Makler machen Mut zur Lücke

Transcription

Makler machen Mut zur Lücke
FICHTELGEBIRGE
Freitag, 27. September 2013
Seite 7
WUN1-1
Frapo v. 27.09.2013,Wun,S.7
Immobilienmarkt: In fast jedem Ort im Landkreis ist die Situation anders
Makler machen Mut zur Lücke
Im Landkreis stehen viele
Wohnungen und Häuser
leer. Dennoch gibt es
auch Städte, in denen es
mehr Nachfrage nach als
Angebote an passendem
Wohnraum gibt. Schlecht
sanierte Unterkünfte
lassen sich heute
kaum noch vermieten.
Von Matthias Bäumler
Wunsiedel – 3320 Wohnungen stehen im Landkreis Wunsiedel leer.
Dies sind etwa acht Prozent des gesamten Wohnungsbestandes – ein
Wert, der in Bayern traurige Spitze
ist. Diese Zahlen gehen aus der Statistik der Volkszählung Zensus im Jahr
2011 hervor. Der Hohenberger Immobilienmakler
Andreas Übler
kommt auf ähnliche Werte. „Wir haben um die 2000 leer stehende Objekte gezählt.“
Die nackten Zahlen allein sagen
aber wenig über die tatsächliche Situation auf dem Immobilien- und
Wohnungsmarkt im Landkreis aus.
Die heimischen Makler zumindest
sehen die Situation weitaus positiver.
Vor allem Wohnungen in gutem Zustand, die energetisch auf dem neuesten Stand sind, werden laut Übler
immer gesucht. Und der Marktredwitzer Makler Edmund Busch sieht
in der Großen Kreisstadt bei Wohnhäusern sogar einen leichten Nachfrageüberhang. „Hier wäre ich dankbar, wenn wir ein größeres Angebot
bieten könnten.“ Vor allem gut erhaltene Häuser in der Preislage bis
200 000 Euro seien gefragt. Weniger
gut sei die Lage hingegen in der
Kreisstadt Wunsiedel. „Hier gibt es
weitaus weniger Nachfrage bei einem höheren Leerstand. Deshalb lassen sich leider manche weniger aufwendig sanierten Objekte in guten
Lagen nicht verkaufen“, sagt Busch.
Aus den Gesprächen mit den Experten geht hervor, dass es einen
zweigeteilten Immobilienmarkt im
Landkreis gibt: In manchen Orten
sind kaum genug Häuser und Wohnungen für die Masse an Interessenten vorhanden. In anderen Gemeinden hingegen wäre häufig der Abriss
von Häusern sinnvoller, als bis zum
Sankt Nimmerleinstag zu warten, bis
sich jemand der Immobilie erbarmt.
Hier hat laut Übler die Stadt Selb einen richtigen Weg eingeschlagen,
indem sie rund 400 veraltete Wohnungen in Großwohnanlagen abgerissen habe und diese durch Qualitätsbauten ersetze. „Hierdurch hat
sich der Leerstand minimiert, und
für die neuen Wohnungen gibt es bereits Wartelisten.“
Eine Situation, von der die einstigen Porzellanstädte Marktleuthen,
Kirchenlamitz oder Arzberg träumen. Hier stehen ganze Wohnblocks
fast leer. In Straßen, in denen zu
Von Peggy Biczysko
Wunsiedel – Mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen – das möchte
Udo Benker-Wienands, ehemaliger
Leiter der Grundschule in Selb. In einem offenen Brief an Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich fordert er diesen auf, die Bundesregierung möge mehr gegen das Leid von
Menschen in Not tun als die Zusage,
5000 Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsgebiet Syrien aufzunehmen.
Benker-Wienands verweist auf die
Probleme im Landkreis Wunsiedel
Kümmerer/in
Früher gab es Bäcker, Elektriker oder
Schreiner. Heute ist die Welt komplizierter. Daher gibt es Berufe wie
den Elektroniker für Gebäude und
Infrastruktursysteme, Informationsund TelekommunikationssystemKaufmänner oder Zukunftscoaches.
Auch im Fichtelgebirge gibt es einen Zukunftscoach, sogar eine Zukunftscoachin. Aleksandra Sommer
heißt unsere Coachin, und sie hat
sich viel vorgenommen. Wie sie
jüngst sagte, will sie sich um die
Zielgruppen Frauen, ältere Arbeitnehmer, Migranten und Jugendliche kümmern. Das sind eine Menge
Leute. Wenn im Landkreis Wunsiedel 75 000 Menschen leben, ist die
Hälfte davon weiblich, also rund
37 500. Ältere Arbeitnehmer gibt es
ebenfalls viele. Etwa ein Fünftel der
rund 26 000 Arbeitnehmer ist älter,
und davon wiederum ist die Hälfte
Frauen. Bleiben 2600 ältere männliche Arbeitnehmer übrig. Dazu kommen je etwa 3000 männliche Migranten und rund 3000 männliche
Jugendliche. Also kümmert sich die
Zukunftscoachin um ziemlich exakt
46 100 Leute. Um den Rest könnte
sich ein Kümmer/in, Fachrichtung
Jungmänner, Kinder und Rentner
M. Bäu.
kümmern.
