Schwangerschaft als Dienstleistung - Kind als Ware? Eine rechtliche
Transcription
Schwangerschaft als Dienstleistung - Kind als Ware? Eine rechtliche
Dokument hill 2013 Nr. 86 Autor Birgit Christensen Titel Schwangerschaft als Dienstleistung - Kind als Ware? Eine rechtliche Annäherung an das komplexe Phänomen der sogenannten Leihmutterschaft Publikation hill Zeitschrift für Recht und Gesundheit Herausgeber Ghislaine Frésard-Fellay, Thomas Gächter, Ueli Kieser, Agnes Leu, Tomas Poledna, Bernhard Rütsche, Daniel Staffelbach Verlag Schulthess Juristische Medien AG Schwangerschaft als Dienstleistung - Kind als Ware? Eine rechtliche Annäherung an das komplexe Phänomen der sogenannten Leihmutterschaft Birgit Christensen* 1 Als Leihmutter wird eine Frau bezeichnet, die im Rahmen eines Fortpflanzungsverfahrens ein Kind austrägt und es nach der Geburt Dritten überlässt. Leihmutterschaft ist in der Schweiz wie in zahlreichen weiteren Ländern verboten. Dennoch werden in jüngster Zeit zunehmend Kinder von Leihmüttern in die Schweiz gebracht. Diskutiert werden in diesem Zusammen-hang meist die Verletzung der Würde der Frau sowie humanitäre Gründe, die gebieten, solche Elternschaften anzuerkennen. Anders der vorliegende Beitrag, in dem versucht wird, die grundlegenden rechtlichen Probleme, die mit dem Phänomen der Leihmutterschaft verbunden sind, auszuloten. A. Einleitung 2 Bis gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts konnten ungewollt kinderlose Ehepaare ihren Kinderwunsch nur auf dem Weg der Adoption oder mit Pflegekindern erfüllen.1 Die Reproduktionsmedizin, insbesondere die Leihmutterschaft, bei der eine Frau mit einem Kind für Dritte schwanger ist, eröffnet auch für weitere Gruppen von Menschen die Möglichkeit, der ungewollten Kinderlosigkeit zu begegnen, womit eine tiefgreifende "Transformation von Elternschaft" eingeläutet wird.2 1 Für Gespräche, zahlreiche wertvolle Hinweise und kritische Lektüre danke ich Lilli Binzegger, Carsten Fischer, Thomas Meier, Margot Michel und Christina Schlatter. 2 E. Beck-Gernsheim, Ware Kind? Kinderwunsch transnational, in: C. Koppetsch (Hg.), Nachrichten aus der Innenwelt des Kapitalismus. Zur Transformation moderner Subjektivität, Wiesbaden 2011, 99-112, 99. Wunschkinder können unter anderem auch "Alleinstehende" oder "schwule und lesbische Paare" bekommen, "Frauen, die noch niemals Geschlechtsverkehr hatten; Frauen jenseits der 60, die im Pensionsalter ihre Sehnsucht nach Mutterglück entdecken; Frauen, deren Partner im Sterben liegt oder schon tot ist, und die noch ein Kind von ihm wollen; Frauen, Ausdruckseite 2 von 22 3 4 Leihmutterschaft ist in der Schweiz wie in Deutschland und zahlreichen weiteren westeuropäischen Ländern verboten.3 Als rechtliche Mutter eines Kindes gilt jene Frau, die es geboren hat.4 Das Geschäft mit der Leihmutterschaft boomt dennoch auch hier. Die Zahl der geborenen Leihmutterbabys hat weltweit massiv zugenommen, und die Frauenzeitschrift Annabelle "hat Kenntnis von gut dreissig Schweizer Kindern, von denen die Behörden wissen oder aufgrund von Indizien stark vermuten, dass sie von einer Leihmutter ausgetragen worden sind", wobei es sich dabei nur um die "Spitze des Eisbergs" handeln soll.5 Eine Zunahme der Leihmutterschaft konstatiert auch der Bundesrat: "Die schweizerischen Zivilstandsbehörden verzeichnen in jüngerer Zeit insbesondere bei der Beurteilung ausländischer Geburtsurkunden zum Zwecke der Eintragung ins schweizerische Personenstandsregister vermehrt Anfragen, die den Verdacht auf Leihmutterschaft aufkommen lassen."6 Eine der grössten Schwierigkeiten, die mit dem Verbot verbunden ist, ist die Frage der Sanktion, da sie immer auch das Kind betrifft.7 Das Kinderhilfswerk Terre des hommes will sich deshalb dafür einsetzen, die im Ausland durch Leihmutterschaft begründeten Kindesverhältnisse anzuerkennen, damit der rechtliche Status dieser Kinder verbessert wird.8 Diesen Ansatz bezeichnet die SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr als "fatalistisch" und begegnet ihm mit folgendem Argument: "Niemand würde Diebstähle legalisieren, weil es immer Diebe geben wird."9 Sie hat deshalb ein Postulat eingereicht, das den Bundesrat beauftragt, einen Bericht zur Leihmutterschaft zu verfassen.10 die sich sterilisieren liessen, als ihr Kinderwunsch erfüllt und die Familie komplett schien, aber nach Scheidung und Neuanfang auf ein Kind vom neuen Mann hoffen; Paare, die das Geschlecht ihres Nachwuchses bestimmen wollen", ebd. 104f. 3 Vgl. Art. 119 Abs. 2 lit. d BV, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999, sowie Art. 4 und 31 FMedG, Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung (Fortpflanzungsmedizingesetz) vom 18. Dezemer 1998. Verboten ist die Leihmutterschaft etwa in Dänemark, Frankreich, Italien, Norwegen, Österreich und Spanien. Nicht verboten ist sie unter anderem in Belgien, Griechenland, Grossbritannien und den Niederlanden. Die Angaben stützen sich auf die Tabelle "Rechtliche Regelungen zur Fortpflanzungsmedizin in europäischen Ländern" (2010) des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, http://web.archive.org/web/20101010104254/http://www.cuneo.de/medr/show_all.asp (11.2.2013). Laut Wikipedia ist Leihmutterschaft ausserdem erlaubt in Australien, Indien, Israel, Kanada, Russland, der Ukraine sowie in einigen Bundesstaaten der USA. Verboten ist sie nach dieser Quelle auch in Bulgarien, Finnland, Japan, Lettland, Litauen, Protugal, Schweden, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Wikipedia, "Leihmutterschaft" (11.2.2013). 4 Vgl. Art. 252 Abs. 1 ZGB, Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907: "Das Kindesverhältnis entsteht zwischen dem Kind und der Mutter mit der Geburt." Vgl. für Deutschland § 1591 BGB, Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896. 5 Vgl. B. Achermann, Leihmutterschaft: Unser Baby, made in Ukraine, in: Annabelle vom 19. Oktober 2012, http://www.annabelle.ch/liebe/familie/leihmutterschaft-unser-baby-made-ukraine25949 (10.2.2013). 6 Curia Vista, 11.1013, Antwort des Bundesrates vom 11. Mai 2011 auf die Anfrage von Jacqueline Fehr vom 14. März 2011, Leihmutterschaft. Wohl des Kindes. 7 So verweigern etwa Frankreich und Deutschland die Einreise von Kindern, die durch eine Leihmutter geboren wurden, vgl. das Merkblatt des Auswärtigen Amtes: "Falls Sie erwägen, in der Ukraine ein Kind durch eine Leihmutter austragen zu lassen, beachten Sie bitte folgende Hinweise: Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten. Ein von einer Leihmutter geborenes Kind eines deutschen Staatsbürgers hat keinen Anspruch auf einen deutschen Reisepass. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin kürzlich in einem Eilverfahren entschieden (Aktenzeichen VG 23 L 79.11)." http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00SiHi/UkraineSicherheit.html (11.2.2013). Sehr ähnlich lautet das von der schweizerischen Botschaft für die Ukraine und Moldova verfasste Merkblatt "Leihmutterschaft in der Ukraine" vom Juli 2011, vgl. http://www.eda.admin.ch/etc/medialib/downloads/edactr/ukr.Par.0137.File.tmp/Leihmutterschaft %20in%20der%20Ukraine_de.pdf (11.2.2013). 8 Vgl. T. Polli, Leihmütter. Ein Baby für 25’000 Franken, in: Beobachter 24/12, 2; http://www.beobachter.ch/justiz-behoerde/gesetze-recht/artikel/leihmuetter_ein-baby-fuer-25000franken/(11.2.2013). Vgl. dazu auch A. Büchler/N. Bertschi, Gewünschtes Kind, geliehene Mutter, zurückgewiesene Eltern? Leihmutterschaft in den USA und die Anerkennung des Kindesverhältnisses in der Schweiz, FamPra.ch 2013, S. 33-56. 9 Polli (Anm. 8) 2. 10 Vgl. Curia Vista 12.3917, Postulat vom 28. September 2012, Bericht zur Leihmutterschaft. Der Bundesrat hat das Postulat am 21. November 2012 angenommen. Ausdruckseite 3 von 22 5 Ein Gesetz kann natürlich der Realität angepasst werden. Wenn es einen Sachverhalt so regelt, dass das Rechtsempfinden der Gesellschaft nicht mehr adäquat widergespiegelt wird, muss es auch angepasst werden.11 Die Leihmutterschaft wirft allerdings derart viele Probleme auf, dass ihre Zulassung zahlreiche grundlegende Prinzipien und Normen des Rechts in Frage stellen würde. Es geht nicht nur darum, ob die Menschenwürde der Leihmutter verletzt wird oder nicht, wovon die meisten ethischen und rechtlichen Diskussionen auszugehen scheinen,12 sondern auch, ja, vor allem darum, dass Rechtsregeln betroffen sind, die zum Schutz der Person, auch des Kindes, das in dieser Diskussion oftmals ausgeblendet wurde und wird, erlassen wurden. 6 Leihmutterschaft ist ein höchst irritierendes Phänomen, das in seiner Komplexität nur schwer fassbar ist. In den folgenden Ausführungen geht es deshalb primär darum, sich diesem Phänomen im Rahmen einer Auslegeordnung anzunähern. Als erstes wird die Begrifflichkeit problematisiert und ansatzweise geklärt, da sie verwirrend ist und auffallend häufig verschleiernden Charakter hat. Danach werden die verschiedenen rechtlichen Problemfelder aufgezeigt, die durch das Phänomen der Leihmutterschaft tangiert werden. Es wird nach der Natur des Leihmutterschaftsvertrags gefragt, und danach, wie sich die Vorstellung von Elternschaft verändert. Weiter werden die Schwangerschaft als Dienstleistung sowie eine vertraglich begründete Elternschaft thematisiert. Ein folgender Abschnitt widmet sich dem Kind. Zum Schluss wird auf das Problem der Kommerzialisierung eingegangen. Die Vielzahl der Themen erlaubt keine abschliessende rechtliche Behandlung.13 Aber sie zeigt das Spektrum von rechtlichen Problemen auf, die sich im Zusammenhang mit dem Phänomen der Leihmutterschaft stellen. Dazu gehört etwa auch die Tatsache, dass ein verwandtschaftlich begründetes Verhältnis, das zivilrechtlich geregelt ist, neu durch Verträge entstehen soll, die dem Obligationenrecht angehören, oder dass durch die Leihmutterschaft einerseits die soziale Elternschaft höher gewichtet wird als die genetische (gespendete Ei- und Samenzellen), zugleich aber die genetische Elternschaft für die rechtliche von zentraler Bedeutung ist (Ei- und/oder Samenzellen der künftigen Eltern).14 11 Zur Problematik, die damit verbunden ist, vgl. Uwe Volkmann: "Recht ist typischerweise auf die Bewältigung bestimmter Problemlagen zugeschnitten. Verändern sich diese Problemlagen oder entfallen sie, sind zwei entgegengesetzte Reaktionen möglich: Entweder das Recht stellt sich gegenüber diesen Veränderungen taub. Es bleibt dann als normatives Programm intakt, wird aber irrelevant. Oder das Recht passt sich der Entwicklung an und verändert sich dadurch selbst. Es bleibt dann relevant, hat aber an Normativität eingebüsst. In diesem Dilemma versucht verantwortungsvolle Rechtsanwendung seit jeher einen Mittelweg zu beschreiten und das Recht auch durch Anpassungen der Dogmatik an Veränderungen der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu öffnen." U. Volkmann, Veränderungen der Grundrechtsdogmatik, in: JuristenZeitung - JZ 6 (2005) 261-312, 263. 12 Vgl. neben zahlreichen anderen M. Herdegen, Kommentar zu Art. 1 Abs. I GG, in: R. Herzog/M. Herdegen/R. Scholz/H.H. Klein (Hg.), Grundgesetz-Kommentar [Maunz/Dürig] 2012, Bd. 1, Art. 1-5, 1-74, 65 N 104, der immerhin zugibt, dass die Leihmutterschaft "zu schwer beherrschbaren familienrechtlichen Beziehungen führen würde, aber meint, sie lasse "die Menschenwürde von Leihmutter und Ehefrau unberührt" wie auch jene des Embryos, H. Dreier, Kommentar zu Art. 1 GG, in: Ders. (Hg.), Grundgesetz-Kommentar, Tübingen 1996, Bd. 1, Art. 1-19, 90-139, 113 N 58, und P. Schaber, Instrumentalisierung und Würde, Paderborn 2010, 145f.; auch im WarnockReport wird die Menschenwürde als Gegenargument gebracht: 45, 8.10, Report of the committee of inquiry into human fertilisation and embryology/Warnock-Report (1984) 42, 8.1; differenzierter, wenngleich auch auf die Instrumentalisierung fokussierend, R. Andorno, La distinction juridique entre les personnes et les choses à l’épreuve des procréations artificielles, Paris 1996, insb. 259-286. 