Die Glam-Rocker auf ihrer «finalen Abschiedstour»

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Die Glam-Rocker auf ihrer «finalen Abschiedstour»
14 Stadt
Schaffhausen
MONTAG, 2. NOVEMBER 2015
Zum Gedenken an
die Verstorbenen musiziert
Die Stadtmusik Harmonie
Schaffhausen gab gestern in
der Waldfriedhofskapelle und
im «La Résidence» zwei
­Konzerte zu Allerheiligen.
VON LARA GEISSMANN
Der Sänger und Bassist Peter Lincoln (l.) ist erst seit 2006 bei der Band. Rechts von ihm Tony O’Hora, der sein Keyboard für
­einige Songs mit der Gitarre vertauscht hat.
Bild Selwyn Hoffmann
Die Glam-Rocker auf ihrer
«finalen Abschiedstour»
The Sweet spielten sich
am Freitag in der Kammgarn
durch ihren Jahrzehnte
umfassenden Hitkatalog.
VON SIMON STAUFER
The Sweet gibt es schon lange, sehr
lange. Es waren der Sänger Brian
­Connolly und der Schlagzeuger Mick
Tucker, die 1968 in Grossbritannien
eine Band gründeten, die zuerst noch
The Sweet Shop hiess. In den 1970erJahren zog sie dann unter neuem
­Namen und zusammen mit dem Bassisten Steve Priest und dem Gitarristen Andy Scott als Glam-Rock-Crew
um die Welt und erklomm mit Hits
wie «Ballroom Blitz» oder «Fox on the
Run» die Spitze der Charts. Mit so viel
Geschichte lässt sich gut kokettieren.
«We’ve only done this about 27 times»,
leitete Andy Scott einen seiner neueren Songs ein – dies alles vor vollem
Haus, treuen Fans und begeisterungsfähigen Altrockern. Wie oft er im
Laufe seiner Karriere «Fox on the
Run» gesungen haben muss, lässt sich
kaum hochrechnen. Jedenfalls sind
The Sweet nun in die Kammgarn gekommen, um an diesem Freitagabend
nach 55 Millionen verkaufter Alben
ihre «finale Abschiedstour» zu zelebrieren. Von der berühmten Band aus
den Siebzigern ist allerdings Andy
Scott der Einzige, der übrig geblieben
ist. Die Gründer C
­ onnolly und Tucker
verstarben um die Jahrtausendwende, und Steve Priest spielt mit seiner eigenen Version der Band – meist
in Amerika.
Auch die Frisuren stimmen
Doch auch diese eine von zwei möglichen Varianten von The Sweet hat bereits Routine. Die Formation um Scott
mit dem Leadsänger und Bassisten
­Peter Lincoln, dem Keyboarder Tony
O’Hora und dem Drummer Bruce
­Bisland spielt seit einem guten Jahrzehnt zusammen und kennt das
­Material sehr gut. Die etwas jüngeren
Neumitglieder waren in den Siebzigern
zwar noch nicht dabei, aber sie beherrschen die melodiösen Rockschlager,
den Flirt mit dem Pompösen und Überladenen sowie den unvermeidlichen
Glam-Rock-Gestus. Das Bandlogo sieht
nach alten Zeiten aus, die Frisuren tun
es, die Musik klingt danach. Trotzdem
ist diese Retroinszenierung ziemlich
unverkrampft. Schaffhausen wird als
«the best audience we’ve had in Switzerland» gelobt. Das Publikum bedankt
sich mit «We want Sweet»-Rufen, während die Band fröhlich das sonnige
«Poppa Joe» von 1972 anspielt, Gewitter
aus Gitarrenriffs und Schlagzeugsolos
niedergehen lässt und zwischendurch
Songs aus der jüngeren Vergangenheit
einflicht. Fast zwei Stunden lang spielt
die Band. Für einen Lieblingssong wie
«Love Is Like Oxygen» lässt man sich
mit dem lang gezogenen Mittelteil auch
einmal fast zehn Minuten Zeit, und
auch die Zugaben sind grosszügig.
