2013-05-XX Pharm Ind

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2013-05-XX Pharm Ind
Arzneimittelwesen · Gesundheitspolitik · Industrie und Gesellschaft
Pharma-Markt
Einsparpotenziale durch
Arzneimittel-Substitution
Arzneiverordnungs-Report wirft mehr Fragen auf als er beantwortet
Prof. Dr. Dieter Cassel1 und Prof. Dr. Volker Ulrich2
Im September 2012 haben das Wissenschaftliche Institut der AOK
(WIdO) und der AOK-Bundesverband (AOK-BV) die neueste Ausgabe
ihres Arzneiverordnungs-Reports (AVR) vorgestellt. Traditionell
werden darin die vertragsärztlichen Arzneiverordnungen und ihre
Ausgabenwirkungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
kompetent analysiert und kommentiert. Dadurch werden pharmakotherapeutische Trends und ihre finanziellen Auswirkungen
erkennbar. Das Interesse der Gesundheitspolitik und Kostenträger
richtet sich allerdings primär auf die ebenfalls im AVR ermittelten
und öffentlichkeitswirksam herausgestellten „Einsparpotenziale“.
Ihre Berechnung und gesundheitspolitische Kommentierung stehen
jedoch seit Jahren hinsichtlich der Methodik und Ergebnisse unter
heftiger Kritik. Sind auch die neuesten Zahlen eher populistische
Artefakte als tatsächliche Einsparmöglichkeiten in der GKV-Arzneimittelversorgung?
1 . Wo z u E i n s p a r p o t e n z i al e ?
Der jüngste Arzneiverordnungs-Report (AVR) vom September 2012
weist bei der Substitution von teuren
durch vergleichbar wirkende, aber
billigere Medikamente ein Einsparpotenzial (ESP) für die gesetzliche
Krankenversicherung (GKV) in Höhe
von 8,4 Mrd. Euro aus (AVR 2012,
S. 40). Die Summe setzt sich zusammen aus einem ESP in Höhe von
3,1 Mrd. Euro aus dem nationalen
Preisvergleich (nPV) mit unterstellter Substitution von Generika, Analoga und umstrittenen Arzneimitteln
auf dem deutschen Fertigarzneimittelmarkt und einem ESP in Höhe von
5,3 Mrd. Euro aus dem internationalen Preisvergleich (iPV) mit den Niederlanden. Im iPV wird angenommen, dass teure deutsche Patentpräparate und Generika durch billigere
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Produkte aus den Niederlanden sowie teure deutsche Analoga zum einen durch identische und zum anderen durch vergleichbare, aber jeweils
billigere niederländische Produkte
substituiert werden1).
1.1 Einsparpotenziale als
Wirtschaftlichkeitsreserven
An solchen handfesten Zahlen, wie
sie nach AVR-Berechnungen für den
Zeitraum 2000 bis 2010 in Tab. 1 ausgewiesen sind, besteht verständlicherweise ein lebhaftes gesundheitspolitisches Interesse, zumal der AVR
1)
Da der AVR 2012 eine neue Systematik
(Nettokosten) verwendet, müssen bei den Generika und Analoga die nationalen von den
internationalen ESP abgezogen werden, um
Doppelzählungen zu vermeiden. Damit ergeben sich bei dem iPV nur 5,3 Mrd. Euro ESP
und nicht die im AVR 2012, S. 40, angegebenen
7,8 Mrd. Euro.
Cassel und Ulrich · Einsparpotenziale bei Arzneimitteln
Einsparpotenziale in dem Sinne interpretiert, dass sie zu Lasten der
Arzneimittel-Hersteller zu schöpfen
wären und dies die GKV als Kostenträger entsprechend entlasten würde.
Diese Vorstellung blendet jedoch nahezu vollständig die bestehenden
Verhältnisse auf den Arzneimittelmärkten in Deutschland und anderen
marktwirtschaftlichen Ländern aus:
Von einem Arzneimittel, das in der
Apotheke 11 Euro zu Lasten der
GKV kostet, erhält der Hersteller
nur rund 35 Cent (BPI 2011, S. 1).
Der Rest geht in die Mehrwertsteuer
und in die Handelsstufen. ESP auszuweisen und sie unbesehen den Herstellern anzurechnen, obwohl sie auf
den Distributionsstufen oder beim
Staat (Mehrwertsteuer) anfallen, ist
methodisch nicht angemessen und
auch für die gesundheitspolitische
Diskussion nicht zielführend.
In der breiten Öffentlichkeit werden die ausgewiesenen ESP dennoch
als nachgewiesene und quantifizierte
Unwirtschaftlichkeiten
angesehen,
die sich aus der Verordnung von Medikamenten mit einer vergleichsweise
schlechten Preis- bzw. Kosten-Wirksamkeits-Relation ergeben. Das kann
alle Arzneimittelkategorien betreffen
– umstrittene Medikamente, Generika, Analoga und importierte Präparate genauso, wie Arzneimittel-Innovationen mit und ohne Zusatznutzen. Dementsprechend wird darin gesundheitspolitisch ein gravierender
Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot gesehen, der die Einhaltung der gesetzlich gebotenen Beitragssatzstabilität gefährdet.
Pharm. Ind. 75, Nr. 5, 734–746 (2013)
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Mercator School of Management der Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg1 und
Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth2
1.2 AVR hat faktisch ein
Berechnungsmonopol
AU TO R
AU TO R
Prof. Dr. Dieter Cassel
Prof. Dr. Volker Ulrich
ist Emeritus für Wirtschaftspolitik und Gesundheitsökonom an der Mercator School of Management der Universität Duisburg-Essen, Campus
Duisburg. Nach seiner volkswirtschaftlichen Ausbildung war er von 1971 bis 1977 Ordinarius für
Wirtschaftspolitik an der Universität Wuppertal
und bis zu seiner Emeritierung 2007 in Duisburg.
Von 2001 bis 2005 war er Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheitsökonomie der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.
Er ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats
des WIdO, Berlin, sowie Vorsitzender des Kuratoriums der APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft, Bremen. Gesundheitsökonomisch
befasst er sich mit Fragen des Kassen- und Vertragswettbewerbs, der Arzneimittelversorgung und
der nachhaltigen Finanzierung der GKV.
ist Finanzwissenschaftler mit Spezialisierung auf
dem Gebiet der Gesundheitsökonomie. Nach
Promotion und Habilitation an der Universität
Mannheim sowie zwischenzeitlichen Stationen an
der Universität der Bundeswehr München und der
Universität Greifswald ist er seit 2002 Inhaber des
Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre III, insbesondere Finanzwissenschaft an der Universität
Bayreuth. Forschungsschwerpunkte sind ökonomische Aspekte des demografischen Wandels und
Finanzierungsfragen des Gesundheitswesens. Im
akademischen Jahr 2010/2011 war er Vorsitzender
der Deutschen Gesellschaft für Gesundheitsökonomie (dggö).
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derlich, an die Berechnungsverfahren
von ESP im nationalen, aber insbesondere auch im internationalen
Preisvergleich hohe methodische Ansprüche zu stellen und zu fordern,
dass die jeweilige Vorgehensweise
transparent und damit auch nachvollziehbar und überprüfbar ist.
2 . Po t e n z i a l b e re c hn u n g e n
d e s AV R
2.1 Ergebnisse der ESPBerechnungen bis 2011
Gegen die AVR Vorgehensweise bei
der Berechnung von ESP hat es von
Anfang an und vermehrt wieder in
den letzten Jahren kritische Stimmen
gegeben, welche die Methodik des
AVR infrage gestellt und die Validität
seiner Ergebnisse angezweifelt haben
(Pfannkuche et al. 2007, 2009; Cassel
2011). Auch hat es inzwischen einen
methodenkritischen Expertenworkshop zum Problem von Kostenvergleichen bei Arzneimitteln an der
Universität Bremen gegeben (ZeS
2008), und von den Autoren dieses
Beitrags stammt eine Metaanalyse
zur methodischen und pragmatischen Adäquanz von ESP-Berechnungen (Cassel/Ulrich 2012, 2).
2.1.1 Umstrittene Berechnungsmethoden
Methodischer Ausgangspunkt der
Berechnungen von ESP ist die (hypothetische) Substitution zweier Arzneimittel auf der Basis von DDD (Defined Daily Doses). Zur Messung des
Verordnungsvolumens innerhalb der
ATC-Systematik kommt auf internationaler Ebene das System der definierten Tagesdosen der WHO zum
Einsatz. Für jeden Wirkstoff legt die
WHO eine Arzneistoffmenge fest, die
als Erhaltungsdosis für einen Erwachsenen in der Hauptindikation
konsentiert wurde. Die DDD-Angaben stellen keine Dosierungsempfehlungen dar, sondern sind zunächst
eine rechnerische Größe, mit deren
Hilfe vergleichbare statistische Auswertungen des Arzneimittelmarktes
auf nationaler und internationaler
Cassel und Ulrich · Einsparpotenziale bei Arzneimitteln
735
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Führend auf dem Gebiet der Wirtschaftlichkeitsberechnungen bei Arzneimitteln sind derzeit der AVR von
Schwabe/Paffrath basierend auf Daten des Wissenschaftlichen Instituts
der Ortskrankenkassen WIdO (AVR
2012), der BARMER GEK-Arzneimittelreport von Glaeske/Schicktanz
(GEK 2000–2009 bzw. BARMER GEK
2010 ff.) sowie der IGES-Arzneimittel-Atlas von Häussler/Höer/Hempel
(AM-Atlas 2006, S. 9 ff. und S. 234 ff.).
