Vorschau - Heimatverein Mengede

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Vorschau - Heimatverein Mengede
Heimatblätter
Beiträge und Geschichten aus dem Stadtbezirk Mengede
Herausgegeben vom Heimatverein Mengede e. V.
Nr. 12
Ostern 2005
Liebe Leserinnen und Leser,
in den letzten Wochen hat uns der Winter noch einmal
gezeigt, wie lange er auch in unserer Region zu Gast
sein kann. Aber der Frühling naht mit schnellen Schritten, wie uns die Sonnenstunden der vergangenen Tage
andeuteten. Die Hoffnung auf mehr von diesem warmen Licht verbinden wir alle mit den kommenden Ostertagen, die hoffentlich für Sie alle fröhliche und schöne
Tage sein werden.
4. Jahrgang
EP 0,50 Euro
Als Geschenk für den Heimatverein brachte die
Kammersängerin eine auf Leinen aufgezogene Original-Reproduktion eines über 100 Jahre alten Plakates
aus der Glanzzeit ihrer Eltern mit. Diese hatten sich
nach Beendigung ihrer Artisten-Karriere in Mengede
niedergelassen und an der Freihofstraße die „Festsäle
Goltz“ (später „Tittmann“ bzw. „Mengeder Hof“) betrieben, die unter ihrer Leitung eine gefragte Adresse für
Variete- und Theaterveranstaltungen waren.
Ihre Heimatblätterredaktion
Christel-Goltz-Ausstellung
„Ein Leben für die Kunst“
Goltz-Ausstellung fand großes Interesse
Heimatverein ehrte Mengedes berühmteste Tochter
/ Besucher kamen auch von außerhalb
Sie kam, sah und strahlte: „Das ist einfach wunderbar, und ich bin dankbar, dass ich das noch erleben
durfte“. Wieder einmal besuchte die weltberühmte
Kammersängerin Christel Goltz (92) ihre frühere Heimat
Mengede. Anlass war diesmal die Ausstellung „Ein Leben für die Kunst“, die unser Heimatverein als Hommage an sein Ehrenmitglied in der „Heimatstube“ veranstaltet hatte.
„Hier schließt sich der Kreis“, stellte Mengedes berühmteste Tochter fest, als sie sich die mit viel Liebe
und Akribie zusammen gestellte Ausstellung über die
Geschichte ihres Lebens mit großem Interesse angesehen hatte. An Hand von alten Klassen-, Familien- und
Rollenfotos, Theaterprogrammen, Plakaten, die zum
Teil auch von der Semper-Oper in Dresden und der
Staatsoper in Wien zur Verfügung gestellt worden waren, sowie Berichten von Weggefährten und Veröffentlichungen in Zeitungen, ließ sich der Werdegang der
großen Sopranistin, die über 110 Rollen in ihrem Repertoire hatte und die sich vor allem als „Salome“ einen
Dauerplatz in der Musikgeschichte gesichert hat, nachvollziehen. Zu den zahlreichen Exponaten gehörte auch
eine Originalpartitur des Konzertes, das Christel Goltz
1958 zusammen mit dem Kirchenchor „Cäcilia“ im Mengeder Saalbau gegeben hatte.
Neben Bildern von ihren zahlreichen Bühnenauftritten
waren auch Fotos ihrer Geschwister sowie ihrer Eltern,
die zusammen mit einer Verwandten als „Trio Goltz“
ebenfalls weltberühmt waren und u. a. in den USA und
in St. Petersburg als Hochseilartisten aufgetreten sind,
zu sehen.
Christel Goltz in ihrer ersten großen Opernrolle
als „Agathe“ im Freischütz
Bei der Eröffnung der Ausstellung und beim anschließenden Empfang im „Handelshof“ umriss HeimatvereinVorsitzender Paul Gausepohl auch noch einmal verbal
das Leben der Künstlerin, die ursprünglich zum Ballett
gewollt hatte und die dann als Sängerin auf den bedeutendsten Bühnen der Welt landete und mit zahlreichen
Ehrungen bedacht wurde.
Gausepohl betonte, dass es sich bei der Ausstellung trotz der großen Anzahl der Exponate - nur um einen
Ausschnitt aus dem Leben der großen Sängerin handeln konnte. die sich 1970 von der Bühne zurückzog
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und die ihre Mengeder Heimat auch während ihrer
Weltkarriere nie aus den Augen verloren hatte.
Das Interesse an der Ausstellung war nicht nur bei
den Mengedern groß, auch von außerhalb kamen zahlreiche Besucher, neben Musikfreunden auch Sänger(innen), die selbst auf der Opernbühne gestanden
haben.
