Das Spee-Bild im Lauf der Jahrhunderte

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Das Spee-Bild im Lauf der Jahrhunderte
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Gunther Franz
Als zur Zeit des Ersten Weltkrieges die ältere Schwester von Stefan
Andres in Schweich an der Mosel zu Hause ein patriotisches Gedicht,
»Heldendurst<< das ihr Lehrer verfaßt hatte, vortrug, sagte der Vater,
ein literarisch ungebildeter Müller, nur auf moselfränkisch: » Wat e
Flappes! << Kürzer kann man es nicht ausdrücken.2o
Hundert Jahre lang war die Spee-Rezeption auch eine Geschichte
von Mißverständnissen und falschen Vereinnahmungen. Bei einer Festversammlung der Spee-Vereinigung Trier aus Anlaß der Jahrtausendfeier des Rheinlandes 1925 wurden »die Taten Friedrich von Spees und
die des bei den Falklandinseln gefallen Admirals Graf Spee in Beziehung gesetzt. << Pfarrer Rademacher aus Bonn erklärte, es sei Friedrich
von Spees Werk, »daß Trier damals trotz aller Widrigkeiten dem
Katholizismus und dem deutschen Kulturkreis erhalten blieb.<< 21 Die
Spee-Hyrnne der Spee-Vereinigung von 1925 hat den Refrain:
>> Wie er laßt tapfer, wachsam, treu uns sein,
Gott und dem Vaterlande unser Leben, unser Leben weih'n.
Kein Kampf mit Feinden und kein Kampf mit Wellen,
macht ihm auch Schiff um Schiff zerschellen,
Zerbrach den Mut des Admiral Graf Spee, ... << 22
20 Stefan Andres: Der Knabe im Brunnen. München 1953, S. 228. Zum 80.
Jahrestag des Ausbruchs des 1. Weltkrieges veröffentlichte die Frankfurter
Allgemeine Zeitung am 3. August 1994 das Gedicht >> Germanen-Schlacht«
von Max Bewer.
21 Trierischer Volksfreund vom 19. Mai 1925, abgedruckt inFriedrich-Spee-Dokumentation (wie Anrn.1), S. 31.
22 Michael Embach: Die ,Spee-Vereinigung Trier' von 1925 und das Projekt eines
,Spe-Bundes' in Köln. In: Friedrich Spee. Dichter, Seelsorger, Bekämpfer des
Hexenwahns (wie Anm. 2), S. 250- 260. Zur Vereinnahmung Spees als »Kronzeuge des freien Geistes an der Mosel « durch den nationalsozialistischen
Gauleiter Sirnon 1936 siehe: Friedrich-Spee-Dokumentation (wie Anrn. 1),
s. 47.
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Karl-Jürgen Miesen
Das Spee-Bild im Lauf der Jahrhunderte
Schon die Spee-Post hat in all ihren Ausgaben (1990 I und II, 1991
I und II) unter dem Gesamttitel >> Das Spee-Bild im Lauf der Jahrhunderte << (bisher vier Teile) versucht, durch eine Bestandaufnahme aller
bekannten Friedrich-Spee-Bilder die Grundlage für eine Spee-Ikonographie zu legen. Die Entdeckung alter, aber auch die Anfertigung
immer neuer Zeichnungen, Bilder, Plastiken, die den Dichter, Seelsorger und Verteidiger der »Hexen << zum Gegenstand haben, reißen nicht
ab. Deshalb will das Spee-Jahrbuch .zunächst die Materialsammlung
fortsetzen. Bisher waren es über 40 Bildnisse und Plastiken, die sich
mehr oder weniger alle an das bekannte >>Urbild << , jenes wohl im 17.
Jahrhundert, möglicherweise von der Hand des Rubensschülers und
Maler-Jesuiten Bernhard Fuckeradt (1601-1662), für die Bibliothek
des Kölner Jesuitenkollegs erstellte und heute im Friedrich-Spee-Kolleg
Neuss aufgehängte Ölgemälde, anlehnen.
An dieses Bild knüpfen formal auch vier weitere interessante Arbeiten an. Die Düsseldorfer Künstlerin Marita Reinhold setzt auf ihrer
Graphik den Verehrten in den Rahmen eines im Humanismus üblichen
Fensters des 15./16. Jahrhunderts. Sie füllt den Rahmen mit einer
ganzen Reihe von Symbolen, die sich auf Spee beziehen, die aber auch
untereinander verknüpft sind. Links der Mond über der Nacht von
Folterkammer und Menschenverbrennung, rechts die Sonne über dem
hellen aufgeklärten Tag und dem christusförmig aus dem Buch auferstehenden David, der Leitfigur geistlicher Dichtung schlechthin. In
Bild- und Sinnmitte Friedrich Spee in der vorn Urbild bekannten Pose,
vor einem Teppich aus Textfragmenten der Trutz-Nachtigall. Darüber
die Inschrift >> Friedrich v. Spee<< , darüber noch im >> First<< des Rahmens
das Christus-Monogramm und Jesuiten-Emblem IHS für Jesous,
Hyios, Soter (Jesus, Sohn, Retter). Unter dem Dargestellten steht
kräftig dessen lateinischer Leitspruch Dum spiro, spero (>>Solange ich
atme, hoffe ich << ); darunter hockt der Hahn, das Wappentier der
Familie, wie ein Sieger über dem Höllenhund der Verblendung, der die
Brandfackel im Maul trägt: Im ganzen eine an Symbolen wohl etwas
überfrachtete Darstellung.