Während der AVR (AVR 1985 ff.) Einsparpotenziale aufgrund von Verordnungsdaten des vom WIdO erstellten
GKV-Arzneimittelindex für die GKV
insgesamt errechnet, weist der Arzneimittelreport nur kassenspezifische ESP der BARMER GEK aus,
auch wenn diese seit 2010 die größte
deutschen Krankenkasse ist (GEK
2000–2009; BARMER GEK 2010 ff.).
Der AM-Atlas versteht sich dagegen
seit seinem ersten Erscheinen im
Jahr 2006 methodisch und inhaltlich
als Alternative zum AVR, legt allerdings keine eigenen ESP-Berechnungen vor.
Hieraus hat sich eine heftige „Methodenkontroverse“ zwischen AVR
und AM-Atlas ergeben, der sich wichtige Hinweise zu den analytischen
Gemeinsamkeiten und Unterschieden beider Reporte entnehmen lassen (Häussler/Höer 2006; Schröder
et al. 2007). Mit Blick auf Datenverfügbarkeit und Bekanntheitsgrad sowie Ausmaß an öffentlicher Wahrnehmung hat der AVR bei Berechnungen von GKV-ESP aber nach wie
vor eine gewisse Monopolstellung
und steht daher im Fokus der folgenden Analyse. Aus wissenschaftlicher
Perspektive ist es unbedingt erfor-
Arzneimittelwesen · Gesundheitspolitik · Industrie und Gesellschaft
Pharma-Markt
Tab e ll e 1
GKV-Einsparpotenziale bei Arzneimitteln in 2000 – 2010 gemäß AVR (in Mrd. Euro).
AM-Gruppen:
Quelle:
Die ESP-Berechnungen erfolgen aufgrund der GKV-Arzneimitteldaten auf der Basis von Apothekenverkaufspreisen (AVP) bzw. GKVFertigarzneimittel-Umsätzen (AMU) im nPV einschließlich MWSt. Beim iPV mit Schweden (2009) enthalten die AVP auf der
Produktebene die MWSt, das ESP wird aber anschließend mehrwertsteuerfrei ausgewiesen. Der iPV mit Großbritannien (2010) wie
auch der ESP-Ausweis sind ohne MWSt.
Generika – Präparate mit generikafähigen identischen Wirkstoffen; Analoga – Präparate mit modifizierten vergleichbaren Wirkstoffen; Umstrittene – AM mit nicht oder nicht hinreichend nachgewiesener Wirksamkeit; Geschützte – Präparate mit patentgeschützten Wirkstoffen. Abkürzungen: AM – Arzneimittel; ESP – Einsparpotenzial; iPV – internationaler Preisvergleich (in 2009 mit
SE – Schweden; in 2010 mit GB – Großbritannien); nPV – nationaler Preisvergleich; – keine Angaben.
Eigene Zusammenstellung nach AVR 2001 – 2011, Tabellen 1.1, 1.8, 1.10 und 1.11.
Ebene ermöglicht werden sollen. Gegenüber anderen Messgrößen, wie
etwa der Anzahl der abgegebenen Packungen, besitzen sie den Vorteil,
dass der Verbrauch eines Arzneimittels anhand einer zuvor festgelegten
Wirkstoffmenge direkt gemessen
werden kann.
Die Frage, ob sich die DDD-Systematik – neben ihrem primären Einsatzgebiet zur Verbesserung der Qualität der Arzneimittelversorgung –
auch für Preisvergleiche und zur Kostensteuerung eignet, wird in der Literatur kontrovers diskutiert (Pfannkuche et al. 2009, S. 18). Bei der WHO
findet man dazu folgende Einschät-
736
zung: „Similarly, basing reimbursement and pricing comparisons on
inclusion of drugs in ATC groups is
not recommended. The main indications for drugs (on which ATC assignments are based) often differ widely between countries and, like the
PDD, can change over time” (WHO
2011, S. 1). Heute steht man Kostenvergleichen auf Basis der DDD-Systematik somit eher kritisch bis ablehnend gegenüber (Wasem/Bramlage
2009, S. 54). In jedem Fall sollten jedoch die Limitationen erkannt und
entsprechend bei den Analysen berücksichtigt werden (Pfannkuche et
al. 2009, S. 22 f.).
Cassel und Ulrich · Einsparpotenziale bei Arzneimitteln
Die Berechnung der ESP hängt
nun entscheidend von der konkreten
Vorgehensweise bei der Arzneimittelsubstitution ab. Erfolgt der Austausch zweier Präparate anhand ihrer DDD-Durchschnittskosten wird
vernachlässigt, dass die Tagestherapiekosten maßgeblich von der verordneten Wirkstärke und der Packungsgröße abhängen. Denn größere Packungen sind in der Regel
preis- bzw. kostengünstiger als kleinere. Werden nun Präparate nach
DDD-Durchschnittskosten substituiert, bleiben derartige Unterschiede
unberücksichtigt. Im Vergleich zum
Austausch durch einen SubstituenPharm. Ind. 75, Nr. 5, 734–746 (2013)
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Legende:
2.1.2 Einsparpotenziale aus
inländischer Arzneimittelsubstitution
Mit Blick auf die Potenzialberechnungen im AVR bestehen aus unserer
Sicht berechtigte Zweifel, inwieweit
der AVR den Goldstandard bei der
Arzneimittelsubstitution anwendet
oder stattdessen nur eine Substitution nach DDD-Durchschnittskosten
vornimmt. Zunächst fallen im VerPharm. Ind. 75, Nr. 5, 734–746 (2013)
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gleich mit den Berechnungen im
GEK-Report kaum plausible Ergebnisse aus einer hypothetischen Substitution von hochpreisigen Generika
und Analogpräparaten durch billigere Produkte im nPV auf.
So verringerte sich das für die GEK
ausgewiesene ESP zwischen 2005
und 2008 kontinuierlich, so dass sein
Anteil an den Arzneimittelausgaben
der GEK von 11,8 % auf 4,9 % deutlich zurückging, was man als Resultat
der anhaltenden Kostendämpfungspolitik bei Arzneimitteln auch erwarten sollte. Dagegen weist der AVR im
gleichen Zeitraum für die gesamte
GKV ein erst sinkendes und dann
wieder steigendes ESP aus und
kommt für 2008 auf einen ESP-Anteil
am Arzneimittelumsatz von 12,9 %,
der um das 2,6fache höher liegt als
bei der GEK (Cassel/Ulrich 2012, 2,
S. 11 ff.).
Noch größere Diskrepanzen ergaben Vergleichsrechnungen für einzelne Wirkstoffe: So hätte die GEK
z. B. beim Wirkstoff Omeprazol in
2005 nur 2,9 % ihrer Ausgaben einsparen können, wenn die hochpreisigen Omeprazol-Präparate nach Arzneiform, Wirkstärke, Packungsgröße
und Verordnungszeitpunkt durch
den jeweils billigsten Substituenten
ersetzt worden wären. Dagegen errechnete der AVR für die GKV insgesamt für dasselbe Jahr ein Omeprazol-ESP von 12,6 % des Umsatzes,
was mehr als dem vierfachen Wert
bei der GEK entspricht (Pfannkuche
et al. 2007, Tab. 3).
Derart gravierende Divergenzen
lassen sich nicht mehr allein durch
Besonderheiten der GEK oder durch
Größenunterschiede zwischen Ausgaben und Umsatz erklären. Sie können letztlich nur aus verschiedenen
Berechnungsmethoden resultieren
(Cassel/Ulrich 2012,2, S. 10 ff.).
2.1.3 Einsparpotenziale aus
internationalen Preisvergleichen
Nachgerade grotesk erscheinen zudem die aus internationalen Preisvergleichen (iPV) berechneten ESP.
Sie wurden erstmals im AVR 2010
im Vergleich mit Schweden (SE) für
2009 und danach mit Großbritannien
(GB) für 2010 bei den jeweils 50 umsatzstärksten Patentpräparaten (Originale und Analoga) und Generika
ermittelt und dann auf die Gesamtheit der GKV-Verordnungen hochgerechnet.
