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WARHAMMER NATHAN LONG Schamanenslayer Die Abenteuer von Gotrek und Felix 11 Aus dem Englischen von Christian Jentzsch Piper Schamanenslayer – Die Abenteuer von Gotrek und Felix 11.indd 3 13.12.2010 9:30:56 Uhr ((Seite 4 Impressum)) Deutsche Erstausgabe März 2011 © 2009 Games Workshop Ltd. All rights reserved Titel der englischen Originalausgabe: »Elfslayer«, BL Publishing, Nottingham 2008 - www.blacklibrary. com This translation © Games Workshop Limited 2011 »Shamanslayer« © Games Workshop Limited 2009 Translated and used under license by Piper Verlag GmbH. © der deutschsprachigen Ausgabe: 2011 Piper Verlag GmbH, München Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de Umschlagabbildung: Geoff Taylor Karte: Nuala Kinrade Satz: C. Schaber Datentechnik, Wels Druck und Bindung: CPI - Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany ISBN 978-3-492-29200-9 Schamanenslayer – Die Abenteuer von Gotrek und Felix 11.indd 4 13.12.2010 9:30:56 Uhr Eins Felix Jaeger stutzte, als er das Altdorfer Anwesen seines Vaters unter dem grauen Winterhimmel betrachtete. Hatte es einen leeren, verschlossenen Ausdruck an sich, oder bildete er sich das nur ein ? Die Stufen der Marmortreppe waren bei seinem letzten Besuch gewiss nicht so schmutzig und die Vorhänge nicht zugezogen gewesen. Er erklomm die Treppe bis zur Tür und hielt erneut inne. Seitdem er an einer Küste des Chaosmeers den Ring seines Vaters an einer Kordel um den Hals eines Skaven-Assassinen gesehen hatte, brannte Felix vor fieberhafter Ungeduld, nach Altdorf zurückzukehren und herauszufinden, was die rattengesichtigen Schurken dem alten Mann angetan hatten. Doch nun, an der Schwelle dieses Wissens, fiel es ihm schwer weiterzugehen. Seit über einem Monat war sein Herz von Furcht und Unsicherheit erfüllt. Wie war der Skaven an den Ring gekommen ? Hatten sie seinem Vater wehgetan ? Hatten sie ihn getötet ? Hatten sie den Ring nur gestohlen und ihn selbst in Ruhe gelassen ? Die Fragen hatten sich in Felix’ Kopf unaufhörlich überschlagen, während er und seine Gefährten viel zu langsam in die Zivilisation zurückkehrten. Doch so sehr ihn die Hilflosigkeit der Unwissenheit in den Wahnsinn getrieben hatte, plötzlich fürchtete Felix das Wissen noch mehr. Wenn 13 Schamanenslayer – Die Abenteuer von Gotrek und Felix 11.indd 13 13.12.2010 9:31:03 Uhr er Bescheid wusste, würde er sich den Gefühlen stellen müssen, die er bisher noch unterdrückte. Wenn er Bescheid wusste, würde er etwas tun müssen. Er verfluchte sich und riss sich zusammen. Er war wie jemand, der sich davor fürchtete, sich eine Wunde nähen zu lassen – die Furcht davor war schlimmer als der eigentliche Akt. Es war besser, den Schmerz zu ertragen und die Wunde zu schließen und verheilen zu lassen. Er klopfte an die Tür. Er bekam keine Antwort. Er klopfte noch einmal und wartete, während seine Beklommenheit wuchs. Dann, als er sich gerade fragte, ob er vielleicht ins Haus einbrechen solle, hörte er, wie sich ein Schlüssel drehte und ein Riegel zurückgezogen wurde. Die Tür öffnete sich, und das ernste, graue Gesicht des Dieners seines Vaters starrte ihm entgegen. »Ist er … ?«, fragte Felix zögernd. »Ihr Vater ist tot, mein Herr«, sagte der Diener. »Es tut mir sehr leid.« Eine heiße Flut aus Zorn und Bedauern überschwemmte Felix. Er hatte es natürlich gewusst – die ganze Zeit gewusst –, aber es war eine Sache, etwas tief im Herzen zu wissen, und eine ganz andere, es als Tatsache bestätigt zu bekommen. »Und …«, stammelte er. »Wie ist es passiert ?