Zahl des Tages
In manchen Straßenzügen bleiben die Schaukeln leer. In vielen Wohnblocks, wie hier in Marktleuthen, wohnen kaum noch Menschen. Foto: Florian Miedl
Schirnding ist trauriger Spitzenreiter
Im Landkreis Wunsiedel gibt es
laut der Datenerhebung Zenus
42 002 Wohnungen in 23 106 Gebäuden. Vom Eigentümer bewohnt
sind 21 440, vermietet sind 16 277
Wohnungen. Im Durchschnitt ist im
Landkreis eine Wohnung zwischen
90 und 100 Quadratmeter groß.
Mit einer Wohnungs-Leerstandsquote von knapp acht Prozent liegt
der Landkreis in Bayern mit an der
traurigen Spitze. Innerhalb des
Landkreises ist der Wohnungsmarkt vor allem in Schirnding katastrophal. In dem Grenzort beträgt
die Leerstandsquote 17,2 Prozent.
Nachfolgend die Zahlen für die einzelnen Orte in der Region:
Marktredwitz:
6,7 Prozent
Selb:
9,1 Prozent
Wunsiedel:
7,35 Prozent
Arzberg:
10,73 Prozent
Kirchenlamitz:
8,7 Prozent
Marktleuthen:
4,0 Prozent
Schönwald:
10,85 Prozent
Bad Alexandersbad: 5,4 Prozent
Höchstädt:
3,0 Prozent
Hohenberg:
6,6 Prozent
Nagel:
4,32 Prozent
Pechbrunn
4,67 Prozent
Röslau:
4,4 Prozent
Schirnding:
17,2 Prozent
Thiersheim:
6,39 Prozent
Thierstein:
10,68 Prozent
Tröstau:
4,2 Prozent
Weißenstadt:
6,6 Prozent
Waldershof:
5,71 Prozent.
auch
ein
Potenzial.“
Hochzeiten der Porzellanindustrie immer
Trotz der Leerstände in vielen
pralles Leben herrschte und überall
Kinder spielten, ist heute kaum noch Orten im Fichtelgebirge sieht Übler
ein Mensch zu sehen. Die heimi- auch Chancen für die Kommunen,
schen Makler
wenn denn vier
wissen, welche
Kriterien
erfüllt
Es wäre an der Zeit, dass
Bürde ein zu
seien. „Für junge
der Staat die Kommunen mit
großer WohFamilien zählen
Abrissprämien
nungsbestand
eine Grundschule,
unterstützt.
für die Komausreichend
Lebensmittelgemunen
ist.
Andreas Übler
schäfte, die ärztli„Daher wäre es
jetzt an der Zeit, dass der Staat die che Versorgung und vor allem
Städte und Gemeinden mit Abriss- schnelles Internet. Wenn ein Ort dies
prämien unterstützt. Es ist sinnvol- nicht bieten kann, fällt er zwangsläuler, hie und da Baulücken zu schaf- fig hinten runter.“
Marktredwitz erfülle alle diese Krifen, als Häuser verfallen zu lassen. So
entstandene neue Bauplätze bergen terien und ist daher ein beliebter
„
“
Während die Bevölkerungszahl im
Landkreis seit Jahren sinkt, sehen
die Immobilienmakler in der Region ein weiteres Kundenpotenzial:
Feriengäste. Wie Andreas Übler
aus Hohenberg sagt, gibt es zwar
keine Berliner mehr, die sich, wie
bis in die 80er-Jahre, Ferienwohnungen kaufen, dafür aber immer
mehr Interessenten aus der gesamten Bundesrepublik. „Ich kenne Familien, die oft ins Fichtelgebirge
kommen und sich nach einiger Zeit
entschließen, hier eine Ferienwohnung zu kaufen“, sagt Übler. Auch
gebe es Rentner oder Pensionäre
aus Ballungsräumen, die das Leben
und die Natur im Fichtelgebirge
schätzen und hier herziehen.
