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Jetzt drucken Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie URL dieser Seite: https://igbce.de/-/gd6 31.01.2013 Von: Axel Stefan Sonntag Betriebsreportage Diese Qualität ist echt Der Porzellanhersteller Villeroy & Boch geht erfolgreich mit der Zeit und den Verbraucherwünschen um. Wer Kunst macht, ist jedoch auch vor dreisten Fälschern nicht sicher. Oliver Dietze Moderne Zeiten: Die "Party-Plate" ist eine Referenz an das heute weit verbreitete Essen auf der Couch. Mehr als 18 000 Quadratmeter ist sie groß, die Produktionshalle von Villeroy & Boch im saarländischen Merzig. Mit ein bisschen Fantasie könnte hier die längste Sushi-Theke der Welt stehen. Die Infrastruktur dafür ist da: Über unzählige Transportbänder laufen täglich bis zu 45 000 Porzellanteile – vornehmlich Teller. Kleine, große, runde, eckige, sogar wellige. Wie sich Verbraucherwünsche im Laufe der Zeit ändern, bekommt man hier am besten mit. "Der klassischrunde Speiseteller ist kein Selbstläufer mehr", berichtet der Betriebsratsvorsitzende Ralf Runge. Denn längst sitzt die Großfamilie nicht mehr, wie früher üblich, am gedeckten Tisch. Heute essen Singles und kinderlose Paare gerne nebenbei. "Darauf muss man sich als Porzellanhersteller einstellen", sagt der 49-Jährige und verweist auf die sogenannte "Party Plate". Auf den Vertiefungen der geschwungenen, rechteckigen Porzellanplatte finden Getränkeglas und Häppchen ihren sicheren Halt. Besonders beliebt seien auch kleine Schälchen zum Dippen. "Eben all das, was zum heute weitverbreiteten Essen auf der Couch passt. Dass die Deutschen allmählich die vielen Kaffeespezialitäten für sich entdecken, spornte Villeroy & Boch gar zur Porzellanserie "Caffè Club" an, verschieden große Tassen für Café au Lait, Kaffee, Espresso und Cappuccino – laut Unternehmenswerbung allesamt "perfekt auf die aktuellen Kaffeeautomaten abgestimmt". Kein Zweifel: Der in der Marketingabteilung integrierte Innovationskreis, zum Teil mit Kunststudenten besetzt, will am Puls der Zeit leiben. Entsprechend oft muss Friedbert Thome die Maschinen (um-)rüsten. Sprich: Die Pressformen der wechselnden Porzellanserien aus- und einbauen. Jetzt rauscht das aus Kaolin, Quarz und Feldspat bestehende Rohstoffgranulat in den Formgeber hinein, wird hier verdichtet und in Tellerform gepresst. Das noch hochgradig zerbrechliche Geschirr wandert nun Stück für Stück durch den ersten 1240 Grad heißen Brennofen. Ob jedes Porzellanteil genug Hitze abbekommen hat, überprüft stichprobenartig Karin Griess. "Gerade bei eckigen Tellern, die teils sehr dünn sind, bilden sich im Ofen manchmal kleine Haarrisse", sagt sie. Die Formstabilität sei hier eine besondere Herausforderung. Großansicht weitere Fotostrecken Fotostrecke (7) Foto: Oliver Dietze Mehr als 18 000 beeindruckende Quadratmeter ist die Villeroy & Boch-Produktionshalle im saarländischen Merzig groß. Loading ... Loading ... Loading ... Loading ... Loading ... Loading ... prev 1 / next zurück weiter Ebenso verantwortet die 45-Jährige die korrekte "Markierung" – also den bekannten Villeroy & Boch-Stempel am Boden. Der wechselt von Serie zu Serie – muss aber immer kontrastreich und mittig sein. Nach 23 Jahren Betriebszugehörigkeit hat Griess das schon so verinnerlicht, "dass ich mich selbst dabei erwische, wie ich bei Freunden das Kaffeeservice umdrehe und den Abdruck kontrolliere ", lacht sie. Trotz Stempel und erstem Brand würden die Teller noch nicht lange halten: Die Messerspuren eines in Stücke geschnittenen Schnitzels wären deutlich sichtbar. Dem schafft die Glasur Abhilfe: Wie in einer Lackiererei spritzen Düsen von oben, unten und von der Seite Glasur auf das Geschirr, das anschließend zum zweiten Mal gebrannt wird. Jetzt sind die Teller glänzend und bereit für das typische Villeroy & Boch-Dekor. Etwa für das vor mehr als 200 Jahren kreierte und noch immer hergestellte "Alt Luxemburg". Und, wer hätte es gedacht: Das komplette Design entsteht noch immer in mühevoller Handarbeit. Vier Mitarbeiterinnen schwingen sprichwörtlich die Pinsel – mit einer Routine und Genauigkeit, die einem Außenstehenden eine Menge Respekt einflößen. Aber: Wo Kunst ist , sind dreiste Fälscher nicht weit. Insbesondere auf Veranstaltungen wie der Frankfurter Konsumgütermesse "Ambiente", für Villeroy & Boch ein Pflichttermin, tummeln sich schamlose Plagiatoren. Die Saarländer haben reagiert und eine Abteilung "Schutzrecht" eingerichtet. Deren Mitarbeiter durchstöbern die weitläufigen Messehallen mit Anwalt und Polizei. Fündig werden sie fast immer. Was Ralf Runge besonders ärgert: Dass vor allem die Asiaten mit unlauteren Mitteln spielen. "Manch ein Hersteller bekommt seine Energiekosten offensichtlich vom chinesischen Staat bezahlt", mutmaßt er. "Ich kann mir nicht erklären, wie der Handel sonst ein Kaffeeservice für 25 Euro anbieten kann." Die Vorsitzenden von IG BCE und des Verbandes der Keramischen Industrie haben deshalb beim Bundeswirtschaftsministerium Druck gemacht, eine Keramik-Antidumpingbeschwerde gegen China zu unterstützen. Mit Erfolg: Seit November hat die EU entsprechende Schutzzölle verhängt. Das Unternehmen Das 1748 gegründete Unternehmen Villeroy & Boch stellt Produkte aus dem Bereich Bad, Tischkultur und Fliesen her. Es beschäftigt weltweit rund 8000 Menschen, davon etwa 500 in Merzig. 2011 erwirtschaftete der börsennotierte Konzern einen Umsatz von 743 Millionen Euro, davon 38 Prozent im Bereich Tischkultur. Fast drei Viertel des Gesamtumsatzes stammen aus dem Ausland, 52 Prozent alleine aus Europa. Deshalb spüren die Saarländer die Auswirkungen der oft planlosen Sparpolitik vieler europäischer Länder: Die Umsätze der ersten neun Monate im Jahr 2012 sanken um 1,5 Prozent. © 2017 IG-BCE Grafiken & Inhalte dieser Webseite sind urheberrechtlich geschützt IG BCE - Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie Königsworther Platz 6D-30167 Hannover Telefon: 0511-7631-0Telefax: 0511-7000-891 E-Mail: [email protected]