Fall 12

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Fall 12
Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin
Repetitorium Schuldrecht
Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann
Fall 12
Der Unternehmer S hat ein günstiges Geschäft in Aussicht, nämlich den Erwerb
bestimmter Computerteile, die als Auslaufmodelle billig zu haben sind und die er
mit hoher Rendite zu exportieren gedenkt. Den Preis von 100.000 € kann er jedoch nicht aufbringen und vereinbart mit seinem Lieferanten G Stundung für vier
Monate, wofür S einen Aufschlag von 2.500 € zu zahlen bereit ist. G verlangt von
S Sicherheiten.
S und G vereinbaren, dass die Bank B des S eine Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 50.000 € stellen soll, und zwar eine schlichte Bürgschaft. Wegen weiterer 30.000 € einigt sich S mit G schließlich darauf, dass sein pensionierter Onkel
O der Schuld zum Zwecke der Sicherung beitreten soll. Weitere Sicherheiten
kann S nicht stellen.
Da die Zeit drängt, sucht G am nächsten Tag nach telefonischer Voranmeldung
die ihm als sehr wohlhabend bekannte Ehefrau E des S zu Hause auf, um sie zur
Stellung einer weiteren Kreditsicherheit für die noch nicht abgesicherten 20.000 €
zu veranlassen. G erläutert der bis dahin völlig ahnungslosen E die Sachlage. E
ist zur Verpfändung eines ihr gehörenden Schmuckstücks bereit, weil sie dem S
das günstige Geschäft mit den Computerteilen ermöglichen will. Nach einem Telefonat mit ihrem Gatten S, der ihr erklärt, er habe ihr nichts gesagt, weil er sie
eigentlich aus allem habe heraushalten wollen, gibt sie das Schmuckstück dem G
als Pfand mit. Daraufhin begibt sich G zur B; diese erteilt eine schriftliche, selbstschuldnerische Bürgschaft, um vermeintlich der zwischen G und S getroffenen
Vereinbarung zu entsprechen. 0, dem S schon manchen Gefallen getan hat,
erklärt G gegenüber den gewünschten Schuldbeitritt per Handschlag.
G begibt sich daraufhin zu S und erklärt diesem, jetzt seien nur noch 2.500 €
Stundungsaufschlag offen. S sagt eine Sicherheit zu. Als G gegangen ist, ruft S
bei der XBank an und bittet sie, eine Bürgschaft über 2.500 € zu übernehmen.
Die X-Bank erteilt die Bürgschaft durch schriftliche Erklärung an G. G liefert die
Teile an S unter "handelsüblichem verlängertem Eigentumsvorbehalt". S liefert
an seinen Abnehmer A zum Preis von 200.000 €, wobei die Geltung deutschen
Rechts vereinbart wird. A weiß von dem zwischen G und S vereinbarten verlängerten Eigentumsvorbehalt.
G wird nervös, weil schlechte Unternehmensnachrichten aus dem Hause des S zu
ihm dringen. Nachdem vier Monate vergangen sind und S noch nicht an ihn gezahlt hat, teilt er E mit, er werde das Schmuckstück versteigern lassen. E erklärt
daraufhin schriftlich, sie wolle von der Verpfändung nichts mehr wissen und verlange die Herausgabe des Schmuckstücks. O will nicht zahlen; sein Handschlag
habe weder nach deutschem noch nach europäischem Recht eine Verbindlichkeit
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begründet; daran ändere auch nichts, dass G an S geliefert habe.
Nun verlangt G von B Zahlung von 50.000 €, sieht sich jedoch mit dem Ansinnen
von S konfrontiert, die Inanspruchnahme von B zu unterlassen, weil G zunächst
einmal die Zwangsvollstreckung bei ihm, S, versuchen müsse. Daraufhin verweigert B gegenüber G die Zahlung aus der Bürgschaft. Auch die X-Bank will nicht
zahlen, nachdem sie von S erfahren hat, dass dieser im Moment der Bitte um
Übernahme der Bürgschaft unerkannt geisteskrank war.
G teilt S nunmehr mit, er untersage ihm die Einziehung des Kaufpreises, den A
an S zu leisten habe. Kurz darauf überweist A jedoch - noch in Unkenntnis von
dieser Untersagung des G - den Kaufpreis von 200.000 € an S. G verlangt trotzdem von A nochmalige Zahlung an sich selbst. Dieses Verhalten wiederum veranlasst S, keine Zahlungen an G zu erbringen. Auch A weigert sich, nochmals zu
zahlen.
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G verlangt von B Zahlung von 50.000 €.
G verlangt von der X-Bank Zahlung von 2.500 €.
G verlangt von 0 Zahlung von 30.000 €.
E verlangt von G Rückgabe des Schmuckstücks.
G verlangt von A Zahlung von 200.000 €.
Mit Recht?
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EG-Richtlinie vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucherschutz in Fällen von
außerhalb
von
Geschäftsräumen
geschlossenen
Verträgen
(Richtlinie
85/577/EWG)
Art. 1: (1) Diese Richtlinie gilt für Verträge, die zwischen einem Gewerbetreibenden, der Waren liefert oder Dienstleistungen erbringt, und einem Verbraucher
geschlossen werden:
- während eines vom Gewerbetreibenden außerhalb von dessen Geschäftsräumen organisierten Ausflugs, oder
- anlässlich eines Besuchs des Gewerbetreibenden
- beim Verbraucher in seiner oder in der Wohnung eines anderen Verbrauchers,
- beim Verbraucher an seinem Arbeitsplatz,
sofern der Besuch nicht auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers erfolgt.
Art. 2: Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:
- " Verbraucher" eine natürliche Person, die bei den von dieser Richtlinie erfassten Geschäften zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.
- "Gewerbetreibender" eine natürliche oder juristische Person, die beim Abschluss des Betreffenden Geschäfts im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt, sowie eine Person, die im Namen und für Rechnung eines Gewerbetreibenden handelt.
Art. 4: Der Gewerbetreibende hat den Verbraucher bei Geschäften im Sinne des
Artikels 1 schriftlich über sein Widerrufsrecht innerhalb der in Art. 5 festgelegten
Fristen zu belehren (. . .).
Art. 5: (1) Der Verbraucher besitzt das Recht, von der eingegangenen Verpflichtung zurückzutreten, indem er dies innerhalb von mindestens sieben Tagen nach
dem Zeitpunkt, zu dem ihm die in Art. 4 genannte Belehrung erteilt wurde, (..)
anzeigt.
Art. 8: Die vorliegende Richtlinie hindert die Mitgliedsstaaten nicht daran, noch
günstigere Verbraucherschutzbestimmungen auf dem Gebiet dieser Richtlinie zu
erlassen oder beizubehalten.
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