Artikel der Lübecker Nachrichten vom 04.03.2012 (Nina Holley)

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Artikel der Lübecker Nachrichten vom 04.03.2012 (Nina Holley)
18 Sonntag/Montag,
4./5. März 2012
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HANSESTADT LÜBECK
STADTGESPRÄCH
Nina Holley
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[email protected]
Telefon 04 51/144-22 50
Neuer Chef: 29 Jahre jung ist der
neue Küchenchef der Weinwirtschaft im Grand SPA Resort Arosa
Travemünde. Im friesischen Varel
geboren, schaffte Andreas Schmidt
nach seiner Ausbildung zum Koch
schnell den Sprung in Restaurants
der 4- und 5-Sterne-Hotellerie. Leitende Positionen bekleidete er zuletzt im Hotel Old Course im schottischen St. Andrews, im Designhotel ÜberFluss in Bremen, im Atlantic Hotel Sail City in Bremerhaven
sowie im Atlantic Hotel Lübeck.
„Ich freue mich, zusammen mit einem großartigen Team die Erfolge
der Weinwirtschaft weiter ausbauen zu können.“ Das
Lokal wurde für seine ausgezeichnete
Küche zu moderaten Preisen sechsmal in Folge mit
dem Bib Gourmand
des Guide Michelin
ausgezeichnet. Das
Andreas
Restaurant darf
Schmidt (29) sich außerdem mit
zwei Hauben im
Großen Restaurant & Hotel Guide
des Bertelsmann Verlags sowie
mit zwei Kochlöffeln im Aral
Schlemmer Atlas schmücken. Das
Gourmet-Magazin „Der Feinschmecker“ zeichnete es mit einem Punkt aus.
Spendabel: Die Lübecker Bundestagsabgeordnete Gabriele Hiller-Ohm (SPD) ließ es sich nehmen
und überreichte jetzt persönlich
444,44 Euro an Diakoniepastor Kai
Gusek. Mit dem Geld sollen
Sprachkurse für Asylbewerber finanziert werden. Die Spende hatte Hiller-Ohm auf einer Integrations-Veranstaltung ihrer Partei gesammelt.
Taxi-Inklusiv-Paket: Das Casino in
Travemünde ist seit 1833 Treffpunkt für Prominenz und spiellustige Kurgäste. Damit das eigene Auto auch mal stehen bleiben kann,
hat Casino-Leiterin Jessica Barke
die „Drive & Play“-Veranstaltungen ins Leben gerufen. An jedem
zweiten Freitag im Monat sind
dann im Eintrittspreis von 19 Euro
neben drei Cocktails auch ein Taxigutschein im Wert von zehn
Euro mit inbegriffen.
Vernissage: Hebräer – Oder wie
kommt der Löwe unters Dach?
Wer die gleichnamige Ausstellung
des in Stockelsdorf lebenden
Künstlers René Blättermann in der
Galerie Defacto Art besucht, wird
das Rätsel lösen können. Die auf
Fotografien basierenden Grafiken
Blättermanns zeigen Alltags- und
Kultgegenstände aus der Welt des
Judentums. „Sie sind durch kryptische Hintergründe mit bildhaften
Überlagerungen und farblichen
Verschmelzungen in Szene gesetzt“, sagt der Künstler. Zur Vernissage am 9. März um 19.30 Uhr,
Balauerfohr 31-33, wird auch die
Akkordeonistin Martina Tegtmeyer
vor Ort sein.
Gut rasiert: Da staunte André Philipp nicht schlecht, als er den Anruf von Regine Pluschke bekam: Er
gewann nicht nur den ersten, sondern auch gleich den zweiten
Preis für zwei alte Rasierer, die er
im Fachgeschäft Hannemann abgegeben hatte. Die Schätzchen seiner Oma stammen aus den Jahren
Regine Pluschke und Gewinner
Foto: Nina Holley
André Philipp.
