Laudatio für Prof. Dr. Dr. Paul Michael Zulehner

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Laudatio für Prof. Dr. Dr. Paul Michael Zulehner
Laudatio zur Ehrenpromotion Prof. DDr. Paul M. Zulehner
Die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt promoviert heute
Paul M. Zulehner, emeritierter Professor der Theologie und Direktor des
Instituts für Pastoraltheologie an der Universität Wien, zum Doktor der
Theologie honoris causa.
Mit dieser Ehrung würdigt sie das wissenschaftliche, spirituelle und pastorale
Lebenswerk von Paul M. Zulehner, mit dessen Gestalt und Ausrichtung sie sich
verbunden fühlt. Diese Verbundenheit gilt in mehrfacher Hinsicht.
• Weil sein wissenschaftliches Oeuvre – insbesondere die Verbindung von
pastoral- und religionssoziologischen Ansätzen - von anerkannter Qualität
und Bedeutung für Theologie, Kirche und Gesellschaft ist.
• Weil er in seinen Publikationen zum einen die Wissenschaft,
insbesondere die Pastoraltheologie und die Religionssoziologie
grundlegend bereichert hat, und weil es ihm zum anderen gelungen ist,
in verständlicher Sprache und großer Lebensnähe den Menschen in
ihrem Ringen um lebensnahen Glauben beizustehen und sie klug zu
beraten.
• Weil er in seinem Projekt „Aufbruch“ früh schon durch umfangreiche
Forschungen zur Beschreibung und Analyse der religiösen wie kirchlichen
Situation in den Ländern Mittelosteuropas beigetragen hat. Er hat dazu
beigetragen, kirchliche wie religiöse Situationen tiefer zu verstehen und
den Ortskirchen geholfen, eine eigene Identität auszubilden.
• Weil er in der Forschung zu Mittelosteuropa ein anerkannter Experte ist
und mit dem Pastoralen Forum in Wien die Möglichkeit geschaffen hat,
theologische Nachwuchswissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler aus
Mittelosteuropa zu fördern.
• Weil er insbesondere auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
aus Ostdeutschland, auch aus dem akademischen Nachwuchs, an seinen
Forschungen beteiligt hat.
Damit hat er maßgeblich zur Entwicklung theologischer Aufgabenfelder
beigetragen, denen sich die Erfurter Katholisch-Theologische Fakultät
verpflichtet sieht, und zu denen sie sich mit der Verleihung der
Ehrendoktorwürde an Paul M. Zulehner bekennt.
Paul M. Zulehner wurde am 20.12.1939 in Wien geboren als Sohn von Hofrat
Dipl.Ing. Josef Zulehner, Vorsitzender Rat des österreichischen Patentamtes,
sowie von Dr. Luise Zulehner, geb.Tauber. Er studierte Philosophie, katholische
Theologie und Religionssoziologie in Innsbruck, Wien, Konstanz und München.
Zulehner ist Schüler von Johannes Schasching und Karl Rahner. In Konstanz
studierte er bei Thomas Luckmann. 1961 erwarb er den Dr. phil. mit einer
Arbeit über „Religion im Leben der Industriearbeiter", 1965 folgte der Dr. theol.
über „Kirche und Austromarxismus".
1964 wurde er zum Priester der Erzdiözese Wien geweiht und trat in ihren
Seelsorgsdienst. Von 1968 bis 1970 arbeitete er in der Leitung des Wiener
Priesterseminars.
1974 habilierte er sich in Würzburg bei Rolf Zerfaß zum Thema
„Säkularisierung; Religion nach Wahl" (erschienen als Säkularisierung von
Gesellschaft, Person und Religion, Wien u.a. 1973).
Er war von 1975 – 1984 Professor für Pastoraltheologie in Passau, wo er u.a.
die dreijährige Berufseinführung für Kapläne aufbaute. Von 1984 bis zu seiner
Emeritierung war er Lehrstuhlinhaber für Pastoraltheologie an der Universität
Wien.
