Juni 2013 Hermann Vinke: Das kurze Leben der Sophie Scholl
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Juni 2013 Hermann Vinke: Das kurze Leben der Sophie Scholl
„CD des Monats“ Juni 2013 Hermann Vinke: Das kurze Leben der Sophie Scholl „Es fallen so viele Menschen für dieses Regime. Es wird Zeit, dass jemand dagegen fällt“, sagte Sophie Scholl und setzte damit ein wichtiges Zeichen im Kampf gegen den Nationalsozialismus in Deutschland. Im Hörbuch „Das kurze Leben der Sophie Scholl“ nach dem gleichnamigen Buch, das bereits 1980 erschien, fasst der Autor Hermann Vinke das Leben, die persönlichen und politischen Entwicklungen und die daraus resultierenden Überzeugungen der wohl bekanntesten Widerstandskämpferin des Dritten Reichs zusammen – mit bislang unveröffentlichten Zeitzeugeninterviews und Originaldokumenten. Eine aktuelle und sehr differenzierte Dokumentation. Das Hörbuch berührt den Zuhörer und fesselt ihn mit der Geschichte einer jungen Frau, die um ihre Liebe kämpfte und den Mut hatte, sich gegen das übermächtige NS-Regime zu stellen. 1 © Stiftung Zuhören, Frankfurt/Main 2013 Inhalt Sophie Scholl war nicht von Beginn an Gegnerin des Nationalsozialismus. In ihrer Jugend gehörte sie zunächst gemeinsam mit ihrem Bruder Hans der Hitlerjugend an. Nach und nach durchschaute sie die von den Nazis propagierte Staats- und Gesellschaftsideologie und erkannte das Ausmaß des NS-Terrors. Wichtig waren hierfür vor allem die Einflüsse ihrer Familie und Freunde: Sophies Eltern z.B. lehnten die herrschende Ideologie von vornherein ab und vermittelten ihren Kindern von Anfang an eine offene, liberale Haltung. Willi Graf, ein Freund der Geschwister Scholl, und die Schwester Inge prägten die Ansichten von Sophie und Hans besonders durch ihren christlichen Glauben. Dieser Glaube sollte Sophie auch im späteren Kampf gegen das NS- Regime als Rückhalt ihres Widerstands dienen. Zusammen mit Freunden las sie Texte von Autoren wie Reinhold Schneider, Werner Bergengruen, Leon Bloy und Paul Claudel. Außerdem pflegten Hans und Sophie Scholl persönlichen Kontakt zu dem Philosophen und Schriftsteller Theodor Haecker. Ihr Gerechtigkeitssinn und ihr Freiheitsdrang gaben aber letztlich den Ausschlag dafür, sich dem Regime unangepasst und selbstbestimmt entgegenzustellen. Durch ihren Bruder Hans kam Sophie mit der studentischen Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ in Kontakt. Aus der Überzeugung heraus, nicht länger stillschweigend den verbrecherischen Krieg Hitlers, in dem auch Sophies Liebe Fritz Hartnagel kämpfte, hinnehmen zu wollen, appellierte die „Weiße Rose“ an die Bürger Deutschlands. Die Mitglieder der „Weißen Rose“ verbreiteten heimlich Flugblätter und erhofften sich, die Menschen zum Widerstand gegen die Nazis und ihre Verbrechen aufrufen zu können. Die Vision war es, eine Welle auszulösen, die sich vom passiven in einen offenen, aktiven Protest gegen das NS-Regime ausweiten sollte. Insgesamt wurden sechs verschiedene Flugblätter in hoher Auflage von der „Weißen Rose“ angefertigt. Bei der Verteilung des sechsten Flugblattes an der Münchner Universität wurden Sophie und Hans Scholl vom Hausmeister beobachtet und an die Gestapo verraten. Am 22. Februar 1943 wurden die beiden Geschwister sowie ihr gemeinsamer Freund Christoph Probst, ebenfalls Widerstandskämpfer und Mitglied der „Weißen Rose“, von dem für seinen Jähzorn und die Erniedrigung von Angeklagten berüchtigten Präsidenten des Volksgerichtshofs Roland Freisler zum Tode verurteilt und anschließend hingerichtet. 2 © Stiftung Zuhören, Frankfurt/Main 2013 Trackliste 01. 02. 03. 04. 05. 06. 07. 08. 