Beim nationalen Preisvergleich
(nPV) resultiert das ESP aus der angenommenen Substitution von teuren durch billigere Präparate, die
hierzulande erhältlich sind. Das ESP
aus den iPV ist dagegen die Differenz
zwischen den tatsächlich im Inland
getätigten Ausgaben bzw. Umsätzen
und den fiktiven, zu meist niedrigeren Preisen in den Vergleichsländern
ermittelten Volumina – d. h. es gibt
im besten Falle Auskunft darüber,
was die GKV hätte einsparen können,
wenn die fraglichen Arzneimittel zu
den niedrigeren Auslandspreisen
hierzulande verfügbar gewesen wären.
So weist der AVR 2011 im Preisvergleich mit Großbritannien, das
wie Schweden seinen Pharmamarkt
ähnlich moderat wie Deutschland reguliert, aber im Durchschnitt niedrigere
Apothekenverkaufspreise
(AVP) hat, ein konsolidiertes, d. h.
um Doppelzählungen bereinigtes
ESP von 7,4 Mrd. Euro aus. Das entspricht dem 1,6-Fachen des ESP aus
dem nationalen Vergleich in Höhe
von rund 4,7 Mrd. Euro. Allein aus
der unterstellten internationalen Generikasubstitution resultiert ein konsolidiertes Netto-ESP von 3,3 Mrd.
Euro, sofern teure Generika durch
die jeweils billigsten Produkte ersetzt
und diese aus dem vermeintlich noch
preisgünstigeren Großbritannien importiert würden.
Hinzu kommen noch 4,1 Mrd. Euro,
die nach Schwabe (2012) hierzulande
eingespart werden könnten, wenn
„billigere“ Patentpräparate aus GB bezogen oder, was von ihm ausdrücklich
empfohlen wird, die deutschen Preise
der patentgeschützten Originale in
den anlaufenden AMNOG-Rabattverhandlungen auf das GB-Niveau abgesenkt würden. Über alle Arzneimittelkategorien und alle nationalen und internationalen Substitutionsmöglich-
Cassel und Ulrich · Einsparpotenziale bei Arzneimitteln
737
Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only
ten mit jeweils der gleichen Packungsgröße wie das ersetzte Medikament kommt es deshalb zu verzerrten ESP, die die Preis- und Verordnungsrealität nicht adäquat abbilden.
Ein weiteres Problem der Anwendung von DDD-Durchschnittskosten
ist die Nichtberücksichtigung der Behandlungsdauer bzw. der Therapiezyklen. Das führt zu Verzerrungen
der ausgewiesenen Kosten insbesondere bei onkologischen Pharmakotherapien und anderen zyklenbasierten Therapien. Da die tatsächlich
eingesetzte Dosis von den verwendeten DDD teilweise erheblich abweicht, wären „Prescribed Daily Doses“ (PDD) grundsätzlich die angemessenere Basis für eine Preisermittlung (Wasem/Bramlage 2009, S. 54).
Methodisch anspruchsvoller sind
daher verfeinerte Methoden, die eine
Substitution unter Berücksichtigung
von verschiedenen Wirkstärken, Packungsgrößen, Darreichungsformen
und auch des Preisstandes zum Verordnungszeitpunkt erlauben (Pfannkuche et al. 2007). Weiterhin sollten
Rabattverträge und Herstellerrabatte
bei den Einsparungen abgezogen
werden, da sie nicht die Versichertengemeinschaft und die Patienten
belasten. Das Gleiche gilt für die
Mehrwertsteuer, welche insbesondere die Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte tangiert. Ein
solches Vorgehen, das alle genannten
Aspekte umfasst, stellt insofern einen
methodischen „Goldstandard“ dar,
als es alle marktrelevanten Faktoren
berücksichtigt und damit den praktischen Gegebenheiten am nächsten
kommt.
Arzneimittelwesen · Gesundheitspolitik · Industrie und Gesellschaft
Pharma-Markt
2.2 Einsparpotenziale
im AVR 2012
Im AVR 2012 haben die Herausgeber
nun mit zwei neuen Berechnungsvarianten reagiert: Zum einen werden die ESP neuerdings auf Grundlage von „Nettokosten“ statt „Umsätzen“ ermittelt und zum anderen in
zwei Versionen nach „nationalen“
und „internationalen“ Einsparpotenzialen ausgewiesen (AVR 2012,
S. 33 ff.; Schwabe 2012, S. 1 f.).
2.2.1 Nettokosten statt Bruttoumsatz
Mit der ersten Neuerung wird der
anhaltenden Kritik begegnet, dass
die bisherigen ESP noch sämtliche
Rabatte enthalten, die den Kassen
zu Lasten der Hersteller und Apotheker gesetzlich oder selektivvertraglich gewährt werden. Denn diese haben als bereits „abgeschöpfte“ (AVR
738
2012, S. 33) bzw. „realisierte“ Einsparpotenziale zu gelten. Um die ESP rabattfrei auszuweisen, werden sie
statt wie bisher nach GKV-Fertigarzneimittel-Umsätzen (AMU) nun auf
der Basis von GKV-Fertigarzneimittel-Nettokosten (AMK) errechnet.
Darunter versteht der AVR den im
nPV zu Apothekenverkaufspreisen ermittelten AMU einschließlich Mehrwertsteuer, aber abzüglich der gesetzlichen Herstellerrabatte (§ 130a (1a)
und (3b) SGB V) und abzüglich der
Apothekenabschläge (§ 130 SGB V).
In 2011 betrugen der AMU rund 29,7
Mrd. Euro und die AMK rund 26,3
Mrd. Euro, die Differenz in Höhe von
3,4 Mrd. Euro bilden die gesetzlichen
Rabatte und Abschläge (AVR 2012, Tabelle 47.1).
Während der gesetzliche Herstellerrabatt und der Apothekenabschlag
produktbezogen absetzbar sind, können die „Rabatterlöse“ aus Selektivverträgen nach § 130a (8) SGB V erst
am Schluss der ESP-Ermittlung pauschal abgezogen werden (Tab. 2, Zeilen (e) und (p)). Hieraus ergeben sich
jeweils die gesamten – vom AVR als
„reale Einsparpotenziale“ bezeichneten – ESP im nationalen und internationalen Preisvergleich (Tab. 2, Spalte
(6), Zeilen (f) und (q)).
2.2.2 Nationale und internationale
Einsparpotenziale
Die zweite Neuerung besteht in einem
weiteren internationalen Preisvergleich, nunmehr zwischen Deutschland und den Niederlanden (NL). Hierbei werden ebenfalls Nettokosten zugrunde gelegt und die Selektivrabatte
pauschal abgesetzt, so dass Herstellerrabatte und Apothekenabschläge den
internationalen Preisvergleich ebenso
wenig verzerren sollten, wie die bei
den NL als Euroland fehlende Wechselkursproblematik.
Hinzu kommt, dass aus den 18 umsatzstärksten Analogpräparaten unter
den patentgeschützten und generikafähigen Produkten eine eigene Arzneimittelgruppe gebildet und gesondert
in den iPV einbezogen wird, „um ein
wesentlich höheres Einsparpotenzial
(sic!) durch Substitution mit pharma-
Cassel und Ulrich · Einsparpotenziale bei Arzneimitteln
kologisch-therapeutisch vergleichbaren niederländischen Arzneimitteln
zu definieren“ (AVR 2012, S. 37).
Hierzu werden in einem zweistufigen
Verfahren teure deutsche Analoga
zum einen durch identische und
zum anderen durch vergleichbare,
aber jeweils billigere niederländische
Produkte substituiert.
Die daraus resultierenden ESP
werden dann um Doppelzählungen
bereinigt – und auf den Gesamtmarkt hochgerechnet (AVR 2012, Tabelle 1.10). Im Falle der Generika und
Patentpräparate wird wie bisher verfahren, so dass sich aus den nunmehr
drei Einsparpotenzialen im iPV nach
Abzug der Selektivrabatte ein gesamtes ESP in Höhe von rund 7,8 Mrd.
Euro ergibt (Tab. 2, Spalte (6), Zeilen
(h)-(q)). Dieses sogenannte „internationale Einsparpotenzial“ ist jedoch
im Gegensatz zu den bisher im iPV
für 2009 (SE) und 2010 (GB) ausgewiesenen ESP nunmehr eine Art
amalgamiertes Gesamtergebnis aus
dem nationalen und internationalen
Preisvergleich, allerdings unverständlicherweise ohne das ESP bei
den umstrittenen Arzneimitteln.
2.2.3 Einsparpotenziale im
Plausibilitätstest
Um die Ableitung der Ergebnisse im
AVR 2012 mit der Systematik der
Vorjahre vergleichbar und nachvollziehbar zu machen, haben wir sie
nach neuer und alter Systematik gegenüber gestellt (Tab. 2, Spalten (6)
und (7)). Wie ersichtlich, müssten
nach alter Systematik bei den Generika und Analoga die nationalen ESP
von den internationalen abgezogen
werden, um Doppelzählungen zu
vermeiden und nur jene ESP zu erfassen, die allein aus dem iPV resultieren. Zusammen mit den ESP aus
Patentpräparaten, die im nPV nicht
substituiert werden können, würden
sich dann aber nicht rund 7,8 Mrd.