Die Stimmung ist ausgelassen. Man
bekommt das Gefühl, dass das hier
noch sehr, sehr lange weitergehen
könnte, wenn die Band wollte. The
Sweet machen Musik, die weder von
einem übermässigen Bestreben nach
Raffinesse getrieben ist noch vom Versuch, irgendeine Szene zu bedienen
oder in ein subkulturelles Deutungsschema zu passen. The Sweet machen
Musik für alle. Ihr grosser Erfolg ist,
dass sie gut ankommt.
musik Harmonie Schaffhausen mitwirkt. Dieses Jahr wurde das Konzert
trotz des sonnigen Herbstwetters zum
dritten Mal im Innern der Friedhofs­
kapelle durchgeführt. Früher fand es
bei jeder Witterung draussen statt.
«Einmal hat es uns da sogar auf die
Noten geschneit», erzählt Bänteli. Ein
weiterer Grund, warum man beschlossen habe, drinnen zu spielen, ist gemäss dem Dirigenten Alain Wozniak,
dass sich das vorwiegend ältere Publikum bei einem solchen Konzert auch
gerne einmal hinsetzt, um zu lauschen,
was in der Kapelle natürlich viel ein­
facher gehe. Ausserdem sei es auch
besser für die Instrumente, drinnen zu
spielen, und die Stücke würden durch
die Akustik hier sehr gut klingen.
Gestern fand das traditionelle Konzert
zu Allerheiligen der Stadtmusik Harmonie Schaffhausen auf dem Waldfriedhof statt. Seit über 50 Jahren gibt
es jeweils Anfang November dieses
Konzert – zum Gedenken an die Verstorbenen.
Dieses Jahr spielte die Stadtmusik
Harmonie Schaffhausen dem zahlreich
erschienenen Publikum acht verschiedene Stücke vor. Vom «SolothurnerBereit für den Advent
Marsch» über «S’isch äbe-n-e Mönsch
Alain Wozniak erklärt weiter, dass
uf Ärde» bis zum spanischen «El
die Stadtmusik Harmonie Schaffhaubaile» war für jeden etwas dabei. Als
sen gerade für das Konzert «Highlights
das ­Publikum nach rund
2015» probt, das am ers50 Minuten scheinbar
ten Advent­wochenende
nicht aufhören wollte zu
statt­finden wird. «Daher
applaudieren, gab die
ist es natürlich gut,
Stadtmusik Harmonie
wenn wir die schwieriSchaffhausen
sogar
gen Stücke schon bei
noch eine Zugabe: Das
vor­herigen Konzerten
Willy Bänteli,
Mitglied seit 53 Jahren
altbekannte Schaffhauüben können», so der
Dirigent. Zufrieden beser «Munotglöcklein» begeisterte das Publikum zum endgültidankte er sich nach dem Konzert beim
Publikum. «Vielen Dank für den übergen Abschied.
wältigenden Applaus», sagte er. «Wir
würden natürlich gerne noch etwas
Tradition seit 1963
weiterspielen, aber wir haben noch ein
Das Konzert zu Allerheiligen auf
weiteres Konzert und sollten nicht zu
dem Waldfriedhof ist seit Langem ein
spät kommen.» So räumten die Musiker
fester Bestandteil im Jahresprogramm
ihre Instrumente eilig zusammen, denn
der Stadtmusik Harmonie Schaffhaunach dem Konzert auf dem Waldfriedsen. «Das erste Konzert auf dem Waldfriedhof fand vor 52 Jahren statt, im
hof wartete noch ein weiterer Auftritt
Jahr 1963», erinnert sich Willy Bänteli,
im «La Résidence», wo das gleiche Prowelcher seit 53 Jahren bei der Stadt­
gramm nochmals intoniert wurde.
«Einmal hat es uns
sogar auf die Noten
geschneit.»
Alain Wozniak, Dirigent der Stadtmusik Harmonie Schaffhausen, führte seine Musiker
sicher durchs gestrige Konzert in der Waldfriedhofskapelle.
Bild Selwyn Hoffmann
Genossen Ein Dutzend Weine aus dem ersten Jahrgang der Gebrüder Kurt und Bruno Gasser, der am Hallauer Herbstsonntag zur Probe bereitstand
Gassers ganz grosse Gassenschau mit 12 Weinen in Hallau
E Gasser heissen in Hallau viele,
die mit Weinbau zu tun haben.