1940 und 1948. „Da ich nicht wusste, welcher wohl älter ist, habe ich
einfach beide eingereicht.“ Regine Pluschke hatte Anfang Februar
dazu aufgerufen, ihr Lübecks ältesten Rasierer vorbeizubringen –
und bekam rund 40 Modelle. André Philipp freut sich jetzt über einen neuen Rasierer von Braun und
über ein Zwilling-Taschenmesser:
„Das hätte ich mir nicht träumen
lassen.“
Tim Becker posiert im Volkstheater Geisler mit seiner ersten Puppe, dem schwulen Pony Dandy Randy, die er nach einem amerikanischen Vorbild anfertigen ließ.
Foto: Lutz Roeßler
Der mit dem Bauch redet
Puppen spielten schon immer eine Rolle im Leben von Tim Becker. Doch bis der 31-Jährige
zum Bauchredner wurde, war es ein langer Weg – denn eigentlich ist er Zauberer.
Von Nina Holley
„Emma“ und „Paula“ sind nicht
die einzigen Begleiter in seinem Leben. Tim Becker ist Bauchredner
und mag es, mit seinen beiden Beagle-Hündinnen
herumzutollen.
Die Jagdhunde sind allerdings bei
seinen Auftritten auf der Bühne tabu. Denn dort sind ein schwules Pony, ein Hippie, ein Kaninchen und
ein Donut die Stars – auch beim Lübecker Presseball am 17. März.
Die Handpuppen dürfen alles:
lustig und böse sein. „Oft haftet
Bauchrednern das Klischee von
Karnevalsrednern an“, sagt Becker. Das hat sich geändert. Die
Puppen erzählen Geschichten, keine Kalauer. „Dabei ist mein Humor
ein bisschen sarkastisch, ich ecke
gern mal an, überschreite aber keine Grenzen.“ Vom Comedy-Einheitsbrei hält er wenig. Sein Vorbild: Hape Kerkeling. Davon abgesehen ist der 31-Jährige seit seiner
Kindheit von Tieren und Puppen inspiriert: die Muppets, die Sesamstraße, das Kasperletheater und eine Stoff-Kuh, auf der er immer
schlief. „Das hat mich jahrelang begleitet und war schön“, sagt Tim Becker. Daher also die Sympathie für
die kuscheligen Geschöpfe. Doch
wie entsteht die Idee, Bauchredner
zu werden? „Angefangen hat es
auf einem Zaubererkongress.“ Moment. Zaubern? Er lacht. Auch diese Wurzel für das eher ungewöhnliche Hobby liegt in seinen Kindheitstagen. Angefangen habe alles
mit einem Zauberkasten, gefolgt
von einem Zauberbuch. Damals
war er zwölf Jahre alt. Schnell wurde aus dem Interesse eine Leidenschaft, erst trat er vor Klassenkameraden auf, dann auf Kindergeburtstagen von Freunden. Buchungen
für Hochzeiten und Firmenfeiern
folgten. In Poesie-Alben trug er als
Schüler aber nicht den Berufswunsch Zauberer oder Bauchredner ein, sondern Tierarzt. „So weit
kam es aber nicht, als ich sah, wie
viel mein Bruder für sein Abi büffeln musste.“ Was folgte, war eine
Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Heute arbeitet Tim Becker in einem Zoofachgeschäft.
Vor drei Jahren war er dann auf
dem Kongress. Inspiriert von einem Bauchredner-Seminar, stieg
er ins Auto und versuchte die ersten Laute ohne den Mund zu bewegen. „Klar kommt man sich dabei
komisch vor – auch später noch
beim Üben.“ Mittlerweile habe er
sich daran gewöhnt, mit sich selbst
zu sprechen. Etwa ein Jahr habe es
gedauert, bis er die Lippen nicht
mehr bewegte und gleichzeitig die
Puppen sprechen lassen konnte.
Wie Bauchreden funktioniert
Beim Bauchreden handelt es sich um
eine Illusion, bei der augenscheinlich
Puppen oder Figuren reden können.
Wer das Bauchreden erlernen möchte,
muss mindestens drei Künste gleichzeitig beherrschen: 1. Sprechen, ohne die
Lippen zu bewegen 2. Sprechen mit einer anderen Stimme 3. das Puppenspiel beziehungsweise Schauspiel.