13 Nicht behandelt werden die intermediären Instanzen, die Vermittler, Kliniken usw. In der Schweiz wird gegenwärtig an zwei Dissertationen zur Leihmutterschaft gearbeitet: In Bern forscht Rahel Baumgartner unter dem Arbeitstitel "Leihmutterschaft aus grundrechtlicher und rechtsethischer Sicht" am Thema, in Zürich schreibt Nora Bertschi an einer privatrechtlich ausgerichteten Dissertation mit dem Projekttitel "Outsourcing Pregnancy - Wenn sich westliche Eltern in Indien den Wunsch vom eigenen Kind erfüllen". 14 Andrea Büchler wies schon 2004 darauf hin, dass mit der "Inanspruchnahme der Fortpflanzungsmedizin die weitgehende Entflechtung biologischer und sozialer Eltern-KindBeziehung in Kauf genommen" wird, gleichzeitig aber "medizinische Fortpflanzungsverfahren in höchstem Masse der Erfüllung von traditionell-biologistischen Erwartungen" dienen. A. Büchler, Sag mir, wer die Eltern sind ... Konzeptionen rechtlicher Elternschaft im Spannungsfeld genetischer Gewissheit und sozialer Geborgenheit, AJP 2004, S. 1175-1185, 1183. Ausdruckseite 4 von 22 B. Begriffsklärungen 1. Leihmutterschaft: Begrifflichkeit und Phänomen 7 Eine Leihmutter ist gemäss der Legaldefinition des schweizerischen Fortpflanzungsmedizingesetzes eine Frau, die im Rahmen eines Fortpflanzungsverfahrens ein Kind austrägt und es nach der Geburt Dritten überlässt.15 Von der Adoption unterscheidet sich die Leihmutterschaft insofern, als bereits vor der Schwangerschaft vertraglich geregelt ist, dass und wem das Kind, das erst noch gezeugt werden muss, übergeben wird. 8 Alternative Begriffe zur Leihmutter sind Ersatzmutter,16 Surrogat-, Substitutions- oder Ammenmutter,17 Schwangerschaftsmutter,18 Mietmutter,19 kommerzielle Mutter20 oder Tragemutter21 - die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.22 Alle diese Termini setzen sich aus einem Präfix und -mutter zusammen, was irreführend ist. "Mutter" bezeichnet eine "Person weiblichen Geschlechts, welche einem oder mehreren Kindern durch Geburt ein selbständiges Dasein gab, in Bezug auf diese",23 in rechtlicher Terminologie: "Das Kindesverhältnis entsteht zwischen dem Kind und der Mutter mit der Geburt" (Art. 252 Abs. 1 ZGB). In diesem Sinn ist auch die Leihmutter, nachdem sie das Kind geboren hat, "Mutter". Leihmutterschaft wie auch alle alternativen Begriffe, die auf -mutter enden, bezeichnen jedoch nicht das Verhältnis zwischen Frau und Kind nach der Geburt, sondern werden dann gebraucht, wenn es darum geht zu beschreiben, dass eine Frau mit einem Kind schwanger ist, das sie nach der Geburt aufgrund einer vertraglichen Abmachung weggibt. In diesem Zeitpunkt ist die Frau erst "werdende Mutter".24 Die Begriffe, die auf -mutter enden, sind deshalb nicht adäquat, weil die Mutterschaft - auch als Funktion - gerade dann anfinge, wenn sie in den vorliegenden Fällen endet.25 15 Vgl. Art. 2 lit. k FMedG oder für Deutschland § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG, Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz) vom 13.12.1990. 16 So etwa in Deutschland § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG sowie § 13a AdVermiG, Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot der Vermittlung von Ersatzmüttern (AdVermiG) vom 2.7.1976. 17 T. Jäggi/P. Widmer, Der Leihmutterschaftsvertag, in: P. Forstmoser/P. Tercier/R. Zäch (Hg.), Innominatverträge. Festgabe zum 60. Geburtstag von Walter R. Schluep, Zürich 1988, 61-77, 67 f. 18 A. Leist, Diskussionen um Leben und Tod, in: Ders. (Hg.), Um Leben und Tod. Moralische Probleme bei Abtreibung, künstlicher Befruchtung, Euthanasie und Selbstmord, 3. Aufl. Frankfurt a.M. 1992, 9-72, 36. 19 Gebräuchlich im Spanischen und Italienischen: madre alquilada und madre in affitto, letzteres kann auch Pacht bedeuten; vgl. auch Jäggi/Widmer (Anm. 17) 67. 20 Im Spanischen die maternidad comercial. 21 Vgl. u.a. D. Giesen, Probleme künstlicher Befruchtungsmethoden beim Menschen. Zum Argumentationsstand über das Machbare im Bereich moderner Fortpflanzungstechniken in Grossbritannien und Australien, in: JuristenZeitung - JZ 40 (1985) 652-661, 658. Der Begriff findet sich auch im Französischen und Spanischen: mère porteuse, madre portadora. 22 In der Presse finden sich weitere Umschreibungen wie "Bauchmama", "Gastmutter" oder die interessanten Begriffe "Geburtsfrau" und "Austragefrau", die weder einen Zusammenhang mit Leihe und Ersatz noch mit Mutterschaft herstellen. 23 Pierer’s Universal-Lexikon 11 (1860) 597. 24 Damit ist nichts über die Beziehung zwischen Mutter und Kind während der Schwangerschaft ausgesagt, ausser, dass sie eben rechtlich nicht als fassbar erscheint. Vgl. dazu insbesondere B. Bleisch, Leihmutterschaft als persönliche Beziehung, erscheint in: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 17 (2012). 25 Kritisch an diesem Punkt auch Büchler/Bertschi (Anm. 8) 33-56, 33, Anm. 1. Sie schlagen als angemessenere Begriffe contractual pregnancy oder surrogate pregnancy vor. Ausdruckseite 5 von 22 9 Ebenso unglücklich sind aber auch die meisten Präfixe. So suggeriert etwa der weit verbreitete Begriff Ersatzmutter, eine Mutter ersetze die andere.26 Im Allgemeinen ist ein Ersatz in einen zeitlichen Kontext eingebunden, wobei das Frühere durch das Spätere ersetzt wird, etwa die leibliche Mutter durch die Stiefmutter. Im vorliegenden Fall ist das gerade umgekehrt: Ersatzmutter ist nicht die Frau, die das Kind nach der Geburt übernimmt, sondern die Frau, in deren Uterus es heranwächst.27 Ich verwende den Begriff deshalb ebensowenig wie seine Entsprechungen Surrogatmutter oder Substitutionsmutter. 10 Problematisch ist auch die im angloamerikanischen Raum angewandte Bezeichnung surrogacy, die jede Form von Schwangerschaft beschreibt, die durch Dritte übernommen wird.28 Diese Verkürzung, die nur von "Ersatz" spricht, ist so neutral, dass ein Zusammenhang mit Mutter oder Schwangerschaft auch im gesellschaftlichen Bewusstsein ausgeblendet wird. Als Nicole Kidman und Keith Urban, anstatt von surrogacy zu sprechen, die mit ihrem Kind schwangere Frau korrekt gestational carrier (Schwangerschaftsausträgerin) nannten, wurde ihnen vorgeworfen, der Frau "jede Menschlichkeit" zu rauben.29 Um die Schwangerschaft für jemand anderen aber geht es. Zutreffender sind deshalb die französischen Begriffe der gestation pour autrui (Schwangerschaft für andere/eine andere) und des prêt d’uterus (Leihe des Uterus/Uterusleihe)30 oder die englischen Begriffe gestational carrier und contractual pregnancy. In diesem Sinn wird im Folgenden auch der Terminus Schwangerschaft für andere oder für Dritte verwendet. 11 12 Ein für die Diskussion der Leihmutterschaft entscheidender Punkt kann mit der terminologischen Differenzierung von Leihmutter und Tragemutter verdeutlicht werden.31 Als Leihmutter in einem engen Sinn32 wird jene Frau bezeichnet, bei der im Rahmen einer künstlichen Insemination ein, meistens jedoch mehrere Eier mit Samen befruchtet werden.33 Die sogenannte Leihmutter ist also zugleich genetische und leibliche Mutter des Kindes oder Mutter "im vollen rechtlichen und faktischen Sinne".34 Der Same kann vom "Auftraggeber"35 oder von einem anderen Mann stammen. 26 Im Englischen (surrogate mother, surrogate motherhood oder surrogate parenting) ist er ebenso gebräuchlich wie im Französischen (mère de substitution) und im Italienischen (madre surrogata bzw. surrogazione di maternità). 27 Ähnlich auch Jäggi/Widmer (Anm. 17) 67. 28 "Surrogacy is the practice whereby one woman carries a child for another with the intention that the child should be handed over after birth." Warnock-Report (Anm. 12) 42, 8.1. 29 Vgl. Despektierlich. Kidman und der "Brutmaschinen"-Skandal, in: Spiegel Online, 19. Januar 2011, http://www.spiegel.de/panorama/leute/despektierlich-kidman-und-der-brutmaschinenskandal-a-740339.html (11.2.2013). 30 Auch gestation pour le compte d’autrui, vgl. P. Engel, Contrats de droit suisse. Traité des contrats de la partie spécial du Code des obligations, de la vente au contrat de société simple, articles 184 à 551 CO, ainsi que quelques contrats innommés, 2. Aufl. Bern 2000, 738. Zur Problematik der "Leihe" weiter unten. 31 So bereits Giesen (Anm. 21) 658; vgl. auch U. Rengachary Smerdon, Crossing bodies, crossing borders: International surrogacy between the United States and India, in: Cumberland Law Revies 39/1 (2008) 15-85, 16-18. 32 Englisch traditional surrogacy, französisch procréation pour autrui, Zeugung für andere; vgl. S. Montgolfier/A. Mirkovic, Maternité pour autrui: du désir d’enfant à l’enfant à tout prix, in: médecine science/ms 25 (2009) 419-422, 420. 33 Damit soll - nach einer Ovulationsstimulation - die Chance für eine gelingende Schwangerschaft erhöht werden. Zu einem späteren Zeitpunkt findet dann eine selektive Abtreibung statt. 34 Vgl. Jäggi/Widmer (Anm. 17) 65. 35 So die Botschaft über die Volksinitiative "zum Schutz des Menschen vor Manipulationen in der Fortpflanzungstechnologie (Initiative für menschenwürdige Fortpflanzung, FMF)" und zu einem Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung (Fortpflanzungsmedizingesetz, FMedG) vom 26. Juni 1996, 248. Ausdruckseite 6 von 22 13 14 Bei der sogenannten Tragemutter36 hingegen findet eine In-vitro-Fertilisation statt, bei welcher der Frau befruchtete, fremde Eizellen eingepflanzt werden, ebenfalls meist mehrere.37 Hier können die Verhältnisse komplizierter werden: a) Ei und Samen können von den künftigen "Wunscheltern"38 stammen. Durch die homologe Insemination sind die künftigen sozialen Eltern auch die genetischen Eltern. b) Das Ei stammt von der künftigen "Wunschmutter",39 der Same im Rahmen einer heterologen Besamung von einem Samenspender. c) Das Ei kann von einer Eispenderin stammen, der Same vom künftigen Vater. d) Ei und Same können von einer Spenderin und einem Spender stammen. Aus der Kombinationsvielfalt kann sich eine verwirrende Vielfalt von Elternschaften ergeben.40 Trotz dieser entscheidenden Klärung, die mit der Differenzierung von Leihmutter und Tragemutter erreicht werden kann, vermögen die Begriffe nicht zu überzeugen. Der Tragemutter haftet etwas Despektierliches an, zumal sie terminologisch an die Trächtigkeit erinnert, von der in der Regel nur bei Tieren gesprochen wird.41 Die Leihmutter hingegen ist werdende Mutter wie jede andere Frau, die mit einer eigenen befruchteten Eizelle schwanger ist. Mangels Alternativen wird dennoch an den Begriffen festgehalten.42 Den Terminus Leihmutterschaft verwende ich - der schweizerisch-rechtlichen Terminologie folgend43 - im Sinne eines Oberbegriffs für beide Phänomene.44 2. Das "angewünschte" Kind 15 Irreführend ist auch die Terminologie, die mit den Wünschen operiert. Vom "angewünschten Kind" spricht Ulrich Zasius 1502 im Zusammenhang mit der Adoption und noch im 17. Jahrhundert wird mit Wunschkind das Adoptivkind, filius adoptivus, bezeichnet.45 Der heutige Kinderwunsch, um den herum sich eine regelrechte "Kinderwunschindustrie"46 entwickelt hat, erfasst jedoch nicht nur das Wunschkind, sondern generiert auch Wunscheltern. Während der Kinderwunsch zum Ausdruck bringt, dass sich jemand ein Kind wünscht, meint Wunschkind zweierlei. Zum einen kann damit ein ersehntes Kind ganz allgemein bezeichnet werden, zum andern kann ein Wunschkind eines sein, das sich zahlreiche Eltern wünschen würden, weil es über gewisse Eigenschaften verfügt, brav, begabt, schön und intelligent ist oder 36 Der Tragemutterschaft entspricht im Englischen der Begriff der gestational surrogacy bzw. gestational carrier, im Französischen gestation pour autrui, vgl. Montgolfier/Mirkovic (Anm. 32) 420. 37 So werden etwa "in Indien stets mehr als drei Embryonen eingesetzt [...]