LYRA Atlas: Test in LP

Transcription

LYRA Atlas: Test in LP
18 Test
Tonabnehmer Lyra Atlas
Perfekte Schief lage
Das Atlas ist der neue Spitzentonabnehmer aus dem Hause Lyra.
Und es verfügt über ein paar konstruktive Details, die ehern
geglaubte Grundsätze auf den Kopf stellen
Einer lenkt, einer denkt und einer baut:
Die Aufgabenverteilung beim Tonabnehmerspezialisten Lyra ist klar definiert. Was
der aus Amerika stammende Entwickler
Jonathan Carr seinen beiden Kollegen unlängst präsentiert hat, das wird den Jungs
eine ganze Menge schlaflose Nächte beschert haben.
Lyra-Tonabnehmer zeichneten sich schon
immer dadurch aus, dass sie recht große
Veränderungen zu ihren Vorgängermodellen aufwiesen, und das ist beim Atlas genauso. Jonatahan Carr hätte den einfachen
Weg gehen können und einfach ein Kleos,
was de facto Lyras aktuellen Technologieträger darstellt und ein wirklich exzellenter
Nr_4-2012
Tonabnehmer
Abtaster ist, hochskalieren können. Der
Mann findet immer genug Schrauben, an
denen er noch drehen kann, und somit
wäre ein „stromlinienförmiges“ Spitzenmodell kein Problem gewesen. Hat er sein
gelassen. Vielmehr haben die Lehren aus
der Kleos-Entwicklung zu ein paar radikalen Ideen geführt, die im Atlas erstmals
umgesetzt wurden. Mit 9.900 Euro zählt
das Atlas allerdings leider zu den teuersten
11,6 Gramm Technik, die das HiFi-Metier
je gesehen hat.
Der Tonabnehmer steckt in einem silbrig
glänzenden Korpus aus Titan. Was erst einmal nichts Neues ist, immerhin besorgte
das recht leichte und extrem korrosionsbeständige Metall schon die Namensgebung
des bisherigen Lyra-Topmodells – womit
sich die Gemeinsamkeiten auch schon
fast erschöpfen. Lyra nennt das Atlas den
ersten unsymmetrischen MC-Tonabnehmer überhaupt. Und das sieht man ihm
zumindest auf den zweiten Blick an. Jede
Begrenzungsfläche des Gehäuses unterscheidet sich von ihrem Pendant auf der
gegenüberliegenden Seite. Hier eine Schräge, dort eine Kurve. Hier konvex geformt,
dort konkav. Soweit gibt’s dafür noch eine
einleuchtende Erklärung: Wie im Lautsprecherbau üblich, soll die gezielte Asymmetrie die Streuung im Systemkörper vagabundierender Resonanzen verbessern.
Besonders augenfällig wird die „Schieflage“ von vorne: Die Schraube zur Fixierung
des vorderen Magnetträgers ist aus der
Mitte geraten. Der Grund dafür besteht darin, dass Jonathan Carr so eine gerade und
kraftschlüssige Verbindung zwischen Nadelträgeraufhängung und Headshell-Boden schaffen konnte. Unerwünschte Bewegungsenergie kann so viel ungehinderter
über den Tonarm abgeführt werden. Übrigens ist Lyra der einzige Tonabnehmerhersteller, der die Nadelträgeraufhängung
direkt mit dem Systemkorpus verbindet.
Das Magnetsystem kommt ohne Joch aus
und arbeitet mit zwei Neodym-Ringmagneten; einer sitzt vor, einer hinter dem
Spulenträger. Im Atlas kommt nach längerer diesbezüglicher Abstinenz wieder ein
kreuzförmiger Spulenträger zum Einsatz;
Carr vermied diese Bauform längere Zeit,
weil er damit an der gewünschten Effizienz
scheiterte, was auf einen hochohmigeren
Generator mit dynamischen Einbußen
hinausgelaufen wäre. Stattdessen setzte
er auf einen quadratischen Spulenträger, der das Problem vermeidet, dafür jedoch verschiedene Übersprechmechanismen begünstigt. Mit dem neuen Generator
hat er das Problem eindrucksvoll gelöst: Er
hat den übersprecharmen Kreuzspulenträger und trotzdem zwölf Prozent mehr
Ausgangsspannung als beim Titan – bei
gleichzeitig um 22 Prozent reduziertem
Innenwiderstand. Das Resultat ist ein mit
0,56 Millivolt bei 5 cm/s Schnelle praxisgerecht lauter Tonabnehmer. Andere Baugruppen des Atlas sind alte Bekannte: Der
vorne aus dem Korpus ragende Nadelträger ist ein diamantbeschichtetes Borstäbchen, der Diamant trägt einen speziellen
Line-Contact-Schliff mit einer Verrundung von 3 x 70 Mikrometern.
