Durch die Schluchten und Täler des Balkans

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Durch die Schluchten und Täler des Balkans
www.vda-globus.de
ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
G 3560
44. Jg.
Heft 3/2012
IM BLICKPUNKT
Durch die Schluchten
und Täler des Balkans
BeGeGNUNGeN:
JUGeNd:
GesChIChTLIChes:
Russlanddeutsche nördlich
des Polarkreises
Spielen, lernen und feiern
in Oberschlesien
Deutsche Einwanderung
nach El Salvador
Der Deutsch-Argentinische
Kultur- und Sportverband
grüßt im Namen all der uns angeschlossenen Vereine und
Gemeinschaften zum Gedenken des
Tages der Deutschen Einheit
und dem Gedenken an unsere Vorfahren,
die uns dies Erbe hinterließen, auf das wir stolz sein
können und es pflegen wollen und somit unserer
heutigen Heimat – Argentinien – damit danken.
Titelfoto:
Der Ohrid-See auf der albanisch-mazedonischen Grenze sowie die Stadt
Ohrid in Mazedonien zählen zu den von der UNESCO anerkannten Stätten
des Weltnaturerbes bzw. Weltkulturerbes. Die Altstadt mit den zahlreichen
Kirchen und Klosteranlagen zeugt von ihrer jahrhundertealten Bedeutung
als religiöses Zentrum. Das Bild zeigt die Kirche St. Johannes.
(Foto: Wikimedia CC-Lizenz Amazone7)
Impressum
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für deutschsprachige Publikationen im Ausland bei Quellenangabe und
gegen Belegexemplar gestattet, im Inland nur mit Genehmigung der
Redaktion.
ISSN 0721-0167
2
Ein Teil dieser frohen Dankbarkeit
ist unser über 80-jähriges, alljährliches
Fest der Jugend
welches am 28. Oktober 2012, diesmal
in Lomas de Zamora stattfindet.
Auch Sie und die Ihren sind dazu
eingeladen.
Informationen bei:
[email protected]
Ein Wort voraus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Reiseberichte
Durch die Schluchten und Täler des Balkans . . . . . . . . 4
„Die deutsche Umgangssprache hat sich
bis heute gehalten“ – Besuch in Danzig . . . . . . . . . . . 8
Begegnungen
Religiöses und kulturelles Brauchtum
der Ungarndeutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Deutsche Gäste bei Russlanddeutschen
nördlich des Polarkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
„Menschen in der Zeit“: Alfons Nossol – 80 Jahre . . . 14
Jugend
Die Arbeit der Schule und des Kindergartens
des Vereins Pro Liberis Silesiae in Raschau/OS. . . . . . 16
Deutsche Jugend in der Ukraine 2012:
Kurs auf Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Germanistikstudium an der Universität
von Lomé, Togo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
VDA-Briefmarkentauschbörse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
VdA-Fotowettbewerb
Wird aus Kaliningrad wieder Königsberg?. . . . . . . . . 21
Geschichtliches
Deutsche Einwanderung nach El Salvador. . . . . . . . . 22
Rund um den Globus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Briefe an die Redaktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Bundesverband
VDA-Gremien tagten in Berlin –
Bundesgeschäftsführer Helmut Graff verabschiedet . 36
Auszüge aus dem Bericht des Geschäftsführers
zur VDA-Hauptversammlung 2012 . . . . . . . . . . . . . . 37
Auslandskulturarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Aus den Landesverbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Verein
Anschriften des VDA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
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Ein
Liebe Leserin, lieber Leser!
Wer sich das Empfinden für die Natur
bewahrt hat, der lebt bewusst mit den
Jahreszeiten. In unseren Obstgärten in
Deutschland steht jetzt
nach dem warmen Sommer
eine reiche Ernte an. Dieses
Bild drängt sich auch beim
Blick in den Posteingang
der GLOBUS-Redaktion auf:
Wir können jetzt allerlei
Reisefrüchte unserer VDAMitglieder genießen, die in
den Sommerferien gerne
auf Reisen gegangen sind,
alte Beziehungen zu Landsleuten im
Ausland gepflegt haben oder entdeckungsfreudig neue Wege suchten.
Ebenso erfahren wir auch aus Briefen
von ausländischen Lesern, wie sie sich
über Besucher aus Deutschland freuten, was sie gemeinsam unternahmen
und welche weiteren Pläne sie schmieden. Gleiches gilt natürlich für die
Gäste, die wir bei uns willkommen heißen durften. Reiseberichte und Begegnungen durchziehen diese GLOBUSAusgabe wie ein roter Faden, und können doch nur beispielhaft für die Unternehmungslust stehen, die vielen unserer Leser zu eigen ist. Wenn Sie vom
Reisefieber angesteckt werden, ist das
durchaus gewollt. Den VDA und die Redaktion erreichen auch immer wieder
Anfragen, Kontaktadressen von auslandsdeutschen Organisationen zu vermitteln. Wir helfen hierbei, so gut wir
können und freuen uns, wenn dadurch
ein freundschaftlicher Austausch entsteht. Vielleicht lassen Sie sich auch einmal als Gastfamilie für den VDA-Schüleraustausch gewinnen oder weisen in
Ihrem Freundeskreis auf unsere Programme hin. Die Nachfrage junger
Leute nach Gastschulaufenthalten in
Deutschland liegt beständig über unseren Möglichkeiten und es ist für viele
enttäuschend, wenn sie eine Absage
erhalten. In den vorherigen Ausgaben
unserer Zeitschrift haben Sie bestimmt
verfolgt, wie Jugendliche im Ausland
mit Feuer und Flamme die Wurzeln ihrer Familie erforschen, wenn erst einmal der Funke übergesprungen ist. Einen Gastaufenthalt bei einer Familie in Deutschland ermöglicht zu bekommen, wäre
für viele die Krönung ihrer
Anstrengungen. Das gilt
selbstverständlich auch für
diejenigen Schüler und
Studenten, die mit viel
Fleiß Deutsch als Fremdsprache lernen und auf uns zukommen.
Im Mittelpunkt unseres geschichtlichen Rückblicks steht dieses Mal die
Einwanderung Deutscher nach El Salvador, worüber Jürgen Hübner aus
erster Hand berichtet. Es sind zwar
nicht viele Familien, die dort ansässig
wurden, doch es lohnt sich, deren
Spuren nachzugehen.
Immerhin ist Deutschland – so sagt es die
Deutsch-Salvadorianische Auslandshandelskammer – traditionell
der wichtigste Abnehmer von salvadorianischem Rohkaffee und
Lieferant von Technologie, Fertigprodukten
und Rohstoffen für die
salvadorianische
Industrie.
Nach El Salvador, dem kleinsten
Land Zentralamerikas, unterhält der
VDA besonders gute Beziehungen:
durch den lebhaften Schüleraustausch
mit der Deutschen Schule San Salvador
und durch die VDA-Chorleiterseminare,
die unter der Leitung von Professor
Hans-Peter Schurz weit nach Mittelamerika ausstrahlen und auch Dirigenten aus benachbarten Ländern einbeziehen.
Ich wünsche Ihnen viel Freude mit
diesem Heft, interessante Einblicke und
grüße Sie herzlich
Ihr
Dr. Wolfgang Betz
Stellv. Bundesvorsitzender des VDA
Kaffee ist das Hauptprodukt der Landwirtschaft in El Salvador.
Die „Pipil“ sind ein dort
einheimisches indigenes Volk. Deutsche
Röstereien in Bremen
gehören zu den größten Abnehmern salvadorianischen Rohkaffees. (Foto: Betz)
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3/2012
Reiseberichte
durch die schluchten und Täler des Balkans ...
Mit der Bahn zu Slawen, Skipetaren und Deutschen
Von Hermann Neidhart,
Neuried bei München
Bahnfahren ist entspannend – wenn
man mal die Fahrkarte für die ersten
knapp 1000 km (bis Belgrad) hat und
im Zug sitzt. Auch wenn die Reise mit
eher geringem Komfort durch rund
zehn Balkanländer geht – wie diesmal,
kurz nach Ostern 2012. Die Halbetappe
im Liegewagen aus München endet am
nächsten Vormittag in Budapest. Dreißig Minuten bleiben für’s Umsteigen in
den Belgrad-Express. Später, um die
Mittagszeit, wird bei Subotica, an der
ungarisch-serbischen EU-Außengrenze,
penibel kontrolliert.
Zu den „letzten deutschen“
in der Vojvodina
In Novi Sad (dt. Neusatz), der Hauptstadt der serbischen Provinz Vojvodina,
überquert der Zug die Donau und ist
gegen 17 Uhr in Belgrad Hauptbahnhof. Hier reicht die Zeit für einen Kurzbesuch bei der Deutschen Botschaft
und dem Goethe-Institut. Serbiens Eisenbahngesellschaft ZS (Zeleznice
Srbije) unterhält ein frisch renoviertes,
kleines Bahnmuseum. Der langjährige,
bereits „zum Inventar gehörige“ Restaurator Brano zeigt gern Dokumente
über die Inspektion einheimischer
Dampfloks durch deutsche Firmen wie
Hanomag. Brano kann Besucher immerhin mit ein paar Deutsch-Brocken
wie „Guten Tag“ und „Auf Wiedersehen“ erfreuen.
Aber dann steht nochmal Novi Sad
auf dem Programm. Dort wartet An-
Ein deutsches Prüfdokument
im Belgrader Bahnmuseum
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dreas Bürgermayer, Vorsitzender der
Deutschen Gemeinschaft der Donauschwaben und Redakteur der Zeitschrift „Mitteilungen“, in der Kozaracka-Str. 6 im Vereinsheim der „Donau“. Das in dieser Gegend gebraute
Bier verdrängt ein bisschen das Traurige aus seinen Erzählungen über die
Vergangenheit der deutschen Minderheit. Nur zwei Zahlen daraus sollen
festgehalten werden: Während heute
nur noch einige hundert Donauschwaben in der Vojvodina leben, waren es
in den 1940er-Jahren eine halbe Million Deutschstämmige! Kaum einer davon hat die alte Heimat, deren Besiedlung bereits im 17. Jahrhundert begann, freiwillig verlassen; fast alle wurden deportiert, vertrieben oder haben
noch Schlimmeres erlebt.
Reiseberichte
3/2012
Andreas
Bürgermayer
im Vereinsheim
„Donau“
Jubiläumsplakat der
Donauschwaben
Auf Umwegen ins Kosovo
Am Belgrader Hauptbahnhof wartet
eine Überraschung, mit der nicht unbedingt zu rechnen war: Weder am internationalen noch am Inlandsschalter
ist eine Fahrkarte in Richtung Kosovo
erhältlich. Sobald dieser Name oder
auch nur eine Stadt in Grenznähe erwähnt wird, gehen alle Läden runter:
Es wird keine Auskunft mehr erteilt,
kein Ticket verkauft – und angeblich
fahren auch keine Züge dorthin. Aber
es gibt ja eine Alternativstrecke, nämlich die Anreise über Nis und Skopje.
Die Fahrkarte zur mazedonischen
Hauptstadt wird in Belgrad ohne weitere Umstände ausgestellt.
An einem Sonntagmorgen um 7.50
Uhr gehts dann also mit dem BalkanExpress auf Weiterreise. Leider führt
die serbische Staatsbahn keinen Restaurantwagen für die zehnstündige Fahrt
mit. Bei Presovo/Tabanovci wird die
mazedonische Grenze passiert, und
von Skopje sind es keine 100 km mehr
nach Prishtina im Kosovo, dem früheren
Amselfeld. Nachdem die ehemalige jugoslawische Provinz sich 2008 für unabhängig erklärt hatte, übernahm die
Staatsbahn ZS kurz darauf wieder die
Kontrolle über ihr Schienennetz im –
überwiegend von Serben bewohnten –
Nord-Kosovo, und zwar bis Zvecan bei
Mitrovica.
Über die Brücke von Mitrovica
Beiderseits des Flusses Ibar, der nun
die Grenze zwischen dem Nord- und
Südteil des Kosovo bildet, liegt Mitrovica. Hier endet zwar nicht rechtlich,
aber tatsächlich die kosovarische
Staatsgewalt (im Mai 2012 haben
knapp 95 % der Nordkosovaren für
eine Zugehörigkeit zu Serbien gestimmt). Die über den Fluss führende
Brücke ist für den Fahrzeugverkehr gesperrt – mittels von den Serben aufgeschütteter riesiger Kieshaufen. Ausländer werden zu Fuß durchgelassen und
weder von den auf der Südseite stationierten Kfor-Soldaten der internationalen Schutztruppe noch von den serbischen Kräften auf der Nordseite kontrolliert. Da hier immer wieder Unruhen ausbrechen, kreisen auch KforHubschrauber über Brücke und Flussgrenze.
Der kosovarische, deutschsprechende Taxifahrer ist erstaunt über das
gewünschte Fahrtziel: die Brücke von
Mitrovica. Da wolle niemand hin, und
schon gar keiner gehe hinüber. Ganz
geheuer ist es hier natürlich nicht, die
Kfor-Soldaten meinen nur, es sei besser, hier nicht zu fotografieren. Aber
was sein muss, muss sein!
Auf der anderen Seite, hinter der
Brücke, bekommt man leicht ein anderes Taxi zum nordkosovarischen Bahnhof von Zvecan. Dort hocken zwei
Bähnler im Büro des Stationschefs und
berichten Erstaunliches: Zweimal täglich fahren von hier Personenzüge der
Staatsbahn ZS nach Belgrad – und von
dort wieder zurück zur derzeitigen
Endstation Zvecan! Na sowas: Hier
freut man sich über Kundschaft, in Belgrad hingegen werden Fahrgäste mit
falschen Informationen abgewiesen
und verärgert!
Man spricht deutsch
und zahlt in euro
Den Minibus zurück nach Prishtina bezahlt man in Euro. Kaum zu glauben,
aber die europäische Währung haben
sich die Kosovaren schon vor ihrer Unabhängigkeit zum amtlichen Zahlungsmittel erkoren. Nicht nur im Hotel in
Prishtina, sondern auch mit mancherlei
Leuten auf der Straße, mit Händlern
und vor allem Taxifahrern spricht man
häufig deutsch. Gerade die Taxler er-
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3/2012
Reiseberichte
Am Ohrid-see entlang
nach Albanien
Musikant in der Altstadt von Skopje,
Mazedonien
zählen gern von ihren Aufenthalten in
Deutschland als Flüchtlinge während
des Kosovo-Kriegs.
Der Bahnhof von Prishtina liegt einige Kilometer außerhalb des Stadtzentrums. Die Zugfahrt bis Han i Elezit
an der kosovarisch-mazedonischen
Grenze kostet 50 Cent (= 1 Cent pro
km!) und entspricht damit eher einem
Trinkgeld. Da heute hier Endstation ist,
muss im grenzüberschreitenden Verkehr bis Skopje wieder mal in ein Taxi
umgestiegen werden. In Skopje gibt es
erfreulicherweise einen deutschsprechenden Anwalt, der Autofahrer aus
Mitteleuropa in Verkehrssachen vertritt. Auch existiert hier ein mazedonisch-deutscher Freundschaftsverein.
Dank der Mazedonischen Eisenbahn MZ stehen erneut einige Stunden
Zugfahrt an – bis Bitola, nur 20 km
nördlich von Griechenland gelegen.
Eine uralte Stadt mit der Ausgrabungsstätte Herculana aus griechisch-römischer Zeit. Der sprachkundige Führer
kann natürlich auch Deutsch, der Taxifahrer ebenfalls.
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Ein besonderer Glanzpunkt am Weg
nach Albanien ist der wunderschöne
Ohrid-See mit dem gleichnamigen
Hauptort am Ostufer. Hier muss man
zumindest die Altstadt mit ihren orthodoxen Kirchen besuchen, zur Festung
hinaufsteigen und eine Bootsfahrt unternehmen. Von Ohrid führt der Weg
weiter am Seeufer entlang bis zur albanischen Grenze, die mangels Transportmitteln auf ein paar Kilometern zu
Fuß zu überqueren ist.
In Pogradec, der ersten Stadt im
Land der Skipetaren, beginnen zwar
die Gleise der albanischen Staatsbahn
HSH, der Personenschienenverkehr
fängt aber erst kurz vor Elbasan an. Im
dortigen Bahnhof fährt der „Tren Tirana“ (der letzte des Tages) um 12.52
Uhr zur Hauptstadt ab. Die Wirtin der
Bahnhofsgaststätte ist zugleich Schalterbeamtin und verkauft zwischendurch Fahrkarten. In deutschen Personenwaggons (man erkennt sie an den
Aufschriften) rumpelt man über die
Hafenstadt Durres im Bummelzugtempo nach Tirana. Es ist recht warm
draußen; statt einer Klimaanlage kann
man die meisten Fenster öffnen, von
denen viele gesprungen sind oder
Steinwurflöcher haben.
Die Deutschland-Bar in der albanischen
Hauptstadt
Ähnlich wie im Kosovo helfen auch
in Albanien deutsche Einrichtungen
stark beim Wiederaufbau mit. Am
deutlichsten wird dies im Straßenverkehr sichtbar, wo Mercedes-Pkw jeden
Alters absolute Spitzenreiter sind, speziell Taxis. Eine ganze Reihe von Cafés
und Restaurants tragen deutsche Namen wie Hannover, Deutschland oder
Wintergarten. Das Erlernen der deutschen Sprache ist hier sehr begehrt: sowohl das Goethe-Institut als auch ein
Deutscher Lesesaal (Bibliothek) wirken
dabei mit.
der shkoder-see und
Montenegro
Das Hotel Kakudu in der nordalbanischen Stadt Shkoder wird von einem
deutschsprechenden ehemaligen Mathematik-Professor geführt. Er holt einen Freund herbei, der als Lehrer sogar
Deutsch unterrichtet. Im Stadtzentrum
fällt auf, dass hier drei Gotteshäuser –
ein katholisches, ein orthodoxes und
ein muslimisches – in engem Abstand
ein offenbar einträchtiges Dreieck bilden.
Vorerst ist nun Schluss mit Zugfahren – an der Adria entlang gibt es keine
Bahnlinie, lediglich ins Landesinnere
hinein. Wieder dient ein Sammeltaxi als
Verkehrsmittel: erst am Shkoder-See
entlang und dann bei Ulcinj über die
montenegrinische Grenze, mit der Hafenstadt Bar als Ziel. Der Fahrer übernimmt das Vorlegen der Pässe; das Gepäck bleibt großzügigerweise ungeprüft.
In Montenegro, das erst seit 2006
unabhängig ist, gilt ebenfalls der Euro
(davor die Deutsche Mark!) als Landeswährung – sehr praktisch für deutsche
Touristen. Die Hauptstadt Podgorica
ist nur eine Zugstunde vom Meer entfernt und liegt an der Gebirgsbahnstrecke Bar – Belgrad. Dabei umfährt
die Bahn auch ein Stück den malerischen
montenegrinisch-albanischen
Shkoder-See.
Reiseberichte
3/2012
Weiter der Adriaküste folgend,
führt die Reise nun aber beständig
heimwärts, über Budva und Kotor nach
Kroatien. In Dubrovnik wird natürlich
ebenfalls Station gemacht. Die Altstadt
mit ihrer trutzigen Festungsanlage
wurde Anfang der 90er-Jahre von Serben und Montenegrinern heftig beschossen, ist aber inzwischen vollständig wieder aufgebaut. Viele Kreuzfahrtschiffe legen im Adriahafen von
Dubrovnik an; trotz Vorsaison wimmelt
es von Touristen.
Mostar und sarajevo in Bosnien
Die Stadt Ploce ist fast nur Eisenbahnfreunden bekannt, denn hier beginnt
die Bahnlinie nach Sarajevo durch das
Nevreta-Tal. Da jedoch auch Mostar an
dieser Strecke liegt, ist dort ein Zwischenhalt fällig – vor allem wegen der
berühmten Steinbrücke „Stari Most“,
einer prachtvollen Konstruktion, die in
der orientalischen Altstadt über die
Nevreta führt. Sie wurde 1993 von den
Kroaten zerstört und 2004 mit internationaler Hilfe neu errichtet. Mindestens
ebenso einen Besuch wert ist der weltbekannte Wallfahrtsort Medugorje,
eine gute Busstunde südwestlich von
Mostar. Hierhin pilgern seit etwa 30
Jahren rund eine Million Christen jährlich.
In Mostar gibt es zahlreiche kriegsbeschädigte Gebäude, in Sarajevo
aber noch viel mehr. Wie man weiß,
Charmante Werbung für eine deutsch-bosnische Städtepartnerschaft
wurde die Stadt und besonders ihr
Marktplatz ab 1992 vier Jahre lang
durch die serbische Armee von den
umliegenden Bergen herab beschossen. Und bereits 1914 wurde hier, wo
heute ein historisches Museum steht,
der österreichische Thronfolger Franz
Ferdinand ermordet – Folge: der Erste
Weltkrieg!
Eine Art deutsche Insel ist einmal
mehr das Goethe-Institut. Auf einem
großen Plakat der Konstanzer Tageszeitung „Südkurier“ wird die Städtepartnerschaft zwischen Friedrichshafen am
Bodensee und Sarajevo kundgemacht
und von drei charmanten, deutschsprechenden Mitarbeiterinnen (Ana,
Aida und Alina) erläutert.
