Ist Frieden mehr als die Abwesenheit von Krieg? - sicherung
Transcription
Ist Frieden mehr als die Abwesenheit von Krieg? - sicherung
Verein Sicherung des Friedens e.V. München, 11. Februar 2008 Hanns-Seidel-Stiftung Vortragsreihe 2008: „Frieden mit Gewalt oder Dialog“ Vortrag des Herrn Prof. Dr. Ortwin Buchbender Ist Frieden mehr als die Abwesenheit von Krieg? Mit einem rhetorischen Feuerwerk gepaart mit interessanten Inhalten begeisterte, als erster Vortrag zum Jahresthema 2008: Frieden mit Gewalt oder Dialog, der Kölner Philologe Prof. Dr. Ortwin Buchbender mit dem Titel: Ist Frieden mehr als die Abwesenheit von Krieg, seine Zuhörer. Nach einer amüsanten Vorstellung seiner Person begann der wortgewandte Referent seinen Vortrag mit zahlreichen Zitaten großer Persönlichkeiten zum Thema Frieden. Die Zitate verhalfen induktiv, in Verbindung mit zum Verständnis notwendigen Grundlagen zur Lösung einiger schwieriger Fragen, mit denen sich die Kirche auseinander zu setzen hat. Da wäre zum einen das Laster, warum Christen so grausame Kriege geführt haben, wie in der Inquisition oder zur Hexenverbrennung. An dieser Stelle holte der Referent weit aus und begann bei dem aus der Scholastik bekannten Thomas von Aquin. Er war es nämlich, der sich als einer der Ersten Gedanken über den gerechten Krieg (bellum iustum) machte. Mit dem Verständnis Frieden sei eine geistlichpolitische Einheit der Christen, die es jedem Menschen ermöglicht auf Gott hin zu leben und das Heil zu erlangen entwickelt der Dominikaner Voraussetzungen für einen Krieg, der wenn er diesen Frieden zum Ziel hat, gerecht sei. Diese Voraussetzungen für den gerechten Krieg waren • eine legitime Authorität (legitima potestas), • ein gerechter Grund (causa iusta) und • die Ausschöpfung aller Mittel (ultima ratio) d.h. Krieg als letzte erdenkliche Option. Diese Vorstellung des „bellum iustum“ hielt bis zu Beginn des 30-Jährigen Krieges an. In diesem schrecklichen Krieg erlitt die Bevölkerung ein unbeschreibliches Leid und als Erkenntnis dieser grausamen Zeit wurde das „bellum iustum“ ad acta gelegt und ab 1648 hielt der Souverän die Macht über Krieg und Frieden in seinen Händen. Der Herrscher hatte das Recht zum Krieg ohne Einschränkung und man bezeichnete es als Kriegsführungsrecht. Der Friede von Münster und Osnabrück als Teil des Westfälischen Friedens gelten heute als Beginn des klassischen Völkerrechts. Das Kriegsvölkerrecht entwickelte sich ab diesem Zeitpunkt, vor allem durch den Einfluss der Spanier, mit den erweiterten Regeln die, das Recht zum Krieg (ius ad bellum) und das Recht im Krieg (ius in bellum) hervorbrachten. Fortan entwickelte sich das Völkerrecht und wird nach dem Ende des Ersten Weltkrieges als das moderne Völkerrecht gesehen, in dem eine völlig andere Sicht des Krieges enthalten ist. Doch erst ab dem Jahre 1927 wandelt sich das Kriegsvölkerrecht, durch die Aufnahme in die UN-Charta (Art 2 Punkt 4 UN-Charta), die Völkerrechtskommission und die Anerkennung der Menschenrechte 1948 zum Friedensvölkerrecht. Bis hierher wurde in kurzen Erläuterungen die Entstehung des Friedensvölkerrechts durch den Vortragenden dargestellt, welche zum weiteren Verständnis als Grundlage dienen sollten. Einen großen Schock erlebte nämlich die Kirche nach dem ersten Einsatz von Massenvernichtungswaffen über Hiroshima und Nagasaki. Danach stand die Kirche vor großen Problemen und Erklärungsnöten. Die katholische Kirche unter Führung des damaligen Papstes Pius XII wusste sich zunächst aus Angst vor