Die Eissporthalle Bad Reichenhall
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Die Eissporthalle Bad Reichenhall
Aktuelles BHKS Produkte Bauanalyse Fachbeiträge 690 Recht Klimatechnik Autor M. Thilo Angermann Dipl.-Ing. für die Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik Bild 1: Südansicht der Eissporthalle (rechts) mit der Schwimmhalle daneben zur Zeit kurz nach Eröffnung 1975 Die Eissporthalle Bad Reichenhall Überlegungen zur Schadensursache Eine tiefe Betroffenheit löste seinerzeit der Einsturz der Mehrzweckhalle unter den Fachleuten aus, die mit der Temperiermethode nach Großeschmidt vertraut waren. Daher setzte sich dieser Fachkreis bereits nach den ersten Meldungen mit den möglichen Schadensursachen auseinander. Sachdienliche Informationen ergingen in der Folge an den Oberbürgermeister der Stadt Bad Reichenhall und einige seiner Mitarbeiter. In der Flut der damaligen Informationsströme und unter dem Zwang, Sofortmaßnahmen einzuleiten, mussten so manche fachspezifische Denkanstöße wohl leider unberücksichtigt bleiben. Es sollten eigentlich gleich nach dem Einsturz der Eissporthalle in Bad Reichenhall zwei mögliche Schadensursachen mit in Betracht gezogen werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit große Einwirkungen auf die Gebäudesubstanz und Statik hatten. Eine davon, die auf dem physikalischen Prozess eines Austausches von Wärmestrahlungen zwischen Festkörpern bzw. Raumhüllflächen beruht, wurde nach Aussagen des örtlichen Bauamtes später von einem Hochschullehrer der TU München gutachterlich untersucht. Die zweite mögliche Ursache, dass Luft über den Verbindungsbau differenzdruckbedingt durch Öffnungen und Fugen oder auf dem lüftungstechnischen Weg aus dem Schwimmbad in die Eissporthalle kommen konnte, hielt das städtische Bauamt für nicht möglich (Kenntnisstand August 2007). Kühlflächen beruht also darauf, dass ihre Wärmeabstrahlung geringer ist als die der anderen Flächen. Der Strahlungsaustausch zwischen buchstäblich eiskalten Bodenflächen und normal gedämmten und untemperierten Dachkonstruktionen wirkt sich daher äußerst ungünstig aus. Durch die von innen statt findende Entwärmung der Hallendecke kann sich luftzustandsabhängig an ihr entsprechend Kondensat bilden. Hierzu sei vermerkt, dass die Wärmedämmung (selbst bei Problemdächern!) prinzipiell stets für den Winterfall auf den Wärmeverlust nach außen ausgelegt wird. Das lässt aber unberücksichtigt, dass bei tiefen Wintertemperaturen und gleichzeitig stattfindender Kühlung der Bauteilinnenseite substanzschädigende Kondensatbildungen auftreten. Untersuchte Schadensursache: Austausch von Wärmestrahlung Fachspezifisches Wissen: Aggressives Kondensat Der Austausch von Wärmestrahlung zwischen den Raumhüllflächen, insbesondere zwischen Eisfläche und Hallendecke wurde im Hauptgutachten berücksichtigt. Dabei geht es um die von wärmeren Flächen ausgestrahlte Wärme, die auf physikalischem Weg von den anderen Flächen so absorbiert wird, dass Bauteile, die einen Wärmebedarf haben, auf diese Weise warm gehalten werden. Die Kühlwirkung von Vielmals stark aggressiv wirkend ist der chemische Stoff Chlor. Er wird daher nicht ohne Erfolg auch zur Desinfizierung in Schwimmbädern bevorzugt eingesetzt. Andererseits ist Chlor in der chemischen Verbindung mit Wasserstoff als Salzsäure bekannt. Ähnlich wirksam scheinen Chlorgase bei langzeitlichen Zerstörungsprozessen zu sein. Nach ernst zu nehmenden Fachbeiträgen der letzten Jahre gelten in 46 www.tab.de 12 2007 Bild 2: Nordostansicht mit der Eislaufhalle im Vordergrund Bild 3: Blick in das Innere der Eislaufhalle baulichen, wie in maschinentechnischen Anlagen, schadstoffange reicherte Luftgemische, die chemische Reaktionen insbesondere auf feuchten Oberflächen auslösen und die anfänglich nur sehr geringfügige Schäden bei den statisch tragenden Elementen herbeiführen, als äußerst gefährlich! Der Mehrzweckhallenkomplex, der aus einer Schwimmhalle und einer Eissporthalle bestand, wies nutzungsbedingt im ersteren Bereich feuchtwarme Schwimmbadluft und im anderen Bereich außer kalter Luft noch kalte Oberflächen auf. Da beide Hallen über einen Verbindungsbau miteinander begehbar waren, konnte bereits durch einzelne Türbenutzungen ein unkontrollierter Luftübertrag aus dem Bad in die Eissporthalle erfolgen. Bei