Mein erster luftgetrockneter Schinken

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Mein erster luftgetrockneter Schinken
Mein erster luftgetrockneter Schinken
Der Wunsch, einen luftgetrockneten Schinken selbst herzustellen existierte bei mir
bereits einige Jahre, aber irgendwie kam ich nie dazu, ihn umzusetzen. Gegen
Jahresende 2008 wollte ich dann endlich den ersten Versuch wagen. Vorher gab es
eine intensivere Zeit für Informationsbeschaffung übers Netz, u. a. auch auf den
Seiten von CK. Da war zuerst die Frage, wo bekomme ich das große Stück
Schweinefleisch her. Klar war mir, es sollte ein Schinken aus einer Hinterkeule
werden. Es war inzwischen Februar 2009. Ich fand in unserer Ecke einen Fleischer,
der als Bauer und Direktvermarkter arbeitet. Ihm erklärte ich mein Vorhaben, was
ihm nur ein unschlüssiges Kopfschütteln herauslockte, aber nun hatte ich mein
Fleisch geordert. Zwei Wochen später, das Schwein sollte erst noch geschlachtet
werden, holte ich das Fleisch ab. Zunächst war ich enttäuscht, die vermeintliche
Keule hatte keinen Fuß mehr und sah auch sonst relativ klein aus. Der Fleischer
hatte …“den Schinken gleich für mich etwas zugeschnitten“ und er freute sich noch
darüber, mir doch schon Arbeit abgenommen zu haben. (bedrückter Blick)
(Foto1)
mit Meersalz und Gewürzen gut eingerieben
Ich nahm es gelassen, genauso auch mein Fleischstück und brachte es heim. Dort
standen schon Meersalz und Gewürze bereit, ebenso eine Styropor-Kühlbox. Ich
löste noch den verbliebenen Schlossknochen heraus und massierte dann meine
bereits mit grob zerstoßenem Pfeffer und Wachholderbeeren versehene
Salzmischung in das Fleisch, legte es in die Box.
Nun begann das große Warten und Beobachten. Als Lagerort wählte ich einen
unbeheizten gut durchlüfteten Kellerraum. Sobald sich Flüssigkeit in der Box gebildet
hatte, hab ich diese abgegossen. Nach 2 Wochen habe ich nachgelegt und alles
Salz vom Fleisch abgeschabt, einen Brei aus frischem Knoblauch mit Meersalz
bereitet und das Fleisch wieder damit bestrichen. Lorbeerblätter, Zimtstangen,
Piment, Pfefferkörner, Koriander, getrockneter Rosmarin und Thymian wurden
ebenfalls mit zum Fleisch gegeben.
So gelagert, blieb mein Schinken bis Mitte März 2010 in der Kiste.
(Foto 2)in der Box
Der Geruch war sehr angenehm und weckte schon Appetit. Ein kleines Stück – sehr
salzig, aber eine gute Konsistenz und würzig - schön „fleischig“. Ich habe nun das
Fleisch mit kaltem Wasser gründlich abgespült, mit Küchentüchern getrocknet und
anschließend mit hochprozentigem Obstler eingepinselt. Das habe ich sehr sorgfältig
gemacht, vor allem die Vertiefungen um den Röhrenknochen herum. Für das
Aufhängen des Schinkens habe ich diesen mit einer Synthetikschnur
zusammengebunden und wieder mit allerlei Gewürzen versehen. 2 Wochen
Trocknung folgten. Aus Schweineschmalz und Pfeffer gab´s noch eine Packung und
dann wurde der Schinken zum Reifen endlich aufgehängt.
(Foto 3)
ein verschnürtes Bündel - März 2010
(Foto 4)
März 2010 Fleischstellen mit Schweineschmalz und Gewürzen abgedeckt
Nach 4…5 Wochen tropfte immer wieder etwas Flüssigkeit aus dem Fleisch, der
Geruch war angenehm, trotzdem schabte ich nun das Schweineschmalz vom
Fleisch. Ich bereitete aus zerstoßener Holzkohle, etwas Chilli, getr. Rosmarin und
Thymian sowie wiederum Knoblauch und Obstler eine „Schönheitsmaske“ für das
gute Stück und deckte das Fleisch gründlich damit ab. Ich hatte doch etwas Angst
bekommen, dass der Schinken vergammeln könnte, inzwischen stiegen auch die
Temperaturen bei der Lagerung teilweise über 20 und 25°C an. Gute Zugluft bei
gleichzeitig 2 geöffneten Fenstern trocknete den Schinken aber sehr gut weiter. Zu
keiner Zeit konnte ich Insekten um und am Schinken sehen, die „schwarze
Schönheitsmaske“ hatte wohl was Abstoßendes für alles Getier an sich (schmunzel).
(Foto 5)
Mitte Mai 2010 – jetzt hängen noch 8,7kg
Nach 8 Wochen „in Schwarz“ wechselte ich nochmals die Packung Mitte Juli 2010 in
eine Schweineschmalz-Pfeffer-Packung. Dabei wurde natürlich auch wieder einmal
probiert. Mit einem sehr scharfen Messer wurde die nicht soooo ästhetische
Außenschicht abgeschnitten, gleich darunter kam eine wunderbar glänzende, schön
appetitlich aussehende rote Schinkenfarbe zum Vorschein. Geruch und Konsistenz –
für mich p e r f e k t ! Nur der etwas zu salzige Geschmack verhinderte, dass ein
größerer Teil des Schinkens gleich aufgefuttert wurde!!
(Foto 6)
Schweineschmalz-weißer Pfeffer-Packung
In der darauffolgenden Zeit hing der Schinken unbeschadet, selbst bei sehr hohen
Temperaturen – bis an die 30°C (!), über den ganzen Sommer 2010 auf unserem
nichtisolierten Dachboden bzw. auch im Keller, wenn ich glaubte, es ist zu warm auf
dem Boden.
