Mein Auslandssemester in Dänemark August 2011 – Januar 2012

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Mein Auslandssemester in Dänemark August 2011 – Januar 2012
Erasmus Erfahrungsbericht
Meike Hohmann
Wintersemester 2011
Mein Auslandssemester in Dänemark
August 2011 – Januar 2012
Seit 2009 studiere ich International Business an der Fachhochschule Dortmund. Ein
Auslandsaufenthalt ist in diesem Studiengang verpflichtend, daher stand ich nicht vor der Frage, ob
ich oder ob ich nicht ins Ausland gehen sollte, sondern wohin es mich ziehen würde. Meine
Hochschule pflegt Beziehungen zu vielen internationalen Partnern in aller Welt, aber mich zog es in
die Nachbarländer, da ich meine berufliche Zukunft eher in Europa sehe. Die Auswahl der
Gasthochschule fand schon im Dezember 2010 statt, etwa ein halbes Jahr bevor der eigentlich
Auslandsaufenthalt begann. Für mich kamen die HES Amsterdam und die IBA Kolding in Frage.
Amsterdam war meine erste Wahl, da ich seit dem ersten Semester Niederländisch lerne. Leider gab
es aus meinem Semester mehr Interessenten für die HES Amsterdam als dort Plätze zur Verfügung
standen. Das Losverfahren nahm mir daher die Entscheidung ab. Für Holland bekam ich keinen
Zuschlag, somit stand fest, dass ich mein Auslandssemester in Dänemark verbringen würde.
Die Bewerbung und Vorbereitungen nahmen dann ab Februar 2011 so langsam ihrem Lauf. Auf der
Website der IBA Kolding (International Business Academy) gab es ausführliche Informationen zur
Bewerbung und zum Leben und Studieren vor Ort. Die Formulare konnten alle online
heruntergeladen werden. Alle Informationen waren in Englisch verfügbar. So füllte ich dann nach und
nach das Bewerbungsformular, die Learning Agreements für Kolding und Dortmund und das
Wohnungsformular aus, damit mir die IBA eine Bleibe organisiert. Man konnte zwischen
Wohngemeinschaft und Einzelunterbringung wählen. Ich entschied mich für die WG, um einerseits
Geld zu sparen und natürlich auch um schnell sozialen Anschluss zu bekommen. Hätte ich zu diesem
Zeitpunkt gewusst, was die IBA unter „shared apartment“ versteht, hätte ich mich wahrscheinlich
anders entschieden. Aber dazu später mehr. Ich reichte also alle ausgefüllten Unterlagen zusammen
mit meinem Lebenslauf im International Office der FH Dortmund ein, von wo alles nach Dänemark
geschickt wurde. Neben dem ganz alltäglichen „Studienwahnsinn“, mit Projekten, Prüfungen und
Vorlesungen, beantragte ich Auslands-Bafög, kündigte meine Wohnung in Dortmund, arbeitete
nebenbei und wartete natürlich ungeduldig auf eine Antwort aus Dänemark. Im Juni erhielt ich dann
die offizielle Bestätigung, dass ich in Kolding angenommen wurde. Jetzt wurde es wirklich ernst. Die
Einführungswoche sollte am 22. August 2011 beginnen. Zwei Wochen vor meiner Abreise kamen
dann auch endlich weitere Informationen zur Wohnung. Ich erfuhr, dass ich mit einem Belgier und
einer Französin ein Apartment in der Nähe der Uni teilen würde. Ich bekam auch die Kontaktdaten
von meinem „Buddy“, einer dänischen Studentin, die mir in der ersten Zeit zur Seite stehen würde.