. Kommt es zu Drillingen, wird einer der Föten abgetrieben." M. Spiewak, Leihmutterschaft. Verbotene Kinder, in: Zeit Online, http://www.zeit.de/2010/17/Leihmutterschaft (11.2.2013). 38 Botschaft (Anm. 35) 248. Zum (sachlich unkorrekten) Begriff, der die Wünschenden mit ihrem Wunsch verwechselt, vgl. unten. 39 Botschaft (Anm. 35) 248. 40 Vgl. dazu auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juli 2011, C-955/2008, 10.2. 41 Bereits 1907 wurde in Meyers Lexikon unter dem Begriff Gestation zwischen "Trächtigkeit der Tiere" und "Schwangerschaft der Frau" unterschieden. Meyers Grosses Konversationslexikon, 1907, Bd. 7, 743. Dasselbe formuliert das Etymologische Wörterbuch "Schwanger wird naturgemäss nur von Frauen gesagt, für Tiere gilt in neuerer Sprache trächtig", Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, erarbeitet im Zentralinstitut für Sprachwissenschaft unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer, 2. Aufl. München 1997, 1255. 42 Die Leihmutter könnte zwar Vertragsmutter, die Tragemutter Vertragsschwangere genannt werden, doch ist Vertragsmutter in gewisser Hinsicht auch jene Frau, welche die Mutterschaft mittels Vertrag wünscht; wirklich präziser und ansprechender sind auch diese Begriffe nicht. 43 Vgl. Art. 2 lit. k FMedG sowie Art. 119 Abs. 2 lit. d BV. 44 Ebenso wird der Begriff der Ersatzmutterschaft in § 13a AdVermiG verwendet. 45 Vgl. das Freiburger Stadtrecht (1502) III 7; J. Grimm/W. Grimm, Deutsches Wörterbuch 30 (1984) 2053. - In der DDR hiess die Anti-Babypille übrigens Wunschkind-Pille, vgl. http://www.histinst.unijena.de/Institut/Lehrst%C3%BChle+und+Professuren/Prof_+em_+Dr_+Lutz+Niethammer/Die+ Wunschkindpille.html (11.2.2013). 46 Spiewak (Anm. 33). Ausdruckseite 7 von 22 auch einfach keine Probleme bereitet. Genau das drückt auch der Begriff Wunscheltern aus: Wunscheltern sind solche, bei denen sich Kinder wohlfühlen, solche, die Kinder sich herbeiwünschen würden, wenn sie sich ihre Eltern aussuchen könnten, weil sie grosszügig oder verständig und liebevoll sind. Eltern hingegen, die sich Kinder wünschen, sind nicht zwingend Wunscheltern, sondern wünschende Eltern, Eltern, die sich Kinder wünschen. Denn ein Wunsch ist ein Wunsch nach etwas, ein Begehren oder Streben.47 Wenn jemand sich etwas wünscht, richtet sich sein Begehren auf eine Sache oder allenfalls auf eine Person, doch wird die begehrende Person damit nicht zur begehrten: Das Objekt, auf das sich der Wunsch richtet, ist das Wunschobjekt. Die wünschende Person wird durch ihren Wunsch nicht zum Wunschsubjekt. Der Begriff Wunscheltern sollte deshalb ebenso vermieden werden wie jener der Wunschmutter.48 Korrekter wäre es, von Auftragseltern49 zu sprechen, wobei - wie gezeigt werden wird - nach geltendem Recht kein Auftrag zur Produktion eines Kindes erteilt werden kann. 16 Ebenfalls fraglich ist, unter welchen Umständen Wünsche einen Anspruch auf Erfüllung haben. Gewisse Wünsche können und dürfen nicht erfüllt werden, weil ihnen gesellschaftliche Tabuisierung und/oder rechtliche Normierung entgegenstehen. So muss etwa der Wunsch, jemanden zu töten und zu verspeisen ebenso wenig erfüllt werden wie jener, in der Schweiz einen Sklaven zu halten, selbst wenn dies in anderen Ländern der Erde erlaubt ist. Bei gewissen Wünschen ist - unter der Voraussetzung einer Wertehierarchie - auch fraglich, ob ihre Nichterfüllung tatsächlich eine Freiheitsbeschränkung darstellt.50 C. Rechtliche Problembereiche 1. Leihe, Miete, Arbeits- oder Werkvertrag? 17 18 An der Grenze zwischen Begriffsklärung und rechtlicher Analyse bewegt sich der Versuch, die Leihmutterschaft vertragsrechtlich einzuordnen. Bereits 1988 haben Thomas Jäggi und Pierre Widmer diese "ausgefallene Variante rechtsgeschäftlicher Vereinbarung" genauer betrachtet, die "um ein gutes Stück "innominater"" ist "als die atypischen Gebilde, die man üblicherweise unter diesem negativen Kennzeichen von den gesetzlich geregelten Verträgen abgrenzt".51 Ein solches Unterfangen rückt die "absurden Züge", die mit dem Phänomen verbunden sind, in ein grelles Licht, eröffnet aber einen anderen Blick auf das, worum es sich bei der Leihmutterschaft handelt.52 Wird vom Begriff der Leihmutterschaft ausgegangen, drängt sich als Rechtsform die Leihe, auch Gebrauchsleihe genannt, auf (Art. 305-311 OR).53 Durch den Vertrag der Leihe wird die Pflicht begründet, jemandem eine Sache auf Zeit zum unentgeltlichen Gebrauch zu überlassen. Es entsteht also ein vertragliches Nutzungsrecht im Interesse 47 Vgl. Ch. Fehige, Wunsch, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie 12 (2004) 1077-1085. 48 Die Tragemutterschaft nach homologer Befruchtung mit den Keimzellen der künftigen sozialen und rechtlichen Eltern erinnert denn auch eher an das "Brutverhalten" des Kuckucks, wobei diesem zugute gehalten werden kann, dass sein Handeln nicht auf einer vernünftigen Überlegung oder Entscheidung, sondern auf Instinkt beruht. 49 Vgl. B. Schöne-Seifert, Grundlagen der Medizinethik, Stuttgart 2007, 166. Interessant ist, dass die bereits erwähnte Botschaft zum Schutz des Menschen vor Manipulationen in der Fortpflanzungstechnologie von der Wunschmutter, nicht aber vom Wunschvater spricht und für diesen den Begriff "Auftraggeber" verwendet, Botschaft (Anm. 35) 248. 50 Vgl. dazu unter anderem Harry G. Frankfurts Ausführungen, die gegen den Libertarianismus gerichtet sind und nicht jeden Wunsch als legitim begreifen. H.G. Frankfurt, Sich selbst ernst nehmen, Frankfurt a.M. 2007, 24 ff. 51 Jäggi/Widmer (Anm. 17) 61 f. 52 Jäggi/Widmer (Anm. 17) 68. 53 Gemeinsam mit der Miete und der Pacht gehört die Leihe zu den sogenannten Gebrauchsüberlassungsverträgen; der Begriff Gebrauchsleihe dient auch der Abgrenzung gegenüber dem zinslosen bzw. unentgeltlichen Darlehen, das ebenfalls eine Leihe darstellt, vgl. Art. 312-318 OR, Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911; vgl. H. Schärer/B. Maurenbrecher, Die Gebrauchsleihe, in: H. Honsell/N.P. Vogt/W. Wiegand (Hg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1-529 OR, 5. Aufl. Basel 2011, 1701-1704, 1704 N 1. Ausdruckseite 8 von 22 19 des Entlehners.54 Dabei ist der Entlehner nur zur Rückgabe, nicht aber zu einer Gegenleistung verpflichtet: Die Leihe ist zwingend unentgeltlich.55 Eine freiwillig erbrachte Gegenleistung schliesst Leihe allerdings nicht aus. Angewandt auf die Leihmutterschaft bedeutet dies: Die Frau (Verleiherin) verpflichtet sich, den zukünftigen Eltern (Entlehner) ihren Uterus zu unentgeltlichem Gebrauch für die Dauer von neun Monaten zu überlassen. Sie verleiht ihren Uterus und erbringt mit ihrer Schwangerschaft eine unentgeltliche Dienstleistung. Ein Dank kann höchstens in einer freiwilligen Gegenleistung bestehen. Wird der rechtlichen Terminologie gefolgt, dürfte also nicht von Leihmutterschaft gesprochen werden, wenn diese Leistung wie in der Mehrzahl der Fälle gegen Entgelt erfolgt.56 Allerdings ist die Gebrauchsleihe ein Sachleistungsvertrag: Gegenstand der Leihe können nur Sachen sein. Personen, der menschliche Körper oder Teile des menschlichen Körpers, wie etwa der Uterus "sind keine Sachen im Rechtssinne", die "veräussert" oder "zum Gebrauch oder zur Nutzung überlassen werden können".57 Beim Leihmutterschaftsvertrag kann es sich deshalb rechtlich gesehen nicht um Leihe handeln - und zwar auch dann nicht, wenn eine Frau unentgeltlich die Schwangerschaft für Dritte übernimmt. 20 Sobald die Parteien, sei es ausdrücklich oder stillschweigend, im Rahmen einer Leihe eine Gegenleistung vereinbaren, liegen ein Miet- oder Pachtvertrag vor, bei denen aber ebenfalls nur Sachen - und gerade keine Personen - zum Gebrauch überlassen werden können.58 Stellt eine Frau ihren Uterus für die Dauer von neun Monaten gegen Bezahlung für die Hervorbringung59 eines Kindes zur Verfügung, ist es deshalb näherliegend zu fragen, ob es sich um ein Dienstleistungsverhältnis, mithin um einen Arbeitsvertrag (Art. 319-362 OR) handelt, welcher der Miete einer menschlichen Leistung entspricht. 21 Die Leihmutterschaft wurde denn auch schon mit der Tätigkeit einer Putzfrau verglichen, die ihren Körper, wenn sie nicht bezahlt würde, kaum für die Reinigung von Büroräumlichkeiten fremder Personen einsetzen würde.60 Der Vergleich wird der Sache jedoch nicht gerecht. Der Körper der Putzfrau verändert sich durch ihre Tätigkeit des Putzens nicht. Bei der Leihmutterschaft hingegen erfährt der Körper während neun Monaten eine massive physische Veränderung und die von ihr erbrachte Leistung lässt sich von ihrer Persönlichkeit nicht trennen. Abgesehen davon ist der Vergleich mit einem beliebigen befristeten Arbeitsverhältnis auch deshalb kaum möglich, weil es bei Schwangerschaft weder eine Kündigung nach Probezeit (Art. 334 i.V.m. 335b OR)61 noch eine geregelte Arbeitszeit gibt: Schwanger ist eine Frau nicht nur während 45 Stunden pro Woche (Art. 9 Abs. 1 lit. a ArG62), sondern rund um die Uhr während neun Monaten, ohne Möglichkeit und Anspruch auf Pausen (Art. 321 OR sowie Art. 15 54 Vgl. Schärer/Maurenbrecher (Anm. 53) 1704 N 1 und 1a. 55 Vgl. Schärer/Maurenbrecher (Anm. 53) 1705 N 3; die Leihe wird deshalb auch als "unvollkommen zweiseitiger Vertrag" bezeichnet, vgl. ebd. 1704 N 2. 56 Im Zusammenhang mit der entgeltlichen Leihmutterschaft müsste der Begriff deshalb im folgenden Text in Anführungszeichen stehen, worauf jedoch aus ästhetischen Gründen verzichtet wird. 57 Jäggi/Widmer (Anm. 17) 69; A. Koller, Kauf und Tausch, in: Honsell/Vogt/Wiegand (Anm. 53) 1095-1156, 1100 N 10. 58 Vgl. Schärer/Maurenbrecher (Anm. 53) 1705 N 3 sowie 1369 N 1. 59 Ich verwende den Begriff der Hervorbringung im Sinn von generatio, der Hervorbringung, Erschaffung oder Zeugung. Vgl. K.E. Georges, Kleines deutsch-lateinisches Handwörterbuch, Nachdruck der 7. Aufl. 1910, Darmstadt 1999, 1294. 60 Vgl. Schaber (Anm. 12) 145. 61 Vgl. W. Portmann, Der Arbeitsvertrag, in: Honsell/Vogt/Wiegand (Anm. 53) 1765-2242, 2030 f. N 9. 62 Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG) vom 13. März 1964. - Arbeitsrechtlich passt am ehesten die Verordnung über den Normalarbeitsvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Hauswirtschaft (NAV Hauswirtschaft) vom 20. Oktober 2010, da er den ganzen Bereich der sogenannt reproduktiven Arbeit regelt, die hauswirtschaftliche Tätigkeit, zu der auch die Kinderbetreuung gehört. Vgl. auch Portmann (Anm. 61) 1823 N 7. Ausdruckseite 9 von 22 22 23 ArG) oder Ferien (Art. 329a OR). Zwar besteht der Arbeitsvertrag durchaus in einer gewissen Selbstentäusserung, indem mit geistigen oder körperlichen Kräften eine Leistung zur Erzielung von Einkommen erbracht wird, doch dient insbesondere Art. 328 OR, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, im Sinne des Persönlichkeitsschutzes von Art. 27 f. ZGB, dem Schutz der körperlichen Integrität des Arbeitnehmers. Ein Arbeitsvertrag, der die spezifische Tätigkeit eines Organs zum Gegenstand hat, wäre deshalb unzulässig.63 Der Vergleich der Leihmutter mit der Putzfrau ist auch unzutreffend, weil die Putzfrau im Rahmen ihres Arbeitsvertrags eine Arbeitsleistung erbringen muss. Die Leihmutterschaft verpflichtet eine Frau hingegen nicht einfach für die Dauer von neun Monaten zu einer Leistung, sondern sie muss am Ende dieser neun Monate einen konkreten Arbeitserfolg in Form eines Werks - das Kind - vorweisen und abliefern. Der Leihmutterschaftsvertrag steht in dieser Hinsicht dem Werkvertrag nahe (Art. 363-379 OR).64 Der Werkvertrag ist notwendig entgeltlich und kann auch am menschlichen Körper ausgeführt werden. So ist etwa die Tätigkeit eines Coiffeurs gemäss dem Werkvertrag zu beurteilen.65 In diesem Sinne würde Leihmutterschaft bedeuten, dass eine Frau sich (als Unternehmerin) zur Herstellung eines Werks (des Kindes) verpflichtet, die Eltern (Besteller) hingegen zur Leistung einer Vergütung (Art. 363 OR). Kann aber ein Kind "Werk-Qualität" haben? Kann ein Kind "durch die Leihmutter (entweder unter Einsatz eigenen Erbguts, also im Sinne eines teilweisen Werklieferungsvertrags, oder durch Verarbeitung des von den Bestellern gelieferten Stoffes) "hergestellt"" werden?66 Im Zusammenhang mit Zeugung und Entwicklung eines Kindes im Mutterleib von "Herstellung" zu sprechen, wirkt befremdlich. Spätestens hier wird deutlich, dass auch der Werkvertrag nur bewegliche oder unbewegliche Sachen wie Häuser, Maschinen, Heizungsanlagen oder unkörperliche Sachen wie künstlerische und wissenschaftliche Werke zum Gegenstand haben kann.67 Wie wenig passend die erwähnten Rechtsfiguren für einen Leihmutterschaftsvertrag sind, zeigt sich auch im Zusammenhang mit der Haftung, der "Gewährleistung und Mängelleistung", sowie bei den vertraglich geregelten Rücktrittsrechten.68 Nicht nur der Begriff der Leihmutterschaft ist also problematisch, sondern auch dessen rechtliche Fassung. Die Herstellung und Austragung eines Menschen als möglichen Vertragsgegenstand zu begreifen, endet rechtlich in Aporien. Organe von Menschen oder Menschen in ihrer ganzen Körperlichkeit69 können nicht Gegenstand von Leihe, Arbeits- oder Werkverträgen sein. Gegenstand solcher Verträge waren und sind - seit der Aufhebung der Sklaverei - Sachen, im äussersten Fall die Modifikation einer körperlichen Eigenschaft wie etwa ein Haarschnitt, ein plastisch-chirurgischer Eingriff oder die Anbringung einer Tätowierung. 