09. 10. 11. 12. Track Track Track Track Track Track Track Track Track Track Track Track 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 (04:32) (05:44) (05:08) (05:43) (05:15) (06:43) (06:09) (07:13) (07:14) (06:04) (04:44) (07:25) Gesamtspielzeit: 71:54 Zur Produktion Das Hörbuch ist eine modern konzipierte Biografie. Es zeigt in chronologischen Abschnitten zahlreiche Lebensstationen von Sophie Scholl auf. Ereignisse, Situationen und geschichtliche Fakten werden auf unterschiedliche Weise vorgestellt: Sophies Liebesbeziehung zu dem Berufsoffizier Fritz Hartnagel ist z. B. dadurch illustriert, dass Hartnagel selbst als Zeitzeuge über seine Beziehung zu Sophie und über ihre gemeinsame Zeit spricht. Außerdem geben Auszüge aus Briefen zwischen den beiden Liebenden einen Einblick in ihr durch die politischen Umstände kompliziertes Verhältnis. Neben Fritz Hartnagel kommt in den Interviews auch seine Frau Elisabeth, eine Schwester Sophie Scholls, zu Wort. Sehr feinfühlig gelingt es Hermann Vinke dem Hörer Einblicke in die Gefühlswelt der Sophie Scholl zu vermitteln, ihm ihre Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte, Verzweiflung und Glück vor Augen zu führen. Die neben dem Haupterzählstrang vertonten Auszüge aus Briefen und Tagebucheinträgen sowie die immer wieder eingespielten Interviews machen die biografische Erzählung sehr abwechslungsreich und ziehen den Hörer hinein in die schwierige Thematik. „Gänsehaut“ entsteht durch das immer wiederkehrende Summen des deutschen Volkslieds „Die Gedanken sind frei“. Hier wird Sophie Scholls Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit musikalisch verdeutlicht. Die geschichtlichen Fakten zu den herrschenden Lebensbedingungen konterkarieren diese Melodie auf bedrückende Art und Weise. Besonders eindrucksvoll ist auch die Verurteilung von Sophie und Hans Scholl sowie Christoph Probst gestaltet. Hier hört man Originalpassagen aus der Verhandlung unter Roland Freisler. Sein Toben, Brüllen und Schreien ist in dieser Szene höchst 3 © Stiftung Zuhören, Frankfurt/Main 2013 ergreifend. Am Ende der CD kommt Inge Aicher-Scholl, die älteste der SchollGeschwister, zu Wort und berichtet von den letzten Minuten der drei Angeklagten. Gesprochen wird das Audio-Feature von verschiedenen Schauspielern und bekannten Stimmen wie Marie Bonnet und Andreas Helgi Schmid. Durch die Geschichte führt Doris Wolters. Sie fängt den Leser mit ihrer sanften und dennoch selbstbewussten Stimme ein und schafft es so auf besonders feinfühlige Weise, die Stimmung der einzelnen Situationen ergreifend wiederzugeben. Marie Bonnet und Andreas Helgi Schmid leihen Sophie Scholl und Fritz Hartnagel in den Briefwechseln, Dialogen und Diskussionen ihre Stimmen. Sie schaffen es durch Modulation und Betonung, dem Hörer die gemeinsame Zeit der zwei Liebenden, ihre Gefühls- und Gedankenwelt intensiv näher zu bringen. Leider hat es der Verlag versäumt, die Rollenbesetzung auf dem Cover oder im Booklet anzugeben, es sind lediglich die mitwirkenden Sprecher/innen aufgeführt. Die CD ist in insgesamt 12 Tracks unterteilt, die keine eigenen Namen haben und jeweils zwischen vier und sieben Minuten lang sind. Das Feature lässt sich in Etappen anhören, wobei die inhaltlichen Abschnitte auch über mehrere Tracks fließen, so dass eine Unterbrechung zum Ende eines Tracks nicht immer sinnvoll ist. Ideen zur Umsetzung Das Feature / Hörbuch eignet sich für den Einsatz im Unterricht ab der 8. Klassenstufe. Anhand der politischen Zustände, die im Hörbuch erläutert werden, können verschiedene gesellschaftliche und moralische Themen herausgearbeitet und diskutiert