© inamo Nr. 77, Frühjahr 2014, Jahrg. 20. S. 56-61

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© inamo Nr. 77, Frühjahr 2014, Jahrg. 20. S. 56-­61 Zu Gast bei Amy Goodman (Democracy Now) ist der Enthüllungsjournalist Seymour Hersh, um über seinen neuen Artikel zu sprechen, in dem er die Behauptung der Obama-­‐
Regierung anzweifelt, dass nur Asads Regime die Chemiewaffenangriffe im Damaszener Vorort Ghouta Mitte dieses Jahres hätte durchführen können. In seinem in der London Review of Books erschienenen Artikel argumentiert Hersh, die Obama-­‐Regierung habe "sich die Rosinen aus Informationen der Nachrichtendienste" gepickt, "um einen Schlag gegen Asad zu rechtfertigen". Die Regierung versäumte es, offenzulegen, dass sie davon wusste, dass syrische Rebellen der Jabhat an-­‐Nusra in der Lage war, chemische Waffen herzustellen. Auch in den Tagen nach dem Angriff sichergestellte Beweise sollen verzerrt worden sein, um es so aussehen zu lassen, als seien sie zur Zeit des Geschehens zusammengetragen worden. ‚Whose Sarin?’: „Wir untersuchen es gerade!“ Diskussion mit dem Enthüllungsjournalisten Seymour Hersh AMY GOODMAN: Am Dienstag wird der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW/Organization for the Prohibition of Chemical Weapons) in Oslo der Friedensnobelpreis verliehen, während deren Mitarbeiter sich darauf vorbereiten, Syriens Chemiewaffenarsenal zu vernichten. Gemäß einer Vereinbarung zwischen den USA und Russland, mit der mögliche US-­‐amerikanische Militärschläge gegen das Regime von Präsident Bashar al-­‐Asad verhindert wurden, soll Syrien … wird Syrien sein Chemiewaffenarsenal von beinahe 1.300 Tonnen bis Mitte 2014 auflösen. Der Leiter der Mission, von der die Vernichtung der Chemiewaffen des Landes überwacht wird, sagte letzte Woche, dass die Kampfhandlungen vor Ort ein großes Problem für die Umsetzung der Vereinbarung darstellen. Hier nun Sigrid Kaag. SIGRID KAAG: Es wurde innerhalb kurzer Zeit viel erreicht, doch die komplexeste und herausfordernste Arbeit steht noch bevor. Der Abtransport der Chemiewaffen aus der Syrisch-­‐Arabischen Republik, um sie außerhalb des Landes zu vernichten, setzt eine gehöriges Maß an Koordination und kollektiver Anstrengung voraus. Die Sicherheitslage ist für uns alle nach wie vor eine große Herausforderung. Wie Sie wissen, hat die Vernichtung von Chemiewaffen nie unter derart herausfordernden und gefährlichen Bedingungen stattgefunden. AMY GOODMAN: Das war Sigrid Kaag, Leiterin der OPCW-­‐Mission in Syrien. Dies fällt zeitlich mit dem Erscheinen eines wichtigen Artikels zusammen, in dem die Behauptung der Obama-­‐Regierung, dass nur das Asad-­‐Regime die Angriffe im Damaszener Vorort Ghouta hätte ausführen können, angezweifelt wird. In der London Review of Books argumentiert der Enthüllungsjournalist Seymour Hersh, dass die Obama-­‐Regierung "sich die Rosinen aus Informationen der Nachrichtendienste" gepickt habe, “um einen Schlag gegen Asad zu rechtfertigen". Er berichtet, die USA hätten auch Kenntnis davon gehabt, dass an-­‐Nusra, eine militante Gruppierung, die am Bürgerkrieg in Syrien beteiligt ist, "dahinter gekommen ist, wie man Sarin herstellt, und in der Lage ist, es in großen Mengen zu produzieren". Um mehr über den Beitrag herauszufinden, sprechen wir jetzt mit Seymour Hersh, dem Enthüllungsjournalisten und Pulitzer-­‐Preisträger, der aus Washington zugeschaltet ist. Sein neuester Beitrag in der London Review of Books trägt die Überschrift "Whose Sarin?" ("Von wem stammt das Sarin?") Im Laufe der Jahrzehnte hat Hersh mit zahlreichen Enthüllungen journalistische Meilensteine gesetzt – dazu gehören u.a. die Misshandlungen im Gefängnis Abu Ghraib und das My Lai-­‐
Massaker in Vietnam. 1 Willkommen by Democracy Now, Seymour! Erläutern Sie mal Ihr Anliegen– was hat die Obama-­‐Regierung uns erzählt oder verschwiegen? SEYMOUR HERSH: Eigentlich ist es gar nicht mein Anliegen, Amy; es ist das Anliegen von Mitgliedern der Regierung, die daran glauben, dass sie ihren Eid auf die Verfassung abgelegt haben, und nicht auf ihren unmittelbaren Vorgesetzten, sei es ein General, Admiral oder gar der Präsident. Es geht um die Wahrheit. Und es gibt wahnsinnig viele Leute in der Regierung, die sich sehr, sehr darüber aufgeregt haben, wie mit den Informationen über den Gasangriff umgegangen wurde. Und damit meine ich nicht, dass ich … ich weiß ganz