Im zweiten Musikerfrühling

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Im zweiten Musikerfrühling
Beich | Text und Foto: Michael Heß
Im zweiten Musikerfrühling
“Kiffe-Haus” bekommt ganz neue Bedeutung
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Es gibt Dinge, die gibt es wirklich nur
einmal. Die Jovel Music Hall gehört dazu.
Steffi Stephan und Sohn Marvin Lindenberg entwickelten in drei Jahrzehnten
ein nicht kopierbares, weit über Münster
hinaus bekanntes Konzept, das nun eine
weitere einmalige Facette bekommt.
Über Vergangenes, über Künftiges und
über einen zweiten Musikerfrühling unterhielt sich ~-Autor Michael Heß
mit Jovel-Inhaber Steffi Stephan.
_Längst ist sie vergangen, die Kneipe
"Neuer Krug" am Dondersring. Mit ihr
das baufällige Kino nebenan. Niemand
würde sich noch dran erinnern, wäre
dieses längst vergessene Kino von 1979
bis 1987 nicht Heimstatt der Jovel Music
Hall gewesen. Als dort im Dezember 1979
die Lichter angingen, ahnte wohl niemand der Gäste, den Beginn eines echten kulturellen Leuchtturms mitzuerleben. Doch das zarte Pflänzchen gedieh
ausnehmend gut und 1987 zog man vom
Dondersring an die Grevener Straße. In
die leer stehenden Hallen der Germania
Brauerei. Spätestens jetzt galt das Jovel
als eine echte kulturelle Institution.
Durch und durch jovel eben.
_Denn das Jovel war viel mehr als ein
bloßer Konzert- und Tanzbetrieb. Jovel
- das bedeutete für Münsters Kulturkosmos eine Lebenseinstellung. Ins Jovel zu
gehen versprach das gewisse Etwas
mehr. Allein die atmosphärische Einrichtung war das Kommen und Staunen
wert. Eine kräftige Prise Fillmore East
mitten im Münsterland, der Blick von
den Galerien auf die Bühne, die zivilen
Preise, das bunte und qualitativ hochwertige Programm, das ganze Umfeld. In
den 90er Jahren zeichnete Inhaber Steffi
Stephan erfolgreich für das Musical "JFK";
die Konzertreihe "Ohne Namen" in der
angrenzenden Leeze und das innovative
Ex-Bad trugen ebenfalls seine Handschrift. Es waren die Mixturen für eine
außergewöhnlich erfolgreiche Rezeptur;
Musikclubs haben im Normalfall eine
viel kürzere Lebensdauer.
_Leider teilte das Jovel das traurige
Schicksal des Fillmore East. Wie der legendäre Ostküstenladen in Gottes ureigenstem Land hat die potente Musikhalle im Münsterland zeitgeistigem Lifestyle in Gestalt des Germania-Campus
zu weichen. Immerhin zieht sich die
Sache fast endlos hin. Viele Jahre kursieren Gerüchte über das nahende Ende
des Jovel, doch mehr passiert nicht. So
lange, dass man die Gerüchte irgendwann nicht mehr glauben mochte und
mehr einen Publicity-Gag vermutet.
Aber dann geht alles im Frühjahr 2006
doch sehr schnell, hat die Kulturlegende
dem Germania-Campus zu weichen.
_Money makes the world go round,
doch das Jovel verabschiedet sich am 4.
Juni 2006 stilecht mit einer rauschenden
Konzertnacht, mit stundenlangen Sessions
auf der Bühne, mit einer begeisterten
Gästeschar, die keine Trauer aufkommen
lassen. Warum auch, denn Inga Rumpf,
Hannes Bauer, Frank Diez, Udo Lindenberg und viele viele andere erlebt man
nicht alle Tage auf einer Bühne. "Wir
kommen wieder" - die Botschaft strömt
ungeschminkt von der Bühne herab.
Man glaubte es nur zu gern, als an der
Grevener Straße die Lichter ausgingen.
