Zum Konzert des Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR 1
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Zum Konzert des Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR 1
Zum Konzert des Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR 1. Februar 2013, 20 Uhr Stuttgarter Liederhalle, Beethovensaal Alexander von Zemlinsky „Die Seejungfrau“ Handreichung von Anna-Lena Müller Pädagogische Hochschule Heidelberg 1 Inhalt 1. Einleitung .................................................................................................................................. 3 2. Informationen für Lehrerinnen und Lehrer ............................................................................... 3 2.1 Alexander von Zemlinsky ................................................................................................... 3 2.2 Die Seejungfrau .................................................................................................................. 5 2.2.1 Sinfonische Dichtung, Fantasie oder Tondichtung? .................................................... 5 2.2.2 Entstehung.................................................................................................................... 6 2.2.3 Die kleine Seejungfrau – ein Märchen von Christian Andersen .................................. 7 2.2.4 Musikalische Analyse ................................................................................................ 17 3. Methodisch-didaktische Hinweise und Unterrichtsmaterialien .............................................. 22 3.1 Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung ............................................................................... 22 3.1.1 Einführung in das Thema und eigene Komposition ................................................... 22 3.1.2 Die Seejungfrau, Teil 1 .............................................................................................. 23 3.1.3 Die Seejungfrau, Teil 2 .............................................................................................. 24 3.1.4 Die Seejungfrau, Teil 3 .............................................................................................. 25 3.1.6 Das Orchester kennenlernen ...................................................................................... 25 3.1.7 Nach dem Konzertbesuch .......................................................................................... 26 3.2 Materialien ........................................................................................................................ 27 3.2.1 Gruppenarbeit „Erlebnisse der sechs Schwestern“ .................................................... 27 3.2.2 Briefe Zemlinskys an Schönberg über die Entstehung der Seejungfrau .................... 29 3.2.3 Spielanweisungen....................................................................................................... 34 3.2.4 Gesichtsausdrücke...................................................................................................... 35 3.2.5 Noten für Klassenmusizieren – Filmmusik zu „H2O“ ............................................... 38 3.2.6 Lösungen zu den Aufgaben........................................................................................ 38 4. Literaturverzeichnis ................................................................................................................ 39 2 1. Einleitung Diese Handreichung soll helfen, Schülerinnen und Schülern einen Zugang zu Zemlinskys Musik zu ermöglichen. Neben Hintergrundinformationen zum Komponisten und Werk, gibt sie Vorschläge und konkrete Aufgaben für den Musikunterricht ab der 8. Klasse. Zemlinskys „Seejungfrau“ beinhaltet Themen, wie Identität, Heimat, Sehnsucht und andere Gefühle, die Jugendliche auch heute beschäftigen. 2. Informationen für Lehrerinnen und Lehrer 2.1 Alexander von Zemlinsky Alexander von Zemlinsky (18711942) war ein erfolgreicher Dirigent und Komponist, dessen Karriere der Nationalsozialismus leider beendete und dessen Kompositionen in den 1970er Jahren wieder neu entdeckt wurden. Zemlinsky bekam während seines Studiums zunächst eine klassische Ausbildung, zu der beispielsweise motivische Arbeit, Formanalyse, Generalbasslehre und Kontrapunkt gehörten. Zemlinskys frühe Werke, wie auch „Die Seejungfrau“, sind von Stilelementen der Komponisten Beethoven, Schubert, Schumann und Brahms beeinflusst. Auch Mahler war einer seiner Vorbilder. Traditionelle motivische Arbeit verbindet Zemlinsky mit expressionistischem Ausdruck. In seinen Opernwerken verwendet Zemlinsky eingängige Melodien und klangvolle Instrumentation für positive Charaktere und Handlungen sowie Chromatik und scharfe, dunkle Klänge für alles Negative. Die späteren Werke Zemlinskys haben erkennbare Einflüsse durch Wagner. Zemlinsky spielt mit Alterierungen, nutzt die Emanzipation des Septakkordes zur Konsonanz und eine erweiterte Harmonik. Er gibt präzise Spielanweisungen an die Musikerinnen und Musiker, die eine ausdrucksvolle Spielweise fordern. Einige harmonische Wendungen haben in Zemlinskys Werken ganz bestimmte Bedeutungen. Er spielt ebenso mit Zahlen und Buchstaben, die in ihrer speziellen Abfolge einen Sinn ergeben. Seine musikalischen Motive stehen für Ideen, Gefühle und Stimmungen. In späteren Werken gibt es auch Leitmotive wie in Wagners Musik. 3 Zemlinskys Musik ist ausdrucksstark und gehört zur „Hochexpressionistischen Endphase der ‚traditionellen‘ Musik“.1 Er war Wegbereiter für die Musik des 20. Jahrhunderts. Alexander von Zemlinsky zählt – wie auch Franz Schreker - zur Vorkriegsgeneration, die die historische Kontinuität der Musik erhielten und im Blick auf die Vergangenheit komponierten. Seine Musik richtet sich mehr nach absolut-musikalischem Maßstäben als nach der Programmmusik.2 In seiner Kindheit lernte Zemlinsky Klavier spielen und sang im Tempelchor der jüdischen Gemeinde. Er besuchte ab dem 14. Lebensjahr das Konservatorium der Musikfreunde in Wien und studierte Klavier, Musiktheorie und Komposition. Während seines Studiums gewann er mehrere Preise, u. a. einen Konzertflügel beim Klavierwettbewerb der Firma Bösendorfer. Zemlinsky wurde von Brahms in seiner Komponisten-Laufbahn gefördert und dem Verleger Simrock vorgestellt. Später unterstützte ihn Mahler mit der Uraufführung seiner Oper „Es war einmal...“. Zemlinsky war offen für den neuen Kompositionsstil der Wiener Schule, komponierte selbst jedoch nicht atonal.3 Er schrieb Werke für Chor mit Begleitung, ein Chorwerk a cappella, Werke für Gesang mit Begleitung, zahlreiche Lieder für Gesang und Klavier, Opern, Ballette, ein Mimodram, eine Bühnenmusik, Kammermusik mit und ohne Klavier, Klaviermusik und Orchesterwerke, zu denen auch die Fantasie „Die Seejungfrau“ zählt. Sein Schüler Arnold Schönberg heiratete Alexander Zemlinskys Schwester Mathilde. Schönberg und Zemlinsky pflegten eine herzliche Freundschaft, die sich in ihrem größtenteils erhaltenen Briefwechsel zeigt. Der Briefwechsel zeugt von ihren unterschiedlichen Temperamenten, Schönbergs Optimismus und Zemlinskys Melancholie. Gelegentlich tauschten sie sich auch über ihre Kompositionen aus.4 Auch mit Webern, Berg und seinem Studienkollegen Schreker unterhielt er Briefkontakte. Zemlinsky galt im Schönberg-Kreis als eine Autoritätsperson. Vor allem die Briefe von Webern und Berg zeugen von Respekt gegenüber dem ehemaligen Lehrer Schönbergs.5 Als der Briefwechsel mit Schönberg nach Mathildes Tod abnahm, trat Berg als Korrespondenz-Partner an Schönbergs Stelle.6 Zemlinsky widmete seiner Schülerin Alma Schindler Mahler, in die er sich verliebt hatte, einige seiner Kompositionen. Obwohl sie ihn zuerst als eine „Carricatur – kinnlos, klein, mit herausquellenden Augen und einem zu ‚verrückten‘ Dirigieren“7 bezeichnete entwickelte sich nach privatem Kompositionsunterricht und gemeinsamen 1 MGG, S.1422 Vgl. Danuser 3 Vgl. Konzertführer (SWR), S.966 4 Vgl. Ertelt, S.XXIIIff 5 Ebd. S.XXVII 6 Ebd. S. XXVIII 7 Alma Mahler-Werfel. Tagebuch-Suiten, 11.Febr. 1900; Ausg. 1997, s. Dokumente 2 4 Konzertbesuchen eine Affäre zwischen den beiden, die mit Almas Verlobung mit Mahler endete. Zemlinsky heiratete zunächst Ida Guttmann, mit der er in Wien wohnte und lebte ab 1930 in zweiter Ehe mit der Prager Sängerin Luise Sachser in Berlin. Er war ein begabter Pianist, Dirigent und Komponist, dirigierte und komponierte für führende Theater- und Konzerthäuser seiner Zeit. So kam er nach Wien, Mannheim, München, Prag, Rom, Barcelona, Berlin, Paris, Warschau, Leningrad und Zürich, teils als Gastdirigent und teils fest angestellt. Als Operndirektor am Neuen Deutschen Theater in Prag brachte er dessen Publikum die Neue Musik näher und blieb in Kontakt mit dem Komponisten-Kreis um Schönberg. Zemlinsky trat 1899 aus der Israelitischen Kultusgemeinde aus, trat den Freimaurern und dem Protestantismus bei. Ab 1934 galt seine Musik dennoch durch den Nationalsozialismus als verpönt und sogar schon unterschriebene Verträge mit deutschen Bühnen wurden gekündigt. Aufgrund der jüdisch-muslimischen Wurzeln seiner Mutter musste Zemlinsky nach Hitlers Machtergreifung in die USA emigrieren. Aus Geldschwierigkeiten komponierte er dort populäre Songs und Schulstücke. Nach drei Schlaganfällen starb Zemlinsky in Larchmont (New York) im Alter von 70 Jahren an einer Lungenentzündung. 2.2 Die Seejungfrau Zemlinsky hat „Die Seejungfrau“, eine Sinfonische Dichtung für Orchester, in den Jahren 1902 / 1903 nach einem Märchen von Christian Andersen komponiert. „Die Seejungfrau“ blieb nach ihrer Uraufführung bei einem Konzert des von Schönberg gegründeten „Vereins schaffender Tonkünstler“ in Wien im Jahre 1905 ohne große Resonanz. Erst in den 1970er Jahren wurde sie wiederentdeckt und seitdem wieder aufgeführt. 2.2.1 Sinfonische Dichtung, Fantasie oder Tondichtung? „Die Seejungfrau“ wird sowohl als eine Sinfonische Dichtung als auch eine Fantasie bezeichnet. Beide Gattungen entstanden in der Romantik und sind Formen der Programmmusik. In der von Liszt definierten Sinfonischen Dichtung werden Werke aus der Literatur, Themen oder Überschriften mithilfe von charakteristischen musikalischen Mitteln bzw. Motiven dargestellt, in einem sinfonischen Gesamtwerk miteinander verbunden und verarbeitet. Einer Sinfonischen Dichtung liegt also stets eine poetische Idee, ein Sujet oder ein Programm zugrunde. Die Kompositionen haben sinfonischen Anspruch und lassen in den Vorstellungen der Zuhörer Bilder entstehen. Die Idee der Synthese der Künste in der Romantik und das Verständnis von Musik als Ausdrucksform des Poetischen unterstützt den Gedanken, dass Sinfonische Dichtungen die inneren Vorgänge, Gefühle und Stimmungen ausdrücken, die in Dichtung und Malerei nicht dargestellt werden können. Musik wird zur Sprache. Selbst die Form ist nicht mehr vorgegeben, sondern richtet sich nach dem Thema und dessen Ausdruck. So bekommt die Formkonzeption eine Vielfalt von Möglichkeiten. Das Programm, das die 5 Komponisten für Aufführungen Sinfonischer Dichtungen verfassten oder verfassen ließen, diente dazu die Verbindung zwischen Gefühl und Verstand wieder herzustellen. Um 1900 wurde die Gattung Sinfonische Dichtung oft auch Tondichtung genannt. Die Fantasie ist eine weitere Bezeichnung für die Sinfonische Dichtung. Sie distanziert sich im Vergleich zum Begriff der Sinfonischen Dichtung wieder etwas von einer zugrunde liegenden Dichtung und impliziert eine freiere Kompositionsweise, die nicht strikt an die Textvorlage gebunden ist. 2.2.2 Entstehung Zemlinsky verarbeitete in seiner „Seejungfrau“ Themen, die ihn zu dieser Zeit aufgrund seiner persönlichen und beruflichen Situation beschäftigten. Hier spielten der Abbruch seiner Affäre zu Alma Schindler und der Vorwurf der Musikkritiker, seine Musik wäre wenig originell und modern eine Rolle. Das Märchen der kleinen Seejungfrau mit dem Thema der unerfüllten Liebe und der Identitätsfindung hatte ihn wohl in der Zeit um 1902 / 1903 angesprochen. Er begann im Februar 1902 mit der „Seejungfrau“ (kurz vor der Mahler-SchindlerHochzeit) und stellte seine Komposition im März 1903 fertig. Es entstand ein ca. 45minütiges Werk in drei Teilen. Vor der Uraufführung strich Zemlinsky einige Passagen heraus, wie z. B. den Besuch der Seejungfrau bei der Meerhexe. Das Programm zur „Seejungfrau“, das Zemlinsky selbst verfasste, ist leider verschwunden. Aus dem Briefwechsel Zemlinskys mit Schönberg sind einige Kommentare zur Entstehung der Seejungfrau erhalten (siehe Unterrichtsmaterialien 3.2.2). Am 25. Januar 1905 wurden Zemlinskys „Seejungfrau“ und Schönbergs „Pelleas und Melisande“ uraufgeführt. Im Vergleich zu „Pelleas und Melisande“ beschrieben Rezensenten Zemlinskys Werk als eklektizistisch. Während Schönbergs Sinfonische Dichtung sowohl Empörung als auch Begeisterung unter dem Publikum hervorriefen, enttäuschte „Die Seejungfrau“ die Erwartungen des Wiener Publikums an Zemlinsky, der nach seinem erfolgreichen Studium als talentierter Hoffnungsträger der jungen Musikszene in Wien galt. Nach diesen schlechten Kritiken brachte Zemlinsky seine „Seejungfrau“ nicht mehr zur Aufführung. „Die Seejungfrau“ und auch „Pelleas und Melisande“ von Schönberg weisen beide sowohl „absolute“ als auch „ programmatische“ Züge auf. Dies mag eine Antwort auf den damals aktuellen Streit zwischen Wagnerianern und Brahminen gewesen sein, die die beiden Richtungen strikt trennten. Nach Ansicht der jungen Wiener Komponisten konnte Zemlinskys Musik beide Strömungen miteinander vereinbaren. Während der erste Teil der „Seejungfrau“ Andersens Vorlage noch sehr konsequent folgt, wird die Komposition in der Fortführung abstrakter und scheint mehr nach den Richtlinien „absoluter“ Musik komponiert. Zemlinsky weicht von seiner Vorlage ab, um das Werk innermusikalisch stimmiger zu komponieren, wie z.B. mit der Verwendung von Gegensätzen. Die Zuhörer können dann nicht mehr eindeutig die 6 Handlung der Geschichte auf die Musik beziehen, begegnen jedoch immer wieder Stimmungen und Gefühlen, die die Seejungfrau durchlebt. Heutigen musikwissenschaftlichen Forschungen zufolge bekamen Zemlinskys Kompositionen durch seine persönliche Krise eine größere Sensibilität darin, emotionale Intensität durch seine Musik auszudrücken und verschiedenste Nuancen des Ausdrucks herauszuarbeiten. Diese Sensibilität, die vorher schon seine Lieder bereicherte, fand sich nun auch in der Komposition seiner größeren Werke. Er entwickelte in der Zeit der Komposition seiner „Seejungfrau“ durchaus einen eigenen Stil, auch wenn er sich nicht der Neuen Wiener Schule und deren atonaler Kompositionsweise anschloss. Somit nimmt die „Seejungfrau“ eine Schlüsselposition unter den Kompositionen Zemlinskys ein. 2.2.3 Die kleine Seejungfrau – ein Märchen von Christian Andersen Der folgende Text wurde gekürzt und an die aktuelle Rechtschreibung angepasst. Der gesamte Text ist im Internet nachzulesen unter: http://www.zeno.org/Literatur/M/Andersen,+Hans+Christian/M%C3%A4rchensammlu ng/M%C3%A4rchen/Die+kleine+Seejungfrau Die Meereswelt Weit hinaus im Meer ist das Wasser so blau wie die Blätter der schönsten Kornblume und so klar wie das reinste Glas, aber es ist sehr tief, tiefer als irgend ein Ankertau reicht; viele Kirchtürme müssten auf einander gestellt werden, um vom Boden bis über das Wasser zu reichen. Nun muss man aber nicht glauben, dass da nur der weiße Sandboden sei; nein, da wachsen die sonderbarsten Bäume und Pflanzen, die so geschmeidig im Stiel und in den Blättern sind, dass sie sich bei der geringsten Bewegung des Wassers rühren, gerade als ob sie lebten. Alle Fische, kleine und große, schlüpfen zwischen den Zweigen hindurch, ebenso wie hier oben die Vögel in der Luft. An der allertiefsten Stelle liegt des Meerkönigs Schloss, die Mauern sind von Korallen und die langen, spitzen Fenster vom allerklarsten Bernstein; aber das Dach bilden Muschelschalen, die sich öffnen und schließen, je nachdem das Wasser strömt. Das sieht herrlich aus, denn in jeder liegen strahlende Perlen; eine einzige würde in der Krone einer Königin die größte Pracht geben. Der Meerkönig hatte sechs schöne Kinder, aber die jüngste war die schönste von allen, ihre Haut war so klar und fein wie ein Rosenblatt, ihre Augen so blau wie die tiefste See, aber wie all' die andern hatte sie keine Füße, ihr Körper endete in einen Fischschwanz. Es gab keine größere Freude für sie, als von der Menschenwelt zu hören; die alte Großmutter musste alles, was sie von Schiffen und Städten, Menschen und Tieren wusste, erzählen. Hauptsächlich erschien ihr ganz besonders schön, dass oben auf der Erde die Blumen duften, das taten sie auf dem Grunde des Meeres nicht, und dass die Wälder grün sind, und dass die Fische, die man dort zwischen den Bäumen erblickt, so laut und herrlich singen können, dass es eine Lust ist. 7 »Wenn Ihr Euer fünfzehntes Jahr erreicht habt,« sagte die Großmutter, »dann sollt Ihr die Erlaubnis erhalten, aus dem Wasser empor zu tauchen, im Mondschein auf der Klippe zu sitzen und die großen Schiffe, die vorbei segeln, zu sehen, Wälder und Städte werdet Ihr dann erblicken!« Die Erlebnisse der Schwestern an der Wasseroberfläche Nun war die älteste Prinzessin fünfzehn Jahre alt und durfte über die Meeresfläche emporsteigen. Als sie zurückkehrte, hatte sie hunderterlei zu erzählen, aber das Schönste, sagte sie, war im Mondschein auf einer Sandbank in der ruhigen See zu liegen, und nahebei die Küste mit der großen Stadt zu betrachten, wo die Lichter gleich hundert Sternen blinkten, die Musik und den Lärm und das Toben von Wagen und Menschen zu hören, die vielen Kirchtürme und Spitzen zu sehen, und das Läuten der Glocken zu hören. Im folgenden Jahre erhielt die zweite Schwester die Erlaubnis, durch das Wasser empor zu steigen und zu schwimmen, wohin sie wolle. Sie tauchte auf, eben als die Sonne unterging, und dieser Anblick, fand sie, war das Schönste. Der ganze Himmel habe wie Gold ausgesehen, sagte sie, und die Wolken, ja, deren Schönheit konnte sie nicht genug beschreiben; rot und blau waren sie über ihr dahin gesegelt, aber weit schneller als diese, flog, einem langen, weißen Schleier gleich, ein Schwarm wilder Schwäne über das Wasser hin, wo die Sonne stand. Sie schwammen derselben entgegen, aber die Sonne sank, und der Rosenschein erlosch auf der Meeresfläche und den Wolken. Das Jahr darauf kam die dritte Schwester hinauf; sie war die mutigste von allen, deshalb schwamm sie einen breiten Fluss aufwärts, der in das Meer ausmündete. Herrlich grüne Hügel mit Weinranken erblickte sie, Schlösser und Gehöfte schimmerten durch prächtige Wälder hervor; sie hörte, wie alle Vögel sangen, und die Sonne schien so warm, dass sie oft unter das Wasser tauchen musste, um ihr brennendes Antlitz abzukühlen. Nie konnte sie die prächtigen Wälder, die grünen Hügel und die niedlichen Kinder vergessen, die im Wasser schwimmen konnten, obgleich sie keinen Fischschwanz hatten. Die vierte Schwester war nicht so kühn, sie blieb draußen mitten im wilden Meer, und erzählte, dass es dort am schönsten sei; man sehe ringsumher, viele Meilen weit, und der Himmel stehe wie eine Glasglocke darüber. Schiffe hatte sie gesehen, aber nur in weiter Ferne, sie sahen wie Strandmöven aus, und die possierlichen Delphine hatten Purzelbäume geschossen, und die großen Walfische aus ihren Nasenlöchern Wasser empor gespritzt, sodass es ausgesehen hatte, wie hunderte von Springbrunnen ringsumher. Nun kam die Reihe an die fünfte Schwester; ihr Geburtstag fiel gerade im Winter, und deshalb sah sie, was die andern das erste Mal nicht gesehen hatten. Die See nahm sich ganz grün aus, und ringsumher schwammen große Eisberge, ein jeder sah wie eine Perle aus, sagte sie, und war doch weit größer als die Kirchtürme, welche die Menschen bauen. Sie zeigten sich in den sonderbarsten Gestalten und glänzten wie Diamanten. Sie hatte sich auf einen der allergrößten gesetzt und alle Segler kreuzten erschrocken draußen herum, wo sie saß und den Wind mit ihrem langen Haar spielen ließ; aber gegen Abend hatte sich der Himmel mit Wolken überzogen, es blitzte und donnerte, 8 während die schwarze See die großen Eisblöcke hoch emporhob und sie beim roten Blitz erglänzen ließ. Auf allen Schiffen nahm man die Segel ein, da war eine Angst und ein Grauen, aber sie saß ruhig auf ihrem schwimmenden Eisberge und sah die blauen Blitzstrahlen im Zickzack in die schimmernde See fahren. Endlich war die jüngste Schwester fünfzehn Jahre alt. Die Sonne war eben untergegangen, als sie den Kopf über das Wasser erhob, aber alle Wolken glänzten noch wie Rosen und Gold, und inmitten der blassroten Luft strahlte der Abendstern hell und schön, die Luft war mild und frisch, und das Meer ganz ruhig. Da lag ein großes Schiff mit drei Masten, ein einziges Segel war nur aufgezogen, denn es rührte sich kein Lüftchen, und ringsumher im Tauwerk und auf den Stangen saßen Matrosen. Da war Musik und Gesang, und wie der Abend dunkler ward, wurden Hunderte von bunten Laternen angezündet; sie sahen aus als ob die Flaggen aller Völker in der Luft wehten. Die kleine Seejungfrau schwamm bis zum Kajütenfenster hin, und jedes Mal, wenn das Wasser sie emporhob, konnte sie durch die spiegelklaren Fensterscheiben blicken, wo viele geputzte Menschen standen; aber der schönste war doch der junge Prinz mit den großen, schwarzen Augen. Er war sicher nicht mehr als fünfzehn Jahre alt; heute war sein Geburtstag und deshalb herrschte all' diese Pracht. Die Matrosen tanzten auf dem Verdeck, und als der junge Prinz da hinaustrat, stiegen über hundert Raketen in die Luft, die leuchteten