Ägypten

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Ägypten
Bau- und
Baustoffmaschinen
Ägypten
Konjunkturbericht
Bauindustrie
Dezember 2012
Der Bericht wurde von der gtai mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt – der VDMA übernimmt für Inhalt
und Richtigkeit keine Haftung.
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Marktbericht Bauwirtschaft - Ägypten
Kairo (gtai) – Die gegenwärtige komplexe politische Situation sollte nicht über das
langfristig interessante Potenzial der Bauwirtschaft in Ägypten hinwegtäuschen. Dies
betrifft im Grunde alle Sektoren des Hoch- und Tiefbaus. Komplexe Fragestellungen, die
aus den Eigenheiten und Notwendigkeiten des Landes erwachsen, sind auf vielen Ebenen
und für viele Disziplinen eine Herausforderung. Der Ausbau der sozialen Infrastruktur ist
ein Muss. Internationale Finanzierungen halten das Projektgeschehen in Bewegung.
Knappe Budgets erfordern eine verstärkte Kooperation mit dem Privatsektor.
1. Gesamtwirtschaftliches Umfeld und Strukturdaten zum
Bausektor
Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts
Ägypten sieht sich nach wie vor einem politischen Hin und Her mit immer wieder völlig
unerwarteten Wendungen ausgesetzt. Dies erschwert die Bildung notwendigen
Vertrauens in die neuen politischen Eliten im Lande. Es gilt, die wachsende
gesellschaftliche Polarisierung zu überwinden, Kompromisse zu finden und zu akzeptieren
sowie insgesamt wieder positiv für die Zukunft zu arbeiten. Nachdem Präsident Mursi
überraschend eine große Machtfülle auf sich vereinigt hatte, folgte nicht weniger
unerwartet die schnelle Wende hin zu einem neuen Verfassungsentwurf, über den
kurzfristig am 15. Dezember in einem Referendum entschieden werden soll. Nach der –
wahrscheinlichen – Zustimmung blieben in der Folge 60 Tage bis zur Wahl eines neuen
Parlaments. Im März 2013 könnte dann die politische Transitionsphase weitgehend zu
einem Abschluss gebracht sein.
Prognosen über das Land am Nil abzugeben, bedarf in diesen Zeiten einigen Mutes. Und
da das politische Geschehen noch so stark dominiert, trifft dies auch auf die
wirtschaftlichen Erwartungen zu. Es bedurfte des IWF, dass die Regierung im Zuge der
Verhandlungen über eine Bereitschaftskreditvereinbarung ein halbwegs grundlegendes
wirtschaftliches und soziales Programm 2012 bis 2014 in den Ring warf. Die reduzierten
Zielsetzungen nähern sich einer realistischeren Sichtweise an. Das Wachstum des BIP soll
2012/13 bei real 3,5% liegen mit Beschleunigung auf 4,5% im Folgejahr. Als langfristiges
Wachstum werden 7% in 10 Jahren angepeilt. Damit soll eine nachhaltige Reduktion der
Erwerbslosigkeit möglich werden. Im 1.Quartal des laufenden Fiskaljahres 2012/13 lag
die Quote nur marginal reduziert bei 12,5%. Etwas ernüchternd verlief die
gesamtwirtschaftliche Entwicklung bei einem Wachstum im Jahresvergleich von 2,6 nach
3,3% im Quartal davor. Positiv zeigten sich Bauwirtschaft, Industrie und Tourismus,
während Suezkanal und Rohstoffindustrie schwächer tendierten.
Die Rückführung von Defizit und Verschuldung erfordert finanzpolitische Reformen. Auf
der Ausgabenseite steht die Subventionspraxis für Energie auf dem Prüfstand. Erste
kleinere Einschnitte sind erfolgt. Einnahmenseitig geht es um die Erhöhung des
Steueraufkommens durch Steuerreformen. Das Haushaltsdefizit soll von 11% im
Fiskaljahr 2011/12 über 10,4 im laufenden auf 8,5% des BIP im Folgejahr reduziert
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werden. Der angestrebte Inflationsabbau impliziert im Grunde einen weitgehend stabilen
Außenwert des ägypt £. Die Auslandsunterstützung kann nur kurzfristig die Probleme bei
Devisen und Zahlungsbilanz überdecken. Langfristig bedarf das Land massiver in- und
ausländischer Investitionen. Hierzu sind weitere Schritte zur Verbesserung der
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Attraktivität für Investoren erforderlich. Ein
anhaltendes und integratives Wachstum gilt als unverzichtbar für eine erfolgreiche
Bewältigung des anstehenden Transformationsprozesses.
Allgemeine Wirtschaftsdaten *)
Kennziffer
2011/12
2012/13
Bevölkerung (Mio.)
82,3
84,0
BIP (Mrd. US$)
257
280
BIP pro Kopf (US$)
3.126
3.330
BIP (Mrd. Euro)
192
224
BIP pro Kopf (Euro)
2.330
2.660
BIP-Wachstum (real, %)
2,2
3,5
Inflation (Konsumgüterpreise, %)
8,6
10,7
Arbeitslosigkeit (%)
12,7
13,5
1 US$ = ägypt£
5,995
6,4
1 Euro = ägypt£
8,043
8,0
*) Fiskaljahr (Juli bis Juni)
Quellen: Ministry of Finance, IWF, RBS (Exchange Rate Forecast US$/Euro, Nov. 2012:
2012/2013: 1 Euro = 1,25 US$), Ministry of Planning, eigene Berechnungen
Kaufkraft-/Einkommensentwicklung
Ägyptens reales BIP pro Kopf ist in den letzten beiden Fiskaljahren (2011/12: -0,1%;
2010/11: -0,6%) gesunken. In Kaufkraftparitäten KKP (Purchasing Power Parity PPP)
kommt auf Dollarbasis ein Faktor von rund 2,1 zur Anwendung. Dies entsprach 2011/12
etwa 6.560 PPP-Dollar. Erheblich sind die Einkommensunterschiede generell und
zwischen Stadt und Land. Eine große informelle Wirtschaft von etwa 40% kommt hinzu.
Das Statistikamt CAPMAS definiert 2010/11 gut 25% der Ägypter als arm mit
Monatsausgaben von unter 44 US$. Etwa 15% der Bevölkerung können als gut situiert
bis reich gelten. In 2011 lagen die Arbeitslöhne offiziell bei 534 ägypt£ in der Woche.
Lohnerhöhungen von 10 bis 15% konnten in der Umbruchphase vielfach durchgesetzt
werden.
Investitionen
Die nicht enden wollende politische Volatilität erschwert die für eine Rückkehr der in- und
ausländischen Investoren notwendige Wiederherstellung von Vertrauen. Öffentliche und
private Projekte, die im Zuge der Umwälzungen gestoppt oder verlangsamt worden sind,
kommen nur schwer in Gang. Neue gewichtige Vorhaben sind eher noch rar, auch wenn
ein steigendes ausländisches Interesse, so besonders aus China, Korea und der Türkei,
durchaus zu konstatieren ist. Ägypten ist vor allem an arbeitsintensiven
Industrieinvestitionen interessiert, steht dabei aber bereits unter Kostendruck durch
asiatische Billiganbieter. Dieser wird durch die prinzipiell zu begrüßende Abschaffung von
Energiesubventionen nicht geringer, während ein modifiziertes Subventionssystem für
Exporte zu erwarten ist.
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Die Investitionen sollen im Fiskaljahr 2011/12 um real 0,7% gestiegen sein nach Rückgang um 5,6% zuvor. Schwer zu erklärende erhebliche Bestandsveränderungen schaffen
ein noch günstigeres Bild. Die Investitionsquote ist innerhalb von fünf Jahren von 22,4%
(2007/08) auf zuletzt 16,7% gesunken. Noch ungünstiger sieht es für die Relation Auslandsinvestitionen zum BIP aus. Die Quote schrumpfte im Beobachtungszeitraum von 8,1
auf 0,8%. Der IWF erwartet einen sukzessiven Anstieg der Investitionsquote von 17,4
(2013) auf 22,7% (2017). Eine Tendenz zur Stabilisierung zeigten die Direktinvestitionen
aus dem Ausland (netto). Nach 2,2 Mrd. US$ erreichten sie im Fiskaljahr 2011/12 immerhin 2,1 Mrd. US$. Verantwortlich hierfür waren die Neuansiedlungs- (Greenfield-)
Investitionen, die sich auf 2,1 Mrd. nach 2,2 Mrd. US$ stellten.
Potenzielle Investoren und Unternehmen, die nach Ägypten exportieren wollen, sollten
bei ihrer Entscheidung über den Markteintritt das Stärken-Schwächen-Profil des Standorts und die damit verbundenen Chancen und Risiken (SWOT-Analyse) berücksichtigen:
Strengths (Stärken)
Weaknesses (Schwächen)
Dynamische junge Gesellschaft.
Inflation.
Großer Binnenmarkt.
(Jugend-) Arbeitslosigkeit.
Strategisch gute geografische Lage zu attraktiven
Märkten der Region.
Unzureichendes (Aus-) Bildungssystem.
Günstige Arbeitskräfte.
Starkes soziales Gefälle zwischen arm und reich, Stadt
und Land.
Relativ gute Infrastruktur.
Starkes Bevölkerungswachstum.
Opportunities (Chancen)
Threats (Risiken)
Ausbau moderner Infrastruktur.
Akzeptanz der neuen Verhältnisse.
Herausbildung einer kaufkräftigen Mittelschicht.
Öffentliche Sicherheit und Ordnung.
Mobilisierung des Bevölkerungspotenzials.
Gesellschaftliche Kohärenz.
Erhöhung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.
Schleppende Reformprozesse.
Steigerung von Produktivität, Effizienz und Wertschöpfung.
Zu langsame Verbesserung der Lebensbedingungen und
Stärkung radikaler Elemente.
Konsum
Der starke private Verbrauch hat in den letzten zwei Jahren der politischen Umwälzungen
das Wachstum der ägyptischen Wirtschaft gerettet. Die realen Zuwächse lagen in den
Fiskaljahren (Juli bis Juni) 2011/12 (2010/11) bei real 5,9 (+5,5)%. Auch der öffentliche
Verbrauch legte um 3,1 (3,8)% zu. Der Anteil der privaten Konsumausgaben (inländische
Verwendung) am BIP stellte sich auf 76,7 nach 74,0%. Eine vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit und von der Regierung reduzierte gesamtwirtschaftliche Erwartungen für
das laufende Fiskaljahr 2012/13 lassen keine großen Sprünge zu. Das Konsumklima
hatte sich mit der Wahl von Staatspräsident Mursi schrittweise verbessert, die Bereitschaft, dauerhafte Konsumgüter zu kaufen erhöht. Die Bewahrung des gesellschaftlichen
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Zusammenhalts durch die neuen Machteliten wird für das Verbrauchvertrauen vorerst
entscheidend bleiben.
Die Konsumtrends sollten sich grundlegend fortsetzen. Dies impliziert die Attraktivität
von Einkaufs-Erlebniszentren sowie das wachsende Interesse am Online-Shopping. Die
Jugend bleibt zum Großteil westlich konsumorientiert und folgt den unverdächtigen Mustern der Golfstaaten. Die klassischen kleinen Einzelhändler kommen unter Kosten- und
Preisdruck. Sharia-konforme Produkte von Halal-Nahrungsmitteln über Halal-Tourismus
bis hin zu islamischen Finanzierungen dürften schrittweise expandieren. Für die großen
ausländischen Marken bleiben die Shopping Malls von Bedeutung. Das Franchising stößt
bei in- und ausländischen Unternehmen auf ein wachsendes Interesse.