« Der Diener hielt inne, wobei ein kurzes Aufblitzen von Furcht seine ernsten Züge verzerrte, um dann zu antworten. »Ihr Bruder ist hier. Vielleicht sollten Sie mit ihm reden.« Felix erbleichte. Otto war hier ? Mit ihm zu reden hatte ihm gerade noch gefehlt ! Andererseits würde er 14 Schamanenslayer – Die Abenteuer von Gotrek und Felix 11.indd 14 13.12.2010 9:31:03 Uhr ihn irgendwann aufsuchen müssen. Zweifellos mussten einige rechtliche Formalitäten erledigt werden. Er seufzte. Es hatte keinen Sinn, vor dem Unvermeidlichen davonzulaufen. »Also gut«, sagte er. »Führen Sie mich zu ihm.« Der Diener stieß die Tür des Kontors von Felix’ Vater auf. Es war ein langer, dunkler Raum mit Regalen voller Rechnungsbücher, der von einem spärlichen Feuer in einem großen Kamin erhellt wurde. Unweit der züngelnden Flammen stand ein massiver Schreibtisch, beinahe unter Büchern, Papieren, Schriften und ledergebundenen Folianten begraben und umgeben von Truhen und Kisten, die von noch mehr Papieren und Büchern überquollen. Am Schreibtisch, von dem Papierberg beinahe vollständig verborgen, saß Otto, eine Feder in der feisten Hand, den kahlen Kopf nach unten gebeugt, da er kurzsichtig im Licht einer auf dem Durcheinander thronenden Kerze in ein offenes Rechnungsbuch starrte und dabei vor sich hinmurmelte. Felix trat ein, und der Diener schloss die Tür hinter ihm. Otto blickte nicht auf. Felix hielt kurz inne, dann räusperte er sich und trat vor. Otto blickte immer noch nicht auf, sondern murmelte lediglich weiter vor sich hin und hakte Dinge mit seiner Feder ab. Felix erreichte die Ausläufer des Schreibtisch-Gebirges. Er räusperte sich wieder. Immer noch keine Reaktion. »Äh, Otto …« »Zweiunddreißigtausendneunhundertund … und … Verdammt ! Jetzt weiß ich nicht mehr, wo ich war !« Otto blickte auf, und seine bärtigen Wangen bebten vor 15 Schamanenslayer – Die Abenteuer von Gotrek und Felix 11.indd 15 13.12.2010 9:31:03 Uhr Zorn. »Warum konnten Sie nicht … ?« Er erstarrte, als er sah, wer vor ihm stand. »Du.« Und nach einigen Sekunden noch einmal: »Du !« »Hallo, Bruder«, sagte Felix. »Es tut mir leid, wenn …« »Du wagst es, dich hier blicken zu lassen, du … du Mörder !«, sagte Otto, der sich langsam fasste. »Ich habe ihn nicht umgebracht !«, rief Felix, obwohl er plötzlich in schuldbewusstem Schweiß gebadet war. »Hast du das nicht, bei den Göttern ? Hast du das nicht ?«, ereiferte sich Otto, indem er sich erhob und mit seiner Feder auf ihn zeigte. »Du besuchst ihn zum ersten Mal seit über zwanzig Jahren, und in eben jener Nacht findet man ihn dahingemeuchelt in seinem Bett ! Hältst du das für einen Zufall ? Nein ? Vielleicht hast du nicht zugestochen, aber, bei Sigmar, du hast die Messer mitgebracht !« Daraufhin ließ Felix den Kopf hängen, denn er konnte es nicht abstreiten. Zwar hatte er es zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, aber die Skaven hatten ihn verfolgt. Sie mussten ihm zum Haus seines Vaters gefolgt sein. »Was haben sie ihm angetan ?« Otto funkelte ihn an. »Schmidt hat ihn in seinem Bett gefunden, an Händen und Füßen gefesselt. Er … er ist gefoltert worden. Es gab keine tödliche Wunde. Er scheint vor Entsetzen gestorben zu sein.