
wirkte maßgeblich am gif-Leitfaden zum Redevelopment mit.
Kontakt: debecon GmbH, Fuchsacker 678, CH-9426 Lutzenberg AR, Tel. +41-78-797 6575 und +49-174-9022622,
www.debecon.biz, Mail: [email protected]
Stand: 9.3.2016
Abb. 1
Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit dem Immobilien-Redevelopment
Begriff
Wörtliche Übersetzung Kurzcharakteristik
Flächenrecycling
Wieder-Aufbereitung
(grosse) Flächen sind brachgefallen
und werden im Rahmen aufwändiger städtebaulicher Projekte etappenweise für neue Nutzungen
aufbereitet und nachfolgend bebaut
Konversion
Umwandlung
Spezialform des Recycling
v.a. bei ehemaligen Militärflächen
Redevelopment
Wieder-Entwicklung
Weitgehender oder vollständiger Leerstand (und
damit Wertverlust) von Grundstücken/Gebäuden
ist meist schon eingetreten oder droht in Kürze –
es sollen neue (andere) als die ursprünglichen
Nutzungen einziehen –
dafür ist Abriss/Neubau oder recht umfangreicher
Umbau der Bestandsobjekte erforderlich
Revitalisierung
Wieder-Belebung
Objekt zeigt bereits „Krankheitssymptome“,
Leerstand (und damit Wertverlust) der Immobilien
droht oder ist partiell bereits eingetreten –
Nutzung bleibt unverändert erhalten –
bedingt z.T. erhebliche Bauinvestitionen in die
Bestandsobjekte (bis hin zu Abriss und Neubau)
Refurbishment
Wieder-Aufpolieren
Restrukturierung
Wieder-/Neu-Ordnung
Relaunch
Neu-Bewerbung
Objekt ist noch weitgehend „gesund“,
Reparaturen/Umbauten sind erforderlich, um das
Weiterbestehen vorhandener Nutzungen zu ermöglichen und ein Zurückfallen hinter Wettbewerbsobjekte zu vermeiden –
reicht von laufender Inspektion und Wartung über
Instandhaltung/Instandsetzung bis hin zu umfassender Modernisierung (letztere wird oft mit der
Erweiterung bestehender oder der Aufnahme
zusätzlicher Nutzungen kombiniert)
Begriffe werden teilweise mit einem oder mehreren der vorstehenden Begriffe gleichgesetzt
Renovierung
Erneuerung
Abb. 2
Andere Darstellung von Abb. 2: