01 Was sind Milieus?
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01 Was sind Milieus?
Warum wir mit den Sinus Milieus arbeiten? Die Sinus-Milieus sind das Ergebnis von fast zwei Jahrzehnten sozialwissenschaftlicher Forschung. Das Zielgruppenmodell orientiert sich an der Lebensweltanalyse unserer Gesellschaft. Zentrales Ergebnis dieser Forschung ist die Abgrenzung und Beschreibung von sozialen Milieus mit jeweils charakteristischen Einstellungen und Lebensorientierungen. Die Sinus-Milieus fassen Menschen zusammen, die sich in Lebensauffassung und Lebensweise ähneln, d.h. ähnliche Wertprioritäten, soziale Lagen und Lebensstile haben. Sie rücken also den ganzen Menschen und das gesamte Bezugssystem seiner Lebenswelt ganzheitlich ins Blickfeld und bieten deshalb dem Marketing mehr Informationen und bessere Enscheidungshilfen als herkömmliche Zielgruppenansätze. Das SinusModell berücksichtigt sowohl die Dimension der sozialen Lage als auch die der Wertorientierungen, Lebensstile und ästhetischen Präferenzen. Denn die Unterschiede von Lebensstilen ist für die Alltagswirklichkeit von Menschen vielfach bedeutsamer als die Unterschiedlichkeit sozioökonomischer Lebensbedingungen. Soziale Zugehörigkeit wird heute weniger von schichtspezifischen Merkmalen geprägt als von Lebensstil-Gemeinsamkeiten und deren Wahrnehmung. Was heißt Lebenswelt? Lebenswelt meint das Insgesamt subjektiver Wirklichkeit eines Menschen, also alle bedeutsamen Erlebnisbereiche, mit denen eine Person tagtäglich zu tun hat: • Arbeit, Familie, Freizeit, Konsum, Medien etc. und die bestimmend sind für die Entwicklung und Veränderung von Einstellungen, Werthaltungen und Lebensstilen Was sind die Sinus-Milieus? • Bei der Definition der Sinus-Milieus gehen wir aus von der Lebenswelt und dem Lebensstil der Menschen — und nicht von formalen demografischen Kriterien wie Schulbildung, Beruf oder Einkommen • Grundlegende Wertorientierungen gehen dabei ebenso in die Analyse ein wie Alltagseinstellungen (zur Arbeit, zur Familie, zur Freizeit, zum Konsum) • Die Sinus-Milieus fassen also Menschen zusammen, die sich in Lebensauffassung und Lebensweise ähneln. Man könnte die Milieus – salopp gesagt – als »Gruppen Gleichgesinnter« bezeichnen. Die sozialen Milieus von Sinus sind Basis-Zielgruppen für das Marketing, die sich bereits in den unterschiedlichsten Märkten bewährt haben. Die Anwendung der Sinus-Milieus In der unübersichtlichen Situation überfüllter Märkte und sich ausdifferenzierender Konsumansprüche erweist sich das Milieumodell als leistungsfähiges und ganz praxisnahes Instrumentarium für die strategische Marketing- und Kommunikationsplanung, weil es die Alltagswirklichkeit sensibel genug abbildet und gleichzeitig ein im Zeitverlauf weitgehend stabiles Kategoriengerüst zur Klassifikation und Beschreibung der sozialen Realität liefert. Wofür? Dies ist der Grund, warum das Modell sozialer Milieus inzwischen so breite Geltung erlangt hat. Die SinusMilieus sind Basis-Zielgruppen für das Marketing, die sich bis dato in den unterschiedlichsten Märkten bewährt haben: zur differenzierten Beschreibung von Zielgruppen, zur Früherkennung und Lokalisierung von Einstellungsänderungen, zur gezielten Positionierung von Produkten und Dienstleistungen, zur Definition von Marktsegmenten, zur Aufspürung von Marktnischen sowie zur effizienten Ansprache von Käuferpotenzialen. -2- -2- Von wem? Zielgruppenanalysen auf Basis der Sinus-Milieus werden von großen Markenartikel-Herstellern und Dienstleistungsunternehmen ebenso genutzt wie von politischen Parteien und öffentlichen Auftraggebern. Viele Werbe-, Media- und PR-Agenturen arbeiten mit diesem Konzept. Bei den meisten Anwendern haben die Erkenntnisse der Sinus-Milieuforschung zu einer grundlegenden Neuorientierung im Marketing geführt — von der Produktentwicklung über die lmagepolitik und die Mitarbeiterschulung bis hin zur Kommunikation. Durch die Einbeziehung in die Typologie der Wünsche hat das Sinus-Milieumodell auch Eingang in die MediaPlanung gefunden. Die über die Sinus-Milieus mögliche qualitative Zielgruppenbeschreibung verbessert die Treffgenauigkeit erheblich gegenüber konventionellen Planungsansätzen. Wo? Durch Verknüpfung der Sinus-Milieus mit einem der führenden