1991-93 sowie 2000-2007 war er Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät.
Als solcher hat er die Umbrüche der universitären Landschaft konstruktiv für
die Theologie nutzbar gemacht und die Drittmittelforschung als zentrales
Standbein aufgebaut.
Er war 1985-2000 theologischer Berater der Konferenz der Europäischen
Bischofskonferenzen CCEE und ist seit 2002 Mitglied der Europäischen
Akademie der Wissenschaften und Künste und der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften. Er erhielt mehrere Preise und Ehrungen.Zwei seien eigens
erwähnt: Mit dem 2002 verliehenen Klebelsberg-Preis der Universität Szeged
wurde seine effiziente Unterstützung bei der Entwicklung der
Religionswissenschaft an der südungarischen Universität und damit sein
Einsatrz für Mittelosteuropa gewürdigt.
2009 wurde auf Antrag des österreichischen Bundesministeriums für
Wissenschaft und Forschung Paul M. Zulehner das Große Silberne Ehrenzeichen
für Verdienste um die Republik Österreich verliehen. Das Ehrenzeichen
dokumentiert den herausragenden Ruf des international agierenden Theologen
in seinem Heimatland.
Auch nach seiner Emeritierung 2008 arbeitet Paul M. Zulehner in seinen
Fachgebieten bis heute wie gewohnt stets sehr erfolgreich weiter und führt
weiterhin relevante Projekte durch.
Seine wissenschaftlichen Leistungen stehen ganz im Zeichen Mittel-/OstEuropas. Als er nach Wien kam, waren alle Augen und Forschungsinteressen
der deutschsprachigen Praktischen Theologie nach Lateinamerika und auf die
Befreiungstheologie gerichtet. Paul M. Zulehners Intention hingegen war: Um
die Dritte Welt mögen sich andere bemühen; wer in Wien Pastoraltheologie
treibt, muss eine Befreiungstheologie für die Zweite Welt voran bringen. So lud
er als Vorsitzender der Konferenz deutscher Pastoraltheologen die
Hauptversammlungen für Jahre nach Wien ein, damit auch die Ost-Theologen
daran teilnehmen konnten, die ausschließlich ins neutrale Österreich ausreisen
durften. Viele, darunter auch Prof. Dr. Franz-Georg Friemel, haben das gern
und regelmäßig genutzt. Von 1984-1990 veranstaltete Zulehner eine
Seminarreihe „Kirche im Kontext des Realen Sozialismus“, in der jährlich ein
anderes Land – 1987 die DDR – im Mittelpunkt des Interesses stand, im
Wintersemester als Rechercheseminar, im Sommersemester mit Exkursion.
Um nach dem Zusammenbruch des Kommunistischen Ostens zu einer
Repositionierung der Kirchen in den demokratischen Reformgesellschaften
beizutragen, hat Paul M. Zulehner zwei Internationale Forschungsprojekte
Aufbruch I 1997 und Aufbruch II 2007 initiiert. Sie liefen in zehn
postkommunistischen Ländern (darunter das Gebiet der ehemaligen DDR)
unter Beteiligung von über 50 Foschungseinrichtungen, im hiesigen Kontext der
Theologischen Fakultät Erfurt und dem Institut für Katholische Theologie an der
Philosophischen Fakultät der TU Dresden.
Um die Selbstentwicklung der Kirche in den Postkommunistischen Ländern und
ihre eigenständige Pastoraltheologie zu fördern, gründete Paul M. Zulehner
1989 unter Ehrenschutz von Kardinal Franz König und mit dessen regen
Anteilhabe das Pastorale Forum. Sein Stipendiatenprogramm „Beine statt
Steine“ hat 1992-2012 insgesamt 96 Personen zum Studium nach Wien
gebracht und sie bei ihrer Promotion bzw. Habilitation unterstützt. Die
Geförderten sind Priester und Laien, Frauen und Männer aus der römischkatholischen, griechisch-katholischen und orthodoxen Kirche, die sich neben
Pastoraltheologie auch in Christlicher Sozialethik, Kirchengeschichte,
Religionspädagogik und Moraltheologie qualifizierten.