Euro, sondern nur 5,3 Mrd. Euro ergeben.
Damit ergibt sich das wenig plausible Resultat, dass das gesamte ESP aus
dem iVP mit den Niederlanden zwar
deutlich niedriger als mit GroßbritanPharm. Ind. 75, Nr. 5, 734–746 (2013)
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keiten hinweg kommt er sogar auf ein
jährliches ESP von 12,1 Mrd. Euro. Das
wären in 2010 immerhin 40,7 % der
gesamten GKV-Ausgaben für Fertigarzneimittel in Höhe von 29,7 Mrd.
Euro (Tab. 1).
Derartige
Größenordnungen
übersteigen jedoch bei weitem die
praktischen Realisierungsmöglichkeiten: Denn wäre dieses ESP – wie
von Schwabe intendiert – vollständig
zu Lasten der Arzneimittelhersteller
realisiert worden, hätten diese über
drei Viertel ihres Netto-Umsatzes
von rund 15,7 Mrd. Euro nach Abgabepreisen der pharmazeutischen Unternehmer (ApU) abzüglich aller Abschläge und Rabatte eingebüßt. Die
gesamte
GKV-Arzneimittelversorgung hätte somit auf der Herstellerebene nur noch 3,6 Mrd. Euro kosten
dürfen.
Offensichtlich muss bei der ESPBerechnung aus internationalen
Preisvergleichen gemäß der AVR-Methodik mit unrealistisch hohen und
daher praktisch wenig hilfreichen Ergebnissen gerechnet werden. Daraus
erwächst die Gefahr, dass sich das
Einfallstor für intentionale bzw. interessengeleitete Potenzialberechnungen weit öffnet.
Tab e l l e 2
GKV-Einsparpotenziale bei Arzneimitteln in 2007 – 2011 (in Mrd. Euro).
Quelle:
Siehe Tabelle 1; AMK – GKV-Fertigarzneimittel-Nettokosten; AMU – GKV-Fertigarzneimittel-Umsatz; GB –
Großbritannien; NL – Niederlande; SE – Schweden. Spalten (1)-(6) und Zeilen (a)-(q): Originaldaten des AVR
2012; Spalte (7) und Zeilen (r)-(t): eigene Berechnungen.
Eigene Zusammenstellung und Berechnung nach AVR 2012, Tabellen 1.9 und 1.11.
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Legende:
nien (2010) ausfällt, aber gleich
hoch wie mit
Schweden
(2009). Zum einen sollten im
neuen
AMKKonzept die international preisverzerrenden Effekte von Rabatten fehlen, zum
anderen ist die
Preisdiskrepanz
zwischen DE und
NL deutlich niedriger als im Vergleich mit GB
und SE (Cassel/
Ulrich
2012,2,
S. 33 ff.).
Zwar
sind die NettoPreise der 50 umsatzstärksten Generika in DE um
42 % höher als in
den NL, dafür
aber die der patentgeschützten
Arzneimittel nur
um 6 % (AVR
2012, S. 14 und
20). Und unter
den 50 umsatzstärksten
Geschützten sind
14 Präparate –
bei den Generika
immerhin noch 6
–, die in DE zum
Teil erheblich billiger sind als in
den NL.
Fragwürdig
ist
schließlich
auch,
warum
der AVR 2012
kein
„totales
ESP“ ausweist,
das sich als
Summe der ESP
nach nPV (3,1
Mrd. Euro) und
iPV (5,3 Mrd. Euro) ergibt und
rund
8,4 Mrd.
Arzneimittelwesen · Gesundheitspolitik · Industrie und Gesellschaft
Pharma-Markt
740
Fragwürdig ist auch, warum der
AVR die (stichtagsbezogenen) Preise
aus einem anderen Jahr als die (zeitraumbezogenen) Verordnungsmengen nimmt. Im AVR 2012 werden also
die Preise vom 25. Juni 2012 mit den
Verordnungsmengen des Jahres 2011
multipliziert – die Angabe des Preisstandes von „2011“ im AVR 2012,
S. 15 und 21, ist ein von Schwabe
eingeräumter Druckfehler. Auch
wenn zurzeit ein Preismoratorium
für festbetragsfreie Medikamente besteht, kommt es zu Preisänderungen
auf dem Generikamarkt und im Vergleich zu den ausländischen Märkten.
Eine solche Datierung von Preisen
und Verordnungsmengen ist aus wissenschaftlicher Perspektive strikt abzulehnen. Die Erfahrungen mit geänderten Margen und Rabatten der
Handelsstufen in der Vergangenheit
haben ja gerade gezeigt, dass permanente Anpassungen stattfinden
und es entscheidend sein kann, welche Preisdaten genommen werden.
die insbesondere im internationalen
Vergleich stark preisverzerrend wirken
können, herausgerechnet werden.
Das ESP-Volumen hängt insbesondere bei generischen Präparaten
ganz entscheidend von der korrekten
Abbildung der Verordnungswirklichkeit bei der hypothetischen Substitution hochpreisiger Produkte durch
die jeweils billigsten Substituenten
mit identischem Wirkstoff ab. Es ist
mit Abstand am höchsten, wenn man
aufgrund der DDD-Durchschnittskosten substituiert (Pfannkuche et
al. 2007), und am niedrigsten, wenn
der Substituent hinsichtlich der gleichen Darreichungsform, Wirkstärke
und Packungsgröße sowie dem günstigsten Preis im Verordnungszeitpunkt ausgewählt wird („Goldstandard“). Bei Analogpräparaten gibt
es außer der generischen Substitution noch eine Substitution nach
Wirkstoffen analog zur Festbetragsstufe 2, was letztlich nahezu unbegrenzte Substitutionsmöglichkeiten
impliziert und zur Beliebigkeit der
Potenzialberechnung beiträgt.
3. A nsa tzpu nkt e fü r
m e t h o d i s c h e Ve rb e s s e r u n g e n
3.1.2 Rabattbereinigung
Um zu vermeiden, dass in den ESP
Erlöse erfasst sind, die den Herstellern gar nicht zufließen, sind alle
vom Hersteller gewährten Rabatte
vom ApU abzuziehen, was in der Vergangenheit nicht oder nicht hinreichend erfolgte. Dies betrifft zum einen die gesetzlichen Herstellerrabatte von derzeit 16 % bei festbetragsfreien Arzneimitteln sowie
10 % bei Generika und (Alt-)Originalen (§ 130a (1a) und (3b) SGB V), die
produktbezogen absetzbar sind; zum
anderen betrifft es die Rabatte aus
Selektiv- bzw. Individualverträgen
(§ 130a (8) SGB V), die wegen der
Vertraulichkeit der Rabattvereinbarungen nur auf Kassenebene erfasst und pauschal abgesetzt werden
können.
Diese Rabatte belaufen sich 2010
schon auf insgesamt rund 4 Mrd. Euro. Da derartige Rabatte im Ausland
unbekannt sind, haben sie den internationalen Preisvergleich entsprechend verzerrt und die nationalen
3.1 Methodik nationaler
Preisvergleiche
Blickt man hinter die methodischen
Kulissen des AVR, lassen sich trotz
der vielfach beklagten Intransparenz
der Vorgehensweise eine Reihe von
Fallstricken erkennen, welche hier
nur beispielhaft angeführt werden
können (Cassel/Ulrich 2012, 1,
S. 113 ff. und 158 ff.; 2012,2, S. 40 ff.).
3.1.1 Goldstandard
Der AVR rechnet bis 2011 mit dem
GKV-Fertigarzneimittelumsatz
zu
Apothekenverkaufspreisen. Diese enthalten auch die Kosten der Arzneimitteldistribution (Handelsspannen von
Großhandel und Apotheken) sowie
beim nationalen Preisvergleich die
Mehrwertsteuer. Da die ESP letztlich
auf die Preispolitik der pharmazeutischen Unternehmer zurückgeführt
werden und zu ihren Lasten realisiert
werden sollen, müssen diese Posten,
Cassel und Ulrich · Einsparpotenziale bei Arzneimitteln
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Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only
Euro betragen würde. Stattdessen
lässt er die ESP aus umstrittenen Arzneimitteln in Höhe von rund 0,5 Mrd.
Euro weg und kommuniziert das in
der GKV angeblich insgesamt vorhandene ESP mit 7,8 Mrd. Euro (AVR
2012, S. 39 f.; Schwabe 2012, S. 2). Immerhin zeigt sich im Vergleich mit
den NL, die bei weitem nicht so
„preisgünstig“ sind wie GB, in Verbindung mit dem neuen Konzept der Rabattbereinigung, dass das „totale ESP“
um gut 30 % unter dem des Vorjahres
mit GB als Referenzland liegt. Das
würde aber immer noch einen unrealistisch hohen Anteil am Gesamtmarkt von 31,8 % ergeben (Tab. 2, Zeilen (s) und (t)).