mikrogeografischen Datensysteme sind sogar Direktmarketing-Anwendungen möglich. Dabei können die Milieus auf vorhandene KundenAdressbestände sowie auf beliebige Flächengliederungen projiziert werden — bis zum Straßenzug bzw. dem Haus als kleinster Raumeinheit —‚ und bekommen so über ihre generelle strategische Aussage hinaus einen lokalisierbaren Nutzen. Der Milieuansatz von Sinus Sociovision hat sich als strategisches Tool für Marketing und Kommunikation so praktisch erwiesen, dass entsprechende Programme heute in anderen Ländern durchgeführt werden. Zielgruppenoptimierung Die Lebensweltforschung und das Zielgruppenmodell der Sinus-Milieus sind mehr als nur eine methodische Variante des MarktforschungsInstrumentariums. Wir zeigen, dass dieser Forschungsansatz, der seit 1979 kontinuierlich weiterentwickelt wird, ein kreatives und dynamisches Konzept für Marketing und Kommunikation ist. Ziel der Milieuforschung ist die Bereitstellung eines leistungsfähigen, praxisnahen Instruments für die strategische Marketing- und Kommunikationsplanung. Der Weg zu diesem Ziel führt über das genaue Kennenlernen der marktrelevanten Verbrauchereinstellungen und -wünsche, die wir als Teil der gesamten Lebenswelt des Menschen betrachten. Denn nur derjenige kann sich in die Erwartungen und Vorstellungen des potenziellen Käufers, in dessen Produkterlebnisse und Kaufmotive hineinversetzen, der den Alltag kennt, aus dem sie erwachsen. Der soziokulturelle Wandel verändert die Gesellschaft zunehmend schneller und stellt damit auch das Marketing vor neue Herausforderungen. Entwicklungen wie der »multioptionale« Verbraucher, die Zersplitterung von Märkten und Zielgruppen führen zu Streu- und Effizienzverlusten in der Marketing-Kommunikation. Erfolgreiche Produktplanung und Kommunikation setzt deshalb heute eine gezielte Zuwendung zum Verbraucher voraus. Und es wird immer wichtiger, Zielgruppen über die herkömmlichen soziodemografischen Merkmale hinaus präziser zu klassifizieren. Damit ergibt sich die Notwendigkeit, sensible Marktmodelle zu entwickeln, die sich an der komplexer werdenden Realität orientieren, d.h. an den sich ausdifferenzierenden Motiven, Wünschen und Erwartungen der Menschen. In der Marketingkommunikation wie in der Mediaplanung hat sich in den letzten Jahren die Überzeugung durchgesetzt, dass rein quantitative Merkmale zur Beschreibung und Analyse von Zielgruppen in vielen -3- -3- Fällen nicht mehr ausreichen. Die Schwierigkeit, zunehmend fragmentierte Zielgruppen erreichen zu können, erfordert eine neue Qualität der Zielgruppen- und Mediaplanung. Die Sinus-Milieus liefern die qualitative Dimension für die Zielgruppenoptimierung: Wirkung statt Reichweite. Mit den Sinus-Milieus steht der Planung und Entwicklung ein einzigartiger Methodenansatz für die Zielgruppenoptimierung zur Verfügung, der die Lebenswelten und Lebensstile der Verbraucher einbezieht. Der Nutzen des Sinus-Milieukonzepts für Marketingverantwortliche und Werbungtreibende Es versteht sich von selbst, dass mit der fortschreitenden Partikularisierung der Konsumstile dem Marketing immer differenziertere Zielgruppenstrategien abverlangt werden. Zielgruppengerechte Produktentwicklung und Positionierung, erfolgreiche Markenführung und Kommunikation sind heute nur noch möglich, wenn man von der Lebenswert und dem Lebensstil der Kunden, die man erreichen will, ausgeht. Die althergebrachte Segmentation nach soziodemografischen Merkmalen oder sozialen Schichten reicht bei weitem nicht mehr aus, um diese Kunden kennenzulernen. Soziodemografische Zwillinge können sich, manchmal überraschend und mit unangenehmen Folgen, als unterschiedliche Zielgruppen herausstellen. Formale Gemeinsamkeiten, eine vergleichbare soziale Lage, vielleicht sogar eine ähnliche Einstellung zum Produktbereich kann mit ganz unterschiedlichen Lebensstilen und Wertorientierungen verbunden sein. Konsum und Markenpräferenzen werden von Lebenszielen und Lebensstilen deutlich mehr bestimmt als von der Soziodemografie. Wenn 24- bis 29-Jährige überdurchschnittlich häufig ein bestimmtes Produkt kaufen, heißt dies noch lange nicht, dass sie dieses Produkt kaufen, weil sie 24 bis 29 Jahre alt sind. Viel wahrscheinlicher ist, dass dieses Produkt einem in der Altersgruppe stark