Karlheinz Bohnmann
Der Vorstand hat sich bei seinem Ehrenmitglied,
Kammersängerin Christel Goltz, für ihr Engagement zu
Gunsten des Heimatvereins und für ihren Beitrag bei
der Eröffnungsveranstaltung bedankt. Frau Goltz hat
diesen Dank erwidert und sich besonders erfreut gezeigt, wie beeindruckend die Ausstellung von der Bevölkerung, insbesondere aber von einigen Zeitzeugen,
aufgenommen worden ist. Sie selbst habe schon viele
Ehrungen erfahren, aber noch nie eine Ausstellung über ihre Person erleben dürfen. „Das ich das in meinem
hohen Alter in meiner alten Heimat Mengede noch erleben durfte, vertieft meine Freundschaft zu Mengede
und zum Heimatverein und weckt in mir die Hoffnung,
weitere Besuche in Mengede folgen zu lassen“, schloss
Christel Goltz ein längeres Telefonat mit mir, dem Vorsitzenden des Heimatvereins.
Paul Gausepohl
Jahreshauptversammlung 2005
Heimatstube – lieb aber teuer
Wolfgang Knaup und Heinz-Otto Buschmann neu
im Vorstand des Heimatvereins
Die im Jahr 2004 eingerichtete „Heimatstube“ ist nicht zuletzt durch die erfolgreich durchgeführten Ausstellungen - der größte Aktivposten unseres Heimatvereins. Allerdings ist sie auch ein erheblicher Kostenfaktor. Das ging auf der Jahreshauptversammlung im
„Burghof“ aus den Berichten des Vorsitzenden Paul
Gausepohl, des Geschäftsführers Wilfried Jürgens und
der Kassiererin Sabine Surmann hervor. Deshalb wurde
einstimmig eine einmalige freiwillige Spende beschlossen.
An der Sitzung beteiligten sich mehr als die Hälfte der
insgesamt 86 Einzelmitglieder und die Vertreter von 15
Vereinen. Sie nahm auch die übrigen Informationen und
Anregungen des Vorstandes ohne Gegenstimmen zur
Kenntnis. Ebenso die Wahl von Otto Buschmann und
von Wolfgang Knaup als zusätzliche Mitglieder in den
erweiterten Vorstand. Buschmann wird Geschäftsführer
Jürgens vor allem bei der Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen des Heimatvereins unterstützen.
Die Jahreshauptversammlung endete mit einem
Lichtbildervortrag über die einstigen Zechen in Dortmund. Gabriele Unverfehrt vom Westfälischen Wirtschaftsarchiv der Industrie- und Handelskammer berichtete interessant über „700 Jahre Bergbau in Dortmund“.
U. a. lüftete sie auch das Geheimnis der Mäuse und
Ratten unter Tage: Sie kamen zusammen mit dem Futter für die Grubenpferde, die vor der Motorisierung die
Kohlenwagen zum Schacht zogen, in die Grube.
Karlheinz Bohnmann
Das Osterfeuer
Das Osterfeuer ist Teil der uralten Osterbräuche, über
die wir bereits in der Beilage zu den Heimatblättern Nr.
8 vom 13. März 2004 berichtet haben. Das diesjährige
Osterfeuer, das von dem Mengeder Bürgerschützen
Verein von 1546 e.V. und vom Heimatverein Mengede
e.V. gemeinsam veranstaltet wird, soll am Ostersamstag, den 26.März 2005 auf der Schützenwiese am Burgring stattfinden.
Ostern ist das Freudenfest der Auferstehung Jesu
Christi und zugleich das höchste Fest des Christentums. Der genaue Zeitpunkt dieses ältesten christlichen
Festes war lange unbestimmt, bis das Konzil von Nicäa
im Jahre 325 den Ostersonntag auf den Sonntag nach
dem Vollmond legte, der der Tag- und Nachtgleiche im
Frühling, also dem 21. März, folgt. Da Sonnen- und
Mondlauf nicht übereinstimmen, wechselt der Ostertag
von Jahr zu Jahr zwischen dem 22. März und dem 25.
April.
Die Tradition der Osterfeuer geht bis in die frühchristliche Zeit zurück. Bereits Konstantin der große, der 337
zum christlichen Glauben übergetreten war, ließ in der
Nacht vor Ostern gewaltige Freudenfeuer anzünden. In
Dortmund das Osterfeuer erstmals im Jahre 1342 belegt, als Graf Konrad von der Mark der Antoniusbruderschaft in Hörde eine Holzung schenkte. Dafür sollte die
Antoniusbruderschaft jedes Jahr „up hillige Paschendag“ ein Freudenfeuer auf dem Renneberge anzünden
und Gott für die Erlösung vom Teufel danken.
Heute wird das Osterfeuer meist von Vereinen, Nachbarschaften, oder Gemeinschaften, oder den christlichen Kirchengemeinden als Gemeinschaftsveranstaltung für einen ganzen Ortsteil durchgeführt. Bereits um
1900 dürfte es in Westfalen kaum einen Ort gegeben
haben, an dem nicht dieser Brauch gefeiert wurde. Besonders wichtig war seit jeher das Zusammentragen
des Brennmaterials, mit dem bereits im Januar/Februar
begonnen wurde. Verbrannt wurde vor allem das Abfallholz das bei dem winterlichen Beschneiden der Wallhecken und Obstbäume anfiel.
Auch im Stadtbezirk Mengede hat das Osterfeuer eine lange Tradition. Borgmann schreibt 1928 in der Festschrift zu „1000 Jahre Mengede“: „ Am Osterabend lodert wie ehedem auch heute noch das Osterfeuer, das
aus dem Abfallholz der geschorenen Hecken bei
eintretender Dunkelheit angezündet wird. In hellen
Flammen lodert der Holzstoss empor. Rundum stehen
Kinder und Erwachsene und jubeln vor Freude über die
lichterlohe Glut. In frohen Osterliedern besingt man der
Menschheit Erwachen aus der Nacht des Irrtums zum
Licht der Wahrheit. Ein sinniger Osterbrauch! Er offenbart auch die Freude des Menschen über das Scheiden
des Winters, dessen Grienen man nicht mehr zu fürchten braucht“.
Der in zahlreichen Gemeinden entstandene Streit um
das Abbrennen von Osterfeuern wegen zu hoher Ozonbelastung durch verbrannte Schwefelstoffe und
umweltbelastender Abfälle ist inzwischen beigelegt. Die
Osterfeuer müssen zwar der Stadt Dortmund noch angezeigt werden, bedürfen aber keiner ausdrücklichen
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behördlichen Genehmigung. So wird das Osterfeuer in
Mengede unter Beachtung der Auflagen sicherlich ein
fester Bestandteil der Brauchtumspflege werden können. So sollte auch die Tradition des Ostersingens wieder aufgenommen werden, wobei der Bläserchor der
ev. Gemeinde Mengede die sangesfreudigen Osterfeuerbesucher beim Gesang unterstützen könnte.
Paul Gausepohl
Quellen: Paul Satori, Westfälische Volkskunde, Frankfurt 1922 /1980 – Heimatverein Mengede, Tausend Jahre Mengede 1928, Dortmund 1928 – Dietmar Sauermann, Vom alten Brauchin Stadt und Land, Münster 2001 – Dietmar Sauermann, Ostern in Westfalen, Münster
1986
Ostern 1945
„Nix, nix Heil Hitler!“
So erlebte der Stadtbezirk Mengede das Kriegsende
vor 60 Jahren
Am 8. Mai 1945 - vor 60 Jahren – kapitulierte HitlerDeutschland. Für Mengede war der 2. Weltkrieg schon
seit vier Wochen vorbei. Nur in Bodelschwingh und Westerfilde versuchten eine SS-Einheit und ein Trupp
Fallschirmjäger unter dem Kommando eines fanatischen Ritterkreuzträgers aus Westerfilde, den Weitermarsch der Amerikaner auf Dortmund zu stoppen. Zehn
Tage leisteten sie energischen Widerstand. Es war die
letzte Kampfhandlung im Raum Mengede.
Während von Berlin aus noch immer Durchhalteparolen aus der „Goebbelsschnauze“ (wie der Volksmund
heimlich die Volksempfänger aus Bakelit nannten, die
nur Reichssender abspielten) dröhnten, hatte die Bevölkerung - bis auf wenige, die noch immer an den
Endsieg glaubten - keine rosige Meinung von Deutschlands Zukunft. Erst nächtliche und später mehrfache
tägliche Bombenangriffe, die den Krieg an die Heimatfront gebracht hatten und längst den Alltag der Menschen bestimmten, hatten den Glauben an die „braunen“ Versprechungen und das Vertrauen in die Wunderwaffen, die das Kriegsglück noch wenden würden,
zerstört.
„Wir kamen aus dem Bunker kaum noch heraus“, erinnert sich Heinz Friege, damals sechs Jahre alt. „Sein“
Bunker - es gab mehr als zwei Dutzend davon im Raum
Mengede, die je nach ihrer Größe zwischen 100 und
2000 Menschen Schutz boten - befand sich unter der
Berge- oder Steinhalde der Zeche „Adolf von Hansemann“ an der Dönnstraße. Bergleute, die von Berufs
wegen mit dem Bau von Stollen vertraut waren, hatten
die Schutzgänge mit Genehmigung der Zechenleitung
in die „Mengeder Alpen“ getrieben, wie man den Abraumberg nannte, der damals noch den Ort überragte
und als „Mengeder Alpen“ ein Begriff war.
Diesen Bunker, in dem 500 Menschen Platz fanden,
durften nur Angehörige der an dessen Bau Beteiligten
benutzen. Wie immer gab es natürlich auch Ausnahmen. Dazu zählten Frauen, deren Männer an der Front
waren und Kinder sowie Witwen und „alle gebrechlichen Volksgenossen“. „Normale“ Männer hatten keinen
Zutritt, mit Ausnahme von drei ausgesuchten Luftschutzbeauftragten, die den Schutz suchenden Frauen
„jede Hilfe und Unterstützung“ zu gewähren hatten.
Eine Art Ehrenplatz hatten eine bekannte Kauffrau
und andere Persönlichkeiten. Die Dame verbrachte ihren Bunkeraufenthalt z. B. in einem Clubsessel auf ei-
nem Podest, der sich zwischen den in zwei Etagen angelegten Stollen befand. Diese waren zur Orientierung
nach den umliegenden Straßen benannt, so dass die
bunker-berechtigten Familien keine Probleme hatten,
ihre „Stammplätze“ zu finden. Die bekannten Persönlichkeiten waren übrigens immer eine der ersten im
Bunker, wie der frühere SPD-Abgeordnete Heinz Garus
zu berichten weiß. Sie sollen über gute Beziehungen
zum Gauleiter Albert Hoffmann verfügt haben, der
gleichzeitig Reichsverteidigungskommissar des Gaues
Westfalen-Süd und damit auch Chef der zentralen
Warnanlage war. Er wurde stets frühzeitig per Drahtfunk über die anfliegenden feindlichen Bomberverbände
informiert.
Über Jahrzehnte ein Wahrzeichen imStadtbezirk, die Bergehalde
von Adolf v. Hansemann und eine sichere Burg im Bombenhagel
Die übrige Bevölkerung wurde erst durch die heulenden Sirenen -Voralarm, Vollalarm, Akute Luftgefahr vor den Gefahren gewarnt, die ihnen vom Himmel drohten. Sie griffen dann eilig nach den bereit stehenden
Rucksäcken und Köfferchen mit ihren wichtigsten Habseligkeiten und hofften, sich rechtzeitig vor dem Eintreffen der Bomber in die Luftschutzkeller oder in einen der
Bunker retten zu können. Gegen Ende des Krieges
wagten sich die Menschen, die inzwischen auch zu
Hause meist nur noch in ihrer Kleidung geschlafen hatten, kaum noch ins Freie.
Übrigens durften auch die auf dem Haldengelände in
Baracken untergebrachten Kriegsgefangenen und Ostarbeiter, die man als Arbeitskräfte aus ihren Heimatländern verschleppt hatte, bei Fliegeralarm im Bunker
Schutz suchen. Allerdings war ihr Bereich durch einen
Maschendrahtzaun von dem der deutschen Bevölkerung abgeteilt. Der Zaun konnte zwar die Menschen
trennen, aber er konnte nicht verhindern, dass eine ansteckende Seuche ausbrach, die stinkende Eiterbeulen
an den Beinen hervor rief. Sie hatte schnell den Namen
„Russische Krankheit“ weg. Medikamente, um sie zu
behandeln, gab es nicht.
Anfang April 1945 marschierten dann die Amerikaner,
die bereits Ickern und Waltrop erobert und unterwegs
die umliegenden Gehöfte besetzt hatten, aus Richtung
Ickern kommend - auf Mengede zu. Die Besatzungen
der Flakstellungen (bestückt mit insgesamt 46 Geschützen), die längs der Emscher - zwischen Gut
Königsmühle und Ickern - lagen (eine befand sich auch
auf der Steinhalde), hatten sich entweder ergeben oder
fluchtartig abgesetzt. Vorher hatten sie noch die Geschütze durch Rohrkrepierer unbrauchbar gemacht. Der
Bunkerhügel einer solchen Scheinwerfer- und
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kerhügel einer solchen Scheinwerfer- und Flakstation
befindet sich noch auf einer Wiese des Landwirts Althüser an der Strünkedestraße (kurz vor der Brunostraße
und der Stadtgrenze nach Ickern).
Als bereits „alles in Scherben fiel“, wie es in einem
(allerdings anders gemeinten) Lied der „Großdeutschen
Wehrmacht“ hieß, sollten alte Männer, die bisher als
nicht mehr „kriegsverwendungsfähig“ gegolten hatten,
und Hitlerjungen, als so genannter „Volkssturm“ den
Untergang des „Tausendjähriges Reiches“ aufhalten.
Zu den letzten verzweifelten „Heldentaten“ dieses
letzten Aufgebotes, das von Parteigenossen angeführt
wurde, gehörte am 5. April 1945 (Donnerstag nach Ostern), dem Tag vor dem Einmarsch der Amerikaner, die
Errichtung von Panzersperren auf der Strünkede- und
auf der Waltroper Straße, die Sprengung der Kanalund Emscherbrücken sowie die Zerstörung der Stromund Wasserversorgung. Durch den bei der Sprengung
entstandenen Luftdruck gingen - soweit sie noch nicht
durch Bretter und Pappe ersetzt waren, in ganz Mengede zahlreiche Fensterscheiben zu Bruch. Und auch
einige Dächer wurden durch die gewaltigen Detonationen abgedeckt. Die Eroberer aber ließen sich durch die
Volkssturm-Aktionen nicht aufhalten. Die Panzersperren wurden von ihren Tanks wie Spielzeug niedergewalzt. Der Volkssturm selbst „verschlief“ den Einmarsch. Er hatte sich schlichtweg aufgelöst.
An der Ecke Waltroper- / Schaphusstraße hatte sich der GI einen
Beobachtungsposten geschaffen
Die Heimatwehr aus Greisen und Halbwüchsigen war
von Anfang an eine Fehlgeburt und nur noch eine aus
Verzweiflung zu verstehende Farce. Zwar wurden die
„Vaterlandsverteidiger“ noch mit Panzerfäusten ausgerüstet, sie hatten aber nicht einmal mehr Uniformen. Zu
erkennen waren die Volkssturm-Angehörigen aber an
ihren einheitlichen Armbinden.
Mehr schlecht als recht war schon die Ausbildung der
Truppe, die ihren Übungsplatz auch auf dem Gelände
der Steinhalde hatte. Dort war ein Splitterschutz aus
Stahlplatten aufgebaut worden. Doch gleich beim ersten Übungsschuss mit einer Panzerfaust kam es durch
deren komplizierten Mechanismus zu vier Leichtverletzten.
Noch naiver, als der Versuch mit dem Volkssturm die
Amerikaner aufzuhalten, war die Aufforderung an die
Mengeder Bevölkerung, die einmarschierenden Amerikaner mit heißem Wasser zu übergießen. Natürlich befolgte niemand diesen unsinnigen Befehl. Der „Goldfasan“ (wie die Nazi-Bonzen wegen ihrer braunen Uniformen genannt wurden, wenn sie außer Hörweite waren), der ihn erließ, soll übrigens einer der ersten gewesen sein, der den Amerikanern mit einer weißen Fahne
entgegen lief, als diese am 6. April 1945 (nach dreitägigem Artilleriebeschuss) Mengede ohne Gegenwehr besetzten. Mengedes Ortsgruppenleiter war kurz vor deren Einmarsch - mit nur einer Panzerfaust bewaffnet per Motorrad mit Vollgas vom Hof des „Braunen Hauses“ geknattert, das sich an der Williburgstraße befand.
Vorher hatte er angekündigt: „Jetzt geht es den Amis an
den Kragen“.
Auf dem Hof Rath, so notierte ein unbekannter Chronist aus der katholischen Remigius-Gemeinde, ging der
Bauer Rath den Amerikanern „an der Spitze seines Gesindes mit einer weißen Fahne entgegen und gab sich
als Antifaschist aus“. In seiner Aufregung begrüßte er
die Amerikaner ausgerechnet mit „Heil Hitler“, mit dem
Gruß, der ihm bis dahin während der gesamten Dauer
des „Dritten Reiches“ nicht über die Lippen gekommen
war. „Nix, nix Heil Hitler!“, stoppte ihn der US-Offizier.
Einen skurrilen Einfall, um die Amerikaner zu beschwichtigen, hatte ein Metzger aus Nette. In dem Glauben
die GIs, die sämtliche Häuser und Keller nach Widerstandsnestern durchsuchten, friedlich stimmen zu können, legte er Wurstpakete auf die Haustreppe. Doch die
Amerikaner, die im Übrigen bestens verpflegt wurden,
interessierte aber nur eins: „Are here Soldiers? – Sind
hier Soldaten?“
Weil es auch nach dem Einmarsch noch zu einem
einwöchigen Artillerie-Duell gekommen war, blieb die
Bevölkerung erst einmal in den Luftschutzkellern und
Bunkern. Vor allem in Bodelschwingh und Westerfilde
wurde noch erbittert gekämpft. SS-Angehörige und
Fallschirmjäger, die sich in mehreren Häusern verschanzt hatten und von einem Ritterkreuzträger befehligt wurden, der angeblich aus Westerfilde stammte, leisteten erbitterten Widerstand. Es gelang ihnen sogar,
die Amerikaner vorübergehend wieder zurück zu werfen, worauf es zu einem schweren Artillerie-Gefecht
kam. Acht Tage und Nächte dauerte das letzte Gefecht.
Dann hatten die Angreifer gesiegt.
Den Ritterkreuzträger fand man tot in einer Hecke des
Bauern Budde in Westerfilde, auf dessen Hof nach der
Schlacht bergeweise Munitionskisten lagen. Die Leichen der fehlgeleiteten Helden wurden von den Siegern
auf einer Plane öffentlich aufgebahrt.
Während der unsinnigen Kriegshandlungen wurde
fast halb Westerfilde durch Granaten sowie durch
Brand- und Fliegerbomben in Schutt und Asche gelegt.
Am 7. und 8. April 1945 fielen zum Beispiel 630 Bomben auf Westerfilde. Der Ort, vermerkt die Chronik der
katholischen Gemeinde „Mariä Heimsuchung“, bot ein
Bild des Grauens. Rund 2000 Menschen verloren ihre
Wohnungen, viele – auch Fremdarbeiter – starben im
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Bombenhagel, obwohl die Zivilbevölkerung sich in den
Schutzräumen (der größte Bunker befand sich auf der
Zeche Westhausen) in Sicherheit geglaubt hatte.
Im Bericht eines namentlich nicht genannten Augenzeugen (abgedruckt in „Die Zusammenbruchsgesellschaft“, herausgegeben von der Geschichtswerkstatt
Dortmund) heißt es, dass die Amerikaner am 11. April
1945 in Westerfilde einrückten, „nachdem am Vortage
die Schlacht von Bodelschwingh getobt hatte“. Drei USPanzer, die abgeschossen wurden, seien erst nach
Wochen abgeschleppt worden.
Die schweren Kämpfe um Bodelschwingh und Westerfilde ruinerten auch die kath. Pfarrkirche. Die Schäden wurden zwar
kurzfristig wieder behoben, letztlich führten aber auch diese und
aufgetretene Bergschäden zum Abbruch des Kirchengebäudes
in den siebziger Jahren.
Als die deutschen Soldaten die Aussichtslosigkeit ihres Kampfes eingesehen und sich schließlich mit erhobenen Händen ergaben, seien sie, so eine als Augenzeugin zitierte Frau Möller, die in Bodelschwingh gegenüber des Arztes Dr. Staupendahl gewohnt hatte,
„mit Maschinengewehren hingemäht“ worden.
Die männlichen Zivilisten wurden nach Ickern gebracht, wo sie verhört wurden. Als sich bei den Vernehmungen herausstellte, dass es sich bei ihnen um
harmlose Bürger handelte, wurden sie nach drei Tagen
wieder nach Hause entlassen.
An die Kämpfe in Bodelschwingh erinnert sich auch
die frühere Mengeder CDU-Ratsvertreterin Thea Weichert, in deren Elternhaus in Bodelschwingh die Verteidiger eine Funkstation eingerichtet hatten. Während die
Soldaten sich in der Wohnung ihr Widerstandnest eingerichtet hatten, hielt sich die Familie im Luftschutzkeller des unter Beschuss liegenden Hauses auf. Thea
Weichert hatte Glück, dass sie den Krieg überlebte:
Wenige Minuten, nachdem sie ihr Bett im Luftschutzraum verlassen hatte, weil ihre Mutter sie in den Kohlenkeller gerufen hatte, wurde ihre Liegestatt unter den
Trümmern einer durch Flakbeschuss einstürzenden
Wand begraben.
Nach dem die Waffen endlich schwiegen, beschlagnahmten die Besatzer die besseren Häuser, um sich
dort einzuquartieren. Die Bewohner hatten gerade noch
Zeit, das Nötigste einzupacken. Sie mussten ihre Wohnungen innerhalb von zwei Stunden verlassen. In Mengede waren das beispielsweise die Bürgerhäuser an
der Remigius- und an der Castroper Straße (heute: Am
Amtshaus). Vieles, was dort zurück gelassen werden
musste, wurde von den Besatzern als „Souvenir“ mit-
genommen. Beliebte „Kriegsbeute“ waren Uhren und
Schmuck. Besonderes Interesse fanden, auch die Alkoholvorräte.
Trotz dieser wenig erfreulichen Ereignisse, und obwohl keiner wusste, wie es weiter gehen würde, atmete
die Bevölkerung erst einmal auf, dass der Krieg endlich
vorbei war. Doch schon drohten neue Gefahren und
neues Leid: Denn gleich nach ihrem Einmarsch in
Mengede hatten die Amerikaner die Fremdarbeiter frei
gelassen, für die es allein im Raum Mengede neun
Zwangslager gab, die überwiegend von Polen und Russen bewohnt waren, die vor allem im Bergbau und als
Knechte auf den Bauernhöfen eingesetzt waren. Kaum
in Freiheit zogen sie - Erkennungszeichen der Polen
war ein Bändchen in ihren rot-weißen Nationalfarben im
Knopfloch – oft in Gruppen von bis zu 150 Mann plündernd durch die Gegend umher, um sich vor allem mit
Lebensmitteln zu versorgen. Kein Geschäft und kein
Bauernhof blieben verschont.
