Schneller, als die Polizei erlaubt: Aktuelle Grafikworkstations im Test

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Schneller, als die Polizei erlaubt: Aktuelle Grafikworkstations im Test
DTP-Workstations
Schneller, als die Polizei erlaubt:
Aktuelle Grafikworkstations im Test
Alle paar Monate macht die Leistung
von PCs einen gehörigen Sprung
nach vorn. Ein heutiger Standard-PC
aus dem Grossmarkt bringt eine Rechenleistung, die noch vor zwei Jahren einem guten Abteilungs-Server
zur Ehre gereicht hätte. Wie schon in
unserem letzten Performance-Test im
Publisher 4/98 richten wir hier unser
Augenmerk nicht auf einen Gesamtindex, der mit Standardapplikationen ermittelt wurde. Stattdessen interessiert uns schlicht und einfach die
Leistung, welche die Maschinen auf
dem Desktop eines 2D-Publishers erreichen.
Götterspeise
Das herkömmliche Festmenü, bestehend aus IBM- und Apple-Rechnern,
wurde diesmal durch eine ganz besondere Zutat versüsst: Der erste Silicon-Graphics-Computer mit PentiumCPU fand seinen Weg zu uns. Die Firma SGI macht damit einen mutigen
Schritt in einen hart umkämpften
Markt. Ausserdem zum Test erschienen war Apples derzeitiges Top-«Model» im halb durchsichtigen, blauweissen Designergewand. Den soliden Vertreter bewährter Bauart,
aber mit modernsten Prozessoren,
stellte uns IBM zur Verfügung.
Silicon Beauty
Silicon Graphics geniesst einen ausgezeichneten Ruf bei HochleistungsGrafikworkstations und grossen Servern. Die Unix-Rechner auf Basis der
MIPS-CPU definieren bis heute die
Spitze des Möglichen in den Bereichen 3D-Visualisierung, 3D-Rendering und CAD. Allerdings ist dies ein
beschränkter Markt, der zudem Kon-
Silicon Graphics' Einstieg in die
Intel-Welt gefällt nicht nur wegen
des gelungenen Designs.
DTP-Computer können eigentlich nie schnell genug sein. Auch bei
den aktuellsten Maschinen muss man noch Wartezeiten in Kauf
nehmen. Allerdings haben diese im Vergleich zu früher deutlich
abgenommen, wodurch «sekundäre» Merkmale wie Preis, Zubehör oder Konstruktion an Bedeutung gewinnen. Wer heute einen
Computer fürs Desktop-Publishing kauft, darf also getrost Geschwindigkeit und Ausstattung verlangen.
kurrenz von unten, also von «aufgemotzten» PCs, bekommt. Der Einstieg von SGI in die Wintel-Welt war
also absehbar. Glücklicherweise haben die Grafikspezialisten davon abgesehen, einfach einen weiteren
IBM-Kompatiblen in Standardbauweise im standardmattweissen Gehäuse in den Markt drücken zu wollen. Stattdessen besann man sich auf
die eigenen Stärken und spendierte
den 320er- und 540er-Workstations
einen Haufen Technik aus den hauseigenen Unix-Workstations.
sches DTP fokussiert, war die Silikonschönheit nur Mittelmass. Bei reinen
2D-Anwendungen, wie Photoshop
eine ist, macht sich die futuristische
Technik eben kaum bemerkbar. Stattdessen beschränkt sich die gemessene Leistung auf das, was der Prozessor hergibt – und das ist im getesteten Modell halt ein normaler Pentium II/450. Schade eigentlich, doch
wir konnten einfach keine DTP-Anwendung finden, die von der SiliconArchitektur profitiert hätte.
