im namen der republik - Wirtschaftsuniversität Wien

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GZ. RV/4100170/2013
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache Bf, N,
vertreten durch Mag. Alfred Schmid, N. gegen den Bescheid des FA Landeck Reutte vom
27.11.2012, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2011 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Akteninhalt:
Der in Österreich ansässige Beschwerdeführer (Bf.) war im Veranlagungsjahr 2011
Gesellschafter-Geschäftsführer der G in der Schweiz. Unternehmensgegenstand war die
Ausführung von Transporten und Bauarbeiten.
Das Finanzamt veranlagte den Bf. zur Einkommensteuer 2011 aufgrund der dem
Finanzamt übermittelten Lohnzettel und Meldungen. Als Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit ohne inländischen Steuerabzug kamen € 74.185,08 zum Ansatz. Als Sonstige
Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag wurden 11.380,64 €
berücksichtigt und als Pauschbetrag für Werbungskosten 132,00 € in Abzug gebracht. Der
Gesamtbetrag der Einkünfte belief sich somit auf € 62.672,44. Unter Berücksichtigung des
Pauschbetrages für Sonderausgaben, des Verkehr- und Grenzgängerabsetzbetrages und
der ausländischen Steuer wurde die Einkommensteuer mit 13.859,00 € festgesetzt. Der
Einkommensteuerbescheid 2011 ist mit 27. November 2012 datiert.
Am 28. Dezember 2012 erhob der Bf. Berufung mit folgender Begründung:
"Im Einkommensteuerbescheid 2011 wurden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in
Höhe von 62.672,44 € angesetzt. Als Grundlage diente offensichtlich der dem Finanzamt
übermittelte Auslandslohnzettel. Des Weiteren wurde in der Begründung angeführt, dass
die Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung nicht beim Finanzamt
eingegangen ist und daher Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche
Belastungen mangels Nachweis nicht berücksichtigt werden konnten.
Bei der Durchsicht der Unterlagen für das Jahr 2011, die wir erst vor einigen Tagen
erhielten, haben wir festgestellt, dass der Abgabepflichtige im Jahr 2011 an der G zu 50
% beteiligt war und somit nicht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sondern Einkünfte
aus selbständiger Arbeit bezogen hat.
Vergütungen, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst
alle Merkmale eines Dienstverhältnisses aufweisende Beschäftigung gewährt werden,
sind stets zu den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit gemäß § 22 Z 2 zweiter
Teilstrich EStG 1988 zuzurechnen (siehe auch EStR RZ 5267 ff).
Gemäß Artikel 14 Z 1 DBA-Schweiz dürfen Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat
ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit
ähnlicher Art bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass diese
Person für die Ausübung ihrer Tätigkeit in einem anderen Vertragsstaat regelmäßig über
eine feste Einrichtung verfügt. Verfügt sie über eine solche feste Einrichtung, so dürfen
die Einkünfte in dem anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser
festen Einrichtung zugerechnet werden können.
Diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall gegeben. Die feste Einrichtung ist
der Firmensitz der G , Q , R . Die vom Abgabepflichtigen erzielten Einkünfte werden
regelmäßig in der festen Einrichtung getätigt und sind zur Gänze dieser festen Einrichtung
zuzurechnen.
In Anlehnung an das DBA-Deutschland, in dem für Geschäftsführervergütungen eine
eigene Verteilungsnorm (Art 16 Abs. 2 DBA-Deutschland) aufgenommen wurde, ist hier
klargestellt, dass die Bezüge von allen handelsrechtlichen Geschäftsführern im Sitzstaat
der Gesellschaft besteuert werden.
Daraus ist zu schließen, dass die Einkünfte nicht dem Ansässigkeitsstaat Österreich,
sondern dem Quellenstaat Schweiz zuzuweisen sind und die Versteuerung dieser
Einkünfte in der Schweiz zu erfolgen hat und folglich Österreich kein Besteuerungsrecht
zusteht.
Es wird nunmehr beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2011 aufgrund des oben
dargestellten Sachverhaltes aufzuheben und die Einkommensteuer für 2011 mit Null
festzusetzen."
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 1. Februar 2013
mit ausführlicher Begründung ab. Das Finanzamt verwies auf § 22 Z 2 EStG 1988, Art.
14 und 15 DBA Schweiz, Art. 3 Abs. 2 OECD-MA, das Amtsblatt der Österreichischen
Finanzverwaltung Nr. 153/1992 und Art. 23 Abs. 2 DBA Schweiz und gelangte zu dem
Schluss, dass die Geschäftsführervergütungen der österreichischen Steuerpflicht
unterliege und dass die in der Schweiz einbehaltene Steuerpflicht angerechnet worden
sei.
2. Gesetzliche Grundlagen:
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Gemäß § 22 Z 2 EStG 1988 fallen die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die
von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines
Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2) aufweisende Beschäftigung gewährt werden, unter die
Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit. Eine Person ist dann wesentlich beteiligt,
wenn ihr Anteil am Grund- oder Stammkapital mehr als 25 % beträgt.
Gemäß § 3 Z 2 EStG 1988 unterliegen der Einkommensteuer Einkünfte aus selbständiger
Arbeit (§ 22).
Art. 14 DBA-Schweiz weist das Besteuerungsrecht von Einkünften aus einem freien Beruf
oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit ähnlicher Art dem Tätigkeitsstaat zu, sofern
der selbständig Tätige dort regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügt und soweit sie
dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können.
Das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die aus Aktivbezügen
herrühren, fällt nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz grundsätzlich dem Tätigkeitsstaat zu.
Das mit der Schweiz abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen sieht nach
dessen Artikel 23 als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung grundsätzlich die
Befreiungsmethode unter Progressionsvorbehalt zu.
Mit Abänderungsprotokoll zum DBA-Schweiz, BGBl. III Nr. 22/2007, mit Wirkung ab 1.
Jänner 2006 bzw. ab 1. Jänner 2007 (Artikel IX Z 2 des Abänderungsprotokolls) wurde die
vormalige Grenzgängerregelung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz aufgehoben und wurde
Art. 23 Abs. 2 DBA-Schweiz dahingehend geändert, dass Österreich auch Einkünfte aus
unselbständiger Arbeit iSd Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz besteuern darf und, sofern eine
in Österreich ansässige Person unter Artikel 10, 15 und 19 fallende Einkünfte bezieht, die
nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich besteuert werden dürfen, auf
die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag anrechnet, der der
in der Schweiz gezahlten Steuer entspricht, wobei der anzurechnende Betrag jedoch den
Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen darf, der auf die aus der
Schweiz bezogenen Einkünfte entfällt.
3. Als erwiesen angenommener Sachverhalt:
• Der Bf. ist schweizer Staatsbürger, in Österreich ansässig und war im
Veranlagungszeitraum 2011 Gesellschafter-Geschäftsführer der in der Schweiz
befindlichen G .
• Der Bf. war mit 50 % an der G beteiligt.
• Das Finanzamt veranlagte die Einkommensteuer 2011 auf Basis des von der Schweiz
übermittelten "Auslandlohnzettels".
4. Rechtliche Erwägungen:
Ein internationaler Steuerfall ist zunächst nach inländischem Recht zu beurteilen,
wobei es zu klären gilt, ob steuerbare Einkünfte vorliegen und welcher Einkunftsart
sie gegebenenfalls zuzurechnen sind. In der nächsten Phase ist zu prüfen, welchem
Staat die Besteuerungsrechte hinsichtlich dieser Einkünfte nach dem DBA zukommen.
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Ergibt sich daraus, dass nach den Vorschriften des DBA Österreich steuerberechtigt ist,
richtet sich die weitere Steuererhebung, dh. die Geltendmachung des österreichischen
Steueranspruches wiederum ausschließlich nach innerstaatlichem Recht; sie erfolgt somit
unter ausschließlicher Verwendung innerstaatlicher Begriffsdefinitionen (zur sog. "DreiStufen-Technik" siehe Loukota, SWI 12/1998, 559 ff).
Unbestritten ist nach den Ausführungen im Beschwerdeverfahren, dass die
Geschäftsführerbezüge nach innerstaatlichem Recht unter § 22 Z 2 EStG 1988 zu
subsumieren sind. Somit liegen nach § 3 Z 2 EStG 1988 Einkünfte aus selbständiger
Arbeit vor. Da aber ein internationaler Steuerfall vorliegt, ist idF zu prüfen, ob der Schweiz
oder Österreich das Besteuerungsrecht zusteht.
Bezüge von Gesellschafter-Geschäftsführern sind weder in Artikel 14 noch in Artikel 15
DBA-Schweiz genannt; deren abkommensrechtliche Beurteilung geht aus dem Abkommen
selbst somit nicht unmittelbar hervor. Auch die Begriffe "selbständige Tätigkeit" in Art. 14
DBA-Schweiz und "unselbständige Arbeit" in Art. 15 DBA-Schweiz werden im Abkommen
nicht näher definiert
Der Verwaltungsgerichtshof ist hinsichtlich der abkommensrechtlichen Qualifikation der
Bezüge von wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern in den zum DBASchweiz ergangenen Erkenntnis vom 20.9.2001, 2000/15/0116, - wie bereits in seiner
früheren Rechtsprechung (zum DBA-Schweiz: VwGH 21.5.1997, 96/14/0084; zum DBADeutschland: VwGH 27.6.1991, 90/13/0156, und VwGH 12.12.1995, 94/14/0060) - von
einem statischen Verweis des Abkommens auf das originär innerstaatliche Recht des
Anwenderstaates ausgegangen. Die im Abkommen nicht näher definierten Begriffe
"selbständige Tätigkeit" und "unselbständige Arbeit" im Sinne der Art. 14 und 15 DBASchweiz seien daher nach der innerstaatlichen Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses
des Abkommens zu interpretieren.
Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft ist am 30. Januar 1974 in Kraft getreten. Zum Zeitpunkt des
Abschlusses des DBA-Schweiz war das Geschäftsführerentgelt eines Gesellschafters
ungeachtet der Höhe seiner Beteiligung an der GmbH jedoch grundsätzlich
unter den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu subsumieren. Auch bei
Einmanngesellschaften, bei denen der Gesellschafter auch Geschäftsführer war,
lagen grundsätzlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vor; nur im Falle einer
unangemessenen Entlohnung wurden Einkünfte aus Kapitalvermögen angenommen
(vgl. VwGH 20.9.2001, 2000/15/0116 und die dort angeführten Judikate vom 17.9.1963,
1010/61 und vom 16.11.1959, 2521/56). Erst mit Erkenntnis des verstärkten Senates
vom 9.12.1980, 1666, 2223, 2224/79, hat der Verwaltungsgerichtshof in Abkehr von
seiner früheren Rechtsprechung, die die Gesellschafter-Geschäftsführer grundsätzlich als
Dienstnehmer angesehen hat, ausgesprochen, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer
einer GmbH dann nicht in einem Dienstverhältnis zu dieser Gesellschaft stehe, wenn er
die Tätigkeit auf Grund der Höhe seiner Beteiligung am Stammkapital - eine Beteiligung
von 50% reiche dafür bereits aus - oder auf Grund einer gesellschaftsvertraglichen
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Regelung (Sperrminorität) nicht nach den Weisungen eines anderen ausüben müsse.
In Reaktion auf dieses Erkenntnis wurde ua. § 22 Abs. 1 Z 2 EStG 1972 mit dem
AbgÄG 1981, BGBl. Nr. 620/1981, dahingehend geändert, dass Gehälter und sonstige
Vergütungen, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für eine sonst
alle Merkmale eines Dienstverhältnisses aufweisende Beschäftigung gewährt werden,
Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind. Die Bestimmung trat am 1. Jänner 1982 in Kraft.
Zur Vermeidung von Qualifikationskonflikten wurde im Rahmen eines internationalen
Verständigungsverfahrens (AÖF 1992/153) mit der schweizer Steuerverwaltung
Einvernehmen darüber erzielt, dass sich die Aufteilung der Besteuerungsrechte bei
Dienstnehmern von Kapitalgesellschaften ungeachtet einer allfälligen Beteiligung des
Dienstnehmers an der Gesellschaft stets nach Artikel 15 des Abkommens zwischen der
Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
richtet. Diese Regelung wurde im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung Nr.
153/1992 kundgemacht.
Das Ergebnis der im Amtsblatt kundgemachten Verständigungsvereinbarung zwischen
Österreich und der Schweiz steht somit im Einklang mit der vom Verwaltungsgerichtshof
hinsichtlich der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen vertretenen Auffassung.
Mit der Schweiz ist somit durch eine "autonome Abkommensauslegung" der Rückgriff
auf geändertes innerstaatliches Recht unterdrückt worden und die Verweisung auf
innerstaatliches Recht in Art. 3 Abs. 2 OECD-MA nicht als dynamisch, sondern als statisch
zu verstehen.
Zählten die Einkünfte eines Gesellschafter-Geschäftsführers im Zeitpunkt des
Abschlusses des DBA-Schweiz nach österreichischem Besteuerungsrecht aber nicht
zu den selbständigen, sondern zu den nichtselbständigen Einkünften, kommt im
Beschwerdefall abkommensrechtlich nicht die Zuteilungsnorm für selbständige Tätigkeit im
Sinne des Art. 14 DBA-Schweiz, sondern jene für unselbständige Arbeit im Sinne des Art.
15 leg. cit. zur Anwendung.
Unter Berücksichtigung des Art. 23 Abs. 2 DBA-Schweiz, der ausführt, dass Österreich
ungeachtet des Absatzes 1, Einkünfte im Sinne des Artikels 15 Absatz 1 sowie Einkünfte
im Sinne des Artikels 19 (ausgenommen Ruhegehälter), die eine in Österreich ansässige
Person aus ihrer in der Schweiz ausgeübten Arbeit aus öffentlichen Kassen der Schweiz
bezieht, besteuern darf, wird deutlich, dass das Einkommen des Bf. der österreichischen
Besteuerung unterliegt und die in der Schweiz einbehaltene Steuer im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen war. Der vom Finanzamt erlassene
Einkommensteuerbescheid 2011 erging somit zurecht.
Dem Vorbringen des Bf., dass nach Art. 14 Z 1 DBA-Schweiz der Schweiz das
Besteuerungsrecht zukäme, kann daher aus den angeführten Gründen nicht gefolgt
werden (vgl. Entscheidungen des UFS vom 27.10.2005, RV/0259-F/03, vom 30.03.2010,
RV/0485-F708, RV/0053-F/10).
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Wenn der Bf. meint, dass in Anlehnung an das DBA-Deutschland (Art. 16 Abs. 2
DBA-Deutschland) die Einkünfte nicht dem Ansässigkeitsstaat Österreich, sondern
dem Quellenstaat Schweiz zuzuweisen seien, ist einerseits auf die o.a. "autonome
Abkommensregelung" mit der Schweiz hinzuweisen. Andererseits sei festgehalten, dass
die Regelung des Art. 16 Abs. 2 DBA-Deutschland – danach unterliegen Geschäftsführer
und Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft in jenem Staat der Besteuerung, in dem
die Gesellschaft ansässig ist der Besteuerung – eine abweichende Besonderheit des
österreichisch-deutschen Vertragsverhältnisses darstellt, die ihrerseits wieder auf eine
(überholte) Rechtsprechung des BFH und VwGH zurückgeht. Aus österreichischer Sicht
ist der Anwendungsbereich dieser Regelung nicht extensiv interpretierbar und im Streitfall
nicht anwendbar.
Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid
2011 abzuweisen.
5. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig (Art. 133 Abs. 4 B-VG), da die gegenständliche
Entscheidung von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht abweicht (vgl. o.a.
Erkenntnisse). Weiters ist die ergangene Rechtsprechung als nicht uneinheitlich zu
beurteilen.
Klagenfurt am Wörthersee, am 2. März 2015
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E AS
Express Antwort Service
29. September 2014
BMF-010221/0641-VI/8/2014
EAS 3346
Auslandsbezogene Sonderzahlungen bei Auslandsentsendungen
Werden Dienstnehmer einer österreichischen Kapitalgesellschaft zur rumänischen
Tochtergesellschaft entsandt, dann sind jene Bezugsteile in Österreich nach den Vorschriften
des Artikels 24 (Methodenartikel) steuerfrei zu stellen, an denen durch Artikel 15 des DBAÖsterreich/Rumänien das Besteuerungsrecht Rumänien zuteilt wird. Dies gilt auch für
Auslandsprämien, die als Sonderzahlungen der in Rumänien erbrachten Arbeitsleistung
zuzurechnen sind und die daher auch für die steuerliche Erfassung in Rumänien offengelegt
worden sind.
Wie bereits in EAS 3331 ausgeführt wurde gilt bei der Anwendung von
Doppelbesteuerungsabkommen das als “Dreistufenprinzip” bekanntgewordene
Anwendungsschema. Darnach ist in einer ersten Stufe der Bestand der Steuerpflicht nach
inländischem Steuerrecht (ohne Berücksichtigung von Doppelbesteuerungsabkommen) zu
ermitteln. In einer zweiten Stufe ist sodann festzustellen, inwieweit Abkommensrecht die
Geltendmachung dieser Steuerpflicht einschränkt. In einer dritten Stufe ist schließlich unter
Beachtung abkommensrechtlicher Diskriminierungsverbote nach inländischem Recht die
Steuer zu erheben (EStR 2000 Rz 33).
Auch im Fall einer Personalauslandsentsendung nach Rumänien ist nach diesen
Grundprinzipien vorzugehen und es bestimmt sich daher in “Stufe 1" das Ausmaß der zur
Verfügung stehenden Sechstelgrenze nach den Vorschriften des § 67 EStG 1988 und zwar
ohne Beeinflussung durch Abkommensrecht. Daher ist auch die zeitliche Zuordnung des
Zuflusses einer Auslandsprämie nicht nach dem Kausalitätsprinzip, sondern nach dem sich
aus § 19 EStG 1988 ergebenden Zuflussprinzip vorzunehmen. Wird daher eine
Auslandsprämie, die kausal mit der im Jahr X1 in Rumänien erbrachten Tätigkeit verknüpft
ist, erst nach Rückkehr im Jahr X2 ausgezahlt, dann liegt eine Sonderzahlung vor, die das
Jahressechstel des Jahres X2 und nicht jenes des Jahres X1 verbraucht, denn diese
© Bundesministerium für Finanzen
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Verbrauchswirkung findet ausschließlich nach innerstaatlichem Recht und daher
unbeeinflusst durch Abkommensrecht statt.
Erst in “Stufe 2" ergibt sich sodann bei der Abkommensanwendung, dass die im Jahr X2
ausbezahlte Prämie im Jahr X2 in Österreich von der Besteuerung freizustellen ist.
Bundesministerium für Finanzen, 29. September 2014
© Bundesministerium für Finanzen
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E AS
Express Antwort Service
5. Juni 2015
BMF-010221/0139-VI/8/2015
EAS 3361
Drittstaatsentsendung eines in Liechtenstein ansässigen GrenzgängerGeschäftsführers einer österreichischen AG
Übt ein in Liechtenstein ansässiger Geschäftsführer einer inländischen AG, welcher die
Voraussetzungen für die Einstufung seiner Vergütungen als Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit iSd § 25 EStG 1988 erfüllt, seine Tätigkeit als Geschäftsführer als Grenzgänger in
Österreich aus, so geht die Grenzgängereigenschaft gemäß Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein
auch dann nicht verloren, wenn der Geschäftsführer von seiner österreichischen
Arbeitgeberin im Ausmaß von rund 40% seiner Arbeitstage zu Dienstreisen in Drittländer
entsandt wird, sofern an den Tagen, an denen keine Dienstreise erfolgt, ein arbeitstägliches
Pendeln zwischen Wohnort in Liechtenstein und seinem Arbeitsort in Österreich erfolgt.
Die im Vertragsverhältnis zwischen Österreich und Deutschland anwendbare Regelung,
wonach bei jahresdurchgängiger Beschäftigung bei einem grenznahen Unternehmen jemand
entweder während des ganzen Jahres oder überhaupt nicht als Grenzgänger eingestuft wird,
je nachdem ob die Grenzgängerkriterien an mehr als 45 Tagen als erfüllt anzusehen sind
oder nicht, ist im österreichisch-liechtensteinischen Verhältnis nicht anwendbar.
Verhandlungen mit Liechtenstein haben zu dieser Frage bislang nicht stattgefunden. Im
Verhältnis zu Liechtenstein erscheint es daher ebenso wie im seinerzeitigen
Vertragsverhältnis zwischen Österreich und der Schweiz vertretbar, dass jemand nur
während eines Teiles des Jahres oder während mehrerer Jahresteile die
Grenzgängereigenschaft besitzt (vgl. dazu EAS 2158 sowie sinngemäß EAS 1940 und EAS
880; ebenso UFS vom 16.5.2008, RV/0065-F/08), solange die Entsendung in Drittstaaten
nicht ein solches Ausmaß erreicht, dass nicht mehr von einer Grenzgängertätigkeit
gesprochen werden kann. Dies wäre dann der Fall, wenn die Entsendung ein solches
Ausmaß annähme, dass wegen Geringfügigkeit des Pendelns bzw. wegen deutlichen
Überwiegens einer Tätigkeit außerhalb der Grenzzone nicht mehr von einer
Grenzgängertätigkeit gesprochen werden kann (vgl. UFS vom 16.5.2008, RV/0065-F/08).
© Bundesministerium für Finanzen
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze unterliegen die der Grenzgängertätigkeit
zuzurechnenden Einkünfte, das sind jene, die für Zeiträume gezahlt werden, in denen eine
arbeitstägliche Rückkehr an den Wohnsitz stattfindet, dem mit 4% begrenzten inländischen
Besteuerungsanspruch. Dies gilt auch für Einkünfte, die auf in geringfügigem Ausmaß in
Österreich unternommene Dienstreisen entfallen, wobei ein Ausmaß von 10 Tagen pro Jahr
jedenfalls als geringfügig angesehen werden kann. Die auf Drittstaatsentsendungen
entfallenden Einkünfte unterliegen gem. Art. 15 Abs. 1 DBA-Liechtenstein dem
ausschließlichen Besteuerungsrecht Liechtensteins als Ansässigkeitsstaat.
Diese Rechtsmeinung kann nur so lange aufrechterhalten werden, als mit Liechtenstein keine
anderslautende Vereinbarung über die Auslegung von Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein
getroffen wird.
Bundesministerium für Finanzen, 5. Juni 2015
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GZ. RV/1100322/2012
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache XY vertreten
durch AB, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom 26. Juni 2012 betreffend
Festsetzung von Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2012 und Folgejahre zu
Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin bezieht aus ihrer Tätigkeit als Sonderschullehrerin am
Heilpädagogischen Zentrum in Liechtenstein Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Nach entsprechendem Vorhalt hat das Finanzamt mit Bescheid vom 26. Juni
2012 ausgehend von einem inländischen Besteuerungsrecht bezüglich der
liechtensteinischen Einkünfte Vorauszahlungen an Einkommensteuer für das Jahr 2012
und Folgejahre in Höhe von ... € festgesetzt.
In der dagegen erhobenen Berufung hat der steuerliche Vertreter beantragt, die
Einkommensteuervorauszahlungen für 2012 mit 0,00 € festzusetzen. Begründend
hat er zusammengefasst vorgebracht, dass die Einkünfte aus der Lehrtätigkeit der
Berufungsführerin unter Art. 19 DBA-Liechtenstein zu subsumieren seien und ihre
aus einer öffentlichen Funktion resultierenden Bezüge daher nur im Kassenstaat
(Liechtenstein) zu besteuern seien. Zwischen dem Heilpädagogischen Zentrum und
dem Fürstentum Liechtenstein sei eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen worden,
derzufolge das Heilpädagogische Zentrum im Rahmen seiner schulischen Tätigkeit einen
hoheitlichen und gesetzlichen Bildungsauftrag zu erfüllen habe und bilde dieses
damit einen wesentlichen Bestandteil des öffentlichen Schulsystems im Fürstentum
Liechtenstein. In der Leistungsvereinbarung (Artikel 3) werde ausdrücklich auf das
Schulgesetz im Fürstentum Liechtenstein und auf das dem Heilpädagogischen Zentrum
verliehene Öffentlichkeitsrecht hingewiesen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Vorauszuschicken ist: Mit 1. Jänner 2014 wurde der unabhängige Finanzsenat gemäß
Art. 151 Abs. 1 Z 8 B-VG aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit
Ablauf des 31. Dezember 2013 bei dieser Behörde anhängigen Verfahren ging auf das
Bundesfinanzgericht über. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am 31. Dezember 2013
beim unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen
Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden iSd Art. 130 Abs. 1 B-VG zu
erledigen.
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist an der sonderpädagogischen Tagesschule des
Heilpädagogischen Zentrums in Liechtenstein als Sonderschullehrerin nichtselbständig
tätig, wobei sie in der Regel arbeitstäglich zwischen ihrem inländischen Wohnsitz und dem
Arbeitsort in Liechtenstein pendelt.
Das Heilpädagogische Zentrum in Liechtenstein betreut Menschen mit einer Behinderung
und/oder Entwicklungsstörung entsprechend ihren Bedürfnissen vom Kindesalter bis ins
hohe Alter. Mit den Bereichen Schule, Therapie, Werkstätten und Wohnen steht dazu ein
ganzheitliches Angebot zur Verfügung. In der sonderpädagogischen Tagesschule werden
Kinder und Jugendliche mit besonderen Lernbedürfnissen gefördert; sie ist in eine Basis-,
Mittel- und Oberstufe, sowie in einen Sprachheilkindergarten und zwei Einführungsklassen
gegliedert.
Träger des Heilpädagogischen Zentrums, dem vom Fürstentum Liechtenstein das
Öffentlichkeitsrecht zuerkannt wurde, war im Streitjahr der Verein für Heilpädagogische
Hilfe in Liechtenstein (seit 1. Jänner 2013 die Stiftung für Heilpädagogische Hilfe in
Liechtenstein, eine privatrechtlich organisierte gemeinnützige Stiftung).
Strittig ist, ob das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Einkünfte der Beschwerdeführerin
aus der nichtselbständigen Tätigkeit am Heilpädagogischen Zentrum in Liechtenstein nach
der Grenzgängerregelung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein Österreich oder nach
der Bestimmung des Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein dem Fürstentum Liechtenstein
zukommt.
2. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung
Art. 15 und Art. 19 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem
Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der
Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 24/1971, lauten:
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“Artikel 15
UNSELBSTÄNDIGE ARBEIT
(1) Vorbehaltlich der Artikel 16, 18, 19 und 20 Absatz 2 dürfen Gehälter, Löhne
und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus
unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass
die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so
dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.
...
(4) Einkünfte aus unselbständiger Arbeit solcher Personen, die in einem Vertragstaat in
der Nähe der Grenze ansässig sind und im anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren
Arbeitsort haben und sich in der Regel an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnort dorthin
begeben (Grenzgänger), werden in dem Vertragstaat besteuert, in dem sie ansässig
sind. Der Staat des Arbeitsortes ist jedoch berechtigt, von den erwähnten Einkünften eine
Steuer von höchstens vier vom Hundert im Abzugsweg an der Quelle zu erheben.
Artikel 19
ÖFFENTLICHE FUNKTIONEN
(1) Vergütungen, einschließlich der Ruhegehälter, die von einem Vertragstaat oder einer
seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder der
Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem
Staat oder der Gebietskörperschaft in Ausübung öffentlicher Funktion erbrachten Dienste
gezahlt werden, dürfen nur in diesem Staat besteuert werden.
(2) Auf Vergütungen oder Ruhegehälter für Dienstleistungen, die im Zusammenhang
mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit eines der Vertragstaaten oder
einer seiner Gebietskörperschaften erbracht werden, finden die Artikel 15, 16 und 18
Anwendung."
Nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Liechtenstein kommt das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit grundsätzlich dem Tätigkeitsstaat zu. Davon abweichend werden
gemäß Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein nichtselbständige Einkünfte von Grenzgängern
im Sinne dieser Bestimmung im Ansässigkeitsstaat besteuert. Eine gesonderte Regelung
sieht Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein wiederum für Bezüge aus öffentlichen Funktionen
vor; diese sind regelmäßig in jenem Staat zu besteuern, der die Bezüge auszahlt
(Kassenstaatsprinzip). Sind die dort angeführten Voraussetzungen erfüllt, kommt Art. 15
DBA-Liechtenstein nicht zur Anwendung. Tatbestandsmäßig setzt § 19 Abs. 1 DBALiechtenstein voraus (vgl. VwGH 27.1.2011, 2009/15/0151, mwN):
1. die Zahlung der Vergütung von einem Vertragsstaat oder einer seiner
Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem vom Vertragsstaat oder der
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Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen;
2. die Erbringung von Diensten für diesen Staat oder die Gebietskörperschaft, und zwar
3. in Ausübung öffentlicher Funktionen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 27.1.2011, 2009/15/0151, betreffend
einen beim Verein für Bewährungshilfe in Liechtenstein angestellten Bewährungshelfer
ausgesprochen, dass dieser Mitarbeiter eines Vereins sei und als solcher seine Dienste
gegenüber dem eine selbständige juristische Person darstellenden Verein und nicht
gegenüber dem Staat Liechtenstein oder einer liechtensteinischen Gebietskörperschaft
erbringe. Lediglich der Verein erbringe (entsprechend dem zwischen dem Amt für Soziale
Dienste des Fürstentums Liechtenstein und dem Verein geschlossenen Leistungsvertrag)
– im Wege seiner Mitarbeiter – Leistungen gegenüber dem Staat. Es liege daher schon
deswegen kein dem Art. 19 DBA-Liechtenstein subsumierbarer Sachverhalt vor.
Nichts anderes kann somit auch im Beschwerdefall gelten, wurde doch auch das
Heilpädagogische Zentrum im hier interessierenden Zeitraum unter der Trägerschaft
des Vereins für Heilpädagogische Hilfe in Liechtenstein, einem im Öffentlichkeitsregister
eingetragenen privatrechtlichen Verein, geführt. Das in Rede stehende Arbeitsverhältnis
besteht sohin nicht mit dem Staat Liechtenstein oder einer seiner Gebietskörperschaften,
sondern mit einer selbständigen juristischen Person des privaten Rechts, durch die auch
die Entlohnung erfolgt. Ein dem Art. 19 DBA-Liechtenstein subsumierbarer Sachverhalt
liegt damit auch im Beschwerdefall nicht vor. Dass vom Heilpädagogischen Zentrum
durch das Anbieten eines sonderpädagogischen Unterrichts ein öffentlich-rechtlicher
Bildungsauftrag erfüllt wird, vermag daran ebenso wenig zu ändern, wie der Umstand,
dass dem Heilpädagogischen Zentrum bzw. ihrem Rechtsträger das Öffentlichkeitsrecht
zuerkannt wurde, hat dies doch keine Auswirkung auf die Rechtsnatur als selbständige
juristische Person des privaten Rechts (vgl. OGH 24.2.2000, 6 Ob 321/99w, zur
Rechtspersönlichkeit einer Krankenanstalt, sowie UFS 8.5.2013, RV/0418-F/12, betreffend
eine Privatschule). Auf die Frage der Ausübung einer öffentlichen Funktion im Sinne des
Art. 19 DBA-Liechtenstein kommt es infolgedessen schon aus diesem Grund nicht an (vgl.
VwGH 27.1.2011, 2009/15/0151).
Auch die von der Liechtensteinischen Steuerverwaltung in dem an das Heilpädagogische
Zentrum gerichteten Schreiben vom 29. Juni 2013 demgegenüber vertretene
Auffassung, dass die am Heilpädagogischen Zentrum in den Bereichen
"Sonderpädagogische Tagesschule" und "Therapie" angestellten Mitarbeiter weiterhin als
öffentlich Bedienstete im Sinne von Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein qualifiziert würden
und das Besteuerungsrecht für die in Österreich ansässigen Mitarbeiter ausschließlich
Liechtenstein zustehe (hingewiesen wurde im Schreiben der liechtensteinischen
Steuerverwaltung allerdings auch darauf, dass eine eigenständige Auslegung der
Bestimmung jedem Vertragsstaat frei stehe und es aufgrund der Anrechnung der
liechtensteinischen Steuer nach der Verordnung AÖFV Nr. 168/1997, zu keiner
Doppelbesteuerung komme), vermag der Beschwerde im Hinblick auf die nach der
Seite 4 von 6
österreichischen Rechtsprechung maßgebliche Auslegung der in Rede stehenden
Abkommensbestimmung nicht zum Erfolg zu verhelfen, zumal der Rechtsansicht einer
ausländischen Steuerbehörde auch keine bindende Wirkung zukommt (vgl. VwGH
26.07.2000, 97/14/0070).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch der Grundsatz von Treu und Glauben
der gegenständlichen Abgabenfestsetzung nicht entgegensteht. Nach ständiger
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 3.11.2005, 2003/15/0136
und VwGH 22.3.2010, 2007/15/0256) schützt der Grundsatz von Treu und Glauben nicht
ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer
allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit; die
Behörde ist vielmehr verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung
abzugehen. Nicht nur, dass besondere Umstände vorliegen müssen, die ein Abgehen von
der bisherigen Rechtsauffassung durch die Abgabenbehörde unbillig erscheinen lassen,
wie dies etwa der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der Abgabenbehörde
ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wird und sich nachträglich
die Unrichtigkeit derselben herausstellt, kann der Grundsatz von Treu und Glauben
zudem nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Vollziehung einen
Vollzugsspielraum einräumt (vgl. VwGH 15.9.2011, 2011/15/0126 und VwGH 23.9.2010,
2010/15/0135, mwN). Im Hinblick auf den Legalitätsgrundsatz des Art. 18 B-VG kann
dem Grundsatz von Treu und Glauben nämlich nur insoweit Bedeutung zukommen, als
die Vorgangsweise der Behörde nicht durch zwingendes Recht gebunden ist (vgl. VwGH
5.4.2001, 98/15/0158). Ein Vollzugsspielraum in diesem Sinne bestand bei der Beurteilung
der zur Anwendung kommenden Zuteilungsnorm des DBA-Liechtenstein und der darauf
basierenden Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen aber nicht.
Nachdem außer Streit steht, dass die Anwendungsvoraussetzungen der
Grenzgängerregelung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein erfüllt sind, erweist sich die
Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2012 und Folgejahre
somit als rechtmäßig und war die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie
von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt,
insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der
bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet
wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 27.1.2011, 2009/15/0151,
ausgesprochen, dass ein bei einem eine selbständige juristische Person darstellenden
Verein angestellter Dienstnehmer seine Dienste nicht gegenüber dem Staat Liechtenstein
oder einer liechtensteinischen Gebietskörperschaft erbringt und daher schon aus diesem
Seite 5 von 6
Grund ein dem Art. 19 DBA-Liechtenstein subsumierbarer Sachverhalt nicht vorliegt.
Die im Beschwerdefall maßgebliche Rechtsfrage ist damit höchstgerichtlich geklärt, eine
(ordentliche) Revison ist daher nicht zulässig.
Feldkirch, am 1. Juli 2015
Seite 6 von 6
BUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.5.2015, I R 47/14
Besteuerung von in Deutschland ansässigem Flugzeugführer einer österreichischen
Fluggesellschaft
Leitsätze
1. Vergütungen für Dienstleistungen, die ein im Inland ansässiger Flugzeugführer eines in
Österreich ansässigen Unternehmens an Bord eines Luftfahrzeuges im internationalen Verkehr
erbringt, werden in Deutschland nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee i.V.m. Art. 15
Abs. 5 DBA-Österreich 2000 abweichend von der im Abkommen ansonsten vereinbarten
Freistellungsmethode nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Österreich 2000 unter
Anrechnung der österreichischen Steuer besteuert. Die Anwendung der Anrechnungs- statt der
Freistellungsmethode ist nicht gleichheitswidrig.
2. Die Zuweisung des Besteuerungsrechts an denjenigen Vertragsstaat, in dem sich der Ort der
tatsächlichen Geschäftsleitung des Luftverkehrsunternehmens befindet, umfasst auch den Teil
der Tätigkeit des Flugzeugführers, den er nicht an Bord eines Luftfahrzeuges im internationalen
Verkehr, sondern auf dem Boden erbringt, wenn die Tätigkeit am Boden der Arbeit an Bord dient
oder der eigentlichen Arbeit an Bord inhaltlich verbunden ist.
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 3. Juni 2014 13
K 2730/11 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht München zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Rechtsstreits übertragen.
Tatbestand
1
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte im Streitjahr 2008 seinen Wohnsitz im
Inland. Er war für eine in Österreich ansässige Fluglinie als Flugzeugführer tätig. Seine
Bruttobezüge in Höhe von 89.997,88 EUR aus dieser Tätigkeit wurden im Streitjahr in
Österreich der Besteuerung unterworfen.
2
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte --im Ergebnis
und nach diversen Änderungsbescheiden-- die vom Kläger vereinnahmten Bezüge zu
einem Teilbetrag von 21.960 EUR (= 24,4 v.H.) nach Maßgabe von Art. 23 Abs. 1
Buchst. a Satz 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
vom 24. August 2000 (BGBl II 2002, 734, BStBl I 2002, 584) --DBA-Österreich 2000-als steuerfrei und berücksichtigte diesen Betragsteil nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 2
DBA-Österreich 2000 bei der Berechnung des Steuersatzes. Den verbleibenden
Betragsteil von 68.037 EUR (= 75,6 v.H.) bezog das FA in die Bemessungsgrundlage
ein und rechnete die darauf in Österreich gezahlte Einkommensteuer von 13.612 EUR
(= 75,6 v.H. von 18.006 EUR) nach Maßgabe von Art. 23 Abs. 1 Buchst. b
Doppelbuchst. ee i.V.m. Art. 15 Abs. 5 DBA-Österreich 2000 i.V.m. § 34c Abs. 6
Satz 2 und Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG 2002) auf die hiernach
festgesetzte Einkommensteuer an. Den Aufteilungsschlüssel von 24,4 v.H. zu 75,6 v.H.
berechnete das FA nach dem Verhältnis der Gesamtarbeitszeit des Klägers und dessen
tatsächlichen Flugeinsatzzeiten über deutschem Hoheitsgebiet.
3
Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage, mit welcher er in vollem Umfang die
Freistellung seiner Bezüge nach Maßgabe von Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m.
Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 beanspruchte: Die Anwendung von Art. 15
Abs. 5 DBA-Österreich 2000 und die dafür vereinbarte sog. Anrechnungsmethode in
Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee i.V.m. Art. 15 Abs. 5 DBA-Österreich 2000
führten zu nicht hinnehmbaren Ergebnissen, namentlich einer Doppelbesteuerung mit
finanziellen Nachteilen "in Höhe von mehreren tausend Euro pro Jahr" gegenüber
Arbeitnehmern anderer Berufsgruppen. Es führe gleichzeitig zu einer diskriminierenden
Wirkung in Abhängigkeit vom Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland
(Deutschland). Denn vergleichbare Vergütungen in Deutschland ansässiger Mitarbeiter
von im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeugen würden in Deutschland
von der Besteuerung freigestellt, wenn das Flugunternehmen seinen Unternehmenssitz
in einem Drittstaat habe, mit dem man --wie das aus deutscher Sicht üblich sei-- die sog.