Müder Reisender
im Zug von Tirana
nach Shkoder
in Albanien
(Alle Fotos:
Neidhart)
die kroatisch-deutsche
Gesellschaft
Zweitletzter Reiseabschnitt: Sarajevo –
Zagreb. Zunächst verläuft die Bahnstrecke durch das malerische Flusstal
der Bosna. In Doboj wendet sie sich
nach Westen, zur Verwaltungshauptstadt Banja Luka der Republika Srpska
(in Bosnien-Herzegowina). Auch auf
dieser Strecke hat der Krieg bis heute
sichtbare Spuren hinterlassen.
In Zagreb ist der Sitz der Kroatisch-Deutschen Gesellschaft. Ihr Präsident Augustin Lukacevic hat diesen
Verein zur Förderung von Freundschaft, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft zwischen beiden Völkern 1992
mitbegründet. Alljährlich wird von
ihm die zweisprachige Zeitschrift
„Smotral/Rundschau“
herausgegeben. 2012 ist sie dem 20-jährigen Bestehen der Gesellschaft gewidmet.
Wie der Schwesterverein „Donau“ in
Novi Sad leidet auch dieser unter finanziellen Engpässen. Aber der fließend deutsch sprechende Präsident
ist zuversichtlich, dass sein Werk weiterbestehen wird. – Einen halben Tag
später ist die Balkantour nach reich
gefüllten drei Wochen Fahrt in München wieder zu Ende.
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3/2012
Reiseberichte
„die deutsche Umgangssprache hat sich bis heute gehalten“
Besuch beim Bund der deutschen Minderheit in danzig
Von Dr. Bernhard Grimm, Breisach
Der Bund der Deutschen Minderheit
Danzig mit Hauptsitz in Danzig vertritt
die aus mehreren Ortsgruppen bestehende deutsche Minderheit in einem
1
Großteil der Wojwodschaft Pommern
im Raum Marienwerder (Kwidzyn), Konitz (Chojnice), Stolp (Słupsk) und Danzig-Gdingen. Der Bund der Deutschen
Minderheit wurde nach der Anerkennung der deutschen Minderheit durch
die Republik Polen im Jahr 1990 eingerichtet. „Der Verein besteht aus etwa
5.000 Mitgliedern, davon alleine in
Danzig knapp 2.000. Viele davon sterben leider weg. Im Danziger Club sind
etwa 100 Mitglieder aktiv“, so der Vorsitzende Paul Sabiniarz.
Der Sitz der Deutschen Minderheit
in einem Jugendstilhaus in der ul. Warynskiego 36, früher Brösener Weg, in
Danzig-Langfuhr ist der Begegnungsort für Kulturveranstaltungen und für
die regelmäßigen Treffen. Das Haus
mit einem fest angestellten Beschäftigten verfügt über eine deutschsprachige Bibliothek sowie über viele ehrenamtlich tätige und hilfsbereite Mitglieder. Finanziert wird die Einrichtung
überwiegend vom polnischen Staat.
Die Institution steht in einem guten
Kontakt und Einvernehmen mit polnischen Stellen und der Stadtverwaltung. Der Bund der Deutschen Minderheit Danzig hat neben dem „Club der
Danziger“ eine Frauen-, eine Skat- und
eine Jugendgruppe. Der „Club der
Danziger“ – so nennt sich der gesellige
1 Das Gebiet der Woiwodschaft Pommern
(poln. Pomorskie) stimmt nicht mit der
früheren preußischen Provinz Pommern
überein. Der polnischen Gebietseinteilung zufolge gehört auch Danzig zu
Pommern. Westlich schließt sich die
Woiwodschaft Westpommern mit der
Hauptstadt Stettin an.
8
Der Vorsitzende Paul Sabiniarz im Gespräch mit Anna und Artur Labbuda
Kreis – trifft sich am Mittwochnachmittag bei Kaffee und Kuchen und fröhlichem Gesang. Auch der Vortrag von
Gedichten kommt nicht zu kurz. Unter
der Leitung der Vorsängerin Eleonore
Grzeszczak – übrigens Leiterin der
Frauengruppe – in Begleitung ihres
Mannes Kazimierz am elektrischen Klavier werden die Klubmitglieder bei
Stimmung gehalten. Da Liederbücher
an jedermann verteilt werden, können
sich alle am gemeinsamen Singen beteiligen.
Eingefunden haben sich an einem
Mittwoch im Juli 2012 gut zwanzig
Klubmitglieder. Die Kommunikationssprache bei den Treffen ist überwiegend Deutsch, bei den älteren Mitgliedern ist die Danziger Mundart unverkennbar. Auch die Klubmitglieder im
mittleren Alter um die fünfzig bis sechzig Jahre sprechen in der Gruppe überwiegend Deutsch, wobei sich Gleichaltrige untereinander schon eher in polnischer Sprache verständigen. Für den
Rückgang des Deutschen als Umgangssprache in Polen kommt als Ursache
zum einen das Verbot der deutschen
Sprache in der Öffentlichkeit etwa bis
zum Jahr 1990 und zum anderen die
starke Auswanderung der jungen und
mittleren Generation nach Deutschland
in den 1980er- und Anfang der 1990erJahre in Frage. Die Eltern, oft in
deutsch-polnischen Ehen miteinander
verbunden, hatten in den Jahrzehnten
nach dem Krieg in einer polnischen
Umgebung nur begrenzte Möglichkeiten zur deutschen Kommunikation mit
ihren eigenen Kindern. Eine um die
achtzig Lenze zählende Klubfrau
brachte es auf den Punkt: „Mein polnischer Ehemann arbeitete, ich arbeitete.
Wir mussten über die Runden kommen.
Am Nachmittag musste ich die Kinder
vom Kindergarten abholen, kochen
und den Haushalt besorgen. Bei diesen
angespannten Verhältnissen war es für
mich einfacher, meine frisch erlernte
polnische Sprache mit den Kindern, die
tagsüber eine polnische Umgebung
hatten, zu kommunizieren. Deutsch
verstehen ist für meine Kinder selbstverständlich, aber das freie Sprechen ist
Reiseberichte
Eleonore Grzeszczak stimmt zusammen mit Ihrem Mann Kazimierz die Lieder bei den Treffen des Clubs der Danziger an.
nicht so einfach. Deshalb spreche ich
mit meinen Kindern heute überwiegend Polnisch.“ Diese „Kinder“ sind
heute etwa fünfzig bis sechzig Jahre alt
und können deshalb die deutsche Sprache an ihre Kinder leider nicht mehr
weitergeben.
Eine Klubfrau fand es schade, dass
die bis kürzlich einmal monatlich in
Danzig-Oliva gehaltene Messe in deutscher Sprache ausfällt, trotz ausreichender Besucherzahl.
Der Bund der Deutschen Minderheit in Danzig präsentiert sich im Internet unter http://www.dfk-danzig.de
umfassend. Die Nachkriegsgeschichte
der Deutschen im Raum Danzig ist dort
eindrucksvoll dokumentiert. Die Internetseite gibt Hinweise zu kulturellen
Veranstaltungen und unterhält einen
Service für Danzigbesucher mit einer
Liste von Übernachtungsmöglichkeiten
bei Mitgliedern der Deutschen Minderheit Danzigs.
Neben Danzig besuchten meine
Frau Irmtraud und ich noch weitere
Orte und Sehenswürdigkeiten in der
Woiwodschaft Pommern. Gedenktafeln
oder Inschriften in deutscher Sprache
findet man in den an Polen abgetretenen deutschen Ostgebieten selten.
Deutsche Inschriften wurden dort systematisch abmontiert, überstrichen
3/2012
Seebad Zoppot, Blick von der Mole auf die Stadt.
(Alle Fotos: Dr. B. Grimm)
oder ausradiert. Von der Stadt Leba an
der Ostsee (poln. Łeba) ist der dortige
Gedenkstein für die Gefallenen im Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918) als Sehenswürdigkeit aufgeführt. Die polnischen Neusiedler haben diesen Gedenkstein zwar belassen, aber der
Reichsadler war ihnen wohl ein Dorn
im Auge. Um den Adler möglichst unkenntlich zu machen, scheute man
keine Mühen. Man trennte diesen in
der Mitte fachmännisch und gerade
durch. Die Polen haben dabei wohl
„übersehen“, dass ein halber Adler
mehr auffällt als ein ganzer. Obendrein
war dieses Werk ein Schildbürgerstreich, weil der polnische Adler dem
deutschen Reichsadler sehr ähnlich ist.
Erwähnenswert ist auch der Turmberg bei Schönberg (poln. Wieżyca bei
Szymbark), etwa 45 km südwestlich von
Danzig. Mit seinen 329 Metern ist er
nicht nur die höchste Erhebung in der
kaschubischen Landschaft. In ganz
Norddeutschland und Nordpolen bis
hin nach Weißrussland gibt es auf dieser geografischen Breite keinen höheren Berg.
Der Gedenkstein in Leba für die
Gefallenen im Ersten Weltkrieg.
„Serdeczno Rôczimë!“
Einladung zum kaschubischen
Jahrmarkt, gesehen auf dem
Parkplatz beim Turmberg.
9
3/2012
Begegnungen
Religiöses und kulturelles Brauchtum der Ungarndeutschen
Von Josef Gaugesz, Baja
(dt. Frankenstadt), Ungarn
Liebe Leserinnen und Leser des
GLOBUS!
Als Journalist und Photograph auf
Amateurbasis beschäftige ich mich
mit der Dokumentation der religiösen
und kulturellen Ereignisse der Ungarndeutschen. Von meinen vielen Bildern habe ich
einige ausgewählt, mit denen ich Ihnen Trachten und religiöse Feste in
meiner Heimat vorstellen möchte.
Danke für Ihre ehrenvolle Aufmerksamkeit!
Herzliche Grüße aus Baja in Südungarn, direkt an der Donau
Josef Gaugesz
Waschkuter Frauen unterwegs
zur Sonntagsmesse
Hut ab vor den hübschen Tänzerinnen …
Früher trug ich bunte Kleider
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Junge Hochzeitsleute in Schomberger Tracht
Nadascher Paar
3/2012
Begegnungen
Pründl – Máriakönnye – Vodica – Marienkapelle bei Baja
Wallfahrtskapelle der Batschkaer Völker
die Gottesmutter Maria gilt als schutzpatronin Ungarns
Die Wallfahrtskapelle liegt in der Nähe
der Donau und des Franzenkanals. Der
hinter der Kapelle ausgebaute Lehrpfad zeigt uns ein schön gepflegtes
Beispiel für den Umweltschutz, Harmonie, reiche Pflanzen- und Tierwelt.
Das Fest Mariä Geburt erinnert an
die Geburt der Maria, Mutter Jesu und
wird in mehreren christlichen Kirchen
alljährlich am 8.September gefeiert.
Das Fest entwickelte sich Ende des
5. Jahrhunderts aus dem Weihefest
der Kirche der Gottesmutter.
Die von Baja südlich befindliche, im
Jahre 1811 eingeweihte römisch-katho-
lische Wallfahrtskapelle – ungarisch
Máriakönnye (dt. Marias Träne) feierte
am 9.September 2012 ihre Kirchenweihe. Den Ort hat Papst Pius VII. im
Jahre 1816 zum Wallfahrtsort deklariert. Die zahlreichen Pilgerinnen und
Pilger der engeren und weiteren Region, die Ungarn, Deutschen, Bunjewazen, Schokatzen, Ratzen kamen natürlich nicht mehr per Fußmarsch oder
Pferdewagen, sondern mit motorisierten Fahrzeugen. Die deutschsprachige
Messe zelebrierte der Nadwarer Pfarrer
Robert Szauter. „Maria, lass uns unter
deinem Mantel stehen, erlöse uns je-
derzeit von allen Gefahren”. Maria gibt
uns Trost und neue seelische Kraft, Zuversicht und Zuflucht, Frieden und Lebensmut, Hoffnung und Ausdauer.
Wallfahrt heißt: Das Zuhause verlassen,
um an einem besonderen Ort Gott und
Maria neu zu begegnen. Dieser Ort ist
ein Symbol für die Bewahrung der
christlichen Traditionen. Die Orgel, der
Kirchenchor und die altbekannten Marienlieder sorgten für die musikalische
Untermalung der feierlichen Messe.
Gott gib uns Gesundheit für die Zukunft. Auf Wiedersehen im September
2013 in Pründl-Vodica!
Waschkuter Mädchen und Frauen tragen die Marienstatue.
11
3/2012
Begegnungen
deutsche Gäste bei Russlanddeutschen nördlich des Polarkreises
Von Dr. Nadeshda Rafikowa,
Murmansk, Russland
Im hohen Norden Russlands liegt die
Halbinsel Kola. Dort, auf dem 69. Breitengrad, befindet sich die größte Stadt
der Welt nördlich des Polarkreises –
Murmansk.
Murmansk ist eine junge Stadt, gegründet am 4. Oktober 1916 unter
dem Namen „Romanow am Murman“.
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Das Wort Murman stammt vom Wort
Normann, das ist die Bezeichnung für
das nördliche Volk. Romanow war der
Familienname der russischen Zarendynastie. Als Murman wurde in Russland
die Nordküste der Halbinsel Kola bezeichnet. Diesen Namen hatte die Stadt
bis 1917, als die erste russische Revolution geschah. Kurz nach der Februarrevolution und dem Sturz des letzten
russischen Zaren wurde die Stadt im
April 1917 in Murmansk umbenannt.
2016 wird die Stadt also ihr 100-jähriges Jubiläum feiern.
Murmansk ist heute ein kulturelles
Zentrum. Es ist die Hauptstadt des Polargebiets. In Murmansk gibt es eine
Philharmonie,
zwei
Universitäten,
Hoch- und Berufsschulen, Museen,
Theater, viele Bibliotheken und Internetzentren. Außerdem ist Murmansk
auch ein multikulturelles Zentrum. Bei
uns gibt es zurzeit fast zwanzig Zentren
für verschiedene Nationalkulturen. Die
Angehörigen der verschiedenen Nationalitäten versammeln sich unter dem
Dach des Zentrums der Nationalkulturen. Sie singen, feiern, tanzen zusammen, führen verschiedene Maßnahmen durch. Es gibt bei uns keine Konflikte infolge Völkerhasses.
In Murmansk leben auch Russlanddeutsche. Wir haben eine National-kulturelle Autonomie der Russlanddeutschen gegründet. Der Vorsitzende ist
Rudolf Wilhelm, der die Organisation
schon zwei Jahre lang leitet.
Wir schenken viel Aufmerksamkeit
der Propaganda der deutschen Sprache und Kultur. Unser Deutsch-Russisches Begegnungszentrum, das nördlichste der Welt, ist auch in der Stadt
durch seine Tätigkeit bekannt: Wir veranstalten Deutschkurse, Austauschprogramme für Jugendliche, Sport- und
Kulturmaßnahmen und weiteres mehr.
Kein Fest in der Stadt kann man sich
ohne die Vokalgruppe „Guten Abend“
vorstellen. Wir singen deutsche Volkslieder, die in Deutschland schon nicht
mehr populär sind. Wir nehmen an allen Festivalen der Nationalkulturen im
Murmansker Gebiet teil.
Vor fünf Jahren haben wir mit Hilfe
des Vereins „Deutsch-Russische SquareDance-Freunde“ aus Deutschland den
Square Dance Klub „Polar Light
Dancers“ gegründet. Dieser Tanz ist in
Deutschland sehr populär, in Russland
Begegnungen
3/2012
Der Besuch des Saamidorfes bleibt auch kulinarisch in Erinnerung: Leckere Lachssuppe mit Rentiergras, exotisch gewürzt …
gibt es zurzeit nur vier Klubs. Eberhard
und Traudel Walz, Gerlinde und Rolf
Mittendorf waren unsere ersten Tanzlehrer, die uns diese „ansteckende
Krankheit Square Dance“ vor fünf Jahren gebracht haben.
Ende Mai dieses Jahres haben wir
das fünfjährige Jubiläum des Square
Dance Klubs und das 15-jährige Jubiläum des Deutsch-Russischen Zentrums gefeiert. Zum Fest sind 24 Tänzer aus Deutschland und zwanzig Tänzer aus Petrosawodsk, Pskow und Kaliningrad gekommen. Das Fest ist gelungen.
Eine Woche lang haben wir zusammen gefeiert, getanzt, viel besichtigt
und viel besucht. Das interessante Kulturprogramm schlug vor: Besichtigung
des ersten Atomeisbrechers der Welt
„Lenin“, der 1959 in Betrieb genommen wurde und jetzt ein Museum ist,
eine Rundfahrt durch die Stadt, Besuch
eines Saamidorfes (Saami ist das Urvolk
der Kola-Halbinsel), Besuch des Heimatkundemuseums und Ozeanariums,
wo die Seehunde auftreten, und viele
andere Maßnahmen.
Sehr beeindruckend war das Konzert des Zentrums der Nationalkulturen, wo die Kunst verschiedener Natio-
nalitäten gezeigt wurde. Ukrainische,
moldauische, aserbaidschanische, dagestanische, russische, litauische, saamische Melodien waren unvergesslich.
Die deutschen Gäste waren nicht
nur von dem Kulturprogramm begeistert, sondern auch vom Wetter. Alle
wissen, dass es in Murmansk so interessante Naturerscheinungen gibt wie
den Polartag und die Polarnacht. Der
Polartag dauert von Mitte Mai bis Ende
Juli. Zu dieser Zeit geht die Sonne
überhaupt nicht unter. Gerade zu dieser Zeit war bei uns unser Fest. Das
Wetter war so unbeständig, dass die
Leute nicht nur die Sonne um Mitternacht, sondern auch Regen und
Schnee im Mai gesehen haben.
Besonders sehenswert war der Besuch des Saamidorfes. Lebendige Kultur
von einigen der seltensten nordischen
Völker auf der Welt – Saami – kann man
hier finden. Gemäß der Volkslegenden
gehen die Wege der Saami auf ihren Vater zurück – das heilige Rentier Mjandasch, welches sich auf eigenen
Wunsch hin in einen Menschen verwandeln konnte und mit der Frau Matrjone
verheiratet wurde. Aus diesem Grund
siedeln die saamischen Familien, wenn
die warme Jahreszeit kommt, in die ge-
heimen Waldhäuser ihrer Großväter
um, um zur Harmonie und Weisheit der
Natur zurück zu kehren ...
Unsere Gäste hatten die Möglichkeit, Rentiere zu füttern, saamische Lieder zu hören, sogar zu den saamischen
Göttern zu beten. Besonders lecker war
die Lachssuppe mit Rentiergras,
Sumpfbrombeere und Wacholder, die
sie mit der Schamanin und ihrem Gesang gekocht und gegessen haben.
Man kann diese Gefühle nicht beschreiben, mit denen wir uns von unseren Freunden verabschiedet haben!
Tränen, Küsse, Umarmungen, Einladungen … Als ob wir einander nicht
eine Woche lang kennen, sondern viele
Jahre! Square Dance hat uns vereinigt!
Jetzt sind wir alle im Kontakt bei Facebook. Wir warten auf unsere alten
Freunde und freuen uns auf die neuen.
Herzlich willkommen in Murmansk!
Dr. Nadeshda Rafikowa ist Leiterin des
Deutsch-Russischen Begegnungszentrums
in Murmansk, Russland.
Die Postanschrift ist:
S.Kowaljow Str. 10-156
183040 Murmansk, Russland
Tel/Fax: 007 8152 412452
E-Post: [email protected]
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3/2012
Begegnungen
„Menschen in der Zeit“: Alfons Nossol – 80 Jahre
erzbischof Alfons Nossol, geboren
in Broschütz (poln. Brożec), Landkreis Neustadt in Oberschlesien, beging am 8. August seinen 80. Geburtstag. Er erwarb sich nicht nur
als Theologe, sondern auch als Vermittler zwischen Deutschen und Polen hoch geschätzte Verdienste. Der
nachfolgende Text ist die gekürzte
Fassung eines Gesprächs, das Radio
Vatikan am 5.8.2012 sendete. Wir
danken P. Bernd Hagenkord SJ für
die freundliche Genehmigung. Red.
„Ich wollte eigentlich nicht Bischof werden“, bekennt der emeritierte Erzbischof
von Oppeln: Es ist der bekannte Theologe
und einer der bedeutendsten Ökumeniker
weltweit, Alfons Nossol. Dennoch hat Nossol während seines 32-jährigen Dienstes
als Oberhirte Unglaubliches geleistet, er
hat 71 neue Pfarreien gegründet, über
hundert Kirchen und Kapellen errichten
lassen und 527 Priester geweiht. Der Erzbischof (Jahrgang 1932) war Leiter der polnisch-oberschlesischen Diözese Oppeln.
Prägend für sein Wirken waren die polnische Freiheitsbewegung „Solidarnosc“ und
vor allem der Dienst der Versöhnung zwischen den Völkern und Konfessionen. In
diesem Beitrag erzählt er offen über sein
Leben und seinen Dienst als Brückenbauer
zwischen Polen und Deutschland, zwischen Katholiken, Protestanten und Orthodoxen sowie zwischen Rom und Warschau.
herr
erzbischof,
sie
sprechen
deutsch und Polnisch von Jugend auf
– und natürlich den schlesischen dialekt. Welches Idiom ist Ihre sprache
des herzens?