Die freigelassenen Ostarbeiter (zusammen mit denen
aus den Lagern aus dem benachbarten Ickern etwa
4000) umzingelten vor allem einsam gelegene Höfe,
bedrohten die Bewohner, schlugen Türen und Schränke
ein und nahmen mit, was ihnen in die Hände fiel. Das
Vieh schlachteten sie gleich an Ort und Stelle.
Vom mehrfach heimgesuchten Hof Isbruch in Brüninghausen transportierten sie ihre Beute mit dem hölzernen Fahrzeug der Sanitätskolonne des Deutschen
Roten Kreuzes ab, das sie aus der Remise des Mengeder Saalbaus entwendet hatten.
Auch der stolze Adler auf der Säule an der Post verdankt einem
amerikanischen Soldaten seine „Verstümmelung“. Nach einem
Wettschießen wurde der Flügel als Trophäe mitgenommen.
Neben Fleisch eigneten sich die Polen auch Kleidung,
Wäsche und Wertsachen gewaltsam an. Gegenwehr
war zwecklos, denn die marodierenden Banden zeigten
nun den „Herrenmenschen“, wer jetzt die Macht hatte.
Außerdem hatten sie sich Waffen besorgt (Pistolen und
Handgranaten), von denen sie bedenkenlos Gebrauch
machten. Eines ihrer Opfer wurde die Wirtschafterin auf
dem Gut Vahle. Sie erlitt bei einem nächtlichen Überfall
einen Leberdurchschuss. In Ickern spalteten sie einem
Bauern, der sie wenig freundlich behandelt haben soll,
mit einer Axt den Schädel.
Die Überfallenen konnten sich nicht wehren. Sie hatten alle ihre Waffen bei der Besatzungsbehörde abliefern müssen. Selbst die Polizei war unbewaffnet und
wagte es nicht, sich den Banden in den Weg zu stellen.
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Aber nicht nur Höfe und Geschäfte, auch Einzelpersonen wurden überfallen und zur Herausgabe ihrer Fahrräder, Taschenuhren und sogar ihrer Eheringe gezwungen.
Die Besatzer wussten über die Ausschreitungen Bescheid, kümmerten sich aber nicht darum. Schließlich
hatte ihr Oberbefehlshaber General Dwight D. (Ike) Eisenhower befohlen, dass die deutsche Bevölkerung, die
Fremdarbeiter bevorzugt mit Nahrung zu versorgen hatte.
Irgendwann wurden die täglichen Ausschreitungen
und die Willkür einigen Kumpeln zu viel. Sie bewaffneten sich mit Hackenstielen und bildeten eine Art Bürgerwehr. Endlich stellten die Amerikaner eine Wache
vor das Lager an der Dönnstraße. Die Bevölkerung atmete aber erst wieder so richtig auf, als die Ostarbeiter
nach Monaten des Terrors endlich in ihre Heimatländer
abzogen.
Übrigens nutzten nicht nur die Fremdarbeiter die
Gunst der unguten Zeit. Der Chronist aus der katholischen Remigius-Gemeinde notierte: „Leider haben sich
auch Bürgerliche an den Plünderungen beteiligt.“
Aber auch ehrlichen Menschen fiel es sehr schwer,
Nahrung aufzutreiben. Schon während des Krieges gab
es (wenn überhaupt) rationierte Nahrungsmittel nur auf
Lebensmittelkarten. Und jetzt musste die Versorgung
der Bevölkerung ausschließlich vor Ort organisiert werden.
Als nach dem 25. Mai 1945 endlich wieder Züge fuhren, gingen viele auf Hamsterfahrten, die ins Münsterland, aber auch bis in den Raum Hannover führten.
Mache Bauern hatten Mitleid mit den Hungernden, andere ließen sich mit Teppichen und anderen wertvollen
Gegenständen teuer „bezahlen“.
Ähnliche Tauschgeschäfte wurden später auch auf
dem sich bald darauf bildenden (verbotenen) „Schwarzen Markt“ getätigt. Wertvolles wurde für ein Paket Kaffee oder für eine Schachtel Zigaretten abgegeben. Eine
einzige Ami-Zigarette kostete beispielsweise 20 RM.