Freistellungsmethode vereinbart habe. Ein Steuerpflichtiger in seiner Situation werde
faktisch gezwungen, zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung "wenige Kilometer
hinweg von Deutschland nach Österreich" umzuziehen. Die im DBA-Österreich 2000
getroffene Regelung sei überdies ohnehin nicht konsistent. Denn im umgekehrten Fall
stehe das Besteuerungsrecht für in Österreich ansässige Mitarbeiter an Bord im
internationalen Flugverkehr eingesetzter Luftfahrzeuge von in Deutschland ansässigen
Unternehmen Deutschland zu; in Österreich würden solche Einkünfte jedoch nach
Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 5 DBA-Österreich 2000 freigestellt
und unterlägen dort lediglich dem Progressionsvorbehalt. Aus Gründen des
Gleichheitsgebots sei deswegen auch in seinem Fall ausschließlich die sog.
Freistellungsmethode anzuwenden. Teile man diese Auffassung nicht und halte man
eine Aufteilung für notwendig, sei diese jedenfalls nach der Dienst-/Arbeitszeit zu
berechnen, nicht aber nach den Flugeinsatzzeiten über deutschem Hoheitsgebiet. Eine
Aufteilung der Vergütung nur anhand der reinen Flugzeiten führe zu unsachgemäßen
Resultaten, da die Vergütung nicht nur nach Flugstunden, sondern nach Dienstzeit
bezahlt werde, welche auch sog. Briefing-Zeiten, die Bodenzeiten und Übernachtungen
in vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Hotels, die Zeiten der An- und Abreise
u.Ä. enthalte, und diese Zeiten würden nicht an Bord der Flugzeuge, sondern in
Österreich verbracht. Es sei hiernach lediglich ein Anteil von 7,76 v.H. als Arbeitszeit in
Deutschland anzusetzen.
4
Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) München wies sie mit Urteil vom
3. Juni 2014 13 K 2730/11 als unbegründet ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der
Finanzgerichte (EFG) 2014, 1854 abgedruckt.
5
Seine Revision stützt der Kläger auf Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt, das
FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dadurch abzuändern, dass die
Einkommensteuer für 2008 auf Null EUR herabgesetzt wird.
6
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
7
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und
zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dessen Entscheidung ist in den beiden
Streitpunkten --der Frage nach der gleichheitswidrigen Anwendung der sog.
Anrechnungsmethode sowie nach dem Schlüssel der anteilig auf die
Anrechnungsmethode entfallenden Einkünfte des Klägers-- nicht zu beanstanden.
Ungeklärt bleibt derzeit aber die Frage danach, ob das FA die österreichische
Einkommensteuer unter Berücksichtigung jener Maßgaben angerechnet hat, die § 34c
Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 zwischenzeitlich in Gestalt von § 52 Abs. 34a EStG 2009
i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union
und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2014 -EStG 2009 n.F.-- (BGBl I 2014, 2417) rückwirkend auch für das Streitjahr bestimmt.
Das muss das FG im zweiten Rechtsgang beantworten.
8
1. Der Kläger hatte im Streitjahr seinen Wohnsitz in Deutschland. Er unterfällt
deswegen gemäß § 1 Abs. 1 EStG 2002 hier mit seinem Welteinkommen der
unbeschränkten Einkommensteuerpflicht. Dieser Steuerpflicht ist auch der Arbeitslohn
(§ 19 EStG 2002) unterworfen, den er als angestellter Flugzeugführer für die in
Österreich ansässige Fluggesellschaft im Streitjahr vereinnahmt hat.
9
2. Das Besteuerungsrecht für diesen Arbeitslohn steht Österreich zu. Auch in
Deutschland ist der Lohn aber in die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer
einzubeziehen, allerdings unter Anrechnung der österreichischen Steuer, die für diese
Einkünfte gezahlt worden ist:
10
a) Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 dürfen Gehälter, Löhne und
ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus
unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die
Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so
dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden (Art. 15
Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000). Ungeachtet der Bestimmungen des Art. 15
Abs. 1 bis 4 DBA-Österreich 2000 dürfen Vergütungen für unselbständige Arbeit, die
an Bord u.a. eines Luftfahrzeuges, das im internationalen Verkehr betrieben wird,
ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der
tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet (Art. 15 Abs. 5 DBAÖsterreich 2000). Das ist hier für jene Arbeit, die vom Kläger an Bord eines von
seinem in Österreich ansässigen Arbeitgeber im internationalen Verkehr eingesetzten
Luftfahrzeuges ausgeübt wird, Österreich.
11
b) In Deutschland werden bei einer dort ansässigen Person --wie im Streitjahr auch der
Kläger-- solche Einkünfte aus der Republik Österreich nach Maßgabe von Art. 23
Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Österreich 2000 ausgenommen, die --so erfordert es die
Vorschrift in ihrer ersten Voraussetzung-- nach dem Abkommen in Österreich
besteuert werden dürfen; Deutschland behält nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 2
DBA-Österreich 2000 aber das Recht, die so ausgenommenen Einkünfte bei der
Festsetzung des Steuersatzes für andere Einkünfte zu berücksichtigen. Das alles gilt
nach der in Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Österreich 2000 enthaltenen zweiten
Voraussetzung aber nur für solche Einkünfte, welche nicht unter Buchst. b der
Vorschrift fallen. Und Letzteres betrifft nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b
Doppelbuchst. ee DBA-Österreich 2000 Einkünfte, die nach Art. 15 Abs. 5 DBAÖsterreich 2000 in Österreich besteuert werden dürfen, also die Vergütungen für
unselbständige Arbeit, die an Bord u.a. eines Luftfahrzeuges, das im internationalen
Verkehr betrieben wird, ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem
sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Auf solche
Einkünfte findet Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Österreich 2000 keine Anwendung.
Vielmehr wird auf die deutsche Steuer vom Einkommen für solche Einkünfte unter
Beachtung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts über die Anrechnung
ausländischer Steuern die österreichische Steuer angerechnet, die nach
österreichischem Recht und in Übereinstimmung mit dem Abkommen für diese
Einkünfte gezahlt worden ist. Das ist die Situation des Streitfalls und darüber besteht
unter den Beteiligten im Grundsatz und "nach den Buchstaben des Gesetzes" auch kein
Streit.
12
3. Statt der sog. Freistellungsmethode haben sich die Vertragsstaaten in Art. 23 Abs. 1
Buchst. b Doppelbuchst. ee DBA-Österreich 2000 für bestimmte Einkünfte --und auch
diejenigen des Klägers-- hiernach auf die sog. Anrechnungsmethode verständigt, um
eine Doppelbesteuerung der abkommensberechtigten und in Deutschland ansässigen
Personen zu vermeiden. Das hält der Kläger für gleichheits- und damit nach Art. 3
Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) für verfassungswidrig. Er sieht sich gegenüber anderen
Berufsgruppen in einer ihm vergleichbaren Situation ohne tragfähigen
Unterscheidungsgrund als benachteiligt. Dem ist nicht beizupflichten.
13
a) Dabei kann im Kern auf das Erkenntnis des österreichischen
Verfassungsgerichtshofs vom 23. Juni 2014 SV2/2013,
ECLI:AT:VFGH:2014:SV2.2013, <abrufbar unter
www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Vfgh&Dokumentnummer=JFR_2014062
3_13SV00002_01> zurückgegriffen werden, das (auf Vorlage des österreichischen
Verwaltungsgerichtshofs, s. dazu auch Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2013
I R 4/13, BFHE 244, 1, BStBl II 2014, 791, dort unter B.II.3.b cc aaa der
Entscheidungsgründe; Aigner/Kofler/Tumpel, Spektrum der Rechtswissenschaft 2014,
1) zu einer mit dem Streitfall vergleichbaren Ausgangsfrage (jedoch im Hinblick auf
gewerbliche Einkünfte und die dafür vereinbarte Anrechnungsmethode einerseits und
Einkünfte aus selbständiger Arbeit und die dafür vereinbarte Freistellungsmethode
andererseits bezogen auf das Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem
Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der
Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 5. November 1969,
[österreichisches] BGBl Nr. 24/1971) ergangen ist. Dort heißt es unter
Gliederungspunkt 2.3. der Entscheidungsgründe
14
"2.3.1. Doppelbesteuerungsabkommen sind --idR bilaterale-- völkerrechtliche
Verträge, in denen die Vertragspartner innerhalb des persönlichen und des sachlichen
Anwendungsbereichs des Abkommens die Verteilung der Besteuerungsrechte
zwischen den Vertragstaaten mit dem Ziel der Vermeidung der Doppelbesteuerung
regeln. Zu den zentralen Bestimmungen jedes Doppelbesteuerungsabkommens zählen
Regelungen, welche die Zuteilung der Besteuerungsrechte festlegen
(Verteilungsnormen). Diese bestimmen für die jeweiligen im Abkommen angeführten
Einkünfte, ob der jeweilige Vertragstaat völkerrechtlich berechtigt ist, einen
innerstaatlich bestehenden Besteuerungsanspruch durchzusetzen, oder ob er nach
diesem Vertrag verpflichtet ist, auf den innerstaatlich bestehenden Anspruch zu
verzichten.
Das DBA Liechtenstein sieht in diesem Zusammenhang sowohl für
Unternehmensgewinne (Art. 7) wie auch für selbständige Einkünfte (Art. 14) vor, dass
das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zukommt und der andere Vertragstaat
(Quellenstaat) ein Besteuerungsrecht nur insoweit hat, als die Einkünfte einer im
anderen Vertragstaat gelegenen Betriebsstätte bzw. einer festen Einrichtung
zugerechnet werden können.
Für jene Fälle, in denen ein Doppelbesteuerungsabkommen in einer Verteilungsnorm
dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht einräumt, bestimmen die Methodenartikel
eines Doppelbesteuerungsabkommens, nach welcher Methode die Vermeidung der
Doppelbesteuerung zu erfolgen hat. Hierbei kommen grundsätzlich zwei Methoden in
Betracht: Nach der Befreiungsmethode verzichtet der Ansässigkeitsstaat auf die
Besteuerung der im Quellenstaat erzielten Einkünfte unter Progressionsvorbehalt; nach
der Anrechnungsmethode werden die im Quellenstaat erzielten Einkünfte vom
Ansässigkeitsstaat unter Anrechnung der im Quellenstaat erhobenen Steuer belastet.
Welche der beiden Methoden zur Anwendung gelangt, richtet sich nach der
völkerrechtlichen Vereinbarung der betroffenen Staaten.
Art. 23 Abs. 1 des DBA Liechtenstein sieht als Ausgangsregelung für eine in
Österreich ansässige Person die Befreiungsmethode vor: Soweit Einkünfte nach dem
Abkommen in Liechtenstein besteuert werden, nimmt Österreich diese Einkünfte von
der Besteuerung aus. Für Unternehmensgewinne wird in Art. 23 Abs. 2 DBA
Liechtenstein die Anrechnungsmethode vorgesehen, nach der Österreich die in
Liechtenstein für dort steuerpflichtige Einkünfte bezahlte Steuer auf die in Österreich
einzuhebende Steuer anrechnet. Für Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die ein in
Österreich ansässiger Steuerpflichtiger in Liechtenstein im Rahmen einer dort
gelegenen festen Einrichtung erzielt, kommt somit die Befreiungsmethode zur
Anwendung. Während Unternehmensgewinne unter Anrechnung der in Liechtenstein
bezahlten Steuer in Österreich besteuert werden, unterliegen Einkünfte aus
selbständiger Arbeit (lediglich) der – vergleichsweise weit geringeren – Besteuerung in
Liechtenstein.
...
2.3.3. Wenn der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Methodenkombination für
Unternehmensgewinne und Einkünfte aus selbständiger Arbeit meint, dass es einer
sachlichen Rechtfertigung bedürfe, wenn innerhalb eines Abkommens von einem
Vertragstaat eine Kombination zwischen den beiden Methoden gewählt würde, um
dadurch eine Gruppe in einem nicht nur untergeordneten Ausmaß zu privilegieren, und
er eine solche Rechtfertigung nicht zu erkennen vermag, ist Folgendes zu
berücksichtigen:
Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es dem
Gesetzgeber frei steht, für die verschiedenen Einkunftsarten des EStG 1988 auch
spezifische Regelungen zu treffen, wenn diese jeweils sachlich gerechtfertigt sind
(VfSlg 18.030/2006). Eine solche Rechtfertigung liegt entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Fall vor. ..."
15
b) Diese Ausführungen macht der erkennende Senat sich vollumfänglich zu eigen. Sie
passen mit den gebotenen Modifikationen auch auf die vom Kläger inkriminierte
Anrechnungsmethode, auf die sich Deutschland und Österreich im DBAÖsterreich 2000 für die in Rede stehenden Einkünfte aus der Tätigkeit von
Flugpersonal im internationalen Verkehr bei Personen, welche in Deutschland ansässig
sind, verständigt haben. Die sachlichen Gründe für diese --von der sog.
Freistellungsmethode als Regelmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach
Maßgabe von Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Österreich 2000 abweichende-Methodenwahl liegen auf der Hand: Sie ist zum einen in den Besonderheiten dieser
Tätigkeit des Flugpersonals begründet, die eine tätigkeitsortbezogene
Besteuerungszuordnung erschweren und die deswegen die Begründung für die
Sonderregelung des Art. 15 Abs. 5 DBA-Österreich 2000 geben, welche Art. 15 Abs. 3
des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development
(OECD-Musterabkommen) entspricht. Grund dafür ist zum anderen --damit
einhergehend-- die erkennbare Absicht der deutschen Verhandlungsseite, jedenfalls
eine Einmalbesteuerung der Einkünfte aus jenen Tätigkeiten sicherzustellen. Diese
Einmalbesteuerung lässt sich vermittels der Anrechnungsmethode naturgemäß eher
gewährleisten als bei der Freistellungsmethode, die prinzipiell nicht auf einer
tatsächlichen, sondern lediglich auf einer virtuellen Besteuerung im anderen
Vertragsstaat aufbaut (vgl. dazu umfassend Senatsbeschluss vom 10. Januar 2012
I R 66/09, BFHE 236, 304). Gerade bei im internationalen Verkehr tätigem
Flugpersonal besteht ersichtlich die Befürchtung, dass es aufgrund dessen zu
Besteuerungsdefiziten bis hin zur sog. doppelten Nichtbesteuerung kommen kann (s.a.
Gosch in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 50d Rz 35a, m.w.N.). Es entspricht deswegen
auch und ebenso erkennbar der jüngeren Verhandlungspolitik und
Verhandlungsstrategie Deutschlands, (u.a.) für derartige Einkünfte an Stelle der
ansonsten immer noch üblichen Freistellungsmethode die Anrechnungsmethode
vorzuziehen, so beispielsweise in den Abkommen zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung mit Algerien, Aserbeidschan, Australien, Dänemark, Kanada,
Kasachstan, Korea, Kroatien, Mexiko, Norwegen, Polen, Rumänien, Schweden,
Singapur, Spanien, Ungarn, Tadschikistan, Trinidad-Tobago, Uruguay sowie
Weißrussland und eben auch mit Österreich (s. letzterenfalls überdies die wechselseitig
vereinbarte sog. Switch over-Klausel von der Freistellung zur Anrechnung in
bestimmten, hier nicht einschlägigen Konstellationen nach Art. 28 Abs. 1 DBAÖsterreich 2000). Beide Gründe sind tragfähig und rechtfertigen den von Deutschland
bevorzugten "Methodenmix" im DBA-Österreich 2000.
16
c) Soweit es dadurch zu Ungleichbehandlungen zu den Einkünften anderer
Berufsgruppen kommen kann, bleiben solche angesichts des erwähnten weiten
(rechtspolitischen) Spielraums, der dem Verhandlungsführer und in Einklang damit
dem Gesetzgeber bei der Umsetzung des geschlossenen Abkommens in nationales
Recht zukommt, unbeanstandet: Bei anderen Berufsgruppen treten die beschriebenen
Besteuerungserschwernisse typischerweise weniger stark als bei Flugpersonal (und den
von der Vorschrift ebenso erfassten Seeleuten) im internationalen Verkehr zutage.
Auch dass Deutschland in anderen (zumeist älteren) Abkommen zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung auf einen Wechsel der Methode zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung für die besagten Einkünfte verzichtet hat, widerspricht dem nicht.
Es obliegt dem Verhandlungsführer und dem Gesetzgeber auch insoweit, seine Politik
bei der Wahl der Methode im Laufe der Zeit abzuwandeln. Der Kläger kann sich auch
nicht auf derartige andersgelagerte, mit Drittstaaten geschlossene Abkommen berufen;
sie sind für ihn nicht einschlägig, und ein auf eine Meistbegünstigung hinauslaufendes
Wahlrecht des Steuerpflichtigen für die eine oder die andere Methode zur Vermeidung
der doppelten Besteuerung erfordert deshalb ebensowenig das Unionsrecht (vgl.
Senatsurteil vom 9. November 2005 I R 27/03, BFHE 211, 493, BStBl II 2006, 564,
unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften,
nachfolgend Gerichtshof der Europäischen Union --EuGH-- D vom 5. Juli 2005 C376/03, Slg. 2005, I-05821); ausschlaggebend ist, dass beide Methoden im Prinzip
gleichwertig sind (vgl. dazu ebenfalls aus unionsrechtlicher Sicht EuGH-Urteil Test
Claimants in the FII Group Litigation vom 13. November 2012 C-35/11,
Internationales Steuerrecht --IStR-- 2012, 924, EU:C:2012:707, Rz 39 und die dort
angeführte Rechtsprechung). Und es ist jedenfalls aus deutscher Sicht auch einerlei, ob
Österreich für auf seinem Territorium ansässige Personen im DBA-Österreich 2000 für
die Besteuerung von Bordpersonal von Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr
einen gleichgelagerten Methodenwechsel ausgehandelt hat oder --wie in Gestalt von
Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 5 DBA-Österreich 2000 geschehen-nicht. Es obliegt jedem Vertragspartner, im Zuge der zwischenstaatlichen
Verhandlungen die eine oder die andere Methode zu vertreten. Das Erfordernis einer
wechselseitigen Korrespondenz oder einer "Folgerichtigkeit" der beiderseits
ausgehandelten Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht nicht.
Schließlich kann der Kläger nicht erfolgreich geltend machen, das solcherart
geschlossene Abkommen "verleite" ihn zum alsbaldigen Umzug nach Österreich. Das
mag so sein; es steht in einem freiheitlichen Staat aber allein in seiner autonomen
Entscheidung, sich infolge Wegzugs aus Deutschland der Besteuerung eines anderen
Staates zu unterwerfen und dadurch ihm missliebigen Abkommensvereinbarungen
"auszuweichen".
17
4. Bleibt es damit bei der in Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee DBAÖsterreich 2000 vorgesehenen Methode der Anrechnung, so richtet sich jene
Anrechnung nach Maßgabe des deutschen Rechts und damit nach § 34c (Abs. 6 Satz 2
i.V.m. Abs. 1) EStG 2002. Das ist im Streitfall --jedenfalls im Grundsatz (s. aber
nachfolgend sub 5.)-- in ebenfalls nicht zu beanstandender Weise geschehen, und das
gilt auch für den vom FA angesetzten und vom FG gutgeheißenen
Aufteilungsschlüssel.
18
Orientierung dafür bietet allein Art. 15 Abs. 5 DBA-Österreich 2000. Danach
unterfallen zwar (nur) jene Vergütungen der Besteuerung des Geschäftsleitungsstaats
des Flugunternehmens, die auf unselbständige Arbeit an Bord eines Luftfahrzeugs im
internationalen Verkehr entfallen. Die Tatsache, dass das Bordpersonal einen Teil
seiner Aufgaben an Land oder auf dem Boden zu verrichten hat, kann indessen nicht
zur Aufspaltung der Vergütung mit teilweiser Anwendung der Absätze 1 und 2 führen,
wenn die Tätigkeit an Land oder am Boden der Arbeit an Bord dient oder der
eigentlichen Arbeit an Bord inhaltlich verbunden ist (ebenso Kempermann in Flick/
Wassermeyer/Kempermann, DBA Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz 90; Prokisch in
Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Art. 15 Rz 107; Bourseaux/Levedag in Schönfeld/Ditz,
DBA, Art. 15 OECD-MA Rz 115; s.a. FG Hamburg, Urteil vom 22. Dezember 1986
V 154/84, EFG 1987, 285, für "Stand-by-Zeiten" und Zeiten für die Teilnahme an
Kursen bei einem Seemann; einschränkend ggf. Wassermeyer/Schwenke in
Wassermeyer, MA, Art. 15 Rz 188). Das betrifft auch Tätigkeiten wie hier die Zeiten
der An- und Abfahrt des Klägers zum und vom Flughafen, des sog. Briefing, der
notwendigen Übernachtungen, der Abschlussarbeiten nach der Landung sowie der
Boden- und Wartezeiten, sofern diese Zeiten mit dem internationalen Flugverkehr und
der damit verbundenen (Haupt-)Tätigkeit an Bord des Luftfahrzeugs im
Zusammenhang stehen. Nur auf diese Weise kann dem mit Art. 15 Abs. 5 DBAÖsterreich 2000 beabsichtigten und in gewisser Weise typisierenden
Vereinfachungszweck entsprochen werden (wiederum ebenso Kempermann, ebenda).
19
5. Die Vorinstanz hat übereinstimmend mit dem Vorstehenden entschieden. Dennoch
ist ihr Urteil aufzuheben. § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 ist für
Veranlagungszeiträume bis 2014 --und damit auch für das Streitjahr-- zwischenzeitlich
in Gestalt des § 52 Abs. 34a EStG 2009 n.F. geändert worden, um unionsrechtlichen
Anforderungen Rechnung zu tragen, welche an die Anrechnung ausländischer Steuern
zu stellen sind (s. dazu EuGH-Urteil Beker vom 28. Februar 2013 C-168/11, BStBl II
2015, 431, und daran anschließend Senatsurteil vom 18. Dezember 2013 I R 71/10,
BFHE 244, 331, BStBl II 2015, 361). Das FG hat keine Feststellungen getroffen --was
ihm (ebenso wie dem FA) bezogen auf das zitierte EuGH-Urteil bereits möglich (vgl.
auch Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 30. September 2013,
BStBl I 2013, 1612, nach Änderung von § 34c EStG 2009 aufgehoben durch BMFSchreiben vom 4. Mai 2015, BStBl I 2015, 452), bezogen auf die zwischenzeitliche
Regelungskorrektur naturgemäß (insoweit anders als dem FA) noch nicht möglich
gewesen wäre, ob die gegenüber dem Kläger vollzogene Anrechnung der
österreichischen Einkommensteuer damit in Einklang steht. Das ist nachzuholen,
weshalb das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist. Da
§ 34c Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 für das Streitjahr noch in Gestalt des § 52 Abs. 34a
EStG 2009 n.F. anzuwenden ist, kann das FG dabei unbeantwortet belassen, ob die
neuerlich durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der
Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften umgesetzten
Anrechnungsmodalitäten in § 34c Abs. 1 EStG 2009 n.F. den besagten
unionsrechtlichen Anforderungen tatsächlich genügen (s. dazu und teilweise skeptisch
z.B. Desens, IStR 2015, 77; Siegle, Deutsches Steuerrecht 2015, 508; Ismer, IStR
2014, 925; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 34c Rz 28a).
20
6. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung.
29.07.2014
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
29.07.2014
Geschäftszahl
2011/13/0060
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte
Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der
Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des Dr. A in W, vertreten durch Dr. Mario Züger,
Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle
Wien, vom 13. April 2011, Zl. RV/1562- W/08, miterledigt 1767-W/08, betreffend Wiederaufnahme und
Einkommensteuer 2003, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit über die Einkommensteuer für das Jahr 2003
entschieden wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen (Bestätigung der Wiederaufnahme) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war bis Ende Jänner 2001 als Assistent an einem Institut der Wirtschaftsuniversität
Wien unselbständig beschäftigt. Zum 31. Jänner 2001 wurde das Dienstverhältnis einvernehmlich gelöst. Ab
Februar 2001 bezog der Beschwerdeführer ein Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften,
das ihm die Möglichkeit geben sollte, sich auf die Abfassung seiner Doktorarbeit zu konzentrieren.
Das Stipendium, auf dessen Bezug der Beschwerdeführer in Beilagen zu seinen
Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2001 und 2002 hinwies, wurde von dem damals für ihn örtlich
zuständigen
Finanzamt
nicht
als
steuerpflichtiges
Einkommen
berücksichtigt.
Auch
der
Einkommensteuerbescheid vom 28. Juni 2004 für das Jahr 2003 bezog es nicht ein, wobei ein Hinweis des
Beschwerdeführers auf den in diesem Jahr ausgelaufenen Bezug des Stipendiums in der Steuererklärung diesmal
unterblieben war.
Aus den Verwaltungsakten geht hervor, dass der Beschwerdeführer am 25. Jänner 2001 eine
"Verpflichtungserklärung" unterschrieben hatte, wonach er "die Statuten des Doktorandenprogrammes der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften zur Kenntnis" nehme und bestätige, dass er "die bewilligten
Mittel widmungsgemäß einsetzen", nach neun Monaten sowie bei Beendigung des Stipendiums "einen
Arbeitsbericht erstellen" und "Änderungen im Ablauf des Dissertationsvorhabens sofort bekanntgeben" werde.
Der nächste Satz der Erklärung hielt fest, "Einkünfte aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit ausgenommen aufgrund eines Lehrauftrages in der Höhe von maximal zwei Wochenstunden" stünden der
Zuerkennung eines Stipendiums entgegen. Bei "mißbräuchlicher Inanspruchnahme" sei es "zurückzuzahlen".
Der Beschwerdeführer verpflichtete sich auch, "Änderungen seiner/ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse
unverzüglich der Abteilung für Stipendien und Preise der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
mitzuteilen".
Bestätigungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften über den Bezug des Stipendiums hatte
der Beschwerdeführer für die Jahre 2001 und 2002 jeweils im Nachhang zu seiner Steuererklärung, aber noch
vor Bescheiderlassung vorgelegt.
Mit Berufungsbescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz
vom 6. Oktober 2003 war festgestellt worden, der Beschwerdeführer unterliege "auf Grund seiner
Forschungstätigkeit im Rahmen eines Doktoranden-Stipendiums der Österreichischen Akademie der
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Verwaltungsgerichtshof
29.07.2014
Wissenschaften ab 25.1.2001 bis laufend" nicht der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung und
Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG. Diese Entscheidung war damit begründet worden, dass der
vom Beschwerdeführer bekanntgegebene Stipendiumsbezug in den rechtskräftigen Einkommensteuerbescheiden
für die Jahre 2001 und 2002 nicht als Einkünfte aus selbständiger Arbeit gewertet worden sei. "Laut Auskunft
der zuständigen Sachbearbeiterin des Finanzamtes" sei "eine ordnungsgemäße Offenlegung" erfolgt. Die
Einkünfte aus dem Stipendium seien "vom zuständigen Finanzamt als steuerfrei angesehen" worden. Für das
Jahr 2003 liege "naturgemäß noch kein Bescheid vor", doch sei "davon auszugehen, dass das Finanzamt auch die
für 2003 gewährten Stipendiumszahlungen als steuerfrei ansieht."
Für das Jahr 2003 hatte der Beschwerdeführer mit einem Begleitschreiben vom 30. Juli 2004 - in diesem
Fall also erst nach Erlassung des Einkommensteuerbescheides - die Bestätigung der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften vorgelegt, wonach er "im Wege der Buchhaltung der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften nach Entscheid der APART-Stipendium-Kommission aus dem bundesgesetzlichen Ansatz,
Gruppe 1, Kapitel 14: Wissenschaft und Forschung, VA-Ansatz: 1/14176/12/7340/016 'Apart-Stipendien' im
Jahre 2003 den Betrag von Euro 9.125,00 ausbezahlt erhalten" habe.
Ein Wohnsitzwechsel des Beschwerdeführers im Herbst 2004 führte zu einem Wechsel des für ihn örtlich
zuständigen Finanzamtes. Das nunmehr zuständige Finanzamt nahm mit Bescheiden vom August 2005 die
Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer 2001 bis 2003 wieder auf und unterwarf das Stipendium als
Einkünfte aus selbständiger Arbeit der Einkommensteuer. Der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen
Berufung gab das Finanzamt in Bezug auf die Jahre 2001 und 2002 mangels Vorliegens eines
Wiederaufnahmsgrundes mit Berufungsvorentscheidung statt. In Bezug auf das Jahr 2003 legte es die Berufung
der belangten Behörde vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde die Wiederaufnahme hinsichtlich des
Jahres 2003 und den neuen Sachbescheid über die Einkommensteuer 2003.
Zum Stipendium stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, es habe für das Jahr 2001
EUR 17.562,62, für das Jahr 2002 EUR 18.282,72 und für das Jahr 2003 EUR 9.125,-- betragen und sei ein
"APART (Austrian Programme for Advanced Research and Technology)-Stipendium" zur "Förderung des
wissenschaftlichen Nachwuchses (Doktorandenstipendium, Verfassen der Dissertation)" gewesen. Es sei "nach
den Statuten so bemessen, dass sich der Empfänger ausschließlich seiner wissenschaftlichen Arbeit widmen"
könne. Die Akademie nehme keinerlei Einfluss auf Inhalt und Organisation des Dissertationsvorhabens und
erwerbe keinerlei Rechte an den Ergebnissen der Forschungsarbeit. Durch die Zuerkennung des Stipendiums
werde weder ein Arbeitsverhältnis noch ein Werkvertrag begründet. Es unterliege nach den Statuten "den
einkommensteuerlichen Bestimmungen".
In rechtlicher Hinsicht legte die belangte Behörde - in weitgehendem Gleichklang mit
Berufungsentscheidungen vom 26. Juli 2005, RV/0164-I/05 (beim Verwaltungsgerichtshof nicht angefochten),
und vom 13. März 2006, RV/0227-S/05, RV/0228-S/05 (mit hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2008,
2006/15/0171, VwSlg 8313/F, teilweise aufgehoben) - dar, beim Bezug des Stipendiums handle es sich um
Einkünfte aus einer wissenschaftlichen Tätigkeit im Sinne des § 22 Z 1 lit. a EStG 1988 und die
Voraussetzungen der Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988 - auf die sich der
Beschwerdeführer auch nicht gestützt hatte - seien nicht erfüllt.
Dem Beschwerdeführer sei beizupflichten, dass die Subsumtion von "Stipendien zur Durchführung von
Forschungsvorhaben" unter die Einkünfte gemäß § 22 Z 1 lit. a EStG 1988 nach der in § 23 Z 1 EStG 1988
normierten Definition für Einkünfte aus Gewerbebetrieb eine selbständig, nachhaltig, mit Gewinnabsicht und
unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unternommene Tätigkeit voraussetze.
In Bezug auf das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit hatte der Beschwerdeführer vor allem geltend
gemacht, es fehle an dem in der Rechtsprechung geforderten Unternehmerwagnis, weil das Stipendium ein im
vorhinein festgelegter, in Raten ausgezahlter Fixbetrag sei, dessen Höhe nicht vom Erfolg der Tätigkeit abhänge.
Die belangte Behörde führte dazu - nach Hinweisen auf die Erfüllung anderer, nicht strittiger
Voraussetzungen einer selbständigen Tätigkeit - aus, die "typischen Merkmale einer selbständigen Tätigkeit
(Unternehmerwagnis, keine Eingliederung in die Organisation des Arbeitgebers, Weisungsfreiheit)" seien
"zweifelsfrei gegeben".
Zur Nachhaltigkeit hatte der Beschwerdeführer dargelegt, sie könne nach der Rechtsprechung auch
vorliegen, wenn die Tätigkeit zwar nur gegenüber einem einzigen Auftraggeber, jedoch längere Zeit hindurch
entfaltet werde. In seinem Fall sei die Akademie aber nicht Auftraggeber. Es fehle "an einem konkreten
Auftraggeber und auch an potentiellen Auftraggebern".
Die belangte Behörde erwiderte, das Kriterium der Nachhaltigkeit sei "gegeben, zumal das
Forschungsprogramm auf einen Zeitraum von drei Jahren ausgelegt ist und es zur Auszahlung der weiteren
Teilzahlungen nur kommt, wenn der Stipendiat seinen Arbeitsplan erfüllt".
Zur Gewinnabsicht hatte der Beschwerdeführer vor allem auf das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1997,
93/08/0288, VwSlg 14.796/A, verwiesen, wonach Stipendien in der Regel zur Finanzierung des
Lebensunterhaltes und nicht als Entgelt für eine bestimmte Arbeitsleistung gewährt würden. Er habe nur einen
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Verwaltungsgerichtshof
29.07.2014
Arbeitsbericht vorzulegen gehabt. Dass es bei Forschungsstipendien an einem Leistungsaustausch fehle, werde
im Umsatzsteuerrecht, dessen Leistungsbegriff außerordentlich weit sei, auch von der Finanzverwaltung
anerkannt.
Die belangte Behörde wiederholte dazu die Rechtsausführungen aus den älteren Berufungsentscheidungen,
wonach es für die Gewinnabsicht genüge, wenn nach zumindest soviel an wirtschaftlichen Vorteilen gestrebt
werde, dass damit der Lebensunterhalt bestritten werden könne. Das "gegenständliche APART-Stipendium" sei
so dotiert, dass es nicht nur Ausgaben und Unkosten im Zusammenhang mit der Forschungstätigkeit abdecke.
Dafür, dass die wissenschaftliche Tätigkeit "im Rahmen des Stipendiums auf Erwerb ausgerichtet gewesen" sei,
spreche "nicht nur die Höhe des Stipendiums, sondern auch der Umstand, wonach der Bw verpflichtet war,
während der Laufzeit des Stipendiums seine Arbeitskraft ausschließlich auf sein Forschungsvorhaben zu
konzentrieren". Die belangte Behörde verkenne dabei nicht, dass der Beschwerdeführer seine wissenschaftliche
Tätigkeit nicht primär zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges ausgeübt habe. Das Bestreben, durch seine
wissenschaftliche Tätigkeit letztlich seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, werde aber "schon allein dadurch
deutlich, dass er sich um das gegenständliche Stipendium beworben hat". Ob jemand "von vornherein eine gegen
Entgelt (Entlohnung) ausgerichtete wissenschaftliche Tätigkeit" anstrebe, oder ob er sich "um ein Stipendium
bemüht, mit dem ihm der Arbeitseinsatz für die wissenschaftliche Tätigkeit abgegolten wird", sei "steuerlich
gleich zu beurteilen", weil es in beiden Fällen um die Bestreitung des Lebensunterhaltes gehe. Für eine
unterschiedliche Beurteilung gebe es "keine sachliche Rechtfertigung".
Die belangte Behörde gestehe durchaus zu, dass die Akademie am Ergebnis der Forschungsarbeit keine
Rechte erwerbe und kein Eigeninteresse habe, sodass "die enge synallagmatische Verknüpfung zwischen
Leistung und Gegenleistung nicht in diesem Maße ausgeprägt" sei wie bei "typisch" erwerbswirtschaftlichen
Betätigungen. Den "vorliegenden Statuten über die Zuerkennung eines APART-Stipendium" könne aber
"durchaus entnommen werden, dass den Stipendiaten das Stipendium nur bei Einhaltung einer Reihe von
Leistungsverpflichtungen gewährt" werde. Die Statuten verpflichteten "die Stipendiaten während der Laufzeit
des Stipendiums von 3 Jahren sich ausschließlich der wissenschaftlichen Arbeit zu widmen und ihre Arbeitskraft
auf das Forschungsvorhaben zu konzentrieren". Die Berichtspflicht diene "der Kontrolle hinsichtlich der in
Aussicht gestellten Arbeit". Im Falle "der selbstverschuldeten Nichtbeachtung der Stipendienbedingungen, das
heißt zB bei Unterbleiben der Vorlage des Arbeitsberichtes", könnten die Zahlungen eingestellt und bereits
ausgezahlte Beträge zurückgefordert werden, was "durchaus auf das Bestehen eines Werkvertrages bzw. eines
Leistungsaustausches" hinweise.
Für den Beschwerdeführer wäre aber auch nichts gewonnen, wenn man davon ausgehen würde, dass dem
Stipendium "kein Entgeltscharakter für erbrachte Forschungsleistungen zukommen würde". Betriebseinnahmen
seien nämlich alle durch den Betrieb veranlassten Zugänge in Geld oder Geldeswert, ein bloß mittelbarer
Zusammenhang genüge. Auch unentgeltliche Zuwendungen oder Preise mit einem wirtschaftlichen Bezug zum
Betrieb könnten Betriebseinnahmen sein. Zur Begründung der Steuerpflicht bedürfe es keiner finalen Beziehung
zwischen Leistung und Gegenleistung (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 17. September 2003, 2001/14/0211,
VwSlg 7854/F).
Zur Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr hatte der Beschwerdeführer vorgebracht, sie
erfordere "einen Auftraggeber oder sonstigen Marktpartner, dem eine Leistung um der Gegenleistung willen
erbracht" werde, woran es im vorliegenden Fall jedoch fehle. Den Beschwerdeführer hätte nur die Pflicht zur
Vorlage der beiden Berichte getroffen, nicht aber etwa auch die zur Fertigstellung der Dissertation, an der die
Akademie auch keinerlei Rechte erworben habe. Als Gegenleistung für die Berichte komme das Stipendium
nicht in Betracht, wie auch aus der schon erwähnten Verwaltungsmeinung zur umsatzsteuerrechtlichen
Beurteilung hervorgehe. Beim Stipendium des Beschwerdeführers sei "geradezu undenkbar", dass er damit "am
Wirtschaftsleben teilnehme".
Die belangte Behörde führte dazu - im Wesentlichen gleichlautend mit den beiden älteren
Berufungsentscheidungen - aus:
"Auch die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr - was bedeutet, dass der Steuerpflichtige
bereit ist, seine Leistungen prinzipiell einer unbestimmten Zahl von Personen anzubieten, wobei die
Einschränkung auf nur einen Interessenten die Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr nicht ausschließt
(vgl. Doralt, EStG-Kommentar4, Tz 73 ff zu § 23; ua. VwGH 26.2.2004, 2000/15/0198) - liegt im
gegenständlichen Fall vor. Der Bw war bereit, seine wissenschaftlichen Leistungen und Erkenntnisse Dritten
anzubieten. Das zeigt sich allein daran, dass er sich gegenüber der ÖAW gegen Gewährung des Stipendiums
verpflichtet hat, unter den von der Akademie vorgegebenen Voraussetzungen und Bedingungen ein bestimmtes
Forschungsprojekt durchzuführen. Aus welchen Motiven (im Interesse der Allgemeinheit, der Forschung und
Lehre, zur Förderung des Berufungswerbers als Wissenschafters oder anderen Gründen) sich die Akademie der
Wissenschaften bereit erklärt hat, die Dissertation in Form eines Stipendiums zu finanzieren, ist für die
Beurteilung der Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr ohne Bedeutung."
Dieser Auseinandersetzung mit den in § 23 Z 1 EStG 1988 genannten Voraussetzungen für das Vorliegen
betrieblicher Einkünfte fügte die belangte Behörde noch hinzu, aus § 3 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988 gehe hervor,
dass "eine allgemeine Steuerbefreiung von Forschungsstipendien vom Gesetzgeber nicht gewollt" sei, und in den
hg. Erkenntnissen vom 24. Jänner 2006, 2003/08/0205, sowie vom 20. Februar 2008, 2006/15/0171,
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Verwaltungsgerichtshof
29.07.2014
VwSlg 8313/F, finde sich "kein einziger Hinweis" darauf, dass "APART-Stipendien", wie vom
Beschwerdeführer behauptet, mit Auflagen verbundene Schenkungen seien. Im Fall des Beschwerdeführers sei,
anders als in dem mit dem zuletzt erwähnten Erkenntnis entschiedenen Fall, keine Freistellung gemäß
§ 160 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (Freistellung von Universitätslehrern "von jenen Dienstpflichten (...),
die ihre Anwesenheit (...) erfordern") erfolgt, sondern das (nach dem Vorbringen in der Beschwerde
privatrechtliche) Dienstverhältnis beendet worden. Es handle sich daher nicht um Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit, sondern "um eine unternehmerische Tätigkeit, die unter Gewinnerzielungsabsicht
unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erbracht wurde".