„Sowohl als auch: Wissen Sie, eigentlich alle diese drei Sprachen liegen mir.
Es hängt davon ab, wie die Situation es
manchmal erzwingt. Dann geht es von
einer Sprache auf die andere über.“
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Was bedeutete für sie und Ihre Familie – die ja zu den „daheimgebliebenen“ zählte – die erfahrung einer von
außen auferzwungenen Identität?
„Ja, das war nicht einfach, wissen Sie.
Man musste nach 1945 total umschalten. Die russischen Truppen sind in unserem Heimatdorf am Fest des Heiligen
Josef, dem 19. März 1945, einmarschiert – und da begann die totale Umwandlung. Auf diese Weise hat man anfangs natürlich alles in Deutsch gemacht, die Gebete hatte man immer
auf Deutsch gelernt, und langsam ist
man dann in die polnische Sprache hineingewachsen.“
Wie definieren sie den Begriff heimat? Was bedeutet Verlust der heimat im allgemeinen?
„Ja, das ist sehr wichtig. Die deutsche
Sprache hat diesen Begriff so stark zu
umschreiben versucht und ihn geprägt. Heimat ist dort, wo man zum
ersten Mal den Himmel überblickt. Mit
der Heimat ist so vieles verbunden ...
Und deswegen ist die Heimat etwas
Großartiges. In der polnischen Sprache
gibt es den Begriff Heimat nicht. Man
pflegt Heimat zu umschreiben als das
,kleine Vaterland‘. Mir persönlich besagt der Begriff ernorm viel. Ich kann
gut verstehen, was es bedeutet, wenn
jemandem die Heimat auf diese oder
andere Weise geraubt wird.“
Ist es der deutschen Minderheit in
Polen gelungen, die Bewahrung ihrer
Identität beizubehalten, zu fördern?
„Weitgehend ist das der Fall. Langsam
werden die rechtlichen Voraussetzungen der Minderheiten in Europa auch
bei uns in Polen sehr realistisch betrachtet, und wer sich darum bemüht
hat, der könnte eigentlich in dieser
Sicht zufrieden sein. Natürlich, was die
Schule betrifft, da hapert es immer
noch. Man hat von vornherein das Gebiet der Kultur zu wenig ernst genommen; man wollte um jeden Preis ,up to
date‘ sein, und so hat man diese wichtigste Komponente der Kultur etwas zu
wenig ernst genommen.“
Werden die schlesier vom polnischen
staat als Polen zweiter Klasse behandelt?
„Anfangs war dies der Fall, heute eigentlich weniger. Hie und da ist es immer noch so, denn die sogenannten
Radikalinskis, die nationalistisch, fast
chauvinistisch eingeengt sind, die findet man überall. Aber im Großen und
Ganzen ist es heute so, dass man nicht
abgestempelt wird.“
sind in den heutigen deutsch-polnischen Beziehungen noch mögliche
Minenfelder zu erkennen?
„In der Zwischenzeit ist es enorm
menschlicher geworden. Es gab ja Zeiten, in denen man miteinander lebte ...
und dann ist die tragische Kriegszeit
angebrochen, wo man gegeneinander
lebte! Wo man ideologisch-politisch
aufgehetzt wurde. Heute leben wir
nicht nur nebeneinander, sondern füreinander in einem gemeinsamen Europa, einem Europa, das eine Gemeinschaft des Geistes, eine Werte- und
Kulturgemeinschaft zu sein hat.“
Welche kulturelle, politische und gesellschaftliche Funktion erfüllt die
deutsche Volksgruppenminderheit in
schlesien heute zwischen deutschland und Polen?
„Sie ist eine Brücke, auch zwischen
Ost- und West. Und sie ist ein wichtiger Faktor sowohl auf dem Gebiet der
Begegnungen
Aussöhnung wie auf dem Gebiet der
Versöhnung. Denn wir unterscheiden:
Aussöhnung ist etwas Horizontales, die
Versöhnung ist ein vertikales Anliegen.
Es gibt keine echte Versöhnung ohne
Gnade, weil es eine echte Versöhnung
nicht ohne Vergebung geben kann.“
Ihre hinwendung zur deutschen
sprache und Kultur ist eindeutig:
War für sie diese haltung eine Chance oder ein hindernis auf Ihrem Lebensweg?
Zweitens Demut. Ich allein kann es
nicht schaffen, ich muss mir helfen, ich
muss mich belehren lassen. Und da
braucht man eben Demut. Und schließlich kommt alles auf die Langmut an.
Ich habe dies einmal dem früheren
Bundeskanzler Kohl gesagt, und er hat
mir dann noch den vierten Schritt beigebracht: Nach Mut, Demut und Langmut kommt noch Helmut dazu!“
(lacht)
„Ganz konkret gesagt: Europa – Mittelund Osteuropa – ist für uns das beste
und konkreteste Antidotum gegen jedwede nationale und ethnische Einengung.“
Als gebürtiger Oberschlesier gelten
sie seit Jahrzehnten als Brückenbauer
zwischen Polen und deutschland. die
Meilensteine auf diesem Weg der
Versöhnung lauten?
„Erstens: Mut. Man muss aus der Reihe
tanzen können – und das verlangt Mut.
men. Ohne diese zwei Menschen wäre
es nicht so einfach zur deutschen Einheit, zum Umbruch gekommen. Das,
was damals geschehen ist in diesem
,annus mirabilis‘, war etwas so Großartiges! Ich erlebte auf diese Weise auch
das große Geschenk der Freiheit und
bin mir bewusst, auch heute sind wir
noch auf dem Weg, um frei zu werden.“
sie haben im Jahr der Wende 1989
auf dem Annaberg – dem heiligen
Berg Oberschlesiens – den 1. Gottesdienst seit Kriegsende in deutscher
sprache gehalten. Wie reagierte auf
diese Mutprobe die polnische Regierung, und wie reagierte darauf die
offizielle Kirche?
„Eine Chance. Man ist weitsichtiger
und menschlicher und kann dadurch
das Anderssein tiefer begreifen. Es ist
etwas zutiefst Schlesisches: Das Anderssein ist nicht gleichbedeutend mit
dem Verzeihen. Mit dem Anderssein
kann man sich gegenseitig bereichern.
Es kann zum wahren Austausch kommen. Im anderen Teil Polens ist dies
nicht der Fall, weil oftmals das Anderssein mit dem Fremdsein gleichgesetzt
wird. Wir pflegen hier – geschichtlich
gesehen – immer zu unterscheiden:
Anderssein, nicht Fremdsein.“
Wir sprachen vorher von europa: sie
sind gebürtig aus einem Grenzland,
das die schweren Zeiten des Nationalismus besonders dramatisch zu spüren bekam. Was bedeuten für sie in
diesem Zusammenhang europa und
die eU?
3/2012
Erzbischof Alfons Nossol
(Foto: Radio Vatikan)
die Wahl eines polnischen Kardinals
zum Oberhaupt der katholischen Kirche, d.h. die Wahl Johannes Paul II.,
hatte für den polnischen Widerstand
gegen den Kommunismus zweifellos
eine herausragende Bedeutung.
hing damit auch der Zusammenbruch des gesamten sowjetischen Politsystems, das ende des Kalten Krieges zusammen?
„Ohne weiteres. Den ersten Stein aus
der Berliner Mauer hat Johannes Paul II.
gezogen. Und Gorbatschow hat es erlaubt ... hat es zur Kenntnis genom-
„Was die offizielle Kirche angeht – das
habe ich alles mit Papst Johannes
Paul II. abgesprochen. Schuld daran,
das habe ich ihm auch ganz offen und
ehrlich gesagt, war seine Friedensbotschaft von 1989: ,Achtung der Minderheiten – ein Weg zum Frieden‘. Ich
sagte: ,Heiliger Vater, etwas Großartiges! Darauf habe nicht nur ich, sondern darauf haben viele von uns gewartet. Und das hat mir auch Mut gemacht!‘ Und ich fügte hinzu: ,Aber wissen Sie, schön gesagt – aber das im Alltag zu realisieren, ist nicht so einfach,
besonders bei uns in Oberschlesien.‘“
Darauf antwortete er: ,Damit muss man
einmal beginnen, du darfst dich ruhig
auf mich berufen!‘ Ich habe dies bei
der Plenarsitzung der Bischofskonferenz auch so weitergegeben, aber fast
alle Bischöfe haben abgeraten: Warten,
warten, die Zeit ist noch nicht reif! Es
könnte zu Schwierigkeiten kommen
mit dem Regime. Ich sagte: Ja, aber das
ist eine Friedensbotschaft, und sie fußt
auf der Frohbotschaft des Evangeliums!
Dadurch können wir die Drohbotschaften der zeitgenössischen Ideologien
überwinden.“
Aldo Parmeggiani, Radio Vatikan
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3/2012
Jugend
die Arbeit der schule und des Kindergartens des Vereins
Pro Liberis silesiae in Raschau/Kreis Oppeln/Oberschlesien
Von Barbara Loch, Oppeln, Polen
Im August 2009 hat der Verein Pro Liberis Silesiae eine öffentliche Schule und
den Kindergarten, die geschlossen werden sollten, in Raschau (poln. Raszowa),
Kreis Oppeln übernommen. Der
Schwerpunkt der Arbeit des Vereins ist
seit dieser Zeit die Führung der Schule
und des Kindergartens. Durch seine
Lehrtätigkeit realisiert er in vollem Umfang das polnische Gesetz vom 6. Januar
2005 über die nationalen und ethnischen Minderheiten sowie über die Regionalsprache, besonders im 3. Kapitel
„Bildungswesen und Kultur“ (gemäß
Art. 18, Gesetz 2, Punkt 8 des Gesetzes).
Der Verein ist bereits im vierten
Schuljahr und sorgt mit großer Mühe
für die Zweisprachigkeit und die Bildung nach den Prinzipien von Maria
Montessori. In diesem Zeitraum sammelte er wichtige und vielfältige Erfahrungen aus dem Bereich des Bildungswesens, vor allem im Bereich der Zweisprachigkeit und des Unterrichtens
nach den Prinzipien von Maria Montessori. Nach dem Montessori-Konzept
steht das Kind im Zentrum, die Erzie-
16
her und Lehrer schaffen eine pädagogisch vorbereitete Umgebung und
sind Begleiter des Kindes im Lernprozess, nach dem Prinzip „Hilf mir, es
selbst zu tun“.
Die beiden pädagogischen Schwerpunkte machen die Einrichtung zu einem Modellprojekt für die Region
Oberschlesien.
Gerade in Oberschlesien mit seinen
Besonderheiten, seinen Traditionen
und seiner wechselhaften Geschichte,
soll Kindern und Jugendlichen – insbesondere denen, die der deutschen
Minderheit angehören – die Möglichkeit eines Deutschunterrichts auf muttersprachlichem Niveau vom Kindergarten bis hin zum Lyzeum gegeben
werden. Leider gibt es kaum Schulen
mit einem solchen Profil.
Dieser Zustand ist im wesentlichen
auf die historischen und finanziell-politischen Sachzwänge zurückzuführen.
Er wird unter anderem von zwei Faktoren mitbestimmt oder mitverursacht:
1. dem fehlenden Wissen über
Sprachenförderung – insbesondere im
frühkindlichen Alter – beim Fachpersonal und bei Eltern,
2. dem Mangel an qualifizierten
Fachkräften, die sowohl sprachlich als
auch fachspezifisch (Kindergartenlehrer, Primarstufenlehrer, Fachlehrer etc.)
ausgebildet sind.
Der Verein Pro Liberis Silesiae setzt
sich dafür ein, dass die Lage erkannt
und aktiv verändert wird. Mit dem bilingualen Kindergarten und der Grundschule in Raschau, die sich auf das reformpädagogische Konzept von Maria
Montessori stützen, schafft der Verein
eine Bildungseinrichtung mit Deutsch
als Unterrichtssprache, die kontinuierlich ausgebaut werden soll. Eines der
Ziele ist die Gewährleistung eines nahtlosen Überganges vom Kindergarten in
die weiterführende schulische Einrichtung Grundschule. Das Unterrichtsangebot ist sowohl an die deutsche Minderheit als auch an die polnische Mehrheit gerichtet, die von einem intensiven
Spracherwerb und dem Kennenlernen
der deutschen Kultur profitieren kann.
Die Zielgruppe für die weiteren
Schuljahre sind vor allem Kinder im
Kindergarten- und Grundschulalter
(1. bis 6. Klasse) aus Raschau, dem
Kreis Oppeln und der Stadt Oppeln.
Jugend
3/2012
heit zusammen: dem Deutschen
Freundschaftskreis (DFK) in Raschau,
dem Gemeindevorstand der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im
Oppelner Schlesien, sowie der SozialKulturellen Gesellschaft der Deutschen
in Polen und dem Verband Deutscher
Gesellschaften in Polen.
Barbara Loch ist Geschäftsführerin des
Vereins Pro Liberis Silesiae.
Der Verein will sich auch für die
Fort- und Weiterbildung einsetzen. Wir
sind interessiert an Kooperationen mit
anderen schulischen Bildungseinrichtungen im In- und Ausland. Besonderes
Interesse gilt einem ständigen Kontakt
mit der lebendigen deutschen Sprache, der durch die Präsenz von deutschen Muttersprachlern im Kindergarten und in der Schule gesichert werden kann. Die Erfahrungen der bisherigen Schuljahre zeigen, dass der intensive Kontakt mit der Sprache im Alltag
des Kindergartens ein Erfolg ist. Einige
Kinder hatten zu Beginn des letzten
Schuljahres kaum Kenntnisse der deutschen Sprache, jetzt fangen sie an,
Sachverhalte auf Deutsch zu verstehen
und einzelne Sätze auf Deutsch zu formulieren. Diese Phase ist sehr wichtig
zum Aufbau der weiteren Sprachkompetenz.
Die dauerhafte und nachhaltige Außenwirkung des Vorhabens soll die
Pflege und Entfaltung der geschichtlichen und kulturellen Vielfalt der Region sein, die zum harmonischen und
verständnisvollen Zusammenleben im
gemeinsamen Europa führen soll. Der
Verein pflegt die kulturelle Identität
der einheimischen Bevölkerung durch
Veranstaltung verschiedener Feste, die
mit der deutschen Kultur eng verbunden sind: Sankt Martin, Weihnachts-
markt, Rosenmontag, Familienfest, Seniorentag und viele andere.
Die Schule in Raschau sammelt keine
Schulgebühren von den Eltern ein, sondern wird aus der Bildungssubvention
aus Warschau bezuschusst. Das Geld
reicht nicht für alle Projekte und Initiativen aus, die der Verein gern ins Leben
berufen würde. Wichtig ist es, dass die
Lehrer und Erzieher aus Deutschland
die Bildungsarbeit vor Ort unterstützen,
da besteht ein großer Bedarf.
Wir arbeiten eng mit regionalen Organisationen der Deutschen Minder-
Verein Pro Liberis silesiae
(Stowarzyszenie Pro Liberis Silesiae)
ul. Ozimska 55, Raszowa
46-050 Tarnów Opolski
POLEN
E-Post: [email protected]
www.edukacja-raszowa.eu
Wenn Sie die Arbeit des Vereins unterstützen möchten, können Sie eine
Spende auf das Konto des VDA
(S. 42) oder direkt an Pro Liberis
Silesiae überweisen:
Bank Ochrony Środowiska
BLZ/SWIFT(BIC): EBOSPLPW229
Kontonummer:
PL 26 1540 1229 2055 4602 1953 0001
Alle Fotos: Verein Pro Liberis Silesiae
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3/2012
Jugend
deutsche Jugend in der Ukraine 2012: Kurs auf sport
Der erste Sommermonat hat die Fußball-Europameisterschaft „Euro 2012“
in die Ukraine gebracht. Das ganze
Land erlebte eine Menge von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen,
die dem Fußball gewidmet waren.
Aber eines der wichtigsten Ergebnisse
ist, dass viele junge Leute dazu als Volontäre herangezogen worden waren.
Am Programm der UEFA hat in diesem
Jahr eine Rekordzahl der Jugendlichen
teilgenommen. Außerdem liefen während der EM 2012 viele Hilfs- und Begleitungsprogramme für Ausländer.
Natalia Venger, Mitglied des Verbandes „Deutsche Jugend in der Ukraine“,
war als Volontärin dabei: „Den ganzen
Monat arbeiteten ich und noch vierzig
Freiwillige im „European Village“. Wir
waren immer bereit, den Besuchern zu
helfen, alle Fragen zu beantworten,
wichtige Informationen und positive
Emotionen zur Verfügung zu stellen.
Dank dieses Projekts habe ich nicht nur
neue Kontakte geknüpft, sondern neue
Erfahrungen im Bereich des Umgangs
gemacht. Ich bin überzeugt, dass der
Freiwilligendienst für unsere moderne
Gesellschaft besonders für junge Leute
sehr wichtig ist. Bei solchen Programmen lernt man gutmütig, freundlich
und tolerant zu sein.“
Auch der Verband „Deutsche Jugend in der Ukraine“ hat zusammen
mit deutschen Kollegen diesen Sommer sehr aktiv verbracht. Im August
wurden zwei große sportliche Projekte
durchgeführt: „Euro-Viking“ und die
„Fahrradtour-Europapartnerschaft“. Jedes Jahr wachsen das Interesse und die
Zahl der Teilnehmer.
Schon zum dritten Mal eroberte die
deutsch-ukrainische Mannschaft den
Dnjepr mit zwei Wikinger-Schiffen. Die
Schifffahrt brachte neue Ideen für das
nächste Jahr: Eine gesamteuropäische
Bootsfahrt mit Wikinger- und slawischen Schiffen, die die Jugendlichen
aus ganz Europa vereinigen könnte.
Die Fahrradfahrer, die in diesem Jahr
die dänische Stadt Apenrade erreicht
haben, lernten nicht nur erneuerbare
Energiequellen in Deutschland kennen.
Der zweite Hauptpunkt des Programms
war das Thema „Ethnische Minderheiten in Europa“. Sehr wertvoll fanden
die Teilnehmer den Besuch des Bildungszentrums in Knivsberg (Dänemark) und des Verbands FUEV in Flensburg. Auf der Strecke machten die jungen Leute Erkundungen zum Thema
„erneuerbare Energie“, besonders bei
Biogasanlagen und Windkraftanlagen.
Über solche schädlichen Energieträger
Mit dem Wikinger-Schiff
auf dem Kiewer Meer.
wie Erdöl, Kohle, Erdgas und Uran wurden Vorträge von Ökologen und Mitarbeitern des Atomkraftwerks Tschernobyl gemacht, die als Anstoß zur Diskussion galten. Für alle Teilnehmer war das
auch eine gute Erfahrung im Bereich
der interkulturellen Kommunikation. Einige entschieden sich, mehr Wert auf
Fremdsprachen zu legen, andere wollten ihre Lebensweise ändern.
„Wir haben eine neue Form für
Sprachlager gefunden. Wenn man in
einem Schiff sitzt oder zusammen die
Wege überquert, lernt man die Kultur
und die Sprache voneinander tiefer zu
verstehen. Uns hat es überrascht, wie
einige Teilnehmer ohne Fremdsprachenkenntnisse sich unterhalten und
mit den Alltagsfragen umgehen. Ein
paar Jugendliche haben das Rauchen
gelassen und eine gesunde Lebensweise gewählt“, sagte begeistert Wladimir Leysle, der Vorsitzende des Rates
der Deutschen in der Ukraine.
Diese Projekte zeigen, dass durch
den Sport mehrere Ziele erreicht werden können und seine Rolle in der Erziehung der jungen Generation von
großer Bedeutung ist.
Mariya Shapochka, Deutsche Jugend
in der Ukraine, Saporoschje
Glücklich am Ziel
in Apenrade in Dänemark.
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Jugend
3/2012
Germanistikstudium an der Universität von Lomé, Togo
Von Kokou Alangue, Lomé
Université de Lomé, so heißt meine Universität, auf Deutsch: Universität von
Lomé. Sie wurde als erste der inzwischen zwei Staatsuniversitäten des Landes errichtet. Daneben gibt es viele Privathochschulen. Lomé ist die Hauptstadt meines Landes Togo. Gegründet
wurde die Universität 1965 als Hochschulinstitut. Erst 1967 hieß sie dann
Université de Benin. Die frühere deutsche Kolonie Togoland wurde nach
dem Ersten Weltkrieg in ein britisches
und ein von Frankreich verwaltetes Gebiet geteilt. Der ehemals französische
Landesteil ist das heutige Togo. Benin
ist unser östliches Nachbarland und
war ebenfalls eine französische Kolonie. 2003 wurde eine zweite staatliche
Universität gegründet, in Kara im Norden Togos. An meiner Universität sind
ungefähr 48.000 Studenten eingeschrieben, einschließlich derer aus
dem Ausland. Sie gilt als eine der besten Universitäten der französischsprachigen Länder Westafrikas, so dass sie
auch viele ausländische Studenten anzieht.