Strukturdaten zur Bauwirtschaft
Ausgewählte Indikatoren (nominal, in Mio. ägypt£, sofern nicht anders angegeben; Änderung in %)*)
Baugewerbe
.Wertschöpfung
..öffentlich
..privat
.Anteil am BIP (%)
.Produktionswert
..% vom Gesamt
.implementierte Investitionen
..privat
..% vom Gesamt
Real Estate
.Wertschöpfung
..privat
.Anteil am BIP (%)
.Produktionswert
.implementierte Investitionen
Wohnungsbau (städtisch, 1.000 Einheiten)
.privat
Baugenehmigungen (Anzahl)
.Wohnungsbau
..privat
.Nicht-Wohnungsbau
..privat
Wohnungsbauinvestitionen
.öffentlicher Sektor
2010/11
2011/12
Änderung
60.070
7.168
52.902
4,6
137.875
6,7
5.763
4.800
2.5
67.382
7.883
59.499
4,6
154.214
6,6
1.701
890
0,7
+12,2
+10,0
+12,5
34.066
32.614
2,6
34.398
32.294
184,4
114,1
65.595
61.915
60.369
3.680
3.097
13.350
5.931
38.035
36.411
2,6
38.810
39.362
+11,7
+11,6
+11,9
-70,5
-81,5
+12,8
+21,9
*) Datensituation intransparent und widersprüchlich; Fiskaljahr (Juli bis Juni)
Quellen: Ministry of Finance, CBE Central Bank of Egypt, Nationales Statistikamt CAPMAS
2. Hochbau
Marktlage und Marktentwicklung
Der ägyptische Immobiliensektor und speziell in der Metropole Kairo stand zuletzt vor
einer Wiederbelebung. Die Verfestigung dieses Trends hängt von den weiteren politischen
Entwicklungen mit ihren Implikationen für die Wirtschaft ab. Die Stimmung von Investoren und Verbrauchern hob sich bis November 2012 langsam aber sicher mit positiver
Rückwirkung auf die einzelnen Immobiliensegmente. Eine schnelle Rückkehr zur vorrevolutionären Dynamik und den daraus gefolgten Erwartungen steht allerdings vorerst
nicht an. Die Verbesserung der sozialen Infrastruktur haben Präsident und Regierung
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versprochen. Dies betrifft vor allem das Gesundheitswesen und den Bildungsbereich. Davon sollte die Bauwirtschaft, so durch PPPs, profitieren können.
Der private Wohnungsbau verlangsamte sich 2011 wegen politischer Umwälzungen und
rechtlicher Probleme einiger Immobilienentwickler im Zusammenhang mit Grundstückskäufen noch unter dem alten Regime. Langsam gewinnt die Immobilie ihre Reputation als
sichere Anlage für internationales und inländisches Investment zurück. Immobilienentwickler im gehobenen und Luxussegment, vor dem Umbruch wachstums- und ertragsstarke Firmen, haben mit den Veränderungen deutlich Federn lassen müssen. Die Nachfrage sank, die Preise gingen zurück, Projekte kamen zum Stillstand oder wurden deutlich langsamer abgewickelt. Ein wieder steigendes Verbrauchervertrauen spiegelt sich
zuletzt in einem Anstieg der Nachfrage nach hoch- und höherwertigen Wohneinheiten in
der Metropole Kairo wider. Das Jahr 2012 sah die begrenzte Fortsetzung der meist langfristig angelegten Projekte. Etwa 30.000 neue Einheiten sind für 2013 zu erwarten, so
dass sich der betreffende Bestand von 75.000 Einheiten (2012) auf 103.000 (2013) erhöht und weiter auf 127.000 im Folgejahr. Allerdings sind hierbei zeitliche Verzögerungen
nicht auszuschließen.
Seit Ende 2010 hat sich der Bestand um über 40% erhöht, so dass der Markt deutlich
wettbewerbsintensiver geworden ist. Derzeit gibt es eine gewisse Verlagerung der Nachfrage von Häusern zu Wohnungen mit entsprechenden Preiseffekten. In New Cairo (6th
of October) lag laut Jones Lang LaSalle (JLL) der durchschnittliche Kaufpreis für Wohnungen bei 1.198 (990) US$/qm, für Häuser bei 1.609 (1.190) US$/qm. Der Trend der Mittel- und Oberschicht zur Ansiedlung in den neuen Außenstädten, die sich rapide entwickeln, setzt sich fort, so ins östlich vom Nil gelegene New Cairo mit Katameya und in das
jenseits der Pyramiden im Westen befindliche 6th of October City. Die abgeschirmten
Wohnanlagen passen sich in die großen Umgehungs- und Zubringerstraßen ein, die für
relativ schnelle Wege sorgen. Als Geschäftsmodell der Entwickler überwiegt der Verkauf
von Wohneinheiten vor Fertigstellung oder Baubeginn, häufig in Form eines prozentualen
Pauschbetrags und nachfolgenden zinslosen Raten als Vorauszahlungen nach einem
standardisierten Zahlungsplan. Nur bei größeren Abweichungen kommen Zinsen ins
Spiel. Der Entwickler finanziert weitgehend ohne Bankensystem. Seltener ist der Verkauf
von fertig gestellten Wohneinheiten. Genutzt werden die Immobilien meist zu eigenen
Wohnzwecken oder zur Überlassung an zahlungskräftige (ausländische) Mieter.
Ägypten weist ein nachhaltiges Bevölkerungswachstum von gut 2% auf. Die Einwohnerzahl wächst um 1,5 Mio. bis nahe 2 Mio. jährlich. Das ist zugleich die größte Triebfeder
der Wohnungsnachfrage. Das Wachstum für den Wohnungsmarkt wird für die kommenden Jahre auf 4 bis 5% veranschlagt. Die Zahl der Heiraten zeigt wieder nach oben, 2011
sollen es rund 900.000 gewesen sein – die offizielle Zahl wird angezweifelt und für ein
Drittel zu hoch gehalten -, und damit auch der Wunsch nach Gründung eines eigenständigen Haushalts.
Der Markt ist und bleibt erheblich, wobei der Trend in Richtung erschwinglichen Wohnraums für die Mittelschicht geht. Dies wird von Branchenkennern als das Segment der
kommenden Jahre angesehen, denn es ist groß und weist Nachhol-, laufenden und künftigen Bedarf auf. Dem Bereich widmen sich Entwickler wie Heliopolis Company for
Housing and Development (HELI), Madinat Nasr for Housing and Development (MNHD)
und Talaat Moustafa Group (TMGH), die auch in weiteren Teilmärkten aktiv sind. Preise
(unter 2.000 bis über 3.000 ägypt£/qm) und Größen (etwa 100 bis deutlich über 200
qm) variieren auch im mittleren Segment deutlich.
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Als begleitende Entwicklungen gelten unter anderem die Reduzierung der Wohnungsgrößen – möglichst ohne Abstriche bei der Qualität-, eine diversifizierte Gestaltung, ferner
die stärkere Herausbildung eines Marktes für Hypothekendarlehen und die Konsolidierung
der Branche der Immobilienentwickler. So steht eine gewisse Marktbereinigung zu erwarten. Größere und bisher im Luxussegment aktive Entwickler könnten sich in weitere
Segmente durch Übernahmen oder Fusionen einkaufen. Auch die Zusammenarbeit zwischen Entwickler und Bauunternehmen in Form von projektbezogenen Joint Ventures
könnte eine Perspektive haben.
Für die Armen bleibt bisher im Grunde nur der Ausweg des informellen Bauens und Wohnens – etwa 11 Mio. bis 15 Mio. Bewohner leben in informellen Siedlungen -, auch wenn
Anstrengungen unternommen werden, hier Abhilfe zu schaffen, so in der Wiederbelebung
eines staatlichen Projekts zur Schaffung von 1 Mio. Wohneinheiten in 22 Städten über
fünf Jahre, das angesichts fehlender in- und ausländischer Finanzierung nicht vorangekommen war. Eine Verbesserung problematischer Wohngebiete wird seit Jahren auch mit
ausländischer Hilfe unternommen. Hierbei geht es um die Verbesserung grundlegender
Infrastrukturen wie Wasser, Strom und Abwasser. Das Thema Immobilien für Bezieher
niedriger Einkommen betrifft mit rund 17 Mio. Haushalten mehr als vier von fünf ägyptischen Haushalten. Die Schätzungen weichen stark voneinander ab, jedoch ist die Rede
von bis zu 1,5 Mio. fehlenden erschwinglichen Wohneinheiten. Die jährliche Wohnungsnachfrage liegt an der Untergrenze bei 0,6 Mio. Einheiten, davon über die Hälfte in ländlichen Gebieten.
Der Staat spielt eine entscheidende Rolle im sozialen Wohnungsbau, kommt aber an privaten in- und ausländischen Firmen und Geldgebern nicht vorbei, zumal Haushaltsengpässe seinen (Finanzierungs- und Handlungs-) Spielraum begrenzen. Öffentlich-private
Partnerschaften zwischen Staat und Entwicklern sollen den informellen Sektor eindämmen helfen. So widmet sich der Schaffung von Wohnraum für niedrige Einkommensbezieher mit Anreizen durch die Regierung unter anderem eine Tochterfirma des Bauriesen
Orascom Construction Industries (OCI), Orascom Housing Communities (OHC). Das Ziel
für das nationale Wohnungsbauprojekt hat das Wohnungsbauministerium für das alte,
seit 2005 laufende Vorhaben jüngst von 500.000 auf 600.000 Einheiten angehoben. Die
Kosten werden auf 35 Mrd. ägypt£ erhöht von 25 Mrd. ägypt£ zuvor. Es sollen 486.000
Einheiten fertig gestellt und 90% an die Begünstigten übergeben worden sein. Die restlichen 14.000 Einheiten sollen bis Jahresende komplett sein. Die zusätzlichen 100.000
Einheiten sind für das 1.Halbjahr 2013 vorgesehen. Der 2004 ins Leben gerufene GSF
Egyptian Guarantee and Subsidy Fund widmet sich der Erschwinglichkeit von Wohnraum
für untere Einkommensbezieher.
Angekündigt ist auch die Erschließung von Wohngebieten an der Nordküste. Eine Projektliste des Wohnungsbauministeriums soll vorbereitet werden mit Implementierung durch
PPPs. Ferner befindet sich ein Plan in Ausarbeitung zur Errichtung von 66 neuen Städten.
Urbanisierung gilt als eine der großen Aufgaben, die die neue Regierung zu bewältigen
hat. In der Diskussion befindet sich auch die Vergabe von Grundstücken an Investoren
mit begrenztem Nutzungsrecht, um voll entwickelte Gemeinden in neuen Städten zu
etablieren. Neue Entwicklungszentren sollen geschaffen werden, unter anderem in der
Region Suezkanal und Nordküste.
Informelle Immobilien und Wohnbauten umfassen im Regelfall Baukonstruktionen, die
illegal auf landwirtschaftlicher Fläche oder Wüstenland gebaut sind. Sie haben vom
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Grundsatz her zunächst nichts mit der Qualität von Gebäuden und deren Umgebung zu
tun. “Informell“ können sie auch durch Verstöße gegen das Gesetz im Gefolge von Veräußerung, Vererbung oder illegaler Veränderung der Bausubstanz werden. Schätzungen
zufolge verfügen wahrscheinlich nur 10% der Immobilien über einen gültigen Rechtstitel,
90% gelten als informell. Damit fehlen der großen Mehrzahl der Immobilien die gesetzlichen Rechte, noch können sie zur Absicherung von Krediten eingesetzt werden. Ein großes Problem, das in die Formlosigkeit geradezu drängt, ist das zeitraubende und hochkomplizierte Verfahren der Registrierung von Immobilien.
Um die Währungsreserven zu stärken, hatte die New Urban Communities Authority im
März 2012 ein Programm aufgelegt, das im Ausland arbeitende und lebende Ägypter zu
Grundstückskäufen in Ägypten animieren sollte. Das Ziel waren 8.000 Grundstücke in
Satellitenstädten um Kairo herum zu Preisen zwischen 150 und 675 US$/qm. Deviseneinnahmen von 3,5 Mrd. US$ erhoffte sich die damalige Interimsregierung. Das Programm lief aber wohl eher schleppend, denn die Anreize wurden bis Herbst bereits
mehrfach modifiziert und erhöht.
Die ägyptische Housing and Development Bank (HDB) plant ein Wohnungsbauprojekt für
mittlere Einkommensbezieher in der südlich Kairo gelegenen Stadt Helwan. Dort sollen
2.000 Wohneinheiten für etwa 1 Mrd. ägypt£ entstehen. Ein EIB-Darlehen über 45 Mio.
Euro ist für die Entwicklung städtischer Gemeinden durch den Social Development Fund
(SFD) vorgesehen. Ein Projekt des Vorgängerregimes zur Entwicklung der 1.000 ärmsten
Dörfer des Landes soll wieder aufgegriffen werden. Dieses zielt auf die Verbesserung der
Infrastruktur, von Gesundheitsdiensten und Bildungsangebot ab. Die erste Phase soll 151
Dörfer umfassen und 1,05 Mrd. ägypt£ über einen Zeitraum von drei Jahren kosten.
Nach dem jüngsten Kabinettsbeschluss vom 4.12.2012 wird die Implementierung des
Gesetzes zur Immobilienbesteuerung von 2008 mit Modifikationen auf Juli 2013 verschoben. Das aus dem Jahr 1954 stammende Gesetz bleibt in Kraft, die für Steuerzwecke
zugrunde gelegten Einheitswerte liegen weit unter den Marktpreisen.
Erstklassiger neuer Büroraum ist in den letzten Jahren fast durchweg in den Satellitenstädten der Metropole Kairo entstanden. Dort können alle Vorteile von Platz und Umgebung genutzt werden. Nach Untersuchungen von JLL scheint die Abwärtsspirale für die
Mietpreise weitgehend den Tiefpunkt erreicht zu haben. Ohne bedeutende Fertigstellungen blieb der Bestand an Büroraum in Großraum Kairo im 3. Quartal 2012 unverändert
bei rund 744.000 qm. Der Großteil entfällt auf die jüngeren Stadtausweitungen New
Cairo im Osten und 6th of October im Westen. Zentralkairo verfügt nur über zwei bedeutendere sogenannte Grade A Baulichkeiten, die am Ostufer des Nil gelegenen Nile
City Towers (108.000 qm) und City Stars (65.000 qm) im Stadtteil Nasr City. Rund
46.000 qm Büroraum sollen bis Ende des Jahres hinzukommen, vor allem aus den Vorhaben “Capital Business Park“ und “Cairo Festival City“.
Angesichts eines gedrängten Stadtzentrums wird die in den nächsten Jahren zu erwartende Expansion von Büroraum in den neuen städtischen Siedlungen erfolgen, zumal dort
auch weitere Wohnungsbauprojekte zum Abschluss kommen. Ende 2013 (2014) erwartet
JLL einen Bestand von 940.000 (990.000) qm. Die derzeitige Nachfrage nach Grade A
Büroraum entfällt vor allem auf den Öl- und Gassektor, gefolgt von Banking und Informations- und Kommunikationstechnik. Bereits während des politischen Umbruchs kam es
zu Standortverlegungen der Firmenverwaltungen in die Außenbezirke, ein Trend, der sich
fortsetzen dürfte. Der Druck auf die Mieten nimmt in Zentralkairo (40 US$/qm) im Ver8
gleich zu den Außenbezirken (18 bis 25 US$/qm) damit weiter zu. Zur Kostensenkung
geraten jetzt auch Grade B Räumlichkeiten verstärkt in den Fokus.
Der Markt für Einzelhandelsfläche in Kairo hat sich 2012 deutlich günstiger entwickelt als
im Jahr davor. Die Unternehmen verbuchten steigende Umsatzzahlen und das Einkaufsverhalten normalisierte sich. Die Metropole hat derzeit mit gerade 760.000 qm ein Unterangebot an organisierten Retailmalls. Qualitätsfläche ist zwar knapp, aber der politische
Umbruch hat auf die Preise gedrückt. Ein steigendes Interesse nationaler und internationaler Brands ist mit weiterer Konsolidierung zu erwarten. Der Anteil von großen Einkaufszentren (über 30.000 qm) an der gesamten Einzelhandelsfläche wird gemäß JLL
künftig wachsen. Etwa 57% des Gesamtbestandes entfallen auf diesen Typus. Zwei
überregionale Einkaufszentren (City Stars mit 150.000 qm und Mall of Arabia mit
180.000 qm) werden durch fünf regionale (30.000 bis 90.000 qm) derzeit ergänzt. Größere Einzelhandelsprojekte mit Abschluss im laufenden Jahr betreffen Emerald Mall in
New Cairo, Dolphin Mall in 6th of October City und Zayed Dome. Trotz zu erwartender
Verzögerungen bei einer Vielzahl von Vorhaben steht ein deutlicher Angebotsanstieg von
Einkaufszentren in den Jahren 2013 und 2014 an. Die Bruttovermietungsfläche (GLA
gross leasable area) soll (in 1.000 qm) von 879 (2012) über 1.287 auf 1.468 (2014)
steigen.
Hierzu zählt Cairo Festival City mit “Cairo Gate“ als Joint Venture (JV) von Al-Futtaim
Group und Emaar Misr für 5 Mrd. ägypt£. In der 1.Phase entsteht eine Mall von 120.000
GLA mit Anchorstore unter anderem IKEA. Almaza City Centre in Heliopolis sieht ein Einkaufszentrum von 66.000 qm in drei Phasen vor, deren erste von 20.000 qm in 2013
fertig gestellt sein soll. Majid Al-Futtaim setzt seine Expansionspläne in Greater Cairo
fort. Den Bauauftrag für das Einkaufs- und Freizeitzentrum “Mall of Egypt“ in 6th of
October City hat das JV Orascom OCI/Besix erhalten. Auf einer Fläche von 163.000 qm
sollen u.a. rund 380 Geschäfte, Multiplexkino und Indoor Skipark untergebracht werden.
Baubeginn ist für Ende 2012 mit Abschluss Mitte 2015 vorgesehen. Das Emaar Square
Projekt innerhalb des Mischnutzungsvorhabens Uptown Cairo realisiert 250.000 qm mit
großer offener Mall für 3 Mrd. ägypt£. Carrefour Egypt, ein JV zwischen der französischen
Einzelhandelskette Carrefour und der in Dubai ansässigen Majid Al Futtaim, hat Pläne
bekanntgegeben, 7 Mrd. ägypt£ über die kommenden fünf Jahre im Land zu investieren.
Zwölf Hypermärkte und 40 Supermärkte sollen entstehen.
Auch die neuen Machteliten wollen die Industrialisierung des Landes vorantreiben. Hierzu
werden große Industrieflächen erschlossen und an interessierte Industrie- und Gewerbebetriebe verkauft oder verpachtet. Relativ erfolgreiche Beispiele finden sich in 6th of
October und 10th of Ramadan, die zudem komplette städtische Strukturen entwickelt
haben. Zugleich ist die Entstehung von Gewerbegebieten ein Instrument zur Dezentralisierung und Regionalentwicklung, und kommt auch für bestehende Städte infrage. Auch
in den nächsten Jahren ist mit einem erheblichen Projektvolumen in dem Bereich zu
rechnen. Zudem ziehen diese Industriezonen vielfältige Dienstleister an.
Industriebau bleibt eine Daueraufgabe. Bis zu 5 Mio. qm an neuem Land sollen für Industrieinvestitionen verfügbar gemacht werden, aufgeteilt in neun Industriegebieten (zonen) in den Städten Sadat, Nubariya, Beni Suef, Kafr al-Dawar, Sohag, New Salheya,
North Gulf of Suez, Borg al-Arab und Assiut. Es wird erwogen, 20 statt bisher 10% des
Landes kleinen Industrien zur Verfügung zu stellen. Als PPP-Projekt soll der Ausbau des
Cairo Contact Centers Park im südlichen Stadtteil Maadi vorangetrieben werden, der für
die wachsende Callcenter- und IT-Outsourcing Industrie vorgesehen ist.
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Ägyptens Touristiksektor spürt langsam Aufwind. Er gehörte zu den besonders stark von
den Umbrüchen betroffenen Wirtschaftsbereichen. Die Rückkehr der Reisenden sollte
über kurz oder lang auch die Zurückhaltung bei den Investitionen überwinden helfen. Für
das Jahr 2012 geht das Tourismusministerium von immerhin 11 Mio. Auslandstouristen
aus, die gut 9 Mrd. US$ an Devisen bringen sollen. Die Ziele für die kommenden Jahre
sind ehrgeizig. In 2020 soll sich die Zahl der Reisenden zum Boomjahr 2010 auf 30 Mio.
verdoppeln bei Devisenerlösen von etwa 25 Mrd. US$. Dies erfordert einen massiven
Ausbau der touristischen Kapazitäten. Ägypten verfügte im November 2011 über rund
178.000 Zimmer. Bis November 2016 sollen weitere 220.000 Zimmer hinzukommen.
Die Bautätigkeit im Touristikbereich erscheint derzeit noch stark reduziert. Dies gilt sowohl für große inländische Entwickler wie auch für ausländische, die meist aus der Golfregion stammen. Nur wenige neue Projekte sind in der Planung zuletzt fortgeschritten.
Eine Reihe von Vorhaben wurde angesichts der politischen Umwälzungen und den damit
verbundenen Einbrüchen der Touristenzahlen auf Eis gelegt und harrt nun der Wiederaufnahme. Etwa 20 größere Projekte, meist in einer Größenordnung von 100 Mio. bis 200
Mio. US$ sind betroffen. Hierbei geht es um Hotels, Ferienanlagen, Golfplätze etc. Der
Investitionsstau sollte sich in den kommenden Jahren abbauen und Anlass für weitere
neue Vorhaben geben. Großprojekte an der Mittelmeerküste hat Katar angekündigt. Gefordert ist auch der Ausbau der touristischen Infrastruktur.
Die Auktionierung von 28 Mio. qm Land für Zwecke der touristischen Entwicklung Ägyptens plant das Tourismusministerium in den kommenden 14 Monaten. Dies kann sowohl
im Zuge des Verkaufs wie auch der Verpachtung erfolgen. Zu den im Angebot befindlichen Standorten gehören unter anderem Ain Sokhna und Marsa Alam am Roten Meer. Im
3. Quartal 2012 sind keine neuen Hotelräume in Greater Cairo auf den Markt gekommen.
Das Angebot blieb bei 27.000 Zimmern in 159 Einrichtungen. Weitere 29 Hotels mit
knapp 8.000 Zimmern befinden sich derzeit mit erteilter Baugenehmigung in der Bauphase.
Der Bau von Großkliniken in den großen Städten durch die öffentliche Hand war ein
Merkmal früherer Gesundheitspolitik. Die neuen politischen Eliten haben eine Verbesserung der sozialen Infrastruktur versprochen. Dies bedeutet auch eine bessere Gesundheitsversorgung in dezentraler Sicht. Zwar erscheint der Gesundheitsetat um rund 15%
erhöht, ohne Investitionen des privaten Sektors wird dies jedoch nicht gelingen. Im Fokus stehen dabei Privatkliniken und die ländliche Gesundheitsversorgung. Aber auch die
städtischen Armengebiete bedürfen des Augenmerks. Hier wird die Rolle des Staates ungebrochen bleiben. Die Nachfrage nach verbesserten und mehr Gesundheitsleistungen
erfordert eine Ausweitung und Qualitätsanhebung der Gesundheitsinfrastruktur. Auch
wenn es moderne Einrichtungen gibt, ihnen stehen viele Kliniken gegenüber, die einer
auch baulichen Instandsetzung dringend bedürfen. Die PPP-Einheit im Finanzministerium
setzt bei ihrem kurz- und mittelfristigen Programm einen Schwerpunkt auf das
Gesundheitswesen und vor allem auf Spezialkliniken.
Nach erfolgreichem PPP-Neustart mit Projektvergaben 2012 für Kliniken der Universität
von Alexandria stehen fünf weitere auf dem Programm. Hierzu zählen eine Fachklinik der
Suezkanal-Universität, die Sanierung der Akademie für Thorax-Chirurgie der Kairoer
AinShams Universität, ebenfalls dort der Aufbau eines Kinderkrankenhauses, die
Errichtung einer Fachklinik für Neurochirurgie und Verkehrsunfälle in Katameya (New
10
Cairo) und einer neuen Universitätsklinik in Zagazig in der Deltaregion. Der private Gesundheitssektor hat sich als zweites Standbein etabliert und ist ein bedeutender Investor.
Der Ausbau von Schulen und Universitäten ist aufgrund der Demographie eine Daueraufgabe. Größere Schulen in ländlichen Regionen, eine generelle Verbesserung der
Lerninfrastruktur sowie neue Schulen und Universitäten als Nachholbedarf und für die
neuen Städte sind bedeutende Herausforderungen. Nach negativen Erfahrungen setzen
öffentliche Bauausschreibungen und PPP-Projekte heute auf kleinere Losgrößen von etwa
zehn Einheiten. Mit der Entstehung von Städten wächst auch der Bedarf an dort ansässigen Universitäten. Ein derartiges Vorhaben, geplant als PPP-Projekt, ist die “Italian
University of Egypt“ in Obour City, das sich vom Industriestandort im nordöstlichen
Großraum Kairos zur Wohnstadt weiter entwickelt hat. In Ismailia ist ein “Technology
Valley“ mit Technologie-Uni und Wissenschaftsstadt in Kooperation mit internationalen
Universität geplant. Die American University in Cairo (AUC) hat den Sprung von Downtown Cairo/Tahrir-Platz nach Katameya vollzogen. Es ist ein lang gehegter Plan diverser
Regierungen, auch Ministerien und weitere Behörden in die Vorstädte zu verschieben, um
das Verkehrschaos in den alten Zentren zu reduzieren.