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die als Beschwerdepunkt die Verletzung des
Beschwerdeführers im "Recht auf Nichtfestsetzung der Einkommensteuer für die Zuwendung der ÖAW" geltend
macht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die
belangte Behörde erwogen:
Die Gewährung des Stipendiums erfolgte im vorliegenden Fall im Rahmen des Doktorandenprogramms der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Das Stipendium sollte, wie auch aus den Feststellungen der
belangten Behörde hervorgeht, das Dissertationsvorhaben des Beschwerdeführers fördern. Das
Doktorandenprogramm der Akademie ("DOC-Stipendien") besteht, wie aus dem gemäß § 8 Abs. 1 des
Forschungsorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 341/1981, erstellten Forschungsbericht 2000 hervorgeht, seit 1995
und dient seinen Statuten zufolge, wie auch von der belangten Behörde festgestellt, der "Förderung des
wissenschaftlichen Nachwuchses". Schon seit 1993 besteht außerdem das Habilitanden- und
Habilitiertenprogramm der Akademie ("APART-Stipendien") zur Förderung "der postdoktoralen Forschung".
Der Budgetansatz "APART-Stipendien", auf den sich die vom Beschwerdeführer vorgelegte Bestätigung bezog,
dient - wie aus den Arbeitsbehelfen zu den jeweiligen Regierungsvorlagen hervorgeht - der Finanzierung beider
Stipendien.
Frühere Berufungsentscheidungen der belangten Behörde vom 28. März 2003, RV/1422-L/02, vom
26. Juli 2005, RV/0164-I/05, und vom 13. März 2006, RV/0227-S/05 und RV/0228-S/05, sowie das zum zuletzt
genannten Fall ergangene hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2008, 2006/15/0171, VwSlg 8313/F, betrafen
"APART-Stipendien" und somit die "postdoktorale Forschung". Die drei Berufungsentscheidungen nahmen wie die vorliegende - jeweils Einkünfte aus einer wissenschaftlichen Tätigkeit gemäß § 22 Z 1 lit. a EStG 1988
an, was der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 20. Februar 2008 für den davon betroffenen Fall
verwarf. Er führte aus, der damalige Beschwerdeführer sei nur in der in § 160 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979
vorgesehenen Weise freigestellt gewesen und habe mit seiner Forschungstätigkeit während des
Stipendiumsbezuges Dienstpflichten gegenüber der Universität erfüllt. Die Tätigkeit im Rahmen des "APARTStipendiums" habe daher zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988
geführt, wobei das Entgelt von dritter Seite geleistet worden sei. Hiezu verwies der Verwaltungsgerichtshof auf
das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2003, 2001/08/0104 (vgl. die Berufungsentscheidungen und das Erkenntnis
vom 20. Februar 2008 zusammenfassend Zankl/Soini-Wolf, SWK 2008, S 491).
Das sozialversicherungsrechtliche Erkenntnis vom 19. Februar 2003, 2001/08/0104, betraf das "APARTStipendium" eines gemäß § 160 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 für ein Forschungsprojekt freigestellten
Universitätsdozenten. Ein darauf verweisendes zweites Erkenntnis vom selben Tag, 2001/08/0118, erging zum
"APART-Stipendium" einer für die Abfassung ihrer Habilitation freigestellten Universitätsassistentin.
Im Erkenntnis vom 24. Jänner 2006, 2003/08/0231, VwSlg 16.804/A, hatte der Verwaltungsgerichtshof den
Fall einer Dissertantin zu beurteilen, die ihr Dienstverhältnis als Angestellte eines Rechtsanwaltes gelöst und für
die Arbeit an ihrer Dissertation - wie im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer - ein Stipendium aus dem
Doktorandenprogramm der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Anspruch genommen hatte. Der
Verwaltungsgerichtshof bejahte die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG mit der Begründung, es
lägen "rechtskräftige Einkommensteuerbescheide vor, mit denen das Finanzamt festgestellt hat, dass die
Beschwerdeführerin in den Jahren (...) Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 23 EStG 1988 bzw.
Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 22 EStG 1988 (...) erzielt hat". Er fügte hinzu, bei einer
solchen Sachlage sei im Verfahren betreffend die Versicherungspflicht nach dem GSVG nicht zu prüfen, ob die
von der Abgabenbehörde getroffene einkommensteuerliche Beurteilung zutreffend sei (vgl. dazu nun etwa Ritz,
BAO5, § 293a Tz 2), verwies aber auf die Untersuchung von Schartel-Hlavenka, ÖStZ 1996, 18, wonach dies
nicht der Fall gewesen wäre.
Ein an einer Stelle auf dieses Erkenntnis verweisendes zweites Erkenntnis vom selben Tag, 2003/08/0205,
betraf ein "APART-Stipendium" der Österreichischen Akademie der Wissenschaften für das Habilitationsprojekt
eines an einem Forschungsinstitut in Deutschland karenzierten Forschers. Der Verwaltungsgerichtshof hielt
u.a. fest, "diesbezügliche Bescheide der Finanzbehörden" seien "den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu
entnehmen", und hob den bei ihm angefochtenen Bescheid wegen Verfahrensmängeln betreffend das karenzierte
Dienstverhältnis in Deutschland auf (zur Entscheidung im nächsten Rechtsgang, nun unter Einbeziehung
rechtskräftiger Einkommensteuerbescheide, siehe das Erkenntnis vom 26. November 2008, 2006/08/0346,
VwSlg 17.577/A).
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Verwaltungsgerichtshof
29.07.2014
Die belangte Behörde hat das beschwerdegegenständliche Stipendium in den Feststellungen zum
Sachverhalt als "APART-Stipendium" und zugleich als "Doktorandenstipendium" der Akademie bezeichnet und
festgestellt, es habe der Förderung eines "Dissertationsvorhabens" gedient. In ihren an die älteren
Berufungsentscheidungen zu "APART-Stipendien" angelehnten Rechtsausführungen hat sich die belangte
Behörde aber auf Bestimmungen bezogen, die sich in dieser Form nur in den Statuten des "APARTStipendiums" und nicht auch in denen des "DOC-Stipendiums" finden, wie etwa die wiederholt und an zentraler
Stelle ins Treffen geführte Verpflichtung der Empfänger von "APART-Stipendien", "ihre Arbeitskraft auf ihr
Forschungsvorhaben zu konzentrieren". Bei der Berufung auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, der "kein
einziger Hinweis" auf die vom Beschwerdeführer vertretene Qualifizierung seines Stipendiums zu entnehmen
sei, hat sich die belangte Behörde auf Erkenntnisse zu "APART-Stipendien" beschränkt und das einzige zu
einem Doktorandenstipendium ergangene Erkenntnis vom 24. Jänner 2006 - samt dem darin enthaltenen
Hinweis auf Literatur, nach der das Vorliegen von Einkünften aus selbständiger Arbeit zu verneinen sei - außer
Betracht gelassen.
Die vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis zitierte Autorin verneint das Vorliegen betrieblicher
Einkünfte auch für Stipendien zur Förderung postdoktoraler Forschung, worauf hier nicht eingegangen werden
muss. Ihrer gesondert begründeten Ansicht, das nicht mit Mitarbeit an einem Forschungsprojekt des Förderers
verbundene Verfassen einer Dissertation stelle für sich keine Berufsausübung im Sinne des § 22 EStG 1988 dar
(vgl. Schartel-Hlavenka, a.a.O., 25 f), ist jedenfalls beizupflichten. Eine solche Tätigkeit bedeutet noch keine
Teilnahme am Wirtschaftsleben in der Form eines Güter- oder Leistungsaustausches (vgl. dazu Jakom/Baldauf
EStG, 2014, § 23 Rz 36, sowie Doralt, EStG10, § 23 Tz 73), weil sich die Arbeit an der Dissertation und die
darüber zu erstattenden Berichte nicht als Leistungserbringung zur Befriedigung einer Nachfrage und die
Zahlungen der Akademie nicht als Entgelt dafür deuten lassen (vgl. insoweit die allgemeinen, nicht die
Besonderheiten des damals entschiedenen Falles betreffenden Ausführungen in dem hg. Erkenntnis vom
2. Dezember 1997, 93/08/0288, VwSlg 14.796/A). Auf die Höhe des Stipendiums kann es dafür - entgegen der
in Rz 33 der Lohnsteuerrichtlinien 2002 zum Ausdruck gebrachten Verwaltungsmeinung - nicht ankommen.
Dass ein Doktorandenstipendium zu betrieblichen Einkünften gemäß § 22 Z 1 lit. a EStG 1988 führe, lässt sich
auch nicht mit einem Umkehrschluss aus § 3 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988 begründen. Die diesbezüglichen und
die Ausführungen zum Fehlen einer finalen Beziehung zwischen Leistung und Gegenleistung in dem
hg. Erkenntnis vom 17. September 2003, 2001/14/0211, VwSlg 7854/F, betrafen einen Arzt und
Universitätsprofessor, bei dem es unstrittig um "Vermögenszuwächse anlässlich selbständiger Arbeit" ging.
Der angefochtene Bescheid war daher in seinem vom Beschwerdepunkt berührten Teil gemäß § 42 Abs. 2
Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der
VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 29. Juli 2014
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GZ. RV/1100113/2012
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden Dr. Romuald Kopf und die weiteren
Senatsmitglieder Dr. Gerhild Fellner, Mag. Tino Ricker und Mag. Arno Sandholzer im
Beisein des Schriftführers Martin Eberl in der Beschwerdesache der Bf, Adr, Pzl Ort,
vertreten durch WTH , gegen die Bescheide des Finanzamtes Orta vom 16.12.2011,
betreffend Einkommensteuer 2006 bis 2010 in der Sitzung am 11. Juni 2015 zu Recht
erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Strittig ist gegenständlich, ob die Beschwerdeführerin (nachfolgend Bf abgekürzt), die in
den Streitjahren als Volksschullehrerin vollzeitbeschäftigt war, nebenberuflich die Tätigkeit
einer spirituellen Beraterin auf eine Art ausübte, die den bloß hobbymäßigen Rahmen
sprengte und steuerlich anzuerkennen ist.
Zum besseren Verständnis des Beschwerdefalles ist ein Blick in das den Streitjahren
vorangegangene Jahr 2005 erforderlich. Hinsichtlich dieses Jahres brachte die
Bf mit Schriftsatz vom 26.9.2006 beim Finanzamt den Antrag auf Behebung des
rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides ua mit der Begründung ein, die Kosten für
das Supervisionsseminar "Der Weg ins Licht" in Höhe von 1.400 € seien in dem Bescheid
zu Unrecht nicht als beruflich veranlasst anerkannt worden. Im Rechtsmittelverfahren
begründete sie ihr Begehren sinngemäß wie folgt: Derzeit sei sie als Lehrerin tätig. Durch
die Absolvierung des Kurses "Weg ins Licht" werde ihr eine neue berufliche Tätigkeit
ermöglicht. Die dafür getätigten Aufwendungen stellten daher steuerlich absetzbare
Ausbildungs- und Umschulungskosten dar. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe
klar hervor, dass der Besuch des Kurses "Weg ins Licht" notwendige Voraussetzung
für die Ausbildung zum "Alpha Chi Consultant" sei. In der Zwischenzeit habe sie die
Ausbildung zum "Alpha Chi Consultant" erfolgreich abgeschlossen und führe auch bereits
Beratungen durch. Die Bezeichnung "Alpha Chi Consultant" sei rechtlich geschützt. Wie
das Finanzamt zur Überzeugung des fehlenden notwendigen Kausalzusammenhanges
gelangt sei, sei nicht nachvollziehbar. In der Senatsentscheidung vom 17.11.2008,
RV/0465-F/07, bestätigte der UFS die Auffassung des Finanzamtes abschließend mit
folgenden Ausführungen:
"Zusammenfassend bedeutet dies nach Überzeugung des Senates, dass im in dieser
Berufungsentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der Kostenentstehung (Dezember
2005) die ernsthafte Absicht der Einkünfteerzielung als Alpha Chi Consultant fehlte,
jedenfalls nicht konkret nach außen in Erscheinung getreten ist. Der Besuch des Kurses
"Weg ins Licht" diente (im maßgeblichen Zeitpunkt der Kostenentstehung) überwiegend
der Befriedigung privater Bedürfnisse, stand nach dem ursprünglichen, inzwischen
relativierten Vorbringen der Bf in einer (sehr losen) Nahebeziehung zum Beruf als
Lehrerin. Dies wiederum bedeutet, dass der Einkommensteuerbescheid vom 7.8.2006
nicht rechtswidrig im Sinne von § 299 Abs. 1 BAO ist. Deshalb war die Berufung als
unbegründet abzuweisen.
Der Vollständigkeit halber, freilich unvorgreiflich der hier nicht zu treffenden Entscheidung
über die Folgejahre wird diesbezüglich ausgeführt: Insgesamt hatten die Aktivitäten in den
Jahren 2007 und 2008 ein Ausmaß, das im bescheidenen Rahmen blieb, zunächst die
Tendenz in sich zu bergen schien, den bloß hobbymäßigen Rahmen zu sprengen, dann
aber doch wieder auf ein äußerst niedriges Niveau absank, welches gegen eine solche
Annahme spricht .Es kann (jedenfalls noch) nicht als erwiesen angesehen werden, dass
die Tätigkeit als Alpha Chi Consultant bzw als Beraterin in der Zukunft ernsthaft und nicht
nur hobbymäßig, also in einer Intensität betrieben wird, die sich grundsätzlich für eine
Einkunftsquelle eignet. Diesem Umstand dürfte hinsichtlich der dem Streitjahr folgenden
Jahre durch vorläufige Abgabenfestsetzung im Sinne von RV/0044-S/08 vom 25.6.2008
Rechnung zu sein. "
Das Finanzamt folgte der unverbindlichen Anregung des UFS und veranlagte die Bf
vorläufig zur Einkommensteuer 2006 bis 2009.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 16.12.2011 veranlagte das Finanzamt
die Bf endgültig zur Einkommensteuer 2006 bis 2010. Dabei versagte es den erklärten
Einkünften aus Gewerbebetrieb als Alpha Chi Consultant mit folgender Begründung die
Anerkennung:
Die Bf habe als Beraterin folgende Ergebnisse erwirtschaftet:
Jahr
Umsatz
Aufwand
Gewinn / Verlust
2006
0,00
10.847,16
-10.847,16
2007
1.170,00
9.524,00
-8.354,00
2008
420,00
37,50
382,50
2009
180,00
0,00
180,00
Seite 2 von 24
2010
Summe
720,00
423,29
296,71
2.490,00
20.831,95
-18.341,95
Die Tabelle zeige, dass die Aktivitäten als Beraterin insgesamt in bescheidenem Rahmen
geblieben und zuletzt auf ein äußerst niedriges Niveau gefallen seien. Die Tätigkeit als
Alpha Chi Consultant seien in einer derart geringen Intensität betrieben worden, dass vom
Vorliegen einer Einkunftsquelle nicht gesprochen werden könne.
Die Bf erhob Berufung, die vom BFG gemäß § 323 Abs. 38 BAO als Beschwerde zu
erledigen ist. In ihr brachte sie sinngemäß vor: Sie sei als Alpha Chi Consultant bzw als
Beraterin tätig und habe die daraus erzielten Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb
erklärt. Die Einordnung dieser Tätigkeit als Einkunftsquelle im Sinne von § 1 Abs. 1
LVO oder als Liebhaberei im Sinne von § 1 Abs. 2 Z 2 LVO habe anhand ihrer Art, ihres
Umfangs und ihrer Intensität zu erfolgen. Das alleinige Abstellen des Finanzamtes
auf die Entwicklung der Umsätze greife zu kurz und führe zu einem rechtswidrigen
Ergebnis. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes sei aus folgenden Gründen
von einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit auszugehen: Zum Ersten sei die Tätigkeit
als Alpha Chi Consultant entsprechend der eingereichten Kursbeschreibung auf
die professionelle Beratung und damit erwerbswirtschaftlich ausgerichtet. Zum
Zweiten belege die zeitaufwändige und mit entsprechenden Kosten verbundene
Ausbildung (2 Ausbildungsblöcke "Der Weg ins Licht", 3 Ausbildungsblöcke zum
Alpha Chi Consultant und darauf aufbauend nochmals 3 Blöcke "Deborahs Starlight
Essences") ein Erfolgsstreben, das die Leidenschaft einer hobbymäßigen Tätigkeit
übersteige. Zum Dritten gehe der Umfang der Tätigkeit (Kundenstamm von 35 Personen,
rd. 250 Beratungsgespräche in der Vergangenheit, 100 Arbeitsaufträge, mehrere
Meditationsabende pro Monat) über eine hobbymäßig betriebene Tätigkeit hinaus. Zum
Vierten seien die Werbemaßnahmen (mit Flyern beworbene Kurzseminare, Visitenkarten)
Beleg dafür, dass keine hobbymäßige Tätigkeit vorliege. Auch wenn die Entwicklung
der Einnahmen nicht zufriedenstellend sei, so belegten zum Fünften die erzielten
Einnahmen (unter Bedachtnahme auf RV/0484-F/08, UFSjournal 2011, 12) doch, dass
die Tätigkeit auf erwerbstypische Art ausgeübt werde. Alles in allem liege eine Tätigkeit
mit Einkunftsquellenvermutung vor, weshalb jedenfalls die Anfangsverluste anzuerkennen
seien.
Das Finanzamt legte mit Vorlagebericht vom 16.3.2012 die Berufung der
Rechtsmittelbehörde ohne vorausgehende Erlassung einer Berufungsvorentscheidung vor.
Das BFG wandte sich per E-Mail vom 24.2.2015 mit folgendem Vorhalt an die Bf:
"1.) Die erklärten Betriebsausgaben der Beschwerdeführerin (Bf) der Jahre 2006 und
2007 sind in Höhe von 10.847,16 und 9.524 Euro aktenkundig. In den Steuererklärungen
der beiden Jahre wurden unter der Kennzahl 9230 9.444,68 € und 8.726 € an sonstigen
Betriebsausgaben geltend gemacht. Vorgelegt wurden 4 Rechnungen über insgesamt
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13.500 € (Starlight Center LTD vom 7.6.2006, D. Reiter vom 14.8.2006, Starlight Essences
Ltd vom 5.2. und 26.4.2007).
Ich bitte in diesem Zusammenhang um Bekanntgabe der noch nicht nachgewiesenen
Aufwendungen und Vorlage entsprechender Rechnungen (insbesondere über die
größeren Posten).
2.) Die nachfolgende Übersicht der erklärten bzw veranlagten Jahre, die den Streitjahren
folgen, sprechen nicht dafür, dass die Bf die Tätigkeit als Alpha Chi Consultant ernsthaft
und nicht nur hobbymäßig betrieben hat:
E aus ns Arbeit im Hauptberuf (Lehrerin)
2011
2012
2013
53.371,24
47.875,48
49.841,00
613,38
0,00
----
1.110,00
1.680,00
----
254,97
207,38
----
91,65
191,44
----
E aus Gewerbebetrieb
Einnahmen
Waren / übrige Betriebsausgabe
Gewinnfreibetrag
Ich lade Sie zur Stellungnahme ein.
3.) Die Bf stellte in einer Beilage zum Berufungsschriftsatz ihre "spirituelle Tätigkeit" dar
und räumte dabei ein, noch Ende 2009 keinen festen Kundenstamm gehabt zu haben.
Ich ersuche um Übermittlung einer Kundenliste.
4.) Die Bf ist laut Akt in den vergangenen Jahren unter verschiedenen Namen (
Bf1 Bf2 , Bf3 Bf4 , Bf5 D. Bf1 , Bf4 Bf1 ) und unter Verwendung unterschiedlicher
Berufsbezeichnungen (Alpha Chi Consultant, DSE-Beraterin, Energetisches Feng Shui,
Gauri Gata, Starlight-Essenzen, Dipl. Pädagogin, Bf4s 12 Kristalltempel) aufgetreten.
Ich ersuche Sie um Stellungnahme, inwiefern dies mit einem ernsthaften, zielstrebigen,
nachhaltigen, entsprechend intensiven Bemühen vereinbar ist, Einkünfte als Alpha Chi
Consultant zu erzielen. Weiters bitte ich um Bekanntgabe, was unter "DSE-Beratung" zu
verstehen ist.
5.) In der Aufstellung ihrer Aktivitäten im Jahr 2007/2008 spricht die Bf von der
persönlichen Belastung als Vollerwerbslehrerin und vom Umzug nach Ortb .
Ich ersuche um Darstellung der aktuellen haupt- und nebenberuflichen Situation und der
Bekanntgabe des Wohnsitzes der Bf.
6.) Den Aufstellungen über die Aktivitäten der Bf in den Streitjahren, im Besonderen der
Jahre 2009 und 2010 ist zu entnehmen, dass die Bf kostenlos gearbeitet hat. Darüber
hinaus wurden von ihr offensichtlich angefallene "Betriebsausgaben" (zB Fahrtspesen) in
der Einnahmen- Ausgabenrechnung nicht angesetzt.
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Ich bitte um Stellungnahme zu folgender Schlussfolgerung: Wird der Gewinn nicht
einmal richtig ermittelt, so spricht dies gegen das Vorliegen einer ernsthaften
Gewinnerzielungsabsicht.
7.) In der Berufungsentscheidung vom 23.4.2007, RV/1978-W/05, hat der UFS
Aufwendungen für "Feng-Shui"-Seminare u. Fortbildungen (inkl. "Studienreisen") nicht als
vorweggenommene Betriebsausgaben anerkannt. Der UFS bestätigte damit im Ergebnis
vor allem im Hinblick auf das starke Missverhältnis der relativ hohen Aufwendungen zu
den vernachlässigbar niedrigen Einnahmen folgende Rechtsauffassung des Finanzamtes:
'In typisierender Betrachtungsweise handelt es sich bei der Erlernung von "Feng-Shui"Kenntnissen (wie auch bei anderen vergleichbaren Philosophie- bzw. Denkmodellen
etc.) um eine Betätigung, "die typischerweise auf eine besondere in der Lebensführung
begründete Neigung zurückzuführen ist" (wörtliches Zitat des § 1 Abs. 2 der LiebhabereiVerordnung, die die steuerliche Behandlung von Betätigungen dahingehend regelt, ob
eine Tätigkeit oder Betätigung als steuerlich relevant zu qualifizieren ist). D.h., dass die
Erlernung dieser Kenntnisse oder Fähigkeiten in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle
aus ausschließlich privatem Interesse betrieben wird und generell eine unternehmerische
Verwertung dieser Kenntnisse im Rahmen einer selbständigen oder gewerblichen Tätigkeit
nicht das Hauptmotiv sein wird bzw. überhaupt nicht beabsichtigt ist. Insbesondere die
in diesem Zusammenhang durchgeführte Reise nach Irland ist unter dem Aspekt der
jedenfalls überwiegenden privaten Veranlassung zu betrachten.
Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass es sich bei dieser Betätigung gem.
den einschlägigen Bestimmungen der Liebhaberei-Verordnung um eine steuerlich
unbeachtliche Liebhabereibetätigung handelt, wäre es an Ihnen gelegen, diese Vermutung
anhand konkret nachvollziehbarer objektiver Umstände, insbesondere im Hinblick auf die
Erzielung konkreter steuerpflichtiger Einkünfte, zu widerlegen.
Ich lade Sie zur Stellungnahme ein.'
Mit E-Mail vom 13.3.2015 stellte der Vertreter der Bf die umgehende
Vorhaltsbeantwortung in Aussicht. Vorweg äußerte er sich wie folgt:
"Zu Punkt 2:
Im Punkt 2 des Vorhalts schließen Sie auf Grund der geringen Einnahmen der Jahre
2011-2013, dass die Tätigkeit als Alpha Chi Consultant nicht ernsthaft, sondern
hobbymäßig betrieben wird.
Diese Schlussfolgerung greift meines Erachtens zu kurz.
Es gibt Tätigkeiten, die eine sehr lange Vorlaufzeit benötigen, um erfolgreich betrieben
werden zu können. Wenn nun eine derartige Tätigkeit während dieser Vorlaufzeit
ausschließlich auf Basis der Einnahmen der Kategorie „hobbymäßig“ bzw „ernsthaft“
zugeordnet werden würde, so wäre dies meines Erachtens keineswegs sachgerecht.
Auch der Umstand, dass die Ausbildung erst im Jahr 2013 abgeschlossen wurde, spricht
dafür, dass die Einstufung der Tätigkeit als „ernsthaft betrieben“ oder „hobbymäßig
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betrieben“ allein auf Basis der Einnahmen der Jahre 2011-2013 nicht sachgerecht wäre,
da sich diese Tätigkeit offenkundig in der Phase der Vorlaufzeit befindet.
Zu Punkt 4:
Im Punkt 4 des Vorhaltes scheinen Sie auf Grund der Namensänderungen und den
unterschiedlichen Berufsbezeichnungen zu bezweifeln, dass die Tätigkeit ernsthaft,
zielstrebig, nachhaltig und mit einem entsprechenden Bemühen vereinbar sei.
Ein „entsprechende Bemühen“ kann meines Erachtens einzig aus der nachweislich
geleisteten Arbeit und keineswegs aus Namensänderungen abgeleitet werden
(mit anderen Worten: wenn jemand „entsprechend bemüht“ arbeitet, so arbeitet er
auch dann immer noch „entsprechend bemüht“, wenn er Namensänderungen oder
Berufsbezeichnungen geändert hat).
Dasselbe gilt meines Erachtens für die Kategorien „ernsthaft“ und „nachhaltig“.
Zu Punkt 6:
Im Vorhalt halten Sie fest „Wird der Gewinn (Anmerkung: der Jahre 2009 und 2010)
nicht einmal richtig ermittelt, so spricht dies gegen das Vorliegen einer ernsthaften
Gewinnerzielungsabsicht.“
Ich gehe davon aus, dass die Beschwerdeführerin für sich in Anspruch nehmen kann, im
wirtschaftlichen Sinn (und natürlich auch ganz allgemein) als „normal“ denkend betrachtet
werden zu können. Als derartiger Mensch wird Sie vermutlich versuchen Einnahmen zu
erzielen, um die entstandenen Kosten abzudecken.
Ich kann nicht nachvollziehen, dass (mögliche) Fehler bei der Gewinnermittlung darauf
schließen lassen, dass diese „Gewinnerzielungsabsicht“ nicht besteht.
Im Übrigen denke ich, dass die Gewinne der Jahre 2009 und 2010 richtig ermittelt wurden.
Zu Punkt 8:
Bezüglich der mündlichen Verhandlung muss ich mich noch mit der Beschwerdeführerin
besprechen.
Es bestehen unterschiedliche Standpunkte/Sichtweisen, die meines Erachtens
besprochen werden sollten.
Statt einer mündlichen Verhandlung wäre vielleicht ein Erörterungstermin mit der
Abgabenbehörde sinnvoller."
In Beantwortung des Vorhaltes vom 24.2.2015 übermittelte der Vertreter der Bf deren
nachfolgend wiedergegebene, nicht datierte Stellungnahme und die in ihr erwähnten
Beilagen mit E-Mail vom 16.3.2015, mit der ergänzenden Bemerkung, seine Mandantin
hätte gerne die Gelegenheit, den Sachverhalt persönlich zu schildern, wobei vorweg ein
Erörterungstermin ausreichen sollte.
" Ad 1. Ich nehme an, die größeren Posten betreffen die Essenzen, die ich erwerben
musste, um damit arbeiten zu können. Die Rechnungen wurden alle angegeben.
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Ad. 2. Ich habe seit 2007 bis jetzt unermüdlich für mich geworben, in vielen Gesprächen
und Vorträgen immer wieder die verschiedenen Anwendungsgebiete, die ich anbiete, ob
in Supervisionen, mit Hilfe von Feng Shui oder anderer Zugänge erklärt und 2011 über
mehrere Monate eine Gruppe geleitet, die sich regelmäßig getroffen hat, trotz meiner
vollberuflichen Tätigkeit als Lehrerin. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass Inserate
in meinem Fall nicht unbedingt zielführen sind. Die Menschen nehmen die Energie der
Worte auf und fühlen sich angesprochen oder eben nicht. Auch Vorträge hielt ich viele, wie
aus den Aufstellungen hervorgeht.
14.07.2007: Vortrag in Orta ;
12.10.2007: Vortrag in Orta ;
17.12.2007: Essenzenvortrag in meiner damaligen Yogagruppe;
07.11.2008: Vortrag in Ortc ;
15.11.2008: Vortrag in Ortd ;
28.11.2008: Vortrag Rössli in Ortbs ;
12.12.2008: Vortrag in Ort ;
06.02.2009: Vortrag in Ortbs (Altersheim);
19.02.2009: Vortrag in Orte ;
21.02.2009: Vortrag in Ortf ;
18.03.2009: Vortrag in Ortg ;
20.03.2009: Vortrag in Orta ( Pfarrsaal St. GebOrtf);
29.04.2009: Vortrag in Ortg ;
21.08.2009: Vortrag in Orth ( Heim )
Im Kollegium meiner Schule waren ebenfalls sehr aufgeschlossene Lehrer, die ich längere
Zeit in den Jahren 2009 bis 2014 begleiten durfte. Alle haben sich verändert und die
Schule gewechselt. Auf der Messe im April 2013, auf 2 Märkten im Dezember 2014, auf
denen ich meine Badeöle vorstellte, bei Elterngesprächen, bei Konferenzen und vielen
Vorträgen, konnte ich Klienten erreichen und meine Flyer mitgeben. Manche kamen zu
Vorträgen oder zu einer Einzelarbeit in ruhiger, entspannter Atmosphäre kann man sich
am besten auf die Energie einlassen und die erschaffe ich am besten zu Hause, daher
halte ich nun alle Vorträge bei mir.
Ad. 3. Kundenliste (51 Personen) liegt bei! Daraus ist sehr wohl ersichtlich, dass ich
bereits viele Menschen erreicht habe, die meine Tätigkeit auch zu schätzen wissen.
Ad. 4. Gerade die Namensänderung, die ich 2011 sogar amtlich durchführen ließ, lässt
erkennen wie ernst es mir ist, mit allem nach außen zu gehen und mich zu zeigen.
Das ist sehr wohl zielstrebig, vor allem nachhaltig. Man ändert nicht einfach so seinen
Namen! 2010 erhielt ich den "neuen Namen" Bf4 und habe mich im Mai 2011 behördlich
umschreiben lassen. Zwei Monate später, am 22. Juli 2011 habe ich meinen Mann Hrn. x
in Ort geheiratet und trage nun den Namen Bf4 Bf2 Bf3 .
Ich wohne seit November 2009 in Ort .
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Im Mai 2014 mussten wir umziehen, weil mein Vermieter Eigenbedarf angemeldet hat. Wir
haben nun in der Str 5 in Pzl Ort ein neues Zuhause gefunden.
Bf2 Bf1 war mein Name als ich noch mit Hrn. Y verheiratet war.
Bf5 war mein Seelenname von 2005 bis 2010. 2010 hat sich gezeigt, dass durch meine
spirituelle Entwicklung ein anderer Klang meiner Seele erkennbar wurde. Seelennamen
entsprechen dem Klang der Seele des betreffenden Wesens und machen Sie erkennbar.
Gleichzeitig dazu gibt es die Namensbedeutung, die sehr aussagekräftig ist. Wie kann ich
den Menschen von ihrer Einzigartigkeit und ihren Potenzialen erzählen, wenn ich nicht mit
meinem Beispiel vorangehe?
DSE ist die Abkürzung für Deborahs Sta rlight E ssenzen. Dies ist ein registrierter Name
für die von Deborah Reiter hergestellten Essenzen, zu denen sie auch die entsprechende
Ausbildung gibt und die ich in den Jahren 2006/07 absolviert habe.
Die verschiedenen Bezeichnungen ergeben sich aus den verschiedenen
Tätigkeitsbereichen. Um mit den Essenzen arbeiten zu können, bedarf es der Öffnung des
8. Chakras, das in der Ausbildung zum Alpha Chi geöffnet wird. Dies ist der Zugang zur
Beraterebene und zum Feng Shui.
Ich bin Volksschullehrerin, das bedeutet Dipl .Päd., wodurch mir der Umgang mit Kindern
natürlich leichter fällt. Bf4s Kristalltempel sind in Rückführungen erhaltene Zugänge zu
meinen Kristalltempeln. 2013 habe ich den ersten Probelauf zu diesen Ebenen gegeben.
Gauri Gatha habe ich in Münster erlernt und damit auch eine Gruppe in Ort geleitet, die
sich beinahe wöchentlich traf.
Da alle Tätigkeiten ohne die Alpha Chi Ausbildung gar nicht ausgeführt werden
könnten, sind alle Einkünfte aus meiner Arbeit dem Alpha Chi Consultant
gutzuschreiben und zuzuordnen.
Ad.5. Mein derzeitiger Wohnsitz, siehe oben ist nun schon seit 5 Jahren Ort.
Ich hatte eine Stundenreduktion meiner hauptberuflichen Tätigkeit als Lehrerin in der
Volksschule geplant. Da ich aber von den Einnahmen aus meiner Tätigkeit als Alpha
Chi Berater derzeit noch nicht leben kann, bin ich gezwungen einer "sicheren" Arbeit
nachzugehen.
Im April 2013 meldete ich das Hilfestellergewerbe bei der WKO in Land an und
informierte auch meinen Arbeitgeber, die Lander Landesregierung, über meine
nebenberufliche Tätigkeit. Auch daraus wird ersichtlich, dass ich darauf ausgerichtet bin,
meine Tätigkeit in einen gesetzlich abgesicherten Rahmen zu stellen und auch hier meine
Beiträge entrichte, obwohl meine Einkünfte noch niedrig sind.
Ad.6. Kostenlos sind jeweils nur die Herzensmeditationen um 18:00 und Vorträge.
Mir ist unklar auf welche Fahrtspesen Sie Bezug nehmen. Ich war im Februar 2010
in Oberösterreich bei meinem Vater und habe ein Essenzen Kurzseminar bei meiner
langjährigen Freundin gegeben. Ich war also sowieso vor Ort. Das Seminar hat sich
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kurzfristig ergeben. 2008/09 habe ich viele kostenlose Vorträge in der Umgebung
gehalten. Alle anderen Tätigkeiten finden in einem eigens dafür eingerichteten Raum in
meiner Wohnung statt.
Ad. 7. Ich war nie in Irland. Ich nehme an, dass es sich hier um eine allgemeine
Betrachtungsweise der Liebhaberei- Verordnung handelt, die sich auf einen bestimmten
Fall bezieht.
Meine Reisen nach Bonn, England und Frankreich habe ich ausschließlich zu
Ausbildungszwecken, sowie Seminarteilnahmen unternommen. Feng Shui ist nur ein
kleiner Bereich meiner Tätigkeit und kommt auch auf Körperebene durch das Körper
Feng Shui zum Einsatz. Mein Arbeitsspektrum ist aber viel umfangreicher. Ich arbeite auf
Körperebene, Chakrenebene und auch in der Aura der feinstofflichen Ebene. Ebenso kann
ich mittlerweile Rückführungen anbieten.
Außerdem stelle ich Themen aller Art auf und löse sie am Ursprung und zwar so wie es
der Seele im Moment entspricht.
Aufwendungen von 2006- 2013:
2006: € 6000,- für die Alpha Chi Ausbildung
2006- 2007: € 7500,- für die Starlicht Essenzen Ausbildung
plus 2 Mal alle 124 Essenzen, als Arbeits- und Auswahlset: ca. € 3000,Im Juli 2010 Gauri Gatha Ausbildung in Münster bei Cheruba Margarete Schäfers: Zu der
Zeit war ich bei meinem jetzigen Ehemann in Osnabrück, daher habe ich diese Ausbildung
mir Fahrtkosten nicht angegeben. Kosten ca. € 2856,Ich habe in den Jahren 2012/13 die 2 jährige Ausbildung zum Spirituellen Lehrer gemacht,
um meine Spirituelle Tätigkeit noch auszuweiten, da ich erkennen musste, dass ich als
Alpha Chi Consultant Menschen noch nicht voll und ganz in ihr Potential führen kann.
Als Spirituelle Lehrerin kann ich nun auch den Weg ins Licht geben, kleinere Seminare
abholen und Rückführungen anbieten, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Kosten: 12.000,- in 2 Jahren.
Das sind in Summe über € 30.000,-. Wer bitte nimmt diese Kosten aus Liebhaberei
in Kauf, wenn er nicht davon überzeugt ist, dass sich diese Ausgaben auch wieder
amortisieren?
" Der Weg ins Licht", ist ein 6 tätiges lntensivseminar, welches ich nach der noch
ausstehenden Supervision ab 4 Teilnehmern selbst halte. Die Kosten pro Person betragen
€ 1.800,-.
Daraus wird ersichtlich, dass ich mich darauf ausrichte, die Einnahmen aus meiner
spirituellen Tätigkeit in den nächsten 2-3 Jahren drastisch zu erhöhen. Ich habe
schon Interessenten, aber leider noch keine definitiven Anmeldungen.
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Unsere Homepage internet ist sehr aktuell und ich inseriere auch auf diversen Plattformen
um meinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen.
Letztes Jahr habe ich auch immer wieder spontan Vorträge zum Weg ins Licht gehalten.
Das Seminar war im Juli geplant, fand aber wegen fehlender Teilnehmer nicht statt.
Ich habe diese Aufwendungen zum Spirituellen Lehrer 2012 nicht angegeben, da ich
Angst hatte bei einem negativen Bescheid eine zu große Summe zurückzahlen zu
müssen.
Und trotzdem war ich aktiv und innovativ in der Zeit!
Ich habe im April 2013 mit meiner Tochter und meinem Mann an der ESOnatura Messe
in Lauterach teilgenommen. Als ich am Samstag vom Lehrerseminar zurückkam, fuhr ich
an diesem Tag noch zur Messe, war dann auch den ganzen Sonntag dort anwesend und
habe "Feng Shui" und das "Weg ins Licht- Seminar" beworben.
Viele meiner Kollegen berichten von einer 10 jährigen Entwicklungsphase, bis ihr
"Geschäft"
wirklich ins Laufen kam. Es ist normal, das man zuerst investieren und sich weiter
entwickeln muss, bis man mit etwas Neuern Fuß fassen kann.
Ad.8. Ich hoffe, ich konnte mit meinen Ausführungen alle Ungereimtheiten aus dem Weg
räumen.
Ich würde mich über einen Erörterungstermin in Ihrem Beisein freuen."
Mit E-Mail vom 17.3.2015 teilt der das Vorverfahren führende Richter dem Vertreter der Bf
folgendes mit:
"Die Durchführung eines Erörterungstermins und die Abhaltung einer Senatsverhandlung
erachte ich nicht für arbeitsökonomisch. (Wann sich die nächste Möglichkeit bietet, den
Fall in einem Verhandlungsprogramm für einen Senat unterzubringen, kann ich heute noch
nicht sagen. Sie werden natürlich rechtzeitig informiert.)
Ich hätte mir gern ein Bild von der Tätigkeit Ihrer Klientin durch Einvernahme (Anhörung,
Telefonat) von Kunden gemacht. Dazu eigenen sich die Daten der Kundenliste nicht."