Im Oktober 2010 kam die letzte Maske – „Schweineschmalz Pur“ für die „SchinkenSchönheitspflege“ auf das Fleisch, auch hierbei wieder Geschmacksprobe –
aromatisch, köstlich, würzig, (aber immer noch etwas zu salzig). Lieder habe ich nie
Fotos vom Anschnitt meines „Ersten“ gemacht (Ärger, Ärger)
(Foto7)
Anschnitt der 2. Generation
Das Fleisch ist zart weich und aromatisch würzig
(Foto 8)
verschnürt mit Schweineschmalz-Maske unter dem Dach
Übrigens habe ich herausgefunden, dass es gar nicht so sehr schlimm ist, wenn der
luftgetrocknete Schinken etwas zu salzig ist. Man muss ihn nicht als „Sondermüll“
entsorgen!
Nach einer Reifezeit über 12 Monaten hat man die Möglichkeit den Salzgehalt noch
zu "korrigieren". Bei meinem ersten Schinken hatte ich auch das Problem. Man
schneidet für den Verzehr keine hauchdünnen Scheiben, sondern ca. 2-3 cm dicke
Scheibe ab und lege sie über Nacht in eine Schüssel mit ca. 3...5 l kaltem Wasser.
Alles sollte kühl stehen. Dann wird anschließend das Fleisch gut mit einem
Küchentuch abgetrocknet und man hängst es für 1...2 Tage zum nochmaligen
Trocknen an einem durchlüfteten, und trockenen Ort auf. Danach kann man sich
genüsslich dünne Scheibchen einverleiben.
Sollte der Salzgehalt immer noch zu hoch sein, muss die Einlegezeit im Wasser noch
erhöht werden.
Das Aroma wird sich dabei nicht wesentlich verschlechtern, dafür ist aber der
Salzgehalt deutlich verringert worden.
An dieser Stelle der Schinkenreifung stand für mich ganz sicher fest, dass ich auch
2010 einen weiteren Versuch starten werde!
Der erste luftgetrocknete Schinken konnte noch im Februar 2011 seinen ersten
, die
Geburtstag feiern und überstand, wenn auch schon sichtbar geschrumpft
immer kürzer werdenden Zeitabstände für Kostproben mit Familienmitgliedern und
Freunden. Eigentlich sollte er auch seinen 2. Geburtstag feiern können, aber leider
erreichte er nicht einmal Weihnachten 2011.
Am 29.10.2011 „ ging er für immer von uns“ – Wir werden ihm stets
ein ehrendes Gedenken bewahren
(Foto 9)
wir vermissen dich (grins)
(Foto 10)
die 2. Generation – Jahrgang 2010 mit selbst gebackenem NatursauerRoggenbrot und einem guten Tropfen Rotwein
Inzwischen ist aus dem ersten Versuch schon die 3. Generation geworden und ich
glaube, es wird nicht die letzte sein:
(Foto 11)
die 3. Generation hängt
Für meine Schinken verwende ich nur noch Meersalz, die Menge spiet dabei keine
Rolle, das vorher zurechtgeschnittene „Hinterbeinchen“ (um die 20kg) wird darin von
mir völlig versenkt und 3 Wochen gelagert, 3..4 Mal wird die ausgetretene
Flüssigkeiten abgegossen und bei dieser Gelegenheit wird das Bein mit einem
dicken Holzknüppel jedes Mal richtig bearbeitet (verdroschen) und dann wieder in
das Salz eingelegt. Dann erfolgt ein kurzes Abspülen mit klarem Wasser,
Trockentupfen und nun ein sorgfältiges und sattes Einpinseln mit hochprozentigem
(ca. 80%-ig) Obstler. Je nach Temperatur und Klima folgt eine 2 bis3-monatige
Trocknung auf einem (unisolierten) unbeheizten Dachboden mit normaler
Luftzirkulation (2 Fenster immer leicht geöffnet). Ist es etwa zu feucht, wird häufiger
mit Alkohol eingepinselt. Dazu streiche ich zusätzlich meist feinstgehackten
Knoblauch mit auf die Fleischseiten. Auch vorher kurz angeröstete Gewürze (Piment,
Wachholderbeeren, Pfefferkörner), die grob im Mörser zerstoßen werden, kommen
auf die Fleischseiten. Das Anrösten dient dabei einmal zum Desinfizieren der
Gewürze und zur besseren Aromaentfaltung. Jetzt kann man auch Holzasche mit ins
Spiel bringen, alles zusammen vermischen und auftragen, oder auch
Schweineschmalz mit oder ohne Gewürze, wie Chilipulver, Cardamon, Spuren von
Vanille, Piment, Macisblüte, Ingwer, Thymian, Rosmarin usw. Hier ist einfach
ausprobieren angesagt. Das Einmassieren von Rotwein kann sicherlich auch nicht
schaden, vielleicht tut es auch Cognac oder Whisky ....
Appetit bekommen
als, worauf wartet Ihr noch
- f a n g t endlich an
viel Spaß
Euer „Luftgetrockneter“ Klaus
PS: diese Thema habe ich bereits schon einmal in einer anderen Gruppe vorgestellt,
in Zeiten der Gleichberechtigung
bin ich aber überzeugt, das ich diese
Veröffentlichung auch für die (vorwiegenden) Männer dieser, meiner Gruppe
nicht vorenthalten sollte!
Erst wenn der letzte Baum gefällt,
der letzte Fluss vergiftet
und der letzte Fisch gefangen ist,
werdet Ihr herausfinden, dass man Geld nicht essen kann.
(Weißheit der Cree-Indianer)