Wohnort, sagt Edmund Busch. „Wir
haben laufend Nachfrage von Familien und Singles, die ein Haus oder
eine Wohnung suchen. Vor allem
aus der nördlichen Oberpfalz drängen viele in die Stadt.“ Dies liegt laut
Busch vor allem an den Arbeitsplätzen und der guten Infrastruktur, die
Marktredwitz zu bieten habe. „Wenn
es Leerstand gibt, dann vor allem bei
alten Wohnungen mit unzureichender sanitärer Ausstattung.“
Eine hohe Nachfrage gibt es in
Marktredwitz im Gegensatz zu den
meisten anderen Orten nach ein- bis
Zweizimmerwohnungen.
Singles
und die vielen Studienreferendare an
den weiterführenden Schulen, die
nur kurzfristig eine Bleibe suchten,
fragten immer wieder nach Appartements.
Als kompliziert gilt der Wohnungsmarkt in Wunsiedel. Hier bereitet den Maklern der hohe Bestand
an sanierungsbedürftigen Immobilien Sorgen. „Diese Objekte sind in
aller Regel nicht verkauf- oder vermietbar. Und wenn sie dann doch an
den Mann gebracht werden, dann zu
mickrigen Preisen“, sagt Busch. Unisono loben die Makler daher die Strategie der Stadt Wunsiedel, Häuser in
der Innenstadt zu kaufen und aufwendig zu sanieren. Denn nur so
seien die Immobilien zu verwerten.
Dass die Nachfrage nach diesen
Top-Wohnungen vorhanden ist, bestätigt der Vorstand des Kommunalunternehmens WUN-Immobilien,
Uwe Heidel. „Ich habe einen dicken
Ordner mit Mietinteressenten auf
dem Schreibtisch stehen. Wenn die
Wohnungen in einem passablen Zustand sind, dann werden sie auch relativ schnell vermietet.“
Das Kommunalunternehmen betreut und verwertet rund 40 Häuser
im Stadtgebiet. In den kommenden
Jahren wollen die Verantwortlichen
des Unternehmens vor allem in der
Altstadt derzeit leer stehende Häuser
verwerten. Unter anderem wird in
der Theresienstraße 1 ein Haus saniert, in dem auch eine Zahnarztpraxis einziehen wird. Das Haus ist bereits komplett vermietet, obwohl es
erst Mitte kommenden Jahres bezugsfertig ist.
Benker-Wienands setzt sich für Flüchtlinge ein
Der Selber Schulleiter a. D.
schreibt einen offenen
Brief an Innenminister
Friedrich. Er fordert, das
Leid der Menschen zu
lindern. Gleichzeitig
könnte man mit deren
Zuzug viele Probleme in
der Region lösen, findet er.
Aufgespießt
und spannt den Bogen weiter über
die Landkreise Hof und Kronach.
Um dem rasanten Rückgang der
Schülerzahlen zu begegnen, dem
Leerstand von Häusern und dem
Mangel an Mitarbeitern in den Betrieben, sollte man „die Türen aufmachen“.
Alle fünf Sekunden sterbe laut
UNICEF ein Kind auf der Welt, das
mit einfachen Mitteln hätte gerettet
werden können, ruft der Vorsitzende
der Ökologischen Bildungsstätte
Burg Hohenberg dem Innenminister
in Erinnerung. „Diese erschütternde
Nachricht ist nicht wirklich neu.“ Da
das Elend nicht nur in Syrien herrsche, sondern auch in vielen anderen Ländern, fordert der Pädagoge
Friedrich auf: „Organisieren Sie gemeinsam mit den vielen verantwortlichen Politikern unseres Landes weitere und größere Hilfe.“
Die Katastrophenmeldung von
UNICEF bringt Udo Benker-Wienands mit einem „Problem speziell
unserer Heimat in Verbindung“.
Während zu Schuljahresbeginn wieder einmal die Schulräte den rasan-
„ Weltweit stirbt alle fünf
Sekunden ein Kind,
das mit einfachen Mitteln hätte
gerettet werden können.
Udo Benker-Wienands
“
ten Rückgang der Schülerzahlen beklagten, seien in der gleichen Woche
vor der Küste Italiens wieder Flüchtlingsschiffe mit vielen Frauen und
Kindern angekommen. „Diese Menschen suchen, aus welchen Gründen
auch immer – und Hunger ist nicht
der schlechteste – eine neue Heimat.
Warum sollten diese Familien nicht
bei uns diese neue Heimat und ein
neues Leben finden?“, fragt er.
Immerhin klagten gerade die kleinen und mittleren Städte über leer
stehende Häuser und Geschäfte, die
Betriebe über mangelnden qualifizierten Nachwuchs und die Schulen
eben über sinkende Schülerzahlen.