Auf Rückfrage des Vertreters, ob die Bf betreffend eine mögliche Anhörung von Kunden
deren Telefonnummern bekannt geben soll, bat der Richter um Bekanntgabe der
Kontaktdaten von 3 namentlich genannten Kunden aus der "Klientenliste 2006 – 2015"
mit insgesamt 51 Klienten, mit denen die Bf nach eigenen Angaben ein bis mehrmals
gearbeitet hat.
Mit E-Mail vom 19.3.2015 teilte die Bf über ihren steuerlichen Vertreter unter Hinweis
auf den nachfolgend wörtlich wiedergegebenen, Lehrinhalte und Ziel der Ausbildung
betreffenden Anhang mit, aus ihm werde klar, dass daran nur Personen teilnähmen, die in
beratender Funktion tätig werden:
"Ausbildungsschwerpunkte sind für Alpha Chi Berater
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Spirituelle Beratung
Sie befähigt den Alpha-Chi-Berater Menschen professionell auf ihrem Lebensweg zu
begleiten. Die spirituelle Beratung löst Menschen aus Anhaftungen, Projektionen und
Wunschvorstellungen und führt sie ergebnisorientiert und ausgerichtet direkt zum Ziel und
zu einer übergeordneten Erkenntnis.
Energetisches Feng Shui
Die Teilnehmer lernen Energien in Gebäuden und in Landschaften zu erkennen und mit
Hilfe energetisch-aktiver Zeichen diese Energien direkt zu verändern. Altlasten werden
abgeleitet und transformiert, gesundheitsbeeinträchtigende Faktoren abgeschirmt. Das Chi
– die Lebensenergie – angezogen und entsprechend der Benutzer erhöht. Alte Kraftplätze
werden geheilt, neue Kraftplätze angelegt und große Landschaftsgebiete harmonisiert.
Klientenorientiertes Arbeiten wird zusätzlich durch Körper Feng Shui unterstützt. Mit
dem Körper Feng Shui ist es möglich Altlasten abzulösen und das körpereigene Chi
aufzufüllen.
Sterbebegleitung
Gebundene Seelen werden gemäß ihrer Entwicklung ins Licht geführt.
Kontaktebenen mit dem Mineralreich, dem Pflanzenreich, dem Tierreich und der geistigen
Welt (Engel, Devas, Geistführer…) werden initiiert und praktisch angewendet.
Die Alpha Chi Berater Ausbildung ist eine praxisorientierte Ausbildung in der
alles Gelernte direkt erfahren wird und damit bereits vom ersten Schritt an auch
berufsbegleitend eingesetzt werden kann.
Da die Zugangsebenen des 8. Chakras von Beginn an zur Verfügung stehen, ist der Weg
für eine erfolgreiche Umsetzung von Anfang an frei. Die Abschlussprüfung am Ende der
Ausbildung berechtigt den Teilnehmer den geschützten Namen „Alpha Chi Consultant” zu
tragen.
Ziel
Wir leben in einer Epoche, in der die Erde und wir dramatische Umbrüche erleben. Wir
erfahren den Beginn einer neuen Schöpfungsperiode, deren Veränderungen alles bisher
Erfahrene übersteigt. Das Neue macht Angst – bietet aber auch die Chance, unsere
erwachende Wirklichkeit mit Sinn und Inhalt auszustatten.
Wir treten in den Dienst der Schöpfung und des Schöpfers und erleben die Fülle unserer
Möglichkeiten, den Menschen in unserer Umgebung und der Welt begleitend durch die
Transformation zur Seite zu stehen."
Mit E-Mail vom 24.3.2015 gab die Bf folgende Daten bekannt:
" Z1
Z2 Z3 lebt derzeit in Kairo: Habe mit ihm Kontakt über Facebook aufgenommen, aber
noch keine Antwort erhalten. Daher habe ich von ihm noch keine aktuelle Telefonnummer."
Seite 11 von 24
Mit Schreiben vom 9.4.2015 ersuchte das Gericht die beiden erstgenannten Kunden
unter Hinweis auf § 173 Abs. 1 BAO um wahrheitsgemäße und vollständige Beantwortung
einiger Fragen.
Die beiden erstgenannten Zeuginnen teilten mit Schreiben vom 30.4.2014 bzw mit am
5.5.2015 eingelangtem undatierten Schreiben nach Wiedergabe der ihnen gestellten
Fragen folgendes mit:
"Wie sind Sie in Kontakt mit Fr. Bf3 gekommen?
G.G. Ich habe mit Frau Bf3 zusammen einige Jahre an derselben Schule gearbeitet. (
Schule ). Ich war damals als Sprachheillehrerin und spezifische Lernförderlehrerin an der
Schule tätig. Da mir 4 Schulen dann zu viel wurden, habe ich 2 Volksschulen abgegeben.
S.F . Ich habe, wie auch Frau Bf3, bis zum Sommer 2014 an der Schule2 unterrichtet.
In einer Mittagspause sind wir unter anderem auf ihre Tätigkeit neben der Schule ins
Gespräch gekommen.
Welche beratenden Leistungen der Beschwerdeführerin haben sie in Anspruch
genommen? G.G. Ich habe bei ihr 2 Mal Behandlungen mit Starlightessenzen machen
lassen und des weiteren habe ich Aufstellungen (im Sinne von Familienaufstellungen)
bezüglich Beruf oder anderer familiärer Familiensituationen in Anspruch genommen.
S.F. Nachdem Frau Bf3 mir anbot, einmal bei mir vorbeizukommen, nahm ich das
Angebot an. Sie kam zu einem vereinbarten Termin zu mir nach Hause. In welchem Jahr
dieser Besuch stattfand, kann ich nicht mehr mit absoluter Sicherheit sagen.
Welchen Inhalt hatten die erbrachten Leistungen?
G.G. Die Behandlung mit Starlightessenzen ist eine therapeutische Arbeit an einer
liegenden Person. Die Arbeit mit den Essenzen ist vielleicht vergleichbar mit einer
Aromatherapie, wie ich sie sonst auch schon erlebt habe, nur ohne Massage – es war
für mich etwas unheimlich Schönes und anschließend absolut spürbar im Alltag. Es
ist ein spürbares Wohlfühlgefühl im Nachhinein. Bei den Aufstellungen haben wir mit
kleinen bunten Matten gearbeitet. Ich kenne es bei verschiedenen Therapeuten und mit
verschiedensten Materialien wie Kissen, Holzfiguren, realen Figuren.... Es ist einfach eine
Art von Familienaufstellung für mich.
S.F. Frau Bf4 Bf3 begutachtete ein Zimmer in meinem Haus, das ich ihr zeigte. Sie
zündete eine Kerze an und bat mich, sie nun alleine zu lassen. Diese Bitte erfüllte ich Frau
Bf3 und ließ sie dann für einige Zeit in diesem Zimmer alleine. […]
Wie wurden die Leistungen abgerechnet?
G.G.
Ich habe immer bar bezahlt.
S.F. Auf meine Frage, was diese Leistung kosten würde, wollte Frau Bf3 70 Euro als
Bezahlung. Diesen Betrag übergab ich sodann Frau Bf3 bar. Soweit ich mich erinnere,
bekam ich auch keine Rechnung oder Bestätigung für diese Bezahlung.
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Welche Wahrnehmungen haben Sie im Hinblick auf Art, Umfang und Intensität der
erbrachten Leistungen ?
G.G. Die Behandlungen sind absolut professionell abgelaufen. Je nach Thema war
es mehr oder weniger intensiv, aber immer so, dass ich mich gut aufgehoben gefühlt
habe. Die Behandlung mit den Starlightessenzen sind für mich sensationell – jedes Mal
ein absolutes Wohlfühlgefühl nach der Behandlung und aus meiner Sicht unheimlich
aufwendig für Frau Bf3 in der Vorbereitung.
S.F. Frau Bf3 erkundigte sich noch ein zwei Mal bei mir in der Schulpause, ob sich etwas
in unserem besagten Zimmer geändert habe. Die Beratung beschränkte sich auf das
Nachfragen der momentanen Situation. Somit war die Leistung von Bf4 Bf3 für mich
erledigt. Ich nahm auch keine weiteren Leistungen mehr in Anspruch.
Wurden die Leistungen in einem professionellen oder einem der privaten Lebensführung
zuzuordnenden Rahmen erbracht?
G.G . Frau Bf3 hat eigens für ihre Arbeit einen eigenen Raum, in dem sie arbeitet. Für
mich ist aus meiner Sicht absolute Professionalität spürbar und vor allem ganz viel
Herzblut. Ich habe mich jedenfalls jedes Mal absolut aufgehoben gefühlt. Ich wünsche Ihr
weiterhin so viel Freude bei Ihrer Arbeit."
S.F. Nach meiner Wahrnehmung war die Kontaktaufnahme anfänglich eher privater
Art. Als ich nach den Kosten fragte, wurde mir erst klar, dass Frau Bf3 diese Leistung
professionell durchführen wollte. Mit der Barzahlung war das für mich dann auch erledigt.
Auf Nachfrage des Gerichtes gab die Zeugin G.G. mit E-Mail vom 4.5.2015 ergänzend
bekannt:
"Für das Familienstellen habe ich 120 Euro bezahlt. Wir waren über 2 Stunden an meinem
schulischen Thema dran. Es ist für mich insofern auch ein Schulcoaching.
In den vergangenen Jahren haben wir auch immer wieder in kleineren Gruppen
verschiedene Themen (Beruf, Familie …) gestellt.
Für die Starlightbehandlung habe ich 120 Euro bezahlt. Es dauerte an die 1,5 Stunden
und die "aufwendige Vorbereitung" von Seiten von Frau Bf3 schätze ich ebenfalls auf
eine Stunde. Da sie über 130 (oder gar 150) Essenzen in Verwendung hat, um zu testen,
welche jeweils für die zu behandelnde Person schlussendlich passt. Sie bereitet es im
Vorfeld immer liebevoll her. Jedenfalls spürt man die Sorgfalt und die Liebe zu dieser
Arbeit."
Am 11.6.2015 wurde antragsgemäß die mündliche Verhandlung vor dem gesamten
Senat durchgeführt. Die darüber verfasste Niederschrift ist in Kopie dieser Entscheidung
angeschlossen.
Der Senat hat erwogen:
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In rechtlicher Hinsicht beruft sich der Senat auf die nachfolgend auszugsweise
wiedergegebenen Berufungsentscheidungen und die in ihnen vertretenen
Rechtsmeinungen:
UFS 17.6.2008, RV/0697-I/07:
"Aus der positiven Umschreibung der Einkünfte als Gewinn bzw. als Überschuss der
Einnahmen über die Werbungskosten in § 2 Abs. 4 EStG ist abzuleiten, dass nur jene
Einkunftsquellen einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen sind, die auf Dauer
gesehen zu einem Gesamtgewinn bzw. Gesamtüberschuss führen. Andernfalls ist
Liebhaberei gegeben. Die damit verbundenen Verluste sind steuerlich weder ausgleichsnoch vortragsfähig. Allfällige "Zufallsgewinne" werden nicht besteuert (vgl. Rauscher/
Grübler, Steuerliche Liebhaberei2, Seite 15).
Gemäß § 1 Abs. 1 Liebhabereiverordnung (LVO) in der für die Streitjahre maßgeblichen
Fassung (BGBl 1993/33) liegen Einkünfte bei einer Betätigung (einer Tätigkeit oder
einem Rechtsverhältnis) vor, die durch die Absicht veranlasst ist, einen Gesamtgewinn
oder einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen
und die nicht unter Absatz 2 der Verordnung fällt. Voraussetzung ist, dass die
Gewinnerzielungsabsicht anhand objektiver Umstände (§ 2 Abs. 1 und 3 L-VO)
nachvollziehbar ist.
Gemäß § 1 Abs. 2 Z 2 LVO ist Liebhaberei bei einer Betätigung anzunehmen, wenn
Verluste entstehen aus Tätigkeiten, die typischerweise auf eine besondere in der
Lebensführung begründete Neigung zurückzuführen sind.
Bei Betätigungen gemäß § 1 Abs. 2 liegt Liebhaberei gemäß § 2 Abs. 4 LVO dann nicht
vor, wenn die Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit in einem "absehbaren" Zeitraum
einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten
erwarten lässt. Andernfalls ist das Vorliegen von Liebhaberei ab Beginn der Betätigung so
lange anzunehmen, als die Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit nicht im Sinn des
vorstehenden Satzes geändert wird.
Die Anerkennung als Einkunftsquelle kann somit nur dann erfolgen, wenn trotz Auftretens
zeitweiliger Verluste die Erzielung eines Gesamtgewinnes in einem absehbaren Zeitraum
tatsächlich zu erwarten ist. Die Tätigkeit muss also objektiv ertragsfähig sein, was der
Steuerpflichtige nachzuweisen oder glaubhaft zu machen hat (vgl. Doralt, EStG8, § 2
(LVO) Tz 453).
Vorweg ist daher zunächst die Frage zu klären, ob die Tätigkeit der Bw als
Avatar -Trainerin (Master) unter § 1 Abs. 1 oder § 1 Abs. 2 Z 2 LVO fällt. Diese
Zuordnung ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil je nach Zuordnung für die
Liebhabereibeurteilung unterschiedlichen Maßstab heranzuziehen sind und Anlaufverluste
nur bei einer Tätigkeit nach § 1 Abs. 1 LVO steuerlich zu berücksichtigen sind.
Ob eine Tätigkeit erwerbswirtschaftlich ist oder typischerweise einer besonderen in der
Lebensführung begründeten Neigung entspricht, ist im Einzelfall anhand ihrer Art und
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des Umfanges zu beurteilen. Unter § 1 Abs. 1 LVO fallen daher insbesondere solche
Tätigkeiten, die dem äußeren Erscheinungsbild eines typischen Gewerbebetriebes, aber
auch anderen betrieblichen Betätigungen (zB freiberuflich Tätigkeiten) entsprechen (vgl.
Rauscher/Grübler, Steuerliche Liebhaberei2, Rz 158, 156). Bei der Beurteilung, ob eine
Tätigkeit iSd § 1 Abs. 2 Z 2 LVO auf eine besondere in der Lebensführung begründeten
Neigung zurückzuführen ist, ist nicht auf die konkrete Neigung des Abgabepflichtigen
abzustellen, sondern darauf, ob die konkrete Tätigkeit bei Anlegen eines abstrakten
Maßstabes (arg. typischerweise) einen Zusammenhang mit einer in der Lebensführung
begründeten Neigung aufweist (VwGH 30.7.2002, 96/14/0116; 22.3.2006, 2001/13/0290)."
UFS 23.4.2007, RV/1978-W/05
"In typisierender Betrachtungsweise handelt es sich bei der Erlernung von "Feng-Shui"Kenntnissen (wie auch bei anderen vergleichbaren Philosophie- bzw. Denkmodellen
etc.) um eine Betätigung, "die typischerweise auf eine besondere in der Lebensführung
begründete Neigung zurückzuführen ist" (wörtliches Zitat des § 1 Abs. 2 der LiebhabereiVerordnung, die die steuerliche Behandlung von Betätigungen dahingehend regelt, ob
eine Tätigkeit oder Betätigung als steuerlich relevant zu qualifizieren ist). D.h., dass die
Erlernung dieser Kenntnisse oder Fähigkeiten in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle
aus ausschließlich privatem Interesse betrieben wird und generell eine unternehmerische
Verwertung dieser Kenntnisse im Rahmen einer selbständigen oder gewerblichen Tätigkeit
nicht das Hauptmotiv sein wird bzw. überhaupt nicht beabsichtigt ist. Insbesondere die
in diesem Zusammenhang durchgeführte Reise nach Irland ist unter dem Aspekt der
jedenfalls überwiegenden privaten Veranlassung zu betrachten.
Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass es sich bei dieser Betätigung gem.
den einschlägigen Bestimmungen der Liebhaberei-Verordnung um eine steuerlich
unbeachtliche Liebhabereibetätigung handelt, wäre es an Ihnen gelegen, diese Vermutung
anhand konkret nachvollziehbarer objektiver Umstände, insbesondere im Hinblick auf die
Erzielung konkreter steuerpflichtiger Einkünfte, zu widerlegen."
Vor dem oben dargelegten rechtlichen Hintergrund ist in sachverhaltsmäßige Hinsicht von
besonderer Bedeutung:
Die Branche, von der die Bf in den Streitjahren einerseits Produkte im weitesten Sinn
(Kurse und Essenzen) bezog und in der bzw für die sie andererseits nebenberuflich
tätig wurde, wird mit Esoterik bezeichnet. Esoterik ist in der ursprünglichen Bedeutung
des Begriffs eine philosophische Lehre, die nur für einen begrenzten „inneren“
Personenkreis zugänglich ist. Andere traditionelle Wortbedeutungen beziehen sich
auf einen inneren, spirituellen Erkenntnisweg, etwa synonym mit Mystik , oder auf
ein „höheres“, „absolutes“ und althergebrachtes Wissen. Im heutigen populären und
wissenschaftlichen Sprachgebrauch hat sich keine allgemein anerkannte Definition
etabliert. In der Umgangssprache hat „esoterisch“ häufig die Bedeutung von „irrational“
oder „versponnen“. Die Religionswissenschaft und die Geschichtswissenschaft
verwenden den Begriff ohne Wertung zur Bezeichnung diverser religiöser und kultureller
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Strömungen, insbesondere in der Neuzeit und im westlichen Kulturraum. Heute wird
„Esoterik“ weithin als Bezeichnung für „Geheimlehren“ verstanden, wobei es sich de facto
allerdings zumeist um allgemein zugängliche „offene Geheimnisse“ handelt, die sich einer
entsprechenden Erkenntnisbemühung erschließen. Nach einer anderen, ebenfalls sehr
geläufigen Bedeutung bezieht sich das Wort auf eine höhere Stufe der Erkenntnis, auf
„wesentliches“, „eigentliches“ oder „absolutes“ Wissen und auf die sehr vielfältigen Wege,
welche zu diesem führen sollen (wikipedia.org).
Die Esoterik-Branche verspricht (auf der emotionalen Ebene, grob verallgemeinernd),
die weit verbreitete Sehnsucht nach spiritueller Heilung und Lebenshilfe zu stillen.
In ihr wird allein in Deutschland ein geschätzter Jahresumsatz von 25 Milliarden €
erzielt. Bezogen auf die hier strittigen steuerlichen Fragen lässt sich die Branche –
unter Bedachtnahme auf die allgemeinen Lebenserfahrungen und die Berichterstattung
in renommierten Medien (Der Standard, 27.1.2014 und 29.4.2015; Profil, 13.3.2015;
Die Presse, 26.6.2007, 20.5.2007, 7.10.2010; Der Spiegel, 23.7.2012 und 7.5.2013;
www.br.de) - wie folgt charakterisieren: Mit Esoterik kann man zweifelsfrei gute Geschäfte
machen bzw steuerlich relevante Einkünfte erzielen. Für Esoterik im weitesten Sinn
(Beratung, Coaching, Öle, Salze, Essenzen, Bücher, Kurse, Buddha-Statuen, EngelsFigürchen, Heilsteine,) wird von Menschen, die persönliche Heilung, Liebe, Glück,
Wohlbefinden und/oder Erfüllung suchen, viel Geld ausgegeben. Die Bewertung der auf
dem Markt angebotenen Produkte ist meist subjektiv gefärbt und breit gefächert. Die hier
zu treffende steuerrechtliche Entscheidung hat sich freilich jeder Wertung zu enthalten.
Hierin stimmt der Senat der Auffassung des steuerlichen Vertreters der Bf uneingeschränkt
zu.
Als Ziel und Zweck des Besuchs von Kursen und Seminaren wird im Allgemeinen und
auch im Speziellen, also bezogen auf den Streitfall, vorrangig die persönliche Nutzung,
das sinnstiftende Suchen nach dem eigenen spirituellen Weg und hinzutretend die
Erlangung der Befähigung, das Erlernte beratend, heilend weiterzugeben, beworben
und angepriesen, wobei letzterem zweierlei Bedeutung zukommt. Zum einen sollen
vordergründig neue Perspektiven eröffnet werden, zum andern kann dem gezielten
Hinweis vor allem eine absatzfördernde Absicht und Wirkung nicht abgesprochen werden.
Charakteristisch für die von der Bf besuchten Kurse ist der modulartige Aufbau, wobei das
Erreichen einer Stufe Voraussetzung und Anreiz für weitere Schritte darstellt.
Die nachfolgenden Zitate verdeutlichen, dass der von der Bf vor allem in den Streitjahren,
aber auch noch danach beschrittene Ausbildungsweg insoweit untypisch ist, als es
keineswegs allein oder auch nur primär um eine solide berufliche Ausbildung geht bzw
ging, die vorrangig das Ziel hat, die Befähigung zu einem typischen Erwerbsberuf zu
erlangen, am Markt nachgefragte entgeltliche Leistungen zu erbringen, einen Beitrag zur
Lebenshaltung zu erwirtschaften. Vielmehr erhellen die Zitate, dass die Ausbildungskurse
jedenfalls auch, wenn nicht sogar vorrangig einen rein persönlichen Nutzen bezweckten:
"Die Alpha Chi Consultants werden in der heiligen Tradition des Agni ausgebildet.
Zugelassen werden Absolventen des »Weg ins Licht«-Seminars, bei denen sich zum
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Abschluss deutlich gezeigt hat, dass dies zu ihrer spirituellen Entwicklung gehört.
Zugangsebene ist das 8. Chakra, die Ebene der Gesetzmäßigkeit, über die die Berater
lösungsorientierte Informationen abholen, Wissen erfragen, Energieverläufe erkennen und
diese entsprechend verändern können. […..] Die Alpha Chi Consultant Ausbildung ist eine
praxisorientierte Ausbildung, in der alles Gelernte direkt erfahren wird und damit bereits
vom ersten Schritt an auch berufsbegleitend eingesetzt werden kann." ( www.alphachi-consultants.de ) "Starlight Essenzen Therapie: Ein neuer Weg zu Bewusstwerdung,
Erkenntnis des eigenen Seins, Entfaltung der eigenen Qualitäten und Potenziale. Die
Starlight Essenzen wurden im Jahr 2002 in Verbindung mit den Sternenlichtwelten,
die über Stonehenge zur Erde einströmen, als neues Energie-Essenzensystem zur
Erde gebracht. In ihrer Wirkung sind sie einzigartig, da sie mit dem klarem Licht einen
Einblick gewähren in das gesamte Wesen, in den eigenen Entwicklungsweg und alle
verborgenen Ecken und Bereiche beleuchten, so dass es leicht wird, voller Freude den
eigenen Lebensfluss anzuregen und ihm zu folgen. Sie sind unterteilt in drei verschiedene
Gruppen. Die ersten 31 Starlight Essenzen bringen Unterstützung für alle Themen, die
das Menschsein mit sich bringt. Sie gewähren Einblicke in den Menschen und seine
verschiedenen Energiekörper, um so die Resonanzen zu den Themen aufzuzeigen, und
durch die Energiebehandlung mit den Essenzen eine direkte Veränderung bewirken zu
können. […..] Mit der dritten Gruppe - den Essenzen der göttlichen Qualitäten und der 10
weißen Göttinnen - findet sich hier das reine goldene Licht der Himmel. Diese Essenzen
bringen neue Heilebenen und Bewusstwerdung des eigenen göttlichen Lichtes mit sich.
Sie machen den Himmel auf Erden erfahrbar und helfen den Menschen dabei, sich an die
eigene Göttlichkeit zu erinnern und wieder daran anzuschließen, um so innewohnende
Qualitäten zu verstärken oder Geschenke des Himmels zur Erde zu bringen. […..] Der
dritte Teil umfasst die 21 Essenzen der göttlichen Qualitäten und die 10 Essenzen der
weißen Göttinnen. Diese Essenzen unterstützen in besonderem Maße das Licht, das
durch die goldenen Wellen zur Erde kommt, um das goldene Zeitalter mit vorzubereiten
und zu manifestieren. Sie bringen ganz neue Heilungsebenen und Methoden mit
sich, so dass es für die Menschen leichter wird, ihre eigene Göttlichkeit erfahren und
leben zu können. Die Teilnehmer erhalten in diesem Teil die Zugänge in die göttliche
Wahrnehmung, um so das göttliche Licht in seinen verschiedensten Ausdrucksformen und
Qualitäten erfassen und bewusst einsetzen zu können. Level 3 beinhaltet das Anlegen
von Kraftplätzen, das Aufladen von Räumen und von Kristallen und das Erstellen von
Heilungsmandalas. " (www.starlight-essences.com) "Wie können wir dann verhindern,
immer wieder in gleiche Muster, Strukturen zu verfallen? Wir lösen sie auf. Gauri Gatha
löst Beziehungsstrukturen, Bindungen, Verhaltensmuster dort, wo sie entstanden sind.
Sie werden erklärt, ihr Ursprung wird aufgezeigt und der Weg benannt und gemeinsam
beschritten, um zur Lösung der Konflikte zu kommen. Dies führt dazu, daß wir freier,
ungezwungener mit anderen Menschen oder Situationen in unserem Leben umgehen
können. Unerklärliche Abneigungen und Widerstände werden so gelöst und Frieden und
Harmonie bestimmen unsere Beziehungen zu anderen und zu uns selbst" (http://gaurigatha.com/) Die GAURI Gatha Ausbildung ist eine Bereicherung für jeden Alpha Chi
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Consultant. Auch Klienten, die nur wenig Erfahrung mit Energiearbeit mitbringen, können
sich auf diese Form der Beratung leicht einlassen, weil durch das Stellen ein äußerer
Bezugsrahmen gegeben ist" ( http://www.gauri-gatha.de ).
Auch die nachfolgend wiedergegebenen Aussagen der Bf belegen, dass vor allem
die von ihr besuchten Kurse, aber auch ihre auf den Kursen aufbauende, beratende
Tätigkeit jedenfalls auch auf eine besondere in der Lebensführung begründete Neigung
zurückzuführen ist, womit auch der Standpunkt ihres steuerlichen Vertreters widerlegt ist,
dass es sich bei der beratenden Tätigkeit der Bf um eine erwerbstypische Tätigkeit - im
Grundsätzlichen vergleichbar mit der steuerlichen Beratung - handle: " Um diese Tätigkeit
ausüben zu können, muss man sehr sensibel sein. Ich muss täglich meditieren. Ich muss
selbst für meine innere Reinheit sorgen, um reinigend beraten zu können. Die Übung,
das Trennen von Strömen, die Aufhebung von Blockaden, die Ausbildung, so wie es
geschildert wurde bzw. verlesen wurde, all das ist Voraussetzung dafür, um beratend tätig
zu sein." "Im Jahr 2010 merkte ich, dass mein Name nicht mehr meiner Energieordnung
entsprochen hat und ich habe mich weiter entwickelt, ihn hinter mir gelassen. Nun heiße
ich Bf4. Dieser Name entspricht meinem Seelenklang ."
Thematisch kennzeichnend für die von der Bf ausgeübte Beratung ist, dass sie in einem
sehr privaten, geradezu intimen, höchst persönlichen Bereich stattfand, in methodischer
Hinsicht weit vorgelagert zu psychologischer und psychotherapeutischer Beratung, in
thematischer Hinsicht eng verwandt zu Lebensberatung, wie sie alltäglich unter guten
Freunden, Verwandten und Kolleginnen erfolgt. Der Vertreter der Bf brachte dies in
der mündlichen Verhandlung mit folgenden Worten zum Ausdruck: " Die Tätigkeit der
Beschwerdeführerin zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf einem höchst persönlichen
Bereich erbracht wird. Dies wird durch den Umstand dokumentiert, dass eine Zeugin keine
Details über den Inhalt der Beratung bekannt geben wollte." Die von der Bf und ihrem
Ehemann betriebene WEB-Site führt in diesem Zusammenhang aus: "Über den Zugang
zu den Kristalltempeln und den Hüterwesen bekommt jeder Teilnehmer seine eigenen
Zugänge zu Lichtwerkzeugen und Kristallebenen, die in die heutige Zeit passen. Es ist
eine sehr kraftvolle und intensive Heilarbeit. Tiefgreifend nicht nur für den physischen
Körper sondern darüber hinaus auf Seelenebne, um das göttliche Bewusstsein im
Menschsein zu verankern. Voraussetzung um auf diesen Ebenen zu arbeiten ist der Weg
ins Licht und die ACC Ausbildung, in der das 8. Chakra (der Zugang zur Gesetzmäßigkeit
geöffnet wird." (internet)
Mit E-Mail vom 19.3.2015 übermittelte die Bf mit Hinweis auf ihre zuletzt angeführte
Homepage eine nicht datierte Beilage mit der Überschrift "Ausbildungsschwerpunkte
sind für Alpha Chi Berater". Selbst diese einseitige Darstellung macht deutlich, dass der
berufsbegleitende Einsatz nur ein Aspekt der Seminare ist.
Damit aber ist offensichtlich, dass die von der Bf in den Streitjahren getätigten
Aufwendungen jedenfalls auch ihren höchstpersönlichen Lebensweg betrafen, ihre
eigene "spirituelle Entwicklung" und "die Bewusstwerdung des eigenen göttlichen Lichts"
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bezweckten und damit jedenfalls auch im steuerlichen Sinn ihrer privaten Lebensführung
dienten.
In rechtlicher Hinsicht bedeutet dies: In Fällen von Aufwendungen, die ihrer Art nach eine
private Veranlassung nahe legen, darf die Veranlassung durch die Einkunftserzielung nur
dann angenommen werden, wenn sich die Aufwendungen als für die betriebliche bzw
berufliche Tätigkeit notwendig erweisen. Die Notwendigkeit bietet in derartigen Fällen
das verlässliche Indiz der betrieblichen bzw beruflichen Veranlassung im Gegensatz zur
privaten (vgl VwGH 27.6.00, 2000/14/0096 , 0097 mwN; 14.12.06, 2002/14/0012 ). Die
EB zu BGBl I 106/1999 nennen dabei zB Esoterik. Kurse zur Vermittlung von „social skills“,
die in gleicher Weise für den Bereich der Lebensführung wie für eine breite Palette von
Erwerbstätigkeiten dienlich sein können, sind nur dann geeignet, zu Betriebsausgaben/
Werbungskosten zu führen, wenn ein konkreter Bedarf im Einzelfall feststellbar ist
(VwGH 31.5.11, 2008/15/0226 ). Nicht abzugsfähig sind danach die Kosten für AvatarKurse (UFS 9.3.2011, RV/3305-W/09) und Huna-Lehrgänge (UFS 22.11.2011, RV/1146W/11; Jakom/Lenneis, EStG, 2015, § 16 Rz 52). Da ein solcher Bedarf – bezogen auf
den Hauptberuf der Bf - jedenfalls nicht feststellbar ist, ist geklärt, dass die von der Bf
getätigten Aufwendungen keine Werbungskosten im Zusammenhang mit dem von ihr
ausgeübten Hauptberuf darstellen. (vgl. UFS 22.11.2011, RV/1146-W/11, 6.12.2005,
RV/0035-W/05, und 23.4.2007, RV/1978-W/05).
Fraglich bleibt, ob die Aufwendungen einem steuerlich anzuerkennenden Nebenberuf
als Beraterin zugeordnet werden können bzw ob die Bf in den Streitjahren einen solchen
nebenberuflich ausgeübt hat. Diesbezüglich wird auf das gerichtliche Ersuchen vom
24.2.2015 verwiesen. In ihm wurde der Bf Rechtsprechung (UFS 23.4.2007, RV/1978W/05) vorgehalten, mit der Aufwendungen für Feng Shui-Seminare vor allem im
Hinblick auf das Missverhältnis der hohen Aufwendungen zu den Einnahmen nicht als
vorweggenommene Betriebsausgaben anerkannt worden sind.
In diesem Sinn galt es für den Senat zu klären, ob die nebenberufliche Tätigkeit der Bf
unter § 1 Abs. 1 LVO oder unter § 1 Abs. 2 Z 2 LVO einzuordnen ist, das heißt, ob die
Tätigkeit – wie die Bf grundsätzlich zutreffend vorbringt - aufgrund ihrer Art, ihres Umfangs
und ihrer Intensität sowie unter Bedachtnahme auf das im Wirtschaftsleben übliche
Erscheinungsbild als typisch erwerbswirtschaftlich oder als in der privaten Lebensführung
14
begründet anzusehen und einzustufen ist (Doralt/Renner, EStG § 2 Tz 454/1; UFS
23.03.2005, RV/0443-G/02, 11.05.2012, RV/0198-G/10, und 17.11.2009, RV/0038-F/07).
Entgegen der Auffassung der Bf kommt der Senat zur Überzeugung, dass eine Prüfung
nach dem dargestellten Maßstab zu dem vom Finanzamt vertretenen Ergebnis führt. Dies
aus folgenden Gründen:
Die Bf übte die strittige Tätigkeit, insbesondere die Vortragstätigkeit, in den Streitjahren
weitgehend unentgeltlich aus. Sie war in einem Bereich beratend tätig, in dem "Rat geben"
per se nicht als typischerweise erwerbswirtschaftlich oder gar der Erwerbswirtschaft
vorbehalten bezeichnet werden kann.
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Auch Umfang und Intensität der von der Bf in den Streitjahren ausgeübten
beratenden Nebentätigkeit sprechen gegen die Annahme einer Betätigung mit
Einkunftsquellenvermutung. Die erklärten Erlöse waren absolut gesehen gering (2006 –
2012, 0, 1.170, 420, 180, 1.110, 1.680) und standen in einem auffälligen Missverhältnis zu
den getätigten Kursaufwendungen (insgesamt mehr als 30.000 €), wobei der Senat dieses
Missverhältnis jedenfalls auch auf die private begründete Leidenschaft und nicht allein
oder vorrangig auf die beruflichen Ambitionen der Bf zurückführt.
Nach eigenen Angaben vom März 2015 hat die Bf 2008/2009 viele kostenlose Vorträge in
der Umgebung gehalten. Dies hat die Bf in der mündlichen Senatsverhandlung bestätigt.
In einer Beilage zum Berufungsschriftsatz vom Jänner 2012 (AS 16/2010) räumte die
Bf ebenso wie in der mündlichen Senatsverhandlung ein, Ende 2009 keinen festen
Kundenstamm gehabt zu haben, mittlerweile aber einen Kundenstamm von 35 Personen
vorweisen zu können. In der Vorhaltsbeantwortung vom März 2015 führte die Bf in der
"Klientenliste 2006 – 2015" (also nur zur Hälfte die Streitjahre betreffend) 51 Kunden
namentlich an. Auch aus diesem Umstand schließt der Senat, dass die beratende
Tätigkeit der Bf in den Streitjahren den hobbymäßigen Rahmen nicht sprengte, zumal
die Bf in der Berufung auch selbst einräumte, die Entwicklung der Einnahmen sei in den
Streitjahren nicht zufriedenstellend gewesen. In der mündlichen Verhandlung sprach
sie von marginalen Erlösen. Das von der Bf im März 2015 erstattete, in der mündlichen
Verhandlung im Detail erläuterte Vorbringen, sich darauf auszurichten, die Einnahmen
aus ihrer spirituellen Tätigkeit in den nächsten Jahren drastisch zu erhöhen, ist eine die
Zukunft betreffende Absichtserklärung, mit der aber keinesfalls dargetan wird, dass die in
den Streitjahren ausgeübte nebenberufliche Beratertätigkeit den hobbymäßigen Rahmen
sprengte.
Schließlich spricht auch ein Vergleich der von der Bf in den Streitjahren ausgeübten
Tätigkeit mit dem im Wirtschaftsleben üblichen Erscheinungsbild für die Annahme
einer in der privaten Lebensführung begründeten Tätigkeit. Die Bf meldete erst im
dritten auf die Streitjahre folgenden Jahr ihre Beratertätigkeit (bzw im achten Jahr nach
dem Besuch des Kurses "Der Weg ins Licht) als freies Gewerbe der Energetik an (
"Hilfestellung zur Erreichung einer körperlichen bzw energetischen Ausgewogenheit
mittels der Methode von Dr. Bach, mittels Biofeedback oder Bioresonanz, mittels
Auswahl von Farben, Düften, Lichtquellen, Aromastoffen, Edelsteinen, Musik, unter
Anwendung kinesiologischer Methoden, mittels Interpretation der Aura, mittels
Magnetfeldanwendung, durch sanfte Berührung des Körpers bzw. gezieltes Auflegen
der Hände an bestimmten Körperstellen, mittels Cranio Sacral Balancing, durch
Berücksichtigung bioenergetischer, geobiologischer, elektrobiologischer, baubiologischer
und geomantischer Gesichtspunkte."). Wie die Bf zutreffend ausführte, kommt der
gleichzeitig erfolgten Meldung an den Dienstgeber erhebliche Bedeutung zu. Denn erst
damit hat die Bf - wie sie in der mündlichen Senatsverhandlung freimütig und glaubhaft
versichert hat - ihre Nebentätigkeit auf eine "öffentliche und gerade Schiene" gestellt,
wodurch sie auch eine geschützte Stellung erlangte. Allerdings zieht der Senat daraus
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den Schluss, dass vor der Meldung im Jahr 2013 mangels entsprechender Intensität der
Tätigkeit auch nicht im entferntesten eine Meldepflicht nach § 32 LBedG 2000 bestanden
hat.
Die Zeugin S.F. nahm im Jahr 2010 einmalig eine Feng-Shui-Beratung in Anspruch und
hat die Kontaktaufnahme als anfänglich eher privat angesehen. Die Zeugin G.G. hat eine
Reihe von als professionell gewerteten Leistungen der Bf in Anspruch genommen, dies
allerdings erst im Jahr 2012.
Der steuerliche Vertreter führte in seiner E-Mail vom 13.3.2015 aus, die Bf habe die
Ausbildung (zur spirituellen Lehrerin) erst 2013 abgeschlossen, die davor ausgeübte
Tätigkeit habe in der Phase der Vorlaufzeit stattgefunden. In ihrer E-Mail vom 13.3.2015
führte die Bf aus, in den Jahren 2012/13 die 2-jährige Ausbildung zum spirituellen Lehrer
gemacht zu haben, da sie erkennen haben musste, als Alpha Chi Consultant Menschen
noch nicht voll und ganz in ihr Potenzial führen zu können. Bf4s Kristalltempel seien in
Rückführungen erhaltene Zugänge zu ihren Kristalltempeln. 2013 habe sie den ersten
"Probelauf" zu diesen Ebenen gegeben. Die Bf hat dazu in der mündlichen Verhandlung
Folgendes vorgebracht: "Es ist richtig, dass die Einnahmen in den Streitjahren und auch in
den ersten Jahren danach relativ niedrig waren und die Ausbildungskosten nicht gedeckt
haben. Man darf aber nicht vergessen, dass ich noch in Ausbildung war. Die Ausbildung
habe ich Ende 2013 abgeschlossen. Wenn Sie im Studium sind, können Sie auch das
bis zu einem bestimmten Stadium Erlernte nicht sofort umsetzen. So war es auch bei mir
zwischen den Ausbildungsblöcken. Da kann man nicht sofort Einnahmen erzielen". Aus
all dem wird der Schluss gezogen, dass die Ausbildung der Bf zur umfassenden Beraterin
in den Streitjahren noch nicht abgeschlossen war, dass die Streitjahre als Probe- und
Vorlaufphase, nicht aber als Anlaufphase zu werden sind, dass die Bf ihre nebenberufliche
Tätigkeit als Beraterin im Jahr 2013 auf eine Art änderte, sodass hierin eine grundlegende
Änderung der Bewirtschaftung zu sehen sein dürfte, dass bis dahin jedenfalls keine
steuerlich beachtliche Tätigkeit gegeben ist und dass danach eine neue Beurteilung zu
14
erfolgen hat (Doralt/Renner, EStG , (LVO) § 2 Tz 475 ff). Weitere Sachverhaltselemente,
die erst nach den Streitjahren verwirklicht worden sind, stellen Schritte in die erst nach den
Streitjahren erfolgte Professionalisierung der bis dahin nebenberuflich bzw hobbymäßig
ausgeübten Tätigkeit dar. Als solche, das vorgefundene Gesamtbild abrundende Elemente
sind zu nennen:
Die Bf hat ihren Namen 2011 amtlich geändert. Abgesehen davon, dass auch dieser
Umstand als Schritt in die Professionalisierung gewertet wird, lässt die Begründung, die
die Bf hiefür in der Vorhaltsbeantwortung vom März 2015 anführt, deutlich die private
(Mit)Veranlassung erkennen (… "lässt erkennen, wie ernst es mir ist, mit allem nach
außen zu gehen und mich zu zeigen…. Bf5 war mein Seelenname von 2005 bis 2010.
