Erfahrungsbericht Praktisches Jahr Pädiatrie Januar bis
Transcription
Erfahrungsbericht Praktisches Jahr Pädiatrie Januar bis
Erfahrungsbericht Praktisches Jahr Pädiatrie Januar bis März 2008 Northwestern University, Chicago, Il, USA Von Ende Januar bis Ende März 2008 habe ich die Hälfte meines Pädiatrietertials in Chicago verbracht, und es war eine wahnsinnig gute Zeit in einer tollen Stadt. Ich habe zwei Rotationen am Children’s Memorial Hospital der Feinberg School of Medicine absolviert und war 4 Wochen in der pädiatrischen Hämatologie/Onkologie und 4 Wochen in der pädiatrischen Rheumatologie. Allgemeines Die Homepage der CHIC und der Northwestern University geben einen ziemlich detaillierten Überblick über die notwendigen Formalitäten (Visum, Hygienequiz, Impfungen, TuberkuloseTest usw.), die ihr für die Bewerbung zu erledigen habt. Ansprechpartnerin in Chicago ist Alexandra Freund, die sich rührend um Euch kümmern wird. Achtet darauf, dass die im Rotationskalender der Northwestern stehenden Daten nicht flexibel sind. Ihr müsst also Euer PJ-Tertial, das ihr in den Chicago verbringen wollt um die dort vorgegebenen Zeiträume planen. Das klingt kompliziert, aber es lässt sich im Endeffekt immer eine Lösung finden. Für Pädiatrie gibt es die Besonderheit, dass das Gutachten eines Hochschullehrers, welches ihr mit der Bewerbung einreichen müsst, von einem Pädiater der Charité ausgestellt werden muß. Die Bewerbung kann dann frühestens sechs Monate vor Rotationsbeginn eingeschickt werden. Ich habe im Oktober, also drei Monate vorher, meine Zusage aus Chicago erhalten. Vergesst nicht, Euch rechtzeitig um ein Visum B1 zu kümmern. Dafür solltet ihr euch die genauen Visabestimmungen des amerikanischen Generalkonsulats in Berlin zu Gemüte führen. Anreise Ich bin mit der Lufthansa direkt von Frankfurt nach O’Hare geflogen für ca. 500 Euro. Vom Flughafen habt ihr dann die Möglichkeit, entweder die berühmte „El“ (die Chicagoer S-Bahn) oder den Airport Shuttle Express zu nehmen. Letzterer kostet 25 Dollar nach Downtown Chicago und lädt Euch direkt vor der Wohnungstür ab, was, wenn man nachts ankommt und schwer beladen ist, sehr angenehm ist. Die Stadt... ...hat viele Spitznamen: Windy oder Second City, die zweite Stadt, die immer ein bisschen hinter New York steht, was die internationale Bedeutung angeht, die Bevölkerungszahl, aber auch den Stressfaktor. Die Bewohner bezeichnen sich selbst als „laid back“, also als entspannt – und sie sind es auch. Dabei ist Chicago alles andere als ein verschlafenes Nest am Rande der Prärie, und es ist meiner Meinung nach unmöglich, die Stadt in acht Wochen in Gänze zu erfassen. Gelegen an den Ufern des Michigan Sees hat die Stadtverwaltung nach dem großen Brand von 1871 darauf geachtet, die Uferpromenade nicht komplett zu verbauen, so dass man auch heute noch am Lake Michigan entlang wandern kann und – wenn man den Sommer in der Stadt verbringt – sich am Strand sonnen und im See baden kann. Chicago ist die Hauptstadt der amerikanischen Architektur: hier entstanden die ersten Wolkenkratzer und mit ein bisschen Glück kann man noch heute in über hundert Jahre alten Gebäuden im 20. Stockwerk mit Stuck, Dielen und Kamin wohnen. Durch die Weltausstellung 1893 erlangte die Stadt Weltruf über den schon damals bekannten Handelsplatz und die größte Warenbörse der USA hinaus (Buchtipp: „The devil in the white city“ von Erik Larson). Chicago ist aber auch die Heimat des Jazz und der Gangster: in „the green mill“ kann man nicht nur das Originalinventar aus Al Capones Zeit bestaunen, sondern sich auch auf seinem Lieblingsplatz hervorragende Jazzmusic zum Beispiel von Kurt Elling anhören. Dann gibt es diverse amerikanische Sportvereine (Bears, Bulls, Cubs und White Sox), das Chicago Symphony Orchestra, Museen wie das Art Institute, Kneipen und Clubs und eine Menge gutes Essen zu erschwinglichen Preisen, zum Beispiel die weltberühmte Deep Dish Pizza, indisches Essen auf Devon Avenue oder griechisches in Greek Town. Und wenn der Euro gerade stark ist, macht auch das Einkaufen auf der Magnificent Mile (Michigan Avenue) und im „Loop“ doppelt Spaß. Neben Al Capone hat die Stadt natürlich noch andere berühmte Persönlichkeiten hervorgebracht. Zum Beispiel Michael Jordan, dessen bronzene Statue vor dem United Center steht, Oprah Winfrey, die eine Etage im Water Tower Place bewohnt und natürlich den President elect Barack Obama. Chicago hat ein ziemlich gutes öffentliches Verkehrssystem. Wenn ihr mal weiter wegwollt, gibt es oft ganz günstige Flüge mit Southwest Airlines vom Midway Airport. Wohnen Die meisten Medizinstudenten der Northwestern wohnen Downtown, also in der Stadtmitte, da der Hauptcampus der medizinischen Fakultät dort ist (Northwestern Memorial Hospital). Das Kinderkrankenhaus liegt (zu Mindest noch bis 2012) ein paar Meilen nördlich davon im Bezirk Lincoln Park, ein sehenswertes Stadtviertel mit vielen schönen Town Houses und Cafés. Die Mieten für ein WG-Zimmer oder eine Wohnung sind deutlich höher als in Berlin, und man muß mit ca. 750 bis 1000 Dollar pro Monat rechnen. Dafür wohnt man dann auch im Herzen der Stadt und mit ein bisschen Glück sehr weit oben in einem der Wolkenkratzer. Ich hatte total Glück und habe sehr günstig in Streeterville zwischen Michigan Avenue und Lake Michigan gewohnt, direkt gegenüber vom John Hancock Center. Ein Absacker in der Lounge in der 96. Etage ist schon was feines... Viele amerikanische Medizinstudenten im vierten Studienjahr rotieren selbst an Krankenhäusern außerhalb Chicagos und vermieten ihre Zimmer für diese Zeit unter. Über Alie Freund ist es sicher möglich, mal ein paar mails über den mail-Verteiler der Northwestern Medizinstudenten zu schicken und darüber vielleicht auch etwas über sogenannte „sublets“ zu erfahren. Vielleicht kann Euch auch, wenn ihr ganz große Probleme habt, der ein oder andere ehemalige Austauschstudent von der Charité weiterhelfen... Medizin in Chicago Chicago hat insgesamt mindestens 6 medizinische Fakultäten. Die Feinberg School of Medicine hat landesweit einen sehr guten Ruf. Zur Zeit ist der Hauptcampus das Northwestern Memorial Hospital, ein Komplex von hochmodernen Hochhäusern im Zentrum der Stadt, deren Eingangshallen eher an ein 4-Sterne-Hotel als an ein Krankenhaus erinnern. Daneben gibt es das Children’s Memorial Hospital, wie gesagt in Lincoln Park. Zwischen den Campi gibt es regelmäßige Shuttlebusse. In amerikanischen Kliniken gibt es einen gewissen dresscode, dass heißt, keine Jeans und Turnschuhe, dafür Hemd, Anzugshose und Krawatte für die Jungs und entsprechende Kleidung auch für die Mädels. In Amerika kann die Position der Krankenhaushierarchie an der Länge des Kittels erkannt werden. Ich bin jedoch trotz meines langen deutschen Kittels nicht mit einem Oberarzt verwechselt worden. Meine Rotationen In der Pädiatrie sind einige Dinge etwas entspannter als in vielen anderen Disziplinen. Die Krawattenpflicht ist im