Warum verdienen Fußballspieler so viel Geld?
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Warum verdienen Fußballspieler so viel Geld?
Warum verdienen Fußballspieler soviel Geld? Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 9. Juli 2006, S. 54 Die Welt ist ungerecht. Der Chef der Deutschen Bank, Joseph Ackermann, steht seit Jahren heftigst in der Kritik. Sein Gehalt von 12 Mio. Euro gilt vielen als moralisch verwerflich. Da helfen ihm auch Umsätze von über 25 Mrd. und eine Rendite von 25 % nichts, ganz im Gegenteil. Der Star des FC Barcelona, Ronaldinho, kann über die Einkünfte eines Ackermann nur lächeln. Mit 23 Mio. Euro verdient er fast doppelt so viel. Die Fans neiden ihm den Verdienst nicht, obwohl Barca ein Mittelständler mit gerade mal 200 Mio. Umsatz und mäßiger Rendite ist. Dabei ist das Einkommen, das Ronaldinho erzielt, nur die Spitze des Eisbergs hochbezahlter Kicker. Ronaldo auf Platz 3 der Geldrangliste kam in der Saison 2005/2006 auf 17,4 Mio., Zidane auf Platz 6 erzielte über 15 Mio. und Terry auf Platz 10 verdiente noch 9,7 Mio. Euro. Nach dem Wechsel zum FC Chelsea wird auch Michael Ballack mit geschätzten Einkünften von 10 Mio. Euro in die Top-Ten aufrücken. Aber auch schon mittelmäßige Kicker gehören zum Club der Einkommensmillionäre. In den letzten Jahren sind die Einkünfte der Balltreter geradezu explodiert. Ökonomisches Gesetz Das ökonomische Gesetz von Angebot und Nachfrage gilt auch auf dem Markt für Fußballspieler. Der Preis steigt, wenn das Angebot hinter der Nachfrage zurückbleibt. Genau das passiert seit Mitte der 90er Jahre auf den europäischen Spielermärkten. Die Einnahmen der 20 umsatzstärksten Clubs in Europa stiegen von 1,2 Mrd. Euro in der Saison 1996/97 auf über 3 Mrd. in 2004/05. Allerdings schien die Entwicklung zunächst anders zu verlaufen. Das Bosman-Urteil des EuGH öffnete 1995 in der EU die Spielermärkte. Überall in den europäischen Topligen nahm der Ausländeranteil sprunghaft zu. Für sich 1 betrachtet wirkt die Öffnung der Spielermärkte dort wie eine Bremse für die Spielergehälter. Aber auch Bosman konnte die Einkommen der Kicker nicht im Zaum halten. Die Kaufkraft der Vereine der besten Ligen in Europa stieg spürbar. Auslöser war die Öffnung der Märkte für elektronische Medien in der EU. Mit dem privaten Fernsehen verbesserten sich die Vermarktungschancen des Fußballs grundlegend. Die Fernsehgelder steigerten die Finanzkraft der Vereine. Werbung, Sponsoren und Merchandising spülten weitere Millionen in die Kassen. Vor allem englische Vereine wählten die Rechtsform der Aktiengesellschaften und besorgten sich zusätzliche Millionen auf den Kapitalmärkten. Nach der Drohung der G-14 gegen Ende der 90er, eine eigenständige Europaliga zu installieren, reagierte die UEFA. Sie folgte der Logik des Marktes, reformierte die europäischen Wettbewerbe und vergrößerte die Absatzmärkte, die Spielemärkte. Vor allem die Champions League entwickelte sich für die teilnehmenden Vereine zu einer Geldbeschaffungsmaschine. Und teilnehmen dürfen neben den Landesmeistern weitere nationale Spitzenclubs. Wie viele das sind, hängt von der Stärke der nationalen Ligen ab. Diese sportpolitische Entscheidung der UEFA stärkte die Kaufkraft der Vereine weiter. Veränderte Macht Ökonomische Gesetze sind das eine, die Macht von Spielern und Vereinen ist das andere. Und die hat sich auf den Spielermärkten seit Bosman verschoben. Spieler haben gewonnen, Vereine verloren. Die Kicker holen finanziell nicht mehr raus, weil sie sich besser organisieren, sie gewinnen, weil sie mobiler sind. Sie schöpfen einen größeren Teil der gestiegenen Einnahmen der Vereine ab. Das Zusammenspiel von spielerischer Macht und ökonomischem Gesetz lässt die Gehälter in die Höhe schießen. Selbst mittelmäßige Spieler partizipieren an den „windfall profits“ eines weiter wachsenden Kuchens. 