63 Vgl. zu dieser Problematik J.J. Thomson, Eine Verteidigung der Abtreibung, in: Leist (Anm. 18) 107-131 sowie M. Brazier/A. Campbell/S. Golombok (Hg.), Surrogacy. Review for health ministers of current arrangements for payments and regulation. Report of the review team. Presented to Parliament by the Secretary of State for Health by Command of Her Majesty October 1998 [Brazier-Report], 1: "Payments contravene the social norms of our society that, just as bodily parts cannot be sold, nor can such intimate services." 64 Um einen Auftrag (Art. 394-406 OR) handelt es sich nicht, weil ein konkreter Arbeitserfolg, nicht bloss ein Tätigsein gefordert ist. Im Auftragsverhältnis stehen hingegen Eltern und Reproduktionsklinik. 65 Vgl. das Urteil des BGer vom 6. Mai 2004, 4P.65/2004. 66 Jäggi/Widmer (Anm. 17) 69. 67 Vgl. G.G. Zindel/U. Pulver, Der Werkvertrag, in: Honsell/Vogt/Wiegand (Anm. 53) 2243-2311, 2245 N 1 f., 2260 N 11. 68 Vgl. dazu Jäggi/Widmer (Anm. 17) 69 f. Sie führen im Zusammenhang mit dem Auftrag, der im medizinischen Bereich als Vertragsgrundlage gilt, aus, dass das Widerrufsrecht (Art. 404 OR) mit einer Leihmutterschaft nicht zu vereinen wäre, denn die auftraggebenden Eltern könnten ihren Auftrag jederzeit widerrufen "und damit die Leihmuter sowie das nicht mehr erwünschte Kind im Stich lassen", ebd. 70. 69 Es ist fraglich, ob die Schwangerschaft einer Frau auf ihren Uterus beschränkt werden kann oder sie nicht als ganzen Menschen betrifft. Ausdruckseite 10 von 22 2. Elternschaften? 24 25 Zweifel an der Mutterschaft waren und sind dem Recht fremd.70 Der Grundsatz mater semper certa est ist im bereits erwähnten Art. 252 Abs. 1 ZGB durch die Geburt verankert. Unsicherer ist das Verhältnis zwischen Vater und Kind: Das rechtliche Kindesverhältnis wird vermutet, wenn er mit der Mutter verheiratet ist.71 Daneben kann es durch Anerkennung oder gerichtliche Feststellung entstehen (Art. 252 Abs. 2 und 255 ZGB).72 Alternativ entsteht das Kindesverhältnis zu beiden Eltern durch Adoption (Art. 252 Abs. 3 und 264 ff. ZGB). Noch weitgehend unberührt vom sozialen Wandel und den Neuerungen in der Reproduktionsmedizin hält das Zivilgesetzbuch an der Geburt als Kriterium der Elternschaft von Mutter und Vater fest und bewertet die soziale Elternschaft hoch.73 Auf gesellschaftlicher Ebene ist im Zusammenhang mit Patchwork-Familien seit längerem von der biologischen und der sozialen Elternschaft die Rede. Erstere bezeichnet dabei die Eltern, von denen Ei und Samen stammen, letztere hingegen später hinzukommende Bezugspersonen, den Stiefvater oder die Stiefmutter. Vor dem Hintergrund der modernen Reproduktionsmedizin, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Leihmutterschaft, ist jedoch diese begriffliche Zweiteilung der Elternschaft nicht mehr ausreichend. 26 Ein Kind, das durch Ei- und Samenspende in vitro gezeugt, in den Uterus einer Frau implantiert und danach an die auftraggebenden Eltern übergeben wird, hat nämlich genetische Eltern, von denen Ei und Samen stammen, wächst während neun Monaten im Leib, konkret im Uterus einer Frau heran, die deshalb als leibliche Mutter74 bezeichnet werden kann und unmittelbar nach der Geburt dessen rechtliche Mutter ist. Ist sie verheiratet, ist ihr Mann der rechtliche Vater. Erst am Schluss dieser Kette, bei der möglicherweise bereits zwei "Elternpaare" involviert sind, stehen jene Eltern, die sich das Kind wünschen und bei denen es aufwachsen soll, die sozialen Eltern.75 In diesem Zusammenhang wird auch von gespaltener Elternschaft gesprochen, die das Recht herausfordert: Welche Eltern sollen rechtlich als Eltern gelten? Die genetischen, die leiblichen oder die sozialen? Kann ein Kind mehr als nur zwei Eltern gleichzeitig haben? Welche Rechte und Pflichten sollen mit den verschiedenen Elternschaften verbunden sein? 27 Die gegenwärtige rechtliche Regelung der Elternschaft, die bei der Mutter durch Geburt, beim Vater durch Vermutung oder Anerkennung begründet wird, hat, auch wenn sie die genetischen und sozialen Verhältnisse nicht immer korrekt abbildet, zumindest den Vorteil, dass sie "eine einheitliche Regelung aller Fälle ermöglicht"76 und garantiert, dass jedes Kind, das geboren wird, in jedem Fall einen rechtlichen Elternteil hat, nämlich eine Mutter, und vermittelt über sie eine Verwandtschaft zu weiteren Personen besteht.77 70 Entsprechend sind auch Anfechtungen der Mutterschaft nach geltendem Recht nicht möglich, vgl. I. Schwenzer, Die Entstehung des Kindesverhältnisses, in: H. Honsell/N.P. Vogt/T. Geiser (Hg.), Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, Art. 1-456 ZGB, 4. Aufl. Basel 2010, 1323-1388, 1334 N 9. Schwenzer vertritt die Meinung, auch "de lege ferenda sollte am Grundsatz der Unanfechtbarkeit der Mutterschaft festgehalten werden"; ebd. 1334 N 11; vgl. auch M. Rusch, Rechtliche Elternschaft. Rechtsvergleich und Reformvorschlag für die Schweiz, Bern 2009, 76. 71 Dies gilt auch bei heterologer Samenspende; vgl. Schwenzer (Anm. 70) 1347 N 9. 72 Vgl. hierzu ausführlich T. Geiser, Kind und Recht - von der sozialen zur genetischen Vaterschaft?, FamPra.ch 2009, S. 41-58, 47-50. 73 Dies gilt insbseondere für die Vaterschaftsvermutung, vgl. Geiser (Anm. 72) 46 und 49. 74 Im Sinne einer klaren Begrifflichkeit ist es sinnvoller, nicht von biologischer Mutter zu sprechen, da der Terminus in der Diskussion für die genetische Mutter und die Frau, die mit dem Kind schwanger ist, verwendet wird; vgl. Bleisch (Anm. 24). 75 Vgl. hierzu auch Jäggi/Widmer (Anm. 17) 64 f. 76 Jäggi/Widmer (Anm. 17) 72. 77 Dass die genetische Elternschaft überhaupt als Kriterium der rechtlichen Elternschaft gelten kann, beruht auf dem Umstand, dass zum einen "genetische Wahrheit" ermittelbar wurde und zum andern auf der gesellschaftlichen Tatsache, dass "auch zum nicht ehelichen Kind ein vollkommenes Verwandtschaftsverhältnis" begründet werden kann; vgl. A. Büchler/N. Ryser, Ausdruckseite 11 von 22 28 Würde die genetische Verwandtschaft zum Kritierium der Elternschaft, wären nur jene Personen, von denen die Samen- und Eizellen (Gameten oder Keimzellen) stammen, rechtliche Eltern des Kindes. Dies gälte unabhängig davon, in welchem Uterus sich das Kind entwickelte. Selbst in der Reproduktionsmedizin wird dieses Kriterium nicht durchgängig angewandt. Vielmehr bewertet die Reproduktionsmedizin die Gameten je nachdem, wie sie eingesetzt werden und welchen Zweck sie erfüllen, unterschiedlich. Zum einen nämlich sollen (möglichst anonyme) Eizellen- und Samenspenden Dritten helfen, ein Kind zu bekommen. In diesen Fällen wird die soziale Elternschaft als wichtiger betrachtet, und die genetische Verwandtschaft begründet keine rechtliche Elternschaft. Zum anderen soll im Rahmen der Leihmutterschaft mittels der genetischen Verwandtschaft, wenn die Eizellen und/oder Samen von den künftigen Eltern stammen, die rechtliche Elternschaft begründet werden. Mit anderen Worten: Spendet ein Mann Samen, eine Frau Eizellen, ohne sich darum zu kümmern, ob und mit welchen anderen Keimzellen damit möglicherweise eine Schwangerschaft bei Dritten herbeigeführt wird, soll keine rechtliche Elternschaft begründet werden.78 Führt hingegen jemand diese Gameten zusammen, um jemandem einen Kinderwunsch zu erfüllen, soll bei diesem Dritten eine rechtliche Elternschaft begründet werden. Die genetische Verwandtschaft begründet also nur dann auch rechtliche Elternschaft, wenn die Keimzellen in der Absicht zusammengeführt werden, ein Kind zu zeugen, zu dem eine rechtliche und soziale Elternschaft gewollt ist.79 Findet dies im Rahmen der Reproduktionsmedizin mit künstlicher Befruchtung oder In-vitro-Fertilisation statt, scheint es plausibel und wird vom Recht auch so konstruiert.80 Die Denkfigur verliert jedoch an Plausibilität beim "normalen" Geschlechtsakt, der nicht zwingend mit der Absicht verbunden ist, ein Kind zu zeugen. Hier begründet auch die ungewollte Zeugung eine rechtliche Elternschaft (die mit der genetischen übereinstimmt). Wie das Recht in diesen kontroversen Fällen eine universalisierbare Lösung finden soll, ist unklar. 3. Schwangerschaft als Fremdnutzung eines Uterus? 29 Mit dem Schwangerschaftsvertrag schliesst eine Tragemutter einen Vertrag über die Fremdnutzung ihres Uterus ab. Sie bietet ihre reproduktiven Fähigkeiten für ein genetisch fremdes Kind an. Die Schwangerschaft dieser Frau erscheint als Dienstleistung. Ihre Interessen sind entweder altruistischer (bei Unentgeltlichkeit) oder finanzieller Natur. Altruistisch motivierte Schwangerschaften - etwa von Müttern für ihre Töchter, bei denen die Grossmutter mit ihrem Enkelkind schwanger ist - finden sich sporadisch, aber zunehmend in der Presse. Man könnte geneigt sein, bei der Schwangerschaft durch Dritte - wie dies in Belgien der Fall ist und analog der Organspende81 - auf Unentgeltlichkeit zu pochen, weil damit eine Kommerzialisierung Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, FamPra.ch 2009, S. 1-22, 3. 78 Das schweizerische Recht schützt denn auch den Samenspender vor einem in seinen Augen unerwünschten Vaterschaftsprozess, indem eine Vaterschaftsklage gegen ihn grundsätzlich unmöglich ist (Art. 23 Abs. 2 FMedG). Andererseits hat das mit einer Samenspende gezeugte Kind ein Recht auf Kenntnis des genetischen Vaters. Dasselbe müsste analog für die Eispende gelten. 79 Dass allerdings auch dies nicht immer klare Verhältnisse schafft, belegen zwei Fälle, die sich in den USA und in Grossbritannien ereignet haben: Verwendet ein Reproduktionsmediziner irrtümlich die falschen Gameten, und zeugt mit den Spermien von A, der sie anonym gespendet und kein Interesse an einer sozialen Elternschaft hat, ein Kind für B, dessen Samen eine genetische und rechtliche Vaterschaft begründen sollten, ist fraglich, ob B, der sich ein genetisch mit ihm verwandtes Kind wünscht, das Kind als sein Kind akzeptiert. Rechtlich bedeutsam wird dann die Frage, ob der Samenspender dem Risiko der Verwechslung zugestimmt hat. Vgl. C. Fountoulakis, L’impact de la procréation médicalement assistée sur l’établissement et la destruction du lien de filiation, FamPra.ch 2011, S. 247-267, 265. 80 Vgl. zum Kindesverhältnis nach Samenspende Art. 23 FMedG. 