Am 21. August machte ich mich auf die 7-Stunden Fahrt nach Kolding. Da ich im Voraus nicht
herausfinden konnte wie gut unsere Wohnung ausgestattet war, hatte ich neben Kleidung auch jede
Menge Küchenutensilien dabei, von Töpfen bis zum Dosenöffner. Nachdem ich die erste Nacht im
Hostel verbracht hatte, erhielt ich am Montag nachdem ich mich an der Uni angemeldet, die erste
Miete und die Kaution gezahlt hatte, den Schlüssel zu meiner Bleibe für die nächsten Monate. Die
Freude darüber, dass diese nur fünf Minuten von der Uni entfernt war hielt nicht lange an. Als ich die
Wohnung betrat wurde mir plötzlich klar, was die IBA unter „shared apartments“ verstand. Durch
einen kleinen Flur, von dem ein noch kleineres Bad abging, trat ich in eine Art Wohnzimmer, in dem
sich ein wackeliger Schreibtisch, einige Stühle und ein Kaffeetisch befanden. Von diesem Zimmer
erreichte man den zweiten Raum der Wohnung, ein etwa 9 m² großes Schlafzimmer auf dessen
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Boden drei Betten lagen, die schon mal besser Zeiten gesehen hatten. Hier sollte ich also mit zwei
fremden Menschen wohnen. Ich war geschockt, hatte ich mir doch eine nette WG vorgestellt, in der
jeder ein kleines Zimmer als Rückzugsort hat. Aber Privatsphäre war hier offenbar nicht in der Miete
von etwa 300 € enthalten. Immerhin stellte die Küche einen kleinen Lichtblick dar. Es gab einen
großen Kühlschrank (der wirklich drei Leuten standhalten konnte), eine Mikrowelle und einen
richtigen Herd mit Backofen. Auch Geschirr und Besteck war reichlich vorhanden. Am Abend kam
dann mein belgischer Mitbewohner an, der angesichts der Wohnsituation ebenso betreten schaute
wie ich. Aber wir mussten erst mal das Beste daraus machen. Am nächsten Tag bemühte sich der
Belgier bei der IBA um eine andere Wohnung für sich allein. Nach wortreichen Erklärungen seitens
der Uni, es gäbe keine einzige freie Wohnung in ganz Kolding mehr, konnte er dann fünf Tage später
doch umziehen, und wurde so mein Nachbar. Damit war aber der „Wohnungswahnsinn“ noch nicht
überstanden. Meine französische Mitbewohnerin Johanna kam zwei Tage bevor der Belgier auszog
dazu. Bevor wir mit der Uni sprechen konnten, ob wir die Wohnung nicht einfach nur zu zweit nutzen
könnten, hatte die IBA entschieden, dass eine weitere Studentin, Selina aus Frankreich bei uns
einziehen würde. Ich war „begeistert“. Doch schon wenige Tage später löste sich die Situation von
selbst. Johanna schien die Wohnsituation gar nicht zu gefallen und sie zog aus. Selina und ich
konnten zu zweit in der Wohnung bleiben und mussten erst nach drei Monaten mehr Miete zahlen.
Wir kamen sehr gut miteinander aus und eigentlich kann man sagen, dass wir mit unserem
Apartment wirklich Glück hatten. Andere Austauschstudenten, die zu zweit wohnten mussten sich
nämlich mit Ein-Zimmer-Wohnungen abfinden.
Bevor das Studium richtig losging, gab es eine Einführungswoche für alle neuen ausländischen
Studenten. Es gab nicht nur Erasmusstudenten aus ganz Europa sondern auch viele Studenten, die
für ihre ganze Studienzeit zur IBA kamen. In der ersten Woche konnte jeder jeden kennenlernen. Wir
machten Führungen durch die Uni, hörten uns Vorträge über die dänische Kultur und das
Bildungssystem an und bekamen einen kurzen Dänisch Crash-Kurs. Auch für Freizeitaktivitäten war
gesorgt. Wir lernten die Stadt kennen, besichtigten das „Kolding-Hus“ (Stadt Schloss), wurden zum
Grillen im Park eingeladen und gingen mit allen zum Bowling. Als dann die Vorlesungen begannen,
fühlte ich mich in meine Schulzeit zurück versetzt. Alle wurden in Klassen eingeteilt, mit etwa 30-35
Studenten. Wir hatten einen Klassenraum und die Vorlesungen fingen jeden Morgen um 8.15 an und
waren meistens schon gegen 14 Uhr vorbei. Eine völlig neue Erfahrung für mich waren auch die
Stundenpläne. Diese waren jede Woche anders. So konnte es vorkommen, dass wir in einer Woche
nur drei Tage Uni hatten, in der Woche danach aber dann fünf Tage. Die meisten Vorlesungen
basierten auf einem bestimmten Lehrbuch. Die Dozenten gaben zu Beginn des Semesters bekannt,
welche Kapitel sie wann besprechen würden. Von uns wurde erwartet, dass wir die entsprechenden
Kapitel zu diesem Termin gelesen hatten. Das konnte bedeuten, dass wir in einer Woche fünf
verschiedene Kapitel zu bearbeiten hatten, je nach Stundenplan. Die Kurse waren sehr persönlich
und meistens praxisnah gestaltet. Nach wenigen Wochen kannten viele Dozenten die meisten
Studenten beim Vornamen. Generell geht es in Dänemark sehr informell zu, es ist üblich, dass die
Studenten ihre Profs mit Vornamen ansprechen. Das war am Anfang ein sehr seltsames Gefühl, aber
an die freundschaftliche Atmosphäre und die flachen Hierarchien gewöhnt man sich sehr schnell und
dann ist es völlig normal seinen Marketingprofessor auf dem Gang mit „Hej Niels“ zu grüßen.