verbreiteten hedonistischen Lebensgefühl besonders gut entspricht. Nur die ganzheitliche Betrachtung des Individuums führt also zu realistischen Beschreibungen der Alltagswirklichkeit, zu Zielgruppen, die es wirklich gibt. Die Entwicklung des Milieumodells Der Milieu-Ansatz zielt darauf ab, Veränderungen in den Einstellungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung vor dem Hintergrund des sich vollziehenden Wertewandels zu beschreiben und zu prognostizieren. Im Rahmen der Milieuforschung werden alle wichtigen Erlebnisbereiche untersucht, mit denen eine Person täglich zu tun hat (Arbeit, Freizeit, Familie, Konsum usw.) und die bestimmend sind für die Entwicklung und Veränderung von Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmustern. Ein zentrales Ergebnis dieser Forschung besteht darin, dass die empirisch ermittelten Wertprioritäten und Lebensstile zu einer Basis-Typologie verdichtet werden. Diese Typologie beinhaltet heute in Westdeutschland zehn, in Ostdeutschland zusätzlich sechs Gruppen — die Sinus-Milieus. Bei der Definition der Milieus handelt es sich im Unterschied zur traditionellen Schichteinteilung um eine inhaltliche Klassifikation. Grundlegende Wertorientierungen, die Lebensstil und Lebensstrategie bestimmen, gehen dabei ebenso in die Analyse ein wie Alltagseinstellungen, Wunschvorstellungen, Ängste und Zukunftserwartungen. Die Sinus-Milieus sind also real existierende Subkulturen in unserer Gesellschaft mit gemeinsamen Sinn- und Kommunikationszusammenhängen in ihrer Alltagswelt. Im Gegensatz zu sozialen Schichten lassen sich die Sinus-Milieus in der Tat als Subkulturen verstehen. Denn es gibt wohl, um ein Beispiel zu nennen, eine traditionelle Arbeiterkultur, auf die sich je eines der Sinus-Milieus in West- und Ostdeutschland auch bezieht, aber es gibt keine spezifische »Unterschicht-Kultur«. Die Entwicklung und Formulierung des Milieuansatzes basierte Ende der 70er Jahre zunächst ausschließlich auf qualitativen Befunden, die allerdings durch eine außergewöhnlich große Stichprobe fundiert waren. 1982 erfolgte dann zum ersten Mal die quantitative Überprüfung und Validierung. Dieser Schritt entsprach den Wünschen von Nutzern der Lebensweltforschung nach einem standardisierten und ökonomisch einsetzbaren Instrument zur Bestimmung der Sinus-Milieus. Dieses Instrument, der Sinus-Milieu-Indikator, wurde und wird seither in repräsentativen Erhebungen eingesetzt, um beispielsweise festzustellen, welche Autotypen, Zigarettenmarken, Einkaufsstätten, Medien usw. in den verschiedenen Milieus präferiert werden. -4- -4- Wie komplex der Ansatz ist, verdeutlichen die Milieu-Bausteine, in denen geforscht wird: Lebensziel • Werte • Lebensgüter • Lebensstrategie, Lebensphilosophie Soziale Lage • Größe (Anteile an der Grundgesamtheit) und • Soziodemografische Struktur der Milieus Arbeit/Leistung • Arbeitsethos, Arbeitszufriedenheit • Beruflicher und sozialer Aufstieg • Materielle Sicherheit Gesellschaftsbild • Politisches Interesse, Engagement • Systemzufriedenheit • Wahrnehmung und Verarbeitung gesellschaftlicher Probleme (technologischer Wandel, Umwelt, Frieden..) Familie/Partnerschaft • Einstellung zu Partnerschaft, Familie, Kindern, Rollenbilder • Geborgenheit, emotionale Sicherheit • Vorstellungen vom privaten Glück Freizeit • Freizeitgestaltung, Freizeitmotive • Kommunikation und soziales Leben Wunsch- und Leitbilder • Wünsche, Tagträume, Phantasien, Sehnsüchte • Leitbilder, Vorbilder, ldentifikationsobjekte Lebensstil • Ästhetische Grundbedürfnisse (Alltagsästhetik) • Milieuspezifische Stilwelten Allerdings: Die Grenzen zwischen den Milieus sind fließend; Lebenswelten sind nicht so (scheinbar) exakt eingrenzbar wie soziale Schichten. Ein grundlegender Bestandteil des Milieu-Konzepts ist, dass es zwischen den Milieus Berührungspunkte und Übergänge gibt. Diese Überlappungspotenziale sowie die Position der Milieus in der westdeutschen Gesellschaft nach sozialer Stellung und Grundorientierung sind in der nachfolgenden Grafik veranschaulicht: Je höher das entsprechende Milieu in dieser Grafik angesiedelt ist, desto gehobener sind Bildung, Einkommen und Berufsgruppe; je weiter es sich nach rechts erstreckt, desto weniger traditionell ist seine Grundorientierung.