IBM Intellistation
Dass unser Benchmark-Prozedere im
Wesentlichen von der CPU und der
Festplatte abhängt, bewies die IBMWorkstation. Diese bietet keinerlei
aufregende technische Neuerungen,
dafür aber einen Pentium III mit 500
MHz. Entsprechend schneidet die Intellistation im Vergleich mit der SGI
Cobalt, Bus, Speicher
Herzstück der getesteten SGI 320 ist
der Cobalt-Grafik-Chipsatz, der eine
Neuentwicklung darstellt und alle Eigenschaften bietet, die man sich für
3D-Anwendungen in Echtzeit nur
wünschen kann. Hier konnten sich
die SGI-Ingenieure austoben und all
die Features implementieren, für die
man als PC-User bislang in ausgesprochen teure Zusatzkarten investieren
musste. Diese brachten dann manchmal doch nicht das Wahre, denn die
Intel-Architektur weist zwei grosse
Schwächen auf: das Speichersubsystem und die Input/Output-Architektur – die SGI 320 überzeugt hier
durch richtungweisende Innovationen, die bei Intel erst als Spezifikationen bestehen. Erstens wird der Cobalt-Chipsatz von einem eigenen I/OCoprozessor namens Lithium flankiert. Während sich bei normalen PCs
die Bits zwischen CPU und Grafikkarte über einen engen, mit anderen
Komponenten geteilten PCI- oder
bestenfalls AGPx2-Bus drängen müssen, erreicht die SGI eine Busgeschwindigkeit von 3,2 GB/s – sechsmal so viel wie AGPx2. Darüber hinaus verfügt die SGI über zwei unabhängige 64-bit PCI-Busse, welche die
I/O-Leistung herkömmlicher 32-bitBusse um den Faktor zwölf übertreffen.
Single- und der Dualprozessorversion
so gering ausfällt, ist Photoshop 5 anzulasten. Wie bereits im letzten Test
festgestellt, zieht dieses offenbar
nicht vollen Nutzen aus der zweiten
CPU – ganz im Gegensatz zu Photoshop 4. Auch das Update auf Version
5.02 behob das Problem nicht – hier
muss Adobe endlich nacharbeiten.
Böse Plattform
Dass Adobe die Windows-Plattform
nicht optimal im Griff hat, zeigte sich
auch an einem anderen Problem, das
wir bereits vor einem Jahr bemängeln mussten: Es kommt immer wieder vor, dass Photoshop ohne ersichtlichen Grund alle Rechenleistung abgibt. Das Anlegen des Diskcache
kann nicht so lange dauern, auch das
NT-Pagefile war immer gross genug.
Was ist es dann? Wir werden dem
nachgehen und Sie informieren. Es
bedeutet aber momentan: Windows
NT ist noch nicht die optimale Plattform für Photoshop 5.
Der Mac im Test
Diesen Titel könnte eher der Mac für
sich beanspruchen. Nachdem Apple
im Laufe der Jahre immer langweiliger gestaltete Rechnergehäuse zeigte, vollzog sich mit dem iMac ein radikaler Stilwandel. Diesem folgen
nun auch die Profi-Macs – und die
Mac-Profis streiten sich, ob das Design jetzt gelungen sei oder nicht …
Vom technischen Standpunkt her ist
es das mit Sicherheit. Der Mac hat
eindeutig das beste Computergehäuse, das uns bislang untergekommen
ist. Es lässt sich tatsächlich mit einem
einzigen Hebelzug vollständig öffnen – sogar im laufenden Betrieb.
Randbemerkungen
IBMs Intellistation in der gewohnten, zeitlosen Black Box.
immer etwas besser ab. Besonders interessant sind die Werte, welche die
Intellistation mit einer zweiten PIII/
500-CPU erzielt: Diese sind keineswegs doppelt so gut. Entgegen dem
weit verbreiteten Glauben erhöht
sich nämlich die Leistung mit einem
zusätzlichen Prozessor nicht um das
Doppelte – einerseits, weil ja die übrigen Komponenten geteilt werden
müssen, andererseits, weil die Aufteilung der Arbeit auf die CPUs selber Arbeit bereitet. Es entsteht also
gewissermassen Reibung. Dass jedoch der Unterschied zwischen der
3D und Video, aber …
Dadurch ist die SGI hervorragend für
3D-, Video- und Audiobearbeitungen
in Echtzeit geeignet. In unserem
Benchmark allerdings, der auf klassi-
PUBLISHER
28
RAM geht über alles
Die SGI 320 konnten wir auch mit
512 MB RAM testen. Bei einem
200 MB-Bild zog sie dann allen
anderen Testteilnehmern, die nur
256 MB hatten, auf und davon.
Flatpanel geht nicht überall
Mit der SGI kam ein Flachbildschirm zum Test, der momentan
als State of the Art gilt. Kurzes
Fazit: exzellenter Kontrast, sehr
hell, aber schlechte Helligkeitsund Farbkonstanz. Daher gut geeignet für CAD oder Textverarbeitung, nicht aber für Bildbearbeitung.