bestimmt nicht, wer was getan hat, aber es steht außer Frage, dass die Regierung es [auch] nicht weiß. Und es steht auch außer Frage, dass der derzeitige amerikanische Präsident – ein Typ, den ich gewählt habe und über den sich auch viel Gutes sagen lässt – bereit war, in den Krieg zu ziehen, Syrien zu bombardieren, ohne wirklich etwas in der Hand zu haben, und auch im Bewusstsein der Tatsache, dass er nicht wirklich etwas in der Hand hatte. Und das bereitet mir große Sorge. Wir sprechen hier von einem schweren Kriegsverbrechen, durch das auf jeden Fall Hunderte von unschuldigen Zivilisten, wenn nicht mehr – und auch ein paar Bösewichte, ob Rebellen oder andere – mit Sarin getötet wurden, was ein schweres Vergehen darstellt. Es ist eine simple Angelegenheit. Wir hatten … im Frühling gab es mehrere Chemiewaffenangriffe in Teilen Syriens, die von allen Seiten untersucht wurden. Die UN haben es sich angesehen. Sie stellten fest, dass es vier kleine Vorfälle gab, bei denen vielleicht 10 – ich sollte nicht "klein" sagen, denn ein Toter ist mehr als genug – bzw. zwischen 15 und 20 Menschen durch Sarin getötet und andere sehr schwer verletzt wurden. Wie immer legten die UN sich am Ende nicht darauf fest, wer was getan hatte. Also sahen wir uns die Sache an. Die Israelis machen sich als Nachbarn natürlich große Sorgen wegen des syrischen Chemiewaffenarsenals. Es stellt für Israel eine strategische Bedrohung dar. Und wir fanden etwas Sarin und einige Beweise. Und was uns am meisten überrascht hat, war, dass es viele sowohl den Amerikanern als auch den Verbündeten bekannte Berichte darüber gab, dass an-­‐Nusra – eine der "jihadistischeren" Gruppen, sprich eine der radikaleren Islamisten-­‐Gruppen, die gegen Bashar kämpfen … in geringerem Maße noch weitere, wie beispielsweise AQI, al-­‐Qaida im Irak, die wir manchmal auch als die al-­‐Qaida Mesopotamiens bezeichnen –nicht nur über das Know How und Potential verfügten, Sarin herzustellen, sondern dass sie es auch schon getan haben. Und dabei handelte es sich um strenggeheime Berichte, die am oberen Ende der Befehlskette im Umlauf waren. Manche davon waren so streng geheim, dass nur wenige Mitglieder der Regierung davon wussten. Sie wurden hochrangigen Mitarbeitern der Verteidigungs-­‐ und Geheimdienstbehörde übermittelt (DIA/Defense Intelligence Agency). Die CIA hat auf jeden Fall viele solcher Berichte weitergeleitet. Schließlich befassten die amerikanische Regierung, das Militär und das Pentagon sich mit dem Gedanken, reinzugehen und das gesamte Nervengas auf beiden Seiten zu vernichten. Und sie leiteten etwas in die Wege, was sie als "Operations Study" bezeichnen. Eigentlich heißt es "Operations Order". Dabei handelt es sich um eine sehr großangelegte Untersuchung, die aus 60 oder 70 unterschiedlichen Teilen besteht. Sie kamen zu dem Schluss, dass 70.000 amerikanische Soldaten nach Syrien geschickt werden müssten, um die Chemiewaffen auf beiden Seiten zu kassieren. Und das ist eine große Sache. Sie wissen schon, man muss sie mit Essen versorgen. Man muss sie schützen. Man muss berechnen, wie viel Toilettenpapier sie benötigen werden. Im Sommer wurde also eine großangelegte Untersuchung durchgeführt. Ich glaube – bzw. man hat mir erzählt –, dass eine NIE (National Intelligence Estimate) eingeholt werden sollte, also eine nachrichtendienstliche Einschätzung, inwieweit die Opposition, also die Rebellen, in der Lage sind, Sarin herzustellen; aber dazu kam es nie. Und da haben wir's. Es gab diese Berichte. Sie waren auf jeden Fall bekannt. Ich kann Ihnen nicht erzählen, dass der Präsident selbst diese Dokumente gelesen hat; ich weiß es nicht. Aber eines ist klar, ob er sie gelesen hat oder nicht – er hätte sie lesen sollen. Und als er nach dem Geschehen sofort an die Öffentlichkeit trat … wissen Sie, genau darum geht es. Die Darstellung war … es geht um die Darstellung … wir mögen Bashar nicht, er hat schreckliche Dinge getan, um sein Regime und seine Regierung zu verteidigen, er hat viele Menschen umgebracht, und auch – das müssen wir auch bedenken – viele seiner Soldaten verloren. Es ist ein richtiger Rebellenkrieg, ein Bürgerkrieg. Und der Punkt ist, dass die Vereinigten Staaten zu keinem Zeitpunkt in Erwägung zogen, an-­‐Nusra unter die Lupe zu nehmen. Sie wurde einfach ausgeklammert. Und es hieß einfach, Bashar habe es getan. Und wie wir alle wissen, haben die