2010 hat sich gezeigt, dass durch meine spirituelle Entwicklung ein anderer Klang
meiner Seele erkennbar wurde. Seelennahmen entsprechen dem Klang der Seele des
betreffenden Wesens und mach Sie erkennbar.")
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Die Bf hat laut ihren Angaben vom März 2015 im April 2013 an der ESOnatura Messe
teilgenommen. Weiters berichtet sie im März 2015 erstmals davon, auf 2 Märkten im
Dezember 2014, auf denen sie ihre Badeöle vorgestellt habe, bei Elterngesprächen, bei
Konferenzen und vielen Vorträgen Klienten erreicht und mit Flyern bedacht zu haben.
In der mündlichen Senatsverhandlung hat sie dieses Vorbringen wiederholt. Damit wird
deutlich, dass die Bf den öffentlichen Markt erst Jahre nach den Streitjahren beschritten
und dass sie dort auch erstmalig Sachgüter angeboten hat.
Sowohl die enge Verbindung zwischen privatem und nebenberuflichem Lebensweg
als auch den Eintritt einschneidender, nach den Streitjahren eingetretener Umstände
verdeutlicht der Umstand, dass die Bf am 22.7.2011 ihren Mann kennengelernt hat,
mit dem sie aktuell (seit 2012/2013) eine WEB-Site ( internet ) unterhält, über die das
Ehepaar ("Willkommen in unserem Shop ") ein einschlägiges Warensortiment vertreibt
(Chakrensalz, energetisierte Salze, Bambussalz, Sonnensalz, Steinsalz, Himalaya
Kristallsalze, Meersalz, Wüstensalz, Rauchsalz, Pyramidensalz, Badeöle, energetische
Creme) und die Bf ihre Zuwendung und Beratung anbietet ("Durch meine bedingungslose
Liebe erinnerst du dich wieder an dein eigenes Licht. …. Ich kläre dein Energiesystem,
hole ausgelagerte Potenziale in dein System und verbinde dich mit deinem Ursprung.
Mit vielen Helfern unterstütze ich dich in deinem Heilungsprozess, wo immer du Heilung
benötigst und wie es deiner Seele entspricht.")
Die Bf ist im Hauptberuf Lehrerin mit einer Vollzeitverpflichtung. Sie übte diesen Beruf
durch all die Jahre ernst und pflichtbewusst aus, was als Indiz dafür zu werten ist, dass
ihr der Nebenberuf spirituell besonders wichtig war, dass aber der Hauptberuf dem
Broterwerb diente und finanziellen Vorrang genoss. In der mündlichen Verhandlung
sagte die Bf in diesem Zusammenhang aus, die Stellung als pragmatisierte Lehrerin nicht
leichtfertig, sondern erst bei Erzielen entsprechender Erlöse, aufgeben zu wollen bzw
können.
An obigen Feststellungen und Wertungen vermögen auch die Beschwerdeausführungen
nichts zu ändern:
Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist die im Berufungsschriftsatz erwähnte,
allerdings dort nicht abgelegte, dem Gericht aber im März 2015 neuerlich vorgelegte
Kursbeschreibung (AS 87) kein Beweis dafür, dass die Tätigkeit als Alpha Chi Consultant
der Art nach auf die professionelle Beratung von Menschen ausgerichtet ist. Dies aus
folgenden Gründen: Die angesprochene, oben wiedergegebene Beschreibung ist nicht
datiert. Ihre Herkunft bzw Verwendung ist nicht gesichert. Sie trägt die Überschrift
Ausbildungsschwerpunkte und nennt in Absatz 1 als Ziel, die Befähigung, Menschen
professionell zu beraten. Die Ausführungen im dritten Kapitel verdeutlichen aber klar,
dass alles Gelernte direkt erfahren wird und damit auch, also nicht nur berufsbegleitend
eingesetzt werden kann. Damit ist selbst in dieser Beschreibung auch der private bzw
nicht professionelle Aspekt angesprochen. Hinzu kommt, dass der zuletzt genannte
Aspekt (der eigenen spirituellen Erfahrung und des eigenen Weges) in anderen, oben
zum Teil zitierten, öffentlich zugänglichen Lehrgangsbeschreibungen zweifelsfrei zum
Seite 22 von 24
Ausdruck gebracht wird (AS FA 22/2005; www.alpha-chi-consutants.de ; www.starlightessences.com ) .
Der Senat teilt die Auffassung nicht, dass die zeit- und kostenaufwendige Ausbildung
ein Erfolgsstreben belegt, das die Leidenschaft einer hobbymäßig betriebenen Tätigkeit
übersteigt. Zum einen spricht die Lebenserfahrung in solchen Fällen gegen eine
eindimensionale und für eine zumindest zweischichtige Motivlage. Vor allem aber kommt
es auf die Inhalte der Ausbildung an. Diesbezüglich wurde bereits aufgezeigt, dass die
"Ausbildung" zum Alpha-Chi-Cosultant ebenso wie die "Ausbildung" in "Starligt essence
Therapie" zumindest auch die eigene spirituelle Entwicklung betrifft, dass sie auch (aber
nicht nur) berufsbegleitend eingesetzt werden kann, dass es darum geht, Einblicke in die
Sternenwege der menschlichen Seele zu geben und in Kontakt mit den eigenen Visionen
auf dem Weg der Vollendung zu kommen.
Angesichts dessen, dass die Bf Ende 2009 (also 4 Jahre nach Besuch des Seminars
"Der Weg ins Licht" und nur ein Jahr vor Ablauf des Streitzeitraumes) noch keinen
festen Kundenstamm hatte, dass sie erst 2012 von einem Kundenstamm von 35
Personen spricht, dass sie nach eigenen Angaben ihren spirituellen Weg erst Jahre
nach den strittigen abgeschlossen hat, dass sie auch erst Jahre nach den strittigen das
sogenannte Hilfestellergewerbe angemeldet und eine entsprechende Meldung an den
Dienstgeber gemacht hat, vermag der Senat das Beschwerdevorbringen nicht zu teilen,
dass der Umfang der in den Streitjahren nebenberuflich ausgeübten Beratertätigkeit den
hobbymäßigen Rahmen sprengte.
An dieser Beurteilung vermag auch der Hinweis des Vertreters der Bf auf eine
Berufungsentscheidung des UFS (UFS 1.10.2010, RV/0484-F/08, UFSjournal 2011,
12) nichts zu ändern, da der dort maßgebliche Sachverhalt mit dem hier festgestellten
in wesentlichen Punkten nicht übereinstimmt. Insbesondere die Intensität, mit welcher
ein Mitglied einer anerkannten Künstlervereinigung im maßgeblichen Zeitraum (zum
Verkauf angebotene) Werke schuf, in öffentlichen Verkaufsausstellungen wie auch
im Internet präsent war und auch (vereinzelt) Erfolg erzielte, führten in der zitierten
Berufungsentscheidung dazu, eine künstlerische Tätigkeit als erwerbstypisch zu
qualifizieren. Es wurden also zwar die gleichen Unterscheidungsmerkmale herangezogen,
allerdings differierte der maßgebliche Sachverhalt in wesentlichen Punkten.
Auch die von der Bw in der Berufung beschriebenen Werbemaßnahmen sind in den
Streitjahren nicht so beschaffen, dass von ihnen auf eine erwerbswirtschaftlich ausgeübte
Tätigkeit zu schließen wäre. Messe- und Marktauftritte erfolgten erst ab 2013. Der
Internetauftritt fällt auch in diese Zeit. Dazu führte die Bf in der mündlichen Verhandlung
aus: "Ich habe die Domain 2012 oder 2013 erworben. Ich selbst bin Webmasterin unserer
homepage (www.goldenfire-healing.center.at). Auf unserer Homepage werden unter
anderem News und in einem Kalender sämtliche Kurse aufgezählt und angeboten (FengShui, Einzelsitzungen, Gruppenberatungen betreffend). Im letzten Jahr haben wir auch
einen Shop dazu geschaltet, über den wir unter anderem Öle und Salze vertreiben."
Seite 23 von 24
Auf den aktenkundigen Visitenkarten ist die Bf mit dem Namen angeführt, den sie nach
Umbenennung und Verehelichung trägt. Damit können somit bestenfalls ab Juli 2011
durchgeführte Werbemaßnahmen indiziert sein.
Zusammenfassend bedeutet dies: Die Bf hat die nebenberufliche Tätigkeit als spirituelle
Beraterin in den Streitjahren (nach Art, Umfang, Intensität und äußerem Erscheinungsbild)
so ausgeübt, dass bei Anlegen eines abstrakten und typisierenden Maßstabes auf
eine besondere in der Lebensführung begründete Neigung zu schließen ist. Diese
Beratertätigkeit fällt damit unter die Tätigkeiten gemäß § 1 Abs. 2 Z 2 LVO und hat
infolge der entstandenen Verluste die Liebhabereivermutung für sich. Da die Bf aus
dieser Tätigkeit (während einheitlicher Bewirtschaftung) nur "Verluste" erzielt hat, es
ihr somit nicht gelungen ist, die Liebhabereivermutung zu widerlegen (Zitat aus der
mündlichen Verhandlung: Wenn Sie im Studium sind, können Sie auch das bis zu einem
bestimmten Stadium Erlernte nicht sofort umsetzen. So war es auch bei mir zwischen
den Ausbildungsblöcken. Da kann man nicht sofort Einnahmen erzielen.) , war der
Beschwerde ein Erfolg zu versagen (§ 2 Abs. 4 LVO).
Zulässigkeit einer Revision: Zur Rechtsfrage, nach welchen Kriterien eine (spirituell)
beratende Tätigkeit unter § 1 Abs. 2 Z 2 LVO einerseits oder § 1 Abs. 1 LVO andererseits
einzuordnen ist, ist keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu finden. Dieser Frage
wird deshalb eine grundlegende Bedeutung beigemessen.
Feldkirch, am 23. Juni 2015
Seite 24 von 24
GZ. RV/7100442/2011
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf., vertreten
durch Vertreter gegen die Bescheide des FA X betreffend Einkommensteuer für die Jahre
2009 und 2010 zu Recht erkannt:
Den Beschwerden wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2009 und 2010
werden abgeändert.
Die Höhe der Abgaben und die Bemessungsgrundlagen ergeben sich aus den
beiliegenden Berechnungsblättern und bilden einen Bestandteil des Spruches.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bf.) bezog in den Streitjahren 2009 und 2010 Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
In seinen Einkommensteuererklärungen beantragte der Bf. die Anerkennung von
Werbungskosten betreffend Reisespesen in Höhe von € 3.807,70 für das Jahr 2009 und €
4.006,99 für das Jahr 2010.
Der Bf. legte eine Bescheinigung seines Arbeitgebers vor, in welcher dieser bestätigt,
dass der Bf. im Auftrag diverse Dienstreisen unternommen habe und die Beträge durch
den Arbeitgeber nicht erstattete Werbungskosten seien. Ergänzend legte der Bf. für die
einzelnen Reisen Belege vor, aus welchen Ort, Datum und Dauer der Reisen, sowie die
vom Arbeitgeber nicht erstatteten Reisekosten angegeben sind.
Das Finanzamt erließ am 8. Oktober 2010 den Einkommensteuerbescheid für das Jahr
2009 und anerkannte an Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen
konnte den Betrag von € 2.820,09, davon € 2.427,19 entfallend auf Reisespesen.
Zur Begründung der Kürzung der Reisespesen im Jahr 2009 um € 1.470,51 wurde
ausgeführt, dass bei einem durchgehenden oder wiederkehrenden Einsatz in einer
Ortsgemeinde in der man erstmals oder zuletzt vor 6 Monaten tätig war, nur in den ersten
5 Tagen kein weiterer Mittelpunkt der Tätigkeit begründet worden sei.
Am 14. Oktober 2010 erließ das Finanzamt einen gemäß § 293 BAO berichtigten
Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 in welchem der Betrag an Werbungskosten,
die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte mit € 3.081,59, darin enthalten ein Betrag
von € 2.688,69 für Reisespesen, berechnet wurde.
Für das Jahr 2010 wurde der Einkommensteuerbescheid am 19.12.2011 erlassen und ein
Betrag von € 2.171,40 an Reisespesen anerkannt.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass aufgrund des Kaufkraftunterschiedes
auch ohne Vorliegen einer Reise ein beruflich bedingter Verpflegungsmehraufwand
anfallen könne. Für die Berechnung der Differenz seien die Auslandstagessätze
in Relation zum Inlandstagessatz zu setzen und für jene Länder, in denen der
Auslandstagessatz den um die Hälfte erhöhten Inlandstagessatz (€ 39,60) nicht
übersteigt, dürfe kein Differenzverpflegungsmehraufwand angesetzt werden. Übersteige
der Auslandstagessatz diesen überhöhten Wert, sei der übersteigende Betrag als
Differenzverpflegungsmehraufwand zu berücksichtigen (USA Auslandstagessatz € 52,30,
Differenzverpflegungsmehraufwand € 12,70).
Der Bf. erhob Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 und dessen
Nichtanerkennung der beantragten Reisespesen in Höhe von € 3.897, 70 sowie die
Nichtanerkennung der Aufwendungen für Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des
Wohnortes für die Tochter W.
Zur Begründung führte der Bf. an, dass man seiner Ansicht nach beim Dienstreisebegriff
zwischen dem Tatbestand eins, welcher Reisen regle bei denen eine tägliche Rückkehr
vom Einsatzort möglich bzw. zumutbar sei, für welchen alle Bestimmungen für die
Begründung eines neuen Mittelpunktes der Tätigkeit zuträfen und dem zweiten
Tatbestand, welcher Dienstreisen regle, bei denen der Dienstnehmer so weit weg von
seinem ständigen Wohnort arbeite, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet
werden könne, unterscheiden müsse. In diesem Fall sei davon auszugehen, dass
der Einsatzort erst nach einem Zeitraum von sechs Monaten zum Mittelpunkt der
Tätigkeit werde. Auf Grund dieser Bestimmung des § 26 Z 4 EStG seien die beantragten
Differenzwerbungskosten abzugsfähig.
Weiters führte der Bf. aus, dass keine im Einzugsgebiet des Wohnortes befindliche
entsprechende Ausbildungsmöglichkeit für seine Tochter bestanden habe.
Am 16. Dezember 2010 erließ das Finanzamt eine Berufungsvorentscheidung betreffend
die Einkommensteuer für das Jahr 2009.
Mit dieser Berufungsvorentscheidung wurde dem Bf. der beantragte Pauschalbetrag für
die auswärtige Berufsausbildung ab August 2009 gewährt.
Seite 2 von 10
Hinsichtlich der beantragten Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen
konnte, wurde ein Betrag von € 2.983,69 angesetzt.
Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass der im § 16 Abs. 1 Z 9 EStG verwendete
Begriff „ausschließlich beruflich veranlasste Reise“ dem im § 26 Z 4 EStG verwendeten
Begriff „Dienstreise“ nicht gleichzusetzen sei. Tagesgebühren könnten nur dann als
Werbungskosten gem. § 16 EStG gewährt werden, wenn die im § 16 geforderten
Voraussetzungen vorlägen. Eine Reise gem. § 16 Abs. 1 Z 9 EStG läge vor, wenn der
Steuerpflichtige sich zwecks Verrichtung beruflicher Obliegenheiten oder sonst aus
beruflichem Anlass mindestens 25 km vom Mittelpunkt der Tätigkeit entferne und eine
Reisedauer von mehr als drei Stunden bei Inlandsreisen vorliege und kein weiterer
Mittelpunkt der Tätigkeit begründet werde.
Die Begründung eines weiteren Mittelpunkts der Tätigkeit sei anzunehmen, wenn sich die
Dienstverrichtung auf einen anderen Einsatzort durchgehend oder wiederkehrend über
einen längeren Zeitraum erstrecke.
Von einem längeren Zeitraum sei auszugehen wenn
der Arbeitnehmer an einem Einsatzort durchgehend tätig werde und die Anfangsphase
von fünf Tagen überschritten werde
der Arbeitnehmer an einem Einsatzort regelmäßig wiederkehrend (mindestens einmal
wöchentlich) tätig werde und die Anfangsphase von fünf Tagen überschritten werde
der Arbeitnehmer werde an einem Einsatzort wiederkehrend, aber nicht regelmäßig tätig
und überschreite dabei eine Anfangsphase von fünfzehn Tagen im Kalenderjahr.
Wenn im Rahmen der Auslandstätigkeit ein Mittelpunkt der Tätigkeit im Ausland begründet
werde, könne aufgrund des Kaufkraftunterschiedes auch ohne Vorliegen einer Reise ein
beruflich bedingter Verpflegungsmehraufwand anfallen.
Für die Berechnung dieser Differenz seien die Auslandstagessätze in Relation zum
Inlandstagessatz zu setzen. Das bedeutet für jene Länder und Orte, in denen der
Auslandstagessatz den um die Hälfte erhöhten Inlandstagessatz (€ 39,60) nicht
übersteige, dürfe kein Differenzverpflegungsmehraufwand angesetzt werden. Übersteige
jedoch der Auslandstagessatz diesen erhöhten Wert, sei der übersteigende Betrag als
Differenzverpflegungsmehraufwand zu berücksichtigen (z.B. USA € 52,30 Differenz
€ 12,70). Die Auslandstagessätze seien in der Berufungsvorentscheidung entsprechend
der obigen Ausführungen daher mit € 2.590,79 neu berechnet worden.
Der Bf. stellte betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2009 den Antrag auf
Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und
verwies zu dessen Begründung auf sein Vorbringen in der Berufung hinsichtlich der
beantragten Reisespesen.
Gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 erhob der Bf. Berufung wegen
der Nichtanerkennung der beantragten Aufwendungen für Berufsausbildung der Tochter,
Seite 3 von 10
sowie wegen der teilweisen Nichtanerkennung der Reisespesen und beantragte die
Anerkennung der Differenzwerbungskosten.
Die Berufungen wurden vor dem 31.12.2013 dem Unabhängigen Finanzsenat
zur Entscheidung vorgelegt und sind diese gemäß § 323 Abs. 38 BAO vom
Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Über die Beschwerden wurde erwogen:
Strittig ist im vorliegenden Fall, ob im Jahr 2009 ab August und im Jahr 2010 die Kosten
für die auswärtige Berufsausbildung der Tochter des Bf. anzuerkennen sind und in welcher
Höhe die Reisespesen des Bf. in den Streitjahren 2009 und 2010 als Werbungskosten
anzuerkennen sind.
Das Bundesfinanzgericht geht im vorliegenden Fall von folgendem Sachverhalt aus:
Die Tochter des Bf. absolvierte in den Streitjahren 2009 (ab August) und 2010
eine Ausbildung in Amsterdam. Seitens des Finanzamtes wurde im Rahmen der
Berufungsvorentscheidung für das Jahr 2009 dem Begehren in diesem Punkt bereits
Folge gegeben. Für das Jahr 2010 wurde der entsprechende Pauschbetrag gem. § 34
Abs. 8 EStG berücksichtigt.
Betreffend die vom Bf. beantragten Reisespesen in den Jahren 2009 und 2010 wurden
seitens des Finanzamtes für die Auslandsreisen für die ersten fünf Tage der jeweilige
Auslandtagessatz berücksichtigt und für weitere Tage nur Differenzwerbungskosten
bei Aufenthalten in Ländern, deren Tagessatz den eineinhalbfachen Inlandstagessatz
überschreitet (€ 39,60), berücksichtigt.
Die Tatsache der Auslandsaufenthalte, sowie deren Dauer ist unbestritten.
Anzuwendende Gesetzesbestimmungen:
Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 sind Werbungskosten auch: "Mehraufwendungen des
Steuerpflichtigen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich beruflich veranlassten
Reisen. Diese Aufwendungen sind ohne Nachweis ihrer Höhe als Werbungskosten
anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen.
Dabei steht das volle Tagesgeld für 24 Stunden zu. Höhere Aufwendungen für Verpflegung
sind nicht zu berücksichtigen."
§ 26 Z. 4 lit. b bis e EStG 1988 lauten:
"b) Das Tagesgeld für Inlandsdienstreisen darf bis zu 26,40 Euro pro Tag betragen.
Dauert eine Dienstreise länger als drei Stunden, so kann für jede angefangene Stunde
ein Zwölftel gerechnet werden. Das volle Tagesgeld steht für 24 Stunden zu. Erfolgt
eine Abrechnung des Tagesgeldes nach Kalendertagen, steht das Tagesgeld für den
Kalendertag zu.
Seite 4 von 10
c) Wenn bei einer Inlandsdienstreise keine höheren Kosten für Nächtigung nachgewiesen
werden, kann als Nächtigungsgeld einschließlich der Kosten des Frühstücks ein Betrag bis
zu 15 Euro berücksichtigt werden.
d) Das Tagesgeld für Auslandsdienstreisen darf bis zum täglichen Höchstsatz der
Auslandsreisesätze der Bundesbediensteten betragen. Dauert eine Dienstreise länger als
drei Stunden, so kann für jede angefangene Stunde ein Zwölftel gerechnet werden. Das
volle Tagesgeld steht für 24 Stunden zu. Erfolgt eine Abrechnung des Tagesgeldes nach
Kalendertagen, steht das Tagesgeld für den Kalendertag zu.
e) Wenn bei einer Auslandsdienstreise keine höheren Kosten für Nächtigung einschließlich
der Kosten des Frühstücks nachgewiesen werden, kann das den Bundesbediensteten
zustehende Nächtigungsgeld der Höchststufe berücksichtigt werden."
Zu einem (weiteren) Mittelpunkt der Tätigkeit wird ein Ort auf Grund längeren Aufenthalts
des Steuerpflichtigen. Der längere Aufenthalt ermöglicht es ihm, sich dort über die
Verpflegungsmöglichkeiten zu informieren und so jenen Verpflegungsmehraufwand
zu vermeiden, der allein die Annahme von Werbungskosten statt nicht abzugsfähiger
(üblicher) Verpflegungsaufwendungen der privaten Lebensführung rechtfertigt (VwGH
11.6.1991, 91/14/0074). Dabei ist ein längerer Aufenthalt dann gegeben, wenn sich der
Steuerpflichtige – wenn auch mit Unterbrechungen – länger als eine Woche an einem
Ort aufgehalten hat (VwGH 28.10.1997, 93/14/0076, 0077). Gleiches gilt in allen anderen
Fällen, in denen sich der Steuerpflichtige mit den örtlichen Verpflegungsmöglichkeiten
vertraut machen konnte, wie zB bei regelmäßig wiederkehrenden Aufenthalten an einem
Ort (s zB VwGH 29.10.2003, 2003/13/0033). Die Verwaltungspraxis (Rz 301 LStR), an
die das Bundesfinanzgericht nicht gebunden ist, geht von einem längeren Zeitraum
dann aus, wenn der Arbeitnehmer an einem Einsatzort durchgehend oder regelmäßig
wiederkehrend (mindestens einmal wöchentlich) tätig ist und eine Anfangsphase von
fünf Tagen überschritten wird. Erfolgt innerhalb von sechs Kalendermonaten kein Einsatz
an diesem Mittelpunkt der Tätigkeit, ist mit der Berechnung der Anfangsphase von fünf
Tagen neu zu beginnen. Wird der Arbeitnehmer an einem Einsatzort wiederkehrend, aber
nicht regelmäßig tätig, gilt eine Anfangsphase von 15 Tagen pro Kalenderjahr (sh. Jakom/
Lenneis EStG, 2014, § 16 Rz 44).
Liegt der Mittelpunkt der Tätigkeit im Ausland, kann nach Ablauf von fünf Tagen obwohl diesfalls keine Reise iSd § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 vorliegt - aufgrund des
Kaufkraftunterschieds zwischen dem Inland und dem teureren Ausland ein beruflich
bedingter Verpflegungsmehraufwand anfallen, der sich auch dann nicht vermeiden lässt,
wenn der Steuerpflichtige im Ausland die preisgünstigsten Verpflegungsmöglichkeiten in
Anspruch nimmt (VwGH 10.4.1997, 94/15/0212).
Im vorliegenden Fall liegt hinsichtlich einiger Länder, die der Bf. anlässlich seiner Reisen
aufgesucht hat ein weiterer Mittelpunkt der Tätigkeit im Ausland vor, da der Bf. sich
anlässlich der Reisen länger als fünf Tage an den Orten aufgehalten hat.
Seite 5 von 10
Zu ermitteln war, ob, hinsichtlich welcher Länder und in welcher Höhe aufgrund
der Kaufkraftunterschiede ein Verpflegungsmehraufwand auch für die fünf Tage
pro Jahr übersteigenden Tage zu berücksichtigen ist. Zu beurteilen war hier, ob
die Verpflegungsmehraufwendungen im Ausland wegen des höheren Niveaus der
Lebenshaltungskosten erheblich über den Kosten der inländischen Verpflegung - im Sinne
des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 90/13/0199 vom 13.2.1991 liegen.
Seitens des Finanzamtes wurde der erhebliche Unterschied nur dann als gegeben
angesehen, wenn der Auslandstagessatz laut RGV den um die Hälfte erhöhten
Inlandstagessatz (€ 39,60) übersteigt. Nur der diesen Betrag übersteigende Wert wurde
als Differenzverpflegungsmehraufwand berücksichtigt.
Das Bundesfinanzgericht vertritt ausgehend von der Judikatur des
Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Erheblichkeit des Unterschiedes der
Kaufkraftwerte zwischen den bereisten Ländern und dem Inland die Meinung, dass
diese Erheblichkeit dann vorliegt, wenn in einem Land der Auslandstagessatz laut
RGV den um 50% erhöhten Wert des Inlandtagessatz (€ 26,40) , dass sind € 39,60
übersteigt. Erheblichkeit des Unterschiedes der Kaufkraftwerte ist gegeben, wenn die
Unterschiedsbetrag zwischen inländischen und ausländischen Lebenshaltungskosten
nicht mehr als geringfügig anzusehen ist.
Die Bandbreite der Auslandstagessätze laut Reisegebührenvorschrift, welche in Relation
zum Inlandstagessatz von € 26,40 zu sehen ist, geht von € 26,40 für Ungarn bis €
65,40 für New York und Waschington. Die Annahme der Grenze zwischen nicht mehr
geringfügiger und erheblicher Überschreitung des Kaufkraftunterschiedes bei einem
Betrag von € 39,60 erscheint dem Bundesfinanzgericht daher als gerechtfertigt.
Von den vom Bf. in den Streitjahren 2009 und 2010 bereisten Ländern betrifft diese
Beurteilung, dass Erheblichkeit des Kaufkraftunterschiedes vorliegt, die Aufenthalte in den
USA (Cary)(€ 52.30), Singapur (€ 43,60) und London (€ 41,40).
Aus den angeführten Gründen werden daher seitens des Bundesfinanzgerichtes in den
bereisten Ländern Werbungskosten nur in Form der Auslandstagessätze für jeweils
die ersten fünf Tage im Kalenderjahr gewährt. Ab dem 6. Tag werden - abgesehen von
den Ländern mit erheblichem Kaufkraftunterscheid, in welchen jeweils die Differenz
zwischen eineinhalbfachem Inlandstagessatz und Auslandstagessatz gewährt wird - keine
Werbungkosten berücksichtigt.
Die Werbungskosten für Reisespesen ergeben sich aus den folgenden Tabellen für die
Jahre 2009 und 2010:
2009:
Land/Ort
Tagessatz
Aufenthalt
Differenztagessatz
WK lt BFG
Seite 6 von 10
Slowakei/Bratislava
31,00
22,10
USA/Cary
52,30
261,50
5.-20.2.09
12,70
139,70
14.4.-22.4.09
12,70
114,30
Slowakei/Bratislava
31,00
93,00
36,20
181,00
35,30
59,60
36,80
36,80
36,80
147,20
17.5.-24.5.09
12,70
101,60
Indonesien/Batu
39,20
196,00
36,80
184,00
31,80
159,00
36,20
181,00
12,70
152,40
13.9.-19.9.09
12,70
50,80
Sri Lanka/Colombo
31,80
0,00
13.09
USA/Cary
22.4-25.4.09
Benin/Parakou
25.4.-2.5.09
BRD/Wetzlar
3.5-4.5.09
Schweiz
5.5-6.5.09
Armenien/Eriwan
7.5.-11.5.09
USA/Cary
5.6.-12.6.09
Schweiz
15.6.-22.6.09
Sri Lanka/Colombo
4.7.-10.7.09
Benin/Cotonau
14.8-18.8.09
USA/Cary
22.8.-3.9.09
USA/Cary
Seite 7 von 10
13.10.09-20.10.09
BRD/Wetzlar
35,30
176,50
35,80
35,80
5.11-13.11.09
12,70
101,60
Armenien/Eriwan
36,80
36,80
31,00
93,00
31,80
0,00
24.10-30.10.09
Frankreich/Paris
3.11.09
USA/Cary
13.11-16.11.09
Türkei/Istanbul
17.-20.11.09
Sri Lanka/Colombo
5.12-10.12.09
Summe
2.523,70
2010:
Land/Ort
Tagessatz
Aufenthalt
Differenztagessatz
Sri Lanka/Colombo
WK lt BFG
31,80
127,20
USA/Cary
52,30
261,50
18.2.-3-3.10
12,70
101,60
Südafrika/Johannesburg
34,90
174,50
Singapur
43,60
218,00
13.3.-20.3
4,00
12,00
35,30
47,80
36,80
147,20
12,70
152,40
9.1.-13.1.10
8.3.-12..3.10
BRD/Frankfurt
22.3.10
Kirgistan/Bischek
27.3-31.3.10
USA/Cary
9.4.-21.4.10
Seite 8 von 10
Slowakei/Bratislava
31,00
95,20
30.4.-8.5.10
12,70
101,60
BRD/Wetzlar
35,30
70,60
3.6.-10.6.10
12,70
152,40
Singapur
43,60
21.4-24.4.10
USA/Cary
9.5.-10.5.10
USA/Cary
10.6.-17.6.10
4,00
32,00
36,20
181,00
12,70
114,30
8.9.-15.9.10
12,70
88,90
Armenien/Eriwan
36,80
147,60
34,90
0,00
4.1.10-10.11.10
12,70
76,20
London
41,40
41,40
39,20
196,00
Benin/Cotonau
19.6.-24.6.10
USA/Cary
5.8.-13.8.10
USA/Cary
16.9.-20.9.10
Südafrika/Johannesburg
23.10.-30.10.10
USA/Cary
15.11.10
Taiwan/Taipeh
23.11-30.11.10
Summe
2.539,40
Dem Begehren des Bf. die beantragten Reisespesen als Werbungskosten anzuerkennen,
wird für die Jahre 2009 und 2010 teilweise Folge gegeben.
Seite 9 von 10
Die vom Bf. beantragten Pauschbeträge für die auswäritge Ausbildung der Tochter werden
in den Streitjahren 2009 und 2010 berücksichtigt.
Revision:
Gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts
die Revision zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage
abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis
von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche
Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung
des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall war die Revision zuzulassen, da eine einheitliche Rechtsprechung
des Verwaltungsgerichtshofes zur gegenständlichen Rechtsfrage nicht vorliegt.
Wien, am 23. Juni 2015
Seite 10 von 10
GZ. RV/7100370/2010
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Rin der Beschwerdesache Bf,
Adr, vertreten durch die Stb, Wien, gegen die Bescheide des Finanzamtes 12/13/14/
Purkersdorf vom 23.6.2009 und vom 2.10.2009 betreffend Einkommensteuer für die Jahre
2003 bis 2008 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte in den streitgegenständlichen Jahren 2003 bis
2008 die Berücksichtigung von Aufwendungen für ein Psychologiestudium in Italien als
Werbungskosten (Umschulungskosten).
Das Finanzamt verweigerte die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen
und führte begründend aus, dass Umschulungskosten auf eine zukünftige, noch nicht
ausgeübte Tätigkeit abzielten. Es müssten Umstände vorliegen, die über eine bloße
Absichtserklärung zur künftigen Einnahmenerzielung hinausgingen. Diese seien
jedenfalls dann gegeben, wenn beispielsweise der bisher ausgeübte Beruf auf Grund
von Arbeitslosigkeit nicht mehr ausgeübt werden könne oder eine Gefährdung der
Einkunftserzielung im bisherigen Beruf evident sei. Die Intensität dieser Nachweisführung
oder Glaubhaftmachung müsse umso höher sein, je mehr sich eine Umschulung nach
der Verkehrsauffassung auch zur Befriedigung privater Interessen bzw. Neigungen
eigne. Der Hinweis auf die aktuelle wirtschaftliche Situation der Kalenderjahre 2008 und
2009 sei keine stichhaltige Begründung für eine allfällige Gefährdung des Arbeitsplatzes
zum Zeitpunkt des Beginnes des Studiums im Kalenderjahr 2003. Ob das Studium, wie
behauptet, bis zum Jahr 2013 abgeschlossen sein werde, lasse sich nicht nachvollziehen,
da keine Unterlagen über den konkreten Studienverlauf vorlägen. Außerdem eigne sich
das Studium der Psychologie nach den Erfahrungen des täglichen Lebens auch zur
Befriedigung privater Interessen und Neigungen, weshalb der Hinweis auf die Tatsache
der relativ hohen Kosten dieser Ausbildung in Relation zu den jährlichen Einkünften
nicht zwingend den Schluss zuließen, dass keine private Veranlassung für das Studium
vorliege.
In der Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2008
wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Gefährdung des Arbeitsplatzes wegen
der wirtschaftlich schwierigen Situation bei A bereits 2003 gegeben gewesen wäre.
Die Bf. sei damals noch in der Marketingabteilung tätig gewesen. Diese sei im Zuge
von Einsparungsmaßnahmen im Jahr 2003 aufgelassen worden und es wäre die
Kündigung der Bf. angestanden. Nur wegen des Einsatzes des Betriebsrates sei
die Bf. im Unternehmen gehalten und letzlich 2005 in die Parts & Services Abteilung
versetzt worden. Auch in den Jahren 2007 sowie 2008/2009 habe es schwierige Jahre bei
A gegeben, sodass jederzeit die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes bestanden habe.
Die Ablehnung der Umschulungskosten wegen Nichtvorlage von Unterlagen (Studienplan,
Prüfungszeugnisse) stelle einen Verfahrensmangel dar, weil diese Nachweise nie
angefordert worden wären.
Die Behauptung, dass sich das Studium der Psychologie nach den Erfahrungen des
täglichen Lebens auch zur Befriedigung privater Interessen und Neigungen eigne,
entbehre jeglichen Nachweises.
Der Umfang der Ausbildung sei geeignet, den anerkannten Beruf eines Psychologen
auszuüben, was somit eine rein private Veranlassung ausschließe, zumal ein
durchschnittlicher Steuerpflichtiger nicht so hohe Kurskosten (€ 31.000,00 plus ca.
€ 2.000,00 Studiengebühren) in Kauf nehmen würde.
Der ablehnende Bescheid erwecke somit den Eindruck, dass das Finanzamt hohe
Ausbildungskosten an einer italienischen Universität wegen der daraus resultierenden
hohen ESt-Erstattung nicht anerkennen wolle. In Italien gebe es leider keine Befreiung
von Studiengebühren und auf Grund der großen Entfernung würden naturgemäß höhere
Kosten in Form von Fahrtkosten anfallen, sodass die Aberkennung der Kosten wohl eine
Diskriminierung ausländischer europäischer Universitäten darstelle.
Mit Beschwerdevorentscheidungen (Berufungsvorentscheidungen) vom 8.1.2010
(betreffend die Jahre 2003 bis 2007) und vom 22.1.2010 (betreffend 2008) wurde die
Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Finanzamt führte aus, dass höhere
Anforderungen an die Nachweisführung bzw. Glaubhaftmachung der beabsichtigten
Einnahmenerzielung insbesondere dann zu stellen seien, wenn die derzeitige
Einkünfteerzielung nicht gefährdet sei oder die Umschulung aus dem neuen Beruf keine
höheren Einkünfte erwarten lasse. Nach Ansicht des Finanzamtes sei aus den vorgelegten
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Betriebsratssitzungsprotokollen keine konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes ab dem
Jahr 2003 ersichtlich; es werde eine generelle Kürzung von Arbeitsplätzen diskutiert.
Es sei auch nicht nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht worden, dass aus
dem neuen Beruf als Psychotherapeutin die Erzielung höherer Einkünfte
als aus der nichtselbständigen Tätigkeit bei A zu erwarten sei. Die konkrete
Einnahmenerzielungsabsicht und Wahrscheinlichkeit der Erzielung höherer Einnahmen
aus dem neuen Beruf sei nicht nachgewiesen worden, da auch im Zuge der Berufung
keine Nachweise betreffend Ernsthaftigkeit des Studiums sowie Vergleichbarkeit des
Studiums in Italien mit dem Psychologiestudium in Österreich vorgelegt worden wären.
Im Vorlageantrag wird ausgeführt:
A) Darstellung des Sachverhaltes
Die Bf. sei seit Dezember 2001 beim italienischen Konzern der heutigen A GmbH in Wien
Vollzeit beschäftigt. Dort arbeite sie derzeit im Parts & Services Bereich und sei für Service
Marketing zuständig. Benchmark-Vergleiche und Kundenbindungsprogramme seien Teil
ihrer Aufgabengebiete. Die Psychologie sei dabei ein sehr hilfreiches Werkzeug.
Seit der Trennung von ihrem Lebensgefährten im Jahr 2000 sei sie Alleinerzieherin und
benötige die Arbeitsstelle, um den Unterhalt für sich und ihren Sohn zu sichern. Die
Arbeitsstelle bei A sei in der Vergangenheit und wegen der momentanen wirtschaftlichen
Entwicklung des Unternehmens durchaus als prekär einzuschätzen [gewesen]. Aus
den beigebrachten Betriebsratsprotokollen sei ersichtlich, dass die Gefährdung des
Arbeitsplatzes wegen der wirtschaftlich schwierigen Situation bei A bereits im Jahr 2003
gegeben gewesen wäre. Die in der BVE behauptete "generelle" Gefährdung habe sich
damals tatsächlich konkret auf ihren Arbeitsplatz bezogen. Die Bf. sei damals noch in der
Marketingabteilung tätig gewesen. Diese sei im Zuge von Einsparungsmaßnahmen im
Jahr 2003 aufgelassen worden. Nur wegen des Einsatzes des Betriebsrates sei die Bf.
im Unternehmen gehalten und letzlich 2005 in die Parts & Services Abteilung versetzt
worden. Wie bereits dargelegt, habe es auch in den Jahren 2007 sowie 2008/2009
schwierige Jahre bei A gegeben, sodass jederzeit die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes
bestehe. Da die Bf. jedenfalls in den letzten Jahren immer von der Gefährdung ihres
Arbeitsplatzes betroffen gewesen sei, wäre sie bestrebt gewesen, einen anderen Beruf
auszuüben. Aus diesem Grund und auf Grund der Absicht, später als Psycholgin zu
arbeiten, habe sie das Studium der Psychologie an der Universtät Triest aufgenommen.