Gruppenarbeit ist ein wichtiger Bestandteil des Studiums in Dänemark. Es gab nicht nur während der
Vorlesungen immer wieder kleinere Gruppenpräsentationen, sondern auch kursübergreifende
Projekte. Am Ende des Semesters warten natürlich auch in Dänemark die schriftlichen Prüfungen und
damit die nächste Überraschung. Es gab eine 6-stündige Prüfung, die alle Kurse beinhaltete und am
Laptop getippt werden musste. Wir durften alle Bücher und Vorlesungsmaterialien mitbringen. Mir
war klar, dass ich meine Art zu lernen ändern musste, denn mit sturem Pauken der Theorie kam man
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hier nicht weit. In der Prüfung erhielten wir dann einen etwas 25-seitigen Text über ein
Unternehmen und dazu vier Fragen aus unterschiedlichen Bereichen. Vor der Prüfung war ich nicht
sicher was ich von dieser Variante halten sollte, weil sie sich sehr von dem was man aus Deutschland
kennt unterscheidet. Aber nach sechs Stunden mit dem Wissen den Raum zu verlassen, dass man es
jetzt schon hinter sich hat und nicht noch zwei Wochen Klausuren auf einen warten, ist ein tolles
Gefühl.
Zum Studentenleben gehört ja bekanntermaßen mehr als der Besuch der Uni. Wie gestalten sich also
Freizeit und Alltag in einer 60.000 Einwohner-Stadt in Dänemark? Zunächst möchte ich anmerken,
dass Kolding die siebtgrößte Stadt Dänemarks ist und damit nicht mit einer deutschen Stadt dieser
Größe zu vergleichen ist. Aber mit Dortmund natürlich auch nicht. Trotzdem gibt es in Kolding alles
was man als Student braucht. Von meiner Wohnung war die Innenstadt in 10 Minuten zu Fuß
erreichbar. Es gibt viele Supermärkte, auch alte Bekannte wie Lidl und Aldi, die sogar sonntags
geöffnet haben. Etwas außerhalb der Innenstadt gibt es ein großes Shoppingcenter, in dem es auch
ein Kino gibt. Die meisten Filme werden in Dänemark nicht synchronisiert, daher kann man auch
ohne Sprachkenntnisse ins Kino gehen. Kolding hat mehrere Fitnessstudios, ein Spaßbad mit Sauna
und einen Strand. Außerdem wurden von Studenten der IBA kostenlos Zumba-Aerobic, HipHop und
Selbstverteidigung angeboten und die IBA organisierte feste Zeiten in einer Sporthalle zum Volleyball
spielen. Kolding hat etwa eine Hand voll Clubs, von denen zwei bei den internationalen Studenten
besonders beliebt waren. Im „Crazy Daisy“ und im „Tordenskiold“ gab es meistens freien Eintritt für
IBA-Studenten. In der IBA gibt es außerdem eine studentengeführte Kellerbar, das „Down under“, wo
wir Begrüßungspartys, Halloweenpartys, Footballpartys…. feierten. Und wenn man nicht ausging,
schmiss mit Sicherheit irgendjemand eine Privatparty. Das Legoland in Billund ist im Übrigen nur
knapp eine Stunde mit dem Auto entfernt und auf jeden Fall einen Besuch wert und ein Wochenende
in Kopenhagen kann ich auch nur empfehlen. Die Hauptstadt ist von Kolding gut mit dem Zug
erreichbar und besonders vor Weihnachten sehr schön.
Mein Auslandssemester würde ich als gelungene, hauptsächliche gute Erfahrung bezeichnen, auch
wenn nicht immer alles gut funktioniert hat. Die gesamte Situation mit den Wohnungen, die durch
die IBA vermittelt wurden, möchte ich hier nochmal erwähnen. Wir wurden in Voraus nicht darüber
informiert, dass wir uns Schlafzimmer teilen würden. Im Allgemeinen war die Informationspolitik zu
den Apartments eher bescheiden, meiner Mitbewohnerin und mir wurden auf die gleichen Fragen
unterschiedliche Antworten gegeben. In der Miete war kein Internet enthalten und einen Vertrag
konnten wir erst abschließen, nachdem wir die offizielle Aufenthaltskarte für Dänemark hatten, was
fast fünf Wochen gedauert hat. Die meisten Internetanbieter verkaufen nur 6-Monats Verträge, was
bei einem fünfmonatigen Aufenthalt eher unpraktisch ist. Am Ende des Semesters mussten wir
unsere Apartments schon am 15. Januar verlassen, obwohl wir bis zum 19. Januar noch Klausuren
und Projekte hatten. Diese Info bekamen wir nur durch Zufall und auf Nachfrage bei der IBA. Eine
Lösung für dieses Problem wurde uns nicht angeboten, sodass wir uns selbst helfen mussten.
Glücklicherweise durfte mein Semester die zweite Prüfung zu Hause schreiben, also brauchte ich
keine Übergangsbleibe. Von den 260 € Kaution, die wir am Anfang des Semesters zahlen mussten,
haben wir keinen Cent zurückbekommen.
Ich bin trotz allem sehr froh, dass es mich nach Dänemark verschlagen hat, denn ich habe viele tolle
Menschen aus ganz Europa kennengelernt, mit denen ich einiges erlebt habe und war an einer Uni,
die sich in den meisten Belangen gut um uns gekümmert hat. Wer täglich eine neue Herausforderung
braucht, sollte vielleicht nicht nach Kolding gehen, aber wer viele internationale Studenten treffen
und ein freundliches, bescheidenes Volk kennenlernen will, ist hier genau richtig.
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