Massenmedien und die meisten Menschen auf dieser Welt es geglaubt. Und wissen Sie, deswegen bleiben unangenehme Störenfriede wie ich im Geschäft. AMY GOODMAN: Nun zu Jay Carney, Pressesprecher des Weißen Hauses. Er wurde Ende August zum Chemiewaffenangriff in Syrien befragt. REPORTER: Jay, Sie haben gerade mit großem Nachdruck gesagt, dass geringer Zweifel daran besteht, dass das syrische Regime für diesen Chemiewaffenangriff verantwortlich ist. Was ist angesichts des Kontextes also der Zweck dieses nachrichtendienstlichen Berichtes? Geht es darum, zu legitimieren, dass … also darum, verbleibende Zweifel auszuräumen und somit in den Augen der internationalen Gemeinschaft eine Reaktion zu legitimieren? PRESS SECRETARY JAY CARNEY: Ich bin mir keiner Zweifel bewusst. Es lässt sich nicht leugnen, dass in großem Maßstab Chemiewaffen eingesetzt wurden. Wir wissen, dass das Regime die Chemiewaffen in Syrien unter ihrer Kontrolle hat und die Art von Raketen benutzt, mit denen die chemische Munition am 21. August abgefeuert wurde. Auf die Opposition trifft das nicht zu. Wir wissen auch, dass die Opposition nicht über die gleichen Möglichkeiten wie das syrische Regime verfügt. Und wie zuvor erwähnt, hat das syrische Regime nach Einschätzung der Nachrichtendienste mit ziemlicher Sicherheit in diesem Konflikt bereits in kleinerem Maßstab Chemiewaffen eingesetzt. Die Behauptung, dass es irgendeinen Zweifel daran gibt, wer hierfür verantwortlich ist, ist so absurd wie die Behauptung, der Angriff selbst habe nicht stattgefunden. AMY GOODMAN: Seymour Hersh, was sagen Sie zu dem, was Jay Carney Ende August geäußert hat? SEYMOUR HERSH: Nun, meine Mutter hätte gesagt, dass er seinen Mund mit Seife auswaschen soll. AMY GOODMAN: Weil? SEYMOUR HERSH: Nun, weil … schauen Sie, er lügt nicht; man sagt ihm, was er sagen soll, und er tut es. Es wird ihm vorgeschrieben. Doch vier Tage später hat ein Sprecher des Außenministeriums, oder besser, eine Sprecherin des Außenministeriums gesagt, "Wir untersuchen es gerade" – also am 23. August – "Wir haben keine Informationen darüber, was los ist. Wir untersuchen es gerade". Tatsache ist, dass die Vereinigten Staaten über ein sehr, sehr ausgefeiltes Sensorensystem verfügen, dass von uns installiert wurde, ebenso wie im Iran; mit dessen Hilfe – darüber habe ich jahrelang in The New Yorker berichtet – konnten wir mit ziemlicher Sicherheit feststellen, dass es keine unterirdische Anlage im Iran gibt, wenngleich die Presse immer noch von dieser Möglichkeit spricht. Wir haben es gründlich untersucht. Wir haben sehr, sehr gute Sensoren. Amerika verfügt über hervorragende technische Möglichkeiten. Und das Gleiche ist in Syrien passiert. Wir haben Sensoren. Und es ist insofern problematisch, darüber zu sprechen … ich hatte keine Wahl, weil man es erwähnen muss, aber die Leute fangen an, Fragen dazu zu stellen, wie die aussehen, wo die sind, und das ist Pech, weil sie sehr nützlich sind. Wir haben passive Sensoren, die uns nicht nur informieren, wenn die Syrer … und zwar in jeglichem syrischen Depot, Chemiewaffendepot … und Sarin wird nicht gelagert … Niemand lagert Sarin. Es ist ein sehr unbeständiges, säurehaltiges Gift, das sich schnell zersetzt. Man lagert die Chemikalien, aus denen Sarin besteht. Diese bezeichnet man als Vorläuferstoffe. Es gibt zwei Chemikalien, die zusammengemischt – peng, Abrakadabra – Sarin ergeben. Der Grund, warum man das syrische Arsenal also ziemlich schnell auflösen könnte, ist, dass es sich um zwei inaktive Substanzen handelt, die unabhängig voneinander entsorgt werden könnten. Bei dem einen handelt es sich sogar um Alkohol. Man könnte es einfach wegspülen. Der Punkt ist der, dass die Sensoren es nicht nur registrieren, wenn das Sarin oder die Chemikalien bewegt werden; wichtiger ist, dass sie registrieren, wenn die syrische Armee beginnt, das Zeug zu mischen. Und wenn sie das Zeug erst einmal mischen, ist es – wie ich geschrieben habe – eine Frage von "use it or lose it". Man muss es schnell benutzen, da es sich schnell zersetzt. Es verbleibt nicht lange in den Raketen; es zersetzt die Raketen. Und nicht nur das; die Israelis sind vor Ort und beteiligen sich an diesem Sensorensystem. Es ist also ein Frühwarnsystem, so wie ein Feuermelder. Wissen Sie, es ist … der Alarm geht los, und die Israelis wissen es sofort, genauso wie wir. Und wir werden es nicht zulassen, dass