Wie viel Wohnraum fehlt, ist höchst umstritten, wie viel Leerstand existiert, ebenfalls.
Über 2 Mio. Einheiten leerstehenden Wohnraums vermuten Experten, bedingt durch die
Mietgesetzgebung. Etwa 5 Mio. bis 6 Mio. Einheiten sollen gebaut, aber nie verkauft,
vermietet oder genutzt worden sein. Ägypten kämpft mit der Erweiterung des Angebots
in Form von Neubauten. Dabei ist das Potenzial für Maßnahmen der Modernisierung und
Sanierung durchaus vorhanden. Jedoch kann sich dies aufgrund veralteter gesetzlicher
Regelungen nicht entfalten. Dies liegt an alten Vermietungsgesetzen, die den Mietwert
einfroren und die Vererbung des Mietvertrages durch die Generationen ermöglichten.
2002 wurde dies auf ein Familienmitglied beschränkt. Dies führt dazu, dass Wohnraum
noch heute zu lächerlichen Mieten vermietet bleiben muss. Für Vermieter fehlt damit
nicht nur der Anreiz, sondern meist auch das Geld, irgendetwas in Richtung Wohnraumoder Gebäudeerhaltung zu tun. Dies führt zu einer permanenten Verschlechterung der
Bausubstanz. Etwa 2,6 Mio. Wohnungseinheiten fallen unter das Mietgesetz von 1977.
Wer immer als Vermieter es schafft, lässt seinen Wohnraum lieber leer stehen als ihn zu
vermieten. Etwa 7,5 Mio. Wohneinheiten sollen in Ägypten leer stehen. Sobald das Gesetz geändert wird, dürfte der Sanierungsbedarf erheblich steigen.
Die Immobilienfinanzierung läuft im Regelfall über die Entwicklungsunternehmen. Die
Kunden können sich angesichts des schwächeren Marktes über geringere Vorauszahlungen in einer Größenordnung von 10% und längere Ratenfristen bis hin zu 15 Jahren
freuen mit Verzinsungen um 7% p.a. herum. Der Markt für Hypothekendarlehen steht
dagegen immer noch am Anfang. Nur jeder zehnte Ägypter hat überhaupt ein Bankkonto
und damit Beziehungen zu einer Bank. Es gibt kaum Kredit- und Marktinformationen.
Gerade jeder Zehnte ist bei einer privaten Kreditauskunftei registriert, jeder Vierzigste im
öffentlichen Register. Weitere Entwicklungshemmnisse sind begrenzter Zugang und Angebot langfristiger Finanzierungen, die geringe Zahl registrierter Immobilien angesichts
eines extrem sperrigen Registrierungsverfahrens und die inadäquate Verwertung von
Finanzsicherheiten. Sofern Entwickler als Financiers in die Gewährung von Darlehen gegenüber ihren Kunden involviert sind, ist der in Ansatz gebrachte Zins deutlich niedriger
als der auf dem Markt für Hypothekendarlehen.
Nach Angaben der Egyptian Financial Supervisory Authority (EFSA) belief sich der Markt
im Monatsvergleich Ende September 2012 auf 3,6 Mrd. ägypt£ (+28,7%). Das sind klar
11
weniger als 0,5% des BIP. Die Zahl der Darlehensnehmer lag bei 32.207 (+29,5%), die
durchschnittliche Darlehenshöhe stabil bei rund 112.000 ägypt£. Die durchschnittliche
Laufzeit betrug 16,7 Jahre, der Durchschnittszins 12,2% und damit nur marginal zum
Vorjahr reduziert. Die Darlehenssumme zum Wert der Immobilie (loan-to-value, LTV)
stand bei durchschnittlich 43% nach 45,6% im Jahr davor. Hypothekenfinanzierung ist
durch Gesetz Nr. 140/2001 geregelt. Die Aufsicht hat EFSA. Geplante gesetzliche Änderungen sollen den Markt attraktiver machen.
Marktchancen für deutsche Produkte und Dienstleistungen
Deutsche Architektur- und Planungsbüros sowie Consultants sind durchaus im Markt aktiv
und erfolgreich. Ein gewisser Traditionsvorteil besteht für britische Firmen, die besonders
im Consulting stark sind. Im Rahmen der deutschen und europäischen Entwicklungszusammenarbeit gibt es ein Heer von Beratern, die sich einzelnen Segmenten widmen und
in konkreten Bedarfsfällen als Ansprechpartner fungieren können. Angesichts der Transformationsphase des Landes erfolgt derzeit eine Neuaufstellung. Die Zusammenarbeit mit
den im Umbruch befindlichen staatlichen Trägern ist erst noch zu testen. Die großen
Bauunternehmen setzen wegen Versagens externer Einrichtungen auf firmeninterne Ausund Weiterbildung. Deutsches Handwerk dürfte, abgesehen von administrativen Schwierigkeiten, allein schon aus preislicher Sicht kaum Interesse haben. Im Wohnungsbau für
mittlere Einkommensschichten ist mehr Wettbewerb beim Design angesagt, da Raumverschwendung und fehlende Raffinesse nicht untypisch sind. Landschaftsplanung spielt eine
wichtige Rolle bei Wohn- und Ferienanlagen, leidet aber noch unter der Schwäche des
Basismarktes.
Energieeffizienz rückt auf der Agenda immer weiter nach oben. Akute Engpässe in der
Stromversorgung sind eine Ausprägung des Problems. Über kurz oder lang nicht ausreichende inländische Öl- und Gasproduktion und Haushaltsengpässe, die die fortgesetzte
Subventionierung von Energie nicht zulassen, erfordern neue und tragfähige Lösungen.
Nach einer Studie der African Development Bank ist das Land am Nil in vielfältiger Weise
noch zurück. Es gibt keine Gesetze, Regelungen oder Politiken noch Institutionen, die das
Thema fördern würden, von einzelnen Initiativen abgesehen. Verlässliche Informationen
und Daten zum Energieverbrauch nach Teilsektoren, Schlüsselindustrien, Ausrüstungen
und Geräten sind nicht vorhanden. Es gibt keine verbindlichen Standards zur Treibstoffeffizienz, zur Energieeffizienz in der Bauordnung, kein Benchmarking für Industrien und
nur einige wenige Effizienzstandards für Geräte. Auch die finanziellen und Humankapitalressourcen zur Entwicklung und Realisierung entsprechender Programme und Projekte
sind beschränkt. Ägypten steht noch am Anfang, bewegt sich aber.
Der Blick geht deshalb verstärkt in Richtung Energieeffizienz auch in der Bauwirtschaft.
Hiervon sind vor allem Neubauten betroffen, hauptsächlich der gehobenen bis Luxuskategorie, sei es in Wohnanlagen, bei Büro- und Geschäftsbauten oder im Touristiksektor
(Hotels, Ferienanlagen). Energieeffizientes und umweltbewusstes Bauen gilt zusehends
als grundlegend und immer weniger als Luxus. Sofern der Grundsatz zur Anwendung
kommt, steht die Qualität nicht hinter internationalen Standards zurück. Hierfür sorgen
ausländische Anbieter, die umfassende und meist auch integrierte Lösungen im Sinne
von Smart Building-Konzepten anbieten.
Die Haushalte sind der mit Abstand größte Stromverbraucher und zugleich mit dem
höchsten Einsparpotenzial. Die Energieeffizienz bei Bau und Geräten kann zwischen 20
und 80% erhöht werden durch bessere Isolierung und Standards. Die verstärkte Installa12
tion von Pre-paid Stromzählern in einigen Wohngebieten soll zu einem bewussteren Umgang mit Energie führen und zugleich die unterentwickelte Zahlungsmoral stärken.
Die politische und öffentliche Diskussion rund um die Themen Subventionsabbau bei
Energie und Schaffung neuer gesetzlicher Rahmenbedingungen ist im Gange. Um den
Einsatz Erneuerbarer Energien beim Haushaltsverbrauch zu fördern, solle die Regierung,
den Einsatz von Solar-Wassererhitzern (SWH Solar Water Heaters) fordern, die Haushalte
über Subventionen anreizen und Einspeisetarife einführen. Im Wohnungsbausektor
könnten die Anfangskosten auf die Immobilienentwickler überwälzt werden gegen spürbare Anreize in den neuen Wohngebieten außerhalb Kairos. Erste Gemeinden starten
damit, Solar-Wassererhitzer an die Erteilung von Baugenehmigungen für Wohnungseinheiten zu koppeln. Dabei werden die Banken öffentlich aufgefordert, umweltfreundliche
Projekte dieser Art zu unterstützen. PV-Systeme für individuelle Anwender sind ohne
Subvention zu teuer.
Die Politik hat keine Standards für die Energieeffizienz von Gebäuden gesetzt, und die
laufenden Anreize und Finanzierungsmöglichkeiten sind unzureichend für Hauseigentümer und Geschäftseigner, derartige Maßnahmen durchzuführen.
Günstiger sieht es im Touristiksektor aus. SWH für das Heizen von Pools, für Wäschereien und sonstigen Wasserheizungsbedarf nehmen in Hotels Fahrt auf. Dies gilt auch für
smarte Beleuchtungssysteme. Die Unabhängigkeit bei Energie und mögliche CO2-Neutralität von Ferienanlagen oder ganzen Ferienstädten, wie für Sharm El-Sheikh angepeilt,
dürfte für künftige Planungen ein Thema sein. Das gilt zumindest theoretisch auch für die
städtebaulichen Planungen der Zukunft. Effiziente Beleuchtungssysteme im öffentlichen
Raum und in öffentlichen Gebäuden stellt ein weiteres Feld zur Verbesserung dar.
Solarsysteme werden allgemein genutzt in der Telekommunikation und zunehmend in der
Stromversorgung von abgelegenen Gemeinden, für die eine Netzanbindung unökonomisch wäre. Umbau und Nachrüstung bestehender Gebäude und Bau neuer zur Senkung
des Energieverbrauchs und der Luftverschmutzung sind wichtig, da die urbane Migration
wächst und neue private Häuser um Kairo herum entstehen.
Grünes Bauen: Ägypten verfügt über exzellente Zutaten wie Sonne, Wind, Sand und billige Arbeitskräfte. Herausforderung bildet die Entwicklung von hochqualitativem, wenig
umweltbelastendem Wohnen. Nachhaltige Architektur und Stadtentwicklung/-planung
gehört zu den interessanten Arbeitssegmenten. Es sind ganzheitliche Ansätze für Wüstenumgebungen mit neuen Gemeinden, alternativen Energieprojekten und umweltfreundlicher Landwirtschaft zu entwickeln. Der Wüstenbau erfordert neue Materialien und
Formen von Energie, die adäquat unter Wüstenbedingungen funktionieren. Bauen beinhaltet auch Umweltprobleme bei Energie und Wasser. Ressourcenintensives Bauen wird
ein Problem. Die anstehende Abschaffung von Kraftstoff- und Energiesubventionen sowie
Wasserknappheit fordern neue Lösungen. Verstärkt Ausschau ist zu halten nach Materialien, die lokal verfügbar sind und für Bauzwecke und Entwicklung neuer Lösungen infrage
kommen, z.B. Papyrus.
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Projekte
Vorhaben
Elmarakby Steel – Giza
Steel Rolling Mill
Egypt Holding Co. for
Metallurgical Industries
Marassi Beach Resort
Nile Corniche Towers,
Cairo
Mall of Egypt
Investitionssumme
(Mio. US$)
200
334
1.740
1.000
770
Cairo Gate Mall
830
Projektstand/abschluss
Ausführung
Studie
Durchführung/Dez.
2013
Durchführung/April
2014
Durchführung/Juni
2015
Durchführung/Okt.
2015
Durchführung/Okt.