Auch die Ergebnisse aus dem nPV
sind kaum plausibel, wenn man die
Berechnungen nach Umsätzen und
Nettokosten gegenüberstellt. Dies
ist allerdings nur für 2010 und auch
nicht produktbezogen, sondern nur
auf der Aggregatebene möglich, weil
der AVR nur dafür eine rudimentäre
Vergleichsrechnung anstellt (AVR
2012, Tabelle 1.9). Diese ergibt eine
Überschätzung des nationalen Einsparpotenzials nach AMU in 2010
von gut 1 Mrd. Euro (Tab. 2, Spalten
(4) und (5), Zeile (f)). Dieser Betrag
liegt jedoch noch unter den Selektivrabatten, die im AMK-Konzept in
Höhe von 1,3 Mrd. Euro abgesetzt
werden.
Hinzu kommt, dass sich die Apothekenabschläge, die in den ESP nicht
mehr enthalten sein sollten, in 2010
insgesamt auf rund 1 Mrd. Euro summieren – wovon allerdings die Abschläge auf Patentarzneimittel nicht
angerechnet werden dürfen, weil diese
Präparate im nPV nicht einbezogen
sind. Und schließlich wären zumindest teilweise auch die gesetzlichen
Herstellerrabatte bei Analoga und Generika zu veranschlagen, die sich
ebenfalls ESP-mindernd im AMKKonzept bemerkbar machen müssten
(AVR 2012, S. 33). Alles dies gibt Anlass zu der Vermutung, dass die Berechnungen im nPV so angelegt sind,
dass die gesetzlichen Abschläge und
Rabatte gar nicht oder nur unvollständig zum Abzug gelangen.
Tab e l l e 3
Alternative Berechnungsmodi für ESP bei Substitution von zwei generischen Präparaten mit fiktiven
Herstellerabgabepreisen in Euro pro Packung.
Präparate und
Einsparpotenziale
Berechnungsmodi
Präparate
Einsparpotenziale
X
Y
(1)
(2)
ESP-Ist
Δ nach AVR
(3a)
ESP-Soll
Δ korrigiert
(3b)
42,10
-2,05
-2,50
32,62
-2,05
-1,75
9,48
0,00
-0,75
9,48
0,00
-0,75
(d) Nettokosten Kassen (AMK; mit MWSt nach AVR)
37,55
28,82
8,73
8,73
II. Sachkosten Kassen (Basis AVPn ohne MWSt)
(e) MWSt (19 %)
(f) AVPn (ohne MWSt)
(g) Apothekenabschlag (2,05 e)
(h) Herstellerrabatt (10 % vom ApU)
-6,72
35,38
-2,05
-2,50
-5,21
27,41
-2,05
-1,75
1,51
7,97
0,00
-0,75
1,51
7,97
0,00
-0,75
(i) Sachkosten Kassen (ohne MWSt)
30,83
23,61
7,22
7,22
III. Nettoerlöse Apotheker
(j) AVP (mit MWSt)
(k) MWSt (19 %)
42,10
-6,72
32,62
-5,21
9,48
-1,51
9,48
-1,51
(l) AVPn (ohne MWSt)
35,38
27,41
7,97
7,97
(m) Apothekenabschlag (2,05 e)
-2,05
-2,05
0,00
-2,05
(n) Nettoerlöse Apotheker
33,33
25,36
7,97
5,92
IV. Nettoerlöse Hersteller
(o) ApU (ohne MWSt)
(p) Herstellerrabatt (10 % vom ApU)
25,00
-2,50
17,50
-1,75
7,50
-0,75
7,50
-1,75
(q) Nettoerlöse Hersteller
22,50
15,75
6,75
5,75
Legende:
Quelle:
Hier werden alternative Berechnungsmodi aus Sicht der Nachfrageseite (Kassen) und Angebotsseite (Apotheker und Hersteller)
vorgestellt, die auf Preisangaben für Omeprazol-Präparate im AVR 2012 (Tabelle 1.6) basieren. Für die Kassen werden zum einen die
„Nettokosten“ nach dem AVR-Algorithmus (I.) berechnet, zum anderen aber auch die aus den AVP abgeleiteten „Sachkosten“ (II.), um
den Effekt der MWSt auf die ESP nachweisen zu können. Für Apotheker (III.) und Hersteller (IV.) stellt sich dagegen die Frage nach den
„Nettoerlösen“, die ihnen abzüglich MWSt, Abschlägen und Rabatten verbleiben, und welcher Teil der ESP zu ihren Lasten geht. Hierzu
wird in Spalte (3b) eine Korrekturrechnung der AVR-Ergebnisse (3a) vorgestellt.
Eigene Berechnungen.
wie internationalen ESP ungerechtfertigt aufgebläht. Dies gilt auch für
die Apothekenabschläge (§ 130 (1)
SGB V) in Höhe von etwa 1 Mrd.
Euro (2010), die zwar als ESP in der
Arzneimitteldistribution anzusehen
sind, üblicherweise aber den Herstellern angelastet werden.
Verzerrungsfrei wäre nur eine Berechnung auf Basis der ApU („Preise
ab Werk“). Wie bereits dargestellt,
stellen die Herausgeber des AVR im
AVR 2012 eine neue Berechnungsvariante zu GKV-FertigarzneimittelNettokosten vor (AVR 2012, S. 33 ff.).
Insofern ist zu fragen, ob diese Veränderung, die ja die Vergleichbarkeit
zu früheren Berechnungen praktisch
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unmöglich macht, zumindest mit
Blick auf die Berechnung von ESP
methodische Vorzüge aufweist.
Korrekterweise müssten die ESP
auf jeder Distributionsstufe (Hersteller, Großhandel, Apotheke, Staat) gesondert ausgewiesen und von den
dort ermittelten ESP die jeweiligen
Rabatte und Abschläge sowie die
Mehrwertsteuer abgezogen werden.
Damit ließe sich eine Vermischung
unterschiedlicher Sichtweisen und
Berechnungsmodi vermeiden.
Für die Sichtweise der Kostenträger (GKV, Beihilfe, PKV) stellen zunächst die Nettokosten eine geeignete Berechnungsgrundlage dar,
denn die um den Apothekenabschlag
und den Herstellerrabatt verminderten Apothekenverkaufspreise (inklusive der Mehrwertsteuer) bilden den
leistungsbezogenen Ausgabenblock,
der sie effektiv belastet2).
3.1.3 Alternativberechnungen
In Tab. 3 werden alternative Berechnungsmodi für ESP bei Substitution
von zwei generischen Präparaten mit
fiktiven Herstellerabgabepreisen vor2)
Da die Selektivrabatte von Kasse zu Kasse
unterschiedlich und nicht öffentlich bekannt
sind, können auf der Ebene einzelner Produkte
nur die gesetzlichen Rabatte berücksichtigt
werden. Selektivrabatte können nur aggregiert
am Ende der kumulierten Berechnungen abgesetzt werden.
Cassel und Ulrich · Einsparpotenziale bei Arzneimitteln
741
Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only
I. Nettokosten Kassen (AMK; Basis AVP mit MWSt)
(a) AVP (mit MWSt)
(b) Apothekenabschlag (2,05 e)
(c) Herstellerrabatt (10 % vom ApU)
Arzneimittelwesen · Gesundheitspolitik · Industrie und Gesellschaft
Pharma-Markt
3)
Die Berechnung in Tab. 3 basiert auf gerundeten ApU für zwei wirkstoff- und wirkstärkeund packungsidentische Produkte X und Y in
Anlehnung an zwei Omeprazol-Produkte in
Tab. 1.6 des AVR (2011, S. 22 ff.). Den Berechnungen liegt die AMPreisV von 2012 zugrunde.
4) Die Formeln, die den Berechnungen zu
Grunde liegen, können von den Autoren angefordert werden.
742
kassen unter Inzidenzaspekten irrelevant ist.
Tab. 3 enthält unter „II. Sachkosten
Kassen“ daher auch einen Berechnungsmodus, nach dem die MWSt
nicht mehr in den AMK enthalten ist.
Die daraus resultierende mehrwertsteuerfreie Größe, die nach Abzug
von Apothekenabschlag und Herstellerrabatt verbleibt, wird hier vereinfachend als „Sachkosten“ bezeichnet.
Im Unterschied zu den Nettokosten
enthalten die Sachkosten nicht mehr
die Mehrwertsteuer, die an die öffentlichen Haushalte abzuführen ist und
somit deren Einnahmeposition tangiert. In diesem Berechnungsmodus
ergibt sich bei der Substitution von
Präparat X durch Präparat Y ein ESP
in Höhe von 7,22 Euro, das um die
MWSt-Differenz von 1,51 Euro niedriger ausfällt als bei der NettokostenRechnung (Tab. 3, Zeilen (d) und (i)).