DTP-Workstations
Apple baut nicht nur die schönsten,
sondern auch die funktionalsten
Gehäuse.
Man könnte argumentieren, dass ein
Computer nicht allzu häufig geöffnet werden muss – die Erfahrung
spricht jedoch eine andere Sprache.
Bei Betrachtung der Öffnungsmechanismen von IBM, SGI oder auch anderen «DOSen» stellten wir ausserdem
ein beträchtliches Risiko für Schnitt-,
Quetsch- und Prellverletzungen fest.
Aber auch der Mac nützt den Platz
noch nicht optimal: Im Vergleich zu
den Vorgängern ist er etwas weniger
standfest und bietet nur einen 5¼Zoll-Einschub, obwohl Platz für mehr
da wäre.
Höchstleistung ganz den IBM-Kompatiblen überlassen muss. Dort stehen in Kürze mit der SGI 540 mit vier
Pentium III-/Xeon-CPUs wesentlich
stärkere DTP-Maschinen zur Verfügung. Allerdings bezahlt man diese
entsprechend teuer. Wer nicht auf
das absolut letzte Quäntchen Speed
zu überproportional hohen Preisen
angewiesen ist, liegt bei Apple absolut richtig. Früher war es ja so, dass
ein Mac deutlich teurer war als ein
ähnlich schneller Wintel-PC – heute
ist das umgekehrt: Der G3/400 ist der
günstigste Rechner im Test.
Selbstbeschränkung
Wie schon beim iMac, übt sich Apple
hinsichtlich der Schnittstellen in weiser Zurückhaltung. Unser Testgerät
hatte kein Floppylaufwerk, keinen
seriellen Port und keinen Printerport.
Stattdessen fanden wir USB und Firewire, ebenso wie Ethernet und auch
ADB. Unser Testgerät hatte einen
SCSI-Anschluss, weil es mit einer SCSIFestplatte ausgerüstet war. Endlich
verabschiedet hat sich Apple übrigens von ihrem Monitoranschluss,
zugunsten des üblichen HD15-Stekkers. Apple wirbt ja gerne mit der
Geschwindigkeit des G3-Chips, der
Pentiums haushoch überlegen sein
soll. Zumindest für den Desktop-Publisher stimmt das so nicht. Der 400
MHz-G3 kann zwar gut mithalten,
doch der Pentium III/500 liegt klar
vorne. Besonders deutlich ist der Unterschied beim Starten von Photoshop sowie beim Öffnen und Schliessen von Bildern. Das sind ja keineswegs Vorgänge, die nur selten vorkommen. Gerade weil das MacOS
gelegentlich abzustürzen pflegt, gehören Zwischenspeicherungen und
Photoshopstarts zur Routine.
Schlimmer ist aber, dass Apple derzeit keine Multiprozessorsysteme anbieten kann und damit das Feld der
Fazit
Eine eindeutige Empfehlung auszusprechen, ist nicht möglich. Wer einen unkomplizierten, einfach zu bedienenden und zu wartenden Computer will, ist mit dem Mac sehr gut
beraten. Zwar ist er nicht der schnellste, doch angesichts der noch ungelösten Probleme mit Photoshop 5 unter Windows dürften sich wieder
mehr Anwender für einen Mac entscheiden – was angesichts des günstigen Preises nicht schwer fällt. Fast
dreitausend Franken mehr kostet die
Silicon Graphics Workstation. Dafür
bekommt man allerdings eine Grafikleistung, die in dieser Preisklasse ih-
resgleichen sucht. Schade nur, dass
sich dies im speziellen Anwendungsfall DTP nicht bemerkbar macht. Wer
aber auch Videos bearbeitet oder 3DAnwendungen nutzt, kommt mit der
Silicon auf jeden Fall auf seine Rechnung. Wenn in Kürze die ersten
540er-Workstations mit vier XeonPentiums zu verhältnismässig ähnlich
günstigen Preisen erscheinen, dürften sich dennoch einige reine Desktopper für eine SGI entscheiden.