Children’s Memorial Hospital (CMH) zum Beispiel keine wirkliche Pflicht und die meisten Ärzte werden sich – egal wie alt und hochdekoriert sie sind – von Euch duzen lassen. Das Krankenhaus hat ca. 260 Betten und jede pädiatrische Subspezialität, die das Herz begehrt. Ich habe nie in so kurzer Zeit so viel gelernt, wie in den 8 Wochen am CMH. Meine erste Rotation war in der pädiatrischen Hämatologie und Onkologie. Dabei haben sich hauptsächlich zwei der fellows (Ärzte die schon Pädiater waren, aber die Subspezialisierung Häma/Onko gemacht haben) um mich gekümmert. Ich war hauptsächlich in den Sprechstunden tätig, von denen es sehr allgemeine gab (Kinder mit Tumoren, die zur Chemo kamen), aber auch superspezielle, wie die Sichelzellsprechstunde oder die Hämophiliesprechstunde. Dabei lief es meistens so ab, dass es einen großen Stapel Patientenakten gab und dazu eine Vielzahl von attendings (Oberärzte) und fellows. Jeder (also auch jeder Student!) hat sich einfach eine Akte geschnappt, sich das Kind angeguckt und direkt im An- schluss mit dem nächsten griffbereiten Oberarzt den Fall besprochen. Dieser hat dann – als wäre es das normalste auf der Welt – einem angefangen die Grundlagen und die Besonderheiten des entsprechenden Falls zu erklären. Manchmal wird man ein bisschen gequizzt, aber auch dabei sind die Profs immer um eine nette Atmosphäre bemüht. Und vergesst nicht, alles zu fragen, was Euch auf dem Herzen liegt, dumme Fragen gibt es nicht. Als Bonus durfte ich auch die ein oder andere Lumbal- und Knochenmarkspunktion machen. Zusätzlich gab es jeden Tag noch weitere Fortbildungen, zum Beispiel einen hämatologischen Mikroskopierkurs, Journalclub, Grand rounds, Firm rounds und die täglichen Fallpräsentationen. Die Kinderrheumatologie war eine sehr kleine aber feine Abteilung mit drei Oberärzten, die auf ihren Fachgebieten Instanzen sind und mit absoluter Hingabe klinisch und wissenschaftlich arbeiten und lehren. Wir hatten dort meistens etwa zwei bis fünf stationäre Patienten, die ausgiebig visitiert wurden und auch diagnostiziert wurden. Oft ging es da tatsächlich wie bei House darum, aus den Differentialdiagnosen eine behandelbare Diagnose zu eruieren. Solltet ihr in der Rheuma landen, werdet ihr eine Menge Kolibris sehen, aber auch eine Menge über klinische Diagnostik und natürlich rheumatologische Erkrankungen lernen. Außerdem wurden wir alle morgens von der Abteilungsleiterin zum Kaffee eingeladen und (nicht nur) wenn das mal ausfiel, sind wir halt zusammen Mittag essen gegangen. Apropos Mittag essen: Mc Donald’s in einem Kinderkrankenhaus bleibt für mich weiterhin gewöhnungsbedürftig... Sonstiges Wegen der Kürze der Zeit ist es natürlich sehr sinnvoll, Englisch ganz gut drauf zu haben. Euer deutsches Mobiltelefon könnt ihr mitnehmen und eine amerikanische prepaid Karte erstehen. Wenn ihr ein Notebook mit w-lan habt, dann könnt ihr fast überall ins Netz. Acht Wochen sind schneller um, als man denkt. Genießt die Zeit und die Möglichkeiten, welche die Stadt bietet. Ihr werdet nette Leute treffen, ein intensives medizinisches Arbeiten kennenlernen und einfach eine grandiose Zeit haben. Alles in allem war Chicago einfach bonemazing! Viel Spaß und viel Glück! Literatur - Erik Larsen: The devil in the white city - Lonely planet Chicago - http://www.feinberg.northwestern.edu/education/visiting_students/index.html - http://www.childrensmemorial.org/ - http://german.germany.usembassy.gov/germany-ger/visa/index.html