So hat Paul Zulehner eine vermittelnde Rolle für die Theologie in
Ostdeutschland bzw. Mittel-/Ost-Europa inne. Er hat das Interesse der
theologischen Forschung auf die jeweiligen Länder und Ortskirchen gelenkt und
diese damit in den Fokus der gesellschaftlichen wie insbesondere kirchlichen
Öffentlichkeit gerückt. Damit hat er eine Perspektivenweitung in der Forschung
ermöglicht. Zulehner zählt meines Erachtens zu jener kleinen Gruppe, die man
auf diesem akademischen Feld als Brückenbauer bezeichnen darf.
Als einer der namhaftesten Religionssoziologen im deutschen Sprachraum hat
Paul Zulehner wesentliche österreichische und europäische (religions)soziologische Studien entworfen und durchgeführt. Seit 1990 hat er drei
Erhebungswellen der Europäischen Wertestudie durchgeführt. Die Aufsehen
erregenden Ergebnisse der Studien erreichten eine breite, nachhaltige,
gesellschaftspolitische Relevanz.
Auf seine Initiative hin wurde eine grundlegende interdisziplinäre Forschung
zum „Megatrend Spiritualität“ unternommen. In mehreren aufeinander
aufbauenden Studien wurden zwischen 1999 – 2006 Rollenverständnis, Berufsund Alltagsinszenierung, und Persönlichkeitsprofile von Diakonen, Priestern
und PastoralassistentInnen im deutschen Sprachraum empirisch untersucht, im
Kontext gesellschaftlicher und kirchlicher Rahmenbedingungen analysiert und
praktisch theologisch reflektiert. Neben einer österreichischen und deutschen
Männerstudie regte Paul Zulehner als Leiter des Ludwig Boltzmann-Institutes
für Werteforschung zwei Solidaritätsstudien (1994 und 1997) an. Diese Studien
haben die innertheologische, aber auch die innerkirchliche Meinungsbildung
maßgeblich beeinflusst und zu weitergehenden theologischen und pastoralen
Diskussionen angeregt.
Paul Zulehner arbeitet auf der Basis seiner religionssoziologischen Expertisen
auch an der Praxis künftiger Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft mit. So
ist er in der Erzdiözese Wien engagiert (Pastoralrat, synodale Vorgänge: Kirche
in Wien) und gilt als Vordenker pastoraler Zukunftsmodelle. Er reflektiert die
Strukturen und Möglichkeiten von Pfarreien, hat offen die österreichische
Pfarrerinitiative dokumentiert und begleitet derzeit die den diözesanen
Entwicklungsprozess der Erzdiözese Wien.
Er steht mit seinen Thesen immer im Gespräch mit der Kirche, und zwar sowohl
mit der Kirchenleitung als auch mit der kirchlichen Basis.
Gegenwärtig bewegt ihn das Lutherjahr 2017. Er mahnt eine gründliche
Reinigung der Herzen aller an. Dazu hat er einen kleinen Gottesdienst der
Umkehr und Besinnung zusammengestellt, den man herunterladen kann.
Dort verbindet er seine weitgespannten Interessen mit seinem Glauben und der
daraus hervorgehenden Analysekraft.
„In der Angst um den schwindenden Einfluss erliegen beide Kirchen dem
Zeitgeist. Es werden zu viele Bedenken geäußert und zu wenig auf Gott zu
vertraut. Unsere Angst muss kleiner und unsere Liebe und unser Vertrauen
müssen größer werden, denn da ist ein Gott, der seine Kirche zu retten weiß,
wenn Er sie als Seine Kirche braucht.“