81 Vgl. etwa Art. 6 und 7 des TPG, Bundesgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz) vom 8. Oktober 2004, oder Art. 21 der BiomedizinKonvention von 1997: "Der menschliche Körper und Teile davon dürfen als solche nicht zur Erzielung eines finanziellen Gewinns verwendet werden." Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin (Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin) vom 4. April 1997. Ausdruckseite 12 von 22 30 ausgeschlossen werden könnte. Übernimmt jemand eine Tätigkeit unentgeltlich, so wird unterstellt, dass er oder sie diese Arbeit freiwillig macht. An diesem Punkt könnte allerdings der Druck unterschätzt werden, der auf Freundinnen, Schwestern und Müttern lastet.82 Das Recht hat kaum Möglichkeiten, den moralischen Zwang, der sich in der altruistischen Motivation verbergen kann, zu ermitteln.83 Der Schwangerschaftsvertrag gegen Entgelt ist ein einseitiger Gebrauch weiblicher Geschlechtsorgane gegen Bezahlung und mithin der Prostitution vergleichbar.84 Würde die Prostitution als zeitlich limitierte Miete bestimmter Teile des weiblichen Körpers verstanden, wäre sie verboten, da, wie gezeigt wurde, weder Menschen noch Teile von ihnen Gegenstand eines solchen Vertrags sein können. Prostitution wird deshalb als "gewerbliche Tätigkeit" verstanden, die heute - in den meisten Ländern - nicht (mehr) als sittenwidrig gilt.85 Allerdings ist die rechtliche Konstruktion, derer es bedarf, um die Nichtigkeit des Vertrags zwischen einer Prostituierten und ihrem Freier aufzuheben, waghalsig: Der Prostitutionsvertrag ist nicht deshalb nichtig, weil er sittenwidrig ist, sondern weil durch Vertrag keine Verpflichtung begründet werden kann, "sich gegen ein Entgelt geschlechtlich hinzugeben", da dadurch die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 3 GG) verletzt würde.86 Der Freier hat deshalb selbst nach Bezahlung keinen "Rechtsanspruch auf die versprochene sexuelle Handlung", weil der Vertrag "erst nach Vornahme der Handlung wirksam" wird und dann ein Anspruch auf Entgelt besteht.87 Analog wäre auch ein Schwangerschaftsvertrag nichtig bzw. nur von der Tragemutter durchsetzbar, zumal der Gebrauch der weiblichen Reproduktionsfähigkeit zur Hervorbringung eines Kindes viel länger dauert und einen entschieden grösseren Eingriff in den Körper der Frau darstellt. 4. Mutterschaft als Vertrag? 31 Werden bei der Schwangerschaft für Dritte Eizellen jener Frau befruchtet, die schwanger werden soll (Leihmutter), schliesst die genetische und leibliche Mutter, die durch die Geburt des Kindes auch rechtliche Mutter wird, einen Vertrag darüber ab, dass sie ihr Kind nach der Geburt Dritten übergibt. Sie verpflichtet sich also bereits vor der Geburt bzw. vor der Schwangerschaft mit einem Vertrag dazu, auf ihre Mutterschaft zu verzichten. Auf der anderen Seite wollen jene Personen, die sich das von ihr geborene Kind wünschen, ihre Elternschaft durch Vertrag begründen. 32 Das Recht kennt nur eine Form, die Elternschaft aufzulösen: Ist die Mutter oder sind die Eltern nicht in der Lage, das Kind aufzuziehen, können sie es zur Adoption (Art. 264-269c ZGB) freigeben. Mit der Adoption wird das Kindesverhältnis durch einen Rechtsakt begründet, der "eine rechtliche Kind-Eltern-Beziehung" auch zwischen nicht verwandten Personen ermöglicht.88 Mit dem nicht ganz einfachen Adoptionsverfahren werden jene Personen geschützt, die beabsichtigen, das elterliche Verhältnis 82 Vgl. dazu A. Büchler, Regulating the Sacred. Organ donation and transplantation: autonomy and integrity of the person or social responsibility of the body?, erscheint 2013. 83 Vgl. jedoch die Schutzfunktion von Art. 29 OR, der als Voraussetzung eines Vertragsabschlusses die freie Willensbildung begreift, die durch die vis compulsiva, den psychischen Zwang beeinträchtigt werden kann. Vgl. B. Schmidlin, Kommentar zu Art. 29 OR, in: H. Hausheer (Hg.), Berner Kommentar, Bd. VI/1/2/1b, Bern 1995, 315 N 7. 84 Das Bild ist eine Abwandlung von Kants Bestimmung der Ehe als "Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts zum lebenswierigen wechselseitigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften". Wechselseitig muss der Besitz deshalb sein, weil nur so garantiert ist, dass beide Beteiligten im Geschlechtsakt den Status einer Person haben, den sie als reines Objekt des Genusses verlören. I. Kant, Die Metaphysik der Sitten. Werkausgabe Band VIII, hg.v. Wilhelm Weischedel, Frankfurt a.M.1977, 390, § 24, AB 107. 85 Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch. 66. Aufl. München 2007, Anhang zu § 138. Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz - ProstG) vom 20.12.2001 (BGBl I S 3983), 144-145,144. 86 Palandt (Anm. 85) 144. 87 Palandt (Anm. 85) 144. 88 P. Breitschmid, Adoption, in: Honsell/Vogt/Geiser (Anm. 70) 1389-1446, 1390 N 1 sowie 1391 N 6. Ausdruckseite 13 von 22 33 34 aufzulösen, sowie das davon betroffene Kind, dessen Wohl "Ziel und Rechtfertigung der Adoption überhaupt" ist. 89 Eine Zustimmung zur Freigabe zur Adoption ist erst nach einer "Sperrfrist" von sechs Wochen nach der Geburt des Kindes möglich (Art. 265 Abs. 1 ZGB).90 Dieser "Übereilungsschutz" wird durch ein Widerrufsrecht von weiteren sechs Wochen gesichert (Art. 265 Abs. 2 ZGB).91 Die Zustimmung zur Adoption ist ein höchstpersönliches Recht, ein Recht, das untrennbar mit der Person verknüpft ist, und das selbst jenen Eltern zusteht, die das elterliche Sorgerecht nicht haben.92 Während des Adoptionsverfahrens wird unter anderem die Adoptionseignung der künftigen Eltern abgeklärt.93 Gesetzlich ist eine "Probezeit" von einem Jahr - die "Adoptionspflege"94 - vorgesehen, die einer Bedenkfrist gleichkommt.95 Das Verfahren wird eingeleitet durch das Adoptionsgesuch, das die Adoptionswilligen bei der zuständigen kantonalen Behörde einreichen (Art. 268 Abs. 1 und 2 ZGB).96 Die Adoption ist kein "vertragsänliches Geschäft", sondern es handelt sich um einen staatlichen Hoheitsakt.97 Nicht zuletzt wird mit der Leihmutterschaft versucht, die hohen Hürden der Adoption zu umgehen.98 Verletzt werden damit die expliziten Verbote von Art. 119 Abs. 2 lit. d BV und Art. 4 FMedG, welche die "Embryonenspende und alle Arten von Leihmutterschaft" für "unzulässig" erklären. Ein solcher Vertrag ist deshalb trotz der grundlegenden Privatautonomie und Vertragsfreiheit (Art. 19 Abs. 1 OR), die das Obligationenrecht prägt, rechtswidrig und verstösst gegen die öffentliche Ordnung, da er eine zwingende Norm des geschriebenen Rechts verletzt (Art. 19 Abs. 2 OR).99 Wird die Sittenwidrigkeit (Art. 20 OR) als Generalklausel verstanden, die darauf zielt, "die Konsistenz der rechtlichen mit den sozialen (moralisch-ethischen) Werthierarchien" sicherzustellen, so ist ein Vertrag sittenwidrig, wenn sein Inhalt höherrangige Werte der Vertragsfreiheit unterordnet.100 Das Kindeswohl und der Schutz der Eltern vor übereilter Freigabe zur Adoption betreffen Rechte der Persönlichkeit, die sich auch an ihrem Wohlergehen orientieren. Die Vertragsfreiheit würde im vorliegenden Fall gerade diesen Schutz des Wohlergehens in Frage stellen, ohne dass jedoch die Person, die sie für sich einfordert, in einem gleichen Ausmass verletzt würde, wenn ihre Freiheit an diesem Punkt beschränkt würde. Insofern ist Sittenwidrigkeit gegeben. 89 Breitschmid (Anm. 88) 1398 N 19. 90 Breitschmid (Anm. 88) 1411 N 1 und 2; vgl. auch Art. 77 Abs. 1 Ziff. 2 OR. 91 Breitschmid (Anm. 88) 1412 N 5. Auch danach ist, allerdings nur innerhalb einer kurzen Frist, eine "Anfechtung der Zustimmung wegen Willensmängeln i.S.v. Art. 23 f. OR" möglich, Breitschmid (Anm. 88) 1412 N 8. 92 Vgl. Breitschmid (Anm. 88) 1409 N 2. 93 Vgl. Art. 268a Abs. 2 ZGB, der zu den wesentlichen Umständen, die untersucht werden "die Persönlichkeit und die Gesundheit der Adoptiveltern und des Adoptivkindes, ihre gegenseitige Beziehung, die erzieherische Eignung, die wirtschaftliche Lage, die Beweggründe und die Familienverhältnisse der Adoptiveltern sowie die Entwicklung des Pflegeverhältnisses" zählt. Vgl. auch Verordnung über die Adoption (Adoptionsverordnung, AdoV) vom 29. Juni 2011, Art. 5, die "Adoptionseignung". 94 Vgl. Art. 316 Abs. 1 bis ZGB. 95 Breitschmid (Anm. 88) 1394 N 7. 96 Zuständig können Bezirksbehörden, regierungsrätliche Direktionen oder der Regierungsrat sein; vgl. Breitschmid (Anm. 88) 1429 N 3. 97 Breitschmid (Anm. 88) 1429 N 1. 98 Vgl. etwa die strengen Voraussetzungen für eine Adoption in Art. 4 und 5 des Übereinkommens über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Internationalen Adoption vom 29. Mai 1993, die entsprechende Ausgestaltung des Verfahrens in Art. 4-13 des Bundesgesetzes zum Haager Adoptionsübereinkommen und über Massnahmen zum Schutz des Kindes bei internationalen Adoptionen (BG-HAÜ) vom 22. Juni 2001 sowie die Art. 4-7 in der Verordnung über die Adoption (Adoptionsverordnung, AdoV) vom 29. Juni 2011. 99 Vgl. C. Huguenin, Kommentar zu Art. 19 und 20 OR, in: Honsell/Vogt/Wiegand (Anm. 53) 190213, 194ff. N 12 und 13. 100 Vgl. Huguenin (Anm. 99) 201 N 34. Ausdruckseite 14 von 22 35 36 Eine vertragliche Verpflichtung zum Verzicht auf die rechtliche Mutterschaft verletzt die Frau auch in ihrer Persönlichkeit, da vertragliche Bindungen im höchstpersönlichen Bereich und solche, die eine übermässige Freiheitsbeschränkung darstellen, untersagt sind (Art. 27 Abs. 2 ZGB). Die Selbstbestimmung, die mit der Vertragsfreiheit garantiert wird, soll der Persönlichkeitsentfaltung und gerade nicht einem vertraglichen Verzicht auf Autonomie dienen.101 Als übermässige Bindung, die in den Kernbereich der Persönlichkeit eingreift, gilt deshalb auch die "Einwilligung in die Leihmutterschaft".102 Mutterschaft durch Vertrag ist darum ebensowenig möglich wie die "vertragliche Verpflichtung zur Freigabe des Kindes zur Adoption". 103 Dass ein Kindesverhältnis durch Vertrag aufgehoben und begründet werden soll, ist auch mit Blick auf das Kind problematisch, weil damit jene Bestimmungen des Adoptionsrechts, die dem Kindeswohl, dem Schutz der kindlichen Persönlichkeit dienen - z.B. die Abklärung der Eignung der Eltern -, umgangen werden. Das Kind wäre überdies an einen solchen Vertrag nicht gebunden, da es nicht Verhandlungspartner war.104 Könnte Elternschaft durch Vertrag entstehen, müsste sie, wie alle Verträge, aufhebbar sein, kündbar auch durch das Kind. Fraglich ist überdies, welche Verbindlichkeiten sich für das Kind gegenüber den Eltern aus einem vertraglich begründeten Kindesverhältnis ableiten lassen. Die Beistandspflicht, wie sie in Art. 272 ZGB formuliert wird - "Eltern und Kinder sind einander allen Beistand, alle Rücksicht und Achtung schuldig, die das Wohl der Gemeinschaft erfordert" -, geht über das hinaus, was mit einem Vertrag an Verbindlichkeit gefordert werden kann. 5. Leihmutterschaft als Human Enhancement? 37 Eine heute kaum mehr thematisierte Voraussetzung der Reproduktionsmedizin ist, dass ungewollte Kinderlosigkeit als Krankheit verstanden wird.105 Die traditionelle, kurative Medizin erfüllt den Wunsch der Patienten nach Heilung.106 In der Heilbehandlung spielt die medizinische Indikation eine zentrale Rolle. Nur wenn sie gegeben ist und eine Einwilligung der Patienten vorliegt (informed consent), darf die Ärztin tätig werden, denn nur dann erfüllt die Behandlung nicht den Tatbestand der Körperverletzung (Art. 122 f. StGB).107 Mit der Leihmutterschaft muss hier einmal mehr eine Gratwanderung unternommen werden. "Krank" ist die Person A, die sich aus welchen Gründen auch immer erfolglos ein Kind wünscht. Medizinisch behandelt wird aber die Person B, die Frau, die für A mit einem Kind schwanger ist und es nach der Geburt an A übergibt.108 Sowohl die künstliche Befruchtung als auch die Implantation eines Embryos und die Betreuung der schwangeren Frau sind genuin medizinische Interventionen. Im Rahmen der Leihmutterschaft finden sie jedoch ohne Indikation 101 Vgl. C. Huguenin, Kommentar zu Art. 27 ZGB, in: Honsell/Vogt/Geiser (Anm. 70), 242-253, 243 N 2. 