Konkrete Vorstellungen, wo und wie
man die Flüchtlinge im Landkreis
Wunsiedel am besten unterbringen
könnte, hat Benker-Wienands nicht,
wie er auf Nachfrage der Frankenpost
erklärt. „Aber in Selb und Wunsiedel
stehen ganz viele Häuser leer. Und
der Wunsiedler Bürgermeister KarlWilli Beck entwickelt derzeit ja ein
Modell, wo leer stehende Häuser in
den Besitz einer Gesellschaft überführt werden. Warum sollte man
nicht da Menschen in den Wohnungen unterbringen?“
Nach Ansicht von Benker-Wienands sichere das die leer stehenden
Häuser, die sonst verfallen und zu
Schandflecken verkommen würden.
„Wir hätten wieder mehr Kinder in
der Schule und auch gut qualifizierte
Leute, wenn man sie denn ließe.“
Denn das ist auch der Grund, warum
sich der Pädagoge an den Bundesinnenminister persönlich wendet.
Denn nur die große Politik könne die
entsprechenden Weichen stellen,
„dass Menschen, die Zuflucht bei
uns suchen, sich mit eigener Arbeitskraft bei uns auch integrieren können“. Diese Möglichkeit sollte man
den Leuten geben.
Im Selber Ortsteil Erkersreuth
überlege man, ein Asylantenheim
aufzumachen, so Benker-Wienands.
„Vielleicht sollten wir lieber eine
Handvoll Familien mit Hilfe zur
Selbsthilfe integrieren.“ Seiner Ansicht nach könne es nicht angehen,
dass so viel Leid passiert „und die
Welt dabei hilflos zuschaut“. Der
Schulleiter a. D. ist sehr zuversichtlich, dass sich durch eine veränderte
Politik viel Leid lindern ließe. „Und
bei uns könnte man so manche Probleme lösen.“
15,67
Ziemlich genau 15,67 Quadratkilometer sind im Landkreis Wunsiedel
mit Wohnbauten bedeckt. Bei einer
Fläche von 606,4 Quadratkilometer
sind das 2,58 Prozent. Knapp die
Hälfte des Landkreises (45,5 Prozent)
ist mit Wald bedeckt. Laut Statistik
hat jeder Landkreisbewohner 45
Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung. Und pro Quadratkilometer leben durchschnittlich 135 Menschen
(Deutschland: 225).
Polizeireport
Einbrecher steigen
in Gartenhäuser ein
Wunsiedel – In der Nacht zum Montag ist ein bislang Unbekannter in
vier Gartenhäuser an der Rot-KreuzStraße eingebrochen. Er hebelte vermutlich mit einem Geißfuß die Türen auf und beschädigte diese. Außer
einen Rasenmäher im Wert von etwa
500 Euro nahmen der oder die Täter
nichts mit. Der angerichtete Schaden
beläuft sich auf etwa 300 Euro. Die
Polizei bittet unter Telefon 09232/
99470 um Hinweise. Wer hat in der
Nacht zum Montag verdächtige
Wahrnehmungen gemacht?
Rowdys zerkratzen
Auto in Wunsiedel
Wunsiedel – Am Sonntagabend hat
ein 49-jähriger Wunsiedler seinen
schwarzen Audi in der Kemnather
Straße am rechten Fahrbahnrand abgestellt. Als er am nächsten Tag wieder zu seinem Fahrzeug kam, musste
er feststellen, dass die rechte und linke Fahrzeugseite komplett zerkratzt
worden war. Der angerichtete Schaden am Lack beträgt laut Polizeibericht etwa 2000 Euro. Die Wunsiedler Polizei sucht Zeugen der Sachbeschädigung.
Der direkte Draht
Adresse der Lokalredaktion:
Lindenstraße 2
95615 Marktredwitz
Telefon: 09231/9601-600
Telefax: 09231/9601-660
E-mail:
[email protected]
Redaktionsleitung:
Thomas Scharnagl
Matthias Vieweger (stv.), Christl Schemm (stv.)
Redaktion: Matthias Bäumler, Peggy Biczysko,
Brigitte Gschwendtner, Andreas Godawa,
Christian Heubeck, Gisela König,
Tamara Pohl, Richard Ryba.
Fichtelgebirgssport: Peter Perzl
Annahme von Kleinanzeigen und
Leser-Service:
Geschäftsstelle Marktredwitz: Lindenstr. 2,
09231/9601-0.
Service-Point Wunsiedel:
Reisebüro Sechsämterland, Ludwigstr. 36.
Leser-Service:
Geschäftsanzeigen:
Anzeigenservice:
Service-Fax:
09281/1802044
09231/9601-0
09281/1802045
09281/1802046