Aus den Berechnungsmodi I. und II.
wird auch ersichtlich, dass die Bildung
des ESP als Differenz (Tab. 3, Spalte
(3a)) dazu führt, dass sich der Apothekenabschlag gar nicht mehr ESP-mindernd auswirkt – und der Herstellerrabatt lediglich in Höhe der Differenz
von – 0,75 Euro. Dies liegt daran, dass
der Apothekenabschlag eine absolute
Größe (2,05 Euro) ist, die bei der Bildung der Differenz verloren geht. Der
Herstellerrabatt ist dagegen eine prozentuale Größe (10 %), so dass hier die
Differenz der betragsmäßig unterschiedlichen Rabatte zwischen den
Präparaten X und Y im ESP erfasst
wird.
Dieses Vorgehen lässt sich im Berechnungsmodus aus Sicht der Krankenkassen als Kostenträger durchaus
rechtfertigen, da sich für eine Kasse
bei der Substitution von X durch Y
mit Blick auf den absoluten Apothekenabschlag auch keine Änderung
ergeben hat und sich beim Herstellerrabatt lediglich ein ESP in Höhe
von 0,75 Euro realisieren lässt.
3.1.4 Nettoerlöse Hersteller
Nimmt man hingegen die Sichtweise
der Hersteller ein, ergibt sich ein
gänzlich anderes Bild: Sie fragen
nach den ihnen verbleibenden „Net-
Cassel und Ulrich · Einsparpotenziale bei Arzneimitteln
toerlösen“, die sich aus den Herstellerabgabepreisen (ApU) ohne MWSt
und nach Abzug der von ihnen gewährten Rabatte ergeben. Und sie
wollen wissen, wie hoch die Erlöseinbußen im Falle der Substitution von
teuren durch billigere Produkte sein
werden. Wie die entsprechende Berechnungsergebnisse unter „IV. Nettoerlöse“ (Tab. 3, Zeilen (o) – (q)) zeigen, beträgt das ihnen anzulastende
„ESP“ nach AVR-Algorithmus nur
noch 6,75 Euro (Spalte (3a)) und nach
rechnerisch notwendigen Korrekturen sogar nur noch 5,75 Euro (Spalte
3b)).
Ausgangspunkt ist hierbei der Abgabepreis des Herstellers ohne Mehrwertsteuer in Höhe von 25,00 Euro
(ApU ohne MWSt in Zeile (o)). Er ergibt sich aus dem Netto-Apothekenverkaufspreis (ohne MWSt in Zeile
(f)) nach Abzug der Apotheken- und
Großhandelsspanne in Höhe von insgesamt 10,38 Euro. Zieht man vom
ApU den Herstellerrabatt in Höhe
von 10 % für generische Produkte
ab, verbleibt dem Hersteller von X
ein Nettoerlös von 22,50 Euro. Bei einer Substitution von Präparat X gegen Präparat Y würde der Hersteller
von Y einen Nettoerlös von 15,75 Euro
erzielen, also 6,75 Euro weniger als
zuvor der Hersteller von X (Zeile (q)
und Spalte (3a)). Auf der Herstellerebene fallen also in Höhe dieses „ESP“
geringere Nettoerlöse an.
Zu bedenken ist allerdings, ob das
ausgewiesene „ESP“ in Höhe von
6,75 Euro die Hersteller rechnerisch
immer noch zu hoch belastet. Da die
ESP-Berechnung an der Differenz des
Herstellerrabatts zwischen den Präparaten X und Y ansetzt, wirkt sich
der Rabatt nur mit der Saldogröße in
Höhe von – 0,75 Euro ESP-mindernd
aus. Tatsächlich hat der Hersteller
aber einen Rabatt für das Präparat Y
in Höhe von 1,75 Euro gewährt (10 %
vom APU in Höhe von 17,50 Euro), der
als bereits realisiertes ESP vollständig
anzurechnen wäre. Tab. 3 enthält daher in der letzten Spalte (3b) eine korrigierte Berechnung des ESP-Solls, die
den gewährten Rabatt vollständig erfasst. Dann verbleibt nur noch ein „Pharm. Ind. 75, Nr. 5, 734–746 (2013)
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Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only
gestellt3). Die Berechnung von Apothekenverkaufspreisen (AVP) und
Abgabepreisen
pharmazeutischer
Unternehmer (ApU) mit und ohne
Mehrwertsteuer sowie der GKV-Fertigarzneimittel-Nettokosten (AMK)
in Euro pro Packung erfolgt auf der
Grundlage von Umrechnungsformeln, die wir zu diesem Zweck entwickelt haben4). Der Berechnungsmodus des AVR für die ESP aus Sicht
der Krankenkassen kann dann auf
der Basis gegebener Werte nachvollzogen werden und ist in Tab. 3 unter
„I. Nettokosten Kassen“ in den Zeilen
(a) bis (d) dargestellt. Ziel dieser Berechnungen ist, den neuen Algorithmus der AVR-Berechnung von „Nettokosten“ und die sich daraus ergebenden ESP nachzuvollziehen und
auf ihre Stimmigkeit hin zu überprüfen.
Tab. 3 zeigt, dass zur Bestimmung
der AMK eines Präparates aus Sicht
der Krankenkassen die gesetzlichen
Apotheken- und Herstellerabschläge
vom AVP abgezogen werden. Das
Präparat X, das für 42,10 Euro pro
Packung in der Apotheke abgegeben
wird, belastet die Krankenkasse mit
einem Betrag in Höhe von 37,55 Euro
nach Apothekenabschlag und Herstellerrabatt. Wird dieses generische
Präparat nun durch das billigere,
aber sonst identische Präparat Y
mit den Nettokosten in Höhe von
28,82 Euro substituiert, ergibt sich
auf dieser Ebene aus Kassensicht
ein ESP in Höhe von 8,73 Euro.
Problematisch ist jedoch, dass die
MWSt, die in den Nettokosten nach
wie vor enthalten ist, einen nicht unbeachtlichen Effekt in Höhe von
1,51 Euro besitzt, so dass sich das
ESP in dieser Höhe als Mindereinnahme zu Lasten des Staates auswirkt, was freilich für die Kranken-
ESP“ im Sinne einer Erlöseinbuße der
Hersteller in Höhe von 5,75 Euro.
3. 1. 6 Kassen- versus Providersicht
Wie sind diese alternativen Berechnungsmodi zu bewerten? Es gibt
letztlich nicht das eindeutig zu beziffernde „ESP“: Je nach Sichtweise und
Erkenntnisinteresse lassen sich verschiedene Konzepte voneinander abgrenzen. Mit den Nettokosten legt
der AVR ein Konzept vor, welches
das ESP aus der Sicht der Kostenträger berechnet. Dann sollte allerdings
die Mehrwertsteuer abgezogen werden, da sie bei Substitution von teuren durch billigere Produkte zu Einsparungen führt, die den Staat, aber
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3.2 Methodik internationaler
Preisvergleiche
Die Besonderheiten des iPV erfordern die Einführung so genannter
Best Practices, die dazu beitragen
können, dass der Ausweis beliebig
hoher ESP verhindert wird. Dazu gehören u. a.:
. Statt einzelner Länder – wie beim
AVR – ist eine Auswahl von mehreren Referenzländern heranzuziehen,
die nach theoretisch validen und
empirisch abgesicherten Kriterien
miteinander vergleichbar sind;
. Erfassung aller Produkte einer
Wirkstoffgruppe und ihre Substitution nach dem Goldstandard,
d. h. Berücksichtigung unterschiedlicher Packungsgrößen,
Wirkstärken und Darreichungsformen sowie die Erfassung des aktuellen Preisstandes;
. keine verzerrende Hochrechnung
von ESP aus Teilsegmenten des
Marktes auf die gesamte Produktpalette;
.
praktikable Verfahren zur Beschaffung und Berechnung von
steuer-, abschlags- und rabattbereinigten Netto-ApU;
. Bereinigung der Vergleichspreise
von besonders preisverzerrenden
nationalen Regulierungen und irregulären Preisdeterminanten;
. Umrechnung der Fremdwährungspreise zu Einführungswechselkursen bzw. Gewichtung der
Auslandspreise innerhalb der Eurozone mittels Kaufkraftparitäten.
Wohin die Missachtung der BestPractice-Anforderungen durch den
AVR führen kann, zeigen Nachberechnungen des ESP für ausgewählte hochpreisige Patentpräparate wie auch für die Gesamtheit
der 50 patentgeschützten Arzneimittel im iPV mit Schweden (SE) und
Großbritannien (GB) (BPI 2011/12;
Cassel/Ulrich 2012, 2, S. 35 f. und
54 ff.).
3.2.1 Beispiel Schweden und
Großbritannien
Abb. 1 zeigt das Ergebnis des Preisvergleichs mit Schweden aus 2010,
aktualisiert um die Wechselkursentwicklung bis 20125). Dabei ist angenommen, dass je eine Packung der 50
verglichenen Patentpräparate zum
AVP in SE und DE gekauft wird. Insgesamt kosten diese Arzneimittel
den auf der Ordinate angegebenen
Euro-Betrag in den beiden Ländern.