102 Huguenin (Anm. 101) 247 N 12. 103 Geiser (Anm. 73) 43. 104 Analog gilt, dass Kinder nicht an eine vertragliche Abmachung gebunden sind, in der ihre leibliche Mutter im Rahmen einer künstlichen Insemination darauf verzichtete, Nachforschungen zum Samenspender anzustellen, vgl. H. Bubrowski, Urteil macht "Spenderkindern" Hoffnung, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 6.2.2013, http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/familie/anonyme-samenspende-urteil-machtspenderkindern-hoffnung-12053518.html (11.2.2013). 105 Vgl. Giesen (Anm. 21) 653. 106 Vgl. N. Joost, Schönheitsoperationen - die Einwilligung in medizinisch nicht indizierte "wunscherfüllende" Eingriffe, in: C. Roxin/U. Schroth (Hg.), Handbuch des Medizinstrafrechts, 4. Aufl. Stuttgart/München u.a. 2010, 383-443, 392. 107 Vgl. A. Laufs/B.-R. Kern (Hg.), Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl. München 2010, 70f. N 2. K. Seelmann, Paternalismus und Solidarität bei der Forschung am Menschen, in: K. Amelung/W. Beulke/H. Lilie/H. Rosenau/H. Rüping/G. Wolfslast (Hg.), Strafrecht, Biorecht, Rechtsphilosophie. Festschrift für Hans-Ludwig Schreiber zum 70. Geburtstag am 10. Mai 2003, Heidelberg 2002, 853-867, 854. 108 Eine medizinische Behandlung von A wäre lediglich die Entnahme von Eizellen zur Befruchtung in vitro. Ausdruckseite 15 von 22 statt, denn die Frau, die für Dritte mit einem Kind schwanger ist, verfügt ja über reproduktive Fähigkeiten. 38 39 40 Ärztliches Handeln ohne Indikation gehört in den Bereich der sogenannten "Wunschmedizin", auch "wunscherfüllende Medizin" oder (Human) Enhancement genannt, die keine Heilbehandlungen darstellen.109 Im Rahmen des Enhancements erfüllt der medizinische Eingriff - so die heute mehrheitlich vertretene These - den Tatbestand der Körperverletzung nicht, weil die Patientenautonomie höher veranschlagt wird als das Prinzip des Schädigungsverbots oder des Patientenwohls.110 Traditionell gilt als Rechtsgut, das durch die Körperverletzungsdelikte geschützt ist, die körperliche Integrität (Art. 10 Abs. 2 BV). Gemäss dem neueren liberal-individualistischen Verständnis, das versucht, den Interessen autonomer Menschen Rechnung zu tragen, sind "die körperliche Integrität und das darauf" bezogene "Selbstbestimmungsrecht" geschützt.111 Ausgehend vom Begriff des Körperinteresses hat Walter Kargl das Interesse des Individuums zum Kriterium der Körperverletzung gemacht: Relevant ist dann nicht, "ob der operative Eingriff eine Substanzverletzung oder eine Gesundheitsverbesserung bewirkt", sondern nur, "ob der Schnitt eine notwendige Bedingung individueller Entfaltung verletzt", und "weil der Körper verletzbar ist, besteht ein grundlegendes Interesse daran, selbst darüber befinden zu können, unter welchen Umständen er angetastet" werden darf.112 Daraus folgt, dass die körperliche Integrität nicht beeinträchtigt ist, wenn der Patient in einen Eingriff einwilligt, der seinen Interessen entspricht: "Der Arzt, der mit Einwilligung eine Heilbehandlung und auch eine nicht indizierte Schönheitsoperation ausführt, verletzt nicht die Körperintegrität seines Patienten, sondern hilft ihm bei dessen körperbezogener Selbstverwirklichung."113 Die Einwilligung, die eine Frau gibt, um für Dritte mit einem Kind schwanger zu sein, kann so aber nicht gerechtfertigt werden, denn die medizinische Intervention erfolgt im Interesse anderer und dient nicht ihrer physischen Selbstverwirklichung, sondern höchstens der Verwirklichung von pekuniären Interessen. Leihmutterschaft ist zwar insofern eine Art von Enhancement, als es sich um einen Eingriff ohne Indikation handelt, doch dient dieser nicht der Verwirklichung von eigenen, körperbezogenen Interessen, sondern den Interessen Dritter. Rechtlich legitimierbar ist ein medizinischer Eingriffe in fremdem Interesse dann, wenn er, wie zum Beispiel bei der Lebendorgan- oder Gewebespende, dazu geeignet ist, das Leben des Menschen, der das Organ erhält, "zu erhalten oder bei ihm eine schwere Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Beschwerden zu lindern" und das Leben des Spenders nicht gefährdet.114 Zwar kann 109 Vgl. Joost (Anm. 106) 389ff., die zur Wunschmedizin "Schönheitsoperationen, Wunschsectio [Kaiserschnitt], Schwangerschaftsabbrüche aus nichtmedizinischen Gründen, Gefälligkeitssterilisationen, Organlebendspenden, klinische Arzneimittelprüfungen und Humanforschung, Doping, gewollte Amputationen [BIID-Syndrom, Body Integrity Identity Disorder], Fortpflanzungsmedizin und genetische Diagnostik" zählt, ebd. 390. Zum in der Literatur kontrovers diskutierten Begriff der Heilbehandlung vgl. B. Tag, Der Körperverletzungstatbestand im Spannungsfeld zwischen Patientenautonomie und Lex artis. Eine artzstrafrechtliche Untersuchung, Berlin/Heidelberg/New York 2001, 31-42. 110 Vgl. W. Vossenkuhl, Ethische Grundlagen ärztlichen Handelns. Prinzipienkonflikte und deren Lösungen, in: Roxin/Schroth (Anm. 106) 3-20 5f. Zu den medizinethischen Prinzipien vgl. T.L. Beauchamp/J.F. Childress, Principles of biomedical ethics, 6. Aufl. New York/Oxford 2009, 45 ff. 111 Joost (Anm. 106) 404 sowie Tag (Anm. 109) 63 f. 112 W. Kargl, Körperverletzung durch Heilbehandlung, in: Goltdammer’s Archiv für Strafrecht/GA (2001) 538-554, 552 f. 113 Joost (Anm. 106) 405. 114 So der Wortlaut des deutschen Transplantationsgesetzes § 8 Abs. 1c und d TPG, Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben, vom 5.11.1997. In der Schweiz dürfen Organe, Gewebe oder Zellen bei lebenden Personen dann entnommen werden, wenn kein Risiko für das Leben oder die Gesundheit der spendenden Person gegeben ist und keine andere Therapie bei der empfangenden möglich ist, vgl. Art. 12c und d TPG, Bundesgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz) vom 8. Oktober 2004. Vgl. auch U. Schroth, Die strafrechtlichen Grenzen der Organ- und Gewebelebendspende, in: Roxin/Schroth (Anm. 106) 466-500, 475 und 474. Ausdruckseite 16 von 22 41 eine Schwangerschaft mit gewissen Risken verbunden sein, in der Regel ist sie jedoch nicht lebensgefährdend. Ob allerdings eine Schwangerschaft für Dritte heilenden Charakter für jene hat, die das Kind nach der Geburt erhalten, ist fraglich und wäre, wird der Analogie gefolgt, überdies nur ohne Entgelt möglich. 115 Die künstliche Insemination, die Eispende oder die Implantation eines fremden Embryos sowie die gezielte Abtreibung bei Mehrlingsschwangerschaften können also trotz Einwilligung - nach geltendem Recht nicht anders denn als körperverletzend bewertet werden, da sie im (physischen) Interesse Dritter stattfinden und keine Heilwirkung - wie etwa ein neues Herz oder eine neue Lunge - haben. 6. Das Kind als "Weltbürger"? 42 43 44 Gemäss Immanuel Kant ist es "in praktischer Hinsicht" eine "ganz richtige und auch notwendige Idee, den Akt der Zeugung als einen solchen anzusehen, wodurch wir eine Person ohne ihre Einwilligung auf die Welt gesetzt, und eigenmächtig in sie herüber gebracht haben; für welche Tat auf den Eltern nun auch eine Verbindlichkeit haftet, sie, so viel in ihren Kräften ist, mit diesem ihrem Zustande zufrieden zu machen."116 Unabhängig davon, wie ein Mensch gezeugt wird, ob im Reagenzglas (in vitro) oder im Uterus (in vivo bzw. in utero), mit gespendeten oder nicht gespendeten Gameten, gilt, dass dieses Wesen spätestens mit der Geburt in der Terminologie Kants weder als "Gemächsel" noch als Eigentum oder als blosses "Weltwesen" betrachten werden darf, sondern als "Weltbürger" zu gelten hat, mit anderen Worten als Person, wie auch das Zivilgesetzbuch festhält.117 Leihmutterschaftsverträge verfolgen den Zweck, ungewollt kinderlosen Menschen zu einem Kind zu verhelfen. Sie dienen den Wünschen oder Interessen der künftigen Eltern. Die Interessen des Kindes sind dabei wie bei jeder Zeugung sekundär: Kein Mensch willigt in die eigene Zeugung ein. Dafür, jemanden ohne seine Einwilligung zur Welt zu bringen, braucht es entweder gute Gründe oder aber das Argument des Zufalls, der zur Notwendigkeit gerade der Existenz dieses Menschen führt. Bei der Leihmutterschaft stellt sich hingegen die Hervorbringung eines Kindes eher als Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) - und ohne Auftraggeber 118 - dar.119 Die fehlende Einwilligung des Kindes zu dessen Zeugung und Hervorbringung verpflichtet nach Kant dazu, dass man es mit dem Zustand des Menschseins "zufrieden" macht. Erste Voraussetzung dafür ist, dass es nach der Geburt als Person behandelt wird, deren Rechte geachtet werden. Dass Kinder besonders schutzbedürftige Personen sind, drückt sich darin aus, dass ihre Rechte auf nationaler und internationaler Ebene in Sonderbestimmungen festgehalten werden, obwohl für Kinder und Erwachsene grundsätzlich das gleiche Recht gilt.120 Dabei ersetzt in der 115 Ein Handel mit Geweben und Organen ist in der Schweiz (Art. 6 und 7 TPG) wie in Deutschland (Art. 17 TPG) untersagt. Gene, Ei- und Samenzellen gelten nach deutschem Recht sinnvollerweise nicht als Organe, sondern als Gewebe, TGH § 1a Nr. 4; vgl. Schroth (Anm. 114) 470 sowie P. König, Das strafbewehrte Verbot des Organhandels, in: Roxin/Schroth (Anm. 106) 501-529, 511. Das bedeutet, dass Ei- und Samenspende sowie die Spende von befruchteten Eizellen nur unentgeltlich erfolgen dürfen. In der Schweiz sind Keimzellen, imprägnierte Eizellen und Embryonen vom Geltungsbereich des Transplantationsgesetzes ausgenommen, vgl. Art. 2 TPG. 116 Kant (Anm. 84) 393, § 28, AB 112 f. 117 Kant (Anm. 84) 394, § 28, A 114 B 113; Art. 31 ZGB: "Die Persönlichkeit beginnt mit dem Leben nach vollendeter Geburt und endet mit dem Tode." 118 Ein Kind als Subjekt bzw. als Persönlichkeit betrachten, bedeutet letztlich, es als Auftraggeber seiner selbst zu sehen und zu behandeln, d.h. es nicht willkürlichen Bedürfnissen und Wünschen der Eltern unterzuordnen. 119 Das Kind wird im Fall der Tragemutter mit Absicht und der Unterstützung zahlreicher Personen gemacht: Samenspender, Eizellspenderin nach medizinischer Behandlung, Eizellen extrahierendes und keimzellenkonservierendes Medizinalpersonal, Ärztinnen und Ärzte, welche die Gameten zusammenführen und das befruchtete Ei implantieren, künftige Eltern, welche die Keimzellenspender und die Tragemutter aussuchen, die Tragemutter, die mit dem Kind schwanger ist, und das sie betreuende (medizinische) Personal. 