Reinigungsarbeiten mit offen stehenden Türen kam es höchstwahrscheinlich sogar öfters zu einem ungehinderten starken Luftwechsel. Auf Grund des temperaturbedingten Unterschieds und des Druckes (Dichte) der einzelnen Luftgemische in den unterschiedlichen drei räumlichen Komplexen ist davon auszugehen, dass es über die Fugen auch außerhalb der Nutzungszeiten stets zu einem minimalen Luftwechsel kam, so dass ein ständiges Eindringen von feuchtwarmem Chlorgas-Luftgemisch in die Eishalle stattfand. An der durch die negative Strahlungsbilanz gekühlten Hallendecke musste es folgerichtig zu Kondensatbildungen kommen, wodurch die Leimbinder zweifach wie folgt gefährdet waren: Einerseits gefährdet durch eine wechselnde Materialfeuchte mit den damit verbundenen ständigen Volumenänderungen des Baumaterials und andererseits durch aggressives Kondensat, das wohl maßgeblich die Leimfugen bis zu einer Tiefe von 8 cm zerstören konnte. Derartige substanzzerstörende Prozesse laufen über lange Zeiträume in vielen Branchen ab. Da die wirklichen Schadensursachen in vielen Fällen nicht erkannt werden, reagiert man mit vielfältigen Änderungen, die oftmals als Verbesserungen von Konstruktionen und Materialien gelten. Auf Grund der geschilderten Zusammenhänge geht es weniger darum, wie welche Holzleimsorte materialbezogen gegen den Feuchteanfall resistent ist, sondern in erster Linie geht es nur darum, ob kritische klimatische Zustände an den Bauteilen eintreten konnten und welchen Einfluss Kondensat hierbei hatte. Aussichten In jedem Fall wäre es sehr ratsam, den Verbindungsbau bestehender Mehrzweckhallen oder Verbundbauten und vor allem ihre jeweilige Lüftungsanlagentechnik in ihrer Betriebsweise, wie aber auch besonders sämtliche Einblas- und Absaugstellen, genauer unter die Lupe zu nehmen. Besonders wesentlich erscheint hier neben einer schadstofffreien Hallenbelüftung eine Verbesserung der Strahlungsbilanz der raumseitigen Dachflächen zu sein. Diese Leistungssteigerung kann problemlos nach der Temperiermethode (bewährter Stand der Technik) erfolgen, bei der eine ständige geringe Wärmestrahlung die Kondensatprozesse völlig unterbindet. Diese Methode ist seit 25 Jahren ein Teil des Münchner Beratungsprogramms des Bayerischen Landesamtes für Denkmalmalpflege und wird mittlerweile auch sehr erfolgreich international angewendet. Das Kernstück bildet die hypokaustenartig funktionierende Oberflächen- Aktivierungsheiztechnik, die das Landesamt in Zusammenarbeit mit verschiedenen Bauämtern systemoptimiert so weiterentwickelte, dass der Gesetzgeber diese Technik vor allem für Sport- und Eishallen vorschreiben kann (siehe Punkt 1 im Infokasten „Hintergrundwissen und Literaturhinweise“). Das Anliegen: Ein Denkanstoß Das Hauptanliegen dieses Beitrags ist es, auf physikalische Zusammenhänge hinzuweisen, die selbst heute noch von den geltenden Bauvorschriften nur unvollständig oder gar nicht erfasst werden. Das übergeordnete Ziel sollte es sein, ein hohes Gefahrenpotential vieler Hallenkomplexe und anderer Bauten, die oft bereits über Jahrzehnte einer Schadstoffeinwirkung ausgesetzt waren, völlig zu eliminieren. Andererseits sollte das Erfahrungswissen aus alternativen Sanierungsprojekten des Landesamtes für Denkmalpflege zu Guns12 2007 www.tab.de 47 Aktuelles BHKS Produkte Bauanalyse Fachbeiträge 690 Recht Klimatechnik Bild 4: Dachdetail aus dem Jahr 1975 ten der Beschuldigten in gutachterliche Prüfungen mit einfließen, wie sie uns schon der Gebäudeschlupf bzw. Restfugenanteil vorgibt, die das gesamte Spektrum der Schadensursachen voll berücksichti- nicht außer Betracht gelassen werden dürfen. gen. Besonderes Augenmerk müsste ferner auf materialzerstörende Stoffe und Gase in Gebäude- und Hallennähe gerichtet sein. Genaue Betrachtungen, die ganzheitlich in einer umsetzbaren Konzep- Hintergrundwissen und Literaturhinweise tion gefasst sind, könnten maßnahmengerecht die jeweilige Lebens- 1.) WW- Temperierung (für großflächigen Wärmestrahlungsausgleich) dauer von Bauwerken sehr positiv beeinflussen. Eine Warmwasserheizung für die Wandtemperierung (mit einer bedarfsgeWeiterführend müsste zu den hier erwähnten Sachverhalten der rechten Betriebsweise: Heizungsniedertemperatur bis zu 60 °C) ist grundsätzlich Gesetzgeber geeignete Maßnahmen vornehmlich im Bezug