Relevant ist insbesondere die Aufteilung nach den einzelnen Teilnehmern der Distributionskette. Sie be5)
Mit Blick auf den Preisvergleich zu GB aus
2011 ergeben sich ebenfalls erhebliche Differenzen. Die Preisdiskrepanz für die 50 umsatzstärksten Patentarzneimittel beträgt nach
der AVR-Methode 65 % zu Ungunsten
Deutschlands. Bestimmt man wieder die Aufteilung des Betrages auf die einzelnen Teilnehmer der Distributionskette und berücksichtigt die Abschläge von Herstellern und
Apothekern, verringert sich diese Diskrepanz
auf 38,38 %. Auf der Ebene der Hersteller sind
in DE die 50 betrachteten Arzneimittel nur
noch um 27,74 % teurer als in GB (vgl. Cassel/
Ulrich 2012, 2, S. 50). Werden noch die Einführungswechselkurse berücksichtigt, so verbleibt nur noch eine Diskrepanz im Bereich
von 4 % bis 10 %. Das absolute ESP wird sogar
negativ (vgl. Cassel/Ulrich 2012, 2, Tabelle 11,
S. 57).
Cassel und Ulrich · Einsparpotenziale bei Arzneimitteln
743
Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only
3.1.5 Nettoerlöse Apotheker
Tab. 3 enthält abschließend noch einen Berechnungsmodus für „ESP“
aus dem Blickwinkel der Apotheker
(„III. Nettoerlöse Apotheker“ in Zeilen (j) bis (n)). Ausgangspunkt der
Berechnungen ist hier der AVP (mit
MWSt). Zieht man die MWSt sowie
den Apothekenabschlag ab, resultiert
bei Substitution von X durch Y ein
„ESP“ im Sinne einer Nettoerlöseinbuße in Höhe von 7,97 Euro.
Da der absolute Apothekenabschlag durch die Differenzenbildung bei der Berechnung des ESP
verloren geht, ist aus Apothekersicht
auch hier eine korrigierte Rechnung
erforderlich (Spalte 3b), welche den
Apothekenabschlag aus der Sicht der
Apotheke als bereits realisierten Rabatt vollständig erfasst und nicht nur
in Höhe der Differenz. Das würde das
„ESP“ um exakt einen Euro auf
5,92 Euro verringern.
Unberücksichtigt bleiben bei all
diesen Berechnungen die individuell
ausgehandelten Selektivrabatte, weil
sie der Öffentlichkeit auf der Produktebene nicht bekannt sind. Sie
werden ausschließlich als pauschale
„Rabatterlöse“ in der amtlichen Statistik veröffentlicht und können nur
am Ende der Berechnungen pauschal
abgesetzt werden. Dementsprechend
würden die „ESP“ auf der Apothekerund Herstellerebene noch geringer
ausfallen als oben angegeben.
nicht die Provider belastet. Oder anders gewendet: Die Mehrwertsteuer
generiert einen Teil des Einsparpotenzials, das bislang aus Unkenntnis den Herstellern angelastet wurde.
Wird dagegen mit dem ESP-Kalkül die Absicht verfolgt zu beziffern,
was sich zu Lasten der Hersteller einsparen ließe, ist statt der Nettokosten- die korrigierte Nettoerlösrechnung der Hersteller der korrekte Algorithmus. Der AVR verwendet jedenfalls den Berechnungsmodus,
der die höchsten ESP generiert. Diese
sind aber, je nach Blickwinkel, teilweise durch Abschläge und Rabatte
schon ausgeschöpft und insoweit
reine Artefakte.
Bliebe der AVR bei seinem Nettokostenmodus, sollte er das Ergebnis
zudem nicht weiterhin als ein ESP
ausgeben, das im Wesentlichen zu
Lasten der Hersteller realisiert werden kann. Hier böte sich insbesondere auch eine differenzierte Analyse
nach den einzelnen Teilnehmern der
Distributionskette an, wie sie im folgenden Abschnitt im Ländervergleich mit Schweden vorgestellt wird.
Arzneimittelwesen · Gesundheitspolitik · Industrie und Gesellschaft
Pharma-Markt
Abbildung 1
60.000,00
50.000,00
+39,98 %
+21,04 %
40.000,00
-1,5 %
30.000,00
Mehrwertsteuer
20.000,00
Apotheker
Großhändler
10.000,00
Hersteller
0,00
-10.000,00
Schweden
nach AVR
Deutschland Deutschland Deutschland
mit 16 %
mit 6 %
nach AVR
Abschlag (seit Abschlag (bis
01.08.2010) 01.08.2010)
Preiseffekte auf den Distributionsstufen in Deutschland und Schweden: Die Balken zeigen
für DE und SE die Aufteilung des Euro-Betrags, der für den Korb der 50 Patentarzneimittel entrichtet werden muss, auf die Teilnehmer der Distributionskette, wenn angenommen wird, dass je eine Packung zum jeweiligen AVP in den beiden Ländern gekauft
würde.
Quelle: Eigene Darstellung nach Berechnungen des BPI (2011/12).
antwortet die Frage, wer welchen Anteil der Preissumme bzw. Ausgaben
für den Warenkorb erhält und wie
hoch die tatsächliche Belastung der
Krankenkassen letztlich ist.
Aktualisiert zum Wechselkurs vom
2. Juni 2012 beläuft sich der Preisunterschied nach der AVR-Methode
nur noch auf 39,98 % und nicht mehr
auf 48 %. Unter der notwendigen Berücksichtigung der Abschläge von
Herstellern und Apothekern verringert sich diese Differenz auf 21,04 %.
Auf der Ebene der Hersteller sind in
DE die 50 Patentarzneimittel sogar
um 1,5 % billiger als in SE (in dieser
Angabe sind anteilige MWSt-Rückerstattungen an den Hersteller enthalten).
Abb. 1 enthält zum aktualisierten
Vergleich noch einen vierten Balken:
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
des AVR 2010 (14. 09. 2010), der den
Vergleich mit SE enthält, war der
Herstellerabschlag ab 01. 08. 2010
auf 16 % erhöht und ein Preismoratorium verhängt worden. Die AVR-
744
Analyse ging zum damaligen Zeitpunkt von dem noch gültigen Herstellerabschlag von nur 6 % aus.
Der Hauptunterschied beim Vergleich zwischen DE und SE liegt somit
nicht auf der Herstellerebene, sondern
bei der Mehrwertsteuer – die nicht in
SE, aber in DE erhoben wird – sowie
bei der in DE höheren Vergütung von
Großhandel und Apotheken.
3.2.2 Beispiel Niederlande
Nach dem Preisvergleich mit SE
(2010) und GB (2011) findet sich im
aktuellen AVR 2012 ein Preisvergleich
mit den NL. Hierbei wird nun ebenfalls die neue Methodik der Nettokosten angewandt, d. h. in den Vergleichsländern sind alle Herstellerrabatte und Apothekenabschläge vom
Fertigarzneimittel-Umsatz abzusetzen, um rabattfreie Netto-ESP auszuweisen und den internationalen
Preisvergleich nicht zu verzerren. Zudem besteht im Falle der NL mit Euro-Währung auch kein Problem mit
der Währungsumrechnung.
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Patienten
Aus dem „internationalen Preisvergleich mit den Niederlanden“ (AVR
2012, Tabelle 1.11) ergibt sich dann
ein ESP in Höhe von rund 7,8 Mrd.
Euro, das aber zu rund 3,1 Mrd. Euro
aus der unterstellten inländischen
Substitution billigerer Präparate und
nur mit rund 4,7 Mrd. Euro tatsächlich
aus der Substitution mit preisgünstigeren Arzneimitteln aus den NL resultiert (Tab. 2, Zeilen (f) und (q)).
Trotz des veränderten Berechnungskonzepts kann auch der Preisvergleich mit den NL nicht überzeugen, da einmal mehr die zu fordernde
Best Practice beim iPV nicht eingehalten wird. Dies zeigt auch eine uns
vorliegende firmeninterne Kontrollrechnung für ein hochpreisiges patentgeschütztes Spezialpräparat, die
für den Nachweis missachteter Besonderheiten beim IRP exemplarisch
ist, hier aber nur anonymisiert wiedergegeben werden kann. Dabei wird
auch berücksichtigt, dass aufgrund
der unterschiedlichen Apothekenund Großhandelsmargen in DE und
den NL die Nettokosten bzw. der Netto-AVP in DE dem ApU in den NL
entspricht.
