Erfolg im Retail Banking
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Erfolg im Retail Banking
14 Marketing Schon mit Freundlichkeit und Dienstleistungsbereitschaft kann man bei Kunden punkten. DSV Sparkassen-Bilderwelt VOM PREISWETTBEWERB ZUM QUALITÄTSWETTBEWERB? Erfolg im Retail Banking Wie wichtig sind Preise und Qualität beim Kauf von Finanz produkten tatsächlich? Eine Studie zeigt, dass dies stark von der Komplexität der Produkte und der Finanzkompetenz des Kunden abhängt. Nach fünf Jahren offensivstem Preis wettbewerb scheinen sich bei den durch immer neue und günstigere Angebote zunehmend überforderten Kunden ers te Anzeichen einer Preismüdigkeit ein zustellen. Schon wollen Marktstudien ein Ende des Preiswettbewerbs und Wie dererstarken von „Qualität“ als Kaufkri terium bei Finanzprodukten erkannt haben. Die im Zuge der Finanzmarktkri se zu beobachtende „Flucht in Qualität“, die gerade Sparkassen einen massiven Zufluss von Anlagegeldern beschert, scheint diese These zu stützen. Ist der Preiswettbewerb nachhaltig oder steht dem Markt stattdessen ein neuer Qualitätswettbewerb bevor? In vestors Marketing hat in einer aktuellen Marktstudie untersucht1, wie verhaltens relevant Preise bzw. Qualität beim Kauf von Finanzprodukten tatsächlich sind und welche Strategien im Retail Ban king künftig Erfolg versprechen. Bedeutung von Preis und Qualität beim Kauf von Finanzprodukten Preise und Konditionen waren beim Kauf von Finanzprodukten schon im mer wichtig und werden es auch bleiben. Die tatsächliche Bedeutung des Preises für die Kaufentscheidung im Vergleich zu anderen Kaufkriterien variiert je doch je nach Produkt und Kunde. Grund sätzlich gilt: Je einfacher und standar disierter ein Produkt ist, umso eher zählt beim Kauf der Preis. Mit zuneh mender Komplexität und Erklärungs S PA R K A S S E N M A R K T J A N U A R / F E B R U A R 2 0 0 9 bedürftigkeit werden Qualitätsfaktoren wichtiger. Die Bedeutung des Preises für die Kaufentscheidung hängt darüber hin aus stark von der kundenindividuellen Kompetenz in Finanzangelegenheiten ab. Je kompetenter ein Kunde ist, umso eher kann er auch komplexe Produkte bewerten und seine Kaufentscheidung dann nach einem rationalen Preis-/Leis tungskalkül treffen. Umgekehrt gilt: Je geringer die Finanzkompetenz desto hö her der Beratungsbedarf. Die Marktstudie zeigt: Die meisten Bankkunden sind keine rein rationalen „Preisentscheider“. Dies liegt daran, dass sie sich zumeist nicht für Finanz produkte interessieren. Sie informieren sich wenig und beschäftigen sich z. B. mit dem Abschluss eines Girokontos deutlich weniger intensiv als mit der Anschaffung eines Handys. Aufgrund der in der Breite relativ geringen Finanz kompetenz kaufen Kunden Finanzpro dukte mehrheitlich nicht selbstständig, sondern sichern ihre Entscheidung durch eine Beratung ab. Obwohl heute vielfach vom hybriden Kunden gesprochen wird, lassen sich am Markt drei prägnante Kundentypen identifizieren, die sich in Bezug auf Finanzkompetenz, Ansprüche an das Leistungsangebot (Produkt & Preis, Ver triebskanal, Betreuung & Service) von Banken und daraus resultierender Preissensibilität deutlich unterscheiden (siehe Abb. 1). Die Kundengruppe der ca. 18 Prozent „Preisentscheider“ 2 ist gut informiert sowie kompetent in Finanzangele genheiten und agiert grundsätzlich selbstständig. Preisentscheider sind überdurchschnittlich online-affin und kaufen auch komplexere Finanzpro dukte stark preisorientiert, da sie keine Beratungsleistung benötigen. Es han delt sich sowohl um jüngere („junge Aufsteiger, etablierte Singles“), als auch um ältere Kunden („Senioren und P rivatiers“) Kunden mit überdurch schnittlichen Haushaltsnettoeinkom men (HHNE) und/oder Vermögen. Diese potenzialträchtige Gruppe ist für alle Banken attraktiv und sollte nicht ver nachlässigt werden. „Preisindifferente“ (ca. 32 Prozent) und „Preissensible“ (ca. 50 Prozent) sind die klassischen Filialkunden. Sie interessie ren sich weniger für Finanzen und ver lassen sich deshalb bei Geldangelegen heiten stärker auf ihre Bank bzw. ihren (mobilen) Berater. Da sie mehr (Bera tungs-)Leistung von ihrer Bank abfor dern, sind sie grundsätzlich zahlungs bereiter bzw. weniger preissensibel. Dies gilt jedoch aufgrund fortschrei tender Produktstandardisierung