das syrische Militär oder die Armee sich Waffen beschafft, nimmt oder baut, dieses Zeug in Geschosse einfüllt, diese bewegt und zum Abschuss bereitstellt. Das wird nicht passieren. Die Israelis werden zuschlagen, bevor es dazu kommt. Dieses System hat am 21., am 22. August also nada gesagt, sprich nichts. Ich habe die Tatsache erwähnt, dass es interne Berichte gibt. Erst am 23. begann die interne, also die geheime amerikanische Regierung – Sie wissen schon, die Nachrichtendienstgemeinde – damit, interne Berichte für den Verteidigungsminister und den Vorsitzenden des Generalstabs zu schreiben, in denen es hieß, wir haben hier ein Problem in Syrien. Tagelang wussten wir nichts – und was bedeutet das? Das bedeutet, dass wenn am 21. Chemiewaffen eingesetzt wurden, sie nicht aus jenem Arsenal stammten, da keine Warnung einging, dass etwas gemischt wurde. Das heißt nicht, dass nichts geschehen ist, z.B. dass irgendeine abtrünnige Gruppe sich was beschafft und was gemacht hat. Aber unser Hauptwarnsystem hat nichts gemeldet. Das ist ein Hinweis. Das ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass man bei einer Untersuchung zumindest in Betracht ziehen sollte, dass jemand anders als die syrische Armee dahintersteckt. Also ist das, was der Pressesprecher gesagt hat, albern. Es ist einfach falsch. Ich mache ihm keinen Vorwurf. Jay Carney ist zufällig ein sehr netter Typ. Er macht einfach nur, was man ihm sagt. AMY GOODMAN: Seymour Hersh, wir machen jetzt eine Pause und kommen danach zu dieser Angelegenheit zurück; dann werden wir darüber sprechen, worauf Ihre Reputation beruht, über die Menschen in Ihrem Artikel – ob namentlich benannt oder nicht –, die hochrangigen Nachrichtendienstmitarbeiter und Analysten, die hinter den Kulissen ernste Fragen stellten, und warum niemand auf deren Warnungen hörte. Wir sprechen mit Seymour Hersh, einem Journalisten und Pulitzer-­‐Preisträger. Sein jüngst verfasster Artikel "Whose Sarin?" ("Von wem stammt das Sarin?") ist in der London Review of Books erschienen. Bleiben Sie bei uns. [Pause] AMY GOODMAN: Im kommenden Teil unserer Sendung sprechen wir mit Reverend Jesse Jackson über Nelson Mandela, die Mythen und die Fakten, aber zunächst fahren wir mit dem Journalisten und Pulitzer-­‐Preisträger Seymour Hersh fort, dessen Artikel "Whose Sarin?" ("Von wem stammt das Sarin?") gerade in der London Review of Books erschienen ist. Wir werden auch erfahren, warum der Artikel nicht in dem Blatt erschienen ist, für das er aus Tradition schreibt, The New Yorker, oder in der Washington Post. Zunächst einmal dies: In einer schriftlichen Erklärung gegenüber BuzzFeed leugnete Shawn Turner, Sprecher des Büros des Direktors der Nationalen Nachrichtendienste (ODNI/Office of the Director of National Intelligence) die Behauptungen in Seymour Hershs Artikel. Er schrieb "Wir haben gegenüber der Washington Post und Herrn Hersh klar zum Ausdruck gebracht, dass die über den Chemiewaffenangriff vom 21. August gesammelten nachrichtendienstlichen Informationen darauf hindeuteten, dass das Asad-­‐
Regime und nur das Asad-­‐Regime dafür verantwortlich sein könnte. Jegliche Unterstellung, dass versucht worden sein könnte, nachrichtendienstliche Informationen über eine nichtexistente alternative Erklärung zu unterdrücken, ist schlichtweg falsch." Turner sagte auch, kein amerikanischer Nachrichtendienst sei "der Auffassung, dass die Jabhat an-­‐Nusra in der Lage ist, Sarin herzustellen". Was sagen Sie dazu, Seymour Hersh? SEYMOUR HERSH: Nun, was soll man dazu sagen? Ich meine, er hat gesagt, was er gesagt hat, und ich schreibe, was ich schreibe. Wissen Sie, als ich … Sie haben Abu Ghraib erwähnt. Als ich damit anfing, über Abu Ghraib zu schreiben, sagte der Sprecher des Pentagons wortwörtlich – er sagte wortwörtlich: "Ach, Hersh wirft einfach nur mit Dreck, um zu schauen, was hängenbleibt." Ich meine, der Job eines Sprechers besteht darin, dass zu sagen, was die Regierung ihm vorgibt. Tatsächlich finde ich, dass die Regierung hier einfach den direkten Weg einschlagen und damit rausrücken sollte, was sie weiß. Ich habe guten Grund zu der Annahme, dass sie mehr wissen als das, was sie zu der Frage, wer was getan hat und wie Sarin aussieht, angedeutet haben. Und, wissen Sie, wie ich in dem Artikel schreibe, wir haben hier einen Präsidenten der Vereinigten Staaten, der uns an einem Tag erzählt, dass