wie der helle Tag, sodass die kleine Seejungfrau sehr erschrak und unter das Wasser tauchte, aber sie steckte bald den Kopf wieder hervor, und da war es gerade, als ob alle Sterne des Himmels zu ihr herunter fielen. Nie hatte sie solche Feuerkünste gesehen. Große Sonnen sprühten herum, prächtige Feuerfische flogen in die blaue Luft, und alles glänzte in der klaren, stillen See wieder. Auf dem Schiffe selbst war es so hell, dass man jedes kleine Tau, wie viel mehr die Menschen sehen konnte. O, wie war doch der junge Prinz hübsch, und er drückte den Leuten die Hände und lächelte, während die Musik in der herrlichen Nacht erklang! Sturm und Rettung Es wurde spät, aber die kleine Seejungfrau konnte ihre Augen nicht von dem Schiffe und dem schönen Prinzen wegwenden. Die bunten Laternen wurden ausgelöscht, Raketen stiegen nicht mehr in die Höhe, es ertönten auch keine Kanonenschüsse mehr, aber tief unten im Meer summte und brummte es. Inzwischen saß sie auf dem Wasser und schaukelte auf und nieder, sodass sie in die Kajüte hineinblicken konnte; aber das Schiff bekam mehr Wind, ein Segel nach dem andern breitete sich aus, nun gingen die Wogen stärker, große Wolken zogen auf, es blitzte in der Ferne. O, es wird ein erschrecklich böses Wetter werden; deshalb nahmen die Matrosen die Segel ein. Das große Schiff schaukelte in fliegender Fahrt auf der wilden See, das Wasser erhob sich, gleich großen, schwarzen Bergen, die über die Maste wälzen wollten, aber das Schiff tauchte einem Schwan gleich zwischen den hohen Wogen nieder, und ließ sich wieder auf die aufgetürmten Wasser heben. Der kleinen Seejungfrau bedünkte es eine recht lustige Fahrt zu sein, aber so erschien es den Seeleuten nicht. Das Schiff knackte und krachte, die dicken Planken bogen sich bei den starken Stößen, die See drang in das Schiff hinein, der Mast brach mitten durch, als ob er ein Rohr wäre und das Schiff legte sich auf die Seite, während das Wasser in den Raum eindrang. Nun sah die kleine Seejungfrau, dass sie in Gefahr waren, sie musste sich selbst vor Balken und Stücken vom Schiff, die auf dem Wasser trieben, in acht nehmen. Einen Augenblick war es so stockdunkel, dass sie nicht das mindeste wahrnehmen konnte, aber wenn es dann blitzte, 9 wurde es wieder so hell, dass sie alle auf dem Schiff erkennen konnte; besonders suchte sie den jungen Prinzen, und sie sah ihn, als das Schiff verschwand, in das tiefe Meer versinken. Zuerst wurde sie ganz vergnügt, denn nun kam er zu ihr hinunter, aber da gedachte sie, dass die Menschen nicht im Wasser leben können, und dass er nicht anders als tot zum Schlosse ihres Vaters hinuntergelangen konnte. Nein, sterben, das durfte er nicht; deshalb schwamm sie hin zwischen Balken und Planken, die auf der See trieben, und vergaß völlig, dass diese sie hätten zerquetschen können; sie tauchte tief unter das Wasser und stieg wieder hoch zwischen den Wogen empor, und gelangte am Ende so zu dem jungen Prinzen hin, der fast nicht länger in der stürmenden See schwimmen konnte; seine Arme und Beine begannen zu ermatten, die schönen Augen schlossen sich, er hätte sterben müssen, wäre die kleine Seejungfrau nicht hinzugekommen. Sie hielt seinen Kopf über dem Wasser empor, und ließ sich dann mit ihm von den Wogen treiben, wohin sie wollten. Am Morgen war das böse Wetter vorüber, von dem Schiffe war keine Spur zu erblicken, die Sonne stieg rot und glänzend aus dem Wasser empor, es war, als ob des Prinzen Wangen Leben dadurch erhielten, aber die Augen blieben geschlossen. Die Seejungfrau küsste seine hohe, schöne Stirn und strich sein nasses Haar zurück. Nun erblickte sie vor sich das feste Land, hohe, blaue Berge, auf deren Gipfel der weiße Schnee erglänzte, als wären es Schwäne, die dort lägen; unten an der Küste waren herrliche, grüne Wälder, und vorn lag eine Kirche oder ein Kloster, das wusste sie nicht recht, aber ein Gebäude war es. Zitronen- und Apfelsinenbäume wuchsen im Garten, und vor dem Tor standen hohe Palmbäume. Die See bildete hier eine kleine Bucht, da war es ganz still, aber sehr tief; hierher bis zur Klippe, wo der weiße, feine Sand aufgespült war, schwamm sie mit dem schönen Prinzen, legte ihn in den Sand, und sorgte besonders dafür, dass der Kopf hoch im warmen Sonnenschein lag. Nun läuteten die Glocken in dem großen, weißen Gebäude, und es kamen viele junge Mädchen durch den Garten. Da schwamm die kleine Seejungfrau weiter hinaus, hinter einige hohe Steine, die aus dem Wasser emporragten, legte Seeschaum auf ihr Haar und ihre Brust, sodass niemand ihr kleines Antlitz sehen konnte, und dann passte sie auf, wer zu dem armen Prinzen kommen würde. Es währte nicht lange, bis ein junges Mädchen dorthin kam; sie schien sehr zu erschrecken, aber nur einen Augenblick, dann holte sie mehrere Menschen, und die Seejungfrau sah, dass der Prinz zum Leben zurückkehrte, und dass er alle ringsherum anlächelte, aber zu ihr hinaus lächelte er nicht, er wusste ja auch nicht, dass sie ihn gerettet hatte. Sie fühlte sich sehr betrübt, und als er in das große Gebäude hineingeführt wurde, tauchte sie traurig unter das Wasser und kehrte zum Schlosse ihres Vaters zurück. Die Unsterblichkeit der Seele Immer war sie still und nachdenkend gewesen, aber nun wurde sie es weit mehr. Die Schwestern fragten sie, was sie das erste Mal dort oben gesehen habe, aber sie erzählte erst als sie es nicht mehr länger aushalten konnte. Eine der Seejungfrauen wusste, wer der Prinz war, sie hatte auch das Fest auf dem Schiffe gesehen, und gab an, woher er war und wo sein Königsschloss lag. Nun wusste sie, wo er wohnte, und dort war sie manchen Abend und manche Nacht auf dem Wasser; sie schwamm dem Lande weit näher, als eine der andern es gewagt hatte. 10 Mehr und mehr fing sie an die Menschen zu lieben, mehr und mehr wünschte sie, unter ihnen umher wandeln zu können. »Wenn die Menschen nicht ertrinken,« fragte die kleine Seejungfrau ihre Großmutter, »können sie dann ewig leben, sterben sie nicht, wie wir unten im Meer?« »Ja,« sagte die Alte, »sie müssen auch sterben, und ihre Lebenszeit ist sogar noch kürzer, als die unsere. Wir können dreihundert Jahre alt werden, aber wenn wir dann aufhören zu sein, so werden wir in Schaum auf dem Wasser verwandelt, haben nicht einmal ein Grab hier unten unter unsern Lieben. Wir haben keine unsterbliche Seele, wir erhalten nie wieder Leben, wir sind gleich dem grünen Schilf, ist das einmal durchschnitten, so kann es nicht wieder grünen. Die Menschen dahingegen haben eine Seele, die ewig lebt, lebt, nachdem der Körper zu Erde geworden ist; sie steigt durch die klare Luft empor hinauf zu allen den glänzenden Sternen! So wie wir aus dem Wasser auftauchen und die Länder der Menschen erblicken, so steigen sie zu unbekannten, herrlichen Orten auf, die wir nie zu sehen bekommen.« »Warum bekamen wir keine unsterbliche Seele?« fragte die kleine Seejungfrau betrübt. »Ich möchte alle meine Hunderte von Jahren, die ich zu leben habe, dafür geben, um nur einen Tag ein Mensch zu sein und dann Anteil an der himmlischen Welt zu haben.« »Daran musst du nicht denken!« sagte die Alte. »Wir fühlen uns weit glücklicher und besser, als die Menschen dort oben!« »Ich werde also sterben und als Schaum auf dem Meer treiben, nicht die Musik der Wogen hören, die schönen Blumen und die rote Sonne sehen? Kann ich denn gar nichts tun, um eine unsterbliche Seele zu gewinnen?« »Nein,« sagte die Alte, »nur wenn ein Mensch dich so lieben würde, dass du ihm mehr als Vater und Mutter wärest; wenn er mit all' seinem Denken und all' seiner Liebe an dir hinge, und dem Prediger seine rechte Hand in die Deinige, mit dem Versprechen der Treue hier und in alle Ewigkeit, legen ließe, dann flösse seine Seele in deinen Körper über, und auch du erhieltest Anteil an der Glückseligkeit der Menschen. Er gäbe dir Seele und behielt doch seine eigene. Aber das kann nie geschehen! Was hier im Meer gerade schön ist, dein Fischschwanz, finden sie dort auf der Erde hässlich, sie verstehen es nun nicht besser, man muss dort zwei plumpe Stützen haben, die sie Beine nennen, um schön zu sein!« Da seufzte die kleine Seejungfrau und sah betrübt auf ihren Fischschwanz. »Lass uns froh sein!« sagte die Alte. »Hüpfen und springen wollen wir in den dreihundert Jahren, die wir zu leben haben. Das ist wahrlich lange Zeit genug, später kann man umso besser ausruhen. Heute Abend werden wir Hofball haben!« Der Ball auf dem Meeresschloss Das war auch eine Pracht, wie man sie nie auf Erden erblickt. Die Wände und die Decke des großen Tanzsaales waren von dickem, aber klarem Glase. Mehrere hundert ungeheure Muschelschalen, rosenrote und grasgrüne, standen zu jeder Seite in Reihen mit einem blau brennenden Feuer, welches den ganzen Saal beleuchtete und durch die Wände hinaus schien, sodass die See draußen ganz beleuchtet war; man konnte alle die unzähligen Fische sehen, große und kleine, die gegen die Glasmauern hinschwammen; auf einigen glänzten die Schuppen purpurrot, auf andern erschienen sie wie Silber und Gold. – Mitten durch den Saal floss ein breiter Strom, und auf diesem tanzten die Meermänner und Meerweibchen zu ihrem eigenen lieblichen Gesang. So schöne Stimmen haben die Menschen auf der Erde nicht. Die kleine Seejungfrau sang am 11 schönsten von ihnen allen, sie wurde deshalb beklatscht, und einen Augenblick fühlte sie eine Freude in ihrem Herzen, denn sie wusste, dass sie die schönste Stimme von allen auf der Erde und im Meere hatte. Aber bald gedachte sie wieder der Welt oben über sich; sie konnte den hübschen Prinzen und ihren Kummer, dass sie keine unsterbliche Seele wie er besaß, nicht vergessen. Deshalb schlich sie sich aus ihres Vaters Schloss hinaus, und während alles drinnen Gesang und Frohsinn war, saß sie betrübt in ihrem kleinen Garten. Da hörte sie das Waldhorn durch das Wasser ertönen, und sie dachte: »Nun segelt er sicher dort oben, er, von dem ich mehr halte, als von Vater und Mutter, er, an dem meine Sinne hängen und in dessen Hand ich meines Lebens Glück legen möchte. Alles will ich wagen, um ihn und eine unsterbliche Seele zu gewinnen! Während meine Schwestern dort in meines Vaters Schloss tanzen, will ich zur Meerhexe gehen, vor der ich mich immer gefürchtet habe, aber sie kann mir vielleicht raten und helfen!