und Markttransparenz nur noch für den Kauf komplexerer, erklärungsbedürf tiger Produkte bzw. Finanzlösungen, z. B. zur Altersvorsorge. Einfache Stan dardprodukte wie Girokonto oder Spar Marketing 15 schriebene Vorteilsprogramm am Giro konto (vgl. Seite 23 ff ) oder auch das Geschäftsmodell der Quirin Bank, das nach Erkenntnissen der Studie auch im Retailbanking arbeitet. So wären über 22 Prozent 3 der Kunden bereit, für ein „Girokonto mit erstklassigen Bank-/ Versicherungsprodukten zu günstigen Konditionen, wie sie sonst nur Großkun den bekommen, … mit guter Beratung und gutem Service … eine pauschale Vergütung von 20 Euro pro Monat zu be zahlen“. Was verstehen Kunden bei Banken unter Qualität? Abb. 1: Kundentypen mit unterschiedlicher Finanzkompetenz und Preissensitivität. Abb. 2: Niedrige Qualitätsanforderungen der Kunden (Top-6 aus 34 abgefragten Qualitätsmerkmalen). buch können inzwischen auch weniger kompetente Kunden gut einschätzen und leicht vergleichen, was die Preis sensibilität in der Breite spürbar erhöht. Diese Entwicklung hat unmittelbare Auswirkungen auf Produktstrategie und Pricing. Ein Produktangebot der Zu kunft ist schlank, aber differenziert und umfasst sowohl einen Standard- als auch Premiumbereich. Im Standardbereich kann das Angebot auf wenige, ausgewählte Produkte mit eingeschränkter Anzahl an Varianten beschränkt werden („Pflicht“). Stan dardprodukte müssen nicht unbedingt aggressive Konditionen aufweisen, son dern lediglich Leistungen und Preise auf Marktniveau bieten, um attraktiv zu sein (= „einfach, gut und günstig“). Die Herausforderung („Kür“) und die Ertragspotenziale der Zukunft liegen in der Produktinnovation im Premiumbereich. Hier gilt es, sich im Wettbewerb durch intelligente Aufwertung von Standardprodukten, z. B. durch Pro duktbündel oder Verknüpfung mit mo netären Zusatzleistungen sowie Ent wicklung von Finanzlösungen für einzelne Kundentypen bzw. Kunden gruppen zu differenzieren, und syste matisch Preisspielräume zu erschlie ßen. Der Erfolg liegt im Vertrieb spezi fischer Angebote für attraktive Ziel gruppen wie Freiberufler, Best Ager 55plus, Junge Erwachsene etc. (Zielkun denmarketing). Sämtliche Produkt- bzw. Leistungsbausteine sind dabei exakt nach den Bedürfnissen der Zielkunden ausgerichtet und werden permanent überprüft und weiterentwickelt. Preis spielräume werden durch ein konse quentes Preismanagement identifiziert und gezielt abgeschöpft. Beispiele für erfolgreiche Produk tinnovation sind das in diesem Heft be S PA R K A S S E N M A R K T J A N U A R / F E B R U A R 2 0 0 9 Qualität wird von jeder Bank bean sprucht und permanent kommuniziert, jedoch nicht konsequent am Point of Sale gelebt. Regelmäßig niedrige Zu friedenheitswerte bei Kundenbefra gungen sprechen hier eine klare Spra che. Was aber ist Qualität? Anders als Prei se/Konditionen ist Qualität keine abso lute Größe, sondern hängt vom sub jektiven Empfinden des Betrachters ab. Kunden verstehen unter Qualität bei Banken vor allem beratungsbezogene Aspekte (56 Prozent Nennungen), Ser vice (41 Prozent), aber auch Preisaspekte (20 Prozent) wie „gute Konditionen“ oder „keine Kontogebühren“. Mittlerweile empfinden es mehr als 80 Prozent der Befragten bereits als außergewöhn liches Qualitätsmerkmal, wenn das Per sonal freundlich ist, Aufträge fehlerfrei ausführt und zuverlässig ist, die Bank im Prinzip also gerade Mindestanforde rungen erfüllt (vgl. Abb. 2). Vor diesem – ernüchternden – Hinter grund können sich Banken bereits mit einfachen, aber effektiven Maßnahmen wie der Verbesserung des Service (z. B. durch Optimierung von Abläufen im Tagesgeschäft an allen Kontaktpunkten oder professionelles Beschwerde management) sowie generell mehr Freundlichkeit und Dienstleistungsbe reitschaft am Kunden differenzieren. In einer Branche, die immer noch mehr auf Kosteneffizienz als kon sequente Kundenorientierung fokus siert, bedeutet dies für viele Institute ei nen Paradigmenwechsel. Grundsätzlich sind hier vor allem die Sparkassen mit ihren emotionalen Markenbenefits gut aufgestellt. Deren konsequentes „Leben am Kunden“ im Sinne eines ganzheit lichen Kundenkontaktmanagements ist jedoch notwendiger und erfolgverspre chender als je zuvor. Erfolg im Retail Banking durch differenzierte Vertriebsstrategien