Ein Paradies (nicht nur) für Nostalgiker

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Ein Paradies (nicht nur) für Nostalgiker
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Ein Paradies (nicht
nur) für Nostalgiker
Paul‘s 50‘s Shop: Musikboxen und Flipper, Marilyn und
Elvis – dazu Sofas, eingebaut in die Heckpartien
ausladender Straßenkreuzer, und Zapfsäulen, deren
Preiswalzen 22 Cent für eine Gallone Benzin anzeigen.
Wer auf Artikel des American Lifestyle der 50er-Jahre
steht, kommt bei Paul Zubec auf seine Kosten.
D
ie rund 1 500 Quadrat­
meter große Halle am Rand
der westfälischen Klein­
stadt Löhne ist so vollgestopft, dass
nur wenige schmale Gänge blei­
ben. Die aktuelle Flipperausstellung
befindet sich bereits auf einer Em­
pore und die historischen Pinballs
warten in einem Palettenregal im
hinteren Bereich auf neue Eigentü­
mer. Vor dem Regal: Ein Berg von
Metallschildern unterschiedlichster
Motive, die neu, aber auf alt ge­
macht sind. Paul‘s 50‘s Shop wirkt
nicht wie ein Shop, sondern wie ein
großes Lager und ist in Wirklichkeit
eine Kombination aus beidem.
Hobby zum Beruf
Paul, das ist Paul Zubec; ein Mann,
der gerade die 50 überschritten
und sein Hobby zum Beruf gemacht
hat: „Ich habe schon als Jugend­
licher gern geflippert“, erzählt der
USA-Fan von den Anfängen. „Mit
Einzelstück aus den 70ern, gebaut
für einen Energieversorger.
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18 oder 19 habe ich meinen ersten
Flipper gekauft. Dann habe ich
­angefangen zu sammeln und zu tau­
schen und schließlich ein Gewerbe
angemeldet. Seit ungefähr 15 Jahren
mache ich das hauptberuflich.“
Zubecs Einstieg in das Geschäft mit
Musikboxen verlief ähnlich. Bei
­einem Kollegen sah er eine alte
Rock-Ola – und wollte auch eine.
Seefracht und Polaroids
„Meine erste Box habe ich bei
­einem USA-Besuch gekauft und
per Seefracht nach Hause geschickt.
Das war Abenteuer pur.“
Abenteuerlich blieb es zunächst
auch. In der „Vor-Internet-Zeit“ be­
kam Zubec Polaroids und Zustands­
beschreibungen per Brief, zum Teil
einfach auf Verdacht, weil sich in
den USA herumsprach, dass da in
Deutschland ein Verrückter sitzt,
der aufkauft, was andere nur noch
loswerden wollen.
„Die Kontakte entwickelten sich im
Schneeballsystem“, erzählt Zubec.
„Bald hatte ich da drüben jeman­
den, der für mich nach alten Musik­
boxen, aber auch nach Flippern und
anderen Automaten suchte. In Spit­
zenzeiten kamen hier zwölf Contai­
ner pro Jahr an, heute sind es in der
Regel sieben oder acht.“
Zubec hatte den richtigen Riecher,
denn die alten Schätzchen sind
heute beliebte Sammlerobjekte.
Der Verrückte aus Germany ist doch
nicht so verrückt. Alle Maschinen
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Oktober 2014
Ein Blickfang unter vielen: Zapfsäulen in unterschiedlichsten Farben.
werden sorgfältig restauriert und
voll funktionstüchtig verkauft. In
der Ausstellung stehen Dutzende
Musikboxen aus der Zeit von 1947
bis heute – Wurlitzer, Rock-Ola,
Seeburg, AMI, NSM.
„Von Wurlitzer habe ich fast alles,
was jemals gebaut wurde“, sagt
Zubec und nimmt auf dem Hecksofa­
eines 59er Cadillacs Platz. „Wurlit­
zer ist Kult.“
Nicht alle Kunden besitzen noch
alte Vinylplatten oder schwören auf
den Charme einer 60er-Jahre-Box.
Viele bevorzugen aus Sound- und
Technikgründen auch neue Geräte.
Das gleiche gilt für Flipper.
Show-Truck importiert
Auf dem Weg von der Jukebox zur
Flipperausstellung muss man den
riesigen grünen Show-Truck um­
Paul Zubec auf dem Ledersofa im
Heck eines 59er Cadillacs.
Spiegel der Branche
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Paul Zubec in seiner „Schatzkammer“: Der Nostalgieverkäufer hat fast
alle Jukeboxen im Angebot, die je bei Wurlitzer gebaut wurden.
Dieser Cadillac springt gleich hinter der Eingangstür
von Paul‘s 50`s Shop ins Auge.
runden, den Zubec in Colorado er­
stand, und für den er erst einmal
einen Führerschein machen musste,
um damit auf Messen und Oldti­
mertreffen fahren zu können. Die
Zugmaschine steht ­neben dem Auf­
lieger, weil das „Monstrum“ als Ge­
spann nicht in die Halle passt.
Vorbei an lebensgroßen Figuren
von Marilyn Monroe, Elvis Presley
In der Flipperausstellung finden sich auch die
neuesten Geräte von Stern Pinball und Jersey Jack.
und den Blues Brothers geht es
zum Fuß einer Metalltreppe, um die
sich lackglänzende, historische
Zapfsäulen gruppieren. Deren Wal­
zen zeigen noch Preise von 22 bis
35 US-Cent pro Gallone (3,8 Liter)
– welch paradiesische Zeiten.
Über die Treppe führt der Weg auf
die Empore, wo sich Dutzende Flip­
per aneinanderreihen – vom Vor­
Glas und Chrom prägen das Erscheinungsbild dieser
Musikboxen von AMI aus den 50er-Jahren.
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Überraschende Begegnung: Die
Blues Brothers in Action.
kriegsmodell aus dem Hause Berg­
mann bis zu den allerneuesten
Stern Pinballs.
„Ich habe Flipper aller Hersteller
und aller Generationen im Ange­
bot, aber persönlich bevorzuge ich
die modernen Dot Matrix-Geräte“,
sagt Zubec. An seiner Leidenschaft
für ´s Flippern hat sich in den letzten
30 Jahren nichts geändert. ❒
Mit seiner auffälligen Bemalung sorgt der Show-Truck
für Aufsehen, wo immer er erscheint.
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