« Die Verwandlung der kleinen Seejungfrau Nun ging die kleine Seejungfrau aus ihrem Garten hinaus nach den brausenden Strudeln hin, hinter denen die Hexe wohnte. Den Weg hatte sie früher nie zurückgelegt; da wuchsen keine Blumen, kein Seegras, nur der nackte, graue Sandboden erstreckte sich gegen die Strudel hin, wo das Wasser gleich brausenden Mühlrädern herumwirbelte und alles, was es erfasste, mit sich in die Tiefe riss. Mitten zwischen diesen zermalmenden Wirbeln musste sie hindurch, um in den Bereich der Meerhexe zu gelangen, und hier war ein langes Stück kein anderer Weg, als über warmen sprudelnden Schlamm, welchen die Hexe ihren Torfmoor nannte. Dahinter lag ihr Haus mitten in einem seltsamen Walde. Alle Bäume und Büsche waren Polypen, halb Tier, halb Pflanze, sie sahen aus, wie hundertköpfige Schlangen, die aus der Erde hervor wuchsen; alle Zweige waren lange, schleimige Arme, mit Fingern, wie geschmeidige Würmer, und Glied um Glied bewegten sie sich, von der Wurzel bis zur äußersten Spitze. Alles, was sie im Meer erfassen konnten, umschlangen sie fest und ließen es nie wieder fahren. Die kleine Seejungfrau blieb ganz erschrocken stehen; ihr Herz pochte vor Furcht, fast wäre sie umgekehrt, aber da dachte sie an den Prinzen und an die Seele des Menschen, und da bekam sie Mut. Ihr langes, fliegendes Haar band sie fest um das Haupt, damit die Polypen sie nicht daran ergreifen möchten, beide Hände legte sie über ihre Brust zusammen, und schoss so davon, wie der Fisch durch das Wasser schießen kann, zwischen den hässlichen Polypen hindurch, die ihre geschmeidigen Arme und Finger hinter ihr her streckten. Sie sah, wie jeder von ihnen etwas, was er ergriffen hatte, mit Hunderten von kleinen Armen, gleich starken Eisenbanden, hielt. Menschen, die auf der See umgekommen und tief hinunter gesunken waren, sahen als weiße Gerippe aus den Armen der Polypen hervor. Schiffsruder und Kisten hielten sie fest, Knochen von Landtieren und ein kleines Meerweib, welches sie gefangen und erstickt hatten, das war ihr fast das Schrecklichste. Nun kam sie zu einem großen, sumpfigen Platz im Walde, wo große, fette Wasserschlangen sich wälzten und ihren hässlichen weißgelben Bauch zeigten. Mitten auf dem Platze war ein Haus, von weißen Knochen gestrandeter Menschen errichtet. »Ich weiß schon was Du willst!« sagte die Meerhexe; »es ist zwar dumm von dir, doch sollst du deinen Willen haben, denn er wird dich ins Unglück stürzen, meine schöne Prinzessin. Du willst gern deinen Fischschwanz los sein und statt dessen zwei Stützen gleich wie die Menschen zum Gehen haben, damit der junge Prinz verliebt in dich 12 werden möge, und du ihn und eine unsterbliche Seele erhalten kannst!« Dabei lachte die Hexe widerlich. »Ich werde dir einen Trank bereiten, mit dem musst du, bevor die Sonne aufgeht, nach dem Lande schwimmen, dich dort an das Ufer setzen und ihn trinken, dann schwindet dein Schweif und schrumpft zu dem, was die Menschen niedliche Beine nennen, ein; aber das tut wehe, es ist, als ob ein scharfes Schwert dich durchdränge. Alle, die dich sehen, werden sagen, du seiest das schönste Menschenkind, was sie gesehen haben! Du behältst deinen schwebenden Gang, keine Tänzerin kann schweben wie du, aber bei jedem Schritt, den du machst, ist dir, als ob du auf scharfe Messer trätest, als ob dein Blut fließen müsste. Willst du alles dies leiden, so werde ich dir helfen!« »Ja!« sagte die kleine Seejungfrau mit bebender Stimme, und gedachte des Prinzen und der unsterblichen Seele. »Aber bedenke,« sagte die Hexe, »hast du erst menschliche Gestalt bekommen, so kannst du nie wieder eine Seejungfrau werden! Und gewinnst du des Prinzen Liebe nicht, so bekommst du keine unsterbliche Seele! Am ersten Morgen, nachdem er mit einer andern verheiratet ist, da wird dein Herz brechen, und du wirst zu Schaum auf dem Wasser.« »Ich will es!« sagte die kleine Seejungfrau und ward bleich wie der Tod. »Aber du musst mich auch bezahlen!« sagte die Hexe, »und es ist nicht wenig, was ich verlange. Du hast die schönste Stimme von allen hier auf dem Grunde des Meeres, damit glaubst du wohl, ihn bezaubern zu können, aber diese Stimme musst du mir geben. Das Beste, was du besitzest, will ich für meinen köstlichen Trank haben! Mein eigen Blut muss ich dir ja darin geben, damit der Trank scharf werde, wie ein zweischneidig Schwert!« »Aber wenn du meine Stimme nimmst,« sagte die kleine Seejungfrau, »was bleibt mir dann übrig?« »Deine schöne Gestalt,« sagte die Hexe, »Dein schwebender Gang und deine sprechenden Augen, damit kannst du schon ein Menschenherz betören. Nun, hast du den Mut verloren? – Strecke deine kleine Zunge hervor, dann schneide ich sie an Zahlungs Statt ab, und du erhältst den kräftigen Trank!« »Es geschehe!« sagte die kleine Seejungfrau und die Hexe setzte ihren Kessel auf, um den Zaubertrank zu kochen. »Da hast du ihn!« sagte die Hexe und schnitt der kleinen Seejungfrau die Zunge ab, die nun stumm war, weder singen noch sprechen konnte. Bevor die kleine Seejungfrau an die Wasseroberfläche schwamm, kam sie am Schloss ihres Vaters vorbei. Sie schlich in den Garten, nahm eine Blume von jedem Blumenbeet ihrer Schwestern, warf tausende von Kussfingern dem Schlosse zu und stieg durch die dunkelblaue See hinauf. 13 Auf dem Schloss des Prinzen Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als sie des Prinzen Schloss erblickte und die prächtige Marmortreppe hinan stieg. Der Mond schien herrlich klar. Die kleine Seejungfrau trank den brennenden, scharfen Trank, und es war, als ginge ein zweischneidig Schwert durch ihren feinen Körper, sie fiel dabei in Ohnmacht und lag wie tot da. Als die Sonne über die See schien, erwachte sie und fühlte einen schneiden den Schmerz, aber vor ihr stand der schöne junge Prinz und heftete seine kohlschwarzen Augen auf sie, sodass sie die ihrigen niederschlug. Da sah sie, dass ihr Fischschwanz fort war, und dass sie die niedlichsten, kleinen weißen Beine hatte, die nur ein Mädchen haben kann; aber sie war ganz nackt, deshalb hüllte sie sich in ihr großes, langes Haar ein. Der Prinz fragte, wer sie sei, und wie sie dahin gekommen sei, und sie sah ihn milde und doch betrübt mit ihren dunkelblauen Augen an, sprechen konnte sie ja nicht. Da nahm er sie bei der Hand und führte sie in das Schloss hinein. Bei jedem Schritt, den sie tat, war ihr, wie die Hexe vorausgesagt hatte, als träte sie auf spitze Nadeln und scharfe Messer, aber das ertrug sie gern; an des Prinzen Hand stieg sie so leicht wie eine Seifenblase, und er sowie alle wunderten sich über ihren lieblichen, schwebenden Gang. Köstliche Kleider von Seide und Musselin bekam sie nun anzuziehen, im Schlosse war sie die Schönste von allen, aber sie war stumm, konnte weder singen, noch sprechen. Nun tanzten die Sklavinnen niedliche, schwebende Tänze zur herrlichsten Musik; da erhob die kleine Seejungfrau ihre schönen, weißen Arme, richtete sich auf den Zehenspitzen empor und schwebte tanzend über den Fußboden hin, wie noch keine getanzt hatte; bei jeder Bewegung wurde ihre Schönheit noch sichtbarer, und ihre Augen sprachen tiefer zum Herzen, als der Gesang der Sklavinnen. Alle waren entzückt davon, besonders der Prinz, der sie sein kleines Findelkind nannte, und sie tanzte immer fort, obwohl es jedes Mal, wenn ihr Fuß die Erde berührte, war, als ob sie auf scharfe Messer träte. Der Prinz sagte, dass sie immer bei ihm sein solle, und sie erhielt die Erlaubnis, vor seiner Tür auf einem Samtkissen zu schlafen. Er ließ ihr eine Männertracht machen, damit sie ihn zu Pferde begleiten könne. Sie ritten durch die duftenden Wälder, wo die grünen Zweige ihre Schultern berührten, und die kleinen Vögel hinter den frischen Blättern sangen. Sie kletterte mit dem Prinzen auf die hohen Berge hinauf, und obgleich ihre zarten Füße bluteten, sodass die andern es sehen konnten, lachte sie doch darüber und folgte ihm, bis sie die Wolken unter sich segeln sahen, als wäre es ein Schwarm Vögel, die nach fremden Ländern zögen. Aber nun sollte der Prinz sich verheiraten und des Nachbarkönigs schöne Tochter haben, erzählte man, deswegen rüstete er ein prächtiges Schiff aus. Der Prinz reist, um des Nachbarkönigs Länder zu besichtigen, heißt es wohl, aber es geschieht, um des Nachbarkönigs Tochter zu sehen, ein großes Gefolge soll ihn begleiten; aber die kleine Seejungfrau schüttelte das Haupt und lächelte; sie kannte des Prinzen Gedanken weit besser, als die andern. »Ich muss reisen!« hatte er zu ihr gesagt. »Ich muss die schöne Prinzessin sehen, meine Eltern verlangen es, aber sie wollen mich nicht zwingen, sie als meine Braut heimzuführen. Ich kann sie nicht lieben, sie gleichet nicht dem schönen Mädchen im Tempel, der du ähnlich bist; sollte ich einst eine Braut wählen, so würdest du es eher sein, mein liebes, gutes Findelkind mit den sprechenden Augen!« Und er küsste sie auf ihren roten Mund, spielte mit ihren schönen, langen Haaren und legte sein Haupt an ihr Herz, sodass dieses von Menschenglück und einer unsterblichen Seele träumte. 14 Die Vermählung des Prinzen Am nächsten Morgen segelte das Schiff in den Hafen von des Nachbarkönigs prächtiger Stadt. Alle Kirchenglocken läuteten und von den hohen Türmen wurden die Posaunen geblasen, während die Soldaten mit fliegenden Fahnen und blitzenden Bajonetten in Reihe und Glied dastanden. Jeder Tag führte ein neues Fest mit sich. Bälle und Gesellschaften folgten einander, aber die Prinzessin war noch nicht da, sie werde weit davon entfernt in einem Tempel erzogen, sagten sie, dort lerne sie alle königlichen Tugenden. Endlich traf sie ein. Die kleine Seejungfrau war begierig, ihre Schönheit zu sehen, und sie musste anerkennen, dass sie eine lieblichere Erscheinung noch nie gesehen habe. Die Haut war fein und klar und hinter den langen, dunklen Augenwimpern lächelten ein paar schwarzblaue, treue Augen. »Du bist es,« sagte der Prinz, »Du, die mich gerettet hat, als ich einer Leiche gleich an der Küste lag!« Und er drückte seine errötende Braut in seine Arme. »O, ich bin allzu glücklich!« sagte er zur kleinen Seejungfrau. »Das Beste, was ich je hoffen durfte, ist mir in Erfüllung gegangen. Du wirst dich über mein Glück freuen, denn du meinst es am besten mit mir von ihnen allen!