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Karl-Jürgen Miesen
Das Spee-Bild im Lauf der Jahrhunderte
Karin Karrenberg: Spee
Marita Reinhold: Spee
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Theo Schüllner: Spee
Wesentlich zurückhaltender zeigt sich die Arbeit der Düsseldorfer
Kunsterzieherin Karin Karrenberg, veröffentlicht in Rund um den
Quadenhof Heimatzeitschrift des Bürger- und Heimatvereins Düsseldorf-Gerresheim (42. Jahrgang, Nr. 2, Winter 1991, Seite 27), innerhalb des Aufsatzes »Spee und die Hexenprozesse « von Günter Dengel.
Spee, in der Pose des Kölner Gemäldes, wirft einen schwarzen Schatten,
der wiederum zwei helle Silhouetten aus schwarzem Hintergrund
hervortreten läßt, gebildet aus einer Seite des Trierer Autographs der
Trutz-Nachtigall und einem Notenblatt der 1649 in Köln gedruckten
Erstausgabe dieser Sammlung geistlicher Lieder. Karin Karrenbergs
Spee, in den Umrissen der Dreiviertelfigur ein genaues Abbild jenes
Ur-Spee, hat dennoch einen strengeren Gesichtsausdruck, den die
schroffe Federtechnik gegenüber dem Pinselstrich des Kölner Originals
hervorgerufen haben mag.
Das dritte Spee-Blatt, das hier vorgestellt werden soll, ist eine
Bleistiftzeichnung von Hans Jürgen Skorna, erschienen in dessen Buch
Düsseldorfer Konturen- Nachdenkliches und Vergnügliches in Texten
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Karl-Jürgen Miesen
Das Spee-Bild im Lauf der Jahrhunderte
und Zeichnungen (Düsseldorf 1992). Skorna stellt Spee, beide Hände
erhoben, frontal vor den Betrachter. Er ist umgeben von einem Kreis
von Frauen und Männern in zeitloser Kleidung. Auch ihre Gesichter
passen in die Barockzeit w~ ins Heute. Noch bezwingender als auf dem
Kölner Bild blicken die Augen des Dichters. Ihr klarer Glanz, der das
Erkennen wie das Entsetzen spiegelt, findet in manch anderem Gesicht
seinen Widerschein. Skorna spricht in seinem >> Nachruf auf Friedrich
Spee « von den Wurzeln des Hexenwahns (Seite 73 ): »Anmaßung und
Selbstherrlichkeit, Verblendung und Haß, Menschenverachtung und
Vernichtungswillen << . Sie hat Spee mit seiner Lebensklugheit, für die
die großen offenen Augen stehen, durchschaut; und er teilt, in der Pose
des Sehers, seine Erkenntnisse der Umgebung mit.
Eine ganze Reihe von nicht herkömmlichen Spee-Bildnissen hat
1992 die Düsseldorfer Künstlerin Theresia Schüllner entworfen. Es
sind »Schriftbilder Friedrich Spee <<, die authentische Schriftzüge des
Dichters auf Leinwand projizieren und mit Acryl abdecken, aber auch
Schriftstelen, bei denen Siebdruck und Malerei auf Gaze und Folie in
übermannshohe Acrylrollen eingezogen werden, und schließlich
Schriftbilder Friedrich Spee, Acryl auf Leinwand oder Papier, mit
einem wie auf einem Paß eingeklinkten Spee-Bild, jenem Kölner Urbild
gemäß. Der eigenartige Reiz dieser Bildnisse kann durch Fotos nur
höchst unzulänglich wiedergegeben werden; sie wirken eigentlich nur
als Originale in der von der Künstlerin bevorzugten künstlichen Beleuchtung. Eine Ausstellung der raumfüllenden Schüllnerschen Arbeiten gab es 1992 in Sankt Maximilian zu Düsseldorf und im Neuwieder
Friedrich-Spee-Haus. Theresia Schüllner macht mit solchen Darstellungen von Dichtung und Dichtern Poesie sichtbar. Gaze und Acryl
helfen ihr dabei, bei aller sinnlichen Erfahrbarkeit die Fragilität des
Dargestellten zu wahren.
HansJürgen Skorna: Spee
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