sex, lügen und video

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sex, lügen und video
SEX, LÜGEN UND VIDEO
Sex, Lies and Videotape, USA 1989
Man kann dieses Geschäft einfach nicht mehr ernst nehmen. Wenn ich mich weiterentwickeln will,
muss ich alle Brücken dorthin hinter mir abbrechen. Ich muss alles auslöschen, was ich bisher
gemacht habe und mich neu erfinden.
Steven Soderbergh 2012
Ann Bishop Mullany (Andie MacDowell) und John Mullany (Peter Gallagher) sind verheiratet. Weil Ann
unter Zwangsvorstellungen leidet, konsultiert sie einen Psychotherapeuten (Ron Vawter). Sie scheint
sich nichts mehr aus Sex zu machen, und John hält sich an ihre Schwester Cynthia (Laura San
Giacomo), die sich schon deshalb auf eine heimliche Affäre mit ihrem Schwager einlässt, weil sie ihre
prüde Schwester nicht leiden kann. Cynthia, die glaubt, ohne Liebe auszukommen, setzt ungehemmte
Sexualität als Mittel gegen Gefühlsduselei ein. In Wahrheit verdrängt sie Sehnsucht nach Liebe. Nach
langer Abwesenheit kehrt Johns früherer Kommilitone Graham Dalton (James Spader) zurück in die
Stadt, in der ihn seine große Liebe vor neun Jahren verlassen hatte. Seit damals hat Graham keine
Erektion mehr, wenn er mit einer Frau zusammen ist. Statt mit Frauen zu schlafen, bringt Graham sie
dazu, vor seiner Videokamera über ihre sexuellen Erfahrungen zu reden und seine Fragen zu
beantworten.
Porträt des Regisseurs als junger Mann. Zu Karrierebeginn waren Kameras noch für 35mm Film und dementsprechend größer
Soderberghs Debütfilm von 1989 ist ein Drama über Sexualität, Verdrängungsmechanismen und
Ersatzbefriedigungen. Die Figurenkonstellation ist symmetrisch: zwei Schwestern, die eine prüde, die
andere nymphoman, ein impotenter Arbeitsloser und ein Karriereheini, der seinen Selbstwert über
seine Sexualität definiert. Graham wirkt durch sein Erscheinen als eine Art Katalysator der
Beziehungen von Ann, John und Cynthia. Dabei werden die Lügen entlarvt, die sich jede der vier
Figuren zurechtgelegt hat, und die Beziehungen neu geordnet. Soderbergh erzählt die Geschichte
sensibel, unaufgeregt und witzig, ohne die Moral der Figuren zu kommentieren.
Soderbergh selbst schrieb den Film in acht Tagen während einer Fahrt von seiner Heimatstadt Baton
Rouge (wo der Film spielt) nach Los Angeles. Als Grundlage des Films nannte er eine spirituelle Krise
in seinem eigenen Leben. Er kostete 1.200.000 US-Dollar und spielte 25.000.000 allein in den USA
ein. 1989 gewann er die Goldene Palme in Cannes und setzte sich u.a. gegen Spike Lees starken „Do
the right thing“ durch. Den Film „Voll Frontal“ von 2002, den er noch mit „Section Eight“ produzierte
und inszenierte, versteht Soderbergh als eine Art Fortsetzung von „Sex, Lies and Videotape“.