Beim Erlernen des Bauchredens wird
zwischen „Kieferlauten“ und „Lippen-
lauten“ unterschieden. Kieferlaute sind
Buchstaben des Alphabets, die nicht
mit den Lippen gebildet werden müssen, wie zum Beispiel a, e, i, o, u, l, s.
Beim Üben muss lediglich der Kiefer
still gehalten werden. Lippenlaute
oder auch Labiallaute genannt, wie b,
p, f, m, w sind schwieriger zu bilden.
Sie ohne den Einsatz der Lippen zu bilden, erfordert Übung. Hilfsmittel hierbei sind die Zunge und der Gaumen.
Harmonie von Speis und Trank
Ideenreiche Hotelfachschüler haben den 17. Badischen Weinabend ausgerichtet.
Wissenschaftliche Weinkunde und
ein grandioses Sieben-Gänge-Menü: Wer sich zu den geladenen Gästen des Badischen Weinabends zählen durfte, konnte erfahren, dass
gute Kellermeister und Köche auch
Künstler genannt werden. Und das
war beim Weinabend in der Hotelfachschule nicht das einzige Urteil
von Peter Wohlfahrt, Geschäftsführer des Badischen Weinbauverbandes und früherer Leiter der Forschungseinrichtung des Landes Baden-Württemberg. Der Experte
gab sich als leidenschaftlicher Dozent: Zu Birnensorbet und Pfefferkrokant, Wels mit Schweinebauch,
vakuuminiert gegartem Tafelspitz
oder getrüffelter Wachtelessenz
ging es um das Wissen der Harmonie von Speis und Trank. Um pilzresistente Tropfen, sensorische Dimensionen, Abreife, kühle Anbaunächte, stoffige Weine mit Tiefgang – und um die unschlagbaren
Vorteile der badischen Rieslinge.
Dem Titel Stadt der Wissenschaft verpflichtet stand jeder der
sechs originell eingedeckten Tische unter der „Schirmherrschaft“
bekannter Persönlichkeiten, darun-
ter Einstein, Fleming, Pasteur oder
Zuse. Was noch pfiffiger war: Die
Legenden wurden von den Hotelfachschülern beim Servieren gemimt. Den köstlichen wie lehrreichen und von der Unterstufe der
Hotelfachschüler
organisierten
Abend genossen unter anderem
der Vizepräsident des Verbandes
Deutscher Köche, Johann Grass-
mugg, Stadtpräsidentin Gabriele
Schopenhauer und Vize Peter Sünnenwold, Kiels Ministerialdirigent
Helmut Landsiedel, der Chef der Gewerkschaft Nahrung und Genuss,
Jürgen Klitschmüller, – und Lübecks
Wissenschaftsmanagerin Iris Klaßen, die die Symbiose aus Wissenschaft, Wein und Speisen als „grandios“ bezeichnete:
jac
Jungweltmeister Florian Neumann in seinem Element: Letzte
Handgriffe beim Birnensorbet.
Christina Martin (l.) serviert Gewerbeschullehrerin Birgit Wunsch
getrüffelte Wachtelessenz. Fotos: jac
Jetzt ist der gebürtige Osteroder
mit seiner Leistung zufrieden. Genau wie seine Frau Lina, die der
Niedersachse vor elf Jahren via Internet verzauberte. „Ihretwegen
bin ich auch nach Lübeck gezogen.
Nun lebe ich seit über zehn Jahren
dort, wo andere Urlaub machen.
Das ist perfekt.“ Die 29-Jährige sei
seine größte Kritikerin, gebe aber
auch Impulse für seine Show. Die
Puppen haben bei den beiden in
der Wohnung dennoch keinen
Platz. „Lina ist nicht so ein Puppen-Fan wie ich“, sagt Tim Becker.
Daher stehen sie im Keller in einer Alu-Kiste. Aus den Augen, aus
dem Sinn gilt dabei nicht. „Ich träume sogar manchmal von ihnen.“
Besitz würden sie aber nicht von
ihm ergreifen. „Auf der Bühne entsteht auch ein Abstand zwischen
mir und der Handpuppe. Sie haben
dann sozusagen ihr eigenes Leben.