B) Rechtliche Ausführungen
1) Gefährdung des Arbeitsplatzes
Bei den beantragten Kosten für das Psychologiestudium handle es sich um
Umschulungskosten iSd § 16 (1) Z 10 EStG, die auf eine zukünftige Ausübung dieses
Berufes abzielen. Diese Absicht sei jedenfalls dann gegeben, wenn der bisher ausgeübte
Beruf aufgrund von Arbeitslosigkeit nicht mehr ausgeübt werden könne oder eine
Gefährdung der Einkunftserzielung im bisherigen Beruf evident sei.
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In der BVE wird ausgeführt, dass aus den Betriebsratsprotokollen eine Gefährdung des
Arbeitsplatzes nicht hervorgehe. Typischerweise werde bei größeren Umstrukturierungen
eines Unternehmens selten ein konkreter Dienstnehmer zur Kündigung vorgeschlagen,
sondern ein sogenannter abzubauender "Head Count" bestimmt. Daraus würden
erst konkrete Mitarbeiter abgeleitet. Dem Arbeitnehmer werde in der Praxis oft erst
sehr spät mitgeteilt, dass man ihn zu kündigen plane, da dies ansonsten negative
Auswirkungen auf dessen Motivation haben könnte. In diesem Licht habe der Betriebsrat
zunächst auch noch keine Namen gewusst, sondern wären diese erst nach und nach
bestimmt worden, was die fehlende Benennung in den Protokollen erkläre. Im Zuge dieser
Restrukturierungsmaßnahmen sollte auch die Marketingabteilung eingespart werden.
2) Keine private Veranlassung der Kosten eines Psychologiestudiums
Die Beschwerdeausführungen ergänzend wird vorgebracht:
Das Studium entspreche einer Psychologie- und Psychotherapie-Ausbildung in
Österreich. Die Bf. plane, nach erfolgreicher Absolvierung des Studiums als klinische
Psychologin bzw. Psychotherapeutin zu arbeiten. Im Rahmen des Studiums hätte sie
mittels eigens eingerichteter Satelliten-Kanäle am Universitätslehrgang teilnehmen
und an Wochenenden einige Unterrichtseinheiten in Italien besuchen können, um ihre
italienischen Sprachkenntnisse weiterhin zu verbessern. Zur Unterstützung habe sie 2004
an 15 Prüfungs-Modulen des berufs- bzw. universitätsbegleitenden Programms beim
Unternehmen C teilgenommen. Dafür wäre ein Entgelt von € 31.130,00 bezahlt worden.
Darüber hinaus würden laufende Studien- und Prüfungsgebühren iHv rund € 2.000,00
pro Jahr anfallen. Daneben seien Fahrtkosten für die Ablegung von Prüfungen und den
Besuch von Lehrveranstaltungen nach Triest (ca. 5-6 Fahrten pro Jahr) geltend gemacht
worden. Der Universitätsabschluss sei voraussichtlich innerhalb der kommenden vier
Jahre abzusehen.
3) Verfahrensrechtliche Mängel
Die Behauptung des Finanzamtes, dass der neue Beruf höhere Einkünfte als der alte
einbringen müsse, entbehre jeglicher gesetzlichen Grundlage. Darüber hinaus seien
auch dazu keine Nachweise angefordert worden. Auch zur "Ernsthaftigkeit des Studiums"
und zur Vergleichbarkeit mit anderen Studien wären keine Nachweise angefordert bzw.
dargelegt worden, wie diese nach Ansicht des Finanzamtes auszusehen hätten.
4) Europarechtliche Bedenken wegen Diskriminierung ausländischer Universitäten
Der ablehnende Bescheid erwecke den Eindruck, dass das Finanzamt hohe
Ausbildungskosten an einer italienischen Universität wegen der daraus resultierenden
hohen ESt-Erstattung nicht anerkennen wolle. In Italien gebe es leider keine Befreiung
von Studiengebühren und auf Grund der großen Entfernung würden naturgemäß höhere
Kosten in Form von Fahrtkosten anfallen, sodass die Aberkennung der Kosten wohl eine
Diskriminierung ausländischer europäischer Universitäten darstelle.
5) Vorläufige Bescheide bzw. Anwendung des § 295a BAO
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Die Höhe der Ausbildungskosten und die damit verbundene ESt-Rückerstattung stelle in
diesem Fall offenbar ein Problem für die Finanzbehörde dar. Speziell die Unsicherheit über
die Ausübung des Berufes ab dem Jahr 2013 habe offenbar zur Ablehnung beigetragen.
Unsicherheiten über zukünftige Ereignisse oder Umstände könnten jedoch nicht
einfach durch die Nichtanerkennung der Ausgaben gelöst werden, da in diesem Fall ein
unbilliges Ergebnis erzielt werde. Der Gesetzgeber habe in der BAO ua die Möglichkeit
der Erlassung vorläufiger Bescheide (§ 200 BAO) bzw. die Aufhebung von einmal
erlassenen Bescheiden wegen rückwirkender Ereignisse (§ 295a BAO) vorgesehen, um
die Unsicherheit in Bezug auf bestimmte Sachverhalte entsprechend steuerlich erfassen
zu können
C) Zusammenfassung
Die Kosten für das Psychologiestudium seien in Anlehnung an Rz 358a bzw. 360 ff LStR
vor allem unter Berücksichtigung nachstehender Argumente steuerlich abzugsfähig:
Die Arbeitsstelle bei A sei in der Vergangenheit und wegen der momentanen
wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens durchaus als prekär einzuschätzen
[gewesen], sodass die Bf. jederzeit damit rechnen müsse, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.
Insbesondere sei der Beschluss, das Studium zu absolvieren, von der Gefährdung des
Arbeitsplatzes in 2002/2003 veranlasst gewesen.
Die hohen Ausbildungskosten und Studiengebühren ließen den Schluss zu, dass hier
keine private Veranlassung vorliegt. Die Bf. habe sehr viel Geld investiert, um den Beruf
einmal ausüben zu können. Auf Grund ihrer Unterhaltspflichten als alleinerziehende Mutter
hätte das Studium nicht so schnell wie ursprünglich geplant absolviert werden können. Die
Beurteilung, ob es sich um eine umfassende Umschulungsmaßnahme handelt, sei immer
aus einer ex-ante-Betrachtung im Vorhinein vorzunehmen. Wird die Umschulung trotz
ursprünglich bestehender Absicht abgebrochen, sei dies für den Werbungskostenabzug
unschädlich (LStR Rz 360; JAKOM 2008, Lenneis, § 16 Rz 51).
Der Beruf des Psychologen ist ein anerkannter Beruf. Vergleichbare österreichische
Ausbildungen (Psychotherapieausbildung), die ähnlich viel oder mehr kosten, würden als
abzugsfähige Aufwendungen anerkannt (UFS Wien GZ RV/1579-W/07 vom 26.9.2007).
Mit Vorhalt des BFG vom 17. Februar 2014 wurde die Bf. um Beantwortung
nachstehender Fragen ersucht:
"Haben Sie mittlerweile das Psychologiestudium bereits abgeschlossen? Wenn ja, bitte
um Vorlage entsprechender Nachweise. Wenn nicht, bitte um Vorlage von Nachweisen
über die absolvierten Prüfungen und um Bekanntgabe, wann mit einer Beendigung des
Studiums zu rechnen ist
Sind Sie schon als selbständige oder nichtselbständige Psychologin tätig? Legen Sie in
diesem Zusammenhang diverse Unterlagen (wie z.B. die aufrechte Gewerbeberechtigung,
Mietvertrag, Rechnungen in Zusammenhang mit der Betriebseröffnung, Dienstvertrag
etc.) bei. Sollte dies noch nicht der Fall sein, welche konkreten beruflichen Pläne und
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Aussichten im Zusammenhang mit den durchgeführten Ausbildungsschritten haben Sie?
Ab wann besteht konkret die Absicht, den Beruf der Psychologin künftig auch tatsächlich
auszuüben? Welche konkreten, nach außen erkennbaren, auf eine neue in diesem
Bereich liegende Einkunftsquelle schließbaren Schritte haben Sie bereits unternommen?
(Um Vorlage entsprechender Unterlagen wird ersucht.)
Sind Sie noch bei der Firma A GmbH beschäftigt? Wenn ja, haben Sie neben Ihren
nichtselbstständigen Einkünften bei diesem Unternehmen bereits eigene Einkünfte aus der
Tätigkeit als Psychologin erlangt bzw. sind solche in nächster Zeit zu erwarten? Wie hoch
werden die Einkünfte (Einnahmen abzüglich Ausgaben) voraussichtlich sein?"
In Beantwortung dieses Ersuchens teilte die Bf. mit:
"1) Das Psychologiestudium wurde noch nicht abgeschlossen. Auf Grund des Umstandes,
dass die Steuerpflichtige Alleinerzieherin ist, war ein Abschluss des Studiums bis dato
nicht möglich, da der hohe zeitliche Aufwand mit den Pflichten als Erziehungsperson nicht
immer vereinbar ist.
2) Die Steuerpflichtige ist noch nicht als Psychologin tätig, da die Ausbildung noch nicht
abgeschlossen ist.
3) Die Steuerpflichtige ist noch immer beiA beschäftigt.
Im Hinblick auf das VwGh Erkenntnis vom 23.5.2012 (2011/15/0159) bzw. 25.10.2011
(2011/15/0047) wird auf die umfangreiche Stellungnahme im Vorlageantrag bezüglich
Gefährdung des Arbeitsplatzes hingewiesen, da zum damaligen Zeitpunkt die Fa. A
krisenbedingt Mitarbeiter abgebaut hat und auch in Österreich zahlreiche Kündigungen
ausgesprochen wurden. In einem ähnlich gelagerten Fall hat der VwGH die Kosten des
Studiums anerkannt."
In der am 17. Juni 2014 abgehaltenen mündlichen Verhandlung gab die Bf. ergänzend
zum bisherigen Vorbringen bekannt, dass sie das Studium der Psychologie bereits vor
dem Jahr 2000 begonnen habe. Damals habe sie in Triest gelebt. Nach ihrer Rückkehr
nach Österreich im Jahr 2003 habe sie das Studium als Fernstudium weiter betrieben. Es
sei beabsichtigt gewesen, die Ausbildung zu Ende zu bringen, was sich aber auf Grund
der großen Entfernung einerseits und der familiären Situation andererseits als äußerst
schwierig erwiesen habe. Darüber hinaus habe sie sich anlässlich ihrer Versetzung in die
Parts & Service Abteilung beruflich mehr engagieren müssen. Es wäre eine Rückkehr
nach Italien geplant gewesen, um das Studium dort zu beenden, wozu es aber nicht
gekommen sei. Seit 2004 habe sie keine Prüfung erfolgreich abgelegt, weshalb auch
keine Prüfungszeugnisse vorgelgt hätten werden können. Auf Grund der persönlichen
Umstände und der zeitlichen Probleme habe sie mittlerweile das Studium abgebrochen.
Der steuerliche Vertreter verwies auf die schlechte wirtschaftliche Situation der Fa. A
im Jahr 2003 und die dadurch bedingte kronkete Arbeitsplatzgefährdung sowie auf das
Erkenntnis des VwGH vom 23.5.2012, 2011/15/0159.
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Die Finanzamtsvertreterin brachte vor, dass nach der Judikatur des VwGH und des UFS
Umschulungskosten nur dann als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten, wenn
das Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben werde. Nachweise dafür seien nicht
erbracht worden.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Der Beschwerde liegt folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt zu Grunde:
Die Bf. erzielt als Angestellte der A GmbH Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit. Ursprünglich war sie in der Marketingabteilung, die aus Einsparungsgründen
im Jahr 2003 aufgelassen wurde, tätig. Im Jahr 2005 wurde sie in die Parts & Service
Abteilung versetzt. Bereits vor der Trennung von ihrem Lebensgefährten im Jahr 2000 hat
die Bf. mit dem Studium der Psychologie an der Universita degli Studi di Trieste begonnen.
Zu diesem Zeitpunkt lebte die Bf. in Italien. Nach ihrer Rückkehr nach Österreich im Jahr
2003 hat sie die akademische Ausbildung im Wege eines Fernstudiums weiter betrieben.
Seit 2004 hat sie keine Prüfung erfolgreich abgelegt. Auf Grund der persönlichen
Umstände und der zeitlichen Probleme hat sie das Studium mittlerweile abgebrochen.
Daraus folgt rechtlich:
Laut § 16 Abs. 1 Z 10 erster Satz EStG 1988 in der für die Streitjahre 2003 bis 2008
anzuwendenden Fassung (AbgÄG 2004, BGBl. Nr. 180/2004 vom 30. Dezember 2004)
stellen Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit
der von Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit
und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche
Ausübung eines anderen Berufes abzielen, Werbungskosten dar.
Da ein Zusammenhang zwischen der von der Bf. angestrebten Tätigkeit als Psychologin
einerseits und der ausgeübten Tätigkeit als Angestellte der Parts & Services Abteilung
andererseits, in welcher sie hauptsächlcih für das Service Marketing zuständig ist, nicht
vorliegt und ein solcher Zusammenhang von der Bf. auch nicht behauptet wurde, ist
im gegenständlichen Fall strittig, ob es sich bei den geltend gemachten Kosten um
Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche
Ausübung eines anderen Berufes abzielen, handelt und diese somit als Werbungskosten
zu berücksichtigen sind.
Die im Gesetz ausdrücklich genannte Voraussetzung, dass eine Umschulungsmaßnahme
auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen muss, ist in Verbindung
mit dem allgemeinen Abzugsverbot von Aufwendungen für die Lebensführung gemäß § 20
Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 zu sehen.
Inhaltlich schließt sich der Begriff der umfassenden Umschulung somit mit den
vorweggenommenen Werbungskosten an. Die Anerkennung so genannter vorbereitender
oder vorweggenommener Werbungskosten setzt voraus, dass die Aufwendungen in einem
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hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftig steuerbaren
Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit stehen.
Der Zweck der Umschulung muss darin bestehen, eine andere Berufstätigkeit tatsächlich
ausüben zu wollen. Dies ist anhand des Gesamtbildes der Verhältnisse zu beurteilen. Das
Abzielen ist somit veranlagungsjahrbezogen nach Art einer Liebhabereibeurteilung zu
prüfen, eine spätere Änderung des zunächst vorhandenen Willensentschlusses hat keine
schädliche Zusammenwirkung für die Vergangenheit.
Es ist zwar nicht erforderlich, dass die Ausbildung auf die Ausübung des neuen Berufes
als Hauptberuf abzielt, die angestrebte Tätigkeit muss aber zur Sicherung des künftigen
Lebensunterhaltes dienen oder zumindest zu einem wesentlichen Teil beitragen. Ob der
Wille des Steuerpflichtigen darauf gerichtet ist, sich eine neue Einkunftsquelle durch die
Ausübung eines anderen Berufes zu verschaffen, ist im Einzelfall an Hand objektiver
Kriterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen (vgl. das Erkenntnis vom
15. September 2011, 2008/15/0321).
Dahingestellt bleiben kann, ob die behauptete konkrete Arbeitsplatzgefährdung
in den Jahren ab 2003 tatsächlich bestanden hat, weil die Bf. in der
Berufungsverhandlung angegeben hat, dass sie bereits einige Jahre früher mit dem
Studium begonnen hat und daher offensichtlich nicht - wie im Vorlageantrag ausgeführt
wurde - der drohende Verlust des Arbeitsplatzes ausschlaggebend dafür war, einen
anderen Beruf auszuüben.
Ungeachtet dessen muss der Einstieg in eine neue berufliche Tätigkeit ernstlich und
zielstrebig in nach außen hin erkennbaren Bemühungen verfolgt werden (vgl. das
Erkenntnis vom 19. März 2008, 2007/15/0134).
Solche ernsthaften, nach außen hin erkennbare Bemühungen, den angestrebten
Beruf auch tatsächlich ausüben zu wollen, um daraus Einnahmen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes erzielen zu können, konnte das Bundesfinanzgericht nicht feststellen.
Mag es auch zutreffen, dass die Bf. die redliche Absicht hatte, das während ihres
Aufenthaltes in Italien begonnene, und im Anschluss an die Rückkehr nach Österreich als
"Fernstudium" weiter betriebene Studium an der Universität von Triest zu einem Abschluss
zu bringen, so darf doch nicht übersehen werden, dass sie - ihren Ausführungen in der
mündlichen Berufungsverhandlung zufolge - seit dem Jahr 2004 keine (erfolgreichen)
Prüfungen abgelegt hat. Aus diesem Grunde konnten auch trotz ausdrücklicher
Aufforderung sowohl der Abgabenbehörde als auch des BFG von der Bf. keine
Prüfungszeugnisse vorgelegt werden. Da eine erfolgreiche Ausbildung aber auch das
Ablegen von entsprechenden Prüfungen beinhaltet, und nur insoweit die Aufwendungen
als Umschulungskosten anerkannt werden können, kann - selbst unter Berücksichtigung
der persönlichen Umstände der Bf. und der großen Entfernung zum Studienort - nicht
davon ausgegangen werden, dass die Bf. ernstlich und zielstrebig in nach außen hin
erkennbaren Bemühungen den Einstieg in eine neue Tätigkeit verfolgt hat.
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Das bloße Vorbringen der Bf., sie hätte vorgehabt, später als Psychologin zu arbeiten, ist
nicht geeignet, die Absicht in einem anderen Beruf tätig zu werden, ausreichend zu
dokumentieren. Umso weniger, als sich die Bf. ihren eigenen Angaben zufolge seit ihrer
Versetzung in die Parts und Services Abteilung auch beruflich mehr engagieren musste.
Dem steuerlichen Vertreter der Bf. ist zwar insoweit beizupflichten, als die
Berücksichtigung von Umschulungskosten nicht auf den Fall beschränkt ist, dass der
Steuerpflichtige seine bisherige Tätigkeit aufgibt oder wesentlich einschränkt (vgl. VwGH
15.9.2011, Zl. 2008/15/0321), doch musste die Bf. nach ihrer Versetzung in die Parts und
Services Abteilung in ihrer bisherigen Tätigkeit ein größeres berufliches Engagement an
den Tag legen, sodass auch aus diesem Grund die vom Finanzamt geäußerten Zweifel an
der Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit der Ausbildung mehr als berechtigt sind.
Die ernsthafte Absicht zur Einkünfteerzielung muss zum jeweiligen Zeitpunkt
der Entstehung (Verausgabung) der Kosten klar erwiesen sein (Doralt,
Einkommensteuergesetz, Kommentar, II. Band, § 16, Rz 203/4/2, siehe auch Atzmüller/
Herzog/Mayr, RdW 2004, 621; VwGH 7.10.2003, 2001/15/0085, siehe auch die
diesbezügliche Anmerkung Hofbauer in GeS 2004, 117).
Da die Bf. - mit Ausnahme des Nachweises hinsichtlich der im Jahr 2004
erfolgten Teilnahme am universitätsbegleitenden Programm der C - nicht
einmal das Studium respektive den Fortgang des Studiums betreffende Unterlagen
(Prüfungszeugnisse etc.) vorgelegt hat bzw. solche in Ermangelung eines Studienerfolges
gar nicht vorlegen konnte, ist die Absicht, in absehbarer Zeit sich ein weiteres berufliches
Standbein zur Erzielung nicht gerade bloß geringfügiger Einkünfte zu schaffen, nicht
dokumentiert. Eine über die bloße Absichtserklärung hinausgehende ernste Absicht zur
Einkünfteerzielung wurde nicht nachgewiesen.
Dem Vorwurf, die Abgabenbehörde habe nie Unterlagen, die die Ernsthaftigkeit und
Zielstrebigkeit der Berufsausbildung dokumentieren, angefordert, ist entgegenzuhalten:
Wenngleich es zutrifft, dass das Finanzamt im Vorhalt vom 19. Jänner 2009 nicht explizit
um Vorlage solcher Unterlagen ersucht hat, so wurden doch belegmäßige Nachweise
der beantragten Umschulungskosten abverlangt. Zudem hätte die Bf. die abverlangten
Unterlagen ohne weiteres im Beschwerdeverfahren nachreichen können, zumal in der
Begründung zu den Einkommensteuerbescheiden der Jahre 2003 bis 2008 konkret
auf das Fehlen von Unterlagen über den konkreten Studienverlauf Bezug genommen
wurde. Und schließlich wurde in der BVE, welcher nach der ständigen Rechtsprechung
des VwGH Vorhaltscharakter zukommt (vgl. z.B. VwGH vom 24.1.1996, 93/13/0237,
0238;23.5.1996, 94/15/0024; 22.9.2000, 98/15/0148; zuletzt vom 2.6.2004, 2003/13/0156)
ausgeführt, dass in Ermangelung von Nachweisen betreffend Ernsthaftigkeit des
Studiums (Inhalt und Fortgang des Studiums, absolvierte Prüfungen) die konkrete
Einnahmenerzielungsabsicht nicht nachgewiesen wurde.
Mit dem Vorbringen, dass in Anbetracht der Höhe der Kosten eine rein private
Veranlassung auszuschließen sei, gelingt es der Bf. nicht, aufzuzeigen, dass die
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Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang
mit künftigen steuerbaren Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit stehen.
Es liegen keinerlei Hinweise oder Handlungen vor, die erkennen lassen, dass die
Bf. zielstrebig auf den Studienabschluss und eine künftige Einnahmenerzielung als
Psychologin hingearbeitet hätte.
Das Finanzamt hat daher die beantragten Aufwendungen für das Psychologiestudium in
Italien zu Recht nicht anerkannt.
Zulässigkeit einer Revision
Gem. Art.133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes
zulässsig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche
Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende
Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht
einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist mangels einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zulässig.
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist es erforderlich, dass der Steuerpflichtige
zielstrebig auf die Betriebseröffnung (bzw. das Erzielen von Einnahmen und
Entgelten) hinarbeitet. Es geht dabei darum, die nach außen in Erscheinung getretene
Vorgangsweise des Abgabepflichtigen daraufhin zu untersuchen, ob sie auf die Erzielung
von Einnahmen und Entgelten gerichtet ist (vgl. das Erkenntnis vom 19. März 2008,
2007/15/0134).
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GZ. RV/6100825/2014
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. N.N.
in der Beschwerdesache
Vorname Nachname, Straße, PLZ Ort
gegen den Bescheid
des Finanzamtes XXX vom 14.08.2014,
betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013
zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe (Einkommensteuer 2013) sind
dem beiliegenden Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Spruchbestandteil dieses
Erkenntnisses bildet.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Darstellung des Verfahrensablaufes:
In der am 15. April 2014 per FinanzOnline eingelangten Einkommensteuererklärung
2013 beantragte der Beschwerdeführer (in der Folge mit Bf. abgekürzt) unter anderem
die Anerkennung von Schulgeld für den Sohn N , geboren am xx.yy.zzzz , als
außergewöhnliche Belastung aus dem Titel "Schulgeld für eine Sonder(Pflege)-Schule
bzw. Behindertenwerkstätte".
Das Finanzamt richtete am 11. August 2014 ein Ergänzungsersuchen an den Bf. mit dem
Ersuchen, Zahlungsbelege für das Schulgeld für die Sonderschule und den Bescheid für
die Sonderschule nachzureichen.
Am 14. August 2014 langte beim Finanzamt die Beantwortung des
Ergänzungsersuchens ein.
Im Einkommensteuerbescheid 2013 (Arbeitnehmerveranlagung) vom 14. August 2014
wurden unter dem Titel „Außergewöhnliche Belastungen“ anerkannt:
Kinderbetreuungskosten
Kinderfreibeträge
1.394,01 €
440,00 €
für haushaltszugehörige Kinder
gemäß § 106a Abs. 1 EStG 1988
Der beantragte Abzug des Schulgeldes für die Sonderschule in Höhe von € 900,00 wurde
mit folgender Begründung versagt:
Gemäß § 34 EStG 1988 sind nur die Kosten für eine Sonder- oder Pflegeschule oder für
die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte absetzbar. Die Ausgaben für den Schulbeitrag
beim Averein können daher nicht anerkannt werden.
Am 21. August 2014 wurde gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 Beschwerde
erhoben und die Berücksichtigung des Schulbeitrages für den Sohn N beantragt.
Auf folgende, der Beschwerde angefügte Unterlagen wurde verwiesen:
● Bestätigung des Avereins Ort, dass für N Nachname, geboren am xx.yy.zzzz, in der
Zeit von 1. August 2013 bis 31. Dezember 2013 ein Schulbeitrag in Höhe von € 900,00
entrichtet wurde.
● Bescheid des Bezirksschulrates XXX vom 10. Juni 2013 betreffend Feststellung des
sonderpädagogischen Förderbedarfs und Lehrplanfestlegung für N Nachname , geb. am
xx.yy.zzzz .
Spruch des Bescheides:
1. Gemäß § 8 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. Nr. 76/1985 i.d.g.F., wird für das oben
genannte Kind der sonderpädagogische Förderbedarf festgestellt.
2. Gemäß § 17 Abs. 4 Schulunterrichtsgesetz, BGBl. Nr. 472/1986 i.d.g.F., wird
entschieden, dass das oben genannte Kind im Falle des Besuches einer allgemeinen
Schule abweichend vom Lehrplan dieser Schule in allen Unterrichtsgegenständen nach
dem Lehrplan der Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder zu unterrichten ist.
Begründung des Bescheides:
Zu Spruchteil 1.:
Gemäß § 8 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 hat der Bezirksschulrat den
sonderpädagogischen Förderbedarf für ein Kind auf Antrag der Eltern oder sonstigen
Erziehungsberechtigten des Kindes, auf Antrag des Leiters der Schule, dem das Kind zur
Aufnahme vorgestellt worden ist oder dessen Schule es besucht oder sonst von Amts
wegen festzustellen, sofern dieses infolge physischer oder psychischer Behinderung
dem Unterricht in der Volks- oder Hauptschule, Neuen Mittelschule oder Polytechnischen
Schule ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag.
Seite 2 von 15
Der Entscheidung des Bezirksschulrates lag folgendes Gutachten zugrunde:
Sonderpädagogisches Gutachten von SOL Name2 vom Datum1 .
Aus den vorliegenden Unterlagen, insbesondere dem vorangeführten Gutachten, geht
hervor, dass das Kind zwar schulfähig ist, aber infolge physischer oder psychischer
Behinderung dem Unterricht ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen
vermag und dass daher für das Kind in allen Gegenständen ein sonderpädagogischer
Förderbedarf besteht.
Zu Spruchteil 2.:
Gemäß § 17 Abs. 4 lit. a Schulunterrichtsgesetz hat der Bezirksschulrat für Kinder, bei
denen gemäß § 8 Abs. 1 des Schulpflichtgesetztes 1985 ein sonderpädagogischer
Förderbedarf festgestellt wurde, unter Bedachtnahme auf diese Feststellung zu
entscheiden, ob und in welchem Ausmaß der Schüler nach dem Lehrplan einer anderen
Schulart zu unterrichten ist.
Die sonderpädagogische Förderung des Kindes hat ab Beginn des Schuljahres 2013/2014
in der Schule , einer allgemeinen Schule, zu erfolgen.
Die Erziehungsberechtigte hat dieser Maßnahme zugestimmt. Aufgrund der
vorzitierten Gesetzesstelle war daher unter Bedachtnahme auf die Feststellung des
sonderpädagogischen Förderbedarfes und die dieser Feststellung zugrundegelegenen
Gutachten die im Spruchteil 2. vorgenommene Lehrplanfestlegung zu treffen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 22. September 2014 wurde die Beschwerde mit
folgender Begründung als unbegründet abgewiesen:
Gemäß § 34 EStG 1988 sind nur das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonderoder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte absetzbar.
Die Kosten für den Schulbeitrag konnten deshalb nicht anerkannt werden.
Der Beschwerdeführer stellte am 9. Oktober 2014 (Einbringungsdatum) den Antrag auf
Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Der Antrag enthielt folgende Begründung:
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom 22.9.2014 wurde der Schulbeitrag für meinen
Sohn Nachname N , geb. xx.yy.zzzz , nicht anerkannt. Für meinen Sohn wurde das
ganze Jahr erhöhte Familienbeihilfe bezogen.
Wie Sie aus dem beiliegendem Schreiben vom Bezirksschulrat entnehmen können,
benötigt mein Sohn eine sonderpädagogische Förderung. Vom Bezirksschulrat wurde
entschieden, dass mein Sohn N diese sonderpädagogische Förderung durch die
NamederSchule erhalten soll.
Ich bitte Sie, den Sachverhalt zu überprüfen und gegebenenfalls einen neuen
Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013, unter Berücksichtigung des Schulgeldes in
Höhe von € 900,00 als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt zu erlassen.
Seite 3 von 15
Die Beschwerde wurde von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.
Die Abgabenbehörde beantragte die Abweisung der Beschwerde mit dem Hinweis
darauf, dass aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes die Voraussetzungen für die
Berücksichtigung des Schulgeldes als außergewöhnliche Belastung nicht gegeben sind,
gleichgültig ob mit oder ohne Selbstbehalt.
Mit der Vorlage der Beschwerde übermittelte die Abgabenbehörde auch
• ein Fach/Ärztliches Sachverständigengutachten betreffend N Nachname vom Datum
(leitender Arzt Dr. Name ), in dem unter Diagnose festgestellt wurde: tiefgreifende
Entwicklungsstörung, Autismus,
s owie
• die Ablichtung eines Ausdruckes von einer Internetseite (Anmeldung Volksschule http://www.A.cc/vs-anmeldung.shtml - vom 20.10.2014).
Vom Beschwerdeführer wurde in der Folge (eingelangt am 1. Juni 2015) noch ein
Bestätigungsschreiben des Schulinspektors für allgemeinbildende Pflichtschulen
(mit Ausstellungsdatum 27. 4. 2015) vorgelegt mit folgendem Inhalt:
Für den Schüler N Nachname, geb. am xx.yy.zzzz, wurde mit Bescheid des
Bezirksschulrates XXX (seit 1.9.2014 - nunmehr Landesschulrat für Ort, Bildungsregion
XXX) vom 10.6.2013, Zahl xxxxxxx, der sonderpädagogische Förderbedarf festgestellt und
angeordnet, dass der Schüler in allen Unterrichtsgegenständen nach dem Lehrplan der
Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder zu unterrichten ist. Die Beschulung soll in der
Schule erfolgen. Es wird festgestellt, dass die für den Schüler bestmögliche Förderung in
der Schule erfolgen kann.
Der Abgabenbehörde wurde dieses Schreiben zur Kenntnis gebracht:
Am 19. Juni 2015 langte eine Stellungnahme der Abgabenbehörde zu diesem Schreiben
ein.
Unter Hinweis insbesondere auf § 34 EStG 1988, und auf § 5 Abs. 3 der Verordnung des
BMF über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idgF wurde festgestellt:
"Da es sich bei der Schule der A Ort weder um eine Sonder- oder Pflegeschule noch um
eine Behindertenwerkstätte handelt, kann das geltend gemachte Schulgeld in Höhe von
€ 900 für die Monate August bis Dezember 2014 nicht berücksichtigt werden.
Das Finanzamt beantragt daher weiterhin die Abweisung der Beschwerde."
Vom Bundesfinanzgericht wird diesem Erkenntnis der folgende Sachverhalt
zugrunde gelegt.
Für den am xx.yy.zzzz geborenen Sohn N des Beschwerdeführers wurde eine
teifgreifende Entwicklungsstörung, Autismus, diagnostiziert.
Im streitgegentändlichen Zeitraum wurde erhöhte Famililenbeihilfe bezogen.
Seite 4 von 15
N ist zwar schulfähig, aber infolge der diagnostizierten tiefgreifenden Entwicklungsstörung,
Autismus, vermag er dem Unterricht ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen.
Es besteht daher ein sonderpädagogischer Förderbedarf.
An der dem Wohnort des Kindes nächstgelegenen Volksschule, der Volksschule
Pestalozzi, bestand bzw. besteht keine Möglichkeit der Abdeckung des
sonderpädagogischen Förderbedarfes.
Gibt es an der dem Wohnsitz des Kindes nächstgelegenen Volksschule keine
entsprechenden Möglichkeiten der sonderpädagogischen Förderung, besteht der Bedarf,
einen Platz an einer Schule, die den geforderten sonderpädagogischen Förderbedarf
abdeckt, zu erhalten.
Die NamederSchule des Diankonievereins Ort hat Öffentlichkeitsrecht (gesetzlich
anerkannter Schulabschluss) und beruht unter anderem auf auf dem Konzept
der Integration und Montessori-Pädagogik.
In den Klassen werden 22 Kinder, davon 4-5 mit sonderpädagogischem Förderbedarf
unterrichtet. Für jede Klasse stehen zwei PädagogInnen zur Verfügung (Volksschul- und
SonderschullehrerIn). Die Lehrpläne der Volksschule, der Allgemeinen Sonderschule
und der Sonderschule für Schwerstbehinderte Kinder kommen zur Anwendung. Geprüfte
Behindertenbetreuerinnen und ein Zivildiener unterstützen das Team
(siehe http://www.A.cc/vs-beschreibung.shtml (12. 3.2015) u.a.).
Mit Bescheid des Bezirksschulrates XXX vom 10. Juni 2013 wurde der
sonderpädagogische Förderbedarf festgestelt und entschieden, dass das Kind im Falle
des Besuches einer allgemeinen Schule abweichend vom Lehrplan dieser Schule in allen
Unterrichtsgegenständen nach dem Lehrplan der Sonderschule für schwerstbehinderte
Kinder zu unterrichten ist und dass die sonderpädagogische Förderung des Kindes ab
Beginn des Schuljahres 2013/2014 in der Schule, einer allgemeinen Schule, zu erfolgen
hat.
In einem weiteren Bestätigungsschreiben des Schulinspektors für allgemeinbildende
Pflichtschulen (vom 27.4.2015) wurde ergänzend ausdrücklich bestätigt, dass die für den
Schüler bestmögliche Förderung in der Schule erfolgen kann.
N hat ab Beginn des Schuljahres 2013/2014 diese Schule (somit im
streitgegenständlichen Jahr) besucht.
Es wurde in diesem Zeitraum Schulgeld in Höhe von € 900,-- entrichtet.
Rechtliche Grundlagen und Erwägungen:
§ 34 EStG 1988 (Einkommensteuergesetz 1988 in der im Streitjahr geltenden
Fassung) besagt:
Seite 5 von 15
(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen
sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.
Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben
sein.
(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl
der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse
erwächst.
(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus
tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit
sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit
Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt
übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen …
…
6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes
abgezogen werden:
– Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, insbesondere Hochwasser-,
Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden im Ausmaß der erforderlichen
Ersatzbeschaffungskosten.
– Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung nach Abs. 8.
– Aufwendungen für die Kinderbetreuung im Sinne des Abs. 9.
– Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des
Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie
die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld
oder Blindenzulage) übersteigen.
– Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht
werden (§ 35 Abs. 5).
– Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des §
35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld,
Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und
in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung
Seite 6 von 15
auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte
Geldleistung zu berücksichtigen sind.
Die diesbezügliche Verordnung des Bundesministers für Finanzen über
außergewöhnliche Belastungen (BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 416/2001)
bestimmt - soweit für den Beschwerdefall von Bedeutung - Folgendes:
§ 5. (1) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen,
für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte
Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich
262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld,
Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.
(2) Bei Unterbringung in einem Vollinternat vermindert sich der nach Abs. 1 zustehende
Pauschbetrag pro Tag des Internatsaufenthaltes um je ein Dreißigstel.
(3) Zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 sind
auch Aufwendungen gemäß § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer
Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im
nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
§ 17 Abs. 4 lit. a Schulunterrichtsgesetz 1986 in der für das Streitjahr geltenden
Fassung (BGBl. Nr. 472/1986 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 36/2012) bestimmt:
Für Kinder, bei denen gemäß § 8 Abs. 1 des Schulpflichtgesetzes 1985 ein
sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wurde, hat unter Bedachtnahme auf diese
Feststellung der Bezirksschulrat zu entscheiden, ob und in welchem Ausmaß der Schüler
nach dem Lehrplan einer anderen Schulart zu unterrichten ist.
§ 8 Schulpflichtgesetz 1985 in der im Streitjahr geltenden Fassung legt fest:
Schulbesuch bei sonderpädagogischem Förderbedarf
§ 8. (1) Der Bezirksschulrat hat den sonderpädagogischen Förderbedarf für ein
Kind auf Antrag der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes, auf
Antrag des Leiters der Schule, dem das Kind zur Aufnahme vorgestellt worden ist
oder dessen Schule es besucht oder sonst von Amts wegen festzustellen, sofern
dieses infolge physischer oder psychischer Behinderung dem Unterricht in der
Volks- oder Hauptschule, Neuen Mittelschule oder im Polytechnischen Schule ohne
sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag. Zuständig zur Entscheidung ist
der Bezirksschulrat, in dessen Bereich das Kind seinen Wohnsitz hat; wenn das Kind
bereits eine Schule besucht, ist der Bezirksschulrat, in dessen Bereich die Schule gelegen
ist, zuständig. Der Bezirksschulrat hat zur Feststellung, ob ein sonderpädagogischer
Förderbedarf besteht, ein sonderpädagogisches Gutachten sowie erforderlichenfalls ein
schul- oder amtsärztliches Gutachten und mit Zustimmung der Eltern oder sonstigen
Erziehungsberechtigten des Kindes ein schulpsychologisches Gutachten einzuholen.
Ferner können Eltern oder sonstige Erziehungsberechtigte im Rahmen des Verfahrens
Gutachten von Personen, welche das Kind bisher pädagogisch, therapeutisch oder ärztlich
Seite 7 von 15
betreut haben, vorlegen. Auf Antrag der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten
ist eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Der Bezirksschulrat hat die Eltern oder
sonstigen Erziehungsberechtigten auf die Möglichkeit der genannten Antragstellungen
hinzuweisen.
(2) Im Rahmen der Verfahren gemäß Abs. 1 kann auf Verlangen oder mit Zustimmung der
Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten das Kind, sofern es die Volksschule oder
Hauptschule oder Neue Mittelschule noch nicht besucht, für höchstens fünf Monate in die
Volksschule oder die Hauptschule oder die Neue Mittelschule oder eine Sonderschule
der beantragten Art, sofern es die Volksschule oder die Hauptschule oder die Neue
Mittelschule bereits besucht, in eine Sonderschule der beantragten Art zur Beobachtung
aufgenommen werden.
...
§ 8a Schulpflichtgesetz 1985 in der im Streitjahr geltenden Fassung besagt:
Abs. 1: Schulpflichtige Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (§ 8 Abs. 1) sind
berechtigt, die allgemeine Schulpflicht entweder in einer für sie geeigneten Sonderschule
oder Sonderschulklasse oder in einer den sonderpädagogischen Förderbedarf erfüllenden
Volksschule, Hauptschule, Neuen Mittelschule, Polytechnischen Schule, Unterstufe einer
allgemein bildenden höheren Schule oder Haushaltungsschule zu erfüllen,
....