« Die kleine Seejungfrau küsste seine Hand, und es kam ihr schon vor, als fühle sie ihr Herz brechen. Sein Hochzeitsmorgen sollte ihr ja den Tod geben und sie in Schaum auf dem Meere verwandeln. Noch an demselben Abend gingen die Braut und der Bräutigam an Bord des Schiffes; die Kanonen donnerten, alle Flaggen wehten und mitten auf dem Schiffe war ein köstliches Zelt von Gold und Purpur und mit den schönsten Kissen errichtet, da sollte das Brautpaar in der stillen, kühlen Nacht schlafen. Die Segel schwollen im Winde, und das Schiff glitt leicht und ohne große Bewegung über die klare See dahin. Als es dunkelte, wurden bunte Lampen angezündet und die Seeleute tanzten lustige Tänze auf dem Verdeck. Die kleine Seejungfrau musste ihres ersten Auftauchens aus dem Meere gedenken, wo sie dieselbe Pracht und Freude erblickt hatte, und sie drehte sich mit im Tanze, schwebte, wie die Schwalbe schwebt, wenn sie verfolgt wird, und alle jubelten ihr Bewunderung zu, nie hatte sie so herrlich getanzt; es schnitt wie scharfe Messer in die zarten Füße, aber sie fühlte es nicht; es schnitt ihr noch schmerzlicher durch das Herz. Sie wusste, es sei der letzte Abend, an dem sie ihn erblickte, für den sie ihre Verwandten und ihre Heimat verlassen, ihre schöne Stimme dahingegeben und täglich unendliche Qualen ertragen, ohne dass er eine Ahnung davon hatte. Es war die letzte Nacht, dass sie dieselbe Luft mit ihm einatmete, das tiefe Meer und den sternklaren Himmel erblickte, eine ewige Nacht ohne Gedanken und Traum harrte ihrer, die keine Seele hatte, keine Seele gewinnen konnte. Alles war Freude und Heiterkeit auf dem Schiffe bis weit über Mitternacht hinaus, sie lachte und tanzte mit Todesgedanken im Herzen. Der Prinz küsste seine schöne Braut, und sie spielte mit seinen schwarzen Haaren, und Arm in Arm gingen sie zur Ruhe in das prächtige Zelt. 15 Die Töchter der Luft Es wurde tot und stille auf dem Schiffe, nur der Steuermann stand am Ruder, die kleine Seejungfrau legte ihre weißen Arme auf den Schiffsrand und blickte gegen Osten nach der Morgenröte, der erste Sonnenstrahl, wusste sie, würde sie töten. Da sah sie ihre Schwestern aus dem Meere aufsteigen, sie waren bleich, wie sie; ihre langen, schönen Haare wehten nicht mehr im Winde, sie waren abgeschnitten. »Wir haben sie der Hexe gegeben, um dir Hilfe bringen zu können, damit du diese Nacht nicht sterben musst! Sie hat uns ein Messer gegeben, hier ist es! Siehst du, wie scharf? Bevor die Sonne aufgeht, musst du in das Herz des Prinzen stechen, und wenn dann das warme Blut auf deine Füße spritzt, so wachsen diese in einen Fischschwanz zusammen und du wirst wieder eine Seejungfrau, kannst zu uns herabsteigen und lebst deine dreihundert Jahre, bevor du der tote, salzige Seeschaum wirst. Beeile dich! Er oder du musst sterben, bevor die Sonne aufgeht! Unsere alte Großmutter trauert so, dass ihr weißes Haar gefallen ist wie das unsrige, von der Schere der Hexe. Töte den Prinzen und komm' zurück! Beeile dich, siehst du den roten Streifen am Himmel? In wenigen Minuten steigt die Sonne auf und dann musst du sterben!« Und sie stießen einen tiefen Seufzer aus und versanken in die Wogen. Die kleine Seejungfrau zog den Purpurteppich vom Zelte fort, und sie sah die schöne Braut mit ihrem Haupte an des Prinzen Brust ruhen, und sie bog sich nieder, küsste ihn auf seine schöne Stirn, blickte gen Himmel auf, wo die Morgenröte mehr und mehr leuchtete, betrachtete das scharfe Messer und heftete die Augen wieder auf den Prinzen, der im Traum seine Braut beim Namen nannte; nur sie war in seinen Gedanken, und das Messer zitterte in der Seejungfrau Hand, – aber da warf sie es weit hinaus in die Wogen, die glänzten rot; wo es hinfiel, sah es aus, als keimten Blutstropfen aus dem Wasser auf. Noch einmal sah sie mit halbgebrochenem Blicke auf den Prinzen, stürzte sich vom Schiffe in das Meer hinab und fühlte, wie ihr Körper sich in Schaum auflöste. Nun stieg die Sonne aus dem Meere auf, die Strahlen fielen mild und warm auf den todkalten Meeresschaum und die kleine Seejungfrau fühlte nichts vom Tode; sie sah die klare Sonne, und oben über ihr schwebten Hunderte von durchsichtigen, herrlichen Geschöpfen, sie konnte durch dieselben des Schiffes weiße Segel und des Himmels rote Wolken erblicken. Die Sprache derselben war melodisch, aber so geistig, dass kein menschliches Ohr es vernehmen, ebenso wie kein menschliches Auge sie erblicken konnte; ohne Schwingen schwebten sie vermittelst ihrer eigenen Leichtigkeit durch die Luft. Die kleine Seejungfrau sah, dass sie einen Körper hatte, wie diese, der sich mehr und mehr aus dem Schaume erhob. »Zu wem komme ich?« fragte sie, und ihre Stimme klang wie die der andern Wesen, so geistig, dass keine irdische Musik sie wiederzugeben vermag. »Zu den Töchtern der Luft!« erwiderten die andern. »Die Seejungfrau hat keine unsterbliche Seele, kann sie nie erhalten, wenn sie nicht eines Menschen Liebe gewinnt; von einer fremden Macht hängt ihr ewiges Dasein ab. Die Töchter der Luft haben auch keine ewige Seele, aber sie können durch gute Handlungen sich selbst eine schaffen. Wir fliegen nach den warmen Ländern, wo die schwüle Pestluft den Menschen tötet; dort fächeln wir Kühlung. Wir breiten den Duft der Blumen durch die Luft aus und senden Erquickung und Heilung. Wenn wir dreihundert Jahre lang gestrebt haben, alles Gute, was wir vermögen, zu vollbringen, so erhalten wir eine unsterbliche Seele und nehmen teil an dem ewigen Glücke der Menschen. Du arme, kleine Seejungfrau hast mit ganzem Herzen nach demselben, wie wir gestrebt, du hast gelitten und geduldet, 16 dich zur Luftgeisterwelt erhoben, nun kannst du dir selbst, durch gute Werke nach drei Jahrhunderten eine unsterbliche Seele schaffen.« Die kleine Seejungfrau erhob ihre verklärten Arme gegen Gottes Sonne, und zum ersten Mal fühlte sie Tränen in ihren Augen. – Auf dem Schiffe war wieder Lärm und Leben, sie sah den Prinzen mit seiner schönen Braut nach ihr suchen; wehmütig starrten sie den perlenden Schaum an, als ob sie wüssten, dass sie sich in die Fluten gestürzt habe. Unsichtbar küsste sie die Stirn der Braut, lächelte ihn an, und stieg mit den übrigen Kindern der Luft auf die rosenrote Wolke hinauf, welche den Äther durchschiffte. »Nach dreihundert Jahren schweben wir so in das Reich Gottes hinein!« Quelle: Aus: Andersen, H[ans] C[hristian]: Sämmtliche Märchen. Leipzig [um 1900], S. 319-347. 2.2.4 Musikalische Analyse 2.2.4.1 Besetzung und Steigerungen Zemlinsky komponierte „Die Seejungfrau“ für ein romantisches Sinfonieorchester. Er legte viel Wert auf differenzierte Instrumentierung und kreierte dadurch verschiedene Klangfarben. In der Komposition erklingen vier Flöten (3. und 4. auch kleine Flöte), zwei Oboen, ein Englisch Horn, eine Klarinette in Es, je zwei Klarinetten in B und in A, je eine Bassklarinette in B und in A, drei Fagotte, sechs Hörner in F, drei Trompeten in F, vier Posaunen (1.-3. Tenorposaunen, 4. Bassposaune), eine Basstuba, zwei Harfen, Pauken, Schlagwerk für zwei Spieler mit Glockenspiel, Triangel, Hängebecken und zwei Röhrenglocken sowie Streicher. Die Dynamik reicht von ppp (T. I, 1) bis fff (T. I, 164). Im dritten Teil verlangt Zemlinsky von Streichern und Harfe sogar ein ppppp (T. III, 215ff). Er bevorzugt reine Instrumentalfarben, die oft nur dezent von anderen Instrumentengruppen begleitet werden. Im ersten Teil kommen alle Instrumente vor, wobei die hohen Blechbläser nur teilweise spielen. Sie kommen in Abschnitten zur Geltung, in denen die Harfe pausiert und umgekehrt. So entstehen schon durch die Wahl der Klangfarbe Kontraste zwischen dramatischer und träumerischer Wirkung. Im zweiten Teil führt die Instrumentierung zu noch stärkeren Kontrasten. Ab T. II, 166 spielen nur noch die Bassklarinette und Streicher. Langsam kommen die anderen Instrumente dazu. Es ergibt sich eine Steigerung in der Instrumentation (und der Dynamik), die in den T. II, 202-203 ihren Höhepunkt erfährt und wieder eine Abnahme der Instrumente (und der Dynamik) zur Folge hat. Steigerung und Abklang wiederholen sich noch zweimal und haben in T. II, 229 und den T. II, 314-317 ihrer größte Besetzung und Intensität. Ein gemeinsamer Abschluss, der unerwartet auf einen scheinbar im Nichts endenden Abschnitt folgt, fordert nochmals das ganze Orchester. 17 Den dritten Teil beginnen allein die Streicher. Erst im T. III, 111 ist das Orchester wieder komplett und geht ab T. II, 120 in Instrumentation (und Dynamik) auch schon wieder zurück. Steigerungen und Abklingen wechseln sich wieder ab. So kommt es in T. III, 154, T. III, 186-191 und T. III, 240-243 zu drei weiteren Höhepunkten. Nach diesem letzten dramatischen Höhepunkt bleibt die Besetzung weiterhin komplett, spielt aber im ppp – p bis zum Schluss. 2.2.4.2 Motivische Arbeit und Wirkung Zemlinsky entwickelt in der Komposition der „Seejungfrau“ gesangliche, charakteristische Motive, die er miteinander vernetzt und nutzt meist eine tonale, also für diese Zeit eher konservative Harmonik. „Die Seejungfrau“ wurde schon nach ihrer Uraufführung als technisch perfekt komponiert und als traditionalistisch beschrieben. In ihrer Form und Wirkung ist sie mehrdeutig. Dies liegt unter anderem daran, dass Zemlinskys Musik nicht die Handlung des Märchens chronologisch nacherzählt, sondern vielmehr die inneren emotionalen und seelischen Motive der Seejungfrau darstellt. Der Ausdruck von Stimmungen und Gefühlen steht im Vordergrund. Für die Umsetzung dieser Stimmungen sind die detaillierten Spielanweisungen unabdingbar. Der Komponist arbeitet innerhalb aller drei Teile mit Steigerungen und Kontrasten. Die Teile sind durch Pausen klar voneinander getrennt. Die Übergänge werden jeweils durch eine Einleitung und eine Coda vorbereitet. Die Coda endet stets in einer ungewöhnlichen Tonart und kreiert somit eine Erwartungshaltung, die wiederum eine Verbindung zum folgenden Teil herstellt. In ihrer Wirkung unterscheiden sich die Teile nicht wesentlich voneinander. 2.2.4.3 Gliederung8 Teil I: Im ersten Teil werden die wichtigsten Themen vorgestellt. Sie werden in den weiteren Teilen dann wieder aufgenommen und verarbeitet. Die Themen sind teilweise zunächst durch andere Stimmen verschleiert und entpuppen sich erst später als tragende Elemente, die dann wieder vernetzt werden. Das Hauptthema der „Meereswelt“ und die Verarbeitung der „Meerestiefe“ (s. u.) sind im ersten Teil vorherrschend. Abschnitt 1. Abschnitt: T. I, 1-52, Themenaufstellung: Hauptthema und aus diesem abgeleitete synkopische Pendelfigur, Thema der Seejungfrau, Zäsuren 2. Abschnitt: T. I, 53-98, Fortspinnungsthema: Verarbeitung mit assoziativer Neukombination bisherigen thematischen Materials, zahlreiche Modulationen 8 Abschnitte in: Wessel, S.214 18 Inhalt, Motive, Bilder, mögliches Programm Meereswelt, Heimat, Seejungfrau Menschenwelt 3. Anschnitt T. I, 99-172, Sehnsuchtsthema und dessen Verarbeitung, unter Aufnahme vorheriger Gedanken 4. Abschnitt T. I, 173-322, dramatische Verarbeitung des thematischen Materials mit Bildung neuer Varianten 5. Abschnitt T. I, 323-350, Epilog mit neuem melodischen Gedanken, an den Rhythmus des Hauptthemas anklingend Sehnsucht Sturm, scheiterndes Schiff Epilog: Rettung, stille Seligkeit, volksliedhafte Innigkeit Zemlinsky wollte bei der Komposition des Sturmes allzu eindeutige Tonmalerei umgehen (siehe Brief Nr. 9). Aufgrund rechtlicher Bestimmungen können die Notenbeispiele der Themen hier leider nicht kostenlos abgedruckt werden. Teil II: Abschnitt Inhalt, Motive, Bilder, mögliches Programm 1. Abschnitt T. II, 1-70, Eröffnung mit Rückgriff auf Material aus Teil I 2. Abschnitt T. II, 71-165, „Reigen“ mit zwei neuen Themen 3. Abschnitt T. II, 166-210, Wiederaufnahme des Haupt- und des Seejungfrau-Themas 4. Abschnitt T. II, 211-234, weiteres neues Thema und Verarbeitung des Seejungfrau-Themas 5. Abschnitt T. II, 235-361, Wiederaufnahme des „Reigens“ Reigen, Ball beim Meerkönig Meereswelt, Seejungfrau Fest auf dem Schiff?, Reigen, Sehnsuchtsthema Teil III: Der dritte Teil könnte, dem Märchen zufolge, das Leben der Seejungfrau an Land, die Hochzeit des Prinzen und den Tod der Seejungfrau widerspiegeln. Gülke interpretiert den dritten Teil folgendermaßen: die Verzweiflung der Seejungfrau, der Klagegesang der Schwestern, ein Requiem, die Darstellung der schlafenden Brautleute, der folgende innere Konflikt der Seejungfrau und ihre Wandlung zu einer der Töchtern der Luft.9 Zemlinsky äußert sich allerdings nicht zum Inhalt des dritten Abschnitts. So wäre eine andere Deutung, dass nun die Musik über das Märchen hinaus geht und wiederum die innere Verfassung der Seejungfrau sowie Stimmungen darstellt. Dafür spräche auch, dass das Thema der Seejungfrau in diesem Teil dominiert. 