"Handlungsfelder in Rolloutplanung und
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"Handlungsfelder in Rolloutplanung und
Das lang erwartete und seit Jahren im EnwG verankerte „Verordnungspaket intelligente Netze“ wurde Anfang August in einem Gesetzesentwurf zur Digitalisierung der Energiewende konkretisiert. Dabei stehen drei Elemente im Vordergrund bisheriger Analysen: Organisation der Grundzuständigkeit im Messstellenbetrieb, konkrete Vorgaben zur Einbauverpflichtung und Refinanzierung durch gestaffelte Messentgelte. Für grundzuständige Messstellenbetreiber ergibt sich daraus unmittelbar ein Planungs- und Handlungsbedarf im Jahr 2016. Das Thema Smart Metering begleitet die Marktakteure in der Energiewirtschaft seit vielen Jahren. Die Konkretisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Beginn der Einbauverpflichtung haben sich in der Vergangenheit immer wieder verschoben. Im Frühjahr diesen Jahres hat das Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) mit dem Eckpunktepapier zum Verordnungspaket intelligente Netze einen ersten Fingerzeig hinsichtlich des regulatorischen Rahmens im intelligenten Messwesen gegeben. Mittlerweile haben sich diese Eckpunkte weiter konkretisiert. Seit Anfang August 2015 liegt aus dem BMWi ein erster Arbeitsentwurf für ein „Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“ vor. Zentraler Bestandteil des Gesetzentwurfes ist ein eigenständiges Messstellenbetriebsgesetz (MsbG). Das MsbG regelt unter anderem die organisatorischen Vorgaben für den Messstellenbetrieb und fordert vom grundzuständigen Messstellenbetreiber in §3 (4) MsbG, „die informationelle und buchhalterische Entflechtung“ sicherzustellen. Das Gesetz das trennt demnach „den Messstellenbetrieb regulatorisch vom Netzbetrieb“ ab, weswegen es in den Kommentaren zum Gesetz heißt: „Wird der Messstellenbetrieb vom Netzbetreiber durchgeführt, führt er ihn als (grundzuständiger) Messstellenbetreiber und nicht mehr als Netzbetreiber durch, da es keine Aufgabe des Netzbetriebs ist.“ Ferner wird ausgeführt, dass „mit Hilfe der buchhalterischen Entflechtung […] verhindert werden (soll), dass einem Netzbetreiber die Kosten, die einem Netzbetreiber im Rahmen des grundzuständigen Messstellenbetriebs entstehen, in die Erlösobergrenze eingehen.“ Zusätzlich werden im MsbG die technischen Vorgaben und die Finanzierung des Messstellenbetriebes, die Verpflichtung zum Einbau intelligenter Messsysteme sowie Regelungen zur Datenkommunikation festgelegt. Dieses Gesetz würde somit das ursprünglich geplante und im EnWG verankerte Verordnungspaket ersetzen, was eine Anpassung des EnWG notwendig machen würde. Dieser Artikel wurde in der ew Spezial III / 2015 Smart Energy veröffentlicht Hinsichtlich der Einbauverpflichtung sieht der Entwurf derzeit folgende zeitliche Staffelung vor: Ab dem Jahr 2017: Innerhalb von acht Jahren verpflichtende Ausstattung mit intelligenten Messsystemen o aller Abnahmestellen mit einem Jahresverbrauch über 10.000 kWh, wobei Abnahmestellen mit einem Jahresverbrauch über 100.000 kWh innerhalb von 16 Jahren auszubringen sind o aller unterbrechbaren Verbrauchseinrichtungen nach §14a EnWG sowie o aller EEG- und KWKG-Anlagen ab einer installierten Leistung von 7 kWp. Ab 2020 innerhalb von acht Jahren verpflichtende Ausstattung aller Abnahmestellen mit einem Jahresverbrauch über 6.000 kWh sowie optionale Ausstattung bei geringerem Jahresverbrauch Für Einbau und Betrieb intelligenter Messsysteme gibt der Gesetzgeber maximale Messentgelte vor. Die Vorgaben betragen zwischen 100 