Berücksichtigt man bei der Berechnung der ESP die Rabatte und
die MWSt und multipliziert man die
entsprechende Preisdifferenz mit
dem Verordnungsvolumen in DE, ergibt sich ein negatives ESP von immerhin – 10,8 Mio. Euro. Negative
ESP werden im AVR aber nicht berücksichtigt. Dazu heißt es lapidar:
„Bei 14 der dargestellten 50 umsatzstärksten Patentarzneimittel sind die
Nettopreise ohne Mehrwertsteuer in
Deutschland billiger als in den Niederlanden.“ (AVR 2012, S. 14). Die ESP
dieser 14 Arzneimittel werden aber
nicht etwa mit einem negativen Vorzeichen angegeben oder mit den positiven ESP saldiert, sondern schlichtweg mit 0,0 Euro ausgewiesen.
Werden alle genannten Aspekte
gleichzeitig berücksichtigt, errechnen sich zum Zeitpunkt der Markteinführung für das Präparat in den
NL höhere Nettokosten als in DE,
und das deutsche ESP wäre zu einem
niederländischen mutiert. Die hier
Tab e l l e 4
Methodische Mängel der Berechnung von Einsparpotenzialen (ESP)
im Arzneiverordnungs-Report (AVR).
Methodische Mängel des AVR
Im AVR 2012 behoben?
ja
nein
Grundsätzliche Mängel
.
Mangelnde Transparenz der Annahmen, Methodik, und Daten
X
.
Mangelnde Nachprüfbarkeit der Daten und Berechnungen
X
Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only
beispielhaft genannten Fallstricke
und ihre Auswirkungen auf die Höhe
des ESP sind produktbezogen. Für
andere Präparate, in anderen Marktsegmenten und bei anderen Ländern
mögen sich davon abweichende Konstellationen ergeben. Doch ein Anlass
zur produktbezogenen Kontrollberechnung der AVR-Resultate bildet
dies allemal.
Mängel beim nationalen Preisvergleich (nPV)
4 . AV R - E i n s p ar po t e n z i a l e :
I r r l i c h t st a tt Le uc h t f e u e r
Ob und inwieweit die neuen Potenzialberechnungen belastbarer sind
und der Politik eine verlässlichere
Orientierung bieten als die bisherigen, können nur detaillierte Nachberechnungen zeigen, die uns jedoch
in Unkenntnis der Datenbasis und
des konkreten AVR-Algorithmus
nicht möglich sind. Allerdings geben
Plausibilitätsprüfungen erste Hinweise auf mögliche Fehleinschätzungen. Zudem lassen die nach wie vor
bestehenden gravierenden methodischen Mängel (Tab. 4) es als unwahrscheinlich erscheinen, dass die
ESP-Berechnungen des AVR belastbar sind. Die methodischen Verbesserungen zu den Vorjahren sind insgesamt nur marginal.
Dies gilt sowohl für Ergebnisse aus
dem nationalen als auch aus dem
internationalen Preisvergleich. Im
Unterschied zu den Jahren vor 2012
will der AVR auf Basis von Nettokosten nun die Apothekenabschläge und
Herstellerrabatte in Abzug bringen.
Ob das tatsächlich auf der Produktebene in vollem Umfang gelingt, ist
aber nach unseren Beispielrechnungen nach wie vor fraglich.
Unserem Erachten nach können
nur solche ESP den pharmazeutischen Herstellern angerechnet werden, die diese aufgrund ihrer Preissetzung auch zu verantworten haben. Aus dieser Perspektive sollten
herstellerbezogene ESP im Sinne
von Nettoerlösrückgängen als Folge
der Arzneimittelsubstitution stets
am Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ansetzen.
Pharm. Ind. 75, Nr. 5, 734–746 (2013)
© ECV · Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany)
.
Wahrscheinlich DDD-Durchschnittskosten statt
„Goldstandard“ bei Analoga- und Generika-Substitution
.
Hochrechnung der ESP von Marktsegmenten auf
Gesamt-GKV-Markt
X
.
Apothekenverkaufspreise (AVP inkl. MWSt) statt NettoAbgabepreise pharmazeutischer Unternehmer (ApU)
X
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Arzneimittel-Nettokosten statt Fertigarzneimittel-Umsätze
X
.
Berücksichtigung von Rabatten (gesetzliche und vertragliche
Herstellerrabatte und Apothekenabschläge)
X
.
Vollständige Herausrechnung der gesetzlichen Herstellerrabatte und Apothekenabschläge
X
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Differenzierung der ESP nach Distributionsstufen
X
X
Mängel beim internationalen Preisvergleich (iPV)
.
Keine Einhaltung der „Best Practice“
X
.
Einzelländer statt Länderkorb
X
.
Wahrscheinlich DDD-Durchschnittskosten statt
„Goldstandard“ bei Analoga- und Generika-Substitution
X
.
Hochrechnung der ESP von Marktsegmenten auf
Gesamt-GKV-Markt
X
.
Keine adäquate Währungsumrechnung
(Wechselkursproblematik)
.
Apothekenverkaufspreise (AVP inkl. MWSt) statt NettoAbgabepreise pharmazeutischer Unternehmer (ApU)
.
Berücksichtigung von Rabatten (gesetzliche und vertragliche
Herstellerrabatte und Apothekenabschläge)
.
Vollständige Herausrechnung der gesetzlichen Herstellerrabatte und Apothekenabschläge
X
X
X
X
Quelle: Eigene Darstellung.
Wünschenswert wäre zudem, die
potenziellen Erlösrückgänge aus Arzneimittelsubstitutionen den einzelnen
Stufen der Distribution zuzurechnen,
um eine transparente Inzidenz der
Lasten für die Arzneimittelversorger
bei Ausschöpfung der vom AVR aus
Kassensicht berechneten ESP zu erhalten und die Diskussion darüber
zu versachlichen. Will man die Berechnungen auf die gesamte Distributionskette ausdehnen, müsste man
korrekterweise die ESP auf jeder Stufe
(Hersteller, Großhandel, Apotheke,
Staat) gesondert ausweisen. Das aber
macht der AVR trotz der Umstellung
auf das Konzept der Nettokosten gerade nicht. Stattdessen weist der AVR
lediglich darauf hin, dass in den letzten Jahren kontinuierliche Änderungen der gesetzlichen Abschläge von
Herstellern, Großhandel und Apotheken im Fertigarzneimittelmarkt stattgefunden hätten.
Mit der Berechnung von Nettokosten soll der anhaltenden Kritik be-
Cassel und Ulrich · Einsparpotenziale bei Arzneimitteln
745
Arzneimittelwesen · Gesundheitspolitik · Industrie und Gesellschaft
Pharma-Markt
746
Autorenerklärung
Dieser Artikel fasst zentrale Ergebnisse eines Drittmittelprojektes im
Auftrag des Bundesverbands der
Pharmazeutischen Industrie (BPI)
zusammen.
L I T E R AT U R
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de/ccm/research/projekte/expertenwork
shop
Korrespondenz:
Prof. Dr. Volker Ulrich
Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre,
insb. Finanzwissenschaft
Universität Bayreuth
Rechts-und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Universitätsstraße 30
95447 Bayreuth (Germany)
[email protected]
Pharm. Ind. 75, Nr. 5, 734–746 (2013)
© ECV · Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany)
Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal corporate use only
gegnet werden, dass die bis 2010
jährlich berechneten ESP die gewährten Rabatte und Abschläge
noch in vollem Umfang enthielten.
Sie sind aber auch aus der Sicht des
AVR (2012, S. 33) als bereits realisierte ESP anzusehen, indem sie die
Kostenträger GKV und Beihilfe entlasten auf Kosten von Herstellern
und Apothekern. Sie können deshalb
auch nicht mehr den Arzneimittelanbietern als noch vorhandene Einsparmöglichkeit angelastet werden.
Von daher ergibt sich im Umkehrschluss aber auch, dass die bisherige
Berechnungsmethode
des
AVR
schlichtweg falsch war und die in
den Jahren vor 2011 ausgewiesenen
ESP beträchtlich zu hoch waren. Dieses Argument gilt auch für den Ausweis der Mehrwertsteuer. Würde der
Steuersatz staatlicherseits gesenkt,
müsste das rechnerische ESP nach
AVR ebenfalls sinken und vice versa.
Beides ist methodisch und ökonomisch unsinnig, weil die Mehrwertsteuer lediglich die Einnahmeposition der öffentlichen Haushalte tangiert, nicht aber das zu Lasten der
Hersteller oder Apotheker zu realisierende ESP.
Solange der AVR an seinem fragwürdigen Berechnungskonzept festhält, sich mit der wiederkehrenden
Methodenkritik nicht konstruktiv
auseinandersetzt und den im nationalen und internationalen Preisvergleich verwendeten Algorithmus
nicht nachvollziehbar offenlegt, sollten seine inzwischen zum „Markenzeichen“ gewordenen Einsparpotenziale mit Distanz betrachtet und
schon gar nicht unbesehen politisch-pragmatisch verwendet werden. Auch die im AVR 2012 ausgewiesenen ESP sind so gesehen eher ein
Irrlicht als ein verlässliches Leuchtfeuer der Gesundheitspolitik.
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