Das Fächerspektrum ist sehr breit
mit den Ausbildungsgebieten Philologien, Sprache und Kunst; Gesellschaftsund Humanwissenschaft; Ausbildungsund Erziehungswissenschaft, Naturwissenschaften und Technologien, Ge-
sundheit, Landwirtschaft, Betriebs- und
Wirtschaftswissenschaften, Rechts-, Politik- und Verwaltungswissenschaften.
Welche Bedeutung hat aber die
deutsche Sprache an der Universität
von Lomé?
Die Fakultät der Philologien, Sprache und Kunst fasst die französische Abteilung, die spanische, die chinesische,
die Englischabteilung, die Linguistikabteilung und auch die Germanistik zusammen.
Die deutsche Abteilung, auch Germanistik genannt, zählt insgesamt 423
Studenten vom ersten bis zehnten Semester und verfügt über elf Dozenten.
Dort wird deutsche Literatur, Geschichte, deutsche Zivilisation und Linguistik studiert. Außerdem werden
auch die deutsche Kolonialzeit und ihre
Überbleibsel in Togo gelehrt. Es werden darüber hinaus Exkursionen organisiert, um deutsche Spuren wie Gefängnisse, Friedhöfe, Plantagen, Eisenbahn usw. zu besichtigen. An der Universität Lomé unterstützen und begleiten zwei Institutionen – der Deutsch-
klub und der Verein Germano-Philia –
die deutsche Abteilung zur Förderung
und Entfaltung der deutschen Sprache
und Kultur in Togo.
Das einzige und entscheidende Problem dieser Abteilung ist: es fehlt an
den nötigen Wörterbüchern, Lesebüchern, der Fach- und Sachliteratur zur
Verbesserung der Qualität der Ausbildung. Trotzdem sind die Germanistikstudenten sehr stolz auf ihre Kenntnisse
und ihr Studium. Sie sind auch bereit,
Praktikanten aus Deutschland in Togo
zu betreuen, als Reiseführer zu dienen,
um einerseits ihre Sprache zu verbessern und andererseits den Gästen die
schöne Landschaft, Berge, Wasserfälle
und andere Schätze des Landes zu zeigen, und natürlich die Zeugnisse aus
der deutschen Kolonialzeit.
Die GLOBUS-Redaktion
vermittelt interessierten Lesern gerne
den Kontakt nach Togo.
2009 gründeten die Studenten
in Lomé einen Zweigverein von
Germano-Philia e.V. aus Kpalimé und
wählten ihren Vorstand, dessen
Vorsitzender Kokou Alangue ist
(im Bild im roten Hemd).
19
3/2012
Jugend
VDA Briefmarkentauschbörse
Liebe Briefmarkenfreunde!
Unsere Seite ist wieder einmal fest in
afrikanischer Hand! Aber das wundert
bestimmt niemanden mehr, denn die
Briefe, die wir von dort bekommen,
sind wirklich toll! Im vorherigen Heft
haben wir uns von Westafrika begeistern lassen, dieses Mal richten wir unseren Kompass auf den Süden des Kontinents.
In Namibia treffen wir schon gleich
auf alte Freunde und vertraute Namen:
Peter Miersch in Otavi und Adolf Stephan in Windhuk. Und darüber freuen
wir uns natürlich immer und sagen ganz
herzlichen Dank! Aber auch die Brief-
marken von dort sind eine Wucht: Da
lauern Geparden im Steppengras, stapfen Elefantenherden durch
ausgetrocknete
Flussbetten,
werden liebliche Skorpione
vorgestellt. Tja, „jedem Tierchen sein Pläsierchen!“ Die
Skorpion-Serie wird übrigens
ganz besonders die Österreicher Herzen höher schlagen lassen: Auf dem Bogenrand steht
sie nämlich, die „Österreichische
Staatsdruckerei“ mit ihrem Logo und
dem Wappenadler, der somit auch aus
Südwestafrika in die Welt reist. Auch die
Tauschpartner gesucht
Ich biete
– Briefmarken, Maxikarten und Ersttagsumschläge von Venda, Transkei,
Ciskei, Bophuthatswana, Südafrika, Südwestafrika und Namibia, auch
angolanische Marken
– Briefe von Südafrika, Südwestafrika und Namibia, auch mit seltenen
Ortsstempeln,
Ich suche
– alles gestempelt: Swasiland, Betschuanaland, Botswana, Njassaland,
Malawi, Nord- und Süd-Rhodesien.
Adolf Stephan, Postfach 22520, Windhuk, Namibia
20
Eisenbahnfreunde kommen auf ihre
Kosten – mit einer Serie zum 100-jährigen Jubiläum der Otavi-Minen
und Eisenbahn-Gesellschaft. Klar,
so eine Henschel-Dampflok kann
schon
Charme
entfalten.
„Höchste Eisenbahn“ ist außerdem, dass wir auch einmal ein
Lob für die Briefmarkengestalter
aussprechen: Viele der prämierten Entwürfe der namibischen
Post stammen von den einheimischen
Künstlern Anja und Helge Denker.
Adolf Stephan schickte uns aus seiner großen Afrika-Sammlung auch
viele Maxikarten aus südafrikanischen
Ländern, die wir weiter mit interessierten Sammlern tauschen können. Das
sind Postkartenmotive, auf deren Vorderseite die passende Briefmarke aufgeklebt und gestempelt ist. So, genug
der Theorie, ran an Stift und Papier!
Viel Vergnügen und Grüße von
Euerer und Ihrer
VDA-Briefmarkentauschbörse
Redaktion GLOBUS
Fliederstraße 14
91564 Neuendettelsau
Deutschland
3/2012
VdA-Fotowettbewerb
Wird aus Kaliningrad wieder Königsberg?
Die Tage Kaliningrads scheinen gezählt. Es braut sich etwas zusammen.
Dafür sorgt schon, was schließlich ihre
Aufgabe ist, die „Königsberger Brauerei“, die mit ihrer Biermarke „Königsberg“ nachhaltig daran arbeitet, dass
der alte Name der Stadt in aller Munde
kommt. Einem hier ungenannt bleibenden Reisenden
aus Tilsit gelang es,
(leider nur) eine Flasche dieses Kulturträgers bis zur
GLOBUS-Redaktion durchzuschmuggeln. Doch das genügt zur Beweisführung, dass auch im nördlichen Ostpreußen die Völkerverständigung an
den Stammtischen beginnt.
Auch unser Leser Wolfgang Reith
aus Neuss, der sich mit seiner Frau regelmäßig in seiner alten ostpreußischen Heimat umschaut, bestätigt die
Zeichen der Zeit: „Die jungen russischen
Intellektuellen vor Ort, Akademiker und
Studenten, setzen sich seit langem nachdrücklich dafür ein, dass die Stadt ihren
alten Namen Königsberg zurückerhält.
Unter anderem demonstrieren sie das dadurch, dass sie ihre Autos mit KönigsbergAufklebern oder entsprechenden zusätzlichen Schriftzügen an den Nummernschildern versehen, wie es auf dem Foto zu se-
hen ist. Obwohl es nach 1991 zahlreiche
Versuche gab, der Stadt ihren früheren
Namen zurückzugeben, scheiterten sie zumeist am Einspruch Moskaus mit der Begründung, vorerst solle es in Russland
keine Umbenennungen von Städten mehr
geben. Aber auch die Tage der letzten
Kriegsveteranen sind gezählt, die sich
bis heute gegen die
Umbenennung wehren, und das weiß
auch der neue Gebietsgouverneur Nikolaj Zukanow, der sich nicht mehr unbedingt gegen eine Rückkehr der Stadt zu ihrem historischen Namen sträuben will,
wie er vor kurzem vorsichtig andeutete.
Treibende Kraft ist in letzter Zeit aber ins-
besondere die Orthodoxe Kirche, die eine
baldige Abkehr von der Benennung nach
dem ‚Erzverbrecher’ Kalinin verlangt.“
Hinweisen wollen wir hier auch auf
die beiden Monatszeitungen „Königsberger Express“ (seit 1993) und „Königsberger Allgemeine“ (seit 2009),
deren Redaktionssitz in Kaliningrad ist.
Gedruckt werden beide Zeitungen allerdings in Deutschland und bieten
vorwiegend dem hiesigen Publikum
Nachrichten aus dem Königsberger
Gebiet.
Herzlichen Glückwunsch Herrn
Wolfgang Reith, unserem Preisträger
des VDA-Fotowettbewerbs in dieser
Runde!
Dr. Wolfgang Betz
In aller Welt leben Menschen, die sich der deutschen Sprache und Kultur verbunden wissen.
Wir laden unsere Leser weiterhin ein, mitzumachen bei dem
VdA-Fotowettbewerb
„deutsches im Ausland – originell, bemerkenswert, lustig!“
Entdecken Sie in Ihren Heimatländern, im Urlaub oder auf Geschäftsreisen außerhalb des deutschen Sprachraums deutsche Spuren und senden
Sie uns ein oder mehrere Fotos! Bilder, die uns nach Redaktionsschluss
einer GLOBUS-Ausgabe erreichen, be-
rücksichtigen wir für eines der folgenden Hefte. Sie gehen also nicht verloren! Die schönsten Bilder werden wir
im GLOBUS veröffentlichen und mit
einem kleinen Geschenk prämieren.
schicken sie Ihre schnappschüsse
mit der Briefpost oder als datei an
dr. Wolfgang Betz
Fliederstraße 14
91564 Neuendettelsau
deutschland
e-Post:
[email protected]
21
3/2012
Geschichtliches
deutsche einwanderung nach el salvador
Von Jürgen Hübner, Hemer
1821 erkämpften sich die Staaten Zentralamerikas (Costa Rica, El Salvador,
Guatemala, Honduras und Nicaragua)
die Unabhängigkeit von Spanien und
bildeten 1824 eine Konföderation. Jedoch stellten sich durch die inneren
Konflikte und Kriege Probleme ein, die
die Teilstaaten in politische, soziale
und wirtschaftliche Bedrängnis brachten. Erst mit dem Auseinanderbrechen
1838/41 bildete sich der eigenständige Staat El Salvador.
Frühe deutsche Reisende
Zu den ersten deutschen Besuchern
des kleinen Landes zählten etwa ab Anfang bis Mitte der 1840er-Jahre Reisende, die aus verschiedensten Motiven ins Land gelockt wurden. In der
Regel handelte es sich um kurze Besuche oder Durchreisen von maximal einigen Wochen. Ihrer Reiseschriftstellerei verdanken wir einen ersten Einblick
in das Leben und das Land. Die Interessen waren verschiedenster Art: Ein Motiv war das Abenteurertum, ein weiteres die politische Resignation nach der
gescheiterten Revolution in Deutschland (so der Maler Wilhelm Heine). Aus
der Perspektive der Handels- und Einwanderungsmöglichkeiten betrachtete
insbesondere Alexander von Bülow die
Situation. Mehr und mehr gab es wissenschaftlich motivierte Reisende, so
zum Beispiel den Geographen und Naturforscher Moritz Wagner, den Ingenieur und Kartographen Maximilian
von Sonnenstern, den Geologen und
Paläontologen Karl von Seebach und
andere, die in El Salvador forschten
und wirkten.
die Idee der siedlungskolonien
Alexander von Bülow, Baron und ExLeutnant des preußischen Heeres, war
22
Diese Karte, die erste offizielle Karte des Staates El Salvador, wurde 1859 durch
den Deutschen Maximilian von Sonnenstern im Auftrag des damaligen Präsidenten,
Rafael Campo, erstellt. Im Laufe der Zeit war die Existenz der Karte ein wenig
in Vergessenheit geraten. Dank eines Hinweises des salvadorianischen Historikers Lic.
Carlos Cañas Dinarte konnte die Deutsche Botschaft in El Salvador eine Reproduktion
der sehr gut erhaltenen Karte aus der Staatsbibliothek zu Berlin erhalten und 2009
dem Centro Nacional de Registros übergeben.
der erste Deutsche, der El Salvador
nach seinem kurzen Besuch 1847 in einem Auswandererbuch einen eigenen
Platz einräumte. Er verfolgte die Idee
organisierter und staatlich unterstützter Auswanderung in Form von Siedlungskolonien. Bülow hatte für die
Gründung einer deutschen Kolonie in
El Salvador die Häfen Jiquilisque, Acajutla und La Unión auserkoren. Mit anderen Plätzen in Mittelamerika zusammen hoffte Bülow damit ein Netz deutscher Kolonien zu einem Erfolgsmodell
zu entwickeln.1 Er glaubte, von der
jährlichen Auswanderung von etwa
60.000 Deutschen dann 10.000 nach
Mittelamerika schicken zu können.
Dies alles wohl organisiert durch Kolonialgesellschaften und mit staatlicher
Unterstützung.2 In Deutschland hatte
der Kolonisationsgedanke durch die
Bildung entsprechender Vereine Unterstützung gefunden. 1849 gründete Bülow die Berliner Colonisations-Gesellschaft für Central-Amerika und 1851
entstand der Hamburger Kolonisationsverein in Zentralamerika. Letztlich
kam es jedoch nicht zur Umsetzung
der Idee in El Salvador. Das Scheitern
ähnlicher Projekte in Guatemala und
Nicaragua wird weitere Vorhaben verhindert haben.
Verspätete einwanderung
Deutsche Einwanderung nach Lateinamerika gab es im 19. Jahrhundert in
mehreren Schüben. Der Anteil Lateinamerikas an der deutschen Gesamtauswanderung war jedoch zahlenmäßig
Geschichtliches
recht gering. Von 1820 bis 1930 wanderten nur fünf Prozent in diese Region
ein. An der deutschen Gesamtauswanderung fiel Zentralamerika jedoch
praktisch nicht ins Gewicht. Für Nicaragua und Guatemala sind die ersten
deutschen Siedler 1810 beziehungsweise 1828 belegt, deutlich früher als
in El Salvador.
Ein wesentlicher Grund für die
späte und spärliche Einwanderung war
die Verkehrsanbindung. Durch die
Lage am Pazifik abseits der großen atlantischen Routen hat die geringe Zuwanderung nur bei genügender ökonomischer Ausstattung und über Drittländer stattfinden können. Dazu kam
eine für mittelamerikanische Verhältnisse hohe Bevölkerungsdichte. In zeitgenössischer Auswandererliteratur liest
man für die Zeit bis etwa der 1840erJahre, dass die problematische politische und auch soziale Situation sowie
die Auffassung von den schwierigen
klimatischen Bedingungen ursächlich
3
für die Unkenntnis der Region seien.
Speziell für El Salvador sah Reichardt in
seinem Auswandererbuch (1851) das
Problem, dass „die Ländereien fast ohne
Ausnahme in den Händen von Privaten
und somit die ausgedehntere Colonisation
auf freien Staatsländereien hier nicht
mehr ausführbar [ist], sondern [sie] muss
im Privatwege und in kleinerem Maßstabe
von den größeren Grundbesitzern ausge4
hen.“
Seitens der Zentralamerikanischen
Konföderation gab es allerdings intensive Bestrebungen, europäische Siedler
anzuziehen. Schon 1824 wurde jedem
neuvermählten Paar ein Stück Land ver-
1
Bülow, Auswanderung, S. 125
Ebd., S. 28ff.
3
Reichardt, Centro-Amerika. S. 3
4
Ebd. S. 244
5
Jaspersen, Bogen S. 12ff.
6
Ebd. S. 18f.
7
Ebd. S. 141
8
Bromme, Hand- und Reisebuch. S. 502
9
Scherzer, Wanderungen. S. 436
10
Ebd. S. 427f.
2
sprochen. Weitere Privilegien waren
die Gewerbefreiheit, der Betrieb von
Bergwerken, das Niederlassungsrecht,
der Bau von Städten, Eigentumsrechte
sowie Abgabenfreiheiten (Freiheit der
Ein- und Ausfuhr). Insgesamt jedoch
blieb all das ohne großen Erfolg.
erste deutsche – die Familie
Bogen–deininger
Der erste fassbare und namentlich genannte Deutsche in El Salvador ist Wal5
ter Bogen (1817–1895). Er ist etwa
zwischen 1837 und 1840 in das Land
eingewandert. Walter und seine etwas
später auftretenden Brüder Francis, ein
„Posthumus“ und Edward, waren
Söhne des Johann Louis Bogen, eines
Kaufmanns, der mit seiner Frau einige
Jahre in London gelebt hatte. Die Mutter der Bogenschen Brüder, Elizabeth,
war gebürtige Engländerin, deren Vater Captain der britischen Marine gewesen war. Wahrscheinlich zwischen
1825 und 1830 wanderten zwei Brüder von Elizabeth nach Guatemala und
nach Nicaragua aus. Um 1837 habe einer der beiden in einem Brief angefragt, ob nicht ein Sohn Elisabeths nach
Amerika kommen möge, wo er „ein
6
gutes Auskommen finden“ könne.
Walter Bogen hatte soeben sein Abitur
gemacht und ist dann offenbar relativ
7
schnell dem Ruf des Onkels gefolgt.
Die drei weiteren Brüder sowie Maria, die Ehefrau von Francis, sind später
gemeinsam über Guatemala eingewandert.
Die vier waren relativ jung, als sie
auswanderten und konnten auf eine
gute Bildung zurückgreifen. Sie entstammten einer Mischung aus Kaufmanns- und Gutsbesitzerfamilie. Bis auf
einen Bruder waren sie ledig. Dies war,
folgt man einem maßgebenden damaligen deutschen Auswandererbuch,
eine wichtige Voraussetzung für den
Erfolg: „Im allgemeinen kann man nur
sagen: junge, starke, arbeitsame Leute,
mit etwas Vermögen, die den Ackerbau
3/2012
oder ein Gewerbe verstehen, können sich
hier mit Erfolg niederlassen, namentlich
Menschen zwischen 20 und 40 Jahren ...
man muss Seelenstärke und Gesundheit
besitzen, um unangenehme und harte
Verpflichtungen zu übernehmen, und
würde durch Ungeduld diese nur vergrößern. Bekümmernisse muss man sich
nicht so sehr zu Herzen nehmen, und
überhaupt Lebensphilosophie besitzen
und Charakter zeigen.“8
Walter bewirtschaftete im Jahre
9
1854 eine „kleine Hacienda“ zwischen
der Laguna von
Antiguo Cuzcatlán und San Salvador,
eine
„kleine einsame,
ländliche Besitzung“, so berichtet
Moritz
Wagner,
der
sich seinerzeit
zu Forschungszwecken
dort
aufgehalten hat.
In der Zeit des
großen Erdbe- Francis Bogen um 1880
bens
(1854)
habe sich Wagner dann „mit
der Familie Bogen
… nach ihrer Besitzung in der
Nähe des Seehafens Libertad zurückgezogen, wo
das Erdbeben weniger Verheerungen angerichtet
hatte und die
gute Pflege der
biedern
deut- Fedor Deininger um 1908
schen
Familie
ihm rasch wieder zur Herstellung seiner
10
zerrütteten Gesundheit verhalf.“
Die frühe Bedeutung des Walter Bogen wurde sichtbar, als nach dem großen Erdbeben und der Zerstörung San
Salvadors am 16. April 1854 die Stadt
an einer anderen Stelle wieder aufge-
23
3/2012
baut werden sollte. Dazu wurde von
der Regierung eine fünfköpfige Kommission – unter anderem mit zwei Expräsidenten – gebildet, der auch ein
„Don Baltazar“ (also Walter) Bogen an11
gehörte.
Der Name Walters verschwindet
dann in den Quellen. Stattdessen tritt
sein Bruder Francis mehr in den Vordergrund. In den ersten Jahren in Salvador
haben seine Ehefrau Maria und er Musik-, Fremdsprachen- und Tanzunterricht gegeben. Auch habe Francis zeitweise eine Pfandleihanstalt betrieben.
Später habe das Ehepaar in San Salvador „eine Schule für gebildete junge
Mädchen mit Internat gegründet, die
12
gut florierte.“ Schließlich habe er zwischen 1862 und 1865 das erste Terrain
von 70 ha gekauft. Hier betrieb Francis
13
den Zuckeranbau. 1870 kam die 125
ha große Nachbarfinca Guevara hinzu.
Damit legte er den Grundstein für ei-
Geschichtliches
nen Familienbetrieb, der später einer
der größten des Landes werden sollte.
1877 holte Francis seinen damals 28
Jahre alten Neffen Fedor Deininger
nach El Salvador. Dieser arbeitete zuvor
als Ingenieur bei einer Firma in Magdeburg, wo Bogen Maschinen für seine
14
neue Zuckerfabrik kaufte.
Deininger blieb in El Salvador und
Guatemala, wo er als Verwalter arbeitete. Daneben begann er mit dem Handel von Häuten und stieg schließlich
ins Kaffee-Geschäft ein. Nach und nach
kaufte er Land auf der Nordseite des
Vulkans San Salvador, von wo er seinen
15
Besitz Stück um Stück ausbaute. 1898
schon hatte Fedor die Besitzungen
Francis Bogens käuflich erworben, wodurch zwei große Unternehmen zusammengeführt wurden. Schließlich
gehörte Deininger zu den „14“, den
größten Landeigentümern El Salva16
dors.