9 Vgl. Gülke, S.64 f 19 Abschnitt 1. Abschnitt T. III, 1-30, Lamento-Thema und Seejungfrau-Thema im Wechsel 2. Abschnitt T. III, 31-137, lebhaftes Finale-Thema: Seejungfrau-Thema und Sehnsuchts-Thema verbunden in neuer Variante, gemeinsame Verarbeitung mit Hauptthema und Lamento-Thema 3. Abschnitt T. III, 138-154, ruhiger Abschnitt mit dichter Überlagerung verschiedener Themen aus Teil I bis III 4. Abschnitt T. III, 155-197, ähnlich wie der vorige Abschnitt, jedoch ausgedehnter und dramatisch sich steigernd 5. Abschnitt T. III, 198-223, Wiederaufgriff der Einleitung von Teil I 6. Abschnitt T. III, 224-253, kaum veränderte Wiederaufnahme des 4. Abschnitts von Teil II mit abschließender Coda, Ende in Es-Dur (sehr entfernte Tonart zum sonst vorherrschenden a-Moll) 2.2.4.4 Themen und Motive Die Motive der Themen wiederholen sich in einer Phrase selten und variieren ständig. Eine solche Variantenbildung führt zur Vernetzung der Themen. Zudem passen sich die Themen jeweils ihrer Umgebung an. Dennoch führen sie die Zuhörenden durch alle drei Teile. Im ersten Teil ist es am einfachsten, die Themen herauszuhören. Mit der Verknüpfung der zuerst eigenständigen Themen zu einer Einheit wird es schwieriger, die Themen auszumachen. Wie die einzelnen Themen miteinander in Beziehung stehen, ist bei Peter Wessel(s. Literaturverzeichnis) nachzulesen. Hier wird die Komplexität der Themen in allen musikalischen Parametern ausführlich beschrieben. Einleitung „Meerestiefe“ In der Einleitung erklingen Posaune, Tuba, Pauke, 1. Harfe, Fagott und die tiefen Streicher zu Beginn des 1. Teils, deren weicher, tiefer Klang die Meerestiefe darstellt. Sie spielen in Quarten, Quinten oder Tonleitern. T. I, 3-6 6/4, keine Vorzeichen (Aus oben genannten Gründen sind die Notenbeispiele hier herausgenommen.) Hauptthema „Heimat“ / „Meereswelt“ Die Bassklarinette und das Horn stellen das Hauptthema vor. Die Wellenbewegung des Themas steht für die Wellen des Meeres. „Pendelfigur“ Die Violinen 1 und 2 spielen eine Pendelfigur in stark chromatisiertem a-Moll. T. I, 18+19 „Seejungfrau-Thema“ 20 Aus der Chromatik der Pendelfigur und den Aufwärtsbewegungen des MeeresweltThemas stellt sich nun das „Seejungfrau-Thema“ neu zusammen, das zunächst die SoloVioline präsentiert. Das „Seejungfrau-Thema“ ist das einzige Thema, das periodisch aufgebaut ist. Während die Einleitung, das Hauptthema und die Pendelfigur in Moll stehen, bildet das „Seejungfrau-Thema“ ihnen gegenüber einen Kontrast in Dur. Auch in Tempo, Taktart und Instrumentation bildet das „Seejungfrau-Thema“ einen Gegensatz zu den vorhergehenden Themen. T. I, 21-25 „Fortspinnungsthema“ Das „Fortspinnungsthema“ weist zahlreiche Parallelen, aber auch Unterschiede zum Thema der „Seejungfrau“ und dem Hauptthema auf. T. I, 57-66 Motiv „Schaum auf den Wellen“ 1. Oboe, 1. Klarinette T. I, 9+10 Die Flöten spielen das Motiv während des Reigens in veränderter Form (T. II, 71-74). „Sehnsuchts-Thema“ Es spielen 1./2. Flöten (3#), 2./3. Föten (3#), Oboe (3#), Englisch Horn (4#), EsKlarinette (6#), 1./2. Klarinette in B (5#), Bassklarinette in B (5#), 1./2. Fagott (3#) und 3. Fagott (3#). Die Streicher (ausgenommen Kontrabass) spielen an dieser Stelle die gleichen Stimmen wie die hohen Bläser, unterstützen also das Sehnsuchts-Thema im ff. T. I, 164-167 „Sehnsucht der Seejungfrau von der Menschenwelt“ Besetzung: Solovioline (2#) T. I, 100-103 Das Thema wird später auch von den Bläsern gespielt. „Lamento-Thema“ T. III, 1-8 Das „Lamento-Thema“ wird von den ersten und zweiten Violinen vorgestellt und von den Klarinetten wiederholt. 21 3. Methodisch-didaktische Hinweise und Unterrichtsmaterialien Die Unterrichtsmaterialien sind für Schülerinnen und Schüler ab der 8. Klasse konzipiert. Sicherlich können einige Aufgaben auch schon in niedrigeren Klassen durchgeführt bzw. so verändert werden, dass auch jüngere Schülerinnen und Schüler davon profitieren und auf ein Konzert vorbereitet werden können. Da zur Seejungfrau kein Programm erhalten und die Komposition teilweise mehrdeutig ist, sind viele Interpretationen der Musik denkbar. Dies lässt den Schülerinnen und Schülern in ihrem Umgang mit dem Werk eine gewisse Freiheit und es bieten sich kreative Umsetzungen, wie z. B. Tanz, Kunst oder Lichttechnik an. Da Zemlinsky auf den Ausdruck seiner Komposition sehr viel Wert legte, sollten die Wirkung der Musik und die Gefühlswelt, die sie darstellt, im Mittelpunkt des Musikunterrichts stehen, um einen authentischen Zugang zur Komposition zu schaffen. Es ist sinnvoll, die Motive bzw. Themen den Schülerinnen und Schülern vorzustellen, da diese im ganzen Werk wiederkehren. So ereignen sich Wiedererkennungseffekte während des Konzertbesuches. Zur Vorstellung der Themen eignet sich am besten der erste Teil, da gegen Ende des Werkes die Themen immer dichter miteinander verknüpft werden. Die folgenden Aufgaben bauen aufeinander auf, können aber beliebig – je nach zur Verfügung stehender Zeit – gekürzt oder gestrichen werden. 3.1 Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung 3.1.1 Einführung in das Thema und eigene Komposition Umfang: 2 Unterrichtsstunden Phase I: Die Schülerinnen und Schüler bringen Bilder von Meeresgestalten oder Meerjungfrauen mit. Diese können selbstgemalt, aus Büchern oder aus dem Internet ausgedruckt sein. Welche Tiere, Gestalten und Pflanzen gibt es im Meer? Welche Sagenfiguren stammen aus dem Meer? Phase II: Eine Schülerin / ein Schüler erzählt das Märchen der Seejungfrau. Die Lehrerin / der Lehrer ergänzt gegebenenfalls (s. 2.2.3 Märchentext „Die kleine Seejungfrau“). Wie unterscheidet sich die Originalversion Christian Andersens von der bekannteren Version von Disney? Phase III: Die Schülerinnen und Schüler sammeln Gefühle, die die kleine Seejungfrau im Verlauf der Geschichte empfindet, z. B. Sehnsucht, Hoffnung, Vorfreude, Schmerz, Liebe, Enttäuschung, ... Phase IV: Die Lehrperson legt eine Folie mit dem folgenden Zitat aus Christian Andersens Märchen auf. Eine Schülerin / ein Schüler liest den Abschnitt vor. 22 »Wenn Ihr Euer fünfzehntes Jahr erreicht habt,« sagte die Großmutter, »dann sollt Ihr die Erlaubnis erhalten, aus dem Wasser empor zu tauchen, im Mondschein auf der Klippe zu sitzen und die großen Schiffe, die vorbei segeln, zu sehen, Wälder und Städte werdet Ihr dann erblicken!« Aufgabe: Gibt es in „unserer Welt“ auch Altersbeschränkungen / Rituale, die an ein Alter gebunden sind? Die Schülerinnen und Schüler tauschen sich kurz zu zweit aus, welche Regeln und Privilegien in ihrer Familie / ihrer Kultur gelten. Sie teilen ihre Erfahrungen dann im Klassengespräch mit. Phase V: Die Schülerinnen und Schüler vertonen die Erlebnisse der sechs Schwestern in Gruppenarbeit (s. Unterrichtsmaterialien 3.2.1). Sie werden in sechs Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe entwirft ein Konzept für die Vertonung eines Erlebnisses, z. B. anhand einer grafischen Notation. Immer zwei Gruppen kommen zusammen und entscheiden sich für ein Konzept, das sie dann vertonen. So entstehen drei Kompositionen, die geprobt und der Klasse vorgeführt werden. Die Gruppen entscheiden sich dann für zwei Motive, die den Übergang zwischen zwei Kompositionen darstellen. Die drei Teile werden zusammengefügt. Es entsteht ein Stück von den Erlebnissen der Meerjungfrauen. 3.1.2 Die Seejungfrau, Teil 1 Umfang: 2 Unterrichtsstunden Phase I: Hörbeispiel: Die Erlebnisse der kleinen Seejungfrau an der Wasseroberfläche, T. I, 99-179 Das Hörbeispiel findet sich auf Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=9hiJOp7gxjM Der Abschnitt zu den Erlebnissen der kleinen Seejungfrau an der Wasseroberfläche geht von 5‘27‘‘- 8‘13‘‘. Höraufgaben: 1. Überprüfe die Liste der Gefühle der kleinen Seejungfrau (siehe 3.1.1). Welche Gefühle kommen vor? Welche Gefühle kannst du ergänzen? 2. Welche Instrumente spielen mit? Welche Wirkung hat die Wahl der Instrumente? Gibt es unterschiedliche Klangfarben? Gleich nach dem Hören schildern die Schülerinnen und Schüler zunächst ihren ersten Höreindruck. Gefällt euch das Stück? Warum (nicht)? Dann werden die Aufgaben 1 und 2 im Plenum besprochen. Gibt es Ähnlichkeiten zwischen euren Kompositionen und dem Hörbeispiel aus dem ersten Teil von Zemlinskys „Seejungfrau“? Phase II: Die Lehrperson stellt die zwei der Motive „Seejungfrau“ und „Menschenwelt“ vor (Youtube-Link bei 1‘58‘‘ und 5‘30‘‘). Gegebenenfalls können die 23 Schülerinnen und Schüler diese musizieren. Wenn nun das Hörbeispiel vom Anfang der Stunde ein zweites Mal erklingt, sollen die Schülerinnen und Schüler bewusst auf die Motive achten. Sie können z. B. die Hand heben, wenn sie die Motive hören oder zählen, wie oft sie erklingen. Phase III: Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten die Aufgaben zu Zemlinskys Briefen an Schönberg zur Entstehung der „Seejungfrau“ (s. Unterrichtsmaterialien 3.2.2). Bei kleineren Klassen oder Zeitmangel können die Briefe Nr.19, 22, 24 und 37 weggelassen werden. Die Lehrperson gibt Informationen zum Zeitgeschehen um 1900. Die Aufgabe Nr. 8 kann z. B. als eine Internetrecherche gelöst werden. Phase IV: Gattung Sinfonische Dichtung / Fantasie: Die Schülerinnen und Schüler schreiben in Partnerarbeit einen Lexikoneintrag für ein Jugendlexikon. Folgende Internetseiten geben Informationen zur Gattung Sinfonische Dichtung. http://www.theatergemeinde-bonn.de/kultur/kultur-Archiv/musikalischebegriffe/sinfonische-dichtung/ http://de.wikipedia.org/wiki/Sinfonische_Dichtung Auch der Text aus 2.2.1, der auf Informationen aus dem MGG basiert, kann dazu verwendet werden. 3.1.3 Die Seejungfrau, Teil 2 Umfang: 1 Unterrichtsstunde Phase I: Hörbeispiel, Teil 2. Den 2. Teil gibt es ebenfalls auf Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=-K-34IvkpoI und http://www.youtube.com/watch?v=jZze_2uawNk Während des Hörens machen sich die Schülerinnen und Schüler Notizen zu den Aufgaben 1 und 2, die im Anschluss gemeinsam besprochen werden. 