Nicht wenige werden aber auf Maschinen vom Typ der IBM Intellistations setzen, welche herkömmliche
Technik auf höchstem Niveau demonstrieren. Angesichts der aggressiven Preisgestaltung der Mitbewerber Apple und Silicon Graphics muss
sich IBM allerdings überlegen, ob sie
ihre Maschinen nicht etwas günstiger
anbieten will.
Christian Fichter
Schick und
scharf, aber
nicht für jede
Anwendung
geeignet: das
Flatpanel von
SGI
Leistung von Grafik-Workstations: der Publisher-Benchmark
Unser Benchmark-Prozedere basiert auf dem Bild «testpict.psd», das sich
auf der Programm-CD von Photoshop 4.0 im Pfad \goodies\calibrat\ befindet. So können Sie unsere Tests nachvollziehen und Ihren Computer mit
den von uns getesteten vergleichen. Für die meisten Aufgaben haben wir
das Bild zunächst auf 600 dpi hochgerechnet, um mit 54 MB eine Dateigrösse zu erhalten, welche die Zeitunterschiede grösser und dadurch leichter messbar macht. Wir haben darauf geachtet, mit unseren Tests möglichst verschiedene Funktionsbereiche in die Leistungsmessung einzubeziehen. Der Gausssche Weichzeichner und das Unscharfe Maskieren beanspruchen vor allem die Integer-Leistung der Prozessoren. Die Fliesskom-
maleistung haben wir mit dem Rendering-Filter «Beleuchtungseffekte»
gemessen. Zuvor musste das Testbild vom CMYK- in den RGB-Farbraum
konvertiert werden. Bei diesem Vorgang wird zu einem grossen Teil das
Speichersubsystem belastet. Die Festplattenleistung massen wir beim Öffnen eines grossen Bildes. Als kombinierten Test, der möglichst viele Komponenten des Rechners beansprucht, haben wir noch eine Auflösungsumrechnung vorgenommen. Dabei mussten die Systeme zeigen, wie gut
Speicher, Prozessor und Festplatte zusammenarbeiten. Damit die unterschiedliche RAM-Ausstattung der Testteilnehmer die Ergebnisse nicht
übermässig beeinflusst, haben wir Photoshop überall 190 MB zugeteilt.
Auflösung erhöhen (300 auf 600 dpi)
8s
8s
6s
123456789
7,5 s 123456789
Beleuchtungseffekt (2UHRMTTG)
22 s
24 s
21 s
123456789012345678901234
21,5 s 123456789012345678901234
Gaussscher Weichzeichner (Radius 10)
20 s
19,5 s
11,5 s 1234567890123456789
1234567890123456789
17 s
Bild öffnen (900 dpi)
15 s
12,5 s
12345678901
9s
12345678901
10 s
Unscharf maskieren (50/1/0)
11 s
10.5 s
9s
123456789012
123456789012
10 s
Photoshop-Start
8s
4s
3s
1234
1234
3s
12345
123456789
123456789
1234567
1234567
CMYK in RGB umwandeln
13 s
13 s
12 s
12345678901234
12,5 s 12345678901234
1234567890
1234567890
1234567890123456
1234567
1234567
123
123
Apple PowerMac G3 MT 400
PowerPC G3/400, 256 MB RAM, 9 GB Ultrawide SCSI-Disk, ATI Rage 128 16 MB.
Preis: Fr. 5380.–
Silicon Graphics 320
Pentium II/450, 256 MB RAM, 9 GB SCSI3Disk, SGI-Cobalt-Grafik-Chipsatz, gemeinsamer, dynamisch zuweisbarer Arbeits- und
Grafikspeicher, Video-Ein- und Ausgänge.
Preis: Fr. 8150.–
12IBM Intellistation 6889-550
2 x Pentium III/500, 256 MB RAM, 9.1 GB
Wide Ultra SCSI, Matrox G200 8 MB.
Preis: Fr. 11 275.–
123
123IBM Intellistation 6889-530
Das verwendete Bild findet sich auf
der Photoshop 4.0-CD im Ordner
\goodies\calibrat. Für die Messungen haben wir es auf 600 dpi
hochgerechnet.
PUBLISHER
29
Pentium III/500, 256 MB RAM, 9.1 GB Wide
Ultra SCSI, Matrox G200 8 MB.
Preis: Fr. 8431.–