2013
Durchführung/Jan.2016
Cairo Festival
City/Mischnutzung
Alexandria Hospital
9.000
Grand Heights
(Wohnungsbau)
Cairo Expo City
1.000
Upton Cairo
(Mischnutzung)
Sohaj Residential
Development
4.000
300
Durchführung/März
2015
Design
Football Stadium
350
Studie
1.050
300
Durchführung/Juni
2014
Design
Anmerkung
Eigenprojekt;
Fertigstellung
10/2015
Ausschreibung
Mitte 2013
Emaar Misr for
Development
Qatari Diar Real
Estate Company
Majid al-Futtaim
Group of
Companies
(MAF)
Emaar Misr for
Development
Al-Futtaim
Group
Alexandria
University –
Main EPC u.a.
mit Siemens
Kuwadico
Gen. Org. of
Intl. Exhibitions
and Fairs
Emaar Misr
Upper Egypt Red
Sea for
Investment
Development
Al Ahly Sports
Club
3. Tiefbau/Infrastrukturbau
Marktlage und Marktentwicklung
Das Bevölkerungswachstum lässt bis zu 160 Mio. Einwohner in 2050 erwarten und damit
eine Verdopplung etwa der gegenwärtigen Zahl. Etwa 1,5 Mio. bis 2 Mio. Einwohner
kommen jährlich hinzu, die zu versorgen sind. Die Bevölkerungsdichte in Kairo liegt bei
über 30.000 Einwohnern je qkm, in manchen Wohngegenden sogar ein Vielfaches darüber. Das Problem ist grundlegend: Verstärkte Nutzung landwirtschaftlicher Nutzfläche
für Wohn- und Städtebau ist kaum möglich, selbst wenn die Kompaktheit informeller
14
Siedlung zum generellen Muster erhoben würde. Ein Ausufern und Ausfransen in Form
von Satellitenstädten an den Rändern geschieht seit Jahren, jedoch mit vielfältigen Problemen. Die Expansion und Neugründung von Städten in Wüstengebieten stellt besondere
infrastrukturelle Anforderungen und ist teuer, der Erfolg bei den humanen Abnehmern
alles andere als garantiert.
Drei Mega-Projekte, die bereits unter dem Vorgängerregime angedacht waren, sollen
über die kommenden Jahre und Jahrzehnte Wirklichkeit werden. Das erste Vorhaben betrifft East Port Said (u.a. Hafenausbau, neue Stadt, neues und größtes Industriegebiet
Ägyptens, internationales Logistikzentrum, Gewinnung landwirtschaftlicher Fläche, weiterer Suezkanaltunnel, Elektrozug über den Suezkanal), das zweite die Upper Egypt –
Red Sea Road Sohag-Safaga (Wohnstadt, Industriegebiete, 3 Dry Ports, Meerwasserentsalzungsanlage), das dritte die sog. Special Economic Zones North West Suez Canal (Errichtung einer Sonderwirtschaftszone mit Betrieb durch Private). Katar hat Investitionen
von 8 Mrd. US$ am Nordende des Kanals über die nächsten fünf Jahre angekündigt (Gaskraftwerke, Eisen und Stahl).
Der Verkehrssektor hat wie andere Bereiche in der Transitionsphase gelitten. Die Spielräume für Verbesserungen der Verkehrsinfrastruktur sind auch in langfristiger Betrachtung beachtlich. Dies liegt im Interesse sowohl des Binnen- wie des Außenhandels. Bedeutende Verkehrsinfrastrukturvorhaben wie Cairo International Airport, Regionalflughäfen in Luxor und Borg El Arab sowie Hafenausbauten wurden in der Vergangenheit bereits über PPPs realisiert. Auch die neue politische Führung scheint auf diesem Weg fortschreiten zu wollen, selbst wenn die Zeiten sehr viel schwieriger geworden sind. Öffentlicher Nahverkehr, besonders in Kairo, die Eisenbahn und die Wasserwege gehören zu den
bedeutenden Bereichen.
Die Modernisierung der Eisenbahn erfordert angesichts jahrzehntelanger Vernachlässigung erhebliche und anhaltende Investitionen. Bedarf besteht von der Planung bis hin
zur Lieferung eines breiten Spektrums von Ausrüstungen für den Schienenverkehr. Eine
erste Phase der Modernisierung von Signalsystemen und Gleisbau hat mit Weltbankhilfe
begonnen. Neue Signalsysteme sind für das Gesamtnetz erforderlich. Eine Hochgeschwindigkeits-Zugverbindung zwischen Kairo und Alexandria befindet sich in der Ausarbeitung. Dies soll den Auftakt bilden für Schnellverbindungen der Gouvernorate
Alexandria, Kairo, Luxor, Aswan und Rotes Meer. Im Entwurfsstadium steht ein HighSpeed Zug, der Port Said und Suez mit Kairo verbindet. Die Anbindung des Sudan über
eine 300 km lange Strecke von Aswan aus ist angedacht. Für die Bahnverbindung über
16 km von der Industriestadt 10th of Ramadan nach Belbeis City erste Mittel in den
Haushalt eingestellt. Ein PPP-Vorhaben betrifft den Bau einer Eisenbahnverbindung für
Passagiere und Frachten von der Kairoer Vorstadt Ain Shams nach 10th of Ramadan über
72 km mit 17 Stationen. Im Vorschlagsstadium befindet sich eine Verbindung zwischen
Qena und dem Hafen von Safaga, die den geplanten Ausbau des Hafens unterstützen
würde. Alle Eisenbahnstrecken sollen innerhalb der nächsten fünf Jahre modernisiert
werden. Für Kairo steht der weitere Ausbau der Metro an. Die dritte Phase der Cairo
Metro Line 3 wird vor allem durch die EIB finanziert mit Kofinanzierung durch die französische Entwicklungsagentur AfD. Eine weitere Metrolinie 4 erhält ein Anschub-Darlehen
durch die japanische JICA. Schwebebahnen mit Verbindung zu touristischen Sehenswürdigkeiten sind neuerdings auch angedacht.
Der weitere Ausbau der bestehenden Häfen ist zum einen unter dem Aspekt des Transitverkehrs, insbesondere von Containern, und den immer größer werdenden Schiffen er15
forderlich. Im Fokus steht deshalb der weitere Ausbau von East Port Port Said. Rund 90%
des ägyptischen Außenhandels werden über die 15 Häfen des Landes abgewickelt. Hierbei kommt dem Hafen von Alexandria mit über der Hälfte an der Abwicklung des Außenhandels eine besondere Bedeutung zu. 800 Mio. ägypt£ sind für die Konsolidierung und
Vertiefung der Docks am Hafen von Damietta vorgesehen, um die neuen Jumbo-CargoSchiffe aufnehmen zu können. Investitionen von 1,2 Mrd. bis 1,5 Mrd. ägypt£ sind für
Bau und Ausrüstung von Dock Nr. 100 an Alexandrias Container Terminal geplant. Ausgebaut werden soll der Westhafen Dekheila der Mittelmeermetropole, der für die besonders großen Schiffe der Zukunft geeignet erscheint. Die Red Sea Ports Authority forciert
Entwicklung und Ausbau des Hafens von Al-Adabia/Suez für 130 Mio. US$ durch eine
moderne Cargo-Handling-Station. Die erste Projektphase ist auf 18 Monate veranschlagt.
Insgesamt sollen etwa 2 Mrd. ägypt£ über drei Phasen investiert werden. DP World plant
Investitionen von 700 Mio. US$ für Phase 2 des Sokhna Container Terminal-Vorhabens
(Handling dann von 1,1 Mio. Standard-Containern gegenüber derzeit 600.000). Der
Bergbau-Hafen von Safaga soll über ein PPP-Projekt ausgebaut werden. Intermodale Anbindungen von den bedeutenden Häfen über die Schiene zu den Produktions- und Verbrauchszentren des Landes dürften über kurz oder lang in den konkreten Fokus rücken
und die Attraktivität des Landes als Verkehrs- und Logistikschnittstelle deutlich erhöhen.
Der Transport auf dem Wasserweg gilt, wenn schon nicht als Alternative, so doch als
kostengünstige und umweltfreundliche Ergänzung und Entlastung des überforderten
Straßennetzes. Illegale Überladungen und Treibstoffsubventionen geben dem Lkw-Transport vorerst noch erhebliche Wettbewerbsvorteile. Die Weiterentwicklung scheint auch
nach der politischen Wende eine gewisse Bedeutung zu behalten, wenn man das PPPProgramm zugrunde legt, das den Bau von drei Binnenhäfen vorsieht. Als Pilotstandorte
sind die oberägyptischen Städte Qena, Sohag und Assiut vorgeschlagen.
Ägyptens Straßen können den wachsenden Verkehr immer weniger bewältigen. Sie werden kaum instand gehalten und sind hochgradig unfallträchtig. Für den Güterverkehr, der
zudem von Kraftstoffsubventionen bislang profitiert, ist die Straße mit einem Anteil von
rund 95% nahezu alternativlos. Die Schiene dient vor allem dem Personenverkehr. Ein
Ausbau zur Erhöhung der Warenkapazitäten ist kostspielig. Nicht einmal ein Drittel des
Schienennetzes ist zweigleisig. Der Nil als Transportweg steht weitgehend am Anfang,
auch wenn durchaus Anstrengungen zu seiner Aufwertung unternommen werden. Die
politischen Umwälzungen haben dazu geführt, dass seit Anfang 2011 im Grunde weder
Neuvorhaben noch Instandsetzungsaktivitäten stattgefunden haben mit entsprechender
Verschlechterung der ohnehin nicht günstigen Ausgangssituation.
Eine Reihe von Straßenbauvorhaben steht an, so eine weiträumige regionale Umgehungsstraße um Kairo herum, ferner die Autobahn Shubra – Banha (PPP-Projekt) und die
Straßenachse Rod El Farag. Weiter in der Diskussion befindet sich das 3 Mrd. US$ sog.
Causeway-Projekt mit Saudi Arabien. Es soll über 32 km von Ras Nassrani (Sharm ElSheikh) über Tiran Strait bis Ras Hamid bei Tabuk im Norden Saudi Arabiens führen.
Im Bereich Flughäfen schreitet die Modernisierung und Erweiterung von Terminal 2 des
Cairo International Airport CAI durch die türkische Limak Construction voran. Orascom
Construction Industries (OCI) hat kürzlich den Zuschlag für den Bau eines neuen Flugplatzes in Hurghada International Airport erhalten. Hurghada ist eines der bedeutendsten
Touristenzentren des Landes am Roten Meer. Das Auftragsvolumen beläuft sich nach
Unternehmensangaben auf rund 87 Mio. US$. Die Zeitdauer des Vorhabens ist auf 26
Monate veranschlagt. Auftraggeber ist die Egyptian Airports Company (EAC). Zum Pro16
jekt gehören der Bau eines kompletten Flugplatzes mit einer 4 km langen Start- und
Landebahn, einer 4 km langen Rollbahn, Verbindungsrollwege, Flugplatzbeleuchtung,
Stromversorgung und Regenwasserentsorgungssystemen. In Ras Sidr soll der Bau eines
Flughafens unter dem BOT-System für 100 Mio. US$ erfolgen.
Bevölkerungswachstum, expandierende Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion
sowie fortgesetzte Industrialisierung stellen steigende Anforderungen an die (Siedlungs-)
Wasserwirtschaft. Größere Vorhaben stützen sich auf internationale Finanzierungen. Die
politischen Umwälzungen und Haushaltsengpässe führen teilweise zu Projektverzögerungen. Eine stärkere Einbindung des Privatsektors in Form von PPPs ist gewünscht. Zu den
bereits ausgeschriebenen Vorhaben gehört die Kläranlage Abu Rawash in Giza mit biologischer Reinigung, für die jetzt eine Angebotsanfrage vorgesehen ist. Erweitert werden
ferner die Kläranlagen von Gabal Asfar und Alexandria. Das Abwassernetz in Alexandrias
Ameriya Distrikt wird derzeit überholt. Kläranlagen werden auch für die Dampfkraftwerke
in Ain El Sokhna und Suez gebaut. Ein Bewässerungsnetz für Oberflächenwasser im
Westen des Nildeltas plant das Ministerium für Wasserressourcen und Bewässerung
(MWRI) auf einem Gebiet von 80 qkm nördlich von Kairo. Meerwasserentsalzungsanlagen
sind in Hurghada und den Nordsinai vorgesehen. Die Entsalzungseinheit der Suez Thermal Power Plant für 20 Mio. US$ befindet sich im Bietungsverfahren.
Trotz Verbesserung in den letzten Jahren bleibt der Aktionsbedarf im Wassersektor hoch.
Die Wassernutzung ist von niedriger Effizienz geprägt. Von einem Preis für Wasser und
einer Erfassung des Verbrauchs kann kaum gesprochen werden. Die Leckageverluste sind
mit geschätzten 50% hoch. Die durchschnittliche Wasserqualität ist eher mäßig. Die fortschreitende Urbanisierung macht Investitionen in Wasserreclinganlagen und eine stärkere
Wiederverwendung von Wasser notwendig. Wasserwiederaufbereitungs- und Entsalzungsanlagen, die Erneuerbare Energien (EE) nutzen, haben Zukunft, vor allem mit Blick
auf die Küstenorte und Ferienanlagen. Die Modernisierung und Überholung der Bewässerungssysteme bildet ein weiteres Aktionsfeld. Kleinere Abwasserbehandlungsanlagen
sind für Dörfer und ländliche Gebiete, aber auch für die Industrie von Interesse. Schwächen bei Sanitärversorgung und Kanalisationsleitungen gibt es besonders auf dem Land.