stärker dadurch gekennzeichnet, dass durch eine am Sockel waagerecht verlaufende dimensionierte Wärmedämmungen und überhaupt Oberflächen- ausschlaggebende Heizleitung und bis zu drei weiteren darüber liegenden temperieranlagen fordern, die jegliche Kondensatbildungen strikt Heizrohren (auf Putz, gestrichen oder unter Putz, bis max. 2 cm Überdeckung) problemlos in der Summe die Raumbeheizung, die Wandtrockenlegung, die unterbinden. Senkung der relativen Raumluftfeuchte und die Salzinaktivierung ermöglicht. Anmerkungen zu Wärmeverteilungssystem und Überdrucklüftung (Dichte) Vorsicht Verwechslungsgefahr: Unwirksam sind hingegen Versuchsanlagen au- Mit nur wenigen Heizrohren im Putz oder im Sichtbereich der Sockel, wie auch der Mauerkronen und im Dachstuhl durch eine bewusst herbei geführte fachgerechten Oberflächenerwärmung werden alle Bauteile getrocknet und dauerhaft trocken gehalten sowie die relative Luftfeuchtigkeit der Raumluft generell abgesenkt. Ergänzend sei noch vermerkt, dass im richtigen Anlagenbetrieb sämtliche Oberflächentemperaturen entweder gleich oder nur wenig über der der Lufttemperatur (bis zu 1 K) liegen müssen, um Kondensatbildungen dauerhaft zu verhindern! Ansonsten sind mit der Temperierung als Oberflächenstrahlungsheizung im Vergleich zur einfachen „Lufterhitzertechnik“ über Heizkörper, Konvektoren oder zur Klimatechnik grundsätzlich nach einer anfänglichen Hüllflächentrocknung sogar Energieeinsparungen erzielbar. Und dies kann insbesondere über die Behaglichkeitskriterien (Strahlung, keine Konvektion, ohne Raumluftwalzen) relativ leicht erreicht werden. Also Zugfreiheit und ohne Wärmeschichtung mit einem großflächigen Wärmestrahlungsanteil, der die Raumlufttemperaturen von statt 21 nun 17 bis 19 °C als völlig ausreichend empfinden lässt. Des Weiteren liegen die Vorzüge der Temperierung bei der Wandtrocknung, die die Wärmeleitung energetisch äußerst günstig beeinflusst (Wärmedämpfungseffekt). Zusätzlich sind redundante Absicherungen gegen die Kondensation bei geringem Kostenaufwand sehr empfehlenswert. Dies könnte beispielsweise auch mit einer im Infokasten „Hintergrundwissen und Literaturhinweise“ (Punkt 3) näher beschriebenen Überdrucklüftung (15 bis 20 Pa) erfolgen, wobei stets für die energetischen Betrachtungen künftiger Anwendungen auch sämtliche Unwägbarkeiten, temperierungen), in denen die Rohrleitungen mit ca. 25 °C quasi kaltem (lauen) 48 www.tab.de 12 2007 ßerhalb der Labore (akademisch untersuchte Kaltwasser- oder auch LauwasserWasser und in falschen Montageanordnungen betrieben werden, wie (mehrmals wissenschaftlich veröffentlicht) in der Schifferkirche Maria am Wasser in Dresden-Hosterwitz (Putzstärke 3 bis 8 cm) oder im Keller des Inspektorenhauses von Schloss Trebsen (9 cm unter Bodenoberfläche). Weiterführendes zur Warmwasser-Temperierung im Internet unter: test.architekturstil.de (Architekturbüro Rauer) und www.Jurahausverein.de (Beratung und Informationen, Renovierung Praxis) 2.) Schadgaseinwirkungen (aggressives Kondensat) Grundlegende Informationen zu Materialschädigungen durch Schadgase, wie sie beispielsweise Silikonstoffe abgeben und so Lötverbindungen unter der Duschwanne zerstören, finden sich in Fachbeiträgen von Karl-Josef Heinemann (ehemaliger Geschäftsführer Technik im Fachverband Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Bayern, Tel. und Fax: 089/367926). Extrem wichtig wird dies im landwirtschaftlichen Bereich, wo gelötete Kupferrohrleitungen (schwitzende Trinkwasserleitung) z. B. im Schweinestall auf Grund der vorhandenen Gase in wenigen Wochen zerstört werden können. 3.) Überdrucklüftung mit Luftdichtevergleichsreglung Weiterentwickelte ausgereifte MSR–Technik mit Drehzahlreglung zur Überducklüftung nach dem Grundprinzip Bauer bietet die Firma SHG aus Eching (www. shg-gmbh.net) an. Mit einer dadurch erzielten „Inversionslage“ im Raum können beispielsweise in Schwimmbädern die Verdunstungsmengen vom Badewasser um das Zweieinhalbfache reduziert werden (Dieses Resultat stammt aus Nachfüllmengenvergleichen/Daten einzelner Wasserzählerablesungen). Anmerkung: Im Mehrhallenverbund mit Zwischengebäuden müsste übrigens immer die Eissporthalle den höheren Luftdruck erhalten – wenn ein derartiger Verbund aus sicherheitsrelevanten Belangen überhaupt noch zu empfehlen ist!