er Syrien bombardieren wird, und es am nächsten Tag verwirft. Er ist plötzlich ein großer Verfechter der Verfassung und wendet sich jetzt an den Kongress, weil der War Powers Act, den jeder Präsident bisher ignoriert hat und den dieser Präsident ignorierte, als er Libyen angriff, für ihn plötzlich von übergeordneter Bedeutung ist. Er wird also hingehen … er wird nicht bombardieren, wenngleich er das vorhatte … obwohl er großmäulig gesagt hat, dass er hart durchgreifen wird. "Sie haben eine Grenze überschritten", was aus seinem Munde große Worte warten, und er wird zeigen, dass niemand diese Grenze überschreiten und damit davonkommen kann. Und dann, nicht nur, dass … dann beschließt er über Nacht, sich an den Kongress zu wenden, und akzeptiert eine sehr vernünftige Vereinbarung – und ich bin froh, dass er das getan hat –, die von den Russen zusammen mit den Syrern vorschlagen wurde, nämlich, dass das Chemiewaffenarsenal oder die Chemikalien in Syrien entsorgt werden sollen. Warum? Warum diese Kehrtwende? Ist es, weil sie nicht wussten, dass andere über Informationen verfügten, oder weil es keine andere Alternative gibt? Ich meine, das, was in der von Ihnen vorgelesenen Erklärung des Pressesprechers gesagt wird, oder die Äußerungen des Sprechers des Büros des Direktors der Nationalen Nachrichtendienste (ODNI/Office of the Director of National Intelligence) sind Anlass genug, tiefer gehende Fragen zu stellen. Wenn er nicht über Informationen verfügt, die der Annahme, Bashar habe es getan, widersprechen, warum der Sinneswandel? Wissen Sie, da steckt mehr dahinter, das versichere ich Ihnen. Ich habe noch nicht alles zusammen. Ich habe Sachen gehört, und … AMY GOODMAN: Also wer sind denn die Nachrichtendienstmitarbeiter, die Analysten, mit denen Sie gesprochen haben, ob Sie diese nun namentlich benennen oder nicht? SEYMOUR HERSH: Oh, Sie sind wohl … AMY GOODMAN: Aber sagen Sie uns [wenigstens], was sie gesagt haben und für welche Behörden sie tätig waren. SEYMOUR HERSH: Das kann ich nicht … schauen Sie … wissen Sie was? Sie können im Dreieck springen und Fragen zu anonymen Quellen stellen, aber glauben Sie mir, wenn diese Typen … wissen Sie, die würden alle so wie Snowden den Rest ihres Lebens in Russland verbringen, wenn sie Glück hätten. Niemand wird offen sprechen. Dies sind … AMY GOODMAN: Nun, dann kommen wir zu David Shedd, dem Stellvertretenden Direktor der US-­‐amerikanischen Verteidigungs-­‐ und Geheimdienstbehörde, den sie sehr wohl zitieren. SEYMOUR HERSH: Nun, ich zitiere aus einem Dokument. Nein, das tue ich nicht, ich zitiere aus einem Dokument, das ihm geschickt wurde. AMY GOODMAN: Aber lassen Sie uns direkt hören, was er … SEYMOUR HERSH: Sicher. AMY GOODMAN: … beim Aspen-­‐Sicherheitsforum im Juli über die syrische Opposition gesagt hat. DAVID SHEDD: Ich zähle nicht weniger als 1.200 unterschiedliche Oppositionsgruppen. Und daher kommen die Zustände in Syrien größtenteils jenen zugute, die zum Extremismus neigen oder tatsächlich extremistisch sind, denn sie konzentrieren sich darauf, sich auszubreiten und zu organisieren und auf ihre Mission gegenüber dem Regime von Bashar Asad und dessen Mitkämpfern von der Hizbullah und so weiter. Sie sind der effektivste Teil dieses Spektrums von 1.200 Gruppen. Sie werden innerhalb der Opposition immer stärker, was die Fähigkeit angeht, sich gegen das Regime zu stellen. Diese Aussage bezieht sich nicht auf das Auf und Ab, das den Kampf des Regimes gegen die Opposition kennzeichnet. Es geht um [die Lage] innerhalb der Opposition, denke ich – um auf Ihre Frage zu antworten, ich denke, dass die an-­‐Nusra-­‐Front immer stärker wird, und das bereitet uns ernste Sorgen. AMY GOODMAN: Das war David Shedd, Stellvertretender Direktor der US-­‐