Dem Schulorganisationsgesetz 1962 in der im Streitjahr geltenden Fassung ist zu
entnehmen:
§ 22:
Die Sonderschule in ihren verschiedenen Arten hat physisch oder psychisch behinderte
Kinder in einer ihrer Behinderungsart entsprechenden Weise zu fördern, ihnen nach
Möglichkeit eine den Volksschulen oder Hauptschulen oder Neuen Mittelschulen oder
Polytechnischen Schulen entsprechende Bildung zu vermitteln und ihre Eingliederung
in das Arbeits- und Berufsleben vorzubereiten. Sonderschulen, die unter Bedachtnahme
auf den Lehrplan der Hauptschule oder der Neuen Mittelschule geführt werden, haben
den Schüler je nach Interesse, Neigung, Begabung oder Fähigkeit auch zum Übertritt in
mittlere oder in höhere Schulen zu befähigen.
§ 24 Abs. 1:
Die Sonderschule umfasst neun Schulstufen. Die letzte Schulstufe ist das
Berufsvorbereitungsjahr.
...
§ 25 Absatz 1:
Sonderschulen sind je nach den örtlichen Erfordernissen zu führen
a) als selbständige Schulen oder
Seite 8 von 15
b) als Sonderschulklassen, die einer Volks- oder Hauptschule, einer Neuen Mittelschule
oder einer Polytechnischen Schule oder einer Sonderschule anderer Art angschlossen
sind.
In der Beschwerde wurde vom Bf. beantragt, einen neuen Einkommensteuerbescheid
für das Jahr 2013, unter Berücksichtigung des Schulgeldes in Höhe von € 900,00
als außergewöhnliche Belastung (im Sinne des § 5 Abs. 3 der Verordnung des
Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. Nr. 303/1996
idF BGBl. II Nr. 416/2001) ohne Selbstbehalt, zu erlassen.
In Streit steht somit im vorliegenden Beschwerdefall, ob das vom Bf. im Streitjahr für
seinen Sohn N entrichtete Schuldgeld (900,00 €) für den Besuch der Volksschule
des Name1 als außergewöhnliche Belastung ("Entgelt für die Unterrichtserteilung in
einer Sonderschule" - § 5 Abs. 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen
über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 416/2001)
abzugsfähig ist.
Zur Frage, ob das vom Bf. entrichtete Schulgelt unter den Begriff ("Entgelt für
die Unterrichtserteilung in einer Sonderschule" - § 5 Abs. 3 der Verordnung des
Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. Nr.
303/1996 idF BGBl. II Nr. 416/2001) fällt:
Wie der zitierten Bestimmung § 5 Abs. 3 der Verordnung des Bundesministers für
Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr.
416/2001) zu entnehmen ist, ist (unter anderem) z usätzlich zum (gegebenenfalls
verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 auch das Entgelt für die Unterrichtserteilung in
einer Sonderschule im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
Der sonderpädagogische Förderbedarf des Sohnes N des Bf. wurde mit Bescheid des
Bezirksschulrates vom 10. Juni 2013 festgestellt.
Festgestellt wurde im 2. Spruchteil dieses Bescheides auch, dass N im Falle des
Besuches einer allgemeinen Schule abweichend vom Lehrplan dieser Schule in allen
Unterrichtsgegenständen nach dem Lehrplan der Sonderschule für schwerstbehinderte
Kinder zu unterrichten ist.
Dazu wurde in der Begründung des Bescheides ausgeführt, dass die sonderpädagogische
Förderung ab Beginn des Schuljahres 2013/2014 in der Schule , einer allgemeinen
Schule, zu erfolgen hat.
Die NamederSchule in Ort ist eine Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht. Sie ist eine
allgemeine Schule, in der auch der Lehrplan der Sonderschule für Schwerstbehinderte
Kinder zur Anwendung kommt, wobei auch das Konzept der Integration und MontessoriSeite 9 von 15
Pädagogik eine den besonderen Bedürnissen eines autistischen Kindes förderliche Art
des Unterrichts bietet.
Augrund des § 25 Abs. 1 Schulorganisationsgesetz 1962 in der im Streitjahr geltenden
Fassung können Sonderschulen nicht nur als selbständige Schulen geführt werden
sondern auch als Sonderschulklassen, die einer Volks- oder Hauptschule, einer Neuen
Mittelschule oder einer Polytechnischen Schule oder einer Sonderschule anderer Art
angschlossen sind.
Durch die Bestimmung des § 8a Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 in der im Streitjahr
geltenden Fassung sind schulpflichtige Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf
(§ 8 Abs. 1) berechtigt, die allgemeine Schulpflicht entweder in einer für sie geeigneten
Sonderschule oder Sonderschulklasse oder in einer den sonderpädagogischen
Förderbedarf erfüllenden Volksschule, Hauptschule, Neuen Mittelschule, Polytechnischen
Schule, Unterstufe einer allgemein bildenden höheren Schule oder Haushaltungsschule zu
erfüllen.
Fest steht, insbesondere auch im Hinblick auf die Feststellungen im zitierten Bescheid
des Bezirksschulrates, dass der Sohn N des Bf. die NamederSchule aufgrund des
diagnostizierten Autismus, das heißt krankheitsbedingt besucht. Insbesondere aufgrund der gesetzlichen Bestimmung des § 25 Abs. 1
Schulorganisationsgesetz 1962, aus der hervorgeht, dass die Sonderschule nicht nur als
selbständige Schule unter der Bezeichnung "Sonderschule" geführt wird, sondern auch
auch als Sonderschulklassen, die einer Volks- oder Hauptschule, einer Neuen Mittelschule
oder einer Polytechnischen Schule oder einer Sonderschule anderer Art angeschlossen
sind, fallen nach der Überzeugung des Bundesfinanzgerichts die Kosten für den Besuch
der Schule des Avereins Ort, die der Sohn des Bf. krankheitsbedingt zur Abdeckung des
sonderpädagogischen Förderbedarfes besucht, eindeutig unter den Begriff "Entgelt für die
Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule" des § 5 Abs. 3 der Verordnung
des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. Nr.
303/1996 idF BGBl. II Nr. 416/2001).
§ 5 Abs. 3 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen will den Abzug von
Schulgeld für typischerweise (auch) von Personen mit besonderem Betreuungsbedarf
besuchte Schulen zusätzlich zum Pauschbetrag nach § 5 Abs. 1 ermöglichen.
Da die NamederSchule des Avereins Ort auch den sonderpädagogischen
Förderbedarf abdeckt, wird sie typischerweise auch von Kindern, die eines besonderen
Betreuungsbedarfes bedürfen, für die somit ein besonderer sonderpädagogischer
Förderungsbedarf besteht, besucht.
Von der Abgabenbehörde wurde (allerdings ohne die entsprechende Stelle - Rz 859 - in
den LStR zu zitieren) darauf hingewiesen, dass als Entgelt für die Unterrichtserteilung
in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte
(§ 5 Abs. 3 der Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr.
303/1996 idgF) auch Kostenbeiträge an das Land für den Besuch einer Behindertenschule
Seite 10 von 15
oder einer Behindertenwerkstätte auf Grund (landes-)gesetzlicher Regelungen sowie
Aufwendungen für Betreuungsstunden im Rahmen der sonderpädagogischen Förderung
im Kindergarten gelten.
Auch wenn es sich bei den Lohnsteuerrichtlinien mangels Kundmachung
im Bundesgesetzblatt um keine für das Bundesfinanzgericht beachtliche
Rechtsquelle handelt, Erlässe der Finanzverwaltung keine Rechte und Pflichten der
Steuerpflichtigen (siehe dazu z.B. VwGH 28.1.2003, 2002/14/0139, VwGH 18.3.1992,
92/14/0019) begründen, sei dazu dennoch Folgendes festgestellt:
Aus Rz 859 der Lohnsteuerrichtlinien ("Als Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer
Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte (§ 5 Abs.
3 der Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996
idgF) gelten auch Kostenbeiträge an das Land für den Besuch einer Behindertenschule
oder einer Behindertenwerkstätte auf Grund (landes-)gesetzlicher Regelungen sowie
Aufwendungen für Betreuungsstunden im Rahmen der sonderpädagogischen Förderung
im Kindergarten.") ergibt sich wohl, dass die Aufzählung in § 5 Abs. 3 der Verordnung
über außergewöhnliche Belastungen von der Abgabenbehörde nicht als abschließend
eingestuft wird.
Zum Vorliegen der Voraussetzungen für den Abzug einer "außergewöhnlichen
Belastung":
Das Vorliegen der einzelnen Voraussetzungen für das Vorliegen einer außergewöhnlichen
Belastung i.S. des § 34 EStG 1988 wurde von der Abgabenbehörde nicht im Einzelnen
bestritten, Ausführungen wurden lediglich bezüglich des Vorliegens der Zwangsläufigkeit
gemacht.
Das Finanzamt hat die Zwangsläufigkeit im Vorlagebericht mit folgendem Vorbringen,
unter Hinweis auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, verneint:
"Es ist durchaus üblich, dass Eltern im Interesse einer möglichst guten und umfassenden
Ausbildung ihrer Kinder neben der gesetzlich geregelten Unterhaltspflicht freiwillig
und ohne sittliche Verpflichtung weitere Kosten auf sich nehmen (VwGH 11.5.1993,
90/14/0105). Auch unter Berücksichtigung einer grundsätzlich freien Berufswahl sind
die Eltern (im Rahmen ihrer rechtlichen Unterhaltspflicht) nicht verpflichtet, ihrem
Kind jeden mit hohen Kosten verbundenen, speziellen Ausbidungswunsch zu erfüllen
(VwGH 11.5.1993, 91/14/0054).
Im vorliegenden Fall liegt trotz der oben dargestellten natürlichen Intensionen der Eltern
keine Zwangsläufigkeit vor."
Vom Bundesfinanzgericht wird darauf - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes - Folgendes entgegnet:
"Zwangsläufig entsteht eine Belastung dann, wenn der Steuerpflichtige sich ihr aus
tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs 3 leg cit).
Seite 11 von 15
...
Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen
angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen,
Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig
beizutragen.
In dieser Bestimmung kommt unter anderem der im Bundesgesetz über die Neuordnung
des Kindschaftsrechtes vom 30. Juni 1977, BGBl Nr 403/1977, betonte Grundsatz des
Kindeswohls zum Ausdruck. Der Begriff des "Kindeswohls" wird im Gesetz zwar nicht
ausdrücklich definiert, ist im § 178a ABGB aber näher umschrieben. Dabei sind die
Persönlichkeit des Kindes und seine Bedürfnisse, besonders seine Anlagen, Fähigkeiten,
Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten, aber auch die Lebensverhältnisse der Eltern
zu berücksichtigen (vgl in diesem Sinne Schüch, ÖA 1980, Seite 31 und insbesondere die
Seiten 55 ff).
...
(aus VwGH 11.5.1993, 91/14/0085)
Zur Zwangsläufigkeit (aber auch zur Außergewöhnlichkeit) im Sinne des § 34 EStG 1988
des Entgelts für den Besuch einer Privatschule hat der Verwaltungsgerichtshof unter
anderem in seinem Erkenntnis VwGH 30.1.1990, 88/14/0218 festgestellt:
...
Die Außergewöhnlichkeit dieser Belastung hat der Verwaltungsgerichtshof im übrigen
dem Grunde nach auch noch nie in Zweifel gezogen und im Erkenntnis vom 9. Oktober
1981, Zl. 13/1851/79, sogar schlüssig bejaht.
...
Nach den Grundsätzen, wie sie der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. Februar
1986, Zl. 85/14/0097, zum Ausdruck brachte, erscheint der Vater aus rechtlichen
Gründen verpflichtet, dem Kind durch einen Schulbesuch die seinen Fähigkeiten
entsprechende Ausbildung angedeihen zu lassen. Die belangte Behörde bestreitet
nun nicht, daß die Fähigkeiten des Sohnes des Beschwerdeführers den Besuch einer
AHS (mit anschließendem Hochschulstudium) rechtfertigen. Das Ausbildungsziel der
Absolvierung einer AHS ist aber eher gesichert, wenn das Kind durchgehend die AHS mit
ihren unmittelbar aufeinander abgestimmten Lehrplänen besucht, als wenn es von der
Hauptschule in die höhere Schule (AHS) wechseln muß. Sprechen die Fähigkeiten des
Kindes nicht gegen den durchgehenden Besuch der AHS und ist dieser Besuch, wenn
auch im Wege einer Privatschule, unschwer möglich, so ist der Vater nach Maßgabe
seiner Leistungskraft rechtlich verpflichtet, für den durchgehenden Besuch der AHS
zu sorgen. Daß der Sohn des Beschwerdeführers an dessen Wohnort und in seiner
Umgebung keine öffentliche Unterstufenmittelschule besuchen konnte, stellte die belangte
Behörde nicht in Abrede. Der Besuch der privaten Unterstufenmittelschule und damit die
Bezahlung des Schulgeldes erscheinen danach zwangsläufig.
Seite 12 von 15
Dass der Bf. seinem Sohn N den Besuch der Schule wegen dessen Erkrankung bezahlt,
und nicht, um N einen mit hohen Kosten verbundenen Ausbildungswunsch zu erfüllen,
kann wohl nicht bestritten werden.
Insbesondere aufgrund der Feststellungen im zitierten Bescheid des Bezirksschulrates,
dass der Sohn N des Bf. die NamederSchule aufgrund des diagnostizierten Autismus,
steht für das Bundesfinanzgericht fest, dass N diese Schule krankheitsbedingt besucht.
Bestätigt wurde darüber hinaus vom Schulinspektor für allgemeinbildende Pflichtschulen
(27.4.2015), dass die für N bestmögliche Förderung in der Schule erfolgen kann.
Außerdem wird in diesem Zusammenhang auch noch auf folgende Situation hingewiesen:
Aus dem Bericht der Volksanwaltschaft an den XX 2007/2008 geht z.B. hervor, dass die
Suche nach der richtigen Schule für ein autistisches Kind schwierig ist.
Einleitend wird hier angeführt, dass gerade für Kinder mit einer Behinderung der Besuch
einer für die jeweiligen besonderen Bedürfnisse passenden Schule von zentraler
Bedeutung ist.
Im einzelnen wurde u.a. ausgeführt:
"Der folgende Fall vor der Volksanwaltschaft zeigt, dass es selbst in der Stadt Ort nicht
ausreichend geeignete Schulplätze für psychisch kranke, insbesondere schwer autistische
Kinder gibt.
...
Da aber zu Beginn des Schuljahres 2008/2009 weder ein freier Platz in der gewünschten
Schule noch eine als zweite Alternative in Frage kommende Integrationsklasse in einer
Montessori Schule zustande kam, musste der Junge in eine Schule für körperbehinderte
Kinder gehen, die für seine Behinderung überhaupt nicht geeignet war. Schon nach
kurzer Zeit verschlimmerte sich sein Gesundheitszustand rapide, sodass er sogar in der
kinderpsychiatrischen Abteilung des Krankenhauses behandelt werden musste.
... "
Auch in den Y Nachrichten Internetadresse (26.6.2015) wurde in einem Artikel
vom 23.6.2014 auf die schwierige Situation bei sonderpädagogischem Bedarf
hingewiesen, besonders im Fall des Vorliegens von Autismus einen geeigneten Schulplatz
zu finden:
"Integration: Schulen ringen um jede Lehrerstunde"
Von VnNn , 23.06.2014
Die Kürzungen bei den Integrationsstunden treffen manche Schulen hart. Immer mehr
Kinder brauchen Unterstützung durch Sonderpädagogen. Massiv ist der Anstieg der Zahl
der Autisten.
...
Bezirksschulinspektorin A.B. sagt ...
"Wir haben einen starken Anstieg bei den zukünftigen ersten Klassen - gerade bei
Autismus-Spektrum-Störungen." Die betroffenen Kinder seien oft "ganz schwierig zu
beschulen".
...
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Unter Internetadresse1 (25.6.2015) ist folgende, vom Landesschulrat Ort im Internet
veröffentlichte Feststellung zu lesen:
Die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler ist ein zentraler Auftrag der
österreichischen Schule.
http://www.docs4you.at/Content.Node/OEGKJ/Konsensuspapiere/
Positionspapier_Autismus.pdf (25.6.2015)
Positionspapier der Arbeitsgruppe für Entwicklungs- und Sozialpädiatrie der
Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde
Diagnostik, Therapie und Betreuung von Menschen mit Autismusspektrumstörung,
Verabschiedet am 5.11.2010 in Ort
3.5 Betreuung in Kindergärten und Schulen
Kinder und Jugendliche mit Autismusspektrumstörung sollen so weit als möglich in
Regeleinrichtungen betreut werden. ...
Das Vorliegen der Zwangsläufigkeit kann nach der Überzeugung des
Bundesfinanzgerichts somit nicht in Abrede gestellt werden.
Zusammenfassend wird festgestellt:
Die vom Bf. beantragten Kosten an Schulgeld für seinen Sohn N in Höhe von 900,00 €
der Schule des Diankonievereins Ort stellen - wie im Einzelnen dargelegt - "Entgelt für die
Unterrichtserteilung in einer Sonderschule" im Sinne des § 5 Abs. 3 der Verordnung des
Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. Nr. 303/1996
idF BGBl. II Nr. 416/2001 dar.
N besucht diese Schule krankheitsbedingt.
Infolge des durch ärztliche Gutachten diagnostizierten Krankheitsbildes (tiefgreifende
Entwicklungsstörung, Autismus) in Verbindung mit den Feststellungen im Bescheid
des Bezirksschulrates XXX vom 10. Juni 2013 und im Bestätigungsschreibens vom
Schulinspektor für allgemeinbildende Pflichtschulen (27.4.2015), sowie auch unter
Hinweis auf die Tatsache, dass es sehr schwierig war bzw. ist, einen Schulplatz zu finden,
der den sonderpädagogischen Förderbedarf in einer für das Kind geeigneten Form
abdecken konnte, wird der Besuch dieser Schule als zwangsläufig beurteilt.
Es liegen einerseits die für den Abzug einer außergewöhnlichen Belastung geforderten
Voraussetzungen des § 34 EStG 1998 vor, andererseits stellt das streitgegenständliche
Schulgeld "Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonderschule" im Sinne des §
5 Abs. 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche
Belastungen (BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 416/2001 dar.
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Der Beschwerde wird daher Folge gegeben.
Zulässigkeit einer Revision
Art. 133 Abs. 4 B-VG besagt, dass gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts
die Revision zulässig ist, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der
grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung
fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des Art 133 Abs. 4 B-VG
nicht vorliegen.
Die Beantwortung der Frage, ob das streitgegenständliche Schulgeld "Entgelt für die
Unterrichtserteilung in einer Sonderschule" im Sinne des § 5 Abs. 3 der Verordnung des
Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. Nr. 303/1996
idF BGBl. II Nr. 416/2001 darstellt, ergibt sich hinreichend klar aus dem Gesetz.
Hinsichtlich der Frage der Abzugsfähigkeit der Kosten für den Besuch einer Privatschule
als außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG 1988 wird auf die zitierte, im Übrigen
einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.
Salzburg-Aigen, am 30. Juni 2015
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28.05.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
28.05.2015
Geschäftszahl
2012/15/0106
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin
Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein des
Schriftführers Mag. Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der B Z in W, vertreten durch die SchneideR'S
Rechtsanwalts-KG in 1170 Wien, Hormayrgasse 7A Top 18, gegen den Bescheid des unabhängigen
Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 26. März 2012, Zlen. RV/0341-L/10 und RV/0342-L/10, betreffend u.
a. Einkommensteuer 2002, 2005 und 2006, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er über Einkommensteuer 2005 und 2006 abspricht, wegen
Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen Umfang der Anfechtung (Einkommensteuer 2002) wird die Beschwerde als unbegründet
abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin eröffnete im Jahr 2002 einen Handelsbetrieb mit Waren aller Art, dessen Gewinn
sie gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermittelte.
Im Jahr 2008 fand eine abgabenbehördliche Prüfung statt, auf Grund derer nach Wiederaufnahme der
Verfahren geänderte Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2002 bis 2006 ergingen.
Gegen die im Sinne der Prüfungsfeststellungen ergangenen neuen Sachbescheide der genannten Jahre erhob
die Beschwerdeführerin Berufung. Beantragt wurde u.a. die Anerkennung von in den Jahren 2005 und 2006 an
den Sohn der Beschwerdeführerin sowie an die C KEG geleisteten Zahlungen als Betriebsausgaben sowie des im
Jahr 2002 entstandenen Verlustes als vortragsfähig.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung betreffend Einkommensteuer der
Jahre 2002 bis 2006 und Umsatzsteuer 2005 und 2006 als unbegründet ab (die Berufung betreffend
Umsatzsteuer 2002 bis 2004 war bereits mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes einer Erledigung
zugeführt worden).
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und allgemeinen Rechtsausführungen wird im
angefochtenen Bescheid ausgeführt, der Sohn der Beschwerdeführerin habe am 10. April 2005 eine Rechnung
für 50 Stunden EDV-Administration in Höhe von 2.500 EUR (ohne Umsatzsteuerausweis) gelegt und diesen
Betrag unstrittig auch erhalten. Allerdings sei nicht nachgewiesen worden, dass der Sohn diesen Betrag auch
versteuert habe. Aus der der Berufung beigelegten Einkommensteuererklärung des Sohnes für das Jahr 2005
gehe hervor, dass Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 4.000 EUR erklärt worden seien. Nicht
ersichtlich sei jedoch, ob in diesem Gesamtbetrag die von der Beschwerdeführerin gezahlten
2.500 EUR enthalten seien. Ein wesentliches Indiz dafür, dass der strittige Betrag nicht als Betriebseinnahme des
Sohnes erklärt worden sei, sehe die belangte Behörde in dem Umstand des fehlenden Umsatzsteuerausweises,
was für Rechnungen eines Unternehmers an eine Unternehmerin im betrieblichen Bereich ungewöhnlich sei.
Mangels Nachweises, dass der von der Beschwerdeführerin an ihren Sohn bezahlte Betrag von 2.500 EUR in
den betrieblichen Bereich geflossen sei, sei der Betrag nicht als Betriebsausgabe der Beschwerdeführerin zu
qualifizieren.
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Verwaltungsgerichtshof
28.05.2015
Die Zahlungen der Beschwerdeführerin an die C KEG seien nicht anzuerkennen, weil mit Beschluss des
Handelsgerichtes Y vom 11. Oktober 2005 der Konkurs über das Vermögen der C KEG mangels
kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet worden sei. Der Beschluss sei am 2. November 2005 rechtskräftig
geworden und im Firmenbuch mit 7. November 2005 bekannt gemacht worden. Der streitgegenständliche Betrag
in Höhe von 46.688 EUR (Provisionsabrechnung) sei in drei Teilen am 30. November, 12. Dezember und
31. Dezember 2005 bar beglichen worden. Damit seien sämtliche Teilzahlungen nach Bekanntmachung des
Beschlusses über die Rechtskraft der Konkursabweisung mangels Kostendeckung erfolgt. Die
Beschwerdeführerin habe die Beträge demnach an eine KEG geleistet, welche in Folge rechtskräftiger
Konkursabweisung mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 39 FBG aufgelöst war. Dass die
berufungsgegenständlichen Teilbeträge aufgrund ihrer Zahlung an eine nicht mehr existente Firma keine
Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 darstellen könnten, sei offenkundig. Da die C KEG im Zeitpunkt
der jeweiligen Zahlungen nicht mehr existiert habe, sei ein betrieblicher Grund der Zahlung nicht gegeben, die
Zahlungen seien damit nicht durch den Betrieb der Beschwerdeführerin veranlasst. Auf die
Berufungsausführungen zu einem späteren weiteren Konkursantrag der C KEG im Jahr 2006 brauche daher nicht
mehr eingegangen zu werden. Auch ein Vorsteuerabzug sei ausgeschlossen, weil die Rechnung der C KEG nach
deren Auflösung ausgestellt worden sei.
Aus demselben Grund könne auch die von der C KEG am 15. März 2006 ausgestellte Rechnung über
17.400 EUR (betreffend eine Geschäftseinrichtung) nicht anerkannt werden. Da die Rechnung von einem
"nullum" gestellt und auch seitens der Beschwerdeführerin an ein "nullum" geleistet worden sei, entspreche
diese Leistung nicht den Erfordernissen zur Anerkennung von Aufwendungen als Betriebsausgaben gemäß § 4
Abs. 4 EStG 1988. Die C KEG habe die Rechnung nach ihrer Auflösung gelegt; sie habe zu diesem Zeitpunkt
also keine Unternehmereigenschaft mehr gehabt, was zu einer nicht dem § 11 UStG 1994 entsprechenden
Rechnung geführt habe, die einen Vorsteuerabzug nicht ermögliche.
Zum Verlustvortrag wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin nicht die im
Jahr 2002 seitens der Betriebsprüfung erfolgte Umsatzzuschätzung von 40.000 EUR bekämpfe, sondern
lediglich die Ansicht vertrete, dieser Umstand stünde einem Vortrag des für 2002 errechneten Verlustes in den
Folgejahren nicht entgegen. Die belangte Behörde teile diese Ansicht nicht, weil die Zuschätzung erfolgt sei, um
die mittels Gelddeckungsrechnung festgestellte Unterdeckung auszugleichen und das gesamte Rechenwerk der
Beschwerdeführerin für das Jahr 2002 unvollständig sei. Die Beschwerdeführerin habe für 2002 einen Verlust
von 121.247 EUR erklärt, die "Gewinnerhöhung" von 40.000 EUR stelle rund ein Drittel des erklärten Verlustes
dar. Wenn der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, 92/14/0031, ausgeführt habe,
dass bei einer Zuschätzung von 70.000 S bei einem erklärten Verlust von rund 380.000 S (also einer
Zuschätzung unter einem Fünftel des erklärten Verlustes) ein Hinweis auf Buchführungsmängel bestünde, die
einen Verlustabzug gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 nicht rechtfertigen, könne die im Beschwerdefall erfolgte
Zuschätzung von rund einem Drittel des erklärten Verlustes umso mehr einen Verlustabzug nicht rechtfertigen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem "Recht auf Ermittlung
ihres steuerpflichtigen Gewinns entsprechend den Vorschriften der §§ 4 ff EStG wegen Versagung der
steuerlichen Anerkennung bestimmter, konkret nachgewiesener Betriebsausgaben bei Festsetzung der
Einkommensteuer für die Jahre 2002, 2005 und 2006 verletzt".
Durch den ausdrücklich als solchen bezeichneten Beschwerdepunkt wird der Prozessgegenstand des
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an der der Verwaltungsgerichtshof
bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 2014,
2011/15/0184).
Die
angeführten
Beschwerdepunkte
schließen
weder
die
Umsatzsteuer
noch
die
Einkommensteuerfestsetzung der Jahre 2003 und 2004 ein. Der im angefochtenen Bescheid vorgenommene
Abspruch über die Umsatzsteuer 2005 und 2006 sowie die Einkommensteuer 2003 und 2004 ist damit von der
Prüfungskompetenz des Verwaltungsgerichtshofes nicht umfasst (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2013,
2009/15/0017).
Bei den von der belangten Behörde nicht anerkannten Betriebsausgaben handelte es sich zum einen um die
im Jahr 2005 geleistete Zahlung an den Sohn der Beschwerdeführerin in Höhe von
2.500 EUR, zum anderen um Zahlungen an die C KEG, die in den Jahren 2005 und 2006 nach
Konkursabweisung erfolgt waren. Eine Rechtswidrigkeit der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2002
ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen zu den nicht anerkannten Betriebsausgaben nicht.
Soweit in den Beschwerdegründen auch die Vortragsfähigkeit des für das Jahr 2002 von den
Abgabenbehörden im Wege einer Schätzung ermittelten Verlustes darzustellen versucht wird, ist - abgesehen
davon, dass die Prüfung dieser Frage nach dem eingangs Gesagten der Prüfungskompetenz des
Verwaltungsgerichtshofes entzogen ist - der Vollständigkeit halber an die ständige Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes zu erinnern, wonach über die Vortragsfähigkeit eines Verlustes jeweils in jenem Jahr
zu entscheiden ist, in welchem der betreffende Vortrag vorgenommen werden soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom
19. September 2013, 2012/15/0014).
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Verwaltungsgerichtshof
28.05.2015
Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerfestsetzung des Jahres 2002 erweist sich daher insgesamt als
unbegründet.
Zu der strittigen Zahlung von 2.500 EUR im Jahr 2005 trägt die Beschwerde vor, es sei nach den
Feststellungen der belangten Behörde unstrittig, dass der Sohn der Beschwerdeführerin dieser eine Rechnung
über 50 Stunden EDV-Administration ohne Mehrwertsteuerausweis gelegt habe und dieser Betrag von der
Beschwerdeführerin auch bezahlt worden sei. Die belangte Behörde habe diesen Betrag nicht als
Betriebsausgabe anerkannt, weil nicht nachgewiesen worden sei, dass der Sohn diesen Betrag auch versteuert
habe. Es sei anzunehmen, dass dieser Betrag nicht versteuert worden sei, weil es im betrieblichen Bereich
ungewöhnlich wäre, dass Rechnungen eines Unternehmers an Unternehmer ohne Mehrwertsteuer ausgestellt
würden. Diese Erwägungen der belangten Behörde rechtfertigten es nicht, den Abzug des strittigen Betrages als
Betriebsausgaben zu versagen.
Vertragliche Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen können nach ständiger Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes für den Bereich des Steuerrechts nur als erwiesen angenommen werden, wenn sie
nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen klaren Inhalt haben und fremdüblich sind. Auch die
Erfüllung der vertraglichen Vereinbarungen muss diesen Anforderungen genügen (vgl. in diesem Sinne für viele
das hg. Erkenntnis vom 29. September 2010, 2007/13/0054).
Von der belangten Behörde wäre demnach zu prüfen gewesen, ob die zwischen der Beschwerdeführerin
und ihrem Sohn abgeschlossene Vereinbarung über die Erbringung von Dienstleistungen nach außen
ausreichend zum Ausdruck gekommen ist, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt
hatte und auch zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wäre.
Derartige Feststellungen hat die belangte Behörde nicht getroffen. Ob der Sohn den strittigen Betrag erklärt hat
oder nicht, ist hingegen schon deshalb kein geeignetes Kriterium, die betriebliche Veranlassung der strittigen
Zahlung zu verneinen, weil damit vorausgesetzt würde, dass die steuerliche Behandlung seitens des Sohnes zu
Recht erfolgt wäre, was es aber erst an Hand der aufgezeigten Kriterien zu beurteilen gilt. Auch das Fehlen eines
Umsatzsteuerausweises lässt den Schluss auf das Vorliegen eines familienhaften, nicht unternehmerischen
Tätigwerdens nicht zu, zumal - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - bei der gegenständlich in Rede
stehenden Umsatzgröße grundsätzlich die Umsatzsteuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 zum Tragen
kommt. Im Übrigen ist im Rahmen familienhafter Mitarbeit schon der Umstand der Rechnungslegung als
solcher ungewöhnlich.
Die Zahlungen an die C KEG hat die belangte Behörde nicht als Betriebsausgaben anerkannt, weil sie an
eine nach Konkursabweisung "nicht mehr existente Firma" geleistet worden seien. Es lägen Zahlungen an ein
"nullum" vor.
Mit diesen Ausführungen hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
Die an die Abweisung mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 71b Konkursordnung (nunmehr
Insolvenzordnung, im Folgenden IO) geknüpfte Rechtsfolge besteht nicht darin, dass die Gesellschaft erlischt
oder zu diesem Zeitpunkt bestehende Forderungen in Wegfall kommen, sodass der Gläubiger von seiner Schuld
befreit würde. Vielmehr kommt es durch die Konkursabweisung (lediglich) zur Auflösung der Gesellschaft
(vgl. Mohr, Die Insolvenzordnung11, 591).
Die Auflösung der Personengesellschaft führt zur Abwicklung (Liquidation). Die Rechtsfähigkeit der
Gesellschaft besteht unter Wahrung ihrer Identität während des Liquidationsverfahrens fort. Der Zweck der
Gesellschaft ist in der Folge aber auf die Abwicklung gerichtet. Die Durchführung der Abwicklung obliegt den
Liquidatoren. Wenn nichts anderes vorgesehen ist, sind alle Gesellschafter Liquidatoren (vgl. Schauer in
Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht, 2/636f). Ihre Aufgabe ist es u.a., ausstehende
Forderungen, wie im Beschwerdefall offenbar die gegenüber der Beschwerdeführerin bestehenden Ansprüche,
zu betreiben.
Zur Vollbeendigung kommt es erst dann, wenn keinerlei Vermögen (also auch keine Forderungen
gegenüber Geschäftspartnern) mehr vorhanden sind; die (im Beschwerdefall ohnehin nicht erfolgte) Löschung
im Firmenbuch hat nur deklarative Wirkung. Sollte später Vermögen (beispielsweise einbringliche Forderungen
gegenüber früheren Geschäftspartnern) hervorkommen, so ist die Gesellschaft trotz der Löschung im
Firmenbuch nicht erloschen (vgl. Schauer, aaO, Rz 2/641).
Wenn die belangte Behörde daher aus dem bloßen Umstand, dass ein Konkursantrag den Gläubiger der
Beschwerdeführerin betreffend mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden ist, auf die fehlende
Betriebsausgabeneigenschaft der streitgegenständlichen Zahlungen geschlossen hat, kann ihr nicht gefolgt
werden. Sollte die C KEG die den Teilzahlungen zu Grunde liegende Forderung gegenüber der
Beschwerdeführerin in das Vermögensverzeichnis gemäß § 100a IO nicht aufgenommen haben, könnte dies
allenfalls Zweifel am tatsächlichen Bestehen der Forderung erwecken und Anlass für weitere Erhebungen zur
Aufklärung möglicher Widersprüche in den Angaben von Gläubiger und Schuldner der Forderung sein.
Derartige Feststellungen wurden aber im angefochtenen Bescheid nicht getroffen, weil die belangte Behörde in
Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen ist, schon aus der Konkursabweisung mangels kostendeckenden
Vermögens ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin an eine nicht existente Firma (ein "nullum") geleistet habe.
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Verwaltungsgerichtshof
28.05.2015
Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Abspruch betreffend Einkommensteuer 2005 und 2006
gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im übrigen
Umfang der Anfechtung, somit hinsichtlich Einkommensteuer 2002, war die Beschwerde gemäß § 42
Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGHAufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 28. Mai 2015
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30.10.2014
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
30.10.2014
Geschäftszahl
2011/15/0137
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin
Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der
Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde des J F in W, vertreten durch Dr. Eike Lindinger,
Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 26/5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates,
Außenstelle Klagenfurt, vom 28. Juni 2011, Zl. RV/0368-K/08, betreffend
u. a. Einkommensteuer 2002 bis 2005, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im angefochtenen Umfang (Einkommensteuer 2002 bis 2005) wegen
Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist öffentlicher Notar.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht in Streit, ob Zahlungen des
Beschwerdeführers aus einem Schadensfall durch seine Tätigkeit als öffentlicher Notar veranlasst waren und
daher als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.
Das Finanzamt erließ in Folge einer abgabenbehördlichen Außenprüfung Bescheide betreffend
Einkommensteuer 2002 bis 2005, in denen es diese Ausgaben nicht anerkannte, weil das Verhalten des
Beschwerdeführers als grob fahrlässig zu beurteilen sei.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Bescheide Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im
Februar 2002 habe die R GmbH mit B einen Kaufvertrag über eine Liegenschaft mit einem darauf befindlichen
Gebäude geschlossen. Die R GmbH habe sich als Käuferin zur Renovierung und Instandsetzung des Gebäudes
verpflichtet. Dazu habe sie die P GmbH als Generalunternehmerin beauftragt. Die P GmbH und die R GmbH
seien übereingekommen, dass die P GmbH an die R GmbH für die Erteilung des Bauauftrages eine Provision zu
leisten habe. Zur treuhändigen Abwicklung des Bauauftrages und der Provisionsvereinbarung hätten sich die
beiden Gesellschaften des Beschwerdeführers bedient, welcher auch die Verträge errichtet habe. Die R GmbH
habe sich verpflichtet, bis spätestens 19. November 2002 auf dem Treuhand-Anderkonto des Beschwerdeführers
die vereinbarte Pauschalsumme des Bauauftrages zu erlegen. Zur Provisionsvereinbarung habe der
Beschwerdeführer gegenüber der Treugeberin (der P GmbH) die Verpflichtung übernommen, die Provision zu
verwahren und sie erst dann an die R GmbH auszuzahlen, wenn der Bauvertrag wirksam zu Stande gekommen
sei, das Bauhonorar vollständig sowie fristgerecht bei ihm als Treuhänder erlegt sei und die erste Teilzahlung an
die P GmbH erfolgt sei. Der Bauvertrag sei wirksam zu Stande gekommen, die beiden zuletzt genannten
Bedingungen für die Auszahlung der Provisionszahlung an die R GmbH seien hingegen nicht erfüllt worden.
Am 12. August 2002 hätten die Geschäftsführer der P GmbH an den Beschwerdeführer die vereinbarte
Provision übergeben; der Betrag sei am 20. August 2002 auf dem dafür vorgesehenen Treuhandkonto gutgebucht
worden.
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Verwaltungsgerichtshof
30.10.2014
Ohne die Treuhandschaft vor der ersten Verfügung über die Treuhandsumme im Treuhandregister des
österreichischen Notariats eintragen zu lassen und trotz ausstehender Erlegung des Bauhonorars sowie fehlender
Leistung der ersten Teilzahlung an die P GmbH habe der Beschwerdeführer den Treuhandbetrag am
20. August 2002 auf ein Konto der R GmbH überwiesen; dies über Andringen des in Geldnöten befindlichen
Geschäftsführers der R GmbH, der dem Beschwerdeführer im Zuge der vorzeitigen Auszahlung der Provision
einen erst am 7. November 2002 zur Auszahlung fälligen Scheck, auf dem als bezogene Bank eine Bank in
Ägypten aufgeschienen sei, übergeben habe. Diesen Scheck habe der Beschwerdeführer einem ägyptischen
Rechtsanwalt übergeben; im Gegenzug habe er einen Scheck einer saudi-arabischen Bank erhalten, dessen
Einlösung aber nicht gelungen sei.
Der Beschwerdeführer sei zwar zur vorzeitigen Auszahlung der Provision berechtigt gewesen, dies aber nur
dann, wenn er gegenüber der Treugeberin (der P GmbH) die "selbstschuldnerische Garantie" übernehme, den
Provisionsbetrag auf erste Anforderung der Treugeberin unter Verzicht auf jedwede Einwendungen sowie
Einreden aus dem Provisionsvertragsverhältnis binnen drei Werktagen zurückzuzahlen, sofern die Treugeberin
in dieser Aufforderung ab dem 19. November 2002 erkläre, dass eine der bedungenen
Auszahlungsvoraussetzungen nicht eingetreten sei. Der Beschwerdeführer habe erklärt, diese Garantiehaftung
gegenüber der P GmbH zu übernehmen und habe versichert, eine vorzeitige Verfügung über den Treuhanderlag
jedenfalls nur dann vorzunehmen, wenn ihm durch einen "anderweitigen Geltreuhanderlag" die jederzeitige
Erfüllung der von ihm übernommenen Garantiepflicht ohne jede weitere Voraussetzung möglich sei.
Wegen Nichteintritts der Voraussetzungen für eine Provisionszahlung habe schließlich die P GmbH mit
Schreiben vom 4. Februar 2003 den Beschwerdeführer aufgefordert, den Treuhanderlag binnen drei Werktagen
rückzuüberweisen. Eine Rückführung habe aber nicht erfolgen können, weil weder dem Beschwerdeführer zur
vorgeblichen Absicherung überreichte Schecks zur Erfüllung der Garantiehaftung hätten herangezogen werden
können, noch der Beschwerdeführer über persönliche oder andere Gelder zur Retournierung der Valuta verfügt
habe.