werden. Geschichte und Politik Skizziert das „kurze Leben der Sophie Scholl“ in einem Zeitstrahl. Welche Stationen sind von besonderer Bedeutung? Mit welchen politischen Ereignissen der Zeit fallen sie zusammen? Welche im heutigen Deutschland geltenden Grundrechte wurden den Bürgern unter der NS-Herrschaft genommen? Was passierte mit dem Fortschreiten des Zweiten Weltkriegs mit den Menschen, die sich dem Regime widersetzten? Welche Handlungen wurden als Widerstand angesehen? Wie würde in der heutigen Zeit in Deutschland mit Widerstandgruppen umgegangen werden (Stichwort: Verfassungsschutz)? Gilt dies auch für andere Länder, insbesondere dort, wo Diktaturen herrschen (Stichwort: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen)? 4 © Stiftung Zuhören, Frankfurt/Main 2013 Im Hörbuch wird die Hinrichtung von Sophie Scholl, Hans Scholl und Christoph Probst als Ermordung bezeichnet. Kann unter Berücksichtigung der Gesetzeslage in einer Diktatur von Mord gesprochen werden? Beleuchtet den Begriff sowohl juristisch als auch ethisch. Viele Menschengruppen wurden von den Nationalsozialisten in ihren Freiheiten massiv eingeschränkt. Kennt ihr heutige Länder oder Gebiete, in denen aktuell ähnliche Bedingungen herrschen, in denen Menschen in der Ausübung ihres freien Willens von einer herrschenden Macht gehindert werden? Die Überwachung der eigenen Bevölkerung ist ein Werkzeug für jede Regierung, soll aber auch ihrem Schutz dienen. Diskutiert unter Berücksichtigung des im Jahr 2013 öffentlich gewordenen Abhörskandals von NSA, CIA und BND die Notwendigkeit der Kontrolle von Bürgern. Wie hat sich seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 das Verhältnis von Sicherheit und persönlicher Freiheit in stabilen Demokratien entwickelt? Nennt aktuelle Beispiele. Deutsch und Kommunikation Kann man die Flugblätter der „Weißen Rose“ mit den Propagandaschriften des NS-Regimes vergleichen? Falls ja, gab es außerhalb der politischen Ansichten Unterschiede, z. B. in der Art der Ansprache oder der verwendeten Symbolik? Wie könnte also ein Flugblatt der „Weißen Rose“ ausgesehen haben? Wie eines der Nationalsozialisten? Erfahrt, wie Propaganda wirkt und was diese in den Urhebern und den Empfängern auslöst. Bildet dazu zwei Gruppen, die zu einem frei wählbaren (vielleicht auch banalen) Thema gegenteilige Positionen beziehen. Jede Gruppe gestaltet ein Flugblatt, auf dem ihre jeweilige Meinung entschieden vertreten wird. Ein Vergleich beider Flugblätter dient euch als Diskussionsgrundlage zur Wirkung solcher Propagandamittel. Welche Eindrücke und Empfindungen habt ihr während des Entstehungsprozesses erfahren? Wie wirkt das Flugblatt der anderen Gruppe auf euch und welche Gefühle löst es in euch aus? Das Lied „Die Gedanken sind frei“ taucht mehrfach im Hörbuch auf, allerdings nur gesummt. Besorgt euch den Text dazu. Ist das Lied für die Thematik der CD angemessen? Welche Aussage beinhaltet es und worin seht ihr den Zusammenhang zum Thema Widerstand? Das Lied wird auch vom E-Mail-Anbieter GMX für seine aktuelle Fernsehwerbung (Stand: September 2013) benutzt. Wie beurteilt ihr diese 5 © Stiftung Zuhören, Frankfurt/Main 2013 Verwendung des Lieds, auch im Zusammenhang der Bedeutung von E-Mails als Kommunikationsmittel? Die Liebesbeziehung zwischen Sophie Scholl und Fritz Hartnagel war unter den vorherrschenden Bedingungen alles andere als einfach in der Kommunikation. Während Fritz als Berufsoffizier im Zweiten Weltkrieg an der Front kämpfte, studierte Sophie in München Biologie und Philosophie. Die Verständigung zwischen ihnen fand daher zum großen Teil über Briefe statt, die