Die Bedeutung der Bogen und der
Deininger in der salvadorianischen
Wirtschaft und Gesellschaft war durchaus groß, die Beziehungen zur Politik
eng. Francis wurde von der Regierung
in den 1870er- und 1880er-Jahren als
Beschaffer von Einwanderern kontraktiert. 1910 stellte ihm der Präsident sogar seinen Salonwagen zur Verfügung,
um den damals kranken Fedor zum Ha17
fen zu bringen. Fedor, wohl auch
schon Francis, fungierte zeitweilig als
deutscher Konsul.
Wie auch spätere deutsche Einwanderer ist die Familie Bogen–Deininger
ein typisches Beispiel dafür, wie in El
Salvador die Entstehung einer KaffeeOligarchie nicht durch Ankauf in einem
Akt oder etwa durch die Tätigkeit einer
großen Kompanie erfolgte. Charakteristisch waren der Anschub des Staates
durch Landschenkungen und Privilegien und der stückweise Ankauf von
Die Finca Mirasol der Familie Deininger, von Max Vollmberg, 1918; veröffentlicht in der Mappe Vollmberg, Max. América central.
Hannover 1920
24
3/2012
Geschichtliches
Zu Ehren des Unternehmers Walter Thilo
Deininger ist ein 732 ha großer Nationalpark in der Provinz La Libertad benannt.
(Foto: Sunzal)
Ländereien durch einzelne Personen
und Familien, die vor allem zwischen
1880 und 1912 von der Abschaffung
des Gemeindelandes profitierten, daneben Land auch von Einzelpersonen
18
erwarben. Der Staat reagierte mit seinen Gesetzen auf die Profit-Bedürfnisse
der Kaffeewirtschaft: Vom Ansetzen
der Kaffeepflänzchen bis zur ersten
Ernte vergingen vier bis fünf Jahre. Dieser Zeitraum konnte nur mit genügend
Kapital überbrückt werden. Auf der anderen Seite verlangte das Kapital genügend Absicherung, das heißt den
Rechtstitel auf das Land. Und dieser
wurde mit den Gesetzen über die Privatisierung der Gemeindeländereien
gewährt.
Weitere deutsche einwanderer
der ersten Zeit
Erste Meldungen deutschen Imports in
das Land datieren aus der zweiten
Hälfte der 1840er-Jahre. An deutscher
Ware seien 1846/47, so Bülow, „rothe
Garne“ eingeführt worden. Diese seien
zu „Shawls“ verarbeitet und dann nach
Chile, Peru und Mexiko exportiert worden.
Der Historiker Dane schätzt jedoch
abschließend ein: „Die … günstigen
Prognosen über mögliche intensive Handelsbeziehungen zwischen Deutschland
und Salvador haben sich nicht erfüllt. Soweit es sich heute noch feststellen lässt, berührten im Durchschnitt nicht mehr als ein
bis zwei deutsche Schiffe pro Jahr Salvadors Häfen und das auch nur auf der
Durchreise nach anderen mittelamerikanischen Häfen.“ Diese Aussage spiegelt
sich in Zahlen wider:
Als 1858 das erste preußische Konsulat in San Salvador eröffnet wurde,
20
gab es dort „ein paar“ Deutsche. Es
wird berichtet, dass im Großhandel allein das Hamburger Haus Kraft und
Morris sowie eine Filiale des Londonguatemaltekischen Hauses Feldmann
21
und Komp. in deutscher Hand seien.
Die genannten deutschen Handelshäuser waren in der Anfangszeit noch
von Bedeutung. Die Niederlassung in
Form einer gefestigten Kompanie, als
Zweigstelle eines existierenden Unternehmens, bot immerhin die Sicherheit
des Mutterhauses, das das Kapital zur
Verfügung stellen konnte und damit
das Risiko minderte. Die wechselnden
Besitzverhältnisse indes zeigen, dass
auch diese Form nicht zu einem stabilen Faktor der frühen deutschen Ein22
wanderung wurde.
Offizielle Beziehungen
1841 wurden erstmals offizielle Beziehungen des dann unabhängigen Staates Salvador mit Deutschland aufgenommen, als er den Konsul der Hansestädte für Mittelamerika, Klée, bestätigte. Preußen hat ihn dann 1845 zum
Generalkonsul auch für Salvador ernannt.23 Amtssitz aber blieb noch Guatemala. 1852 wurde dann Franz Hugo
Hesse als preußischer Geschäftsträger
in El Salvador willkommen geheißen.
Mit dem „Konsularagenten“ Ludwig
Kronmeier finden wir 1853 den ersten
offiziellen Vertreter aus Deutschland
speziell für salvadorianische Angelegenheiten. Schnell stellte man jedoch
fest, dass er seinen Militärdienst nicht
geleistet hatte und ohne Pass ausgewandert war. Daher wurde ein ordentliches Verfahren gegen ihn eröffnet, in
dem man Kronmeier enteignete und
ihn schon vor seiner offiziellen Inamtsetzung wieder entließ.24
Nach diesem personellen Fehlschlag ernannte Hesse 1854 den Arzt
Ernst Karl Bernhard in Nicaragua zum
Konsularagenten für Nicaragua und
Salvador. Dieser ging 1856 aus politischen Gründen nach San Miguel (El
Salvador), wo er offiziell den Titel des
25
preußischen Vizekonsuls erhielt.
1858 wurde er Konsul für Preußen in
San Salvador, 1868 Konsul des norddeutschen Bundes und schließlich
1870 Generalkonsul für El Salvador,
26
Honduras und Nicaragua. Das Jahr
1858 ist damit als das Datum der Eröffnung des ersten Konsulates in El Salva27
dor zu nennen.
In dieser Zeit, am 30. Dezember
1852, wurde in Berlin ein Handels- und
Freundschaftsvertrag zwischen El Salvador und dem Königreich Preußen
geschlossen, der aber nicht in Kraft
trat. Erst 1870 kam es zu einer Umset-
11
Lardé, Historia, S. 305. Zum Namen Baltazar vgl. auch Jaspersen, Bogen. S. 142
12
Deininger, Familiengeschichte. S. 50
13
Jaspersen, Bogen. S. 147f.
14
Ebd. S. 188f.
15
Deininger, Familiengeschichte. S. 62
16
Dalton, El Salvador, S. 148
17
Jaspersen, Bogen. S. 231f.
18
White, El Salvador. S. 116f.
19
Bülow, S. 247
20
Fröschle, Deutschen. S. 571
21
Bericht. Handel der Republik. S. 550f.
22
Erst ab dem Ende des 19. Jahrhunderts
kamen erfolgreiche Schritte durch
deutsch-jüdische Einwanderer wie Mugdan, Freund und Goldtree-Liebes
23
Dane, Beziehungen. S. 100
24
Ebd. S. 104
25
Ebd. S. 105
26
Fröschle, Deutschen. S. 569
27
Ebd. S. 575
25
3/2012
Enrique (Heinrich) Drews. Porträtiert von
Max Vollmberg 1915
zung – der Vertrag wurde dann vom
Deutschen Reich übernommen.
Fasst man alle Angaben zusammen,
so ist zu erkennen, dass von Seiten
preußisch-deutscher Politik ein Interesse an Mittelamerika zwar vorhanden, jedoch nicht sehr ausgeprägt war.
Speziell El Salvador lag hier am Rande,
wurde „mitverwaltet“, und erst mit der
Übersiedlung des Konsuls Bernhard
nach San Miguel 1858 hatte man einen
ständigen Vertreter vor Ort. Dieser
aber musste sein Amt auf drei Staaten
verteilen. Preußen-Deutschland hatte
eben keine vitalen Interessen in Zentralamerika und war bis weit in das 20.
Jahrhundert hinein nicht gewillt, die
US-amerikanische Hegemonie in dieser
Region herauszufordern.
die weitere entwicklung
Der Historiker David Brownig28 beurteilt die Bedeutung der europäischen
Einwanderung im 19. Jahrhundert in
der Weise, dass die wenigen Einwanderer keine separierten Gruppen bildeten. Sie seien meist im kommerziellen
26
Geschichtliches
und agrarischen Sektor tätig gewesen.
Obschon zahlenmäßig von geringer
Bedeutung, waren sie in der gehobenen Schicht der sozialen Hierarchie anerkannt und trugen maßgeblich zur
agrarischen Entwicklung, insbesondere
des Kaffeeanbaus, des Landes bei.
Der Kaffee-Anbau in El Salvador begann seinen Aufstieg ab Mitte der
1850er-Jahre. Im Departament Santa
Ana verdreifachte sich die Kaffeepro29
duktion zwischen 1877 und 1881. In
diese Zeit, in der El Salvador seinen
Aufschwung zum Kaffeeland nimmt,
fällt eine zweite Phase deutscher Einwanderung. Der Handelsvertrag von
1870/72 hat die Situation erleichtert,
und die Transportbedingungen wurden schließlich in den 80er-Jahren
noch einmal verbessert. Die salvadorianische Regierung unterstützte jedes
deutsche Schiff, das im Lande anlegen
würde, sogar finanziell.
Wilhelm Sievers gibt 1903 eine Zahl
von 150 Deutschen in El Salvador an,
davon 35 in der Hauptstadt und 45 in
Santa Ana. Ab dem letzten Viertel des
19. Jahrhunderts war unter anderem
eine Reihe von Experten aus Deutschland auch in Bereichen des öffentlichen
Lebens tätig. Dies galt für das Militär,
die Bildung und insbesondere auch für
den Bereich der Musik. Die Leitung des
Militär- und dann des Symphonieorchesters oblag über vierzig Jahre lang
dem Deutschen Heinrich Drews, der
damals sehr populär war und in der
Musikgeschichte des Landes eine ausgewiesene Rolle spielt.
Für den gewerblichen Bereich hieß
es 1903, dass die Deutschen „einen
beträchtlichen Teil des Handels in Hän30
den“ hielten. Nach Ernst von Halle
(1905) seien die Geschäfte der Deutschen „nur mittelgroß, ausserdem, dass
eine Reihe von Deutschen Bankbeamte
und Handlungsgehilfen sind, befinden
sich eine grössere Kaffepflanzung mit einer Viertelmillion Ertrag und eine ertragreichere Zuckerplantage, sowie fünf kleinere wirtschaftliche Betriebe in deutschen
Händen“.31 Folgt man der zeitgenössischen Interpretation des britischen Beobachters Percy F. Martin, so waren es
die folgenden Eigenschaften, die die
deutschen Einwanderer besonders erfolgreich sein ließen: Systematische
Marktanalyse, Disziplin, Geschäftstüchtigkeit, Zurückhaltung in politischen
Fragen, Anpassung an das Land, und
nicht zuletzt sei man auf geheimnisvolle Weise preisgünstig. Martin konstatiert jedoch neben diesen Persönlichkeitsmerkmalen, dass die Handelspolitik Deutschlands einen Unterschied gegenüber anderen Einwanderernationen ausmache. Gegen das Prinzip des
freien Handels, das die Briten verfolgten, sei das deutsche Handeln durch
ein Konzept des Protektionismus gekennzeichnet. Die Deutschen seien wie
auch die US-Amerikaner erfolgreich
mit billigen Produkten auf den salvadorianischen Textilmarkt vorgedrungen,
wo sie die führende Position der Briten
32
verdrängten. Tatsächlich findet man
Deutsche in einem breiten Spektrum
gewerblichen Handelns. Die von Karl
Sapper veröffentlichten Handelsdaten
bestätigen zumindest den Erfolg der
Wirtschaftsbeziehungen zwischen El
Salvador und Deutschland, das in den
letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zum größten Abnehmer salvado33
rianischer Produkte geworden war , in
erster Linie natürlich des Kaffees. Diese
Entwicklung wurde mit dem Beginn
des Krieges vorläufig beendet. Die Geschichte der Einwanderung endet damit jedoch nicht.
Jürgen Hübner unterrichtete von
2003 bis 2011 die Fächer Biologie
und Geschichte an der Deutschen Schule
San Salvador in El Salvador.
28
Browning, El Salvador. S. 248f.
Browning, El Salvador, S. 270f.
30
Sievers, Süd- und Mittelamerika. S. 598
31
Halle, Amerika. S. 461
32
Martin, Salvador. S. 133ff.
33
Sapper, S. Mittel-Amerika, S. 80f.
29
3/2012
Geschichtliches
Quellen:
Bromme, Traugott. Traugott Bromme’s
Hand- und Reisebuch für Auswanderer
und Reisende nach Nord-, Mittel und Südamerika. (Den gesamten Vereinigten Staaten, Canada, Brasilien, Chile, Nicaragua,
Venezuela, Mejiko u.s.w.).
Bamberg 71853
Browning, David. El Salvador. La tierra y el
hombre. San Salvador 1975
Bülow, Alexander von. Auswanderung
und Colonisation im Interesse des deutschen Handels. Berlin und Posen 1849
Dalton, Roque. El Salvador. Monografía.
San Salvador 1989
Dane, Hendrik. Die wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu Mexiko und Mittelamerika im 19. Jahrhundert. Köln, Wien
1971
Deininger, Elisabeth. Familiengeschichte
Deininger. O.o.O.J. (Hamburg 2009)
Fröschle, Hartmut. Die Deutschen in
Lateinamerika. Schicksal und Leistung,
Erdmann, Tübingen/Basel 1979
Halle, Ernst von (Hrsg.). Amerika. Seine
Bedeutung für die Weltwirtschaft und
seine wirtschaftlichen Beziehungen zu
Deutschland, insbesondere zu Hamburg.
Hamburg 1905
Jaspersen, Gerd. Ein Bogen von Preussen
nach Mittelamerika. Die Geschichte El Salvadors und die Chronik der Familie Bogen–Deininger bis 1952. Figino (Schweiz)
1997
Lardé y Larin, Jorge. El Salvador: Inundaciones e incendidos, erupciones y terremotos. San Salvador 22000
Literaturempfehlung
Jürgen hübner: die deutschen und el
salvador. Von den ersten Berichten bis in die
Mitte des 20. Jahrhunderts. 174 Seiten, kartoniert, Format 21 x 28 cm, San Salvador 2011.
Der Band ist nicht im Buchhandel erhältlich.
Interessierte GLOBUS-Leser können ihn zum
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Redaktion bestellen. Weltweiter Versand ist
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„Eine ,Geschichte der Deutschen in El Salvador‘ blieb für lange Zeit ein unerfüllter Wunsch. Diese immer als schmerzlich
empfundene Lücke hat jetzt Herr Jürgen Hübner geschlossen, ... getreulich
alles zusammengetragen, was an frühesten Nachrichten in deutscher Sprache über das heutige El Salvador veröffentlicht worden ist. Er hat sich auf die
Spuren der ersten Deutschen gesetzt, die das Land bereist und darüber berichtet haben, hat die Schritte der ersten deutschen Familien verfolgt, die
eine neue Heimat in El Salvador suchten, hat den Einfluss von Deutschen auf
wirtschaftliche Entwicklung, Landwirtschaft, Wissenschaft, Kartographie, Archäologie, bildende Kunst, Musik, Militärwesen und vieles andere mehr akribisch erforscht und beschrieben.“
Aus dem Vorwort von Dr. Christian Stocks,
Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in El Salvador
Reichardt, C.F. Centro-Amerika. Nach den
gegenwärtigen Zuständen des Landes
und Volkes, in Beziehung auf die Verbindung der beiden Oceane, und im Interesse der deutschen Auswanderung bearbeitet von C.F. Reichardt. Braunschweig
1851
Martin, Percy F. Salvador of the XXth century. London 1911
Sapper, Karl. Mittelamerika. Heidelberg
1937
Scherzer, Karl. Wanderungen durch die
mittel-amerikanischen Freistaaten Nicaragua, Honduras und San Salvador. Braunschweig 1857
White, Christopher M. The History of El
Salvador. Portland 2009
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ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHE KULTURBEZIEHUNGEN IM AUSLAND
G 3560 41. Jg. Heft 2/2009
ARGENTINIEN:
IM BLICKPUNKT:
JUGENDAUSTAUSCH:
Die Gauchos
„La Porteña“
Sachsen-Anhalt –
In aller Welt zu Hause
Ignacio aus
Santiago de Chile
27
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Anna-Tuerr-denkmal
in Kitchener, Ontario,
Kanada
Alljährlich findet am 19. Juli in Mannheim, einer kleinen Vorstadt von Kitchener, eine Gedenkfeier zum Todestag von Anna Tuerr statt. Mitglieder der
deutschen Klubs, deutschen Kirchen,
Vertreter der Föderalen und der Provinzregierung sowie der Bürgermeister
halten kurze Ansprachen. Deutsche
Chöre tragen zur Feier bei. Der kleine
Park mit dem Denkmal steht mitten in
einem Wohngebiet und wird von der
Gemeinde Mannheim gepflegt.
Anna Tuerr wurde als 17-jähriges
Mädchen in ein russisches Arbeitslager
verschleppt. Die seelischen und körperlichen Strapazen zeichneten sie für
den Rest ihres Lebens. Kanada wurde
ihre zweite Heimat. Hier lernte sie ih-
Rund um den Globus
ren Mann kennen. Paul Tuerr, ein sehr
erfolgreicher Bauunternehmer, kam
1948 nach Kitchener. Als Donauschwabe hatte er seine Heimat und
Habe in Jugoslawien verloren. In Kitchener fand er ein neues Zuhause. Er
erschloss Bauland und errichtete über
1.000 Häuser und Wohnblöcke.
Paul Tuerr kämpfte immer gegen
das Vergessen. Er war der Meinung,
dass dieser Teil der Geschichte in den
Schulen unterrichtet und in der Öffentlichkeit verbreitet werden sollte. „Lasst
uns über die Leute und ihre Leiden
sprechen“, war seine Ansicht. Es war
dieses Denken, dieser Wunsch nach
gerechter Anerkennung aller Leiden,
das ihn veranlasste, das „Anna Tuerr
Memorial“ in seinem letzten Bauprojekt zu errichten. Eine zweisprachige
Mahntafel informiert über Flucht und
Vertreibung zwischen 1944 und 1948.
Paul Tuerr starb am 14. Juni 2012 im Alter von 91Jahren.
Anton Bergmeier,
Deutsch-Kanadischer Kongress Ontario
Wahlrecht für Auslandsdeutsche in bisheriger
Form verfassungswidrig
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe muss die
Bundesregierung das Wahlrecht für
Auslandsdeutsche reformieren (AZ: 2
BvC 1/11, 2 BvC 2/11 – Beschluss vom 4.
Juli 2012). Bisher war es an die sogenannte Sesshaftigkeitsbedingung geknüpft, also daran, ob jemand irgendwann – und sei es als Säugling – drei
Monate ununterbrochen in Deutschland gelebt hat. Zwei deutsche Grenzgänger aus Ostbelgien hatten dagegen
geklagt und argumentiert, dass sie
zwar nie in Deutschland gewohnt hätten, aber dennoch mit den dortigen
Verhältnissen vertraut seien und nicht
von Wahlen ausgeschlossen werden
dürften. Demgegenüber erlaube das
gegenwärtige Recht einem Auswande-
28
rer, der das Land vor Jahrzehnten als
Kleinkind verließ und keine Beziehung
mehr zu seiner alten Heimat hat, die
Geschicke dort durch seine Wahlbeteiligung mit zu entscheiden. Dies sei
eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung, worin ihnen das
Gericht folgte.
WB
historische Gesellschaft
von Mecklenburg
Ober-Kanada
Die Jahreshauptversammlung wählte
am 28. August 2012 in Toronto das Direktorium für 2012/13. Ihm gehören
an: Volker Boehnke, Hartmut Fröschle,
Maria Gerlsbeck, Erich Holy, Christian
Klein, Edward Stahlberg und Lothar
Zimmermann.
Anliegen der vor 40 Jahren gegründeten Gesellschaft ist nach wie vor
die größere Beachtung des Beitrags
der deutschsprachigen Siedler an der
Entwicklung Kanadas in der Geschichtsschreibung dieses Landes. Die
vielseitigen Möglichkeiten dazu wurden genannt, wie z. B. die Unterstützung der deutschen Vereine und
Sprachschulen, das Erhalten bestehender Denkmäler und Gedenktafeln und
deren Vermehrung, die Weitergabe
der deutschkanadischen Jahrbücher an
die Nachfolgegeneration und an kanadische Freunde, sowie die Beteiligung
an den Feiern zum German Pioneers Day
– einem Tag, der von der Ontario-Regierung im Jahre 2000 eingeführt
wurde.
Die von der Gesellschaft publizierten Jahrbücher (18) außer Band 10
und 12 sind noch erhältlich – aus Anlass des 40-jährigen Bestehens zum
halben Preis von 12 Can. $. Die Vierteljahresschrift Canadiana Germanica, zusammengestellt von Professor Zimmermann, ist im Mitgliedsbeitrag von 28
Can. $ eingeschlossen. Kontakt:
[email protected].
Christian Klein
Rund um den Globus
In Memoriam
Werner Reckziegel und
dr. Nikolaus Bruck
Die Deutsche Weltallianz (DWA) erfüllt
die traurige Pflicht bekannt zu geben,
dass zwei ihrer Mitglieder verstorben
sind. Werner Reckziegel, Stellvertretender Präsident der DWA, verstarb
am 23. August 2012. Am 31. August
schied auch Dr. Nikolaus Bruck, Direktor der DWA, aus dem irdischen Leben.
