PrüFUnGSanGSt Und LiEBESKUMMEr
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P r o f i le Das Studentenwerk berät in psychischen Krisen Prüfungsangst und Liebeskummer N R. 4 • 2 0 1 1 14 Ob bei existenzieller Krise oder schierem Gesprächsbedarf: Die Psychotherapeutische und Psychosoziale Beratungsstelle des Studentenwerks bietet professionelle Hilfe, wenn die Seele in Schieflage gerät. Im Olympiadorf helfen acht Psychologinnen und Psychologen anonym und kostenlos beim Bewältigen von Problemen. Eine Pappschachtel mit Taschentüchern wartet diskret auf dem Tisch. Petra Holler sitzt in einem mohnroten Sessel zwischen freundlich-abstrakten Bildern und riesigen, weiß verhängten Fensterfronten. Mit weicher Stimme spricht sie mit ihren Besuchern über deren Prüfungsängste und Depressionen, über Liebeskummer oder schwere Neurosen. Prüfungszeit ist Krisenzeit In einem jeweils einstündigen ersten Gespräch versucht Petra Holler, sich ein „plastisches Bild von der Situation“ zu machen. „Man muss geduldig explorieren, durch taktvolles Nachfragen dem Kern des Problems auf die Spur kommen.“ Viele Nöte sind – natürlich – im Unibereich angesiedelt: Prüfungsängste, Redeangst, Lernstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, aber auch Aufschiebeverhalten etwa beim Verfassen einer Hausarbeit. „Viele Studierende haben heute das Gefühl, mit dem Studium überfordert zu sein.“ Gerade in Prüfungszeiten erwarten Petra Holler und ihre Kollegen „immer einige Krisen mehr“. Seit achteinhalb Jahren arbeitet die Diplom-Psychologin in der Psychotherapeutischen und Psychosozialen Beratungsstelle des Studentenwerks München, die sie heute auch leitet. „Mittlerweile ist die Anzahl an Ratsuchenden enorm gestiegen: Vor zehn Jahren hatten wir 400 Studierende jährlich, jetzt sind es 800.“ Das Beratungsangebot wurde daher ausgebaut. Wie ihre mittlerweile sieben Kolleginnen und Kollegen arbeitet Petra Holler teils beim Studentenwerk, teils als niedergelassene Psychoanalytikerin in München. Bei manchem stellt sich inmitten des Studientrubels das Gefühl sozialer Isolation ein. Viele Studierende werden von Beziehungsproblemen umgetrieben, von Liebeskummer – oder auch von der Schwierigkeit, überhaupt einen Partner zu finden. „Mancher sehnt sich nach einer Liebesbeziehung, hat aber überhaupt keine Ahnung, wie er das angehen soll.“ Bisweilen macht Petra Holler dabei auch schwere soziale Phobien aus, häufig gekoppelt mit Internetsucht. „Der größte Teil des Tages wird am oder mit dem Computer verbracht, aber nicht mit anderen Menschen – und darunter leiden auch die sozialen Fertigkeiten.“ Die Probleme der studentischen Klienten unterscheiden sich von denen in ihrer Praxis vor allem durch die Lebensphase, in der sie stecken: „Sie sind kognitiv, emotional und intellektuell schon erwachsen, sozial aber noch in einem Status der Abhängigkeit gefangen – zum Beispiel finanziell von den Eltern. Und in diesem Spannungsfeld entstehen ganz spezifische Probleme.“ Viele Studierende tun sich erstmal schwer, so Petra Holler, überhaupt zur Beratung zu kommen. „Wer möchte, kann sich aber auch anonym beraten lassen, ohne seinen oder ihren Namen zu nennen.“ Zwei Drittel der Anfragenden sind Frauen, doch der Anteil der Männer nimmt zu. Schon aus Kapazitätsgründen können jedem Studierenden offiziell höchstens drei Sitzungen eingeräumt werden. Vereinzelt stellen sich Ratsuchende auch die Sinnfrage: Ist dieser Studiengang, ein Studium generell überhaupt das Richtige für mich? „Das geht dann in die Richtung Identitätsproblematik: Was will ich eigentlich? Wo zieht es mich hin? Aber das ist zurückgegangen, abgelöst durch eher studienbezogene Nöte und, ganz generell, depressive Krisen, ,Überforderungssyndrome’, wie wir sie nennen.“ Diese könnten begleitet sein von körperlichen Beschwerden – von Schlafstörungen, Essstörungen, Ängsten, Phobien bis hin zu massiven Persönlichkeitsstörungen, Selbstverletzungstendenzen und immer wieder auch einmal einer Suchterkrankung. Nicht immer müsse aber schon ein Störungsbild vorliegen: „Es kann auch sein, dass jemand einfach mal über etwas reden will.“ P r o f i le N R. 4 • 2 0 1 1 15 1 Mohnrote Sessel und Kleenex-Boxen: Hier empfängt Petra Holler Ratsuchende. Fürsorgliche Professoren Besonders durch die neue Strukturierung der Studiengänge hätten psychologische Probleme bei Studierenden zugenommen, sagt Petra Holler. „Während Studierende den Lebensabschnitt Uni vor 20, 30 Jahren noch als Moratorium für die eigene Identitätsentwicklung nutzten, muten sie uns heute viel leistungsorientierter an – auch aus Angst, auf dem Arbeitsmarkt nicht unterzukommen. Es gibt ein viel größeres Sicherheitsbedürfnis.“ Dabei versuchen Petra Holler und ihre Kollegen, die Ratsuchenden für die tiefere Wurzel eines Problems zu sensibilisieren, statt sich nur auf die Schnelle – und möglichst bis zur nächsten Prüfung – therapieren zu wollen. „Hinter einer Prüfungsangst am Ende des Studiums zum Beispiel kann die unbewusste übermäßige Angst liegen, endgültig den Schritt in die Eigenverantwortung zu tun.“ Letztendlich ergehe der Auftrag aber immer vom Studierenden: „Wenn jemand lediglich einen Tipp für ein Prüfungscoaching möchte, bekommt er den natürlich von uns.“ Manchmal kommen auch Studierende auf Petra Holler zu, die sich nicht um sich selbst, sondern um Freunde und Kommilitonen sorgen. Und: Vermehrt rufen Professoren und Dozenten an. „Viele scheinen die Fürsorgepflicht doch sehr ernst zu nehmen – was in einer so riesigen Unilandschaft wie München doch erstaunlich ist.“ ■ ajb Psychologische Hilfe Bis vor Kurzem hatte die Psychotherapeutische und Psychosoziale Beratungsstelle ihren Sitz neben dem „Schweinchenbau“ an der Leopoldstraße, nun befindet sie sich im Beratungszentrum am Helene-Mayer-Ring 9 im Olympischen Dorf. Neben Einzelgesprächen werden auch Paar- und Familiengespräche angeboten. Zudem gibt es die Gruppenkurse „Arbeitseinteilung und Lerntechniken“, „Entspannungstechniken“ sowie „Soziales Kompetenztraining“. Infos: www.stwm.de/beratungsnetzwerk – Psychotherapeutische und Psychosoziale Beratung. Studierende, die psychologischen Rat suchen, melden sich von 9 bis 12 Uhr bei Sekretärin Christina Geisel an: Tel. 089/357135-40, E-Mail: psycho-beratung@ stwm.de.