von der Feldpost gebracht wurden und wochenlang unterwegs waren. Versucht euch eine Welt ohne E-Mails und Handykurznachrichten vorzustellen. Wie musste ein Brief (z. B. ein Liebesbrief) formuliert werden, um möglichst viele Missverständnisse zu vermeiden? Worin bestehen die Unterschiede zur heutigen Kommunikation? Wie versucht ihr Missverständnisse zu vermeiden oder sie zu beheben, wenn ihr mit euren Freunden kommuniziert? Sophie Scholl hatte zu vielen unterschiedlichen Menschen Kontakt, die ihre Ansichten, ihren Glauben und ihre Einstellung maßgeblich beeinflusst haben. Stellt ein Beziehungsgeflecht auf und skizziert damit Sophies soziales Umfeld. Religion Welche Glaubensgemeinschaften wurden im Dritten Reich als „Rassen“ bezeichnet? Was geschah mit ihnen? Welche Rechte hatten sie bzw. hatten sie nicht? Welche Stellung bezogen die katholische und die evangelische Kirche zu den Nationalsozialisten? Fazit Dem Hörbuch gelingt der Spagat zwischen geschichtlicher Faktendarstellung und den persönlichen Erlebnissen der Protagonistin sehr gut. Das von vielen Einflüssen geprägte Leben der Sophie Scholl sowie ihre komplexe Beziehung zu Fritz Hartnagel werden den Hörern durch die gewählte Darstellung klar vor Augen geführt. Gleichzeitig werden in ausreichendem Maße historische Fakten vermittelt. Die Zusammenhänge sind auch für Zuhörer mit geringen geschichtlichen Vorkenntnissen leicht verständlich, die CD bietet somit einen intensiven Einblick in die damalige Zeit und das „kurze Leben der Sophie Scholl“. Andere Mitglieder der „Weißen Rose“ bleiben allerdings außen vor, sodass man über die Gruppe an sich nur wenig erfährt. Der Fokus liegt ganz auf Sophie, die bis heute für viele Menschen ein Vorbild für Mut und Geradlinigkeit ist. 6 © Stiftung Zuhören, Frankfurt/Main 2013 Die Produktion selbst ist technisch einwandfrei und redaktionell durch den gelungenen Mix aus Briefauszügen, Erzählung und Zeitzeugeninterviews sehr modern aufgemacht. Die guten Leistungen der Sprecher/innen und der Einsatz von Geräuschen wie z. B. Maschinengewehrfeuer geben dieser CD einen intensiven und lebendigen Hörspielcharakter. Das Sachhörfeature wird vom Verlag ab einem Alter von zwölf Jahren empfohlen. Für den Einsatz im Unterricht und die direkte Auseinandersetzung mit dem Thema „Widerstand im Dritten Reich“ sollten die Hörer allerdings schon ein oder zwei Jahre älter sein. Jüngere Jugendliche und Kinder lauschen der CD am besten gemeinsam mit ihren Eltern oder anderen erwachsenen Vertrauenspersonen. Angaben zur Produktion Feature Verlag: Hörbuch Hamburg HHV Hamburg Autor: Hermann Vinke Erscheinungsdatum: März 2013 Empfohlenes Alter: Ab 14 Jahren Umfang: 1 CD (ca. 72 Minuten) GmbH (http://www.hoerbuch-hamburg.de/), Sprecher/innen: Doris Wolters, Marie Bonnet, Andreas Helgi Schmid Komposition und technische Realisation: Martin Bezzola Technische Assistenz: Benjamin Pogonatos Regie: Mark Ginzler Bibliographische Angaben Audio-CD: Hermann Vinke: Das kurze Leben der Sophie Scholl 12 Tracks, 72 Min. Hörbuch Hamburg HHV GmbH, Hamburg 2013 ISBN: 978-3-86742-699-2 Preis: 12,99 Euro 7 © Stiftung Zuhören, Frankfurt/Main 2013 Die „CD des Monats“ erscheint außerdem beim Institut Kindermedienforschung, Stuttgart, www.ifak-kindermedien.de für angewandte Darüber hinaus erscheint die „CD des Monats“ bei SCHAU HIN! (http://schauhin.info/), Berlin. Die Initiative bietet Eltern eine Hilfestellung zum Umgang mit Medien für Kinder. Rezension: Karola Kuhs, Institut für angewandte Kindermedienforschung Stuttgart Redaktion: Volker Bernius, Stiftung Zuhören, Frankfurt/Main 8 © Stiftung Zuhören, Frankfurt/Main 2013