amerikanischen Verteidigungs-­‐ und Geheimdienstbehörde (DIA/Defense Intelligence Agency), bei einer Rede im Juli. Von welcher Bedeutung ist das, was Shedd gesagt hat und nicht sagen konnte, Seymour Hersh? SEYMOUR HERSH: Ich weiß nicht, was er sagen oder nicht sagen konnte. Ich kann mich nicht in sein Denkmuster hineinversetzen. Ich weiß nur, dass er damals einen großen Bericht erhalten hatte und dass die "Operations Order" in die Wege geleitet war. Und Shedd ist schon lange dabei. Er war bei der CIA. Und ich habe nicht mit ihm gesprochen und nicht mit ihm über das hier diskutiert. Aber er ist ein guter Nachrichtendienstmitarbeiter. Und ich … er denkt darüber nach … schauen Sie, zum Zeitpunkt seiner Rede … bei den Nachrichtendiensten weiß man seit einem Jahr, dass Bashar die einzige Option ist, ob es einem gefällt oder nicht, weil das, was wir als die säkulare Opposition zu Bashar bezeichnen – die legitimen, nichtradikalen Dissidenten, Menschen aus der Armee, Zivilisten, die des Mangels an sozialem Fortschritt überdrüssig waren, etc., etc. –, überrannt worden sind; das wissen wir seit Anfang des [letzten] Jahres. Wir wussten, dass sie von Jihadisten überrannt werden. Und daher schien für mich die einzige Lösung darin zu bestehen – [auch] für die Regierung, für die Menschen, die ich kenne – und ich spreche seit Jahren mit Menschen darüber … es wird seit mehr als einem Jahr darüber gesprochen … die einzige Lösung zugunsten von Stabilität war Bashar. Das mag einem gefallen oder nicht. Apropos Israel – vergessen Sie nicht, Damaskus ist 40, 45 Meilen von den Golanhöhen entfernt und liegt 130 Meilen südlich, besser gesagt nördlich, nordöstlich von Tel Aviv, also in Raketenreichweite. Die Israelis werden eine Jihadisten-­‐Regierung in Syrien nicht hinnehmen, und noch nicht einmal irgendein Gebiet, das die Jihadisten für sich in Anspruch nehmen, in dem die Scharia herrscht. Sie werden das Land angreifen. Die einzige Möglichkeit, die Stabilität zu wahren, bestand darin, Bashar zu halten oder ihn in eine Lage zu bringen, in der er vielleicht bereit wäre, über eine Art gemeinschaftliche Regierung zu verhandeln, was derzeit das einzig Vernünftige zu sein scheint. Es ist also sehr gut möglich, dass Shedd genau davon sprach. Ich habe darüber geschrieben und erwähnt, was er gesagt hat, weil er … er hat das gesagt, nachdem er eine Menge stichhaltiger nachrichtendienstlicher Informationen über an-­‐Nusra und deren Fähigkeiten erhalten hatte. Und ich werde Ihnen auch erzählen, dass es im Mai in der Türkei einen sehr besorgniserregenden Vorfall gab; anfangs hieß es, es sei aufgedeckt worden, dass eine an-­‐Nusra-­‐Gruppe im Besitz von vier Pfund Sarin sei und damit einen amerikanischen Luftwaffenstützpunkt in einer Stadt namens Adana angreifen wollte. Wir haben dort einen großen Luftwaffenstützpunkt, und das hat für ziemlichen Aufruhr gesorgt. Ich habe nicht darüber geschrieben, denn als es zur Verhandlung bzw. Anklageerhebung kam, behauptete die türkische Regierung nicht mehr, dass sie [die an-­‐Nusra-­‐Gruppe] Sarin hatten, sondern dass sie danach suchten. Und wie wir wissen – was viele im Publikum vielleicht nicht wissen –, sind Erdoğan, der Premierminister der Türkei, und sein Geheimdienstchef, ein Herr namens Fidan, sehr pro-­‐islamistisch, und es gibt in der Region deswegen große Spannungen. Da haben wir also die Türkei, die einerseits wirklich will, dass Bashar stürzt, andererseits aber zu unseren Verbündeten zählt und gleichzeitig versucht, gute Beziehungen zum Iran zu haben. Es ist eine sehr komplizierte, chaotische Sachlage. AMY GOODMAN: Seymour … SEYMOUR HERSH: Und das Nervengas … AMY GOODMAN: Fahren Sie fort. SEYMOUR HERSH: Bitte, fahren Sie fort. Es tut mir Leid. Nein, nur zu. Es ist alles gut. AMY GOODMAN: Warum ist der Artikel in der London Review of Books erschienen und nicht dort, wo Sie aus Tradition veröffentlichen, in der New Yorker oder – wie erwartet – in der Washington Post? Der Chefredakteur Marty Baron meinte, die im Artikel verwendeten Quellen würden nicht den Ansprüchen der Washington Post genügen. SEYMOUR HERSH: Nun, das ist es, was er oder einer seiner Redakteure mir in einer E-­‐
Mail mitgeteilt hat, nachdem – so dachte ich – er schon seit ein paar Wochen eingeplant gewesen war; nun, wie Sie wissen, ist er der Boss. Er ist ein vernünftiger, fähiger Redakteur, und er hat das Recht zu sagen, dass der Artikel nicht … die Information, die ich erhielt, war, dass er nicht den Standards der Washington Post entspricht. Und das respektiere ich. Er ist kein Dummkopf, wissen Sie, und ich kenne den Typen zwar nicht, aber nach allem, was ich über ihn gehört habe, ist er ein sehr kompetenter Redakteur. Ich kenne Leute, die mit ihm gearbeitet haben, als er bei der L.A. Times war, für die er gearbeitet hat. Und ich verüble es einem Redakteur nicht, dass er sagt, was er will. Wissen Sie, für Menschen wie mich nutzt sich das Willkommensein schnell ab. Manchmal hat man keine Lust mehr auf Reporter, die reinkommen und sagen, der