Kommen wir noch zu ein paar ganz praktischen Dingen beim Atlas: Das Gehäuse
hat eine hübsch gerade Kante über dem
Nadelträger, was die Justage angenehm
einfach macht. So gefährdet der herausstehende Nadelträger im täglichen Umgang
auch sein mag, so sehr hilft auch er bei der
Justage. Jonathan Carr schlägt übrigens
eine interessante Antiskating-Justagemethode vor: Man schaue von oben auf den
Nadelträger und senke den Arm in die Rille; wenn der Nadelträger dabei kaum nennenswert zu einer Seite ausschlägt, dann
stimmt die Skating-Kompensation. Habe
ich beherzigt, den Tipp.
Test 19
Mitspieler
Plattenspieler:
· Transrotor Fat Bob / Reed 3p
· Clearaudio Master Reference /
Clearaudio Universal
Phonovorstufen:
· Gruensch MFE II
· Audionet PAM G2/EPC
Vorstufen:
· MalValve preamp four line
Endverstärker:
· Audio Research Reference 250
· Plinius SA-103
Lautsprecher:
· Klang + Ton „Nada“
· Audio Physic Avantera
Zubehör:
· Netzversorung von PS Audio
· NF-Kabel von van den Hul
und Transparent
· Phonokabel van den Hul
· Lautsprecherkabel von Transparent
· Plattenwaschmaschine von
Clearaudio
Gegenspieler
Tonabnehmer:
· Lyra Kleos
· Clearaudio Goldfinger Statement
Gehört bei Lyra-Tonabnehmnern zum
Lieferunfang: der sehr effektive
Nadelreiniger „SPT“
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Tonabnehmer Lyra Atlas
Esbjörn Svensson Trio – 30
20 Test
Gespieltes
Esbjörn Svensson Trio
301
Loreena McKennitt
The Wind that Shakes the Barley
Trentemöller
The Last Resort
Neil Young
Live at Massey Hall
Asymmetrie, wo immer es geht: Keine
Fläche auf dem Gehäuse hat eine gegenüberliegende Entsprechnung
Lyra-Importeur Thomas Fast riet mir, dem
Atlas zunächst ein oder zwei Plattenseiten
Zeit zu geben, bis ich ihm „ernsthaft“ ein
Ohr leihe. Sorry, Thomas – das kann man
sich sparen. Das Ding ist der Hammer.
Es brauchte einen oder zwei Klavieranschläge vom ersten Titel des fantastischen
Esbjörn- Svensson-Trio-Albums „301“ (siehe Rezensionsteil) und ich war verloren:
Eine solche Synthese aus Sanftmut, Farbigkeit, Detailreichtum und Gefühl habe ich
bis dato, wenn ich so über die letzten Jahre
sinniere, genau einmal gehört, und zwar
bei einem My Sonic Lab „Hyper Eminent“.
Was – leider – preislich in ähnlichen Regionen spielt wie das Atlas. Und was heißt
das jetzt? Muss man jetzt wirklich zehntausend Euro für so etwas Lächerliches wie einen Tonabnehmer ausgeben, um wirklich
Musik zu hören? Ich will das keinesfalls
glauben …
Diese Abbildung – unglaublich. Mit welcher Lässigkeit das elektronisch verfremdete Piano sich eine Bühne von epischer
Breite baut, wie souverän, trocken und
trotzdem fast zärtlich dieser Bass messerscharf umrissen ganz vorne steht – absolut großartig. Und was sich beim Test des
Reed 3p schon abzeichnete: Eine effektive
Masse von 22 Gramm ist, ein entsprechendes Laufwerk vorausgesetzt, überhaupt kein Problem. Die sich ergebende
niedrige Systemresonanz ist jedenfalls hier
überhaupt kein Thema, und das bei einem
geschlossenen Lautsprecher mit einem lediglich 18 Zentimeter großen Tieftöner.
Würden hier entsprechend tieffrequente
Töne angeregt, würden die Bässe das zweifellos mit wilden Auslenkungen quittieren.