1. Zeichne eine „Dramatikkurve“ und ordne ihr passende Adjektive zu. (Beispiel s. 3.2.6 Lösungen ) 2. Wie wird diese Wirkung erzeugt? Phase II: Die Schülerinnen und Schüler ordnen die durcheinandergeratenen Spielanweisungen der Reihe nach. Das Ergebnis kann ein Anhaltspunkt für die dritte Phase sein. Bemerkung: Unter den Unterrichtsmaterialien 3.2.3 finden Sie die Spielanweisungen in ihrer richtigen Reihenfolge. Diese können z. B. in Abschnitten auseinander geschnitten und dann im Unterricht in Partnerarbeit zusammengesetzt werden. Phase III: Die Schülerinnen und Schüler gestalten die Lichttechnik für eine Inszenierung, z. B. eine Tanzaufführung. Welche Farben und Effekte würden passen? ODER 24 Die Schülerinnen und Schüler entwerfen in Gruppen einen eigenen Tanz zu Teil 2 mit weißen Handschuhen und Schwarzlicht. 3.1.4 Die Seejungfrau, Teil 3 Umfang: 1 Unterrichtsstunde Möglichkeit I: Die Schülerinnen und Schüler malen abstrakte oder konkrete Bilder mit Wasserfarben, während sie den gesamten dritten Teil (14‘) der „Seejungfrau“ hören. Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=i_axxxYiVIs und http://www.youtube.com/watch?v=tpjNMn7cTgc Sie gestalten anschließend eine Bilderausstellung im Schulhaus oder im Klassenzimmer. ODER Möglichkeit II: Die Schülerinnen und Schüler schreiben Emotionen und Stimmungen auf, die ihrer Meinung nach zur Musik des dritten Teils passen. Die Lehrerin / der Lehrer zeigt Bilder mit verschiedenen Gesichtsausdrücken (s. Unterrichtsmaterialien 3.2.4) in unterschiedlichen Emotionen. Daraufhin stellen die Schülerinnen und Schüler ihre notierten Emotionen und Stimmungen durch Gesichtsausdrücke dar und fotografieren sich gegenseitig. Sie gestalten anschließend eine Fotoausstellung oder eine Präsentation mit Beamer. Vielleicht ist sogar eine Installation im Schulgebäude mit der Musik und den Fotos umsetzbar. 3.1.6 Das Orchester kennenlernen Umfang: 1 Unterrichtsstunde Gruppenarbeit: Die Schülerinnen und Schüler bearbeiten drei Themen. Bei insgesamt sechs Gruppen bearbeiten jeweils zwei Gruppen ein Thema. Hierzu sollen die Schülerinnen und Schüler selbst im Internet recherchieren. Gruppe 1: Radiosinfonieorchester Stuttgart des SWR Die Schülerinnen und Schüler gestalten ein Plakat zum Radiosinfonieorchester Stuttgart. Fragen zur Anregung: Welche Instrumentengruppen kommen vor? Wie sitzen sie im Orchester? Seit wann gibt es das Orchester? Spielt das Orchester nur in Stuttgart oder auch an anderen Orten? Welche Fragen könnten wir bei einem Interview stellen? Folgende Homepage ist hilfreich: http://www.swr.de/orchester-und-ensembles/rso/ueberuns//id=788422/di0lyb/index.html Gruppe 2: Dirigentin Xian Zhang Die Schülerinnen und Schüler gestalten eine Seite für das Programmheft über die Dirigentin. 25 Folgende Internetseiten sind hilfreich: http://www.klassik-heute.com/kh/6kuenstler/bio_i_30549.shtml http://www.pressefoyer.com/amc4/p_archivbeitrag_detail01_prt.php?lng=de&filter_pat =808 Gruppe 3: Beethovensaal Die Schülerinnen und Schüler gestalten ein Plakat zum Beethovensaal mit einer Skizze des Saals und erkundigen sich über die Anfahrt zur Liederhalle Stuttgart. Folgende Internetseiten sind hilfreich: Über den Beethovensaal: http://www.liederhallestuttgart.de/index.php?tacoma=webpart.pages.TacomaDynamicPage&navid=4069&coi d=4069&&cid=0 Raumplan: http://www.liederhallestuttgart.de/filerepository/uxTyYanEM3V93brwzEcz.pdf Anfahrtsplan: http://www.liederhallestuttgart.de/filerepository/vBpBstRfqcFXG7atR5vh.pdf 3.1.7 Nach dem Konzertbesuch Umfang: 1 Unterrichtsstunde Phase I: Die Schülerinnen und Schüler verfassen eine Kritik zum Konzert. War die Musik ausdrucksstark, wie es Zemlinsky beabsichtigte? Bemerkung: Diese Aufgabe bietet sich auch als Hausaufgabe nach dem Konzertbesuch an. Phase II: Die Schülerinnen und Schüler vergleichen die Musik der „Seejungfrau“ mit der Filmmusik zu „Fluch der Karibik“, Arielle, der Meerjungfrau und / oder H2O. Youtube Meerjungfrauen in Fluch der Karibik: http://www.youtube.com/watch?v=8gxJhs-LnVE&feature=fvwp&NR=1 Youtube Arielle, die Meerjungfrau, 2‘15‘‘-3‘10‘‘: http://www.youtube.com/watch?v=li52Z3ycj4 Youtube H2O, 7‘43‘‘-8‘55‘‘: http://www.youtube.com/watch?v=6OZaTHEDoVY Die Glockenspielstimme der H2O -Filmmusik kann in der Klasse zusammen musiziert werden (s. Unterrichtsmaterialien 3.2.5). Phase III: Die Schülerinnen und Schüler bekommen das Programm „Young Classix“. Wählt einen Workshop oder ein Projekt aus, das euch interessiert und stellt dieses in der Klasse vor. Für Fragen stehe ich gerne zur Verfügung: [email protected]. Ich freue mich auch über Kritik oder Anregungen, da die Handreichung Teil meiner Zulassungsarbeit ist. 26 3.2 Materialien 3.2.1 Gruppenarbeit „Erlebnisse der sechs Schwestern“ Die Erlebnisse der Schwestern an der Wasseroberfläche Nun war die älteste Prinzessin fünfzehn Jahre alt und durfte über die Meeresfläche emporsteigen. Als sie zurückkehrte, hatte sie hunderterlei zu erzählen, aber das Schönste, sagte sie, war im Mondschein auf einer Sandbank in der ruhigen See zu liegen, und nahebei die Küste mit der großen Stadt zu betrachten, wo die Lichter gleich hundert Sternen blinkten, die Musik und den Lärm und das Toben von Wagen und Menschen zu hören, die vielen Kirchtürme und Spitzen zu sehen, und das Läuten der Glocken zu hören. Im folgenden Jahre erhielt die zweite Schwester die Erlaubnis, durch das Wasser empor zu steigen und zu schwimmen, wohin sie wolle. Sie tauchte auf, eben als die Sonne unterging, und dieser Anblick, fand sie, war das Schönste. Der ganze Himmel habe wie Gold ausgesehen, sagte sie, und die Wolken, ja, deren Schönheit konnte sie nicht genug beschreiben; rot und blau waren sie über ihr dahin gesegelt, aber weit schneller als diese, flog, einem langen, weißen Schleier gleich, ein Schwarm wilder Schwäne über das Wasser hin, wo die Sonne stand. Sie schwammen derselben entgegen, aber die Sonne sank, und der Rosenschein erlosch auf der Meeresfläche und den Wolken. Das Jahr darauf kam die dritte Schwester hinauf; sie war die mutigste von allen, deshalb schwamm sie einen breiten Fluss aufwärts, der in das Meer ausmündete. Herrlich grüne Hügel mit Weinranken erblickte sie, Schlösser und Gehöfte schimmerten durch prächtige Wälder hervor; sie hörte, wie alle Vögel sangen, und die Sonne schien so warm, dass sie oft unter das Wasser tauchen musste, um ihr brennendes Antlitz abzukühlen. Nie konnte sie die prächtigen Wälder, die grünen Hügel und die niedlichen Kinder vergessen, die im Wasser schwimmen konnten, obgleich sie keinen Fischschwanz hatten. Die vierte Schwester war nicht so kühn, sie blieb draußen mitten im wilden Meer, und erzählte, dass es dort am schönsten sei; man sehe ringsumher, viele Meilen weit, und der Himmel stehe wie eine Glasglocke darüber. Schiffe hatte sie gesehen, aber nur in weiter Ferne, sie sahen wie Strandmöven aus, und die possierlichen Delphine hatten Purzelbäume geschossen, und die großen Walfische aus ihren Nasenlöchern Wasser empor gespritzt, sodass es ausgesehen hatte, wie hunderte von Springbrunnen ringsumher. Nun kam die Reihe an die fünfte Schwester; ihr Geburtstag fiel gerade im Winter, und deshalb sah sie, was die andern das erste Mal nicht gesehen hatten. Die See nahm sich ganz grün aus, und ringsumher schwammen große Eisberge, ein jeder sah wie eine Perle aus, sagte sie, und war doch weit größer als die Kirchtürme, welche die Menschen bauen. Sie zeigten sich in den sonderbarsten Gestalten und glänzten wie Diamanten. Sie hatte sich auf einen der allergrößten gesetzt und alle Segler kreuzten erschrocken draußen herum, wo sie saß und den Wind mit ihrem langen Haar spielen ließ; aber gegen Abend hatte sich der Himmel mit Wolken überzogen, es blitzte und donnerte, während die schwarze See die großen Eisblöcke hoch emporhob und sie beim roten 27 Blitz erglänzen ließ. Auf allen Schiffen nahm man die Segel ein, da war eine Angst und ein Grauen, aber sie saß ruhig auf ihrem schwimmenden Eisberge und sah die blauen Blitzstrahlen im Zickzack in die schimmernde See fahren. Endlich war die jüngste Schwester fünfzehn Jahre alt. Die Sonne war eben untergegangen, als sie den Kopf über das Wasser erhob, aber alle Wolken glänzten noch wie Rosen und Gold, und inmitten der blassroten Luft strahlte der Abendstern hell und schön, die Luft war mild und frisch, und das Meer ganz ruhig. Da lag ein großes Schiff mit drei Masten, ein einziges Segel war nur aufgezogen, denn es rührte sich kein Lüftchen, und ringsumher im Tauwerk und auf den Stangen saßen Matrosen. Da war Musik und Gesang, und wie der Abend dunkler ward, wurden Hunderte von bunten Laternen angezündet; sie sahen aus als ob die Flaggen aller Völker in der Luft wehten. Die kleine Seejungfrau schwamm bis zum Kajütenfenster hin, und jedes Mal, wenn das Wasser sie emporhob, konnte sie durch die spiegelklaren Fensterscheiben blicken, wo viele geputzte Menschen standen; aber der schönste war doch der junge Prinz mit den großen, schwarzen Augen. Er war sicher nicht mehr als fünfzehn Jahre alt; heute war sein Geburtstag und deshalb herrschte all' diese Pracht. Die Matrosen tanzten auf dem Verdeck, und als der junge Prinz da hinaustrat, stiegen über hundert Raketen in die Luft, die leuchteten wie der helle Tag, sodass die kleine Seejungfrau sehr erschrak und unter das Wasser tauchte, aber sie steckte bald den Kopf wieder hervor, und da war es gerade, als ob alle Sterne des Himmels zu ihr herunter fielen. Nie hatte sie solche Feuerkünste gesehen. Große Sonnen sprühten herum, prächtige Feuerfische flogen in die blaue Luft, und alles glänzte in der klaren, stillen See wieder. Auf dem Schiffe selbst war es so hell, dass man jedes kleine Tau, wie viel mehr die Menschen sehen konnte. O, wie war doch der junge Prinz hübsch, und er drückte den Leuten die Hände und lächelte, während die Musik in der herrlichen Nacht erklang! 28 3.2.2 Briefe Zemlinskys an Schönberg über die Entstehung der Seejungfrau [Poststempel: Wien, 18.II.[?]1902] Lieber Freund, [...] Ich arbeite fest an einer symphonischen Dichtung: „Das Meerfräulein“ v. Andersen, es soll eine Vorarbeit für meine Symfonie „Vom Tode“ werden. Ich habe große Freude damit. Mir sind fast alle Themen dafür schon eingefallen u. gute vor allem. Ich bin auch schon mitten drinnen. Lies das Märchen. Die Eintheilung so: I. Theil a: Am Meeresgrund (ganze Explosion) b: des Meerfräulein auf der MenschenWelt, der Sturm, des Prinzen Errettung, II. Theil a das Meerfr:[äuleins] Sehnsucht; bei der Hexe. b: des Prinzen Vermählung, des Meerfr. Ende. Also II Theile aber 4 Abschnitte. Gruß von allen an Dich und Mathilde Herzlichst Alex Quelle: Weber, Nr. 4, S. 7ff Bemerkung: Zemlinsky hat keine Sinfonie „Vom Tode“ komponiert. [Wien], 27. März [190]2 „am Tage der Auferstehung unseres Herrn u Heiland!