120 Vgl. etwa Art. 11 Abs. 1 BV oder das Übereinkommen über die Rechte des Kindes bzw. UNOKinderrechtskonvention, 1997 für die Schweiz in Kraft getreten. Vgl. M. Michel, Der Fall Ausdruckseite 17 von 22 45 46 47 Gegenwart der Begriff des Kindeswohls oftmals jenen der Person, wenn die spezifischen Rechte des Kindes ausgedrückt werden sollen.121 Kinder, die durch Leihmutterschaft entstanden sind, sind "Weltbürger" auch in einem weiteren Sinn: Die Keimzellen können auf beliebigen Kontinenten ausgesucht und zusammengeführt, danach in einen weiblichen Uterus auf einem anderen Kontinent implantiert werden. Oft fehlen Angaben über die Gametenspender oder werden bewusst unterschlagen.122 In den Empfehlungen des Warnock-Berichts von 1984 wurde die Anonymität der Samen- und Eizellspende befürwortet.123 Doch bereits in der 1989 deklarierten UNO-Kinderrechtskonvention wurde das Recht auf Identität des Kindes formuliert: Es habe "soweit möglich das Recht, seine Eltern zu kennen".124 In der Schweiz verlangt entsprechend Art. 119 Abs. 2 lit. g BV, dass jede Person "Zugang zu den Daten über ihre Abstammung" haben müsse.125 Das Recht des Kindes auf die Kenntnis der eigenen Abstammung geht dem Wunsch nach Anonymität der Frau, die es zur Adoption freigegeben hat, und des Samenspenders grundsätzlich vor. Das Bundesgericht geht sogar so weit, dass es in diesem Zusammenhang eine Abwägung verbietet, weil die Interessen des Kindes immer überwiegen.126 Dass ein Interesse des Kindes an seiner Abstammung besteht, wurde durch die Adoptionsforschung belegt und zeigt sich in jüngster Zeit bei Menschen, die durch Samenspende gezeugt wurden; aber auch im medizinischen Bereich gewinnt die Kenntnis der Abstammung an Bedeutung.127 Werden in das Geburtsregister nur die sozialen Eltern eingetragen, kann damit zwar die Illusion der Elternschaft geschaffen werden, die Interessen und Rechte des Kindes werden jedoch missachtet. Beiden Formen der Leihmutterschaft ist gemein, dass sie Schwangerschaft als Dienstleistung begreifen, deren Produkt - das Kind - ohne oder gegen Entgelt an Dritte übergeben wird. Der Begriff Leihmutterschaft ist, wie gezeigt wurde, nicht nur irreführend, sondern verschleiert auch, worum es geht, da er nur auf die Tätigkeit der Frau verweist. Die befristete Inanspruchnahme des Uterus einer Frau ist aber nur Mittel zum Zweck: Zweck des Vertrags ist der Vertragsgegenstand, die Hervorbringung bzw. Herstellung eines Kindes. Dieses Kind ist bei der unentgeltlichen Leihmutterschaft ein Geschenk, bei der entgeltlichen ein Objekt, das gegen Bezahlung erworben werden Ashley oder von Grenzen und Massstäben elterlicher Entscheidungskompetenz, in: B. Dörr/M. Michel (Hg.), Biomedizinische Herausforderungen - Entwicklungen - Perspektiven, Zürich/St. Gallen 2007, 141-174, 143 f. 121 Schwenzer (Anm. 70) 1324 N 3. 122 Albrecht schätzt, dass bis 2008 in den USA "rund eine Million", in Deutschland mehr als 100’000 Kinder mit anonymen Samenspenden gezeugt wurden. J. Albrecht, Das anonyme Geschäft der Samenbanken, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. August 2008, http://www.faz.net/aktuell/wissen/reproduktionsmedizin-das-anonyme-geschaeft-dersamenbanken-1665701.html (11.2.2013). 123 "We recommend that as a matter of good practice any third party donating gametes for infertility treatment should be unknown to the couple before, during and after the treatment, and equally the third party should not know the identity of the couple being helped." (Anm. 12) 15, 3.1. Einsicht in eine Beschreibung des Spenders (ethnische Zugehörigkeit, genetische Gesundheit) sollte das Kind allerdings im Alter von 18 Jahren erhalten; ebd. 24, 4.21. 124 Art. 7 UNO-Kinderrechtskonvention, vgl. auch Art. 8 Abs. 1 EMRK, Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundreiheiten vom 4. November 1950 sowie R.E. Aebi-Müller, Anonyme Geburt im schweizerischen Rechtssystem, Jusletter, 26. September 2005, Rz 1-14; Schwenzer (Anm. 70) 1335 N 15a; Büchler/Ryser (Anm. 77) 1-22. 125 Eine Konkretisierung dieses Artikels findet sich in Art. 27 FMedG. Das Recht der Identität folgt auch aus Art. 28 ZGB, vgl. BGE 134 III 241 E. 5.3.1 S. 245. 126 Vgl. Aebi-Müller (Anm. 124) Rz 7 f., BGE 128 I 63 E. 4.2 f. S. 74. 127 Büchler/Ryser (Anm. 77) 5 mit weiterführender Literatur; vgl. auch das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. Februar 2013, das der "Tochter eines Samenspenders" erlaubt, "den Namen ihres biologischen Vaters" zu erfahren Spiegel online: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/name-von-anonymem-samenspender muss-preisgegebenwerden-a-881745.html (11.2.2013) - sowie zur Problematik die Homepage des Vereins Spenderkinder: http://www.spenderkinder.de/(11.2.2013). In den USA existiert die Selbsthilfeorganisation Donorsibling Registry (https://www.donorsiblingregistry.com/), die "nach eigenen Angaben bereits fünftausend Halbgeschwister identifiziert" hat, die "gemeinsame biologische Spenderväter besitzen", vgl. Albrecht (Anm. 122). Ausdruckseite 18 von 22 kann. Es wird zur Handelsware.128 Damit zeigt sich überdeutlich, dass mit der Leihmutterschaft die Kommerzialisierung eines Bereiches stattfindet, der bislang dem Markt entzogen war. D. Das Problem mit der Kommerzialisierung 48 49 50 51 Verschiedene Praktiken der modernen Medizin werden unter dem Stichwort der Kommerzialisierung thematisiert, etwa der Organ- oder Gewebehandel, die Zurschaustellung präparierter menschlicher Körper, die Herstellung von Arzneien und Präparaten aus toten Menschen oder die Nutzungsrechte an genetischem Material.129 Auch die Leihmutterschaft gehört dazu: Die reproduktiven Fähigkeiten der Frau werden durch sie zu einer in Geld aufrechenbaren Dienstleistung, die Kinder zu einem geldwerten Gut.130 In der Ökonomie wird mehrheitlich davon ausgegangen, dass vom Markt gelenkte Güter sich nicht verändern: Der Apfel bleibt ein Apfel, unabhängig davon, ob ich ihn vom eigenen Baum pflücke, auf dem Markt kaufe oder stehle. Dringt jedoch der Markt in Lebensbereiche vor, "die einst von anderen Normen beherrscht wurden", beeinflusst er nicht nur diese Normen, sondern verändert die Art und Weise, wie diese Güter bewertet werden bzw. wie über sie gedacht wird - so die These Michael Sandels, der für die Gegenwart eine zunehmende "Ethik des Marktes" konstatiert.131 Werden rechtliche Normen durch den Markt verdrängt, wird das Empfinden und Denken in den Kategorien von Recht und Unrecht durch einen Warenwert ersetzt, und das Rechtsgefühl droht zu schwinden. Mit zwei Argumenten bringt Sandel seine Kritik an der Logik des Marktes auf den Punkt: mit dem Argument der Fairness und jenem der Korrumpierung. Das Argument der Fairness zielt auf die Ungerechtigkeit, die sich dadurch ergeben kann, dass die Entscheidung, etwas auf dem Markt feilzubieten, nicht in einem wirklichen Sinn freiwillig ist, weil die Ausgangsbedingungen so asymmetrisch sind, dass das korrekte Verhandeln über Verträge oder Preise verunmöglicht wird. Das Argument der Fairness betrachtet nicht das Objekt, das gehandelt wird, sondern die Bedingungen des Handels, die unfair sein können.132 Bei der Leihmutterschaft stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Vertragspartner - die Frau, die für Dritte eine Schwangerschaft übernimmt, und die Auftraggeber bzw. die Reproduktionsklinik - gleichberechtigt verhandeln. Zahlreiche Autorinnen und Autoren verneinen dies,133 was berechtigt erscheint: Leihmütter gegen Entgelt finden sich in Ländern, in denen die Frauen dieser Tätigkeit aus wirtschaftlicher Not nachgehen (wie zum Beispiel in Indien oder der Ukraine) oder aber in Ländern, in denen die Differenzen zwischen Arm und Reich sehr gross sind (etwa in den USA). Der Fall, dass eine wirtschaftlich gut situierte Frau für eine Frau, die keine Kinder haben kann, eine Schwangerschaft gegen Bezahlung übernehmen 128 Herrmann bezeichnet die "vertraglich assistierte "Produktion" eines Kindes" als "moralisch problematische Versachlichung des Kindes [und] der austragenden Leihmutter"; B. Herrmann, Der menschliche Körper zwischen Vermarktung und Unverfügbarkeit. Grundlinien einer Ethik der Selbstverfügung, München 2011, 178. 129 Vgl. neben zahlreichen anderen A. Büchler/B. Dörr, Medizinische Forschung an und mit menschlichen Körpersubstanzen. Verfügungsrechte über den Körper im Spannungsfeld von Persönlichkeitsrechten und Forschungsinteressen, ZSR (127) 2008/4, S. 381-406, insb. 384 f. mit weiterführender Literatur; Herrmann (Anm. 128) sowie den Sammelband von J. Taupitz (Hg.), Kommerzialisierung des menschlichen Körpers, Berlin/Heidelberg 2007. 130 Vgl. auch Montgolfier/Mirkovic (Anm. 32) 421; E. Anderson, Why commercial surrogate motherhood unethically commodifies women and children: Reply to McLachlan and Swales, in: Health Care Analysis 8 (2000) 19-26. 131 M.J. Sandel, Was man für Geld nicht kaufen kann. Die moralischen Grenzen des Marktes, Berlin 2012, 39 und 83; vgl. auch C. Koppetsch, Einleitung: Nachrichten aus den Innenwelten des Kapitalismus. Zur Transformation moderner Subjektivität, in: Koppetsch (Anm. 2) 7-20. 132 Vgl. Sandel (Anm. 131) 139-141. 133 So meint etwa Spiewak: "Es ist klar, ohne die Bezahlung würde keine" indische Leihmutter "anderer Leute Kinder austragen". Spiewak (Anm. 33) 8; vgl. auch Rengachary Smerdon (Anm. 31) 53 mit weiteren Literaurhinweisen. Ausdruckseite 19 von 22 52 53 54 55 würde, scheint sich (noch) nicht ereignet zu haben.134 Dass der Markt für Leihmütter mit einer gewissen Unfairness behaftet ist, zeigt sich auch darin, dass die Preise erheblich variieren und Personen, die sich ein Kind wünschen, in Billiglohnländer ausweichen.135 Ist Fairness in der Vertragsaushandlung nicht gegeben, weil ökonomischer Zwang Frauen dazu bringt, ihren Körper für eine Schwangerschaft zur Verfügung zu stellen, ist fraglich, ob der Vertrag gültig ist, weil die Zustimmung zum Vertrag nicht freiwillig erfolgte und deshalb die grundlegenden Rechte der Selbstbestimmung über den eigenen Körper sowie die physische und psychische Integrität verletzt sein können (Art. 10 Abs. 2 BV). 136 In den Bereich der Unfairness gehören auch die ungleichen Zugangsmöglichkeiten: Dadurch, dass die reproduktiven Fähigkeiten der Frau zu einer entgeltlichen Dienstleistung werden, werden wohlhabende Menschen privilegiert, arme Menschen jedoch benachteiligt, wenn sie sich den Wunsch nach einem Kind nicht leisten können.137 Die Kinder, die in Auftrag gegeben werden, sind nicht Verhandlungspartner. Um so wichtiger dürfte es sein, ihnen Gehör zu verleihen, wenn sie sich zu ihrer Entstehung äussern können, was sie heute im Rahmen von Selbsthilfegruppen zunehmend tun. Das Argument der Korrumpierbarkeit bezieht sich nicht auf die Verhandlungsbedingungen, sondern auf das Objekt, das "entwürdigt und abgewertet" werden kann, wenn es auf dem Markt gehandelt wird.138 Wird etwas zu einer käuflichen Ware, das nicht käuflich sein sollte - Sandel bringt als Beispiele ein Gerichtsurteil, politischen Einfluss, eine Handlung oder eine gesellschaftliche Praxis -, wird es korrumpiert, weil die Bewertung und der Handel auf dem Markt "die moralische Bedeutung der Güter" nicht berücksichtigt und sie "gemäss einer niedrigeren Norm", als ihnen zusteht, beurteilt.139 Dass dies bei der Leihmutterschaft der Fall ist, wird mit Folgendem deutlich: Im Rahmen einer "normalen" Schwangerschaft ist es nicht üblich, von einer Leihe des Uterus an das "eigene" Kind zu sprechen oder die Schwangerschaft als eine Dienstleistung für das Kind oder den Vater zu verstehen. Bei der Leihmutterschaft erbringt jedoch nicht nur die Tragemutter eine Dienstleistung, sondern auch die Leihmutter, von der die Eizelle stammt. Auch sie wird aber als Tragemutter behandelt, denn auch sie verschenkt oder verkauft ihr Kind gemäss vertraglicher Abmachung nach der Geburt.140 Damit ist die Gefahr gegeben, dass Leihmütter (genetische, leiblich und 134 Das Argument wurde auch von J.G. Raymond, Women as wombs. Reproductive technologies and the battle over women’s freedom, Melbourne 1993, 45, gebracht. 135 Je nach Quelle sind auch die Preisangaben unterschiedlich: Indien $ 6250-35’000, Ukraine CHF 25’000 ($ 27’000), Thailand $ 35’000, Griechenland $ 40’000, Panama $55’000, USA $ 59’000120’000. Sandel (Anm. 131) 9; Polli (Anm. 8); Rengachary Smerdon (Anm. 31) 32; Los Angeles Times, 19. Februar 2012, http://articles.latimes.com/print/2012/feb/19/business/la-fi-chinasurrogate-20120219 (11.2.2013); Webseite von PlanetHospital, www.affordablesurrogates.com (11.2.2013). Die Preise, die PlanetHospital meldet, sind Mindestpreise, die je nach Behandlungen und Komplikationen höher liegen. Werden jedoch die Embryonen von den Bestellern geliefert, kann mit einem Preis ab $ 21’000 gerechnet werden: "Do you have embryos that you want us to ship for you for your surrogacy? No problem we can do that too. The cost of surrogacy with a shipped embryo starts at only $ 21’000 including shipping to India." 136 In einem gewissen Sinn versachlicht natürlich jede fremdbestimmte (entfremdende) Arbeit den Menschen, doch ist der Eingriff in die physische Integrität im Rahmen der Leihmutterschaft singulär. 137 Vgl. Sandel (Anm. 131) 139. 