dem Kommunismus nicht zu helfen. Pater Gustav Gundlach, der Verfasser aller sicherheitspolitischen Dokumente des Papstes, riet dem Papst, in dessen Ratlosigkeit über Hiroshima und Nagasaki, zur Abschreckungsethik. Die Taktik Gundlachs war es, durch die Kenntnis des schrecklichen Ausmaßes der Massenvernichtungswaffen und deren Zulassung, weitere Kriege zu verhindern. Seinen Kritikern erwiderte Gundlach, sollte diese Ethik der Abschreckung scheitern, so sei es der Wille Gottes. Die evangelische Kirche war derselben Meinung wie die Katholische und setzte auf die Abschreckungspolitik. Die zu diesem Thema verfassten „Heidelberger Thesen“, von 1959, beziehen sich in der 8. These auf die Atomwaffenproblematik und formulieren darin das so genannte Komplementaritätsprinzip, welches den Dienst an der Waffe in Einverständnis der Kirche ermöglichte. In der großen Friedensbewegung von 1980 entfachte abermals die Diskussion über Massenvernichtungswaffen. Die Kirche hielt sich lange zurück, bis sie 1983 einen Hirtenbrief zu diesem Anlass veröffentlichte. Der darin erwähnte gerechte Frieden lässt sofort die Erinnerung an Gustav Gundlach aufkommen. Die nächste Herausforderung, die neue Fragen aufwarf, war die NATO-Intervention in den Kosovo 1999. Ohne Mandat des Sicherheitsrates, d.h. ohne die Existenz eines rechtfertigenden Grundes (iusta causa), den schon Thomas von Aquin als notwendige Voraussetzung für einen gerechten Krieg festlegte, bombardierten die NATO-Flieger das Gebiet des Kosovos. Doch wie sollte nun die Kirche darauf reagieren, denn durch den fehlenden gerechten Grund entstand das Problem der ethnischen Legitimierung des Eingriffs der NATO. „Der Zweck heiligt alle Mittel“, sagte der Theologe Hermann Busenbaum und die Kirche sah die Intervention als Mittel zur Verhinderung des schrecklichen Mordens der Gefolgsleute Milosevics. Mit der Erfahrung und Erkenntnis dieser Zeit rückte der Schutz der Menschenwürde bedeutend in den Mittelpunkt. Besonders der 11. September 2001 forderte das Völkerrecht im höchsten Maße heraus. Diese neue Form des Krieges erforderte auch eine neue Form des Völkerrechts. Aufgrund des heimtückischen Feindes, stoßen die Genfer Konfessionen an ihre Grenzen und Krieg wird wieder moralisch notwendig. Die Erinnerungen an „bellum iustum“ werden wieder in Gedächtnis gerufen. Die Kirche kann nicht anders, als das Selbstverteidigungsrecht des Art. 51 UN-Charta anzuerkennen. Die immer wiederkehrende Frage, wo Gott in all diesen schrecklichen Momenten der Menschheitsgeschichte war, wird man nie zu aller Zufriedenheit beantworten können. Im Mittelpunkt steht immer der Mensch und „der Mensch ist das Maß der Dinge“. Er trägt sowohl das Gute als auch das Böse (malum) in sich! Drei Gerichtshöfe der Vereinten Nationen sind derzeit damit beschäftigt Massenmörder zu verurteilen. Ein kleiner Versuch dem Bösen entgegenzuwirken und die Welt friedlicher zu machen. Zum Abschluss seines Vortrages präsentierte Prof. Dr. Buchbender seinen Zuhörer eine kleine Legende aus Korea. Diese Legende handelt von zwei verfeindeten Fürsten, die von ihren Späher die Meldung erhalten, das das erspähte Gebiet hervorragend sei um einen Krieg zu führen jedoch sei da in mitten dieses Gebiets ein Bauernhof. In diesem Bauernhof würde ein glückliche Familie leben. Beide Fürsten wussten sofort zu entscheiden und so kam es nicht zu dem Krieg der verfeindeten Truppen. Denn die höchste Prämisse der Menschheit ist das Glück und dieses darf unter keinen Umständen zerstört werden.