Himmel ist immer verhangen, es ist nicht sonnig. Und das ist es, was wir tun. Enthüllungsreporter haben eine kurze Verwertbarkeitsdauer. Wissen Sie, wir sind die Überbringer schlechter Nachrichten. AMY GOODMAN: Erzählen Sie von den Informationen, die den Dokumenten der NSA entstammen und von Edward Snowden veröffentlicht wurden, und inwiefern sie hierfür von Belang sind, Seymour. SEYMOUR HERSH: Nun, das ist der Grund, warum ich zur Washington Post gegangen bin. Snowden gab … Sie wissen schon, Snowden … übrigens muss man die Washington Post auch dafür bewundern, dass sie als Massenblatt Snowdens Material veröffentlicht haben, obwohl das Weiße Haus ihnen die Hölle heiß gemacht hat. Eines der Dokumente von Snowden, die bei der Washington Post gelandet sind, war eine Art Jahresbudgetantrag vonseiten der Nachrichtendienste, und es enthielt Informationen über die NSA; es war weitaus mehr als streng geheim eingestuft, etc., etc. Und in einem Teil davon … die Washington Post hat nur ein, zwei Dutzend … weniger als das, vielleicht 17, 18 Seiten des Dokuments veröffentlicht. Den Rest haben sie auf Bitte der Regierung zurückgehalten, was ihr gutes Recht ist. Aber in dem Artikel, einer Zusammenfassung, erwähnten sie zwei Dinge, die mir zu denken gaben, die mich wirklich wachgerüttelt haben. Sie erwähnten das Sensorensystem. Und ich hatte von Insidern von dem Sensorensystem gehört. Und wie ich zuvor erwähnt habe, ist es eine schwierige Sache, denn als Journalist bin ich froh, dass wir so etwas wie passive Sensoren haben. Passiv, das tut niemandem weh. Wir sammeln Informationen, auf deren Grundlage wir Bewertungen vornehmen können. AMY GOODMAN: Diese werden vom Nationalen Aufklärungsdienst (NRO/National Reconnaissance Office) betrieben. SEYMOUR HERSH: Ja, und viele werden auch von der NSA (National Security Agency) betrieben. Und mit den Erkenntnissen sollte wohl nicht leichtfertig umgegangen werden. Diese Regierung war leichtfertig – das ist einer der Punkte, die ich in meinem Artikel in der London Review of Books deutlich mache; sie sind leichtfertig mit etwas umgegangen, womit sie nicht leichtfertig umgehen sollten, mit einem System, das sehr ernst genommen werden sollte. Aber in besagtem Artikel in der Washington Post wurde das Sensorensystem erwähnt. Es wurde auch erwähnt, dass wir seit Beginn des Rebellenkriegs in Syrien – es ist jetzt zwei Jahre her – Bashar und seine ranghohen Leute nicht mehr überwachen können. Die NSA war nicht mehr in der Lage, sie abzuhören. Sie verständigen sich jetzt auf andere Weise. Und, wissen Sie, einer der Vorbehalte, was diesen Gedanken angeht, dass man Dinge abfangen kann, ist, dass wir schrecklich viel Zeug haben – in Amerika haben wir Kuriere, die den ganzen Tag durch die ganze Welt fliegen, mit Dokumenten für Dienststellenleiter der CIA und Botschafter/innen, die nicht über moderne Kommunikationsmittel weitergeleitet werden, damit sie nicht abgefangen werden können. Und wir haben Bashar verloren, als der Rebellenkrieg begann. Und ich denke nicht … ich habe mit Leuten gesprochen … Wir haben ihn immer noch nicht, und es steht außer Frage, dass wir einen Hinweis aufgeschnappt hätten, wenn Bashar aktiv an dem Nervengasangriff beteiligt gewesen wäre. Und eine Sache, die man der Regierung zugute halten muss, ist, dass das Weiße Haus bei dieser ganzen Angelegenheit seit dem 21. August niemals behauptet hat, irgendetwas über Bashar zu wissen. Wir gebrauchen ständig seinen Namen. Wir sagen, "Ach, Bashar hat dies und das getan". Aber wir haben nie behauptet, irgendetwas darüber zu wissen, was er gesagt oder nicht gesagt hat, weil wir es nicht wissen. Und das, um ehrlich zu sein, hat mich also zur Washington Post geführt. Und, wissen Sie, das Problem ist, dass es nicht das Problem der Washington Post ist; warum habe ich geglaubt, dass ein Massenblatt so hart vorgehen sollte gegen … Sie wissen schon, und das [mit einem Artikel] von einem Freischaffenden. Es war albern von mir. Ich hätte einfach ganz schnell zum London Review gehen sollen. Mein Fehler. AMY GOODMAN: Und warum ist das heute von Bedeutung? Am Ende hat Obama beschlossen, Syrien nicht anzugreifen, weil die überwiegende Mehrheit des amerikanischen Volkes einfach nein gesagt hatte. Doch welche Bedeutung hat es für das, was heute in Syrien passiert? Und warum hat die syrische … SEYMOUR HERSH: Wenn ich Sie kurz unterbrechen darf, Amy … AMY GOODMAN: Ja. SEYMOUR HERSH: Wenn ich Sie hier unterbrechen darf … Ich sage Ihnen, er hat das nicht getan, weil das amerikanische Volk nein gesagt hat. Er wusste, dass er nichts in der Hand hat. Und es gab furchtbaren Widerstand, über den eines Tages geschrieben werden wird, vielleicht in Geschichtsbüchern. Da gibt es ein paar sehr, sehr willensstarke, verfassungstreue Leute im Pentagon, die unglaublich aktiv geworden sind. Das ist die wahre Geschichte. Ich kann es nicht belegen; ich kann Ihnen nur sagen, ich weiß es. Und daher war es nicht nur ein Fall von … wissen Sie, aus Sicht des Militärs ging es hier um einen Präsidenten, den viele in vielerlei Hinsicht respektierten. An Obama gibt es viel Gutes. Es gibt da viele Dinge – wie gesagt, ich habe ihn zweimal gewählt. Und er ist wahrscheinlich der klügste Präsident, den wir je haben werden, und vielleicht der beste Präsident, den wir je haben werden. Das System ist … unser System bringt nicht immer das Beste hervor. Doch Tatsache ist, dass dieser Präsident in den Krieg ziehen wollte, weil er das Gefühl hatte, das verteidigen zu müssen, was er über eine Grenze gesagt hatte, die nicht überschritten werden dürfe. Das ist es, worum es aus Sicht des Militärs ging. Und das ist nicht akzeptabel. Man zieht nicht in den Krieg, man greift kein Land mit Raketen an, wenn es nicht unmittelbar um die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten geht. Und man spricht noch nicht einmal darüber in der Öffentlichkeit. Das ist falsch, und es war eine furchtbare Sache. Und das ist es, worum es bei dieser Geschichte wirklich geht. Es geht um einen Präsidenten, der sich dazu entschloss, ein Kriegsverbrechen politisch zu benutzen und nicht das Richtige zu tun. Und Amy, meines Erachtens … für mich, Amy, ist das weitaus wichtiger als die Frage, wo der Artikel veröffentlicht wurde, und wer zu mir ja oder nein gesagt hat. Ich weiß, dass die Presse sich gerne auf diesen Kram konzentriert, aber darum geht es bei dieser Geschichte nicht. Bei der Geschichte geht es darum, was er vorhatte, was es über ihn aussagt, was es über das Amt aussagt, was es über die Macht aussagt, dass man einfach eine Geschichte fabrizieren kann – was er getan hat –, wissend, dass die Massenpresse diese Geschichte übernehmen wird. Ich meine, es ist beinahe unmöglich für manche Massenblätter, die beständig die Regierung unterstützt haben … Und das jetzt nach dem WMD-­‐Skandal (Weapons of Mass Destruction), als jeder zum Team gehören wollte. Es stellt sich heraus, dass unser Job als Zeitungsleute darin besteht, nicht zum Team zu gehören. Wissen Sie, unsere Welt wird von vielen Yahoos und Spinnern regiert, und unser Job als Reporter besteht darin, unsere Arbeit zu machen und es den Einfaltspinseln, von denen die Welt beherrscht wird, schwer zu machen, mit manchen Dingen ungeschoren davonzukommen. Das ist es, wovon wir mehr tun sollten. Und das ist einfach nur … wissen Sie, ich denke nicht, dass das eine Tugend ist; es ist einfach unser Job. Und es ist keine Heldentat – es gibt nichts Heldenhaftes an dem, was wir tun. Es ist heldenhaft von manchen Leuten, z.B. von Reportern in Afrika, dass sie sich mit ihrer Arbeit manchmal einem persönlichen Risiko aussetzen. Wir gehen kein persönliches Risiko ein. Es ist gar nicht so schwer, die Menschen im Amt dazu zu bringen, die höchsten Standards zu erfüllen. Und die Presse sollte das öfter tun. AMY GOODMAN: Seymour … SEYMOUR HERSH: Er hat es also nicht getan, weil … nur eine letzte Sache: Es war nicht wegen der öffentlichen Meinung. Er war bereit, sich darüber hinwegzusetzen. AMY GOODMAN: Ich möchte mich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie bei uns waren; wir haben mit dem Enthüllungsjournalisten und Pulitzer-­‐Preisträger Seymour Hersh in Washington D.C. gesprochen. Wir werden auf unserer Seite democracynow.org einen Link zu seinem jüngst erschienenen Artikel in der London Review of Books mit der Überschrift "Whose Sarin?" ("Von wem stammt das Sarin?") setzen. Aus: http://www.democracynow.org/2013/12/9/seymour_hersh_obama_cherry_picked_intelligence. Aus dem Englischen von Kathrin Möller. 1 Weitere Bücher von Seymour Hersh u.a.: The Target is Destroyed: What Really Happened to Flight 007 and What America Knew About It; The Samson Option, Israel, America and the Bomb. Anm. d. Red. 

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