138 Sandel (Anm. 131) 46, vgl. auch 141. 139 Sandel (Anm. 131) 60, 139 und 141. 140 Streng genommen kann die Mutter ihr Kind nicht verkaufen, denn sie hat aufgrund des verwandtschaftlichen Verhältnisses keine Eigentumsrechte an ihrem Kind; vgl. Herrmann (Anm. 128) 179f. Von Befürwortern der Leihmutterschaft wird deshalb eingewendet, nicht das Kind werde verkauft, sondern es werde lediglich für die Dienstleistung der Schwangerschaft und den Verzicht auf die Elternschaft bezahlt; vgl. H.V. McLachlan/J.K. Swales; Babies, Child Bearers and Commodification: Anderson, Brazier et al., and the political economy of commercial surrogate motherhood, in: Health Care Analysis 8 (2000) 1-18, 3. 141 Sandel bringt den Begriff der Gebärmaschine im Zusammenhang mit drogenabhängigen Frauen, Ausdruckseite 20 von 22 rechtliche Mütter) ebenso als "Gebärmaschinen"141 wahrgenommen werden wie Tragemütter. 56 57 58 Im Rahmen der Leihmutterschaft wird die Fortpflanzungsfähigkeit der Frau Gegenstand einer Markttransaktion.142 Die reproduktiven Fähigkeiten der Frau werden durch die Reproduktionsmedizin zu einer geldwerten Dienstleistung. Dadurch wird die Unterscheidung von Produktion und Reproduktion, die sich im Prozess der Arbeitsteilung herausgebildet hat, aufgehoben. Kritik an dieser Differenzierung von produktiven "Arbeiten, die in der Erwerbssphäre gegen Bezahlung stattfinden und vergleichsweise stark formalisiert und öffentlich sind", und von reproduktiven "Arbeiten, die im Privaten unentgeltlich geleistet werden bzw. nicht per Arbeitsvertrag reguliert sind", übten feministische Wissenschaftlerinnen seit den 1980er Jahren.143 Denn die postulierte Dichotomie von "Familie-Beruf, privat-öffentlich, ProduktionReproduktion" suggeriert zwei getrennte Tätigkeitsfelder, die ein hierarchisches Abhängigkeitsverhältnis beschreiben:144 Arbeit als Erwerb findet öffentlich statt, wird entlöhnt und ist mit sozialer Anerkennung verbunden, unbezahlte Arbeit ist jedoch weitgehend unsichtbar. Dies hat zu einem Primat der Erwerbsarbeit geführt, der die Struktur der Gesellschaft prägt: "Wer in grösserem Umfang reproduktive Arbeit übernimmt, ist in der Existenzsicherung abhängig von Transferleistungen durch den Staat oder durch den Partner und hat vergleichsweise schlechte Partizipationschancen am Arbeitsmarkt. Soziale Ungleichheit generiert sich also massgeblich über Arbeitsteilung."145 Indem die Reproduktionsmedizin die Reproduktionsfähigkeit der Frau zu einer entgeltlichen Dienstleistung macht, wird diese soziale Ungleichheit jedoch nicht behoben, sondern zementiert: Es sind die ärmsten Frauen, die aus wirtschaftlicher Not oder auf Drängen ihrer Männer bzw. Familien ihre Reproduktionsfähigkeit auf dem Markt feilbieten.146 So, wie die biologische Leihmutter zur Tragemutter mutiert, driften Schwangerschaft und Mutterschaft bzw. Elternschaft auseinander. Damit kann eine "problematische Einstellung gegenüber" der weiblichen Fortpflanzungsfähigkeit gefördert werden, die auch dazu ermuntert, Kinder als veräusserbares Gut, als Handelsware, zu betrachten.147 Kinder haben wie erwachsene Menschen alle Rechte, die einer Personen um ihrer selbst willen zukommen. Kant setzt Persönlichkeit mit Würde (dignitas) gleich. Sie besteht in der Achtung und Anerkennung "eines Werts, der keinen Preis" und "kein Äquivalent" hat im Unterschied zum "Objekt der Wertschätzung (aestimii)", das ausgetauscht werden kann.148 Werden Kinder als Waren behandelt, wird ihnen dieser Personenstatus abgesprochen. die sich gegen Bezahlung sterilisieren lassen, und er führt dazu aus: "Sie behandeln ihre Fortpflanzungsfähigkeit als Mittel für finanziellen Gewinn und nicht als Geschenk oder etwas, mit dem sie verantwortungsvoll und umsichtig umgehen sollten." Sandel (Anm. 131) 61. 142 Vgl. Sandel (Anm. 131) 62. 143 K. Jürgens, Arbeit und Leben, in: F. Böhle/G.G. Voss/G. Wachtler (Hg.), Handbuch Arbeitssoziologie, Wiesbaden 2010, 483-512, 484. Vgl. zur feministischen Kritik etwa R. Pollack Petchesky, Reproduktive Freiheit: Jenseits "des Rechts der Frau auf Selbstbestimmung" [1980], in: E. List/H. Studer (Hg.), Denkverhältnisse. Feminismus und Kritik, Frankfurt a.M. 1989, 164-201. 144 Jürgens (Anm. 143) 484. 145 Jürgens (Anm. 143) 484. 146 Vgl. dazu Rengachary Smerdon (Anm. 31) 50 und 54: Eine Tragemutter erhielt 2008 für ihre Dienste in Indien zwischen $ 5000 und 7000, was auf westliche Verhältnisse umgerechnet etwa $ 150’000 bis 200’000 entspricht. Damit verdiente sie etwa zehnmal soviel wie vergleichbare Männer aus armen Schichten. Dass vor diesem Hintergrund der Druck von Männern oder Familien gross ist, liegt nahe. 147 Sandel (Amm. 131) 140 und 96; Ein "Preisschild für Kinder" korrumpiert nach Sandel "die Norm der bedingungslosen Elternliebe", "weil hier Kinder als Gebrauchsgegenstände behandelt werden und nicht als Personen" ebd. 139 und 60. Vgl. dazu S. Benöhr-Laqueur, Leihmutterschaft und Kindesverkauf via Internet: Der Fall "Baby Donna", in: Die Hebamme 22 (2009) 84-87. 148 Kant (Anm. 84) 600, § 38, A 139. Ausdruckseite 21 von 22 59 60 61 Kinder mit einem Preisschild laufen Gefahr, an die Meistbietenden verkauft zu werden, wie dies im Fall "Baby Donna" geschah, das in Belgien von einer Leihmutter unentgeltlich ausgetragen und an den genetischen Vater und seine Frau übergeben werden sollte. Im sechsten Monat "lancierte" die Leihmutter jedoch "im Internet eine Anzeige, in der sie das ungeborene Kind zum Kauf anbot".149 Das erste Angebot von 10’000 Euro durch ein homosexuelles Paar wurde durch ein niederländisches Ehepaar mit 15’000 Euro überboten, die das Kind unmittelbar nach der Geburt adoptierten. Nachdem der genetische Vater erfahren hatte, dass die Leihmutter nicht, wie sie mitgeteilt hatte, eine Fehlgeburt gehabt hatte, begann der rechtliche Streit - "ein jurististischer und humanitärer Albtraum" - um das Kind. 150 Kinder als Personen achten, heisst, das Kindeswohl an erste Stelle zu setzen. So ist etwa bei gerichtlichen Verhandlungen, wenn es um das Sorgerecht für Kinder geht, das Kindeswohl ausschlaggebend, und das Kind wird als Partei im Verfahren berücksichtigt. Wäre bzw. ist Leihmutterschaft zulässig, orientiert sich der Entscheid jedoch an der vertraglichen Abmachung: Das Kind wird jener Partei in die Obhut übergeben, die sich die (Besitz-)Rechte am Kind gesichert hat. Das Kindeswohl spielt dann ebenso wenig eine Rolle wie das Kind selbst, das zum Vertragsobjekt wird und über dessen Besitz gestritten wird.151 Personen sind jedoch keine Sachen, an denen eigentumsrechtliche Befugnisse ausgeübt werden können.152 Entsprechen Kinder nicht den Wünschen von Eltern, wenn sie etwa behindert sind, ergeben sich weitere, gravierende Probleme. Im Rahmen der Leihmutterschaft findet in diesen Fällen - wie bei überzähligen Embryonen - gewöhnlich eine selektive Abtreibung statt. Embryonen haben zwar rechtlich gesehen keinen Anspruch auf Leben, da sie nicht als Personen gelten, sie jedoch nur als Sache, von der zuviel vorhanden ist oder die aufgrund von Mängeln nicht den Vorstellungen entspricht, zu behandeln, weckt ein Unbehagen. Problematisch sind solche Abtreibungen von unerwünschten Kindern auch deshalb, weil der Entscheid kaum je von der schwangeren Frau, sei sie Leihmutter oder Tragemutter, sondern von den künftigen Eltern bzw. den involvierten Ärztinnen und Ärzten gefällt wird. E. Schluss 62 Wird die Menschenwürde als inhaltsleere Formel verstanden,153 kann das Verbot der Leihmutterschaft in der Tat als Verbot gesehen werden, das die reproduktive Freiheit von Individuen und die Verfügungsmacht über den eigenen Körper beschränkt. Wird sie hingegen als Grundnorm verstanden, die den Schutz der Persönlichkeit zum Leitprinzip der Rechtsordnung macht, erweist sich das Verbot als Schutzschild für das Kind sowie für die Frau und ihre reproduktiven Fähigkeiten. Ihre Persönlichkeitsrechte werden - wie gezeigt wurde - durch die Leihmutterschaft verletzt. Für das Festhalten am Verbot der Leihmutterschaft sprechen aber noch weitere Gründe. Auf Seiten des Kindes vor allem, dass es zu einer handelbaren Ware wird. Im Zusammenhang mit der Frau, die für Dritte eine Schwangerschaft übernimmt, sind die vertraglichen Abmachungen rechtlich höchst problematisch. 149 Benöhr-Laqueur (Anm. 147) 84. Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Vorschlag Richard Posners, Richter am US-Bundesberufungsgericht, Professor an der University of Chicago Law School und Mitbegründer der Law and Economics-Bewegung, Adoptionskinder an die Meistbietenden abzugeben: R.A. Posner, The Regulation of the Market in Adoptions, in: Boston University Law Review 67 (1987) 59-72. 150 Vgl. Benöhr-Laqueur (Anm. 147) 85. Das Kind lebt bei den Pflegeltern (aufgrund der illegalen Adoption durch Kauf), hat aber Kontakt zur genetischen (Leih-)Mutter und zum genetischen Vater. 151 Vgl. Anderson (Anm. 130) 21. 152 Die Assoziation zu Menschenhandel, der modernen Form von Sklaverei, ist nicht ganz von der Hand zu weisen, auch wenn die Menschen, die gehandelt werden, erst produziert werden müssen. 153 Vgl. etwa R. Macklin, Dignity is a useless concept. It means no more than respect for persons or their autonomy, in: British Medical Journal/BMJ 327 (2003) 1419-1420. Ausdruckseite 22 von 22 63 Durch die vertragliche Aufhebung der Elternschaft wird das Kindeswohl als oberste Maxime suspendiert: Das Kind wird zum Objekt, an dem Besitz- oder Eigentumsverhältnisse bestehen, die durchgesetzt werden können (müssen), wenn ein Leihmutterschaftsvertrag innerhalb eines Rechtssystems legal ist. 64 Mit der schweizerischen Gesetzgebung ist ein solcher Vertrag nicht kompatibel. Zu viele grundlegende Persönlichkeitsrechte sind auch auf Seiten der Frau tangiert, auf die vertraglich nicht verzichtet werden kann. Leihmutterschaft ist eine eigenartige Form von Human Enhancement, in die nicht eingewilligt werden kann, da die medizinischen Eingriffe nicht im eigenen physischen Interesse der Frau liegen. Dies betrifft zahlreiche Momente: die künstliche Insemination, die Extraktion von Eizellen oder die Implantation von Embryonen. Ausgeschlossen ist auch der Verzicht auf die Ausübung höchstpersönlicher Rechte durch Vertrag: Dies betrifft die (vorgängige) Abmachung, dass eine Abtreibung aufgrund eines Entscheids Dritter vorgenommen werden darf und keine Elternrechte geltend gemacht werden dürfen. 65 Die Leihmutterschaft aus "humanitären Gründen"154 und im Interesse des Kindeswohls zuzulassen, erscheint vor diesem Hintergrund nicht angebracht.155 Viel eher ist danach zu fragen, wie das Rechtsempfinden an diesem Punkt gefördert werden kann und weshalb es dermassen brüchig ist. Eine mögliche Erklärung dafür liefern die Personen, deren Rechte missachtet werden: Frauen und Kinder, für deren Gleichstellung und Gleichbehandlung zahlreiche Sondernormen formuliert wurden, die jedoch im Zeitalter der Reproduktionsmedizin, wenn sich aus einem Wunsch nach einem Kind ein Anspruch abzuleiten beginnt, missachtet werden. Dr. phil. lic. iur. Birgit Christensen ist Oberassistentin am Rechtswissenschaftlichen Institut, Universität Zürich. 154 Frankfurter Allgemeine Zeitung, Hoffnung für deutsche Leihmutter-Zwillinge. http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/indien-hoffnung-fuer-deutsche-leihmutter-zwillinge1951165.html (11.2.2013) 155 Damit ist nicht ausgeschlossen, dass sich alternative Formen von Elternschaft entwickeln können. Denkbar ist etwa, dass sich unverheiratete Personen entscheiden, gemeinsam ein Kind grosszuziehen, ohne dass sie in einem besonderen Näheverhältnis zueinander stehen. Dafür ist kein Vertrag notwendig: Die Geburt durch die Frau und die Anerkennung der Vaterschaft durch den Mann wären ausreichend, allerdings müssten sie sich das Sorgerecht - wie geschiedene Paare - teilen und hätten keinen "Exklusivanspruch" auf das Kind.