Digitale Abformsysteme

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Digitale Abformsysteme
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BZB März 14
Wissenschaft und Fortbildung
Digitale Abformsysteme
Das Potenzial ist da – ein Statusbericht
E in Beitrag von Holger Kämpe, Dr. Peter Rehmann und Prof. Dr. Bernd Wöstmann, Gießen
Die Präzision und Dimensionstreue intraoraler Abformverfahren bedingen unmittelbar das Ergebnis
indirekt gefertigter Restaurationen. Der Abformung
ist also ein maßgeblicher Stellenwert in der restaurativen Zahnheilkunde beizumessen. Konventionelle
Abformverfahren können diesbezüglich eine lange
Historie aufweisen und haben diesen Anspruch bisher weitestgehend erfüllt; absolut exakt sind jedoch
auch sie bei Weitem nicht [6]. Der konventionelle
Workflow ist darüber hinaus außerordentlich fehleranfällig und der Erfolg hängt von vielen verschiedenen werkstoffkundlichen und behandlersensitiven
Faktoren ab [5,9]. Die optischen Verfahren der
digitalen Zahnheilkunde bieten das Potenzial, diesen Workflow zu vereinfachen und zu verkürzen.
Damit ergibt sich die Möglichkeit, die Präzision
künftiger Abformungen entscheidend zu verbessern. Zudem erlaubt der digitale Workflow auch
eine bessere Standardisierung, was zu konstanten
und reproduzierbaren Ergebnissen führt [3,10].
Die digitalen Abformsysteme haben bereits gezeigt,
dass ihre Präzision für die indirekte Fertigung von
Zahnersatz ausreicht [1,7,8], allerdings können sie
die konventionelle Abformung bislang noch immer
nicht vollends ersetzen. Das Indikationsfeld für optische Abformungen wird jedoch stetig erweitert und
gemessen an der rasanten Entwicklung der vergangenen Jahre lässt sich vermuten, dass die digitalen
Systeme über das Potenzial verfügen, einen Generationswechsel einzuleiten.
Derzeitiger Stand der digitalen Abformsysteme
Allein im vergangenen Jahr sind wieder zahlreiche
neue Entwicklungen erschienen. Wesentlich sind
hier zu nennen:
1. Cerec Omnicam und Apollo DI (Sirona)
2. 3M True Definition Scanner (3M Espe)
3. Cara Trios True Color (Heraeus Kulzer/3Shape)
Die drei Scansysteme basieren alle auf unterschiedlichen Funktionsprinzipien, sind sich aber in ihrer
Handhabung sehr ähnlich. Allen drei Systemen ist
gemeinsam, dass die digitalen Daten kontinuierlich
und nicht anhand von Einzelbildern akquiriert wer-
Handstücke verschiedener Kamerasysteme von oben nach unten:
Cerec Bluecam, Cerec Omnicam, Lava C.O.S., 3M True Definition
Scanner, Cara Trios
den. Die Messprinzipen unterscheiden sich jedoch.
Die bereits 2012 eingeführte Cerec Omnicam basiert wie ihr Vorgänger, die Cerec Bluecam, auf der
optischen Triangulation. Erstmals werden die Daten aber nicht mehr anhand von Einzelbildern,
sondern in einer kontinuierlichen Videosequenz
generiert, wobei zudem keine Puderung mehr notwendig ist. Mit der InLab-Software können Scandaten nun auch erstmals über eine stl-Schnittstelle
(standard tesselation/triangulation language) exportiert und unabhängig weiterverarbeitet werden.
Außerdem ist es möglich, in Farbe zu scannen.
Zusätzlich hat Sirona den Apollo DI auf den Markt
gebracht. Technisch basiert das Gerät ebenfalls auf
der optischen Triangulation und ist vergleichbar mit
einer Cerec Bluecam. Das Aufnahmeverfahren erfolgt jedoch fließend. Das Gerät ist ausschließlich
für digitale Abformungen konzipiert worden und
sieht, anders als Blue- und Omnicam, keinen weiterführenden Chairside-Workflow vor.