Da kommt es schon auf die Vornamen an. Drei Hektaren
­Hallauer Rebland gehören den
Gebrüdern Kurt und Bruno Gasser,
verteilt auf sieben Parzellen.
Von weiteren drei Hektaren
kaufen sie Trauben zu oder verarbeiten sie als Lohnkelterer. Im
Jahr 2014 haben sie insgesamt
rund 28 000 Liter produziert und
am 29. Januar 2015 die Weingut
Gasser GmbH mit Sitz am Eigenweg 12 gegründet. Die Aufgaben
haben sich die beiden Brüder
gemäss ihrer Ausbildung aufgeteilt: Kurt (grosses Bild) ist als
Weintechnologe und Landwirt für
die gesamte Produktion zuständig, Bruno (Bild rechts oben) für
die Administration und den Verkauf. In Kurts Bauernhof haben
die beiden ihre Produktionsstätte eingerichtet. Auch der
­Vater der beiden, Hans Gasser,
Kurt Gasser schenkt seinen Blauburgunder aus.
wirkt mit seinen 70 Jahren noch
mit Rat und Tat im Betrieb mit
(vgl. SN vom 22. Oktober). In
dem nicht ganz einfachen Jahr
2014 haben die Gebrüder Gasser
eine beeindruckende Palette
von Weinen produziert, ein Dutzend davon haben wir probiert
und das Folgende notiert. (us)
Bilder Ulrich Schweizer
E Müller-Thurgau: Würzig, saftig,
fruchtig und doch trocken.
Blanc de noir aus Blauburgundertrauben: Gute Säure, ebenfalls
schön trocken.
Rosé, auch aus Blauburgunder
gekeltert, mit etwas längerer
Standzeit an der Maische: Zwiebelschalenfarbig; eine deutlich
sortentypische BlauburgunderNase, gehaltvoll und knochentrocken.
Müller-Thurgau Barrique: Ein interessantes, seltenes Experiment –
kaum jemand wagt die weisse
Leitsorte der Deutschschweiz,
die ja von ihrer Fruchtigkeit
lebt, ins Holz einzusperren.
Der Wein ist dementsprechend
überraschend und ungewöhnlich, erinnert mit seinem deutlich vom Holz geprägten Profil
an jene Weissweine, die man
besonders in den Vereinigten
Staaten «fumé» nennt.
Müller-Thurgau Dulcis: Da sind sie
wieder, die Eisbärenzeltli unse-
rer Jugend! In der Weinsprache
besser bekannt als «Bonbon
­anglais», ergeben sie zusammen
mit dem Duft von Bergamotte
eine deutliche Gär­aromatik, die
von einem netten Zückerchen
gekrönt wird – wie es ja schon
der Zuname Dulcis ankündigt.
Pinot noir: Granatrot mit Rubinreflexen; gute, klassische
­Maischegärung; zarte Tannine.
Pinot noir Sélection: Granatrot;
duftig, Noten von Zimt und
­Zedernholz, schöne Tiefe, etwas
Leder, fein gearbeitete Tannine.
Pinot noir Barrique: Helles Granatrot; Zeder und Eichenholz,
­Glyzerinsüsse, sehr feine
­Tannine; schöne Säure, saftig,
lebendig, mit einer gewissen
­jugendlichen, burgundischen
Spröde.
Cabernet Dorsa: Purpur; wieder
rote Pflaume, Zedernholz; gut
eingebundene Tannine; schön
harmonischer Wein, eine Alter-
native zu Blauburgunder. Die
beiden Schaumweine der Gebrüder Gasser werden überraschenderweise nicht bei Onkel Paul
Gasser in Ellikon produziert:
Cuvée Rot aus Cabernet Dorsa
und Blauburgunder: Rubinrot,
Aromen von roten Steinfrüchten (Pflaume); saftig, fruchtig
und jugendlich.
Secco Weiss: Blütenduft und ein
leiser Hauch von Schwefel, feine
Perlage, mit dem Restzucker hat
man es hier etwas (allzu) gut
­gemeint.
Secco Rosé: Zwiebelschalenfarbe,
feine Perlage, deutlich trockenerer Schäumer. (us)