Abfall, sei es aus Haushalten, aus Landwirtschaft, Industrie oder Gefahrenmüll stellt eine
Herausforderung dar. Geeignete und organisierte Mülldeponien sind notwendig, um die
unkontrollierte Entsorgung einzudämmen. Die Wüstenlage bietet ausreichend Raum und
minimiert Widerstände in der Bevölkerung. Eine aktive Deponieentgasung sollte künftig
Standard werden. Im Großraum Kairo gibt es bisher nur ein Vorhaben dieser Art in der
15th of May City. Müllverbrennungsanlagen haben aufgrund hoher Kosten und
ausreichender konventioneller Deponiemöglichkeiten kaum Zukunft. Die Umweltinitiative
Recycling/Umwandlung von Abfall in Energie soll als PPP-Projekt in Phase 1 mit etwa sieben Standorten beginnen. Die Ausschreibungen laufen über die betreffenden
Gouvernorate und sollen Anfang 2013 starten. Landesweit wird der Bedarf auf 50 bis 60
Anlagen dieser Art veranschlagt. Insgesamt geht es um ein Projektvolumen von 2 Mrd.
US$.
Ägypten hat ein ernsthaftes Energieproblem. Die Kraftwerkskapazitäten reichen nicht
mehr aus, um der Nachfrage nach Haushaltsstrom zu entsprechen. Bereits 2012 und sicher auch 2013 werden im Sommer in geplanter Weise Stromabschaltungen erfolgen. Die
Situation hat sich in den letzten beiden Jahren insofern verschärft, als keine neuen Projekte mehr in Angriff genommen wurden und nur eine Fortführung gestarteter Vorhaben
erfolgte. Dies hat allerdings Aktivitäten zur Instandhaltung und Steigerung der Effizienz
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begünstigt, die forciert durchgeführt wurden. Es baut sich ein Stau auf, den es notwendig
abzuarbeiten gilt durch neue Kraftwerksprojekte. Immerhin sollen den Planungen zufolge
die Kapazitäten von derzeit knapp 29.000 MW in den kommenden 15 Jahren verdoppelt
werden. In den nächsten fünf Jahren sollen neue Kraftwerke mit einer Kapazität von
12.400 MW für etwa 13 Mrd. US$ entstehen. Die Haushalte sind der größte Stromverbraucher mit etwa 70%. Permanentes Licht, dauerbeschäftigte tropfende Klimaanlagen,
laufende Unterhaltungselektronik und aus Kostengründen meist nicht besonders energieeffiziente Hausgeräte gehören zu den Übeltätern.
Präsident Mursi hat kürzlich eine Rahmenvereinbarung gebilligt, die zwischen der damaligen ägyptischen Regierung und den europäischen Partnern über einen Kredit von 530
Mio. Euro zur Unterstützung des ägyptischen Stromnetzes unterzeichnet worden war. Die
Gesamtinvestition in das Stromnetz erreicht 762 Mio. Euro, von denen Ägypten 232 Mio.
Euro beisteuert. Geldgeber sind die Europäische Investitionsbank EIB (260 Mio. Euro),
die französische Agentur für Entwicklungszusammenarbeit AFD (50 Mio. Euro), die KfW
(50 Mio. Euro) sowie die Weltbank (150 Mio. Euro). Die Europäische Kommission gewährt
einen Zuschuss für technische Hilfe über 20 Mio. Euro. Angekündigt hat im Dezember die
japanische JICA Pläne für ein Darlehen über 300 Mio. US$ als Beitrag für ein neues
Stromnetz. Weitere 100 Mio. US$ sollen in nachhaltige Energieprojekte fließen, so in die
Entwicklung von Niederspannungs-Solartechnik. Die New and Renewable Energy
Authority (NREA) plant eine Ausschreibung für zwei Solarkraftwerke von je 20 MW in
Aswan und Hurghada.
Die Windenergie wird eher schleppend ausgebaut. Sie spielt aber die entscheidende Rolle
bei der Erreichung des 20%-Zieles für EE in 2020. Dann soll eine Windkapazität von 7,2
GW zur Verfügung stehen, die 12% der Stromerzeugungskapazität erreicht. Suez Cement
Co. baut derzeit für 400 Mio. US$ eine Windfarm in Gabal Al Zeit. Weitere Projekte betreffen zwei Gulf of Suez Windfarmen der Egyptian Electricity Transmission Co. EETC mit
insgesamt 500 MW. Die New and Renewable Energy Authority (NREA) realisiert derzeit
eine 200 MW-Windfarm für 550 Mio. US$ im Gulf of Zeit. Die neue Regierung hält am
20%-Ziel fest. Es erscheint jedoch fraglich, ob dies noch zu schaffen ist. Das Land verfügt über nahezu perfekte Voraussetzungen für den Einsatz von Wind und Sonne – Wasserkraft wird mit dem Aswan-Staudamm traditionell genutzt -, aber ein fehlendes Energiegesetz, das Anreize für den Privatsektor schafft, gehört zu den Hinterlassenschaften
des Vorgängerregimes. Die noch ungelöste Grundsatzfrage der künftigen Subventionierung fossiler Energie erschwert gleichermaßen die Verankerung der Energieeffizienz wie
die Wettbewerbsfähigkeit von EE.
Die Zefta Stauanlage in Damietta soll überholt werden. Das MWRI hat die erforderlichen
Studien erstellen lassen mit geplanter Ausschreibung in 2013. Das Vorhaben kostet 50
Mio. US$. Eine Verbindung mit dem Stromnetz Saudi Arabiens soll 2015 geschafft sein,
gedacht vor allem zum Stromaustausch in Zeiten der Spitzenbelastung, die zwischen beiden Ländern unterschiedlich ist. Das Monopol für Erzeugung, Übertragung und Verteilung
von Strom hat die Egyptian Electricity Holding Company (EEHC). Eine Lockerung im Bereich der privaten Erzeugung und Einspeisung bahnt sich allerdings an. Die unter dem
Vorgängerregime vorangeschrittenen Pläne für Atomkraftwerke bleiben eine Option. Allerdings hat der politische Umbruch bisher noch nicht zu einer konsequenten Weiterverfolgung dieser Idee geführt.
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Ägypten ist zunehmend bemüht, seine geographischen Vorteile als internationale und
regionale Drehscheibe für Telekommunikation zu nutzen. So sind weitere Unterseekabel
in Richtung China und Zypern geplant. Für Afrika wäre Ägypten gerne ein Gateway nach
Europa. Zugleich soll die eigene Infrastruktur verbessert werden, um der wachsenden
Nachfrage nach Telecom-Diensten und neuen Technologien wie 4G gerecht werden zu
können. Die neue große Herausforderung heißt Breitband-Internet, insbesondere auch in
seiner mobilen Variante. Der Errichtung einer Hochgeschwindigkeitsinfrastruktur widmet
sich der Ende 2011 veröffentlichte E-Misr Broadband Plan. Aufgrund der politischen
Übergangsphase ist 2012 hinsichtlich seiner Realisierung nicht viel passiert. Dies soll sich
2013 ändern. Dann sollen die Umsetzungsoptionen mit Blick auf die erforderliche Infrastruktur und deren Finanzierung sowie Durchführung und Betrieb stehen und die Investitionsphase beginnen. Insgesamt wird mit Ausgaben von etwa 4 Mrd. US$ gerechnet. Die
Mobilfunkanbieter setzen verstärkt auf Investitionen in die Datenübertragung. Die im
Regierungsfokus stehende und expandierende Outsourcing- und Offshoring-Industrie
bedarf solider und wachsender internationaler Konnektivität. Dies gilt auch für die Mobiltelefonanbieter, die an der Erbringung internationale Telecom-Dienste interessiert sind.
Marktchancen für deutsche Unternehmen
Die Konzeption umfassender Stadtentwicklungskonzepte, die Hoch- und Tiefbau, nachhaltige Energieversorgung und Umweltschutz gleichermaßen beinhalten, gehört zu den
großen künftigen Herausforderungen. Dies betrifft sowohl die Bewältigung der bestehenden Probleme, wie sie sich vor allem in der Metropole Kairo herausgebildet haben, als
auch die Planung neuer Städte und Regionen, sei es in der Wüste oder in Erweiterung
bestehender Lebensräume durch Satellitenstädte. Die Untersuchung und Umsetzung von
wirtschaftlichen, sozialen und institutionellen Fragestellungen bildet eine Langzeitaufgabe. Gefördert werden grundlegende Studien meist durch internationale Geldgeber,
aber auch in Form der bilateralen Zusammenarbeit. Häufig werden nur Teilaspekte beleuchtet. Kairo wartet auf ein neues umfassendes Entwicklungskonzept, das sich schlüssig mit der Zukunft der Metropole auseinandersetzt. Ägypten will industrie- und bevölkerungspolitische mit regionalpolitischen Konzepten verbinden. Beispiele sind die Pläne
zur Entwicklung Oberägyptens und der Region um den Suezkanal. Dies erfordert erhebliche raumplanerische Kompetenz.
Machbarkeitsstudien für Projekte, auch für PPPs, sind ein weiterer Sektor mit Nachfrage.
Dies wird verstärkt auch für die Durchführung von Umweltverträglichkeitsuntersuchungen
und das Verfassen entsprechender Studien gelten. Mit der Involvierung internationaler
Geldgeber in Projekte gehören diese zusehends zum Standardrepertoire. Die geplanten
Mega-Projekte eröffnen Chancen in einer Vielzahl von Subsektoren. Verkehrsplanung für
die Schiene und die Metropole Kairo ist akut. Tunnel- und Brückenprojekte stehen an.
Der Bereich Wasser, in dem Deutschland traditionell gut aufgestellt ist, wird auch künftig
vielfältige Chancen eröffnen, von der Planung und Realisierung von Klär- und Wasserwerken, Themen der Verbesserung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in
der Deltaregion und in Oberägypten, Untersuchungen zur Nutzung von Unterwasservorkommen, Planung neuer Bewässerungsnetze bis hin zur landwirtschaftlichen Bewässerung mit Ertragsoptimierung und Themen der Wassereffizienz. Der geplante Aufbau großer Logistikzentren, von intermodalen Verkehrsnetzen und die Modernisierung und Erweiterung der Eisenbahn eröffnen vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten von der Planung
bis zur physischen Realisierung. Vergleichbares gilt für die Bereiche Energie und Telekommunikation.
19
Projekte
Vorhaben
MOF – Rod El Farag Highway
Investitionssum
me (Mio. US$)
1.000
Projektstand
Anmerkung
Präqualifikati
on-Shortlist
Egypt Ministry of
Housing, Ministry of
Finance
Ministry of
Transport
Cairo Airport Co. –
Limak Investment
Egyptian National
Railways – World
Bank
GOPP - Weltbank
Ministry of
Transport
National Authority
for Tunnels (NAT)
NAT
Port Said Port
Authority
EEHC Egyptian
Electricity Holding
Co.
EEHC
Construction
Authority for Potable
Water Wastewater
CAPW
Min. of Housing
MHUUD
MHUUD
Min. of Water
Resources Irrigation
Ministry of
Electricity Energy
MEE
EETC Eg. Electr.
Transmission Co.
