Eigentlich bin ich Klempner
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Eigentlich bin ich Klempner
Jan We i ler m e i n le be n als mensch Eigentlich bin ich Klempner Mit einer Illustration von Larissa Bertonasco M anchmal wird es zuviel. Entschieden viel zu viel. Vor Weihnachten zum Beispiel. Da kam ich mir vor wie ein Klempner, der ständig zu irgendwelchen Wasserrohrbrüchen gerufen wird und daher die wirklich schönen Arbeiten, derentwegen er seinen Beruf ergriffen hat, nicht machen kann. Zwar fallen mir jetzt gerade keine wirklich sehr schönen Aufgaben für Klempner ein, aber das Bild stimmt trotzdem, denn der Klempner und ich haben etwas gemeinsam. Wir reagieren auf Überlastung mit einer sehr effektiven Taktik: Nicht mehr ans Telefon gehen, keine Mails mehr beantworten. Und so kommt es hier wie dort zu einem gewissen Auftragsstau. Ich sollte zum Beispiel eigentlich bis Mitte November einen politischen Text schreiben, einen analytisch-kritischen Artikel für so ein Heft, das ich nie lese und eigentlich nicht einmal kenne. Aber weil ich mich nicht traue abzusagen, wenn Akademiker was von mir wollen, habe ich zugesagt, obwohl ich mich an meine Rolle in der Friedensbewegung der frühen achtziger Jahre kaum noch erinnere. Mir ist mal Hoimar von Dithfurt auf den rechten Fuß getreten, aber das will doch keiner lesen. Oder anders gesagt: Ich hatte keinen Bock auf den Text. Zudem hatte ich bis Anfang Dezember auch ein paar Gedichte abzugeben gehabt, um die mich ein Radiomensch im September bat. Ich bin zwar kein Lyriker, aber wenn er es mir zutraut, dann ist das natürlich ein Kompliment und daher habe ich auch dies zugesagt, obwohl ich keinen blassen Schimmer habe, wie man ein Gedicht schreibt. Und vor allem: wieso. Und dann ist da noch die Anthologie von der Frau mit dem kleinen Verlag. Sie hat mich beauftragt, meine Lieblingsoper zu beschreiben, was nicht ganz unproblematisch ist, weil ich keine Lieblingsoper habe. Aber die Anfrage war so charmant formuliert – sicher eine attraktive Frau – und es ist ja auch mal was anderes. Aber eben viel Arbeit, denn ich würde erst in die Oper gehen müssen, damit ich nachher darüber schreiben konnte. Hatte ich mir auch länger vorgenommen, aber ehrlich gesagt: Glatt vergessen. Wie den ganzen Auftrag. Abgabe war – huch – vor drei Wochen. Also saß ich vor Weihnachten über meinem Terminkalender und stellte fest, dass mir gerade alle drei Aufträge sanft entglitten. Kurz vor dem Entschluss, eine Reisetasche zu packen und mich einfach nach Bolivien abzuseilen ergriff mich mein beruflicher Ethos und schnauzte mich rüde an: „Schreibe, wie es Dir befohlen wurde, denn es ist Dein Beruf, Du Sack.“ Ich unternahm einen letzten kläglichen Versuch, den Abgabetermin bei dem politischen Journal zu verschieben. Und schrieb eine Mail an dessen Redakteur: „Lieber Herr B., leider habe ich große Schwierigkeiten mit dem Thema, denn ich bin zwar Pazifist und kann mich an Vieles erinnern, aber ich war 1982 blutjung und hatte mehr Hormone als die Russen Munition und kann mich daher nur mehr an das Mädchen von der Demo erinnern, in das ich mich damals verliebte. Darüber könnte ich für Sie etwas schreiben, aber ich denke, dass sie das nicht wollen, immerhin steht ihre Zeitschrift für schonungslose Analysen und scharfsinnige Schlüsse und da kommt mir mein Zugang viel zu emotional und auch zu unterhaltsam vor. Ich schlage vor, dass wir den Artikel lieber fallen lassen.“ Gut gemacht, fand ich. Maximalforderung. In der Regel kommt darauf eine Mail zurück, in welcher der Redakteur vorschlägt, das Thema noch einmal sacken zu lassen und sich um eine Woche zu vertagen. Bis dahin hat man genug Zeit, seine Meinung zu ändern und den Text schließlich doch noch unter Verschiebung riesiger Blockaden zu schreiben. Herr B. antwortete auch postwendend, allerdings anders als gewünscht. Er teilte mit, dass er die Geschichte mit dem Mädchen eine glänzende Idee fände, um auch mal von diesem Politgefasel wegzukommen, der sonst das Heft fülle. Eine romantische Verklärung über die erste große Liebe während einer Anti-Nachrüstungsdemo, das sei genau, was dem Magazin fehle und er habe das so auch dem Chefredakteur vorgeschlagen, der sich ungeheuerlich freue, dies gleich morgen zu lesen. Mist. Auftrag nicht abgewendet. Mehr noch: Der Druck wuchs. Fortsetzung nächste Woche 04 . Januar 2010