Unter der Bevölkerung kursierte der Spruch „Für eine
Schachtel Chesterfield mach ich deine Schwester wild.“
Der Mengeder Heimatforscher Friedhelm Treckmann
erinnert sich daran, dass er als Junge einmal eine
Gruppe Frauen „auf den Verdacht hin“, dass es dort
Margarine auf Lebensmittelmarken geben würde, zu
Fuß nach Huckarde begleitete. Nach erfolgreichem
Einkauf nahm die Gruppe den Heimweg aus Angst vor
Plünderern abseits der Straßen.
Nicht nur die Lebensmittel-Versorgung der Bevölkerung sollte vor Ort organisiert werden, die Amerikaner
hatten auch den Plan, Mengede wieder zu einer selbstständigen politischen Gemeinde zu machen. Für den
Aufbau der Verwaltung hatten sie vorbereitete Namenslisten mitgebracht, an deren oberster Stelle Ernst Börstinghaus stand, ein Sozialdemokrat aus einer alten
Mengeder Familie. Börstinghaus schlug aber an seiner
Stelle den Diplom-Kommunalbeamten Stadtinspektor
Paul Hamborg vor.
Dieser erste „Ortsbürgermeister“ fand vor allem bei
der Verwaltung der Zeche „Adolf von Hansemann“ volle
Unterstützung bei seinem Bemühen, das Verkehrsleben
sowie den Handel und Wandel in Mengede wieder in
Ordnung zu bringen. Er sorgte dafür, dass die Zeche
die erste Brücke über die Emscher an der Waltroper
Straße wieder herstellte, so dass die Landwirte endlich
wieder ihre auf der anderen Seite der Emscher liegenden Felder ohne dreistündige Umwege über Groppenbruch, Leveringhausen, Waltrop und Ickern erreichen konnten.
Hamborg erreichte auch, dass die Stromversorgung
wieder in Betrieb genommen konnte. Trotzdem war seine Amtszeit nur von kurzer Dauer. Denn als die Engländer nach wenigen Monaten die Amerikaner als Besatzungsmacht ablösten, war von einer Abtrennung
Mengedes von Dortmund nicht mehr die Rede.
Die Besatzer hatten auch eine eigene Polizei eingesetzt, die anfangs statt der Uniformen weiße Armbinden
mit der Aufschrift „Police“ und später dann blaue Uniformen und blau umgefärbte Tschakos trugen. Außerdem wurden Entnazifizierungskommissionen eingesetzt, um die Funktionäre des „Tausendjährigen Reichen“ herauszufiltern und aus dem öffentlichen Leben
zu entfernen. Die Einstufungen erfolgten in fünf Kategorien. Natürlich versuchte jeder als möglichst unbelastet
eingestuft zu werden. Wer gute Beziehungen hatte, besorgte sich einen so genannten „Persilschein“. Aber
schon wenige Jahre später spielte die braune Vergangenheit keine Rolle mehr. Auch ehemalige Parteigenossen konnten wieder öffentliche Ämter bekleiden.
Denn bald hatte es sich herausgestellt, dass die alten
Eliten beim Wiederaufbau des Landes gebraucht wurden.
Karlheinz Bohnmann
Bundesverdienstkreuz am Bande für Klaus Linde
Über OB Dr. Langemeyer verlieh Bundespräsident
Klaus Köhler unserem Mitglied
die hohe Auszeichnung für sein
berufliches
und
privates
Schaffen. Klaus Linde wurde
1989 von der Maler- und
Lackiererinnung Dortmund /
Lünen
zum
Obermeister
gewählt und diesem Amt galt
sein steter Einsatz. Darüber
hinaus
gestalten
vielerlei
ehrenamtliche Tätigkeiten seinen Lebensweg. Auch wir sind
dankbar
für
seine
Unterstützung bei der Bewältigung
unserer gesteckten Ziele. Wir freuen uns über die hohe
Auszeichnung und gratulieren Klaus Linde herzlich.
Heimatverein Mengede
Dauertermine:
1. Mi i.M.
19.00 Uhr: Stammtisch im „Burghof“
1. Fr. i. M.
NCC, Sportklause, 20.00 Uhr, Monatsversammlung
3. Sa. i. M.
BUV-Kleinzeche, von 10.00 bis 16.00 Uhr
2. Fr i. M.
Schützenstammtisch im „Burghof“
Wir sind unter www.heimatverein-mengede.de online!
Schauen Sie doch mal rein und Anregungen und Kritik nehmen wir über dieses Medium gerne entgegen.
Impressum: Herausgeber: Heimatverein Mengede e.V. - Redaktion: Wilfried Jürgens, Adalmundstr. 16 - 44359 DO (0231-335629) und Franz-H. Veuhoff, Am Hohen Teich 14 – 44359
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