Werner Reckziegel wurde am 30.
September 1934 in Gablonz im Sudetenland geboren. Der Tradition seiner
Vorfahren folgend erlernte er das
Kunsthandwerk der Glasbläserei. Das
Schicksal der Vertreibung von über
drei Millionen Sudetendeutschen blieb
auch ihm und seiner Familie nicht erspart. Zunächst fand die Familie in
Magdeburg Zuflucht, später bemühte
sie sich in Bayern, im Umfeld von
Schutt und Asche eine neue Existenz
aufzubauen. Gemeinsam mit 28 anderen Familien entschloss sich Werner
Reckziegel nach Argentinien auszuwandern, wo qualifizierte Fachkräfte
für die Glasindustrie gesucht wurden.
Neben der beruflichen Arbeit war Werner Reckziegel mit seiner Familie auch
für seine Landsleute aktiv. So wirkte er
als Vorsitzender der deutschsprachigen
Gemeinschaft in Argentinien (FAAG)
und in der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Für seine Verdienste erhielt er das deutsche Bundesverdienstkreuz verliehen.
Dr. Nikolaus Bruck erlitt ein ganz
ähnliches Schicksal. Er kam als Donauschwabe 1932 in Medja in Jugoslawien
zur Welt. 1944/45 setzte der Terror der
Tito-Partisanen gegen die deutsche
Volksgruppe ein. Die Familie Bruck
wurde vertrieben und hielt sich zunächst in Österreich auf. Die schlechte
soziale Lage und die wenigen Hoffnungen, die Österreich den Heimatvertriebenen machen konnte, brachten die
Familie in die USA. Nikolaus Bruck
wurde 1962 US-amerikanischer Staatsbürger. Später machte er als Ökonom
in der Weltbank und in der Inter-American Development Bank (UNIDO) Karriere, ehe er im Anschluss als Hochschullehrer arbeitete. Er lehrte als Professor für Wirtschaft und Finanzen an
mehreren Universitäten. Dr. Nikolaus
Bruck bemühte sich neben seiner beruflichen Laufbahn auch um das kulturelle Erbe der Donauschwaben in den
USA.
Dr. Peter Wassertheurer, Wien
Präsident der DWA
Ortsnamengesetz in
südtirol umstritten
Der Südtiroler Schützenbund (SSB) kritisiert den Toponomastik-Gesetzentwurf als oberflächlich und ohne jede
wissenschaftliche Grundlage. Er befürchtet, dass dadurch die von Ettore
Tolomei erfundenen pseudoitalienischen Namen per Landesgesetz
„durch die Hintertür anerkannt und
zementiert werden“. Es werde zwar
die Wichtigkeit der Tradition, Herkunft
und der scheinbaren „wissenschaftlichen Absicherung“ der Ortsnamen beteuert, an keiner Stelle würden jedoch
die Namenkonstruktionen Tolomeis
und die faschistischen Namensdekrete
zur Sprache kommen. Zwar sei vorgesehen, all jene Namen, und damit
auch die deutschen und ladinischen,
amtlich festzulegen, die vor Ort gebräuchlich sind; es werde jedoch nicht
erklärt, worauf der Gebrauch der Namen, speziell der italienischen, basieren solle.
SSB, Bozen
3/2012
many“ um Einwanderer. Die Redaktion
des Portals übertrug sie dem „Kompetenzfeld Humankapital und Innovation“ des Instituts der deutschen Wirtschaft. Der Werbespruch lautet „Germany is quality of life. Be part of it.“
Neben Videobotschaften der zuständigen Bundesminister und beispielhaften
„I made it“-Videos gibt es eine Fülle
von Informationen, den Quick-Check
sowie die Versicherung „Germany is a
warm welcome.“ Ein kurzer Abschnitt
„Die Deutsche Sprache“ wurde vom
Kompetenzfeld Humankapital ebenfalls
erarbeitet.
WB
Wilkum zu Kutzeschtettel
uff deitsch
Kutztown hat als erste Gemeinde in
Pennsylvania (USA) ein Willkommensschild im pennsylvaniendeutschen Dialekt aufgestellt. Unser DPAK hat sich
seit Jahren darum bemüht, und somit
ist einer unserer Träume Realität geworden. Wir hoffen, dass noch viele
Gemeinden in Pennsylvania diese Aktion nachahmen werden.
Frank Kessler, Deutsch-Pennsylvanischer
Arbeitskreis e.V., Ober-Olm
„Make it in Germany“
Weltweit, auch in nicht-englischsprachigen Ländern, wirbt die Bundesregierung im Internet über das neue
Willkommensportal „Make it in Ger-
29
3/2012
Literatur
Ludwig Uhland (1787–1862): ein Liebling der Auslandsdeutschen
Im 19. Jahrhundert war der Ruhm Uhlands unerhört und die Liebe zu ihm in
allen Schichten des Volks so lebendig,
dass er mehrfach als „Hausgott“ oder
„Hausgeist“ des deutschen Volkes bezeichnet wurde. Aber auch im Ausland
war sein Name weit bekannt, vor allem
durch die deutschen Auswanderer und
ihre Nachfahren.
Der Nationalökonom Friedrich List
notiert 1825 in seinem Tagebuch: „Am
15. April mit Tagesanbruch zogen wir
weiter […] Heute sollten wir Deutschland verlassen und alles, alles, was uns
lieb und teuer darinnen gewesen,
auch! Vielleicht auf immer, und hinausziehen über das Weltmeer […] Es war
einer der schönsten Frühlingsmorgen,
die ich gesehen. Eben warf die Sonne
ihre ersten Strahlen über die paradiesische Gegend der Pfalz. Der Anblick
goß lindernden Balsam auf unseren
Schmerz, und bald sangen wir mit
fröhlicher Stimme alle Lieder, die wir
von Schiller wussten, und zuletzt Uhlands scherzhaftes: So muss ich denn
die Stadt verlassen etc. Die Leute, die
uns begegneten, mussten uns eher für
die Familie eines zu höheren Würden
gelangten bayrischen Siegelmäßigen
halten als für vertriebene Auswanderer.“
Sie nahmen ihre Uhland-Ausgaben
mit in die neue Welt; und wo weiterer
Bedarf bestand, bestellte man sie in
Deutschland oder ließ sie gleich im
Lande drucken. In Philadelphia erschienen im 19. Jahrhundert acht deutschsprachige Ausgaben von seinen Gedichten, in New York bis 1914 sechs,
und sogar drei mit dem Druckort London (England). Eine nach ihm genannte Stadt in den USA ging in die Literatur ein durch das Buch der
deutschamerikanischen Autorin Mathilde Franziska Anneke „Uhland in Texas“ (1865). Sein Lied „Einkehr“ wurde
zu einem amerikanischen Volkslied. Im
Januar 1857 bekam er einen Brief vom
30
New Yorker Uhlandbund: „Unsern Uhland grüßen wir in der innigsten Verehrung und der herzlichsten Liebe.“ Im
Lutherischen Kirchenblatt vom 1. Juli
1887 konnte man lesen: „Der Stadt Baltimore gehört der Ruhm, dass in ihr
auch Englisch-Amerikaner den 100.
Geburtstag Uhlands weit zahlreicher
gefeiert haben als in jeder anderen
Stadt. Schon vor Wochen fand daselbst
in der John Hopkins Universität eine erhebende Vorfeier statt, der auch viele
englisch-amerikanische Herren und
Damen beiwohnten und die hauptsächlich aus einer vortrefflichen Gedenkrede des Prof. Goebel bestand.
Am 26. April aber wohnten besonders
den Uhland-Feierlichkeiten in den dortigen englisch-deutschen öffentlichen
Schulen verhältnismäßig mehr Englisch-Amerikaner bei als deutschamerikanische „Prominente“. […] und nicht
nur deutsch-amerikanische, sondern
auch zahlreiche englisch-amerikanische Kinder trugen mit großem Verständnis Uhlands Gedichte im deutschen Texte vor. Doch nicht genug damit, dass sich an den oben erwähnten
Feierlichkeiten viele Englisch-Amerikaner beteiligten, hielt bei der Feier des
Baltimorer Schwabenvereins der englisch-amerikanische Professor Dr. Wood
von der John Hopkins Universität eine
treffliche Rede in bestem Deutsch.“
Auch in Lateinamerika hinterließ
Uhland Spuren. Karl Götz berichtet in
seinem Buch „Brüder über Land und
Meer“ Folgendes über einen steinreichen Auswanderer: „Heinrich Müller
starb in Chihuahua und hinterließ neben seinen Häusern, Bergwerken, Fabriken und Spinnereien die Landgüter
[…] Auf dem Weg zu der Hacienda Tabalaopa fuhren wir durch die Straßen
der Silberminenstadt […]. Wir gingen
durch den hohen kühlen Bogengang.
Der weite Hof war verwildert […]. Die
Türen zu den Zimmern standen offen.
In einem hohen Raum, dem ehemaligen Bibliothekszimmer, hingen helle
silberblumige Tapeten von den Wänden. Sie waren aus Berlin gekommen
[…] Aus dem Boden waren einige Bretter losgerissen. Der Schmutz lag fußtief. An der Decke hing ein ganzer
Schwarm Fledermäuse. In einer Ecke
Neuerscheinung
anlässlich des 150. Todestages des
schwäbischen Dichters, Politikers
und Wissenschaftlers
hartmut Fröschle (hrsg.):
hausgeist des deutschen Volkes.
eine Wirkungsgeschichte Ludwig
Uhlands in Zitaten.
ISBN 978-3-8260-5042-8,
388 Seiten, Verlag Königshausen
& Neumann, Würzburg 2012,
Preis 39,80 Euro.
Erhältlich im Buchhandel oder beim
Herausgeber (Ailenbergstraße 6,
70329 Stuttgart).
Literatur
lag ein Buch im Schutt. Ich hob es auf:
Uhlands Gedichte. Auf der ersten Seite
stand der Name des Mannes, dessen
Land nun alles aufgeteilt war und dessen ausgeraubte Paläste zerfielen. Der
Name des Mannes, den das Volk den
Fürsten von Chihuahua genannt
hatte.“
Auch nach Osten strahlte Uhlands
Werk aus. Die Petersburger Zeitung
berichtete am 28. Februar 1863: „Den
20. Februar versammelte sich die St.
Petersburger deutsche Liedertafel in
ihren gewohnten Räumen, um eine
Feier zum Gedächtnis Ludwig Uhlands
zu begehen. Zahlreiche Gäste hatten
sich eingefunden. Die Feier begann um
acht Uhr abends mit „Schäfers Sonntagslied“ („Das ist der Tag des Herrn“)
von Kreutzer. […] Er sang auch frische
Jagd- und Wanderlieder; er sang von
Freundschaft, Vaterland, Glauben! –
aber alles das ist es nicht, was ihm die
Herzen des ganzen Volkes so eigen
machte, was bewirkte, dass das ganze
deutsche Volk ihn liebte, das ganze
deutsche Volk trauernd an seinem
Grabe stand. Denn gesungen wurden
alle diese schönen und herrlichen
Dinge schon vor und mit ihm und –
wie wir nicht leugnen können – mit
nicht geringerer poetischer Kraft. […]
3/2012
Dass Uhland nicht nur der Sänger seines Volkes, dass er ein freier gesinnungstüchtiger deutscher Mann war,
der eintrat mit der ganzen Kraft seiner
makellosen Persönlichkeit für Wahrheit
und Recht, für Deutschlands Glück und
Größe, dass er frei von jedem eitlen
Wesen, von jeder Selbstsucht und Leidenschaft, unbekümmert um Parteiund Fürstengunst die freie breite Brust
hinpflanzte zum Schilde vor das bedrohte Recht, das war die eine seiner
Eigenschaften, die ihn so tief gebettet
hat in die innersten Kammern aller
deutschen Herzen.“
Prof. Dr. Hartmut Fröschle
Neu im Netz: Kulturportal West – Ost
Zwei stiftungen gehen zeitgemäße Wege der Öffentlichkeitsarbeit
Erst seit diesem Sommer ist im Netz
eine der interessantesten Plattformen
zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa freigeschaltet: das Kulturportal West – Ost. Es
wird gemeinsam von der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen und
der Stiftung Deutsche Kultur im östlichen Europa – OKR (Ostdeutscher Kulturrat) verantwortet und vereint unter
www.kulturportal-west-ost.eu
eine
umfassende Datenbank zu den Trägern
ostdeutscher Kulturarbeit und den Biographien großer Persönlichkeiten aus
dem historischen deutschen Osten.
Darüber hinaus sind die immer wieder
lesenswerten Ausgaben der OKR-Zeitschrift Kulturpolitische Korrespondenz abrufbar, und es finden sich Veranstaltungshinweise ebenso wie Hinweise
auf Buchneuerscheinungen.
Mit dem inhaltsreichen und optisch ansprechenden Netzauftritt wollen beide Stiftungen aus ihrem Nischendasein in puncto Öffentlichkeitswirksamkeit herauskommen. Kulturstiftung wie OKR leiden nicht nur unter den Niedrigzinsen unterhalb der
Inflationsrate, die ihr Stiftungskapital
zusehends aufzehrt, sondern auch unter Überalterung der Gremien sowie
dem Fehlen eines gesellschaftlich breiter verankerten Förderermilieus einerseits und hartnäckigen Vorbehalten in
Teilen der politischen und medialen
Machteliten andererseits. Letztere sind
inzwischen zwar rückläufig, haben
aber im Jahr 2000 zur folgenschweren
Einstellung der institutionellen Förderung durch die Bundesregierung geführt. So musste für die bis dato oft zu
enge Bindung an die (Partei-)Politik
ein hoher Preis entrichtet werden, der
das Fortbestehen beider Stiftungen im
zurückliegenden Jahrzehnt wiederholt
fraglich erschienen ließ.
Die Jahrestagungen der in Bonn ansässigen Kulturstiftung der deutschen
Vertriebenen erfreuen sich in interessierten Kreisen wegen der in der Regel
hohen Qualität der Referenten großer
Beliebtheit. Und die zahlreichen Veröffentlichungen der Kulturstiftung wirken zumindest teilweise über den begrenzten und stetig kleiner werdenden
Kreis der Vertriebenengenerationen hinaus. Beispielhaft sei die 1965 begonnene, Jahr für Jahr – zuletzt auch in
Doppelbänden – fortgesetzte Reihe
„Ostdeutsche Gedenktage“ genannt.
Während hier die Breitenwirkung ausdrücklich gewollt ist und sich in den facettenreichen, knapp gehaltenen, für
den Leser kurzweiligen Porträts spiegelt (was den wissenschaftlichen Gehalt jedoch keineswegs beeinträchtigt), sind andere Veröffentlichungen
speziellerer Natur. Werke wie der 2010
bei Duncker & Humblot erschienene,
von Carola L. Gottzmann herausgegebene Sammelband „Deutschsprachige
Literatur im Baltikum und in Sankt Petersburg“ dienen der Vertiefung des
Wissens um die deutschen Spuren im
Osten und sind in der Fachwelt als
Standardwerke anerkannt.
Martin L. Schmidt
Kontakt:
– Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Kaiserstr. 113, 53113 Bonn,
Tel.: 0228/ 91512-0, kulturstiftung
@t-online.de
– Stiftung Deutsche Kultur im östlichen
Europa – OKR, Cäsariusstr. 91, 53639
Königswinter, Tel.: 02223/9066011-2,
[email protected]
31
3/2012
Literatur
Wörterbuch überflüssiger Anglizismen
Diesem Wörterbuch hätten wir lieber
keine Neuauflage gewünscht. Eine Erfolgsgeschichte ist es nicht, wenn es
seit 1999 die nunmehr 9., erheblich erweiterte Auflage erleben muss. Wovon
Verleger normalerweise träumen, ist in
diesem Fall ein Armutszeugnis. Und es
sind nicht zuvorderst Sprachwissenschaftler, die sich gegen die massive
Verdrängung der deutschen Sprache
stemmen, sondern eine Initiative von
Bürgern, die aus Wertschätzung und
Liebe zu ihrer eigenen Sprache eine Sisyphusarbeit leisten, die ihnen nebenbei noch viel Spott und Häme seitens
der Machthaber in Politik, Wissenschaft
und Wirtschaft einbringt.
Denn dass Anglizismen nicht „einfach so“ in die deutsche Sprache eindringen, wir es lediglich mit der „natürlichen Sprachentwicklung“ zu tun hätten, wie gerne abwiegelnd behauptet
wird, liegt auf der Hand. Man braucht
nur zu beobachten, wie Unternehmenslenker keine Mühe und Kosten
scheuen, um Agenturen damit zu beauftragen, für neue technische Erfindungen und Produkte englisch klingende Namen gleich mit zu erfinden –
oder am besten gleich die ganze Firma
umzubenennen, wenn sie noch gar zu
deutsch klingt. Wer erinnert sich noch,
dass der weltgrößte Rückversicherer
„Munich Re“ bis vor kurzem „Münchener Rückversicherung AG“ hieß, die
„Evonik Industries“ ihre Wurzeln in der
„Ruhrkohle AG“ hat, in „E.ON“ die
„Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks
AG“ steckt? Auch die Politik leistet auf
allen Ebenen ganze Arbeit: Inzwischen
dürften sämtliche Flughäfen zu „Airports“ umgeschildert sein, viel tragischer ist aber das Wirken des öffentlichrechtlichen Rundfunks. Wozu ein Redakteur schon 1989 den Sender „Bayern 3“ beglückwünschte – denn der sei
ja nun von Deutschsprachigem weitgehend „entrümpelt“ – ist inzwischen die
gefühlte Wirklichkeit auf fast allen Kanä-
32
len. Fairerweise muss man sagen, dass
sich die Verantwortlichen die anhaltenden Proteste aus dem Volk schon zu
Herzen nehmen. Um die deutschsprachigen Quälgeister zu besänftigen, reservierte der Bayerische Rundfunk zunächst eine Sendestunde „Deutsch
nach acht“, während derer diese Ewiggestrigen nun ihrer Sprache frönen
dürfen. Da das Genörgel kaum nachließ
und einige glaubten, durch Bezahlung
ihrer Zwangsgebühren auch ein Anrecht zu haben, ihre Muttersprache zu
hören, wurde jetzt ein zusätzlicher Kanal „Bayern Plus“ eingerichtet, ganz auf
der Linie des auch von der deutschen
Bildungspolitik längst ausgegebenen
Mottos „Englisch ein Muss, Deutsch ein
Plus“. Dass es ihr auf die Sprache des
Volkes im Zweifelsfall nicht ankommt,
nicht einmal in der Rechtsprechung,
die „im Namen des Volkes“ urteilt und
in einem Rechtsstaat üblicherweise das
Ergebnis eines öffentlichen Verfahrens
Rudolf Bartzsch, Reiner Pogarell, Markus schröder (hrsg.):
Wörterbuch überflüssiger Anglizismen, 9. Aufl., ISBN 978-3942409-15-5, 284 Seiten, kart.,
IFB Verlag Deutsche Sprache,
Paderborn 2012, Preis 11,20 Euro
ist, lässt auch die Bundesregierung wis1
sen. „Öffentliche Kontrolle“ finde
schließlich heutzutage über die Medien statt, und diesen bliebe doch die
Möglichkeit, zu einem englischsprachigen Verfahren oder der Pressekonferenz einen dieser Sprache mächtigen
2
Vertreter zu entsenden. Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ scheint diese
Vorgabe beherzigt zu haben, als es einen Redakteur zum Wirtschaftstag der
deutschen Botschafterkonferenz mit
dem deutschen Außenminister nach
Berlin schickte, denn es berichtete:
„Guido Westerwelle, der Gastgeber,
hält nur sein Eingangs- und Schlusswort auf Deutsch, dann wechselt auch
er ins Englische […]. Vorbei die Zeiten,
als Westerwelle kurz nach dem Wahlsieg 2009 noch einen Journalisten anraunzte, weil dieser es gewagt hatte,
eine Frage auf Englisch zu stellen. Auch
der FDP-Politiker ist längst in seinem
3
Amt angekommen.“ Zu solcher Art
Amtsverständnis passt es lückenlos,
wenn die im Zuge der Euro-Krise bei
der EU anzusiedelnden neuen Überwachungs-, Kontroll-, Stabilisierungs- und
Regulierungsaufgaben damit automatisch im englischen Sprachgebrauch installiert werden – kommentarlos, alternativlos, für deutsche Bundespolitiker
offenbar bedeutungslos.
Hier hilft auch das „Wörterbuch
überflüssiger Anglizismen“ nicht mehr.
Kaufen Sie es sich trotzdem und schlagen Sie nach, wenn Ihnen ein Eiferer
weismachen will, dieses oder jenes
könne man nicht auf Deutsch ausdrücken. Vielleicht entdeckt mancher dabei, dass der kreative Umgang mit der
eigenen Sprache sogar Spaß machen
kann.
Dr. Wolfgang Betz
1 Bundestags-Drucksache 17/2163 vom
16.6.2010, Anlage 2
2 Vgl. Stellungnahme zum Gesetzentwurf BT-Drucksache 17/2163 durch
Prof. Dr. Hanns Prütting.