“ L. Fr. [...] Ich halte am Ende des 1. Theiles meiner symph. Dichtung, u.z.comp. ich gerade den Sturm am Meer: eine Sauarbeit, wenn man nicht billig und gemein sein will. [...] Alex. Quelle: Weber, Nr.9, S.13f Bemerkung: u.z.comp. = und zwar komponiere [Poststempel: Wien, 18.VII.1902] Lieber Freund, [...] Meine symf. Dichtung wächst mir allmählich über den Kopf. Sie wird immer grösser, aber auch tiefer durchdacht u. ich hoffe nicht ganz schlecht: Zufrieden – das werden wir beide – hoffentlich nie sein. Bei dieser Gelegenheit empfehle ich Dir dringen[d]st einen Roman von Zola – „das Kunstwerk“ (auf deutsch), da stehn tiefsinnige Dinge über den schaffenden, revolutionären Künstler darin. Lies ihn unbedingt! [...] Herzlichste Grüsse für Dich u. Alle Quelle: Weber, Nr.16, S.20ff 29 [Poststempel: 9.VIII.1902] Altmünster Lieber Freund, [...] Ich bin wüthend, dass du deine Sache fertig componirt hast – ich bin noch nicht fertig. Wie lang ist deine Sache. Mein Stück dauert doch ¾ Stunde Aufführungszeit. Ich instrumentire jetzt daran und componir erst in Wien den Schluss. Ich werde wahrscheinlich eine grosse Mission für Dich haben. Nämlich Strauss zu fragen, ob es ihm genügt, wenn ich ihm einen Theil der Partitur schicke – das Ganze erst wenn ich fertig bin. Vielleicht wirst du so gut sein? [...] Herzlichst Alex Quelle: Weber, Nr.19, S.23ff [Poststempel: Altmünster, 19.VIII.1902] Lieber Freund, [...] Ich habe heute deinen Brief bekommen, freue mich, dass du auch nicht fertig wirst mit deiner Arbeit. Meine wird mindestens doppelt so lang! [...] Quelle: Weber, Nr.22, S.25f [Postkarte Poststempel: Altmünster, 28.VIII.1902] L. Fr. [...] Mein 1. Theil ist fertig instrumentirt – ck 60 Partitur Seiten. Was ist mit Dir? Schreib‘ wieder einmal! Herzl. Gr. Alex. [...] Quelle: Weber, Nr.24, S.27 [Postkarte Poststempel: Wien, 4.IX.1902] L. Fr. [...] Ich möchte dir dieser Tage den fertigen 1. Theil meiner s.D. schicken, damit du so gut seist u. ihn R.Str[auss] bringst – Es ist wohl der schwächste von den drei Theilen – ich glaube aber, noch immer so, um nicht das Interesse für die andern schwinden zu lassen – ich denke sogar besser. Ich werde dazu einen Brief für R.Str[auss] schicken ich beende dieser Tage die Composition, instrumentire dabei am 2. Theil. [...] Ich dürfte meine 3 Stücke oder die s.D. den Phylharmonikern geben, die andern können doch zu wenig dafür. Beides aber ist sehr schwer. Gruss Alex [...] Quelle: Weber, Nr.25, S.27 30 [Poststempel: Wien, 11.IX.1902] Lieber Freund, du erhäl[t]st wahrscheinlich gleichzeitig mit diesem Brief, meinen I. Theil der symf..D. [...] in ck 3-4 Wochen bin ich ganz fertig; die Sache hat 3 Theile, dauert höchstens30 Min., eher weniger. Auch, dass ich den 1.Theil nicht für den bestgelungenen halte. [...] Herzliche Grüsse Alex Quelle: Weber, Nr.27, S.28 [Poststempel: Wien, 16.IX.1902] Lieber Freund, vielen, vielen Dank für deinen Brief. Ich brauche dir nicht zu sagen, wie wohl solche Worte einem von wahrem u. verständigem Munde thun. Weiss ich auch, dass in deinem so freundlichen, warmen Lobe, ein grosser Theil Sehnsucht nach Wien u deinen Freunden enthalten ist, bin ich noch immer froh über den Rest, der für mich allein u. meine Arbeit bleibt. Und gerade, dass du lieber doppelt so viel Gutes findest u. auch sagst: wie freundlich u. selbstlos von Dir! Wie anders als die, die nur halb so viel finden als da ist u. – nichts sagen! Also nochmals: vielen Dank. [...] Jetzt will ich zur Arbeit, schliesse deshalb. Herzlichste Grüsse für euch alle Alex. [...] Quelle: Weber: Nr.28, S.29 [Poststempel: Wien, 30.X.1902] Lieber Freund, [...] Der Anfang des II. Theiles ist ein Ball am Meeresgrunde, se[e]lische Motive sind natürlich verflochten, aber ich brauchte diese äusserliche Stimmung zu musikalischen Gegensätzen. Auch möchte ich – so weit wie wir das können, - das Märchenhafte irgendwie fixieren. Später dann das Motiv ¾ langsam: von der unsterblichen Seele des Menschen, - dann der Gang zur Meerhexe, die zauberhafte Verwandlung des Meerfräuleins zum Menschen etc. Das nur zur oberflächlichen Orientierung. [...] Alex. Quelle: Weber: Nr.31, S.31ff 31 [Poststempel: Wien, 19.II.1903] Lieber Freund, [...] Ich mache jetzt meine „Seejungfrau“ zu Ende. Die Sache ist ziemlich umfangreich geworden. [...] Grüsse Mathilde u. die Kleine u. sei auch herzlich gegrüsst von Alex. Quelle: Weber: Nr.37, S.39f [Poststempel: Wien, 17.III.1903] L. Fr. [...] Heute mache ich die letzten Takte meiner „Seejungfrau“. Der 3. Theil ist der „innerlichste“ – so glaube ich. [...] Herzlichen Gruss Alex Quelle: Weber: Nr.38, S.40f [Poststempel: Wien, 29.V.1903] Lieber Freund, heute ein paar „Hoffnungen“ – vielleicht ohne Erfüllung! Ich habe wegen Pelleas etwas unternommen, welches das Resultat haben soll: ein Concert in Wien mit „Pelleas“ u. „Meerfräulein“ von mir selbst studirt. Ich habe jemanden interessirt, der sich mit Nachdruck bei einem Musik- u. Geld-Fexen einsetzen will. [...] Herzlich Alex. [...] Quelle: Weber: Nr.42, S.44 Bemerkung: „Pelleas und Melisande“ ist eine sinfonische Dichtung von Arnold Schönberg und wurde zusammen mit der „Seejungfrau“ am 25.1.1905 in Wien uraufgeführt. 32 Aufgaben 1. Damals war die Rechtschreibung nach Duden noch nicht im gesamten deutschsprachigen Raum etabliert. Wie wird denn nun S... D... geschrieben? (Bitte ankreuzen.) Sinfonische Dichtung Sinphonische Dichtung Symphonische Dichtung Symfonische Dichtung 2. Wie stehen Alexander von Zemlinsky und Arnold Schönberg zueinander? 3. Wie hatte Alex den Aufbau der „Seejungfrau“ ursprünglich geplant und wie hat er ihn schließlich umgesetzt? (Briefe Nr. 4 und 25/27) 4. Was hält Arnold Schönberg von Alexander von Zemlinskys „Seejungfrau“? (Brief Nr. 28) 5. Im Brief vom 30.10.1903 schreibt Alex von musikalischen Motiven in seiner Komposition und von dem Märchenhaften. (Brief Nr. 31) Wirkt die Musik märchenhaft? Wenn ja, welche Elemente lassen sie märchenhaft wirken? 6. Welche „musikalischen Gegensätze“ gibt es in der „Seejungfrau“? (Brief Nr. 31) 7. Wann beendete Alex die Komposition der „Seejungfrau“? (Brief Nr. 38) 8. Finde heraus, ob bzw. wann „Die Seejungfrau“ wirklich zum ersten Mal aufgeführt wurde. (Brief Nr. 42) 9. Fiel es Alex leicht, die „Seejungfrau“ zu komponieren? Wie erging es ihm dabei? (Briefe Nr. 4, 9, 16, 19, 22) 33 3.2.3 Spielanweisungen Die Spielanweisungen, die Alexander von Zemlinsky den Orchestermusikern als Orientierung aufgeschrieben hat, sind durcheinander geraten. Versuche sie zu ordnen, während du den zweiten Teil der „Seejungfrau“ hörst. 6/8 Sehr bewegt, rauschend Noch bewegter Noch schneller Diminuendo (leiser werden) Sehr langsam und leise Fortwährend abnehmend 1. Zeitmaß Lange Pause diminuendo (leiser werden) ¾ Sehr gedehnt Immer ruhiger 6/8 früheres Zeitmaß, nur mäßiger Ruhig wiegend wie im Reigen Steigern Noch bewegter Früheres Zeitmaß Nach und nach ruhiger Steigern Breit Steigern 4/4 sehr ruhig Steigern Mit großer Wärme Allmählich aber stark steigern Mit großer Wärme 5/4 ritardando ¾ sehr breit 6/8 1.Zeitmaß Steigern Fortwährend steigern 34 3.2.4 Gesichtsausdrücke Verliebt sein Sehnsucht 35 Hoffnung Freude 36 Traurigkeit Verzweiflung 37 3.2.5 Noten für Klassenmusizieren – Filmmusik zu „H2O“ 3.2.6 Lösungen zu den Aufgaben Zu 3.1.3 Phase I: Aufgabe 1: Beispiel für eine „Dramatikkurve“ Dramatik Zeit Aufgabe 2: Die Wirkung wird erzeugt durch Veränderung des Rhythmus, Dynamik, Instrumentation, Harmonik, Chromatik, Spielweise, … 38 4. Literaturverzeichnis Altenburg, Detlef: Symphonische Dichtung. In: Blume, Friedrich (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Band 2. Kassel: Bärenreiter, 1965. S. 153-162. Beaumont, Antony: Zemlinsky. London: Faber and Faber, 2000. S.125-129. Dahlhaus, Carl & Danuser, Hermann (Hrsg.): Neues Handbuch der Musikwissenschaft. Die Musik des 20. Jahrhunderts. Laaber Verlag, 1984. S. 85. Gülke, Peter: Zemlinskys „Seejungfrau“. In: Krones, Hartmut (Hrsg.): Alexander Zemlinsky. Ästhetik, Stil und Umfeld. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & CoKG, 1995. S.57-65. Krones, Hartmut: Zemlinsky. In: Blume, Friedrich (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Band 14. Kassel: Bärenreiter, 1968. S. 1413-1422. Mauser, Siegfried & Schmidt, Matthias (Hrsg.): Geschichte der Musik im 20. Jahrhundert: 1900-1925. Band 1. Laaber: Laaber-Verlag, 2005. S.169. Nebehay, Christian M.: Musik um 1900. Wo finde ich...? Wien speziell. Wien: Verlag Christian Brandstätter, 1984. S. VI/6. Weber, Horst (Hrsg.): Alexander Zemlinsky: Briefwechsel mit Arnold Schönberg, Anton Werbern, Alban Berg und Franz Schreker. In: Ertelt, Thomas (Hrsg.): Briefwechsel der Wiener Schule. Band 1. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1995. Wessel, Peter: Im Schatten Schönbergs. Rezeptionshistorische und analytische Studien zum Problem der Originalität und Modernität bei Alexander Zemlinsky. Band 5. Aus der Reihe: Krones, Hartmut (Hrsg.): Schriften des Wissenschaftszentrums Arnold Schönberg. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag Ges.m.b.H. und Co.KG, 2009. Onlinequellen: Märchen der kleinen Seejungfrau: http://www.zeno.org/Literatur/M/Andersen,+Hans+Christian/M%C3%A4rchensammlu ng/M%C3%A4rchen/Die+kleine+Seejungfrau [10.8.2012] Bild Alexander von Zemlinsky: Deutsche Welle: http://www.dw.de/dw/article/0,,15361654,00.html [03.10.2012] Bild Freude: http://www.bistum-augsburg.de/index.php/bistum/HauptabteilungIII/Spirituelle-Dienste/Geistlicher-Impuls/Jahreskreis/Fussball-Freude [03.10.2012] Bild Hoffnung: http://imaginevienna.at/Portfolio.9.0.html?ref=gal&imageId=2151&username=Kletterm ayer&format=650 [03.10.2012] 39 Bild Seejungfrau Deckblatt: http://de.wikipedia.org/wiki/Meerjungfrau [14.09.2012] Bild Sehnsucht: http://www.grenzlandtheater.de/de/theater/ensemble/name/Peter%20Anders.html [03.10.2012] Bild Traurigkeit: http://www.cvjm-eg-ehringshausen.de/denkanstoss/denkanstoss.htm [03.10.2012] Bild Verliebt sein: http://www.amicella.de/body-soul/psychologie/heute-mehrselbsbewusstsein/ [03.10.2012] Bild Verzweiflung: http://medienelite.de/2009/06/14/traurige-menschen/ [03.10.2012] Musik „Die Seejungfrau“: http://www.youtube.com/results?search_query=die+seejungfrau+zemlinsky&oq=die+se ejungfrau+zemlinsky&gs_l=youtube.3..35i39l2.11078.12188.0.12828.6.6.0.0.0.0.109.5 31.5j1.6.0...0.0...1ac.1.EzRhKHqq574 [29.10.2012] Sinfonische Dichtung: http://www.theatergemeinde-bonn.de/kultur/kulturArchiv/musikalische-begriffe/sinfonische-dichtung/ [25.10.2012] Noten: Alexander Zemlinsky: Die Seejungfrau. Fantasie für Orchester (1903). Partitur UE31754. Korr. IX/2003. 2/2009. Universal Edition: Vienna, London, New York. Tonträger: Alexander Zemlinsky (1871-1942): Die Seejungfrau. Sinfonische Dichtung für Orchester (1902/1903): Universal Edition, Wien, 1984. Aufnahmen des Südwestfunks, Baden-Baden. Leitung: Zoltán Peskó. Wergo. 40