Der True Definition Scanner von 3M Espe ist der
direkte Nachfolger des Lava C.O.S. (Chairside Oral
Scanner). Das System nutzt die sogenannte 3D-InMotion-Technologie und basiert auf dem Active
Wavefront Sampling, das ebenfalls kontinuierlich
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Daten generiert. Der Scanprozess ist jedoch weiterhin auf eine geringfügige Applikation von Scanpuder angewiesen. Davon abgesehen wurde das
System wesentlich offener gestaltet, sodass die Daten jetzt ebenfalls im stl-Format erzeugt werden können. Dadurch soll unter anderem eine spätere, herstellerunabhängige Nutzung von Chairside-Fräslösungen erleichtert werden. Außerdem wurde ein
neues Handstück eingeführt, das insgesamt leichter und graziler gestaltet ist und bezüglich seiner
Dimensionen eher einem Handstück ähnelt. Durch
stete Software-Updates wurde außerdem der Aufnahmemodus des Scankopfes optimiert, wodurch
die Datenakquise nun wesentlich schneller und
komfortabler funktionieren soll. In den USA ist das
Gerät bereits erhältlich, in Europa wird der Vertrieb
erst später starten.
Das Cara Trios True Color-System wurde analog
zur Cerec Omnicam um einen Farbmodus erweitert. Darüber hinaus ist der Scanner nun auch in
einer Laptopversion erhältlich, sodass künftig auf
ein Cart verzichtet werden kann. Technisch basiert
das System auf der konfokalen Mikroskopie.
Dieses Akquiseprinzip liegt auch dem bislang erhältlichen iTero Scanner (Cadent, USA) zugrunde.
Die Firma Straumann stellte den Vertrieb des Systems in Europa jedoch zum 31. Dezember 2013 ein.
Es ist zu vermuten, dass das System zukünftig für
restaurative Belange nicht mehr zur Verfügung
steht, sondern eher das kieferorthopädische Indikationsspektrum des Gerätes ausgeweitet wird.
Ausblick
Nach heutigem Wissensstand sind alle drei Messprinzipien gleichermaßen geeignet, Abformungen
für indirekte Restaurationen zu erstellen und sind
dabei mit der Präzision konventioneller Abformungen vergleichbar [1,2,4,7,8]. Neuere Studien zu den
genannten, kürzlich eingeführten Systemen stehen
allerdings noch aus. Der entscheidende Nachteil der
intraoralen Scansysteme besteht jedoch weiterhin.
Unabhängig davon, ob das System Puder nutzt oder
nicht, bleibt die Erfassung subgingivaler Bereiche
beziehungsweise steiler Präparationen problematisch [6]. Der Aufwand, bedingt durch eine Trockenlegung und die Applikation von Retraktionsfäden,
ist vergleichbar mit dem Aufwand bei konventionellen Abformungen. Im Extremfall kann gegebenenfalls auch gar keine digitale Abformung durchgeführt werden und es muss auf plastische Abformmaterialien zurückgegriffen werden. Positiv
zu vermerken ist, dass nahezu jeder Hersteller mitt-
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Scan eines Kieferabschnittes mit der Omnicam
lerweile auch einen Workflow für die digitale Abformung von Implantatsystemen implementiert
hat. Dieser Schritt ist begrüßenswert, da gerade hier
die Vorteile der digitalen Zahnheilkunde besonders
deutlich werden.
Bei der Erfassung eines Abformpfostens beziehungsweise Scanbodies kommt es nicht auf eine exakte
Darstellung der Präparationsgrenze oder subgingivalen Bereiche an. Es geht einzig um die exakte
Erfassung der Implantatposition im Knochen. Mit
ausreichend präzisen und auf die zu scannenden
Geometrien der Scanbodies optimierten optischen
Messsystemen könnten digitale Systeme gegenüber konventionellen, auf plastischen Materialien
basierenden Abformungen schneller, komfortabler
und präziser sein [6]. Implantatabformungen sind
jedoch in besonderem Maße auf eine hohe Präzision angewiesen, da Fehler bei der Abformung zu
Spannungen innerhalb späterer Suprakonstruktionen führen, die durch die Implantatpfeiler nicht
mehr ausgeglichen werden können. Inwieweit die
Präzision der heute erhältlichen intraoralen Scanner bereits ausreichend ist, insbesondere Situationen
mit implantatgetragenem Zahnersatz auf mehreren Pfeilern zu erfassen, ist derzeit Gegenstand aktueller Forschungen. Es bleibt also weiterhin spannend, ob beziehungsweise wann der digitale Scan
die konventionelle Abformung ersetzen kann.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Bernd Wöstmann
Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik
Schlangenzahl 14
35392 Gießen
Telefon: 0641 9946150
[email protected]
Literatur bei den Verfassern
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