3 Spiegel online am 28. August 2012
Literatur
steinland
Der Gedanke treibt uns schon länger
um, wie wir ihn uns vorstellen dürfen,
den Pädagogen, den wir als Vorbild für
unsere heranwachsende Jugend gelten
lassen können. Nun fällt uns bei der
Sichtung literarischer Neuerscheinungen Bernhard Jaumann auf: „Steinland“, „Kriminalroman“, auf dem
Schutzumschlag das Bild eines Windmotors im dürren Gras – für Kenner ein
Wahrzeichen der südwestafrikanischen
Landschaft.
Einiges über diesen Mann ist
schnell herauszufinden: Bayerischer
Gymnasiallehrer für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde, Wurzeln im
Sudetenland, aufgewachsen in Augsburg … – Dass solche Leute auch ihre
dunkle Seite haben, versteht sich fast
von selbst. Jaumann, selbstbewusstes
1
Mitglied des „Syndikats“ , hält damit
auch nicht hinter dem Berg: Ob durch
den Schuldienst oder seine ersten Romane, jedenfalls wurde ihm der Boden
in Bayern zu heiß und er notiert in seinem Lebenslauf: „Sicherheitshalber jedoch immer wieder Flucht und Verlegung des Lebensmittelpunkts zuerst
nach Sydney, später nach Mexiko-Stadt
und dann nach Windhoek/Namibia,
wo der Autor von 2005 bis 2011 weitere Verbrechen ersonnen hat …“
Wenn Sie keine Scheu haben, in die
Abgründe dieser Taten mit hineingezogen zu werden, dann folgen Sie der Kriminalkommissarin Clemencia Garises,
als sie auf die Farm Steinland gerufen
wird, deren deutscher Eigentümer Gregor Rodenstein in der Nacht zuvor ermordet wurde. Ein Raubüberfall? Das
wäre nichts Ungewöhnliches. „Africa is
violent“ (Afrika ist gewalttätig), lautet
ein geflügeltes Wort im Süden des Kontinents. Oder gibt es einen Zusammen-
Tsingtau – deutsches erbe in China
Sich mit China zu beschäftigen, liegt angesichts der stetig wachsenden wirtschaftlichen und außenpolitischen
Macht des „Reiches der Mitte“ auf der
Hand. Einen spezifisch deutschen Zugang bietet die Geschichte und Gegenwart der einstigen Kolonie Kiautschou
mit Tsingtau, dem heutigen Qingdao,
als Zentrum. Um welch ein wertvolles,
eher völkerverbindendes denn trennendes Kapitel der Kulturgeschichte es sich
dabei handelt, macht das sehr ansprechend illustrierte Buch von Hans Georg
Prager mit dem Titel „Tsingtau/Quingdao. Deutsches Erbe in China“ deutlich.
Allen zeitbedingten imperialistischen Irrungen zum Trotz war die Entwicklung des abgelegenen ärmlichen
Fischerdorfs Tsingtau mit seinen rund
300 Hütten zu einer vor dem Ersten
Weltkrieg etwa 70.000 Einwohner zählenden modernen Stadt eine erstaunliche Erfolgsgeschichte. Bereits der Re-
volutionär und Kuomintang-Gründer
Sun Yat-sen hatte es nach einem Besuch zum Modell für die chinesische
Stadt der Zukunft erklärt und Deutschland zum Vorbild für die Schaffung eines modernen Chinas.
Die Deutschen brachten eine Vielzahl technischer Errungenschaften mit:
fließend Wasser, elektrischen Strom,
Krankenhäuser, Autos, Telefone sowie
eine noch immer funktionierende Kanalisation.
Noch bis in die 1990er-Jahre hinein
mussten viele alte Kolonialgebäude unschönen Neubauten weichen, da sie als
Schandmal der Fremdbestimmung galten. Seither kümmert sich ein örtlicher
Verein liebevoll um die Erhaltung der
zumeist denkmalgeschützten kolonialen
Bausubstanz. Teile der einstigen Germania-Brauerei sind mittlerweile als sehenswertes Museum mit Übergang in den
modernen Teil der Abfüllanlage zu be-
3/2012
Bernhard Jaumann:
steinland; Kriminalroman,
ISBN 978-3-463-40570-4,
320 Seiten, geb., RowohltVerlag (Kindler), Reinbek
bei Hamburg 2012, Preis
19,95 Euro
hang mit der von der Regierung geplanten Landreform, durch die Rodenstein womöglich enteignet worden
wäre? Jaumann gibt die Antwort, was
sich in dieser kalten, klaren Winternacht
in Namibia zutrug: „Die Steine schrien
aus dem Grau der Nacht. Sie seufzten
nicht und jammerten nicht, es war kein
Flüstern, kein Tuscheln, kein sachtes
Wispern im Wind. Sie brüllten so laut …“
Dr. Wolfgang Betz
1 Das Syndikat ist die Vereinigung
deutscher Krimischriftsteller.
hans Georg
Prager: Tsingtau/Qingdao.
deutsches erbe
in China,
252 Seiten,
geb., Ares Verlag,
Graz 2012. ISBN 978-3-902475-93-0,
Preis 29,90 Euro
sichtigen, und die ehemalige Gouverneursresidenz fungiert ebenfalls als Museum, mit Originalmöbeln aus Stuttgart
und Fotografien aus der Kolonialzeit.
Heute ist Tsingtau samt Umland zu
einem Ballungsgebiet mit ungefähr 8,3
Millionen Einwohnern geworden, von
denen allein knapp drei Millionen im
Stadtkern leben. Das Wassersportdomizil Tsingtau genießt nicht zuletzt wegen seiner zahlreichen schmucken wilhelminischen Bauten ein mondänes
Image.
Martin Schmidt
33
3/2012
Literatur
Von Löb strauß zu Levi strauss
„Vom fränkischen Tropfhaus zum amerikanischen Weltkonzern“, möchte
man als Untertitel zu dieser Lebensgeschichte hinzufügen. GLOBUS-Leser,
die die Biographie des berühmten
Jeans-Fabrikanten in Grundzügen ken1
nen werden eine weiterführende Lektüre gespannt erwartet haben. Nun
liegt sie vor, und es ist ein gelungenes,
höchst erfreuliches Werk!
Dr. Hans Schaub, von Beruf Schuldirektor und ausgewiesener Kenner der
Auswanderungsgeschichte aus seiner
Heimat Oberfranken nach Nordamerika, forschte dafür in seiner Freizeit
mehrere Jahre lang in deutschen und
amerikanischen Archiven. Das Ergebnis
ist ein professionelles Werk, das trotz
seines wissenschaftlichen Anspruchs
angenehm zu lesen und durch die vielseitige Illustration auch sehr anschaulich geworden ist.
Aus den Jugendjahren des Löb
Strauß sind nur wenige Dokumente
überliefert. Hans Schaub führt seine
Leser zunächst in die wirtschaftliche
Lage Oberfrankens zu Beginn des 19.
Jahrhunderts ein, erklärt „die Zerfallskrise einer alten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung“, bis schließlich ab
1833 die Auswanderung nach Nordamerika einsetzte: „Nun jagten über
ganz Oberfranken die Nachrichten
über Auswanderungen wie ein Flächenbrand.“ Bis zum Jahr 1900, so bilanziert Schaub, wanderten rund zehn
Prozent der Bevölkerung in die Vereinigten Staaten aus.
Besonders prekär war in Franken
die Lage vieler Juden, die sowohl in der
Wahl ihres Wohnortes als auch ihres
Berufes eingeschränkt waren. Noch zu
Beginn des 19. Jahrhunderts durften
sie vielerorts keinen Grund erwerben,
mit Ausnahme des Wohnhauses.
„Tropfhäuser“ nannte man diese, so
Schaub, denn die Grundstücksgrenze
verlief da, wo die Regentropfen vom
Dach rannen. Löbs Vater Hirsch Strauß
34
war als Hausierer in Buttenheim und
den Nachbardörfern im Landkreis Bamberg unterwegs, um seine Familie mit
sieben Kindern über die Runden zu
bringen. Die jüdischen Einwohner
dürften generell leichter empfänglich
für verlockende Nachrichten aus Amerika gewesen sein, als die auf ihrer
Scholle verwurzelten Bauern. Erkannten sie keine Aussicht auf Verbesserung
ihrer wirtschaftlichen Lage, so beflügelte die Vorstellung schnellen Wohlstands in der Neuen Welt den Entschluss zur Auswanderung. 1836
schlossen sich drei ältere Geschwister
Strauß einer Gruppe Auswanderungswilliger aus Buttenheim an. 1846 starb
der Vater Hirsch Strauß, dessen Arbeit
die Familie bis dahin ernährte. Andererseits hatten die ausgewanderten
Kinder in New York geschäftlich bereits
Fuß gefasst. So lag es nahe, dass auch
die in Franken zunächst zurückgebliebenen Familienmitglieder ihre Auswanderung vorbereiteten und im Jahr 1848
in New York einen neuen Lebensabschnitt begannen. Zurück blieben –
und sind bis heute erhalten – das Ge-
hans schaub: Von Löb
strauß zu Levi strauss, ISBN
978-3-89889-176-9, 112 Seiten,
kart., Heinrichs-Verlag, Bamberg 2011, Preis 10 Euro.
burtshaus des sich nun Levi Strauss
nennenden Löb sowie das Grab des Vaters. Dennoch hat Levi seinen alten
Heimatort nie wieder besucht.
In der Neuen Welt verwirklicht sich
für Levi der sprichwörtliche „amerikanische Traum“, nicht nur der Weg zu
immensem Reichtum: Seine 1873 gemeinsam mit dem Schneider Jacob Davis zum Patent angemeldeten Hosen,
deren Nähte mit Kupfernieten verstärkt
waren – heute Jeans genannt – stehen
symbolhaft für den amerikanischen Lebensstil und machten den Namen Levi
Strauss rund um den Erdball bekannt.
Schaubs Buch endet etwas abrupt
in den 1990er-Jahren mit der Feststellung zu dem nach wie vor im Familienbesitz befindlichen Konzern: „Durch
Strukturmaßnahmen der Firma und Erweiterung des Modellangebotes bleibt
Levi Strauss & Co. auch weiterhin ein
Weltmarktführer in der Jeansbranche.“
Deshalb sei die Ergänzung erlaubt,
dass auch unter wirtschafts- und unternehmenspolitischen Gesichtspunkten
die Betrachtung der Geschicke des
Strauss-Konzerns aufschlussreich ist:
Tradition ist nicht automatisch ein Garant für Zukunft. Das Unternehmen hat
ein schwieriges Jahrzehnt hinter sich,
in dem es annähernd die Hälfte seines
Umsatzes einbüßte. Als es 2004 seine
letzte Fertigungsstätte in den USA
schließen musste, ging ein bedeutendes Kapitel amerikanischer Wirtschaftsgeschichte zu Ende. Die Jeans, die als
Arbeits- und Freizeitkleidung so sehr
den westlichen Lebensstil verkörpert
und vielleicht auch deswegen ein hinter dem „eisernen Vorhang“ begehrtes
und meist unerschwingliches Kleidungsstück war, ist heute Produkt und
Gegenstand globaler Arbeitsteilung
und Vermarktung.
Dr. Wolfgang Betz
1 Vgl. GLOBUS 1/2008, S. 24 f.
Briefe an die Redaktion
3/2012
Kronstädter Lastkraftwagen waren in den 80er-Jahren
wegen Mängeln nicht mehr absetzbar
(Zu Ernst Meinhardt: „Der Freikauf der Rumäniendeutschen in den Jahren des Kommunismus,
GLOBUS 1/2012, S.21 bis 23 und 2/2012, S.35)
Die Aussiedlung der Deutschen hat Rumänien anscheinend mehr geschadet,
als der mit der Bundesrepublik
Deutschland eingefädelte Menschenhandel eingebracht hat. Diesen Schluss
lassen Aussagen des ehemaligen rumänischen Außenministers (1972 bis
1985) und langjährigen Begleiters
Ceauşescus zu. Sie sind in dem Band
„I se spunea Machiavelli. Stǎpânul secretelor lui Ceauşescu. Ştefan Andrei în
dialog cu Lavinia Betea“ (Man nannte
ihn Machiavelli. Der Kenner der Geheimnisse Ceauşescus. Ştefan Andrei im Gespräch mit Lavinia Betea) nachzulesen,
der 2011 im Bukarester Verlag Adevǎrul erschienen ist.
Der Weggang der Deutschen, für
die der deutsche Staat Kopfgelder bezahlt hat, war gleichbedeutend mit
dem Verlust von unersetzbaren hoch
qualifizierten Fachleuten. Was Andrei
nicht sagt, ist aber hierzulande bekannt: Diese Leute waren noch nicht in
Deutschland angelangt, hatten aber
schon einen Arbeitsplatz gesichert,
beispielsweise bei Mercedes, BMW
oder Audi. Der Menschenhandel war
für Rumänien nur scheinbar ein Geschäft, für Deutschland hat er sich auf
alle Fälle gelohnt. Denn: Die Schulund Berufsausbildung eines Jugendlichen hat hierzulande mehr als das
Zehnfache des Kopfgeldes betragen.
Das Kopfgeld betrug in den 1960erJahren im Durchschnitt 3250 Mark, es
wurde 1978 auf 4000 und 1983 auf
7800 Mark erhöht.
Andrei (Jahrgang 1931), der nach
einem Studium der Ingenieurswissenschaften Anfang der 1960er-Jahre in
die Politik gegangen ist und von 1987
bis 1989 Stellvertretender Premier war,
bestätigt damit nur das, was jeder Banat- oder Siebenbürgen-Besucher gut
ein Jahr nach dem Sturz der Diktatur
1989 und dem Massenexodus der
Deutschen zu hören bekommen hat: Es
gibt kaum noch jemanden, der einem
eine Waschmaschine oder einen Fernseher reparieren kann.
Das war für jeden Verbliebenen klar
ersichtlich. Was aber kaum jemand
wusste, das bekennt Andrei gegenüber
Professor Lavinia Betea, die an der Universität „Aurel Vlaicu“ in Arad lehrt: In
den 1980er-Jahren konnten beispielsweise Lastkraftwagen aus Kronstadt
wegen gravierender Mängel nicht
mehr im Ausland verkauft werden. Andrei: „Es hat einen großen Unterschied
gegeben zwischen den Erzeugnissen
aus Bihor, Klausenburg oder Kronstadt
und denen aus Vaslui. Außerdem hat es
einen massiven Bevölkerungswechsel
in Kronstadt gegeben. Das Lastkraftwagenwerk ist moldauisiert worden.“
Und Lavinia Betea fügt hinzu: „In
sämtliche Siebenbürger Berufsschulen
wurden Jugendliche aus der Moldau
gebracht. In Hintergrundgesprächen
hat es geheißen, dass damit ein Bevölkerungszuwachs und ein demografischer Wandel einhergehe, indem die
ungarische Minderheit zurückgedrängt
werde. Die Deutschen aber waren ausgewandert. Dabei waren doch sie es,
die die Gilden gegründet und den
Grundstein der siebenbürgischen Industrie gelegt haben. Die ersten Meister in den verstaatlichten Betrieben waren fast ausschließlich Deutsche und
Ungarn. In dieser traditionsreichen
Meisterschule mit ihrer hohen Arbeitsmoral wurden Generationen von rumänischen Arbeitern geformt.“
Das Banat habe er, Andrei, erstmals
1943 betreten anlässlich eines Besuchs
bei seinem Bruder in Sackelhausen bei
Temeswar; sein Regiment hatte sich
nach Hatzfeld zurückgezogen. Als der
Schwabe, bei dem er übernachtet
hatte, ihm Keller und Speisekammer
zeigte, sei er angesichts des vielen Fleisches und der Schinken aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Andrei: „In Oltenien war das Schwein bis
Mitte März verzehrt.“
Danach sei er in Rekasch und Izvin
gewesen und habe die Obstbäume an
den Straßenrändern gesehen. Andrei
weiter: „Niemand hat dem anderen die
Früchte geklaut, und niemand hat das
zerstört, was allen gehört hat“.
Dieses Verhalten habe sich auch in
der Lkw-Produktion bemerkbar gemacht. Doch das habe sich nach dem
Weggang der Deutschen geändert.
Die Folge: Die Chinesen als Pragmatiker hätten die Autos in ihre Einzelteile
zerlegt und neu montiert. Im Irak habe
Präsident Saddam Hussein seinem rumänischen Kollegen Ceauşescu frei heraus gesagt: Herr Präsident, Ihre Lkws
sind nicht gut. Sehr gut sind Ihre Waffen, aber die Lkws auf keinen Fall. Sie
versagen während der Fahrt. Auch unser Sand mag eine Rolle spielen. Wir
haben sie bezahlt, sie bleiben bezahlt.
Aber ich verlade sie aufs Schiff und
bringe sie auf meine Kosten in den Hafen von Konstanza, und Sie bringen sie
zurück ins Werk zur Überprüfung.“
Der Dialog zwischen Lavinia Betea
und Stefan Andrei offenbart die ganze
Tragödie, in die Rumänien und seine
Bevölkerung mit dem Einmarsch der
Sowjetarmee gestürzt wurde und die
mit dem Sturz des kranken und senilen
Ceauşescu endete.
Johann Steiner, Troisdorf
35
3/2012
Bundesverband
VdA-Gremien tagten in Berlin –
Bundesgeschäftsführer helmut Graff verabschiedet
In Berlin waren der Bundesvorstand,
der Verwaltungsrat sowie die Mitgliederversammlung des Vereins für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland
(VDA) zu ihren turnusgemäßen Sitzungen zusammengekommen, bei denen
neben satzungsgemäßen Regularien
auch engagierte Diskussionen über die
künftige Ausrichtung des über 130
Jahre alten Kulturverbandes im Vordergrund standen. Inhaltlicher Schwerpunkt der diesjährigen VDA-Mitgliederversammlung war die Situation der
deutschen Volksgruppe in der Republik Polen. Eine Messe auslandsdeutscher Kulturarbeit, ausgerichtet vom
VDA-Landesverband Rheinland-Pfalz,
rundete die VDA-Aktivitäten in der
deutschen Hauptstadt ab.
Neben inhaltlichen Fragen erfolgte
in Berlin auch eine wichtige personelle
Weichenstellung im VDA. Der bisherige Bundesgeschäftsführer Helmut
Graff scheidet auf eigenen Wunsch
nach sechsjähriger Tätigkeit aus dieser
Aufgabe aus. Der VDA-Bundesvorsitzende, Finanzstaatssekretär Hartmut
Koschyk MdB, und der Vorsitzende des
VDA-Verwaltungsrates, Peter Iver Johannsen, dankten Graff für sein engagiertes Wirken als VDA-Bundesgeschäftsführer. So habe Graff maßgeblich die Feierlichkeiten zum 125-jährigen und 130-jährigen Bestehen des
VDA verantwortet. Auch die Unterschriftenaktion, die der VDA mit dem
Verein Deutsche Sprache für eine Verankerung der deutschen Sprache im
Grundgesetz durchgeführt hatte, war
von Graff maßgeblich konzipiert worden. Auch die Zusammenarbeit mit
dem Weltverband deutscher Auslandsschulen konnte durch den Einsatz von
Helmut Graff nachhaltig ausgebaut
werden. War er doch in seinem Berufsleben zuletzt Leiter einer deutschen
Auslandsschule. Zur Nachfolgerin von
36
Helmut Graff berief der VDA-Bundesvorstand Frau Petra Meßbacher, die
unter anderem lange Jahre als Geschäftsführendes
Vorstandsmitglied
die Geschicke des Vereins Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott
bestimmt hatte.
Bei der VDA-Mitgliederversammlung gab die Pressesprecherin des Verbandes der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner
Schlesien, Joanna Mróz einen eindrucksvollen Bericht über die aktuelle
Lage der deutschen Volksgruppe in
der Republik Polen. Barbara Loch, Vorstandsmitglied des Vereins „Pro Liberis
Silesiae“ stellte die vorbildliche Initiative dieser Organisation für den Aufbau
eines deutschen Kindergartens und einer deutschen Grundschule in Raschau
in der Woiwodschaft Oppeln vor. Der
VDA unterstützt die Bemühungen der
deutschen Volksgruppe in Polen für
eine Verstärkung des Deutschunterrichts, womit der VDA-Bundesvorstand
das Verwaltungsratsmitglied Dr. Claus
Thies beauftragt hat.
Auch fasste die VDA-Mitgliederversammlung den Beschluss, wonach in
Zukunft auch Familienmitgliedschaften
möglich sind. Ein großer Erfolg im Rahmen der VDA-Tagungen in Berlin war
die vom rheinland-pfälzischen VDALandesvorsitzenden
organisierte
zweite Messe auslandsdeutscher Kulturarbeit, bei der Organisationen der
Auslandsdeutschen, aber auch der VDA
und mit ihm zusammenarbeitende Organisationen ihre Aktivitäten präsentierten.
