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Film
Matthew Barney »Drawing Restraint 9«
Titel, Drawing Restraint 9
Regie, Matthew Barney
Drehbuch, Matthew Barney
Darsteller, Matthew Barney, Björk, Mayumi Miyata, Shiro Nomura, Tomoyuki Ogawa, Sosui Oshima
Land, Japan / USA
Verleih, Alamode Film
FSK, nicht geprüft
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Björk im neuen Experimentalfilm ihres Partners Matthew Barney
w w w. s u m m a c u l t u r a . d e
23. Woche | 2006
Website
Länge, 135 Minuten
Filmstart, 08. Juni 2006
SUMMA-METER
FFFFF
MEDIEN-ECHO
© Celluloid Dreams/Alamode
Inhalt
Drawing Restraint 9 folgt keiner Filmhandlung im klassischen Sinn. Ausgangspunkt ist ein Walfangschiff,
an Bord dessen sich mehrere Handlungsebenen überlagern: Während sich das Schiff gen Antarktis aufmacht, erkalten in einer riesigen Gussform groÿe Mengen flüssiger Vaseline langsam zu einer
gewaltigen Skulptur. Unter Deck unterzieht sich ein westliches
Paar (Björk und Matthew Barney) zur selben Zeit einer uralten
japanischen Teezeremonie, in deren Verlauf sich die beiden gegenseitig Glieder und Haut vom Körper lösen, um schlieÿlich als
Wale in den Ozean zu entschwinden.
Metamorphose.
Kritikenspiegel
Extravagant und beeindruckend. Das Feuilleton staunt beeindruckt
über Matthew Barneys Film - wenn auch nicht jedem klar zu sein
scheint, was genau man mit ihm anfangen soll. Josef Engels (Die
Welt) bemerkt auf die Frage, wie viel Film in dem Film eigentlich stecke: Barneys neues Verstörungswerk weise so viele
Parallelen zu nachvollziehbaren Filmstrukturen auf wie keines
seiner Konstrukte zuvor. Es gibt eine Liebesgeschichte, sogar
so etwas wie eine Handlung und einen klaren Schluÿ. Harald
Fricke (taz) ist von dem Ergebnis angetan und möchte es als Teil
des Gesamtkunstwerks von Matthew Barney verstanden wissen.
Sein Kinoerlebnis beschreibt er wie folgt: Die Bilder driften
auf surrealem Terrain, scheuen weder den Kitsch einer göttlich
umflorten Natur noch den Wink mit der Psychoanalyse - eine
Traum-Torte, mit einem Zuckerguss aus Seelenwanderungsfantasien und transgressiven Schnörkeln versehen. Auch Mirja
Rosenau (FR) ist positiv verwirrt und orakelt: Diese BarneyBjörk-Naturmystik- Ahnenkult-Zen-und-Technophilie-Synergie
hat als Form den Film abgeworfen, der als Formwerdungs-Drama
wiederum seine eigene Entstehungsgeschichte erzählt. Peter
Kümmel (Die Zeit) schlieÿlich glaubt: Matthew Barneys Blick
auf die Welt ist der des Sexualforschers. Und von vorn die Schöpfung anzufangen - das ist sein Ehrgeiz. Er will die Geschichte
des Universums seiner eigenen Mythologie einverleiben. Leise
Kritik an der künstlerischen Konsistenz von Drawing Restraint
9 kommt nur von Peter Körte (FAZ): Es sei noch immer faszinierend, Barneys Phantasmen dabei zuzuschauen, wie sie Bild
oder Skulptur oder irgendwas dazwischen werden . Doch der
Künstler bediene sich viel zu selbstverständlich der vorgefundenen Sprache des Kinos - er läÿt sie, wie sie ist ... Da stockt der
Fluÿ.
Besonderheit
Künstlerpaar. Wenn zwei Künstler wie Björk und ihr Lebenspartner Matthew Barney zusammen einen Film drehen, so kann das
Ergebnis nicht gewöhnlich sein. So bezweifelt Regisseur Barney
im Interview mit der Welt sogar, dass Drawing Restraint 9 ein
Film im eigentlichen Sinn ist: Es geht um eine Gruppe narrativer
Skulpturen ... Meine visuelle Sprache braucht einen Gastkörper.
Das ist für mich der Film mit seinen Regeln. Björk steuerte den
Soundtrack bei, dessen minimalistische Songs sie aus dem Rhythmus des Herzschlags und des Atems der nach Perlen tauchenden
weiblichen Schiffsbesatzung entwickelt.
Biografisches
BJÖRK, *21.11.1965 in Reykjavík, Island, ist eine international
erfolgreiche Sängerin, die für ihre extravaganten Verbindungen
unterschiedlichster Musikstile und ihr zum Teil ästhetisch stark
übersteigertes Äuÿeres bekannt ist. Neben ihrer Tätigkeit als
Sängerin, arbeitete Björk bereits mehrfach erfolgreich als Schauspielerin. Für ihre Hauptrolle in Lars von Triers Dancer in the
Dark (2000) wurde sie in Cannes als beste Schauspielerin ausgezeichnet. MATTHEW BARNEY, *25.03.1967 in San Francisco, ist
ein US-amerikanischer Medien- und Performancekünstler. International bekannt wurde er durch die Filmreihe The Cremaster
Cycle (1995-2002). Im Gegensatz zum Aktionismus vieler Performancekünstler bereitet Barney seine Projekte jedoch äuÿerst
akribisch vor: Auf Hunderten von Zetteln notiert und zeichnet
er seine Vorstellungen - von der groben Tanzchoreografie-Skizze
bis hin zur kleinsten Requisite.
Weitere Informationen
Drawing Restraint bedeutet so viel wie Zeichnungsbehinderung. Der Titel ist Programm im Schaffen von Matthew Barney, der sich seit den späten 1980er Jahren in seinen Drawing
Restraint -Projekten immer wieder mit den künstlerischen Energien des Zeichnens und seinen Problemen auseinandergesetzt
hat. Wirkliches Zeichnen, so seine Aussage, kann sich nur im
Überwinden von Widerständen vollziehen. So versuchte Barney
etwa, Zeichnungen beim Trampolinsprung oder beim Klettern
anzufertigen. In Drawing Restraint 7 von 1993, einer VideoRaum-Installation, bestrafte er zwei Satyrn mit Häutung dafür,
dass sie mit ihren Hörnern Zeichnungen in das Dach einer Limousine geritzt hatten.
rg