Ein halbes Jahr später markiert im November 2006 die Abrissbirne das endgültige Ende des zweiten Jovel.
_Das Jovel-Team um Steffi Stephan und
Sohn Marvin Lindenberg (zugleich der
Neffe von Udo L.) macht aus der Not eine
Tugend und improvisiert. Für zwei Klassiker, für die "Scheinheilige Nacht" am
24. Dezember und für die Silvesterparty
mietet sich das Jovel 2006 und 2007 in
eine Industriehalle neben der heutigen
Hauptfeuerwache ein. So bleibt wenigstens der Namen im öffentlichen Bewusstsein, aber eine überzeugende Lösung ist
es nicht. Die Suche nach einer dauer-
haften Bleibe geht weiter, bis im Sommer 2008 Deutschlands zweitältester
Opel-Händler am Standort Münster aufgibt. Für Steffi Stephan und Marvin Lindenberg ist diese Insolvenz ein Geschenk
Gottes. Schnell wird man sich mit dem
Insolvenzverwalter einig: das Jovel bekommt im Gebäude des Autohändlers
sein drittes Zuhause.
_Markante Industriearchitektur wie der
aus den 30er Jahren stammende KiffeBau ist nicht nur rar gesät. Sie ist in ihrer konkreten Ausformung oft einmalig
und steht folglich unter Denkmalschutz.
So verwundert es nicht, dass der städtische Denkmalpfleger bei solchen Überlegungen ein Wort mit zu reden hat.
Punkt fürs Jovel-Team, denn für Gunnar
Pick "bestehen keine grundsätzlichen
Bedenken gegen eine kulturelle Nutzung" . In dieses Horn stößt mit Dirk
Lohaus auch der Leiter des Bauordnungsamtes. Der städtische Beamte
bestätigt die vorläufige Betriebserlaubnis; bei einem Ortstermin habe man die
Idee "positiv gesehen". Das bedeutet
allerdings keinen Freifahrtschein für
Lindenberg und Stephan, denn für eine
dauerhafte Nutzung müssten umfangreiche Umbauten getätigt werden, um
"die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten". Konkret bedeutet das: Herrichtung von Brandmauern, Fluchtwegen,
Löschtechnik und dergleichen mehr. Die
deutsche Versammlungsstättenverordnung lässt grüßen; Steffi Stephan verschweigt die baulichen Probleme nicht,
bezeichnet sie aber auch als lösbar. Eine
Sichtweise, die Fachmann Jürgen Ziegler
ausdrücklich bestätigt. Der Gronauer
Immobilienverwalter kümmert sich im
Auftrag des eigentlichen Insolvenzverwalters, des Münsteraner Rechtsanwaltes Michael Mönig, um die weitere Vermarktung des Objektes. Große Probleme
sieht er auf Anfrage nicht, verweist allerdings auf die nur dreimonatige Kündigungsfrist im Mietvertrag.
_Mit noch einem verbreiteten Irrtum
räumt der Vollblutmusiker auf. Denn wie
verhält es sich mit dem Drei-MonatsMietvertrag? "Gar nicht" so Steffis lakonische Antwort, "denn wir haben einen
unbefristeten Mietvertrag mit dreimonatiger Kündigungsfrist." Unbefristet da ist es, das entscheidende Wort des
Ende Oktober unterzeichneten Vertragswerkes, auch wenn Verwalter Jürgen
Ziegler zu Recht auf die vergleichsweise
kurze Kündigungsfrist hinweist. Für
Steffi Stephan wiederum ist das kein
Hinderungsgrund, auch wenn unter solchen Bedingungen jede mittelfristige
Planung im Grunde unmöglich wird.
"Aber wir wollen dem Jovel eine neue
Heimat geben" gibt der kaufmännische
Profi Stephan zu bedenken. Ohnehin
laufe bei derartigen Spielstätten "viel
mehr auf Improvisation, als es der einfache Besucher zunächst vermutet." Und
zieht als Beleg ausgerechnet das alte
Jovel heran.