Klingt irgendwie schizophren,
oder?“ Tim Becker lacht. Das
macht er häufig. Über sich selbst
sagt der Bauchredner, dass er fast
immer gut drauf sei, aber auch etwas Chaotisches an sich habe. Ordnung könne er nicht halten. Akkurat sitzt dafür sein Seitenscheitel.
Weniger zum Lachen sei ihm allerdings mal bei zwei Auftritten ge-
wesen, da gab es kaum Reaktionen
auf seinen Humor. „Da fing ich an,
ganz schön zu schwitzen.“ Doch
von solchen Zwischenfällen lässt er
sich nicht abschrecken: „Es war
schon immer mein Traum, auf der
Bühne zu stehen und davon leben
zu können.“ Noch reicht es nicht
ganz zum Leben, Tim Becker ist
dennoch voller Zuversicht. Der
Markt für Bauchredner sei gerade
gut, denn so viele gebe es nicht.
Sein soziales Umfeld reagiere
durchaus positiv auf sein Können.
Selbst seine Mutter, die Bauchrednern nichts abgewinnen konnte,
mag es jetzt. „Mit meinem Programm versuche ich, die Zuschauer die triste Welt vergessen zu lassen und sie zum Ablachen zu bewegen.“ Und dabei setzt er durchaus
mal auf sein Bauchgefühl.
e Mit seiner neuen Show „Bauchgespräche – Typen, Tiere, Illusionen“
gastiert der Lübecker Bauchredner
Tim Becker am 5. Mai im Volkstheater Geisler, Dr.-Julius-Leber-Straße
25. Einlass ist um 19 Uhr, Beginn 20
Uhr. Die Karten gibt es ab 16 Euro
im Volkstheater Geisler, im Pressehaus der LN und an der Konzertkasse im Hause Weiland.
„Wo ist die Zeit geblieben?“
Roberto Rossi unterschreibt Fünf-Jahres-Pachtvertrag.
Das Schabbelhaus – ein Ort mit langer Historie. Dass Roberto Rossi
dort selbst einmal Geschichte
schreiben würde, hätte er nicht gedacht. Schon seit 15 Jahren bietet
der Gastronom Gerichte der mediterranen Küche an. Auch in den
kommenden fünf Jahren werden
seine kulinarischen Köstlichkeiten
weiterhin zu genießen sein: Denn
der 55-Jährige unterschrieb jetzt einen weiteren Pachtvertrag.
„Das ist der längste Pächter, den
wir je im Schabbelhaus hatten“,
sagt Nicolaus Lange, Geschäftsführer der Kaufmannschaft zu Lübeck.
„Wo ist nur die Zeit geblieben?“,
fragt sich Rossi und streicht sich
über die teils ergrauten Haare. Betriebsmüde ist der Italiener nicht,
er hat viele Ideen, will künftig auch
jüngere Kundschaft ab Mitte zwanzig ansprechen. „Die jungen Leute
haben im wahrsten Sinne des Wortes eine Schwellenangst, wenn sie
vor dem riesigen Haus stehen.“
Das soll sich ändern, das Ristorante
Roberto Rossi soll moderner werden. „Es sollen sich alle Gäste von
jung bis alt bei uns wohlfühlen“,
sagt Rossi. Von steifer Atmosphäre
ist er selbst kein Fan, er mag es lo-
cker, verspricht guten Service und
Qualität. Die Produkte werden
frisch aus Hamburg und Schleswig-Holstein geliefert. Bei schönem Sommerwetter gibt es auch
wieder Grillpartys auf der Terrasse. „Wir freuen uns auf die nächsten fünf oder vielleicht sogar zehn
Jahre“, fasste Lutz von Majewsky,
Präses der Kaufmannschaft zu Lübeck zusammen.
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Gastronom Roberto Rossi mit Nicolaus Lange (l.) und Lutz von MaFoto: Nina Holley
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