Stimme. Und zwar eine schwierige. Loreena McKennit auf ihrem aktuellen Album
„The Wind that Shakes the Barley“, natürlich spiele ich das Titelstück, einen alten
Dead-Can-Dance-Klassiker an. Entschuldigung, wem allerdings hier nicht spontan
das Wasser in die Augen schießt, der hat
jegliches Gefühl für Musik verloren. Das
Lyra zeichnet riesig, schafft die perfekte
Kirchenatmosphäre, Frau McKennit singt
absolut engelsgleich. Normalerweise besteht hier die Gefahr, dass das Gebotene
ein wenig in Richtung Kitsch driftet – keine
Chance an dieser Stelle. Diese Stimme, so
zart und weich die auch tönt, so viel Timbre und Energie zaubert ihr das Atlas dazu.
Diese Synthese ist schlicht atemberaubend
Die eingepressten Dämpfer beruhigen
das Gehäuse ohne den Einsatz
von elastischen Materialien
– ich hätte nie gedacht, dass sich so etwas
aus einer aktuellen Pop-Produktion herausdestillieren lässt. Nächster Titel – die
Harfe. Jeder Saitenanriss zerplatzt mit einer Präzision und Leichtigkeit im Raum,
dass es wirklich auffällt. Und das mir, wo
ich sicherlich kaum der typische Harfenhörer bin.
Ich habe Schwierigkeiten, mich aus diesen
atmosphärisch enorm dichten musikalischen Gefilden loszureißen und dem Lyra
mal etwas deftigere Kost darzureichen.
Lyra Atlas
· Preis
9.900 Euro
· Vertrieb
Fast Audio, Stuttgart
· Telefon
0711 4808888
· Internet
www.fastaudio.com
· Garantie
2 Jahre
· Gewicht
11,6 g
· Empfohlene Auflagekraft 16,5 – 17,5 mN
· Ausgangsspannung0,56 mV bei 5,5 cm/s
· Nadelnachgiebigkeit
12 mm/N
Unterm Strich …
» Das ist er. Der Tonabnehmer. Der, der so ergriffen musiziert, als ginge es um sein Leben.
Der, der die in der Rille steckende
Magie auch Menschen vermittelt,
die mit Zauberei sonst nichts am
Hut haben.
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Klare Ansichten
Der Respapier-Schutz ist unverwechselbares
Kennzeichen von Lyra-Tonabnehmern
Unser
TD-2035
Der Vergleich der beiden Seitenansichten
offenbart weitere Unsymmetrien
Inklusive Tonarm TP-92
aus dem Hause Thorens.
Legen wir mal wieder den guten Anders Trentemöller auf,
auf dessen Erfolgsalbum „The Last Resort“ sich „Take Me
into Your Skin“ perfekt zum Ausloten tieftonaler Fähigkeiten eignet. Das Lyra zeichnet die synthetischen subsonischen Gewalten voluminös, warm und extrem angenehm.
Das restliche Geschehen lässt sich davon erfreulich wenig
beeindrucken, auch bei gemeinen Auslenkungen steht das
komplexe Klanggebilde wie eine Eins. Großartig. Härtere
Sachen habe ich zwar auch aufgelegt, das Atlas stellt seine
Qualitäten jedoch am Überzeugendsten unter anderen Voraussetzungen unter Beweis. Sobald es irgendwo eine Atmospäre zu reproduzieren gibt, eine Stimmung zu vermitteln,
einem Ereignis Ausdruck zu verleihen, dann brechen alle
Dämme. Zum Beispiel bei der Classic-Records-Veröffentlichung von Neil Youngs Massey-Hall-Konzert. Ich kenne das
Album gut und habe viele schöne Stunden damit verbracht,
so ungeheuer dabei war ich allerdings noch nie.
Bei mir lief das Atlas übrigens mit einer Auflagekraft von
17,5 Millinewton, dem oberen Limit des empfohlenen Bereichs, dort tönte es am stimmigsten. Allerdings gab sich
das Atlas diesbezüglich eher gelassen, auch beim Antiskating darf man entspannt bleiben. Wenn’s schon halbwegs
stimmt, dann macht einen dieser fantastische Tonabnehmer einfach komplett sprachlos.
Holger Barske
sind dabei!
High End, wir
G
Atrium 4&, F-22.31OF.
F-231 E
Auch in den Farbvarianten
Weiß, Blau, Rot und Schwarz erhältlich.
[email protected]
www.sintron-audio.de
www.gutes-hifi-guenstig.de
Distributor: Sintron Vertriebs GmbH
Südring 14 · D-76473 Iffezheim · Tel.: 0 72 29 - 18 29 50
Schweiz: Sinus Technologies
Weingarten 8 · CH-3257 Ammerzwil · [email protected]