und 200 Euro pro Messsystem und Jahr und sind nach Jahresverbauch der Abnahmestellen beziehungsweise der installierten Leistung der EEG- und KWKG-Anlagen gestaffelt, wie in der nachfolgenden Grafik dargestellt. Grundsätzlich können auch bei Abnahmestellen mit geringeren Jahresverbräuchen intelligente Messsysteme installiert werden. Allerdings können dafür nur verringerte Messentgelte angesetzt werden: Maximal 60 € bei Abnahmestellen mit einem maximalen Jahresverbrauch zwischen 4.000 und 6.000 kWh. Maximal 40 € bei Abnahmestellen mit einem maximalen Jahresverbrauch zwischen 3.000 und 4.000 kWh. Maximal 30 € bei Abnahmestellen mit einem maximalen Jahresverbrauch zwischen 2.000 und 3.000 kWh. Maximal 23 € bei Abnahmestellen mit einem maximalen Jahresverbrauch unter 2.000 kWh. Die nachfolgende Grafik stellt den Zusammenhang zwischen zeitlicher Vorgabe der Ausbauverpflichtung sowie ansetzbaren Messentgelten dar. Dieser Artikel wurde in der ew Spezial III / 2015 Smart Energy veröffentlicht Abbildung 1: Rolloutplanung und ansetzbare Messentgelte, Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an den Gesetzesentwurf zur Digitalisierung der Energiewende vom 07.08.2015 Im Rahmen dieser Messentgelte müssen alle Kosten für Einbau, Betrieb und Wartung intelligenter Messsysteme abgedeckt werden. Das beinhaltet insbesondere auch die Plausibilisierung und Ersatzwertbildung im Gateway, die dazu erforderliche Datenkommunikation, die Anbindung eines Displays oder Online-Portals zur Verbrauchsinformation sowie das Bereitstellen einer Kommunikationsanbindung. Netzbetreiber, die sich nicht in der Lage sehen den intelligenten Messstellenbetrieb wirtschaftlich abzubilden haben die Möglichkeit die Grundzuständigkeit für den intelligenten Messstellenbetrieb auszuschreiben. Eine solche Entscheidung wäre allerdings dauerhaft und nicht reversibel, das heißt diese Unternehmen würden das Messwesen mittelfristig (mit fortschreitendem Rollout) komplett aufgeben. Dieser Artikel wurde in der ew Spezial III / 2015 Smart Energy veröffentlicht Entscheidungen treffen Bis zu Beginn der Einbauverpflichtung verbleiben (ausgehend von September 2015) noch etwas mehr als 15 Monate. Zeit die benötigt wird, um Prozesse, Organisation (Entflechtung!) und IT so auszugestalten, dass der Rollout in den vorgegebenen Kostengrenzen erfolgen kann. Abhängig von der Entscheidung, in welcher Form die Aufgaben der Gateway-Administration ausgeprägt werden sollen, sind vorbereitende Maßnahmen erforderlich. Zum einen sind strukturelle Voraussetzungen zu schaffen: Dazu gehören die Ausschreibung von Dienstleistungen, die Beschaffung von Hardware sowie die Aufrüstung und Zertifizierung des Rechenzentrums. Zum anderen sind interne Anpassungen innerhalb der Prozesse, der Verwaltung und der IT-Infrastruktur erforderlich. Interne und externe Schnittstellen sowie Prozesse sind in Abhängigkeit der zukünftigen Fertigungstiefe zu definieren, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten festzulegen. Damit diese Handlungsfelder angegangen werden können, sind grundsätzliche Entscheidungen – falls noch nicht erfolgt – zeitnah zu treffen. Die genaue Ausprägung der Handlungsfelder ist abhängig von der Leistungstiefe und der grundsätzlichen Positionierung des jeweiligen Unternehmens im Thema Smart Meter Gateway-Administration, wobei nur bei Verzicht (Ausschreibungsverfahren) auf den grundzuständigen Messstellenbetrieb eine Entflechtung von MSB und VNB unnötig erscheint. Es ist daher frühzeitig zu definieren wie die zukünftige Ausrichtung aussieht. Das