Nile Container Ports
100
Design
Revamp of Cairo Airport:
Terminal 2
National Railways
Restructuring Project Package
1.1 + 1.2
Heliopolis – New Cairo Tram
High Speed Railway
400
205+330
Durchführun
g/April 2015
Bietung
500
16.400
Design
Studie
Cairo Metro Network (Linie 3 Phase 3)
Cairo Metro Network (Line 4)
East Port Said Expansion
1.000
2.600
5.400
Präqualifikati
on
Studie
Design
Dairut IPP (Kraftwerk)
1.500
Bietung
Damanhour Steam Power Plant
Gabal Asfar WWTP Expansion
300
328
Studie
Bietung
Hurghada Sea Water
Desalination Plant
Waste-to-Energy Projects
Assiut Barrage Hydropower
Plant
Egyptian CSP (3.500 MW)
150
Studie
2.000
542
Studie
Durchführun
g/Okt. 2017
Studie
2.000
Gulf of Suez Windfarm
150
20
Präqualifikati
on
4. Branchenüberblick und Geschäftspraxis
Branchenstruktur und Wettbewerbssituation
Generell lässt sich sagen, dass ausländische Firmen wegen ihres besonderen Know-how
zum Zuge kommen, sofern dies in einem Projekt gefragt ist, das heißt sie übernehmen
regelmäßig ergänzende, kaum konkurrierende Aktivitäten. Ausländische Firmen treten
deshalb auch seltener als Hauptauftragnehmer auf mit Ausnahme der Eisenbahn. Das
breite Spektrum und der langfristig wachsende Markt lohnen einen näheren Blick auf nahezu alle Baubereiche, auch wenn die Zeiten noch schwierig sind. Internationale und bilaterale Finanzierungen sowie PPP sollten weiterhin für Bewegung sorgen. Die mit dem
politischen Umbruch verschärfte Situation hat zu einem härteren Wettbewerb geführt,
dem viele kleine Subunternehmer zum Opfer gefallen sind. So soll sich die Zahl der Branchenunternehmen von 40.000 auf 18.000 verringert haben. Wer es bis jetzt geschafft
hat, hat gute Chancen für die kommenden Jahre. Vor 2011, als noch gute zweistellige
Wachstumsraten an der Tagesordnung waren, erwies sich der Kuchen als groß genug,
der Wettbewerb war nur schwach ausgeprägt.
Deutsche wie ausländische Firmen sind im Markt aktiv, wenn auch nicht sehr viele. Im
Anlagenbau (etwa Düngemittel, Petrochemie) ist die Bedeutung größer. Im Regelfall sind
Generalunternehmen meist Firmen aus Ägypten, teilweise aus der Golfregion. Als Subunternehmer für anspruchsvolle Spezialsegmente (z.B. Brücken, Tunnel, Staudämme)
kommen ausländische Firmen zum Zuge. Das Feld für Kooperationen ist dann durchaus
breit. Neben den klassischen Kooperationspartnern aus Europa und den USA treten zusehends asiatische Unternehmen in den Markt. Auch die Bildung von ägyptisch-ausländischen Joint Ventures für die Bewerbung bei Großprojekten mit stark technischen Anforderungen ist nicht ungewöhnlich. Dies gilt verstärkt bei Vorhaben, die in öffentlich-privater Partnerschaft realisiert werden sollen. Ein mögliches Feld der Zusammenarbeit bildet der afrikanische Markt. Die Verbindung, gerade auch bei Bauvorhaben, zwischen
Ägypten und dem Sudan ist eng. In Libyen positionieren sich die Ägypter für den Wiederaufbau. Große ägyptische Baufirmen weiten ihr Engagement in den Nilanrainerstaaten
aus.
Baufirmen (Auswahl):
1. Naser General Contracting: http://www.ngcc-allam.com.eg/
2. Orascom Construction Industries: http://www.orascomci.com/
3. Arabian Construction Company: http://www.accwll.com/
4. Hassan Allam Construction: http://www.allamsons.com/Construction/
5. Industrial Construction Engineering Co. SIAC: http://www.ic-e.net/
6. Alexandria Construction Co.: http://www.acctalaatmoustafa.com/index.asp
7. Dar for Trading Construction: http://www.detac.com.eg/
8. The Arab Contractors ( Osman Ahmed Osman):
http://www.arabcont.com/english/default.aspx
9. Limak Yatirim Investment: http://www.limakyatirim.com/limak_investments.aspx
10. El Naser Construction Company: http://www.el-nasrhousing.com/site/index.php
11. Tec Engineering & Contracting: http://www.tecgroups.com/
12. Engineer General Contracting Company (EGCO):http://www.egcoegypt.com/
13. Degla Group Memaar El Morshedy Architecture
:http://www.deglagroup.com/main.php
21
Immobilienentwickler (Auswahl):
1. Talaat Moustafa Group Holding (TMG): http://new.talaatmoustafa.com/
2. Palm Hills Development ( PHD): http://www.palmhillsdevelopments.com/
3. Sixth of October for Development and Investment Company (Sodic):
http://www.sodic.com/
4. Heliopolis Housing Company: www.heliopoliscompany.com/
5. Egyptian Resort Company : http://www.erc-egypt.com/
6. ARTOC Group for Investment & Development: http://www.artoc.com/
Geschäftspraxis
Ägyptens große Baufirmen verfügen über genügend nationale und internationale Erfahrung, auch in der Realisierung von Großprojekten. Die Einbindung internationaler Firmen
schafft neben der Einbindung zusätzlicher Expertise auch die Chance auf Bildung multinationaler Konsortien mit Zugang zu privatem Auslandskapital wie auch zu Entwicklungsbanken und Hilfsorganisationen. Internationale bilaterale Finanzierung über Entwicklungsdarlehen oder Zuschüsse bildet durchaus eine nicht zu unterschätzende Erleichterung/Türöffner für Firmen, die aus dem “Geberland“ stammen, sei es als Baubeteiligte
oder als Lieferanten von Maschinen, Ausrüstungen etc.
Sieht man sich die Projekte an, so lässt sich feststellen, dass bei größeren Vorhaben zwei
Haupt-EPC Contractors durchaus üblich sind. Dies gilt auch für PMC. Bei Consultants sind
mehr als einer fast die Regel.
Im Wohnungsbau können als Main EPC genannt werden (Auswahl): Nasr General Contracting, Orascom Construction Industries OCI, Arabian Construction Company (Cairo
Financial Centre), Arabtec Construction LLC, Hassan Allam Construction, Industrial
Construction Engineering Co. SIAC, Alexandria Construction Company, Dar for Trading
Construction, Tameer Masr Group, Turner Constructions. Die Entwickler aus der Golfregion bringen meist einen Teil ihrer gewohnten Kooperationspartner mit ins Geschäft.
Unter den Main PMC fallen die Namen der britischen Hill International, ferner Engineering
Consultants Group (bei sehr vielen Projekten querbeet involviert) und EHAF Consulting
Engineers besonders auf. Unter den Consultants sind neben ägyptischen Firmen wie
Shehab Mazhar Architects, Associated Consulting Engineers ACE auch zahlreiche ausländische, vor allem britische Firmen, vertreten. Namen sind hier unter anderem Arup, Zaha
Hadid Architects (Stone Park), Buro Happold (Grand Egyptian Museum), Wilkinson Eyre
Architects, Parsons Brinckerhoff und WATG.
Im Infrastrukturbau sind Nasr General Contracting, The Arab Contractors, OCI, Arabian
Construction Company und Hassan Allam zu nennen. Unter den ausländischen Firmen
sind es die türkische Limak Investment für den Kairoer Flughafen T2, Systra (PMC für die
Metro Kairo), Prointec (PMC für den Flughafen von Sharm El-Sheikh). Im Bereich Eisenbahn konkurrieren durchweg die bekannten ausländischen Anbieter. Als Consultants tauchen Namen wie Hamza Associates, Italferr, Arup, HTM Consulting Co., Engineering
Consultants Group und Mott Mac Donald Ltd. auf. Im Bereich der Shopping Malls sind EPC
beispielsweise Arabtec Construction, Egyptians for Housing Development Co., SIAC und
das JV OCI/Besix. Als PMC sind es Amer Group, Damac Properties, Turner Construction
(für Emaar Misr) und Davis Langdon. Als Consultant ist es erneut die Engineering
Consultants Group. Das gilt auch für den Bürobau, in dem ansonsten als EPC vor allem
OCI, SIAC und Dar for Trading Construction, als PMC Hill International und ACE
22
Consultants zu finden sind. Bedeutende Immobilienentwickler sind Palm Hills
Development, SODIC Sixth of October for Development and Investment, Talaat Moustafa
Group Holding/TMG, ferner Egyptian Real Estate Group, El Kahera for Housing and
Development, Heliopolis Housing, im Tourismussektor ERC Egyptian Resorts Company.
Unter den ausländischen Entwicklern seien beispielhaft Emaar Misr (VAE) und Qatari Diar
(Katar) genannt.
Ausländische Unternehmen dürfen nur 10% ausländische Arbeitskräfte einsetzen, der
Rest müssen Ägypter sein. Dies ist mit Blick auf die Branche und die Lohnkosten gerade
von theoretischer Bedeutung, da regelmäßig nur Management, Aufsicht, Technik und
Maschinen aus dem Ausland kommen. Bisweilen kann es zur Verhängung von Schutzzöllen kommen, wie jetzt für Stahl. Dies betrifft meist nur große, für die Wirtschaft bedeutende Branchen. Für ausländische Interessenten relevante Ausschreibungen werden nach
international üblichen Mustern durchgeführt. Tender für Projekte, die durch internationale
Geldgeber finanziert werden, sind unverdächtig. Beim Bau selbst kann es zu gewissen
Vorteilnahmen kommen. Im privaten Sektor gibt es durchaus langjährig erprobte Beziehungen, so zwischen Immobilienentwickler und Hauptauftragnehmern oder Consultants.
Auch eingespielte Lieferketten und Subunternehmen sind normal. Das Ausschreibungswesen ist problematisch. Zentrale Informationen oder (Internet-) Plattformen gibt es
(noch) nicht. Ministerien, Gouvernorate, öffentliche Dienststellen und Unternehmen
schreiben meist unkoordiniert und für ausländische Interessenten spät aus. Entsprechende Ankündigungen erfolgen meist in ägyptischen Zeitungen auf Arabisch, insbesondere im Bereich der Untervergaben. Große Tender werden auch in der Zeitung Al Ahram
auf Arabisch und Englisch veröffentlicht.
Kontaktadressen
Bezeichnung
Ministerien, Institutionen,
Behörden
.Ministry of Housing &
Urban Communities
.Housing & Building
National Research Center
. New Urban Communities
Authority
.The Egyptian Green
Building Council
. PPP Central Unit –
Ministry of
pppcentralunit.mof.gov.eg
Nationale
Branchenverbände
.Egyptian Federation for
Construction & Building
Contractors
.Egyptian Engineers
Syndicate
.Buildings Materials
Industries
Internetadresse
www.moh.gov.eg
www.hbrc.edu.eg
www.urban-comm.gov.eg
www.egypt-gbc.gov.eg
www.pppcentralunit.mof.gov.eg
www.tasheed.org/english/eng_home.aspx
www.eea.org.eg/
http://www.fei.org.eg/chambers_info.asp?id=7
23
Anmerkung
Fachmessen
.Inter Clima-Tech
www.agd-exhibitions.net
.Interbuild
www.agd-exhibitions.net
.Cairo Build Egypt
www.agd-exhibitions.net
23.5.25.5.2013
– CICC Cairo
20.6.24.6.2013
– CICC –
Cairo
November
2013 (noch
ohne
genaues
Datum) –
CICC Cairo
5. Baustoffe und Zulieferprodukte
Ägypten ist in den meisten Segmenten gut selbst versorgt und hat in- und ausländische
Unternehmen vor Ort zur Hand. Der Endproduktbereich gilt als preislich und qualitativ
solide. Das Land verfügt zudem über günstige Rohstoffe. Anspruchsvollere, i.d.R. technische Lösungen (Know-how, Ausrüstungen) werden aus dem Ausland bezogen. Die Nachfrage nach innovativen Bauprodukten wie grüne Baumaterialien sollte wachsen, angetrieben durch den sukzessiven Abbau von Energiesubventionen. Bisher weisen viele baubezogene Produktbereiche nur geringe Einfuhrzahlen auf. Eine künftige Mengenkonjunktur
und Innovationen könnten dies ändern. Bei den Einfuhren handelt es sich heute meist um
Größenordnungen (im Zweijahresdurchschnitt) bis 20 Mio. US$. Anstrichfarben (rund 40
Mio. US$), Feuerfestmaterialien (70 Mio. US$), Kupferrohre (75 Mio. US$), Schlösser (30
Mio. US$) und vorgefertigte Gebäude (30 Mio. US$) bilden schon eine Ausnahme.
Dampfkessel (50 Mio. US$) und das weiter wachsende Segment der Klimageräte (120
Mio. US$) kommen aus dem Bereich HVAC hinzu. Die Importe von Maschinen, Apparaten
und Geräten für Erd- oder Steinbrucharbeiten, den Bergbau oder Tiefbohrungen, Hochund Tiefbau (SITC 723) ging 2011 um 40% auf 189 Mio. US$ zurück. Gefragt sind Neuausrüstungen, aber gute Gebrauchtmaschinen zeigen eine steigende Tendenz.