Von einer Ablösung des Preiswettbe werbs durch Qualitätswettbewerb kann nicht gesprochen werden. Im Wettbe >> 16 Marketing werb zählt nicht: „Preis oder Qualität“, sondern vielmehr beides. Wie kann der Spagat zwischen güns tigen Preisen einerseits und hoher Qua lität andererseits jedoch aufgelöst wer den? Wie können Finanzinstitute sowohl eine Preisstrategie als auch eine Quali tätsstrategie umsetzen, um die unter schiedlichen Bedürfnisse und Anforde rungen ihrer Kunden zu bedienen? Die Deutsche Bank löst diesen schein baren Widerspruch durch eine Zwei markenstrategie mit komplementären Vertriebseinheiten. Während die noris bank (in Zukunft ggf. zusammen mit der Postbank und ihren 14,5 Mio. Kunden) eine konsequente Preisstrategie im Standardbereich verfolgt, wird die Kernmarke Deutsche Bank als Quali tätsanbieter im Premiumbereich aus gebaut. Beide Vertriebseinheiten bauen auf einer gemeinsamen Produkt- bzw. Transaktionsplattform auf, sodass Ska leneffekte (Economies of Scale and Scope) realisiert werden können. Für den konsequenten Vertrieb in der Flä che sorgen eine systematische Auswei tung des Filialnetzes in attraktiven Re gionen sowie der konsequente Ausbau mobiler Vertriebseinheiten. Auch die Sparkassen stehen vor der Herausforderung, ihre Qualitätsstrate gie durch ein kunden- und wettbewerbs orientiertes Preismanagement unter einer Marke bzw. einem Dach zu ergän zen. Die Lösung: Eine integrierte Quali täts-/Preisstrategie mit differenzierten Angeboten im Multikanalvertrieb. Basis für die Gestaltung des Leistungsan gebots sind die unterschiedlichen An forderungen der oben beschriebenen Abb. 3: Unterschiedliche Qualitätsanforderungen der Kundentypen. Kundentypen an Banken, z. B. in Bezug auf Online-Vertrieb, Beratungsangebot (Kompetenz des Personals etc.) sowie Pricing. So erwartet die Mehrzahl der fi lialorientierten Preisindifferenten bzw. Preissensiblen (80 Prozent) z. B. kein kos tenloses bedientes Girokonto. Ein kos tenloses Onlinekonto gehört für onlineaffine Preisentscheider (ca. 20 Prozent) jedoch zum „Pflichtangebot“. Kundentypspezifische Angebote kön nen aufgrund verschiedener Vertriebs kanalpräferenzen weitgehend über schneidungsfrei (Reduzierung von Kannibalisierungseffekten) im Multika nalvertrieb positioniert werden. Kun den wählen jeweils das für sie passende Angebot in ihrem präferierten Ver triebskanal eigenständig aus (= Prinzip der anlassbezogenen Selbstselektion) (vgl. Abb. 4). Sparkassen sollten aber noch einen Schritt weitergehen. Mit der Sparkas sen-Finanzkonzept-Familie verfügen sie bereits über eine sehr leistungsfähi ge, ganzheitliche Betreuungssystema tik. Das Sparkassen-Finanzkonzept bil det unterschiedliche Bedürfnisse von Zielkunden in ihren jeweiligen Lebens phasen durch Kundenprofile ab und ge neriert spezifische Betreuungsansätze und Produktempfehlungen. Das Prinzip der kundentyporientierten Betreuung ist im Sparkassenvertrieb damit bereits verankert. Um darüber hinaus attraktive, poten zialträchtige Kundengruppen (z. B. Frei berufler, Best Ager 55plus, Junge Er wachsene etc.) noch zielgerichteter zu adressieren bzw. zu bearbeiten, sollten individuelle Zielkundenkonzepte im Sinne eines modernen Zielkunden marketings entwickelt werden. Durch gezielte Adjustierung einzelner Ver triebselemente (Produkt & Preis, Ver triebskanal, Beratung & Service, Kom munikation etc.) können diese Kunden mit ihren spezifischen Bedürfnissen ge wonnen, gebunden und ertragreich durchdrungen werden. Dies gilt umso mehr, als Sparkassen in den meisten der o. g. Zielgruppen ohnehin Marktführer sind und dem Wettbewerb damit aus ei ner Position der Stärke heraus begeg nen. Jörg Baston, Carsten C. Wendt Frankfurt am Main Abb. 4: Differenzierte Leistungsangebote in Onlinewelt bzw. Filialwelt. Kunden wählen eigenständig ihr passendes Angebot (Selbstselektion). S PA R K A S S E N M A R K T J A N U A R / F E B R U A R 2 0 0 9 1 Quelle: Investors Marketing Management Consultants: Marktstudie „Differenzie rungsstrategien im Preiswettbewerb“ (2008/2009); n = 1200 2 Preisinduzierte und kaufverhaltensba sierte Kundensegmentierungslogik von Investors Marketing. 3 Quelle: Investors Marketing Management Consultants: Marktstudie „Differenzie rungsstrategien im Preiswettbewerb“ (2008/2009); n = 1200