_Ein grundsätzliches Problem scheint für
das Bauordnungsamt dagegen schon
gelöst: die planungsrechtliche Genehmigung. Das meint im Kern, dass das
Umfeld einen Konzertbetrieb problemlos
zulässt. Es gibt keine lärmgeplagten Anwohner, die verkehrliche und technische Erschließung ist längst gewährleistet und Parkraum steht im Umfeld der
Halle Münsterland vis à vis reichlich zur
Verfügung.
_Sollte das Projekt weiter reifen, wird
sich neben sehr vielen Münsteranern
auch die örtliche Bundesagentur für
Arbeit freuen. Nein, eine ökonomische
Großmacht ist das Jovel nicht. Aber bedeutsam genug, in dieser oder jener
Form bis zu 80 Menschen Lohn und Brot
zu bieten. In Vollzeit oder in Teilzeit
oder als fester Freier. Das ist mehr als
der Hawerkamp zu bieten hat oder die
meisten lokalen Mittelständler. Die Jovel
Music Hall macht den noch jungen Begriff der "Kulturindustrie" höchst anschaulich.
_Steffi Stephan sagt, er sei im zweiten
Musikerfrühling. Es hat nicht nur mit
dem Kiffe-Gebäude zu tun. Schrittweise
greift der Generationenwechsel im Hause Jovel selbst. Steffi zieht sich aus dem
operativen Geschäft allmählich zurück,
um wieder verstärkt Musik zu machen.
Seit beinahe 50 Jahren steht er nun als
Bassist oder Gitarrist auf der Bühne. Gerade erst tourte er mit Udo L. und dem
Panikorchester höchst erfolgreich durchs
Land. Sohn Marvin Lindenberg, ohnehin
längst mit im Geschäft, kümmert sich
immer stärker um den laufenden Betrieb.
Vater und Sohn halten in ihrer Betreibergesellschaft jeweils genau 50 Prozent.
"Wir sind also gemeinsam zum Erfolg
verpflichtet" beschreibt Steffi den Kerngedanken dahinter und schiebt nach.
"Denn ohne Marvin wäre das alles nichts
geworden und ohne Marvin wäre ich
auch nicht Steffi Stephan." Mehr Respekt kann ein Vater seinem Sohn kaum
erweisen.
_Am 29. November gibt es im neuen Domizil eine grandiose Eröffnung. Freunde
wie Jule Neigel und Inga Rumpf, wie Carl
Carlton, Jean Jacques Kravetz und Jogi
Kaiser (um nur einige zu nennen) stehen
auf der Bühne. Und natürlich der Mann
mit dem Hut: Udo Lindenberg, der einige Lieder seines aktuellen Erfolgsalbums
"Stark wie Zwei" zum Besten gibt. Das
Statt Motoren röhrt der Rock: Kiffe-Haus am Albersloher Weg
neue Jovel ist proppevoll. Fast, so scheint
es, habe es keine zwei Jahre Pause gegeben.
_Der Premierenvorhang ist gefallen,
aber die "Scheinheilige Nacht" und die
Silvesterparty können nun bei Kiffe gefeiert werden. Optimismus ist angesagt
im Hause Jovel. "Auch für die Monate
danach sind wir bereits jetzt in der Planung" gibt Steffi Stephan Einblick in die
nahe Zukunft. Ein begleitender Verein
zur Förderung von Münsters populärer
Kultur ist gerade ins Leben gerufen. Vision e.V. - der Name ist Programm und
tatsächlich skizziert der Jovel-Chef vorab
seine Vision des Kiffe-Hauses in naher
Zukunft. Die draußen! wünscht schon
einmal gutes Gelingen; der nächste Termin bei Steffi wird wohl nicht lange auf
sich warten lassen. #
Weitere Infos unter:
Jovel Music Hall
www.jovel.de
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