« Felix schauderte, als er daran dachte, was der altersschwache Skaven-Prophet Aethenir angetan hatte, und sich vorstellte, wie seinem gebrechlichen alten Vater dasselbe angetan wurde. Gustav Jaeger war kein guter Mann gewesen, aber nicht einmal die Schlimmsten hatten solch einen Tod verdient. 16 Schamanenslayer – Die Abenteuer von Gotrek und Felix 11.indd 16 13.12.2010 9:31:04 Uhr »Es tut mir leid, Otto. Es waren in der Tat meine Feinde, die …« »Leid ?«, fiel ihm Otto ins Wort. »Glaubst du, eine Entschuldigung reicht aus ? Du hast den Tod deines Vaters verursacht ! Sigmars Blut, du bist wie ein Fluch ! Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich dich nie wiedersehen will. Wohin du auch gehst, folgen dir Tod und Zerstörung. Du kannst dein ›tut mir leid‹ nehmen und dich damit zur Hölle scheren. Und jetzt geh, bevor du mich auch noch umbringst.« Felix seufzte. Im Grunde konnte er es Otto nicht verdenken. Er hatte recht. Er war ein Fluch. Er hatte Otto und dessen Familie der Gefahr ausgesetzt, die ihn bei einem Angriff auf der Straße in Nuln beinahe das Leben gekostet hätte, dann war er nach Altdorf gekommen und hatte seine Feinde zum Haus seines Vaters geführt, wo sie ihn zu Tode gefoltert hatten. Und es war nicht nur seine eigene Familie, über die Felix durch seine Anwesenheit Unheil gebracht hatte. Er und Gotrek waren in einen Kampf verwickelt worden, bei dem ein ganzes Stadtviertel von Nuln niedergebrannt war, die Besatzung der Skintstaads Stolz war niedergemetzelt worden, Tausende unschuldiger Sklaven waren auf der sinkenden Schwarzen Arche der Dunkelelfen gestorben, und es gab noch mehr – viel mehr –, eine Armee der Toten, die hinter ihm marschierte, auf seinen Rücken zeigte und flüsterte: »Ich würde noch leben, gäbe es dich nicht …« Felix verbeugte sich traurig vor Otto, dann entfernte er sich vom Schreibtisch und wandte sich ab. Er hatte erfahren, was zu erfahren er gekommen war. Es gab keinen Grund, zu bleiben. Außer … 17 Schamanenslayer – Die Abenteuer von Gotrek und Felix 11.indd 17 13.12.2010 9:31:04 Uhr Felix drehte sich wieder um. »Da ist noch eine Sache …« Ottos Augen weiteten sich vor wütender Überraschung. »Sigmar, erzähl mir nicht, du hast die Dreistigkeit, nach einem Erbteil zu fragen ! Nach allem, was du getan hast ? Man sollte dich mit der Schlinge des Henkers auszahlen, aber nicht mit dem Gold des Mannes, den du ermordet hast !« »Ich will sein Gold nicht !«, schnauzte Felix. »Würdest du mich bitte ausreden lassen ?« Otto verschränkte die Arme über seinem stattlichen Bauch und funkelte Felix an, schwieg aber. Felix zog einen Umschlag aus seinem Wams. »Vater hat mich gebeten, ihm einen Gefallen zu tun, als ich ihn besucht habe. Er wollte, dass ich nach Marienburg gehe und einen belastenden Brief von Hans Euler zurückhole, den er vor einiger Zeit Eulers Vater geschrieben hat.« »Euler«, fauchte Otto. »Dieser hinterhältige kleine Gauner. Ich hoffe, er verfault.« »Höchstwahrscheinlich«, sagte Felix, während er an sein letztes Duell mit Euler dachte, bei dem er ihn durchbohrt hatte. Er hielt den Umschlag in die Höhe. »Ich habe den Brief. Aber …« »Aber jetzt ist es zu spät, weil Vater tot ist«, höhnte Otto. »Gut gemacht.« Felix ballte die Fäuste. Er kämpfte gegen den Drang an, seinem Bruder ins Gesicht zu schlagen. »Aber«, wiederholte er so geduldig, wie es ihm möglich war. »Als ich den Brief gelesen habe, war ich sehr bestürzt.« Otto winkte ungeduldig, und Felix reichte ihm den Umschlag. Er redete weiter, während Otto ihn öffnete und den Brief entfaltete. 