heißt, es muss klar geregelt sein welche Leistungen und Aufgaben intern erfolgen und welche durch Dienstleister erbracht werden sollen. Abhängig davon kann der Personalbedarf (qualitativ und quantitativ) bewertet werden. VISOS unterstützt Unternehmen in diesem Entscheidungsfindungsprozess durch Ermittlung geeigneter Zielszenarien, Erstellung und Bewertung entsprechender Business Cases sowie Aufbereitung dieser Informationen in einer Entscheidungsvorlage. Dabei bietet sich ein Vorgehen entlang des FNN-Proessmodells (vgl. Abbildung 2) an. Abbildung 2: Prozessmodell nach FNN Dieser Artikel wurde in der ew Spezial III / 2015 Smart Energy veröffentlicht VISOS definiert gemeinsam mit den Projektverantwortlichen der Stadtwerke teilprozessscharf, welche Aufgaben eigenständig abgewickelt werden sollen, welche Leistungen eingekauft und welche Leistungen möglicherweise als Dienstleistung für Dritte angeboten werden können. Grundlage hierfür ist die Erstellung mehrerer individueller Vergleichsszenarien. Die Szenarien werden mit Hilfe einer Wirtschaftlichkeitsanalyse bewertet und die Ergebnisse gegenübergestellt. In die Analyse fließen VISOS-Benchmarks, Wettbewerbspreise für Prozessdienstleistungen sowie die werksindividuellen Rahmenbedingungen (Personalkosten, Mengengerüste etc.) ein, so dass die Unternehmen im Ergebnis über eine fundierte Entscheidungsgrundlage verfügen. Prozesse und Organisation ausrichten Je nach geplanter Leistungstiefe und auf jeden Fall in Folge der notwendigen Entflechtung ergeben sich in Prozessen und Organisation Anpassungsbedarfe. Mit Rollout und Betrieb intelligenter Messsysteme kommen in Form der Gateway Administration weitere neue Prozesse und Aufgaben auf die Unternehmen zu. Darüber hinaus kommt es aber auch in bestehenden Prozessen zu Veränderungen. Die Zählermontage wird zu einer netzwerktechnischen Aufgabe; Kundenservice und Abrechnung agieren mit neuen Tarifmodellen. In der Folge ergeben sich geänderte Anforderungen an Aufbau- und Ablauforganisation, möglicherweise auch mit einem veränderten Personalbedarf. VISOS definiert unter Berücksichtigung werksindividueller Rahmenbedingungen (Leistungstiefe, IT-Landschaft etc.) gemeinsam mit den Prozessexperten der Unternehmen die zukünftige Prozesslandschaft im Messwesen und den benachbarten Bereichen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Schnittstellen im Prozessablauf. Man unterscheidet nach externen Schnittstellen (z.B. Vorkonfiguration der Messsysteme beim Lieferanten) und internen Schnittstellen (z.B. Steuerung Mobile Workforce). Hier steigen zukünftig die Anforderungen an die Prozessqualität, da intelligente Messsysteme und Zähler im Gegensatz zu konventionellen Zählern im laufenden Prozess nicht untereinander austauschbar sind (z. B. aufgrund der Vorkonfiguration und Verwaltung von Zertifikaten, Profilen etc.). Schnittstellen und Zuständigkeiten sind daher eindeutig zu definieren, um Abstimmungsaufwand zu minimieren und Fehlerquellen zu vermeiden. Auf Grundlage der ermittelten Prozesslandschaft kann anhand von Mengengerüsten ein SOLLPersonalbedarf (qualitativ und quantitativ) ermittelt werden, der den vorhandenen Mitarbeiterkapazitäten gegenübergestellt wird. Daraus lassen sich unmittelbar Maßnahmen zur Umsetzung ableiten. Beispiele hierfür können Mitarbeiterqualifikationen, Personalaufbau, Interne Umstrukturierung zur Umverteilung von Aufgaben etc. sein. Zeitlichen Rolloutablauf optimieren Der Gesetzgeber gibt die Rahmenbedingungen des Rollouts vor: Der Zeitraum zur Erfüllung der Einbauverpflichtung