Ägypten verfügt über eine starke und expandierende Baustoffindustrie, vor allem in den
Segmenten Stahl, Zement, Keramik und Glas. Diese Bereiche expandieren zudem in Erwartung einer anhaltenden Baukonjunktur und mit Blick auf mögliche Exportaktivitäten.
Niedrige Energie- und Arbeitskosten haben diese Bereiche bisher begünstigt. Angesichts
der Erhöhung der Energiepreise verschlechtert sich die Kostensituation.
Zement ist auch international wettbewerbsfähig und wird in jüngster Zeit erfolgreich nach
Libyen exportiert. In den nächsten fünf Jahren soll der inländische Zementverbrauch erheblich um bis zu 75% steigen, sofern die Bauwirtschaft ihren Erwartungskatalog an
Projekten umsetzen kann. Der Ausbau der Produktionskapazitäten soll deshalb vorangetrieben werden. Sieben Zementlizenzen zu je 1,5 Mio. t sollen im Auktionsverfahren versteigert werden. Die gesamten erwarteten Investitionen werden auf rund 14 Mrd. ägypt£
geschätzt. Der Verbrauch lag nach Zentralbankangaben im Fiskaljahr 2010/11 (Juli bis
Juni) bei 43,9 Mio. t unverändert zum Vorjahr.
24
Differenziert ist die Situation bei Baustahl. Hier können die ägyptischen Hersteller z.B. in
Libyen nicht gegen die türkische Konkurrenz punkten. Auch auf dem Inlandsmarkt scheinen türkische und algerische Erzeugnisse preislich zu kompetitiv. Der angegebene Preisunterschied zwischen Importen (3.370 ägypt£/t) und Inlandsherstellung (4.350 ägypt£/t)
ist erheblich. Das Industrieministerium hat Ende November 2012 Pläne angekündigt,
Schutzzölle auf importierten Baustahl von 6,8% bzw. mindestens 299 ägypt£/t für etwa
sieben Monate einführen zu wollen. Als Ursache für die hohen Stahlpreise wird die langjährige marktbeherrschende Stellung einiger Hersteller angeführt. Derzeit gibt es allerdings Pläne für den Ausbau der Produktionskapazitäten, die mehr Wettbewerb erwarten
lassen
Die Herstellung von Betonstahl betrug 2011 knapp 6,2 Mio. t bei Verkäufen von 6,0 Mio.
t. Im Jahr 2010 waren es fast 6,6 Mio. t bzw. 6,2 Mio. t. In den ersten acht Monaten
2012 legten Erzeugung (+23% auf knapp 4,8 Mio. t) und Absatz (+12,8% auf über 4,2
Mio. t) deutlich zu. Damit wurde nicht nur der durch den politischen Umbruch eingetretene Rückgang wettgemacht, sondern sogar ein leichter Zuwachs im Vergleich zu den
starken ersten acht Monaten 2010 realisiert. Die Produktion von Armierungseisen betrug
2010/11 knapp 5,7 Mio. t nach gut 5,6 Mio. t im Fiskaljahr zuvor. Der geplante Ausbau
der Windenergie erforderte große Mengen von Stahl für die lokal gefertigten Windtürme.
Auch die für das Land bedeutende Keramikindustrie investiert. Der Hersteller von Sanitärkeramik, Kacheln und Fliesen, Lecico Egypt S.A.E., einer der führenden Hersteller von
Sanitärwaren in Exportqualität im Mittleren Osten und einer der größten Hersteller von
Fliesen und Kacheln in Ägypten und im Libanon, erweitert seine Kapazität durch eine
zweite Produktionslinie für jährlich 6,4 Mio. qm Kacheln und Fliesen auf dem Firmengelände in Borg El-Arab (Alexandria). Die Investition beläuft sich auf 7,5 Mio. US$. Damit
steigt die Betriebskapazität auf 12,8 Mio. qm für rotscherbige Kacheln und Fliesen. Die
Gesamtkapazität der Gruppe erhöht sich auf 37,4 Mio. qm jährlich. Die Produktionsanlage in Borg El-Arab hat Platz für eine dritte Expansionsphase von gleichfalls 6,4 Mio. qm
rotscherbigen Kacheln und Fliesen bzw. von 4 Mio. qm glasiertem Feinsteinzeug im Jahr.
Hierüber ist allerdings eine Entscheidung noch anhängig. Lecico profitierte von Produktionsunterbrechungen seines Hauptkonkurrenten, Cleopatra Ceramics, der jetzt wieder zur
Normalität zurückkehren soll. Billige ausländische Anbieter aus China, Indien, der Türkei
und der Golfregion machen der Branche Druck.
Bauholz wird weitgehend aus Skandinavien eingeführt. Bauchemie stammt meist aus
dem Inland. Der Farbenverbrauch ist mit etwa 2,5 kg/Kopf vergleichsweise niedrig und
sollte noch deutlich expandieren. Dämm- und Isolierstoffe, feuerfeste Materialien und
Isoliermaterialien für Böden, Wände und Decken zur Energieeinsparung haben gute Perspektiven. Wettbewerber kommen hier aus den USA, Italien, China und der Türkei. Ein
gewisser Bedarf besteht bei besonders hochentwickelten Erzeugnissen. Sanitärprodukte
und Rohre aller Art sind im Inland verfügbar. Die Nachfrage nach Rohren ist hoch. Sie
reicht von Bewässerungsrohren für die Landwirtschaft, Wasser- und Abwasserrohre für
neue Wohn- und Industriegebiete bis hin zu Röhren für Stadtgas und zum Transport von
den Öl- und Gasfeldern. Etwa 4,5 Mio. Haushalte sind an das Gasnetz angeschlossen.
EGAS will die Zahl der Haushalte mit leitungsgebundener Gasversorgung bis 2015 auf 5,5
Mio. ausweiten. Mittel- bis langfristig soll der Ausbau des Gasverteilungsnetzes den Bedarf an Butangasflaschen, das als Kochgas in den meisten Haushalten zum Einsatz
kommt und teuer importiert wird, reduzieren. Türen und Fenster sind in der teureren
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Variante traditionell aus Aluminium, in der preiswerten aus Holz. Kunststoff ist auf dem
Vormarsch angesichts steigender Inlandsproduktion zu kompetitiven Preisen.
Aufgrund des hohen Bedarfs an erschwinglichem Wohnraum und der zeitlichen Anforderungen ist der Einsatz modularer Baukastensysteme oder vorgefertigter Gebäudeteile
eine mögliche Alternative zum herkömmlichen Bau. Entsprechende Investitionen wären
zu prüfen einschließlich späterer Expansion in den weiteren afrikanischen Raum. Auch
Schulen und Kindergärten könnten eine Nachfrage entfalten.
Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik
Im Wohngebäudebereich sind Versorgungseinrichtungen dezentral. Aufgrund des Klimas
weist der Baubestand meist keine Heizungssysteme auf. Reine Raumkühlung, auch mit
Wärmefunktion, ist der Regelfall, der Hersteller Carrier der traditionell absolute Marktführer mit etwa 80%. Ölradiatoren für die wenigen kühlen Tage sind verbreitet. Raumklimageräte und -einrichtungen finden zusehends im gehobenen Neubausektor Verwendung. Warmwasserboiler aus inländischer Herstellung sind die Regel. HVAC bildet mit
etwa 50% die Hauptquelle des Energieverbrauchs von Haushalten und Gewerbe, bedingt
hauptsächlich durch schlechte Gebäudeisolation und wenig energieeffiziente Geräte. Gemeint sind hier die rund 5 Mio. Klimageräte. Ziel bildet die Reduzierung des
Energieverbrauchs durch HVAC-Geräte. Größeres Potenzial bieten Neubauten im
Vergleich zu Altbauten, bei denen die Kostenproblematik eine gewichtige Rolle spielt.
Anfang Dezember 2012 hat das Kabinett den Antrag des Ministry of Electricity
genehmigt, die Strompreise zu erhöhen. Wie der zuständige Minister Mahmoud Balbaa
erklärte, seien die Preise für die privaten Haushalte seit 2008 nicht erhöht worden. Die
Preiserhöhung auf 0,35 ägypt£ je Kilowatt soll nur für Haushalte mit hohem Verbrauch
gelten. Sie sollen künftig den gleichen Preis wie energieintensive Industrien zahlen, die
ebenfalls nicht mehr subventioniert werden. Die Preise sollen noch in der ersten
Dezemberwoche erhöht werden. Das Ministerium soll Liquiditätsprobleme haben, da 80%
der Kunden ihre Stromrechnungen nicht bezahlen. Das Ministerium soll Strom mit 12
Mrd. ägypt£ jährlich subventionieren. Während die Kosten bei 0,35 ägypt£ liegen,
beträgt der durchschnittliche Verkaufspreis gerade 0,125 ägypt£ pro Kilowatt.
Energieversorgungsstruktur: Unternehmen, die abhängig sind von Gas oder Öl kaufen
von der ÄGYPT£C (Egyptian General Petroleum Corporation) oder EGAS (Egyptian Natural
Gas Holding Company), die beide zum Erdölministerium gehören. Für Schwerindustrien
wie Stahl, Zement, Keramik, wurden die Preise von 3 auf 4 US$ je mmBtu (million British
thermal units) in 2012 angehoben. Neuen Schwerindustrien wird im Zuge der
Lizenzerteilung keine Versorgungsgarantie gegeben. Vielmehr müssen die Unternehmen
ihren Energieversorgungsplan vorlegen. Ansonsten ist die zum Ministerium für Elektrizität
und Energie gehörende Egyptian Electricity Holding Company (EEHC) für die Erzeugung,
Übertragung und Verteilung von Strom zuständig. Sie verfügt ihrerseits über sechs
Produktionsgesellschaften als Kraftwerksbetreiber, ein Unternehmen zur Übertragung
sowie neun zur Verteilung.
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Hausautomatisierungstechnik und Gebäudesicherheit
Die Chance auf den Einsatz umfassender Smart-Building-Lösungen bieten moderne
Bauvorhaben. In gehobenen bis Luxus-Wohn- und Ferienanlagen, neuen Büro- und
Hotelbauten sowie Mischnutzungsprojekten kommen komplexe Lösungen zum Einsatz,
die gleichsam als Nebeneffekt Energieeffizienz mit sich bringen, aber vor allem den
modernen Gebäudeanforderungen gerecht werden sollen. Hierzu zählen Systeme, die voll
automatisierte Beleuchtung und Abdunkelung, Visualisierung, Überwachung und
Steuerung bis hin zur Betriebskontrolle von Versorgungsnetzen, wie z.B. die Funktion von
Motorpumpen, beinhalten.
Bei neu entstehenden Gebäuden, so Büros, Shopping Malls, Hauptquartiere großer
Unternehmen oder Hotels, sind von Beginn an intelligente Lösungen integriert, die sowohl
einzelne Räume oder abgetrennte Areale oder die übergreifende Gebäudekontrolle
betreffen (Ventilation und Klima, z.T. Heizung - HVAC, Beleuchtung, Sonnenschutz,
sonstige Gebäudetechniken inkl. Sprinkleranlagen). Die in den letzten Jahren realisierten
Bauten, die durchweg den Privatsektor betreffen, haben für das Entstehen eines Marktes
gesorgt, der künftig sukzessive und deutlich expandieren sollte. In diesem Segment sind
ausländische Anbieter, die moderne Konzepte zur Planung und Durchführung anzubieten
haben, weiter gefragt. Die Produkte, z.B. elektronische Zugangssysteme etwa für Hotels
und Büros stammen in der billigeren Variante aus Asien, in der teureren aus Europa.
Größere Sprinkleranlagen für Büros, Shopping Malls und Museen stammen nicht selten
aus Deutschland.
Der Staat als Auftraggeber sollte in Zukunft interessanter werden. Die langjährigen Pläne
zur Auslagerung von Ministerien und Verwaltungen in die neuen Außenstädte werden in
den nächsten Jahren umgesetzt werden müssen. Bei der wachsenden Zahl von PPPs, z.B.
im Krankenhaussektor, sind es die privaten Firmen, die für die Realisierung der
technischen Lösungen relevant sind. Hier dürften im Zuge des Neubaus verstärkt
intelligente Systeme gefragt sein. Umfassendere Nachrüstungen im alten
Gebäudebestand sind i.d.R. zu teuer. Oft sind die noch älteren Systeme nicht
funktionstüchtig, da Wartung ein generelles Problem ist. Nachholbedarf beim Einsatz
fortgeschrittener Sicherheitstechnik besteht zudem im Zuge von Hafen- und
Flughafenmodernisierungen sowie in weiteren sicherheitssensiblen Bereichen.
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