Finanzstaatssekretär Hartmut
Koschyk MdB, Pressemitteilung des
Vereins für deutsche Kulturbeziehungen
im Ausland e.V. (VDA)
Aus gesundheitlichen Gründen beendet Herr OStD a.D. helmut Graff zum
30. September 2012 seine Tätigkeit als Bundesgeschäftsführer des VDA.
Sechs Jahre lang leitete er die Geschäftsstelle mit (von rechts) Ida Krieger
(Mitgliederbetreuung, Versand und Buchhaltung) sowie den Kolleginnen
des Jugendreferats, Danuta Zeisig (Leiterin), Olga Schumejkow und Regine
Wegmann. Helmut Graff wird weiterhin im ehrenamtlichen Bundesvorstand
des VDA mitwirken.
Red.
Bundesverband
3/2012
Auszüge aus dem Bericht des Geschäftsführers
zur VdA-hauptversammlung 2012
Mitgliederentwicklung
Nach wie vor ist die Entwicklung der
Mitgliederzahlen dadurch gekennzeichnet, dass der VDA Mitglieder verliert: Die Zahl der Abgänge, meistens
durch Tod – aber auch aus finanziellen
Gründen – liegt auch in den beiden
Jahren nach der letzten Hauptversammlung im Jahr 2010 höher als die
Zahl der neu eingetretenen Mitglieder.
Im Einzelnen ergeben sich folgende
Zahlen (siehe Grafik rechts).
Im selben Zeitraum sind 18 Mitglieder neu in den VDA eingetreten, und
diese Eintritte beweisen: Es gibt in unserer Gesellschaft auch heute noch ein
Interesse an den Zielen und an der Arbeit des VDA. Was aber dringend verbessert werden muss, sind Präsenz und
Wahrnehmung des VDA in der Öffentlichkeit.
Diesem Ziel dient in erster Linie unsere Vereinszeitschrift „Globus“. Sie ist
die Visitenkarte des VDA und muss entsprechend gepflegt werden. Aber auch
unser Internet-Auftritt spielt hier eine
wichtige Rolle; nach meinem Eindruck
ist hier durchaus noch Verbesserungspotenzial vorhanden.
Die Mitgliederentwicklung
im Einzelnen
Jugendaustausch
Der Jugendaustausch ist derzeit nach
wie vor das wichtigste Standbein des
VDA.
Die aktuellen Zahlen:
– 310 ausländische Schüler, die nach
Deutschland vermittelt wurden
– 140 deutsche Schüler, die ins Ausland gingen (Stand vom 01.01.2011)
Mittlerweile arbeiten in der Geschäftsstelle eine Vollzeitkraft und zwei
Teilzeitkräfte fast ausschließlich in diesem Bereich, und sie sind mit der anfal-
Der Gegenaustausch und
Jugendaustausch
im Vergleich
lenden Arbeit mehr als nur ausgelastet,
weil die Nachfrage nach Plätzen in unseren Austauschprogrammen aus dem
Ausland und – in geringerem Maße –
auch aus Deutschland stetig steigt. Neben der vorhandenen Personalkapazität ist es vor allem das Problem, genügend deutsche Familien zu finden, die
sich als Gastfamilie für einen ausländischen Jugendlichen zu Verfügung stellen, das eine Ausweitung des Jugendaustausches verhindert.
spendenaufrufe
Neben dem Jugendaustausch und den
Mitgliedsbeiträgen sind es vor allem
die Spenden der Mitglieder, Freunde
und Förderer des VDA, die uns in die
Lage versetzen, den im Ausland lebenden Mitbürgern bei ihrem Bemühen,
ihre sprachliche und kulturelle Identität zu erhalten, helfen zu können.
Zweimal im Jahr ergehen solche Spendenaufrufe, und sie haben im Jahr
2011 insgesamt 29.567 € Reinerlös gebracht (2010 waren es 39.138 €).
Den Spendern ist für ihre Opferbereitschaft ganz herzlich zu danken.
Helmut Graff,
VDA-Bundesgeschäftsführer
37
3/2012
Auslandskulturarbeit
II. Messe Auslandsdeutscher Kulturarbeit
Eine in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Präsentation fand am 8.
September 2012 in Berlin-Charlottenburg statt, in den Veranstaltungsräumen des Hotels Domicil in der Kantstraße: Die „II. Messe Auslandsdeutscher Kulturarbeit“. So konnten auch
die Besucher der am gleichen Tag abgehaltenen VDA-Hauptversammlung
nach einer kurzen S-Bahnfahrt von ihrem Tagungsort vielfältige Einblicke in
die lebendige auslandsdeutsche Kulturszene gewinnen.
Bemerkenswert, und vor allem
höchst anerkennenswert ist, dass diese
Messe dem unermüdlichen Einsatz des
VDA-Landesvorsitzenden aus Rheinland-Pfalz, Martin Schmidt, zu verdanken ist. Dieser organisierte damit sozusagen eine exterritoriale Veranstaltung
seines Landesverbands, da sich der
VDA auch in Berlin schon seit längerer
Zeit nicht mehr auf eine Organisationsstruktur stützen kann. Schmidt, der mit
vielen kleineren und größeren Initiativen und Verbänden im In- und Ausland
bestens „vernetzt“ ist, gewann eine erstaunliche Vielfalt von Ausstellern für
diese gemeinsame Leistungsschau und
38
Kontaktbörse, die
Vertreter entsandten oder Informationsmaterial und
Ausstellungstafeln
bereitstellten. Um
wenigstens einige
zu nennen: Der
Verein „Pro Liberis
Silesiae“ aus Oberschlesien,
die
„Neue Zeitung“
aus Budapest, der
„Bund Deutscher Nordschleswiger“
aus Dänemark, die Donauschwäbische
Kulturstiftung, die Erwin-von-Steinbach-Stiftung mit Informationen aus Elsass-Lothringen, die Blumenau-Gesellschaft mit ihrer Brasilien-Ausstellung,
der „Freundeskreis Gunther Plüschow“, das „Deutsche Kulturforum
östliches Europa“ aus Potsdam, natürlich der „Verein Deutsche Sprache“
und selbstverständlich das VDA-Jugendreferat mit seinem Partner beim
Schüleraustausch, dem „Bundesforum
Kinder- und Jugendreisen e.V.“.
Dass so etwas ein Einzelner nicht
ohne Rückenwind bewerkstelligen
kann, ist klar. Frau Dr. Annette HailerSchmidt blies ebenfalls kräftig in die
Segel und – beiden gelang es, ihre Kinder Roland (11) und Amelie (9) zu begeistern. Diese hatten unter ihrem
Markenzeichen „VDA-Kornblumenkinder“ ihren eigenen Tisch aufgebaut
und sprühten vor Kreativität: Malwettbewerb, Quiz, Briefmarkentausch, …
Eine selbstgebastelte Spendenbüchse
gab den vergnügten Besuchern die
Chance, weitere gute Taten zu beflügeln. Die Stimmung war eindeutig:
Wer dabei war, freut sich auf das
nächste Treffen in solcher Runde!
Dr. Wolfgang Betz
3/2012
Aus den Landesverbänden
VDA Baden-Württemberg:
Arbeitskreis stuttgart im Gespräch
Der VDA-Arbeitskreis Stuttgart beteiligt
sich regelmäßig mit einem Informationstisch an den örtlichen Veranstaltungen des Bundes der Vertriebenen (BdV)
– wie dem „Tag der Heimat“ oder dem
Ostermarkt. Dass dieser Tisch schon von
weitem durch eine liebevolle Gestaltung ins Auge fällt und Besucher zu Gesprächen über die Betreuungsarbeit des
VDA einlädt, lässt unschwer die Handschrift von Frau Dr. Hede Zeller und Elisabeth Fröschle erkennen. Frau Dr. Zeller, die seit Jahrzehnten treu und vielseitig im VDA geholfen hat und bis ins
hohe Alter eine der verlässlichsten Stützen des Arbeitskreises Stuttgart war,
wird es schwerfallen, nun nach einem
schweren Sturz, der sie körperlich stark
beeinträchtigt, selbst Hilfe anzunehmen
und Pflege zu erfahren. Wir übermitteln
ihr dankbar und in herzlicher Verbundenheit alle guten Wünsche!
WB
Prof. Dr. Hartmut Fröschle, Dr. Hede Zeller und Elisabeth Fröschle auf dem Ostermarkt
des BdV in Stuttgart am 10. März 2012
VDA Bayern:
Reisen nach Nordschleswig, siebenbürgen und sibirien
Alle Wege führen zwar sprichwörtlich
nach Rom, aber viele eben auch nach
München, nämlich auf das Oktoberfest. So erweist sich die Ansiedlung des
VDA-Landesverbands Bayern in Maisach, nur einen Katzensprung von der
„Wiesn“, als strategisch recht kluge Position. Denn auch außerhalb der Saison
steht mit dem örtlichen Bräustüberl ein
zuverlässiger Partner zur Verfügung,
um den kulturellen Ruf Bayerns in der
Welt zu festigen. In seinem kürzlich
versandten Zweijahresbericht kann der
Vorstand des VDA-Landesverbands somit auch auf eine lange Besucherliste
aus dem Ausland verweisen: Reisegruppen aus Nordschleswig, Chöre aus
Südafrika, Einzelgäste aus aller Welt.
Doch auch Gegenbesuche werden
geplant. Die im laufenden Jahr vorgesehene Fahrt der Jugendblaskapelle Mais-
ach nach Siebenbürgen sowie die Gruppenreise zu den Russlanddeutschen
nach Omsk mussten zwar verschoben
werden, sollen aber 2013 durchgeführt
werden. Überlegungen gibt es auch für
eine Reise nach Schlesien im März 2013
sowie wieder eine Busfahrt nach Nordschleswig. Großen Anklang fand dort
stets der „Bayerische Abend“ in Tingleff
mit den Auftritten der Jugendblaskapelle Maisach und dem Trachtenverein
„Moasawinkler“ aus Mammendorf. Die
Gelegenheit, eine Prise Seeluft zu
schnuppern, nutzen die Bayern dann in
der Regel auch bei einer kleinen Rundfahrt an Nord- und Ostsee.
Wer auf diese Reisen mitkommen
möchte, gern auch aus anderen VDALandesverbänden, der wende sich
bitte an Gerhard Landgraf (Anschrift
auf S. 42).
Weitere Auslandskontakte pflegen
die Vorstandsmitglieder arbeitsteilig:
Über Rudi Maywald wird die Verbindung nach Schlesien gehalten, wo der
Landesverband seit Jahren zusätzlichen
Deutschunterricht in Bodland, Kreis
Kreuzburg/OS (poln. Bogacica, Kluczbork, Woiwodschaft Oppeln) fördert.
Hermann Grimm betreut intensiv Siebenbürgen und ermöglichte im Sommer einer Kindergärtnerin aus Hermannstadt ein mehrwöchiges Praktikum in Kindergärten in Dinkelsbühl sowie dem Montessori-Kindergarten in
Aufkirchen am Hesselberg. Dr. Hans
Merkel gelingt es immer wieder, finanzielle Zuwendungen aus Stiftungsgeldern zu vermitteln, so dass der Landesverband sogar die Unterstützung einer
Schulbaumaßnahme in Paraguay ins
Auge fassen kann.
39
3/2012
Aus den Landesverbänden
VDA Mecklenburg-Vorpommern:
Zwanzig Jahre Landesverband
Festveranstaltung in Jasnitz mit Vorstandswahl
Am 7. Juli 2012 feierte der VDA-Landesverband
Mecklenburg-Vorpommern
sein zwanzigjähriges Bestehen bei
schönstem Wetter in Jasnitz, einem kleinen Dorf nahe Ludwigslust in WestMecklenburg, dem Wohnort der langjährigen Landesvorsitzenden Sigrid
Zessin. Seit der Gründung des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern
des damaligen „Vereins für das
Deutschtum im Ausland“ am 4. Juli
1992 im Schloss Vietgest bei Güstrow
leitete sie den kleinen Verein unseres
Bundeslandes mit Geschick, Umsicht,
Engagement und Erfolg. Viele Veranstaltungen, Landesseminare, Reisen
nach Danzig, Hinterpommern, ins Sudetenland und nach Nordschleswig,
teils gemeinsam mit der Paneuropa
Union, Schüleraustausche mit Danzig,
Schneidemühl, Bulgarien, Namibia,
Chile, Brasilien und Argentinien, Treffen mit Heimatvertriebenen und Flüchtlingen aus Ostpreußen, Hinterpommern und Stettin, dem Sudetenland
und mit Spätaussiedlern aus Russland
waren interessante Meilensteine der für
alle Beteiligten nutzbringenden und
wertvollen Arbeit dieses Vereins. Auch
Reisen von Vereinsmitgliedern zu den
deutschstämmigen Volksgenossen in
Chile, Südwestafrika (Namibia) und
den USA wurden in den Landesseminaren thematisiert und reflektiert.
Die Festveranstaltung begann mit
einer Besichtigung einer Bilderausstellung in der Kunstwerkstatt Zessin mit
Bildern dreier Maler: Sarkis Gogorjan,
Königsberg/Jerewan aus Russland/Armenien, Dr. Elke Gröning, Clausthal im
Harz und Sigrid Zessin. Anschließend
gab die Vorsitzende einen Rückblick
auf die zwanzig Jahre VDA in unserem
Bundesland. Die Mitglieder entlasteten
den Vorstand einstimmig und dankten
vor allem der aus gesundheitlichen
Gründen nicht mehr kandidierenden
langjährigen Vorsitzenden für die hervorragende, aufopferungsvolle und
selbstlose Arbeit für die gute Sache des
VDA. Das Ehrenmitglied des Landesverbandes des VDA, Frau Karla Bollow
(99 Jahre alt) aus Ludwigslust, trug ein
selbst verfasstes Gedicht auf die Vorsitzende und den VDA vor.
Neben den bisherigen Vorstandsmitgliedern Erich Panik und Wilhelm
Michl aus Rostock, sowie Konrad-Ernst
Lohrke aus Schwerin wurden Dietmar
Netz aus Schwerin und Dr. Wolfgang
Als Landesvorsitzende des VDA und
Hausherrin begrüßte Sigrid Zessin die
Teilnehmer an der Festveranstaltung.
Zessin aus Jasnitz neu in den Vorstand
gewählt und letzterer zum Vorsitzenden bestimmt.
In einem kurzen Ausblick wurde die
künftige Arbeit des VDA-Landesverbandes umrissen. Bewährtes soll weitergeführt werden, so die Landesseminare, die Beziehungen zu den VDALandesverbänden in Bremen und
Schleswig-Holstein sowie zu den Deutschen in Nordschleswig, Schneidemühl, Danzig und Stettin, der Schüleraustausch und die Reisen gemeinsam
mit der Paneuropa Union. Darüber hinaus wurde eine Internet-Plattform für
den Verein eingerichtet (www.vdamecklenburg-vorpommern.de)
und
soll ein Mitteilungsblatt mindestens
einmal jährlich erscheinen (Mecklenburg-Vorpommerscher Globus). Auch
der Mitgliederwerbung soll verstärkt
Aufmerksamkeit beigemessen werden,
um dem langjährigen Abwärtstrend
der Zahl von VDA-Mitgliedern deutschlandweit entgegen zu wirken.
Danach gaben sich die 13 Teilnehmer der Veranstaltung dem Festessen
hin und beendeten den eindrucksvollen Tag spät in der Nacht am Lagerfeuer in (sehr) guter Stimmung.
Dr. Wolfgang Zessin, Jasnitz
Der neu gewählte VDA-Landesvorstand:
Erich Panik, Dietmar Netz, Dr. Wolfgang
Zessin, Konrad-Ernst Lohrke und Wilhelm
Michl (v.l.n.r.)
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3/2012
Aus den Landesverbänden
VDA Nordschleswig (Dänemark):
Begegnungsfahrt in die slowakei
Im Mittelpunkt der diesjährigen Reise
des VDA stand ein Besuch bei den Karpatendeutschen in der Slowakei. Die
lange Reise dorthin wurde aber durch
den Besuch mehrerer großer Städte
besonders interessant.
Am 21. Juni ging es früh mit dem
Bus von Tingleff los, nicht ohne den
üblichen Gammel Dansk und mit einem unserer schönen Volkslieder auf
den Lippen. Unsere erste Übernachtung war in Dresden, von dort führte
unsere Route weiter über Prag nach
Pressburg. Hier besuchten wir auch ein
kleines Museum des Kulturerbes der
Tatradeutschen – eine Bezeichnung,
mit der heute alle in den verschiedenen Teilen der Slowakei angesiedelten
Deutschen gemeint sind. Bei der letzten Volkszählung 2011 waren es nur
noch 4.690 Personen, die sich zur
deutschen Nationalität bekannten.
In Käsmark (Kežmarok) schließlich,
einem unserer weiteren Anlaufpunkte,
besuchten wir zuerst die Holzkirche
aus dem frühen 18. Jahrhundert. In
den Jahren 1991 bis 1993 wurde sie
mit Hilfe bedeutender Spenden ausgewanderter Tatradeutscher restauriert.
Ihre Gemeinde gehört seit 2004 der
griechisch-katholischen Konfession an.
Nach dem Besuch in der Kirche wurden wir in der nahe gelegenen Begegnungsstätte herzlich mit Kaffee und
Kuchen empfangen. In dieser Oberzipser Gegend soll es verstreut noch etwa
1.000 Deutschgesinnte geben. Ihre
Gemeinschaft ist von traditionellen Aktivitäten, vor allem Festen, geprägt, in
denen die Singgruppen einen festen
Punkt bilden. Kinder sprechen allerdings kaum noch Deutsch. 1944 war
ein Drittel der Stadtbevölkerung von
Käsmark deutsch. Leif Nielsen, der Vorsitzende der VDA-Sektion, sprach ermunternde Worte, aber unsere Wirte
waren pessimistisch in Bezug auf den
Fortbestand des Deutschtums. Die einzige existierende deutsche Zeitung ist
das Karpatenblatt, das einmal im Monat herauskommt.
Schöne Erlebnisse waren auch der
Besuch eines Freilichtmuseums sowie
die Floßfahrt auf dem Fluss Dunajetz –
für viele der Höhepunkt der Reise.
Über Stationen in Zakopane in Polen,
Krakau und Sorau (poln. Żary) erreichten wir am 30. Juni wieder Tingleff.
Erika Knudsen
VDA Sachsen:
europeada 2012 in der Oberlausitz
Es stimmt, die Fernsehkameras waren
im Juni 2012 eher auf die Spielfelder der
UEFA-Fußball-Europameisterschaft
in
Polen und der Ukraine gerichtet. Doch
Eingeweihte wissen, dass gleichzeitig in
der Oberlausitz die „Europeada 2012“
stattfand – die Fußball-EM der sprachlichen autochthonen Minderheiten. Organisiert wird sie von der Föderalistischen Union Europäischer Volksgrup-
pen (FUEV) und dem gastgebenden
Verband, in diesem Jahr von dem sorbischen Dachverband Domowina.
Betreuer der ungarndeutschen
Mannschaft war unser VDA-Mitglied
Heinz Noack aus Großdubrau (links im
Bild). Doch auch er konnte das frühe
Aus in der Vorrunde nicht verhindern,
wo die Südtiroler gleich acht Bälle ins
ungarndeutsche Netz setzten und ohne
Gegentreffer gewannen. In diesem Turnier verloren die Südtiroler kein einziges Spiel und holten sich wie schon
2008 in der Schweiz souverän den
Meistertitel.
VDA Nordrhein-Westfalen:
Vorstandswahl und
Mitgliederaufruf
Auf der Mitgliederversammlung am 27.
Juni 2012 wurden Professor Dr. Menno
Aden als Vorsitzender, Steffen Lutz Matkowitz als stellvertretender Vorsitzender
und Reinhard Spitzer als Schatzmeister
und Schriftführer wieder gewählt.
Nach einer lebhaften Debatte über
Inhalt und Ziele des VDA-NRW e.V. sowie über Möglichkeiten der weiteren
Arbeit als Regionalverband ist man
überein gekommen, in einem Aufruf an
die Mitglieder Wirksamkeit und Ziele
zu hinterfragen und zur gemeinsamen
Aussprache und Diskussion anzuregen.
41
3/2012
Landesverbände
Werden sie VdA-Mitglied!
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uns, Sie als Mitglied begrüßen zu dürfen!
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zu den Deutschen in aller Welt. Er unterstützt die Auslandsdeutschen bei
der Bewahrung der deutschen Kultur
und Muttersprache und hält die kulturelle und geistige Verbindung zu ihnen
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VdA Mecklenburg-Vorpommern
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Lange Straße 9
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geistige Verbindung zu ihnen aufrecht.
Deutsche
Volksbücher
Deutsche Volksbücher
lautet der Titel des
VDA-Kalenders 2013
Format 24 x 34 cm
Die 13 Kunstdruckblätter des Bildkalenders für das
Jahr 2013 zeigen vorwiegend Reproduktionen von
VDA-Postkarten aus den zwanziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts zu bekannten deutschen Volksbüchern.
Preis: 10,– Euro inkl. MwSt.,
zzgl. Verpackung und Porto.
Bei Abnahme von 10 Stück ein Freiexemplar.
Auch den Kalender 2013 können Sie für deutsche
Einrichtungen in aller Welt spenden.
Der Versand erfolgt dann über den VDA.
Bestellungen:
VDA
Kölnstraße 76
D-53757 Sankt Augustin
Tel.: 0 22 41 / 2 10 71
Fax: 0 22 41 / 2 92 41
E-Post: [email protected]
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