18 Schamanenslayer – Die Abenteuer von Gotrek und Felix 11.indd 18 13.12.2010 9:31:04 Uhr »Vater sagte, er enthalte den Beweis, dass er Waren ins Imperium geschmuggelt habe, ohne die gesetzlichen Zölle dafür zu entrichten, und dass Euler ihn damit erpressen wollte, um ihn zu zwingen, ihm Jaeger und Söhne zu verkaufen.« »Das Schwein«, sagte Otto, als er zu lesen begann. »Er war zehnmal der Schmuggler, der Vater war.« »Aber das ist noch nicht das Schlimmste«, sagte Felix. »Sieh dir die Rückseite an. Vater schreibt, dass er von Eulers Vater sechs seltene Bücher aus Tilea bekommen hat, aber dass einige davon in schlechtem Zustand seien und er sein Geld zurückwolle.« »Und ?«, sagte Otto, wobei er den Brief näher an die Kerze hielt, um besser lesen zu können. »Es wäre nicht das erste Mal, dass der alte Pirat versucht hat, minderwertige Ware zu verhökern.« »Das Maelificarium ist ein verbotenes Buch«, sagte Felix. »Das gilt auch für Urbanus’ Die Sieben Tore. Das sind Bücher der schwärzesten Magie. Menschen sind schon am Pfahl verbrannt worden, nur weil sie die Namen kannten.« Otto wurde still, während er den Brief anstarrte. Felix trat näher. »Dies ist mehr als nur Schmuggel, Otto. Dies ist ein äußerst gefährliches Geschäft. Wenn Vater sich zur Gewohnheit gemacht hat …« Otto zerknüllte den Brief und warf ihn ins Feuer. Felix stieß einen Schrei aus. »Was tust du ?« Er ging zum Kamin. Otto trat ihm in den Weg und schaute Felix in die Augen. »Der Brief war eine Fälschung. Ein Trick von Euler, um uns ins Verderben zu stürzen. Vater hat niemals mit verbotenen Büchern zu tun gehabt. Niemals. Hast du verstanden ?« 19 Schamanenslayer – Die Abenteuer von Gotrek und Felix 11.indd 19 13.12.2010 9:31:04 Uhr »Aber wie kannst du da so sicher sein ?«, fragte Felix. »Meinst du nicht, wir sollten es jemandem sagen ? In dem Brief steht der Name des Buchhändlers, der …« Otto versetzte ihm knurrend einen Stoß. Felix wich schwankend ein paar Schritte zurück und stolperte beinahe über einen Tornister voller Papiere. »Bei den Göttern !«, rief Otto. »Hast du noch nicht genug angerichtet ? Du hast den Mann schon einmal umgebracht. Willst du ihn wieder ausgraben und noch einmal umbringen ? Willst du mich umbringen ? Willst du mich ruinieren ?« »Natürlich nicht«, sagte Felix. »Aber …« »Weißt du, was passiert, wenn du es ›jemandem sagst‹ ?«, sprudelte es aus Otto hervor, indem er schwerfällig vortrat. Sogar im rötlichen Schein des Feuers sah seine Haut blass aus. »Die Hexenjäger wären hier, bevor du mit den Fingern schnippen könntest, und jedes Buch, jede Schrift, jeder Brief, den Vater und ich und Jaeger und Söhne besitzen, würde beschlagnahmt und nach Indizien für mehr Hexerei durchsucht. Sie würden mich auch mitnehmen und Annabella und meinen Sohn und dich auch, wenn sie dich zu fassen bekämen, und was deine ›Freunde‹ Vater angetan haben, wäre nichts verglichen damit, was die Hexenjäger uns antun würden. Willst du das ? Willst du sehen, wie man uns auf die Streckbank spannt und uns die Haut abzieht ?« »Ganz und gar nicht«, sagte Felix. »Aber …« »Nichts aber !«, sagte Otto. »Was Vater getan hat oder nicht, spielt keine Rolle. Jaeger und Söhne ist jetzt eine seriöse Firma. Wir handeln mit vorzüglichen Waren und ehrlichen Dienstleistungen. Lass die Vergangenheit ruhen und geh, ich bitte dich, Felix !« Er packte 20 Schamanenslayer – Die Abenteuer von Gotrek und Felix 11.indd 20 13.12.2010 9:31:04 Uhr