umfasst im Wesentlichen acht Jahre ab dem Jahr 2017 bzw. 2020, die an- Dieser Artikel wurde in der ew Spezial III / 2015 Smart Energy veröffentlicht zusetzenden Messentgelte werden im neuen Messstellenbetriebsgesetz fixiert. Ziel der Messstellenbetreiber muss es sein, den Rollout so kosteneffizient wie möglich darzustellen; schließlich ist jetzt schon zu befürchten, dass die Messentgeltobergrenzen in Zukunft noch abgesenkt werden. Viele der Kostenpositionen, die durch die Messentgelte abzudecken sind, werden durch den Markt vorgegeben und können durch die Netzbetreiber nicht oder nur bedingt beeinflusst werden (Beschaffung Messsysteme, IT-Kosten etc.). Die zeitliche Abfolge des Rollouts ist dagegen innerhalb der vorgegebenen Grenzen direkt beeinflussbar. Hier sollte idealerweise im Jahr 2016 vor Beginn des Rollouts eine Planung und Optimierung erfolgen. Eine Zielgröße zur Optimierung kann beispielsweise die Reduktion der Anfahrtszeiten sein. Daraus folgt die Durchführung möglichst vieler Zählerwechsel je Anfahrtsweg. Stellgröße dieser Optimierung ist nicht nur die normale Tourenplanung im Zuge der anstehenden Turnuswechsel, sondern auch die jahresübergreifende Planung der jährlich zu wechselnden Zähler. Netzbetreiber, die ihre Zählerdaten im Vorfeld des Rollouts auswerten stellen in der Regel Folgendes fest. 1. Einbauverpflichtung betrifft nicht in jedem Jahr gleich viele Zähler. Es wird in Abhängigkeit der Turnusfälligkeit Spitzen geben. Im Sinne einer gleichmäßigen Auslastung macht es somit Sinn, Wechsel vorzuziehen. Insbesondere dann, wenn andernfalls Fremdpersonal beschafft werden müsste. 2. Es wird Lokationen im Netz geben, an denen die Einbaufälligkeit zeitlich versetzt in aufeinanderfolgenden Jahren ansteht. Ein Vorziehen des Zählerwechsels kann sich wirtschaftlich lohnen. Dies ist genau dann der Fall, wenn der Restbuchwert eines Ferrariszählers, der bereits im Netz verbaut ist, geringer ist als die Prozesskostenersparnis die sich durch den Verzicht auf eine zusätzliche Anfahrt mit entsprechenden Rüstzeiten ergibt. Die Nutzung dieser Potenziale setzt eine detaillierte Auswertung über die nächsten acht bis 16 Jahre voraus, aus der die Turnusfälligkeiten nach Lokationen inkl. den jeweiligen Jahresverbräuchen bzw. Prognosemengen hervorgehen. VISOS unterstützt Netzbetreiber bei der Auswertung und Interpretation der so gewonnenen Daten durch Identifikation und wirtschaftlicher Bewertung der individuellen Optimierungspotenziale. Die Realisierung der Optimierungspotenziale kann zu einem gesteigerten Aufwand in der Arbeitsvorbereitung bzw. Steuerung der Mobile Workforce führen. Umsetzungsaufwände sind daher immer dem jeweiligen Optimierungspotenzial gegenüberzustellen. Ausblick Das Thema Smart Metering und die damit verbundenen Veränderungen im Messwesen stoßen bei vielen Unternehmen in der Branche auf wenig Gegenliebe. Viele Marktteilnehmer pflegen Dieser Artikel wurde in der ew Spezial III / 2015 Smart Energy veröffentlicht bisher eine abwartende Haltung und fokussieren Vorbereitungen und Veränderungen nur unzureichend. Spätestens seit der jüngsten Konkretisierung in Form des vorliegenden Gesetzesentwurfes ist zu empfehlen, diese Haltung abzulegen und Planungen und Vorbereitungen zum Rollout aktiv voranzutreiben. Bei strukturierter und rechtzeitiger Vorbereitung sind die neuen Prozesse und Anforderungen auch für kleine Stadtwerke (ggf. mit Unterstützung von Dienstleistern oder Kooperationspartnern) gut umsetzbar. Dieser Artikel wurde in der ew Spezial III / 2015 Smart Energy veröffentlicht