2 Die meisten Vereine wehren sich gegen exorbitante Gehaltsforderungen allerdings auch nur halbherzig. Wer in der europäischen Spitze mithalten will, glaubt den Rüstungswettlauf um die besten Spieler mitspielen zu müssen. Da bleibt die ökonomische Vernunft oft auf der Strecke. Nicht alle Vereine handeln wirtschaftlich solide. Das unprofessionelle Verhalten des Managements wird durch weiche Budgetrestriktionen weiter verstärkt. Noch immer subventionieren nämlich Steuer- und Gebührenzahler die Vereine, nicht zu knapp. Kein Wunder, wenn wirtschaftlich solides Verhalten oft eher Mangelware ist. Der Markt für Fußballspieler ist zwar unvollkommen, er versagt aber nicht. Mittel- und längerfristig setzen sich die ökonomischen Gesetze von Angebot und Nachfrage gegen die Macht der Spieler durch. Die Einkommen der Kicker orientieren sich an dem, was sie für die Vereine einspielen. Eingriffe in den Prozess der Preisbildung auf den Spielermärkten, wie etwa Gehaltsobergrenzen, sind deshalb ökonomisch schädlich. Letztlich entscheiden die Zuschauer, ob sie die steigenden Einkommen der Spieler akzeptieren. In der Marktwirtschaft ist der Kunde König. Winners take it all Allerdings profitieren Spieler von den explodierenden Einkommen sehr ungleich. Mittelmäßige Kicker gehen zwar nicht leer aus, den Rahm schöpfen aber die Stars ab. Spielermärkte sind „winner-takeall“-Märkte. Schon kleine Wettbewerbsvorteile reichen, Marktanteile drastisch zu verändern. Nur wenige Balltreter können ein Spiel allein entscheiden, weil sie etwa den „tödlichen Pass“ spielen. Diese Fähigkeit ist beim Fußball besonders wertvoll, weil Tore relativ selten fallen. Entsprechend astronomisch sind die Einkünfte der Stars. Der große Rest der Kicker muss sich mit weniger, oft viel weniger zufrieden geben. Die Gefahr ist gering, dass die Einkünfte zu ungleich verteilt werden. Erfolg hat eine Mannschaft nur, wenn Spieler kooperieren. Wird der 3 Abstand zu den Einkommen der Stars in einem Team zu groß, spielen mittelmäßige Kicker weniger mannschaftsdienlich. Die Ungleichheit in den Einkünften stößt an eine quasi „natürliche“ Grenze. Wird sie überschritten, bleibt der Erfolg aus. Ein gutes Management versucht dies zu verhindern, indem es auch mittelmäßige Spieler besser bezahlt oder Stars abgibt. Uli Hoeneß hat den Verzicht auf Michael Ballack genau so begründet. Nicht nur zwischen Stars und dem Rest der Mannschaft sind die Einkommen ungleich verteilt. Die Einkünfte unterscheiden sich auch danach, auf welcher Positionen die Kicker spielen. Am schlechtesten bezahlt werden die Torhüter, am besten die Stürmer. Mittelfeld- und Abwehrspieler liegen dazwischen, wobei der Job im Mittelfeld besser als in der Abwehr entlohnt wird. Erstaunlich ist, dass Stürmer besser als Mittelfeldspieler verdienen, obwohl Mittelfeldspieler universeller einsetzbar sind. Offensichtlich sind Stürmer knapper als Mittelfeldspieler. Sind Stars ihr Geld wert? Die Gretchenfrage bleibt für viele, verdienen Stars, was sie verdienen. Nach einer Serie schlechter Spiele äußern die Fans hierzulande schon mal lautstark ihren Unmut über die „Sch... Millionäre“. Tatsächlich sind Stars aber in den Augen der Fans ihr Geld wert, darauf deutet zumindest der Boom bei den Zuschauern hin. Mit ihren außergewöhnlichen fußballerischen Fähigkeiten erhöhen Stars die Qualität ihrer Mitspieler, ihre Vereine werden national und international wettbewerbsfähiger. Sie locken weitere Stars in die Liga, das Interesse der Zuschauer nimmt zu. Der Markenwert des Fußballs steigt, der Geldregen für die Vereine hält an. Ihre Rechnung, Stars auch exorbitant hohe Gehälter zu zahlen, geht spätestens auf, wenn sie an den Werbeeinnahmen der Stars beteiligt sind. So erhält etwa Real Madrid die Hälfte der Einnahmen eines David Beckham aus der Werbung. Das hohe Gehalt dieses Stars finan4 ziert sich aber allein schon aus dem weltweiten Verkauf von Beckhams Trikot mit der Nummer 23. Das beschert Real Madrid einen Umsatz von 50 Millionen Euro jährlich. Das alles kann ein Joseph Ackermann nicht vorweisen, er ist kein Star. Kein Wunder, dass er nur die Hälfte von dem verdient, was ein Ronaldinho einstreicht. Norbert Berthold 5