Noch zeigen Händler, Gastronomen und - Digital Paper

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Noch zeigen Händler, Gastronomen und - Digital Paper
Freitag, 23. Oktober 2015 Feature 29
© Grubhub
medianet.at
Noch zeigen Händler,
Gastronomen und
Produzenten keine
Kernkompetenzen im
digitalen Bereich.
tionen: Sie können entweder viel Geld und
Mühe investieren, um ihren digitalen Kanal
wettbewerbsfähig zu bewirtschaften. Oder
sie können einen Partner suchen, der diese digitalen Kernkompetenzen bereits mitbringt und so eine sinnvolle Zusammenarbeit ermöglicht. Werden beide Optionen nicht
wahrgenommen, macht ein unabhängiger
Dritter wie Google, Amazon oder GrubHub
das Rennen – denn der Druck zur Digitalisierung ist unabdingbar da.
Physische und digitale Welt verschmilzt
In vielen Restaurants wird die Verschmelzung von digitaler und realer Welt auch im
Lokal selbst stattfinden – Gästen werden
auf Terminals, Tablets und Screens zusätzliche Informationskanäle zur Verfügung stehen. Diese Berührungspunkte werden sich
aber nur über längere Zeit bewähren, wenn
sie einen klaren Mehrwert bieten. Zusatzinformationen, Personalisierung, schnellere
Bedienung oder Edutainment sind Ansätze, um das Vertrauen in die Marke und die
Mahlzeiten zu stärken. Pizza Hut beispielsweise experimentierte mittels Eye-TrackingSensoren, wie die Bestellung noch schneller
gemacht und auf die unbewussten Wünsche
der Gäste zugeschnitten werden kann.
Die Bestell-, Bewertungs- und Reservationssysteme werden immer komplexer – und
sie werden auch untereinander vernetzbar
sein. So werden sich etwa Konsumenten,
aber auch Händler und Produzenten gegenseitig und für die Öffentlichkeit sichtbar
bewerten: wie bei Airbnb oder Uber gibt der
Nutzer-Feedback über das erhaltene Produkt
und den Service. Die Systeme werden so auch
stets intelligenter: Wie bereits heute Nutzer
auf Amazon und Google unterschiedliche
Angebote und Preise finden, wird auch dieses System nicht für alle dasselbe anzeigen.
Dies kann zu Privilegien für Leute führen, die
gut vernetzt sind und dadurch einen höheren Netzwert und Einfluss haben – und zur
Diskriminierung von anderen, im Extremfall
von Kunden, die in einem Restaurant unangenehm auffallen: gut möglich, dass ihnen
das System in Zukunft keine freien Tische
mehr anzeigen wird.
Kommen die Daten all dieser Systeme zusammen und kommunizieren miteinander,
ergibt sich daraus eine inhaltliche Überlegenheit und eine Art Deutungshoheit, die viel
Macht verspricht. Analog zu Google Search,
welches mittels Algorithmen bestimmt, welche Ergebnisse der Nutzer bei einer Suchan­
frage erhält, wird dieses System in Zukunft
eine Art Google Food sein, das beeinflussen
kann, wie, wo und wann jemand außer Haus
isst.
Mit der Deutungshoheit zum Leader
Die Frage ist, welche Anbieter sich womit
durchsetzen werden: Reicht die Markenkraft eines Unternehmens (Restaurant, Kette, Delivery-System, etc.), um selber einen
digitalen Kanal zu lancieren und Kundenbestellungen hierüber zu kanalisieren? Werden es heute noch unbekannte Start-ups
sein? Oder wird ein unerwarteter Dritter
aus einer anderen Branche die Serviceplattform bereitstellen?
Noch zeigen Händler, Gastronomen und
Produzenten keine Kernkompetenzen im digitalen Bereich. Dadurch bleiben zwei Op-
Vertiefender Lesestoff zum Thema:
European Food Trends Report
Bits over Bites: Wie die Digitalisierung den
Food-Konsum neu definiert
www.gdi.ch
© Professional Images
und Wertschöpfungskette des Essens Grundvoraussetzung für anhaltendes Vertrauen und Loyalität ist. Mit den Bestellungen
sammelt der Konsument Punkte und erhält
Zugang zu Spezialangeboten und weiteren
Privilegien, analog zu Flugmeilen-StatusSystemen wie Miles & More. Durch PushNachrichten, ob beispielsweise der letzte
Tisch im Lieblingslokal zu einer bestimmten
Zeit noch (oder wieder) frei ist, kann die Bindung zusätzlich verstärkt werden.
Ein solches System entfaltet auch eine
enorme Kraft hinsichtlich sozialer Vernetzung. Ein Restaurant und sein Angebot erhalten eine ganz neue Bedeutung, wenn man
erfährt, dass gewisse Personen, die man
besonders schätzt (Promis oder private Bekanntschaften) kürzlich dort gegessen haben.
In naher Zukunft wird man dank geobasierten Daten auch wissen, ob sich Freunde in
der Nähe befinden, die ebenfalls hungrig
sind – das System macht dann Vorschläge
zur Kontaktaufnahme, denn wer isst schon
gerne allein?
Pizza Hut und das Eye-Tracking
Die Idee
Wer ohne Warten und Diskussionen mit Kellnern bestellen will, für
den hat Pizza Hut in Großbritannien seit Ende 2014 „the world’s
first subconscious menu“. Das
bedeutet: niedersetzen, in die
Karte schauen und noch bevor
Sie eine Entscheidung treffen
können, welches Topping Sie
wollen, weiß die Karte, was Sie
wollen und ist bereit, die Bestellung aufzugeben.
Der Hintergrund
Die Gedanken lesende Speisekarte beruht auf einem TabletComputer mit einem Eye-Tracker,
der die Augenbewegungen des
Gasts misst, während dieser
die 20 angebotenen Toppings
durchgeht. Das Tablet entscheidet dann, welche der 4.896 Kombinationen der Gast will – indem
er die Zeit misst, die der jedem
Topping schenkt und informiert
ihn darüber.
Die Krux an der Sache
1. Es gibt keinen Beweis, dass
mit einem längeren Blick eine
Bevor­zugung einhergeht.
2. Menschen sind kompliziert;
es gibt viele Gründe, warum
sie unterschiedliche Toppings
verschieden lang anblicken.
Vielleicht ist das Pepperoni-Bild
schlechter zu indentifizieren, als
das Champignon-Bild, oder es
erscheint am Bildschirm heller.
All das nimmt Einfluss.

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