Der Beschwerdeführer habe in klarer Verletzung der sich aus dem Treuhandvertrag ergebenen vertraglichen
Verpflichtungen vorzeitig und in Kenntnis dessen, dass kein "anderweitiger Geldtreuhanderlag" vorgelegen sei,
die Auszahlung der Provisionssumme an den Begünstigten vorgenommen. Ein Verhalten eines Treuhänders, der
bewusst entgegen einem ausdrücklichen Auftrag des Treugebers handle und damit in grober Weise jenes
Vertrauen verletzte, welches essentielle Grundlage des Verhältnisses zwischen Treugeber und Treuhänder bilde,
liege außerhalb der betrieblichen Sphäre. Wenn ein Treuhänder bewusst und schwerwiegend gegen seine
beruflichen Obliegenheiten verstoße, so könne eine derartige Vorgangsweise weder objektiv als durch den
Betrieb veranlasst angesehen werden, noch lasse sich von ihr sagen, dass sie gegenüber der grundsätzlichen
Intention des betrieblichen Handelns derart in den Hintergrund trete, dass sie vom einheitlich zu beurteilenden
Geschehen mitumfasst wäre. Ein Schaden, welcher im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit durch ein grobes
Fehlverhalten
des
Betriebsinhabers
verursacht
werde,
werde
nicht
vom
betrieblichen
Veranlassungszusammenhang erfasst. Dem Beschwerdeführer sei bewusst gewesen, dass die ihm übergebenen
Sicherheiten (Scheck auf eine in Ägypten situierte Bank ausgestellt) nicht die Anforderungen des vertraglich
festgelegten "anderweitigen Geldtreuhanderlages" erfüllt hätten. Trotz dieser Kenntnis habe der
Beschwerdeführer entgegen der vertraglichen Abmachung bewusst die Auszahlung der Treuhandsumme
vorgenommen und zwar im Vertrauen darauf, dass das Grundgeschäft vertragsgemäß abgewickelt und der
Treuhanderlag über die Bausumme von den Auftraggebern fristgerecht überwiesen werde. Ein derartiges
bewusstes Eingehen eines nahezu unvertretbaren Risikos sei für einen Notar, welcher aufgrund des Gesetzes,
aber auch aufgrund des ihm von Seiten der Bevölkerung und der Behörden entgegengebrachten Vertrauens zur
äußersten Korrektheit, insbesondere zur Beachtung sämtlicher Treuhandrichtlinien verpflichtet sei, als grober
Verstoß gegen die gebotenen Sorgfaltspflichten zu qualifizieren.
Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Disziplinargerichtes für Notare schuldig erkannt worden, als
öffentlicher Notar fahrlässig seine Berufspflicht verletzt zu haben, indem er entgegen der in der
Treuhandverpflichtung zu einer Provisionsvereinbarung angeführten Voraussetzungen und der im Vertragswerk
enthaltenen Garantieerklärung die Provisionssumme an die R GmbH überwiesen habe, ohne über die
bedungenen Sicherheiten für die vorzeitige Auszahlung zu verfügen, und es verabsäumt habe, die
Treuhandschaft vor der ersten Verfügung über die Treuhandsumme im Treuhandregister des österreichischen
Notariates eintragen zu lassen. Neben der Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens sei die "besondere
Gröblichkeit des Verstoßes gegen den Disziplinarbeschuldigten treffende Sorgfaltspflichten" als erschwerend
beurteilt worden. Auch sei in diesem Urteil ausgeführt worden, dass der Beschwerdeführer die ihn nach den
Treuhandrichtlinien treffende Berufspflicht auf das gröblichste verletzt habe. Aus Gründen der
Generalprävention sei zusätzlich zur Geldbuße von 15.000 EUR auch die Suspension vom Amt für die Dauer
von drei Monaten ausgesprochen worden, um die für die Rechtssicherheit unerträglich schwere Pflichtverletzung
im Zusammenhang mit Treuhandschaften mit der nötigen Strenge zu ahnden.
Die bewusst, also im Wissen, dass ein Scheck kein "anderweitiger Geldtreuhanderlag" sei, ohne
Vorhandensein der erforderlichen Sicherheiten treuwidrig vorgenommene Auszahlung des Treuhanderlages
stelle einen derart krassen Verstoß gegen die aus dem Treuhandverhältnis erwachsenen Pflichten dar, dass ein
derartiges Verhalten als grobe Sorgfaltswidrigkeit einzustufen sei.
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Verwaltungsgerichtshof
30.10.2014
Dass die Betriebshaftpflichtversicherung im Wege eines Vergleiches einen großen Teil des entstandenen
Schadens übernommen habe, stelle kein taugliches Indiz für den Betriebsausgabencharakter der strittigen
Beträge dar. Wesentlich für die Schadensregulierung durch den Versicherer sei gewesen, dass die Herbeiführung
des Schadens nicht auf einem vorsätzlichen Fehlverhalten des Beschwerdeführers beruht habe. Ob die
Schadensberichtigung durch die Versicherung letztendlich auf Grundlage des Versicherungsvertrages oder - was
der belangten Behörde als wahrscheinlicher erscheine - im Rahmen einer Kulanzlösung erfolgt sei, könne
dahingestellt bleiben.
Aus dem vorliegenden Gesamtbild der Verhältnisse, welches insbesondere durch die bewusst treuwidrige
Ausfolgung des Treuhanderlages an die R GmbH im Zusammenhalt mit der übernommenen - aus
standesrechtlichen Gründen gesetzlich verbotenen - Interzession ("selbstschuldnerische Garantie") geprägt sei,
sei zu ersehen, dass der Beschwerdeführer eine unvertretbare Risikolage geschaffen habe, die jedenfalls
außerhalb der beruflichen Sphäre eines mit der Abwicklung von Treuhandschaften betrauten Notars liege. Ein
derartiger massiver Verstoß gegen essentielle Grundsätze eines Treuhandauftrages unterbreche den betrieblichen
Veranlassungszusammenhang, weshalb die geltend gemachten Beträge nicht als Betriebsausgabe Anerkennung
finden könnten.
Die belangte Behörde habe schließlich den Eindruck gewonnen, dass der Geschäftsführer der R GmbH,
welcher den Beschwerdeführer in der Vergangenheit bereits mehrmals mit der Abfassung notarieller Urkunden
beauftragt habe, nach und nach das Vertrauen des Beschwerdeführers erschlichen habe und dieses letztendlich
grob missbraucht habe. Erhärtung finde diese Ansicht nicht zuletzt in der Aussage des Beschwerdeführers,
wonach der Geschäftsführer der R GmbH sich "in dieser Zeit" auch persönlich um ihn gekümmert habe, auch im
Spital, sodass es auch ein gewisses Vertrauensverhältnis zu ihm gegeben habe. Dass für einen Treuhänder eine
derartige Vertrauenslage mitunter problematisch werden könne, bedürfe keiner weiteren Erörterung. Dieses
Vertrauen sei offenbar so groß gewesen, dass der Beschwerdeführer letztendlich auch noch dessen
Telefonrechnung vom Mai 2003 beglichen habe und diesem mit Datum vom 11. Juni 2003 ein Darlehen
eingeräumt habe; diese Transaktionen seien zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem die Klage der P GmbH gegen
den Beschwerdeführer auf Rückzahlung des treuwidrig zur Auszahlung gebrachten Provisionserlages bereits
gerichtsanhängig gewesen sei. Auch wenn der Beschwerdeführers dieses Verhalten damit begründet habe, dass
er der R GmbH damit Gelegenheit habe geben wollen, die in Aussicht gestellten Investoren zu "requirieren" und
damit das provisionsbegründende Geschäft noch zu retten, stehe eine derartige Vorgangsweise diametral zum
Vorbringen des Beschwerdeführers, die übernommene Treuhandschaft sei in fremdüblicher Weise im Rahmen
des laufenden Kanzleibetriebes abgewickelt worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der
Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Zuerkennung
der Kosten aus seiner beruflichen Tätigkeit für Schadenfälle, Beratungskosten, Strafe, Disziplinarverfahren,
Kreditbearbeitungsgebühr sowie Kreditzinsen, einschließlich der Kosten für Lebensversicherungen als
Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG 1988 verletzt.
Wird das eine Schadenersatzverpflichtung begründende pflichtwidrige Verhalten aus privaten Gründen
gesetzt, sind die Schadenersatzzahlungen nicht als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten absetzbar.
Demgegenüber sind Schadenersatzzahlungen als Erwerbsaufwendungen abziehbar, wenn das Fehlverhalten der
betrieblichen/beruflichen Sphäre zuzurechnen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2011, 2008/15/0259,
mwN).
Für die Frage der Abziehbarkeit von Schadenersatzzahlungen als Erwerbsaufwendungen ist demnach
entscheidend, ob das Fehlverhalten der betrieblichen/beruflichen Sphäre zuzuordnen ist oder es als private
Verhaltenskomponente
das
Band
zur
betrieblichen/beruflichen
Veranlassung
durchschneidet.
Schadenersatzleistungen als Folge eines aus privaten Gründen (z.B. freundschaftlichen Beziehungen) bewusst
pflichtwidrigen Verhaltens sind jedenfalls nicht abziehbar. Entscheidend ist insoweit, aus welchen Gründen das
in Rede stehende unrechtmäßige Verhalten gesetzt wurde, nämlich ob diese im Bereich der Einkünfteerzielung
oder im Privatbereich liegen (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 28. April 2011, mwN).
Eine private Veranlassung liegt etwa dann vor, wenn ein Rechtsanwalt als Treuhänder Schecks
auftragswidrig ausfolgt und dies nur mit der langjährigen freundschaftlichen Beziehung des Treuhänders mit
dem Begünstigten erklärbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1981, 0681/78, VwSlg. 5607/F).
Geht ein Rechtsanwalt als Treuhänder irrigerweise davon aus, dass die Voraussetzungen für die Ausfolgung
vorgelegen sind, so ist die Ersatzverpflichtung der betrieblichen Sphäre zuzuordnen (vgl. das hg. Erkenntnis vom
29. Juli 1997, 93/14/0030, VwSlg. 7197/F).
Ist eine private Veranlassung lediglich nicht auszuschließen, ist daraus noch nicht ableitbar, dass ein
Fehlverhalten als außerhalb der beruflichen Sphäre gelegen anzunehmen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom
24. Oktober 2000, 95/14/0048).
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Verwaltungsgerichtshof
30.10.2014
Für den Betriebsausgabencharakter aus einer Bürgschaftsübernahme kommt es entscheidend auf die
eindeutige und unmittelbare Verknüpfung zwischen künftiger Einnahmenerzielung und Übernahme der
Bürgschaft (oder Garantenstellung) an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2011, 2008/15/0149, mwN).
Im vorliegenden Fall erfolgte die Übernahme der Stellung als Treuhänder unbestritten im Rahmen der
betrieblichen Tätigkeit des Beschwerdeführers als Notar. Auch wenn der Beschwerdeführer mit der Übernahme
einer "selbstschuldnerischen Garantie" im Zusammenhang mit der Treuhandschaft betreffend die
Provisionszahlung gegen ein gesetzliches Verbot (§ 109a Abs. 1 Notariatsordnung) verstoßen hat, so erfolgte
dieser Verstoß - wie aus der im angefochtenen Bescheid angeführten und von der belangten Behörde nicht als
unglaubwürdig beurteilten Aussage des Beschwerdeführers hervorgeht - im Hinblick auf das ihm aus der
Abwicklung der Treuhandschaft im Zusammenhang mit diesem gesamten Projekt in Aussicht gestellten
Honorar, sodass hier eine eindeutige und unmittelbare Verknüpfung mit der Einnahmenerzielung besteht.
Dass betreffend die vorzeitige Auszahlung der Provision an den Geschäftsführer der R GmbH, obwohl dem
Beschwerdeführer kein "anderweitiger Geldtreuhanderlag", der ihm eine Rückzahlung binnen drei Tagen
ermöglicht hätte, zur Verfügung stand, ein im Privatbereich liegender Grund gegeben gewesen wäre, kann aus
den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde nicht abgeleitet werden. Insbesondere ergibt sich aus diesen
nicht, dass zum Zeitpunkt der vorzeitigen Auszahlung an den Geschäftsführer der R GmbH zu diesem eine
freundschaftliche Beziehung bestanden hätte:
Die weiteren Transaktionen (Einräumung eines Darlehens; Übernahme der Telefonkosten für diesen) erfolgten
erst nach dieser Auszahlung und waren offenkundig vom Bemühen getragen, das Projekt (und damit auch den
Honoraranspruch für den Beschwerdeführer) zu retten, sodass auch insoweit Gründe im Bereich der
Einkünfteerzielung vorliegen.
Aus dem Umstand, dass ein "gewisses Vertrauensverhältnis" bestand, lässt sich ebenfalls nicht auf eine
private Veranlassung schließen; ein "gewisses Vertrauensverhältnis" wird sich regelmäßig im Rahmen einer
längeren Geschäftsbeziehung ergeben, ohne dass alleine deswegen ein allfälliges Fehlverhalten in einer
derartigen Geschäftsbeziehung die betriebliche Sphäre verlassen würde.
Die Schadenersatzleistungen sind daher als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Nicht im Rahmen der
Betriebsausgaben zu berücksichtigen ist hingegen die vom Beschwerdeführer ebenfalls geltend gemachte
Disziplinarstrafe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 2012, 2009/15/0035).
Der angefochtene Bescheid war sohin - im Umfang seiner Anfechtung (Einkommensteuer 2002 bis 2005) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet in §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 30. Oktober 2014
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18.12.2014
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
18.12.2014
Geschäftszahl
2011/15/0144
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte
MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über
die Beschwerde des Bgesellschaft m.b.H. & Co KG in E, vertreten durch die Khüny-Bliem
Steuerberatungsgesellschaft KG Dr. Manfred Khüny in 6020 Innsbruck, Adamgasse 16, gegen den Bescheid des
unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 15. Juli 2011, Zl. RV/0168-I/08, betreffend
u.a. Körperschaftsteuer 2005, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist ein Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts (im
Folgenden nur: Trägerkörperschaft), die mit 1. Jänner 2004 durch den Zusammenschluss regionaler
Tourismusverbände errichtet wurde und von ihren Rechtsvorgängern Beteiligungen an der A KG, B KG und
C KG übernommen hat. Geschäftsgegenstand der A KG im Streitzeitraum war der Betrieb eines Hallenbades
samt Nebenanlagen. Die B KG verpachtete mehrere Skilifte an eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und
die C KG betrieb einen Sessellift. Die A KG und B KG erwirtschafteten 2005 Verluste, wohingegen aus der
Beteiligung an der C KG (Beschwerdeführer) 2005 ein Gewinn resultierte.
Am
28. Februar 2007
brachte
die
Trägerkörperschaft
beim
Finanzamt
eine
Körperschaftsteuererklärung 2005 ein, in der sie die gemäß § 188 BAO festgestellten Einkünfte aus den
Beteiligungen an der A KG, B KG und C KG zusammenfasste. Solcherart ergaben sich für das Jahr 2005
Einkünfte aus Gewerbebetrieb von minus 52.398,50 EUR.
Mit zwei Körperschaftsteuerbescheiden vom 19. März 2008 (A KG und B KG) und einem Bescheid vom
25. März 2008 (C KG) erfasste das Finanzamt die Einkünfte aus den Kommanditbeteiligungen abweichend von
der Erklärung gesondert, nämlich für die Beteiligung an der A KG (-158.951,14 EUR) und B KG (2.856,43 EUR) Verluste und für die Beteiligung an der C KG einen Gewinn von 48.063,51 EUR.
Der Beschwerdeführer berief gegen den Körperschaftsteuerbescheid vom 25. März 2008 und rügte in der
Berufung, das Finanzamt habe bei der Ermittlung des Einkommens den Freibetrag gemäß § 24 EStG 1988 nicht
berücksichtigt. Weiters brachte er vor, dass die Beteiligung einer Körperschaft öffentlichen Rechts an einer
Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen seien, gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 KStG 1988
als Betrieb gewerblicher Art gelte. Grundsätzlich sei jeder Betrieb gewerblicher Art ein eigenes
Körperschaftsteuersubjekt. Allerdings seien die Beteiligungen als einheitlicher Betrieb zusammenzufassen, wenn
ein enger wirtschaftlich-technischer und organisatorischer Zusammenhang bestehe.
Die A KG, B KG und C KG seien regionale Tourismusbetriebe und die Beteiligungen seien zur Förderung
des Tourismus in der Region eingegangen worden. Die Trägerkörperschaft sei an allen
Komplementärgesellschaften beteiligt und könne aus der Gesellschafterstellung (Kommanditist und
Gesellschafter der Komplementär GmbH) sowie als Geldgeber aktiv mitgestalten, nehme an
Gesellschaftersitzungen teil und fördere Investitionen. Die Verwaltung der Beteiligungen erfolge einheitlich, das
Interesse der Trägerkörperschaft sei bei allen Kommanditbeteiligungen dasselbe, Tourismusbetriebe und
Infrastrukturprojekte für die Region aktiv zu fördern. Alle Kommanditbeteiligungen stellten somit regionale
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Verwaltungsgerichtshof
18.12.2014
touristische Unternehmen dar, die von der Trägerkörperschaft einheitlich verwaltet würden. Der
Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 16. Jänner 1973, 1898-1902/71 die Zusammenfassung
mehrerer verpachteter Gaststättenbetriebe anerkannt. "Der mit der Verpachtung von Betrieben verfolgte
einheitliche Zweck der Vermögensnutzung rechtfertigt - jedenfalls bei der Verpachtung gleichartiger Betriebe die Annahme einer - wirtschaftlich betrachtet - einheitlichen Kapitalnutzung." Die Trägerkörperschaft sei die
Beteiligung an den regionalen Tourismusunternehmen eingegangen, um den Tourismus in der Region zu
fördern. Die Beteiligungen stellten daher einen einheitlichen Betrieb gewerblicher Art dar. Die aus diesen
Beteiligungen stammenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien zusammenzufassen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit Folge, als sie das
Einkommen 2005 mit 34.658,35 EUR festsetzte. Im Übrigen vertrat sie die Auffassung, dass die Systematik des
§ 2 KStG 1988 eine Zusammenfassung mehrerer Kommanditbeteiligungen einer Körperschaft des öffentlichen
Rechts zu einem einheitlichen - nur aus solchen Beteiligungen bestehenden - Betrieb gewerblicher Art nicht
zulasse.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde trägt im Wesentlichen vor, die Trägerkörperschaft sei in einer touristisch schwierigen
Region tätig und beteilige sich an Infrastrukturprojekten wie Liften, Schwimmbädern und ähnlichem, wenn sich
keine Investoren fänden. Dadurch sei sie oft Gründungsgesellschafter bei Kommanditgesellschaft, wobei die
Personen, die für die Trägerkörperschaft und die Kommanditgesellschaften handelten, oft dieselben seien. Die
Trägerkörperschaft stelle daher das Musterbeispiel einer wirtschaftlichen Verflechtung (Förderung der
Beteiligung und Förderung ihres Zweckes) dar. "Es erfolgt dadurch auf Ebene des Gesellschafters eine
einheitliche Verwaltung, die Förderung von Infrastrukturprojekten in der Region." Nach § 2 Abs. 2 Z 1
KStG 1988 gelte die Beteiligung an einer Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen
seien, als Betrieb gewerblicher Art. Aus dem Gesetzeswortlaut sei nicht ableitbar, dass jede Beteiligung an einer
Mitunternehmerschaft als eigener Betrieb gewerblicher Art gelte, weil der Gesetzgeber mit der Formulierung,
wonach "die Beteiligung" einen Betrieb darstelle, nur habe verhindern wollen, dass erst ab der zweiten
Beteiligung ein Betrieb gewerblicher Art vorliege.
Literaturmeinungen folgend sei daher eine Zusammenfassung mehrerer Mitunternehmerbeteiligungen als
einheitlicher Betrieb möglich, wenn sie "innerhalb der Trägerkörperschaft einheitlich verwaltet werden".
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.
Gemäß § 1 Abs. 2 Z 2 KStG 1988 sind Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen
Rechts körperschaftsteuerpflichtig. Der Betrieb gewerblicher Art ist ein selbständiges fiktives Steuersubjekt, das
neben die Körperschaft öffentlichen Rechts tritt und der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Aus der
Selbständigkeitsfiktion resultiert, dass ein Ergebnisausgleich zwischen den einzelnen Betrieben gewerblicher Art
einer Körperschaft öffentlichen Rechts nicht vorgenommen werden kann (vgl. Achatz in Achatz/Kirchmayer,
KStG § 2 Tz 7).
In § 2 Abs. 1 KStG 1988 werden jene Tatbestandsmerkmale angeführt, die erfüllt sein müssen, damit die
Einrichtung einer Körperschaft öffentlichen Rechts als Betrieb gewerblicher Art anzusehen ist. Bei Vorliegen
der Tatbestandsmerkmale begründet jede gesonderte wirtschaftliche Tätigkeit (Einrichtung) einer Körperschaft
öffentlichen Rechts einen selbständigen Betrieb gewerblicher Art. Eine Zusammenfassung mehrerer
Einrichtungen zu einem einheitlichen Betrieb ist nur dann anzuerkennen, wenn nach dem Gesamtbild der
Verhältnisse objektiv zwischen den verschiedenen Betätigungen eine enge wechselseitige
technischwirtschaftliche Verflechtung besteht (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 21. November 1991,
90/13/0098, und vom 28. Oktober 1997, 93/14/0224), sodass nach allgemeinem Ertragsteuerrecht eine
einheitliche Einkunftsquelle vorliegt, oder wenn sich eine Zusammenfassung aus § 2 Abs. 3 KStG 1988 ergibt.
Darüber hinaus sieht § 2 Abs. 2 KStG 1988 Sonderformen von Betrieben gewerblicher Art, darunter die
Beteiligung an einer Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind (§ 2 Abs. 2
Z 1 leg. cit.), vor. Beteiligt sich demnach eine Körperschaft öffentlichen Rechts unmittelbar an einer
Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, liegt nach dem Gesetzeswortlaut ein
Betrieb gewerblicher Art vor. Ausgehend davon stellt jede Beteiligung einen eigenständigen Betrieb
gewerblicher Art dar. Da die Selbständigkeitsfiktion auch für Betriebe gewerblicher Art iSd § 2 Abs. 2 Z 1
KStG 1988 gilt, bleibt für eine Zusammenfassung der Ergebnisanteile aus mehreren derartige Beteiligungen kein
Raum. Dass die hier in Rede stehenden Kommanditbeteiligungen einheitlich verwaltet worden sind, ändert daran
nichts. Anderes würde gelten, wenn die Beteiligungen Betriebsvermögens eines (weiteren) Betriebes
gewerblicher Art wären (vgl. z.B. Achatz in Achatz/Kirchmayer, KStG § 2 Tz 88, mwN).
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen
war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGHAufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.
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Verwaltungsgerichtshof
18.12.2014
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 18. Dezember 2014
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28.05.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
28.05.2015
Geschäftszahl
Ro 2014/15/0046
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin
Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein des
Schriftführers Mag. Dr. Hohenecker, über die Revision des Finanzamtes Graz-Stadt in 8010 Graz,
Conrad von Hötzendorfstraße 14-18, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 29. August 2014,
Zl. RV/2100377/2014, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2006 bis 2009 (mitbeteiligte Partei: L GmbH
in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Bei der Mitbeteiligten, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die im Streitzeitraum vom
Gesellschafter (10 %) und Geschäftsführer Mag. KS vertreten wurde, fand eine abgabenbehördliche Prüfung
statt. Der Prüfer stellte u.a. Mängel der Kassabuchführung fest und beurteilte die aufgrund dieser Feststellung in allen Jahren - als Sicherheitszuschläge vorgenommenen Bruttoumsatzzurechnungen als verdeckte
Ausschüttungen.
Das Finanzamt folgte dem Prüfer und zog die Mitbeteiligte zur Haftung für Kapitalertragsteuer heran, die
u.a. auch auf die Sicherheitszuschläge entfiel.
Die Mitbeteiligte berief gegen die Haftungsbescheide und führte in der Berufung aus, das Finanzamt habe
die Bescheiderlassung mit einer Haftungspflicht gemäß § 95 Abs. 2 iVm § 95 Abs. 3 EStG 1988 begründet.
Dabei habe es übersehen, "dass die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise dem Empfänger der Kapitalerträge
vorzuschreiben ist, wenn der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat".
§ 95 Abs. 5 Z 1 EStG 1988 stelle auf rein objektive Momente ab. Der zum Abzug Verpflichtete (Geschäftsführer
Mag. KS) habe die Kapitalertragsteuer nicht abgezogen und der Empfänger der Kapitalerträge (wiederum:
Mag. KS) habe die Kapitalerträge ungekürzt erhalten. Nach Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch,
Tz 11 zu § 95, könne bei einer verdeckten Ausschüttung automatisch unterstellt werden, dass es sich um nicht
vorschriftsmäßig gekürzte Kapitalerträge handle. Daher liege die Voraussetzung für eine direkte
Inanspruchnahme von Mag. KS vor. Dabei handle es sich um eine Ermessensentscheidung der Behörde, die nach
Zweckmäßigkeit und Billigkeit auszuüben sei. Hinsichtlich der Zweckmäßigkeit sei zu berücksichtigen, dass
sich die Mitbeteiligte derzeit im Konkurs befinde, während Mag. KS uneingeschränkt über sein Vermögen
verfügen könne. Auch Billigkeitsüberlegungen sprächen gegen die Inanspruchnahme der Mitbeteiligten.
"Schließlich ist es zur Kapitalertragsteuervorschreibung durch Handlungen eben des begünstigten
Steuerschuldners ((Mag. KS)) gekommen, da er die Kapitalerträge selbst nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat. Es
wäre daher unbillig, nicht denjenigen mit den Abgaben zu belasten, der letzten Endes Begünstigter der
verdeckten Gewinnausschüttungen war."
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab und begründete die abweisende
Erledigung wie folgt:
"Die Berufung richtet sich gegen die Haftungsinanspruchnahme der (Mitbeteiligten). In der Berufung wird
eingewandt, dass die Kapitalertragsteuer gem. § 95 Abs. 4 EStG direkt beim Empfänger der Kapitalerträge
vorzuschreiben gewesen wäre. Es wird in der Berufung eine falsche Ermessensübung gerügt.
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Verwaltungsgerichtshof
28.05.2015
Gem. § 95 Abs. 1 haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer der
Abzugsverpflichtete. Zum Abzug der Kapitalertragsteuer wäre die GmbH verpflichtet gewesen § 95
Abs. 2 EStG.
Gem. § 95 Abs. 4 EStG kann die Kapitalertragsteuer dem Empfänger der Kapitalerträge ausnahmsweise
vor(ge)schrieben werden.
Die Inanspruchnahme mittels Haftungsbescheid hat gem. § 224 BAO zu erfolgen.
Abgabenrechtlich setzt die Haftung einen Bestand einer Schuld (§ 4 BAO) voraus, nicht jedoch, dass diese
Schuld dem Abgabenschuldner Erstschuldner gegenüber auch bereits geltend gemacht wurde; abgabenrechtliche
Haftungen haben daher keine(n) akzessorischen Charakter. Wenn auch dem Erstschuldner gegenüber der
Anspruch noch nicht geltend gemacht worden ist, wird doch durch den Haftungsbescheid ein
Gesamtschuldverhältnis begründet, welches dem Erstschuldner gegenüber allerdings erst mit Erlassung des
Abgabenbescheides wirksam wird (vgl. Ellinger/Iro et.al.
§ 224E, RZ E9).
Die Haftung kann somit auch vor erstmaliger Inanspruchnahme
beim Abgabenschuldner ausgesprochen werden.
In der Berufung wird eingewandt, dass die Vorschreibung beim
Empfänger hätte erfolgen müssen.
Die Direktvorschreibung beim Empfänger liegt im Ermessen der
Abgabenbehörde. Auch wenn eine Direktvorschreibung gem. § 95 Abs. 4 EStG möglich wäre, schließt das eine
Haftungsinanspruchnahme gem. § 95 Abs. 1 EStG nicht aus. Ein Haftungsbescheid ist daher nicht deshalb nicht
zu erlassen, weil eine Direktvorschreibung möglich wäre. Mit der Haftungsinanspruchnahme wird für die
Abgabenbehörde lediglich der Schuldnerkreis erweitert, weil damit ein Gesamtschuldverhältnis entsteht, was
prinzipiell für eine Haftungsinanspruchnahme spricht.
Zum fehlenden Ermessen wird eingewandt, dass bei der Zweckmäßigkeitsüberlegung zu berücksichtigen
sein wird, dass die GmbH sich im Konkurs befindet.
Gerade dieser Punkt sprich(t) nicht gegen eine Haftungsinanspruchnahme sondern für eine solche. Durch
die Vorschreibung der Kest mittels Haftungsbescheid war es der Abgabenbehörde möglich in dem laufenden
Insolvenzverfahren diese Forderung anzumelden. Das Unternehmen wurde bereits mit Beschluss vom
16.09.2010 geschlossen. Die Eröffnung des Konkursverfahrens führt zum Untergang des Unternehmens. Nach
Beendigung des Insolvenzverfahrens ist mit einer etwaigen (Teil-)Befriedigung nicht mehr zu rechnen. Der
öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, Abgaben einzubringen, gebietet es daher geradezu bei einem
offenen Konkursverfahren die letzte Möglichkeit wahr zu nehmen und die Abgaben mittels Haftungsbescheid
geltend zu machen. Gerade in diesem Punkt verdrängt der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel
Abgaben einzubringen etwaige Einzelinteressen.
(Die Mitbeteiligte) führt weiters aus, dass es unbillig wäre, nicht denjenigen mit der Abgabe zu belasten, der
letzten Endes Begünstigter der verdeckten Gewinnausschüttung war, und es durch dessen Handlungen zur
Kapitalertragsteuervorschreibung gekommen ist.
In einer gesetzeskonformen Vorschreibung einer Abgabe im Haftungswege an die (Mitbeteiligte) durch die
Abgabenbehörde kann keine Unbilligkeit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei unterstellt werden,
zumal der (Mitbeteiligten) das Verhalten ihrer Organe, im gegenständlichen Fall das Verhalten des
Gesellschaftergeschäftsführers, zuzurechnen ist.
Es steht der (Mitbeteiligten) natürlich frei sich im Zivilrechtsweg als geschädigte zu regressieren, dies
ändert jedoch nichts an der abgabenrechtlichen Möglichkeit einer Haftungsinanspruchnahme.
Ob der Empfänger frei über sein Vermögen verfügen kann, bzw. die Frage, ob es überhaupt ein Vermögen
des Empfängers der Kapitalerträge gibt, ist für die Frage der Haftungsinanspruchnahme unbeachtlich, weil, sollte
auch der Empfänger gem. § 95 Abs. 4 EStG in Anspruch genommen worden sein, ein Gesamtschuldverhältnis
entsteht und damit die Bezahlung eines Gesamtschuldners für den anderen Gesamtschuldner schuldbefreiend
wirkt. Bei einer Nichtinanspruchnahme des Empfängers der Kapitalerträge steht es dem Haftungspflichtigen im
Zivilrechtsweg offen die im Zuge der Haftungsinanspruchnahme bezahlte Kest von diesem zurückzufordern."
Die Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter
Instanz, deren Vorlage an den gesamten Berufungssenat und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
In einer Vorlageerinnerung brachte die Mitbeteiligte ergänzend zur Berufung noch Folgendes vor:
"Der vormals zu 10% an der Gesellschaft beteiligte Gesellschafter und Geschäftsführer, (Mag. KS), hat
durch die im Betriebsprüfungs(b)ericht der Abgabenbehörden ersichtlichen Handlungen der Gesellschaft
massiven Schaden zugefügt. Letzten Endes musste über das Vermögen der Gesellschaft auch aus den Gründen
der drohenden Abgabennachforderungen, insbesondere solcher aus Kapitalertragsteuer, das Insolvenzverfahren
angemeldet werden. Allein aus der 10%igen Beteiligung des (Mag. KS) an der Gesellschaft leitete die belangte
Behörde eine verdeckte Gewinnausschüttung ab, weil diese annahm, dass durch Schwarzgeschäfte der
Gesellschafter und Geschäftsführer massiv in die eigene Tasche gewirtschaftet hätte. Dementsprechend wurde
die Gesellschaft im Haftungswege mit einer Kapitalertragsteuervorschreibungen belastet.
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Verwaltungsgerichtshof
28.05.2015
Das bisherige Berufungsbegehren wird nun insofern ergänzt und erweitert, als auch gegen die Annahme
einer verdeckten Gewinnausschüttung dem Grunde nach Berufung erhoben wird.
Dies aus folgenden Gründen:
Verdeckte Gewinnausschüttungen sind Zuwendungen von Vermögensvorteilen außerhalb einer offenen
Gewinnausschüttung, durch eine Körperschaft, an ihre Anteilsinhaber oder gleichzuhaltende Personen, die durch
das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und die Vermögenszuwendung erfolgt mit Wissen und Wollen der
Körperschaft. (So: Kirchmayr, in Leitner, Handbuch verdeckte Gewinnausschüttung S. 83 und
Körperschaftsteuerrichtlinien Randziffer (RZ) 751).
Während die ersten 3 Kriterien (Vorteilszuwendung, durch eine Körperschaft, an Anteilsinhaber) erfüllt
sind, fehlt es an den Voraussetzungen zu 4. (durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst) und 5. (mit Wissen
und Wollen der Körperschaft) zur Gänze. Ob nämlich Zuwendungen durch das Gesellschaftsverhältnis
veranlasst sind, ist anhand eines Fremdvergleichs zu ermittel(n). Es liegt auf der Hand, dass (Mag. KS) die
Schwarzgeschäfte auch dann getätigt hätte, wenn er nicht an der Gesellschaft beteiligt gewesen wäre. Sein
Bestreben war offensichtlich auf das Erwirtschaften von Umsätzen gerichtet, mit dem Ziel der Gesellschaft zu
schaden. Es spielte also überhaupt keine Rolle, ob er Gesellschafter gewesen ist oder nicht. Andererseits zeigt
gerade der vorliegende Sachverhalt, dass die von der belangten Behörde angenommene Ausschüttung gar nicht
mit Wissen und Wollen der Gesellschaft erbracht worden sein kann. Es fehlt somit eindeutig am subjektiven
Tatbestandselement.
Der Verwaltungsgerichtshof (Kirchmayr, aaO, S. 98) und die Verwaltungspraxis (KSTR 2001, RZ 790)
fordert eine ausdrücklich auf Vorteilsgewährung gerichtete Willensentscheidung der Körperschaft. Es liegt auf
der Hand, dass dann, wenn sich ein Minderheitsgesellschafter der auch Geschäftsführer ist, einen Vorteil
zuwendet, dies nicht aufgrund eines Willensentschlusses der Gesellschaft erfolgt sein kann. Bei einem derartigen
"Insichgeschäft" - müsste nämlich eine Genehmigung der Generalversammlung der Gesellschaft erfolgt sein
(§ 25 Absatz 4 Gmb(H)G). Ein solcher - zustimmender - Beschluss der Generalversammlung wurde jedoch
weder im Vorhinein noch nachträglich gefasst. Insofern ist klar, dass der Gesellschaft durch diese unzulässigen
Insichgeschäfte Schaden zugefügt wurde. Von einem Wissen und Wollen seitens der Gesellschaft kann daher
nicht die Rede sein."
Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Bundesfinanzgericht, brachte der Vertreter der
Mitbeteiligten vor, dass der Geschäftsführer Mag. KS nach Hervorkommen der Malversationen "sofort
suspendiert" und die Trennung von Mag. KS sodann "einvernehmlich" erfolgt sei. Über Befragen gab der
Vertreter der Mitbeteiligten weiters an, "dass es seines Wissens nach von der Gesellschaft keine Betrugs- oder
Untreueanzeige und auch keine Schadenersatzklage gegeben hat".
Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der als Beschwerde zu erledigenden
Berufung Folge, erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig und führte aus, dass eine die
Gesellschaft schädigende Handlung eines Minderheitsgesellschafters auch dann, wenn dieser in Ausnützung
seiner Eigenschaft als Organ (Geschäftsführer) der Gesellschaft handle, für sich allein noch nicht die Annahme
einer verdeckten Ausschüttung rechtfertige. Habe sich der vertretungsbefugte Gesellschafter einen
ungerechtfertigten Vorteil in Ausnützung seiner Eigenschaft als Organ (Geschäftsführer) der Gesellschaft
verschafft, läge eine verdeckte Ausschüttung nur im Verzicht auf die Geltendmachung oder Durchsetzung der
aus der genannten deliktischen Handlung resultierenden Schadenersatzansprüche. Ein solcher Verzicht läge wenn überhaupt - erst 2010 vor, weil die Mitbeteiligte bis zum Tätigwerden des Finanzamtes keine Kenntnis
von den Vermögensvorteilen gehabt habe, die sich Mag. KS eigenmächtig verschafft habe.
Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vom Finanzamt erhobene Revision.
Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Revision ist zulässig und begründet.
Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit
beschränkter Haftung zählen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 in der für
die Streitjahre geltenden Fassung). Solche Einkünfte unterliegen, wenn der Schuldner der Kapitalerträge
Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat (inländische Kapitalerträge), der Kapitalertragsteuer (§ 93
Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung).
Zu den Bezügen nach § 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung gehören
auch verdeckte Ausschüttungen (vgl. etwa Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 27 Tz 11.1,
§ 93 Tz 29).
Mehrgewinne einer Kapitalgesellschaft, die in ihrem Betriebsvermögen keinen Niederschlag gefunden
haben, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig als den Gesellschaftern
verdeckt zugeflossene Ausschüttungen anzusehen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 21. September 2005,
2002/13/0230 und 2001/13/0261, vom 18. September 2003, 99/15/0262, 0263, vom 17. Dezember 2002,
97/14/0026, vom 19. Juli 2000, 97/13/0241 und 0242, vom 22. März 2000, 97/13/0173, vom 24. März 1998,
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28.05.2015
97/14/0118, vom 28. Jänner 1998, 95/13/0069, vom 6. April 1995, 93/15/0060, vom 27. April 1994, 92/13/0011,
94/13/0094, und vom 10. Dezember 1985, 85/14/0080, mwN; vgl. auch Quantschnigg/Schuch,
Einkommensteuerhandbuch, § 27 Tz 11.4. "Schwarzgeschäfte" und "Sicherheitszuschlag"). Dies gilt auch dann,
wenn die Geschäftsführung der Gesellschaft von einem Minderheitsgesellschafter ausgeübt wird und die
Abgabenbehörde zur Überzeugung gelangt, dass die Mehrgewinne als verdeckte Ausschüttung an den
Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer anzusehen sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom
21. September 2005, 2001/13/0261, und vom 10. Dezember 1985, 85/14/0080, die solche Konstellationen
betrafen).
Das Finanzamt hat die Mitbeteiligte im Hinblick auf dem Gesellschafter und Geschäftsführer aus dem
Vermögen der Gesellschaft zugewendete Vorteile, die u.a. aus im Wege von Sicherheitszuschlägen festgestellten
Mehrgewinnen resultierten, zur Haftung für Kapitalertragsteuer 2006 bis 2009 herangezogen. Abweichend dazu
ging das Bundesfinanzgericht in seiner die Kapitalertragsteuerhaftung behebenden Entscheidung im Hinblick auf
diese Mehrgewinne davon aus, dass nicht schon die Zuwendung der Vorteile aus den Mehrgewinnen an den
Gesellschafter und Geschäftsführer Mag. KS, sondern erst der Verzicht auf eine Rückforderung als verdeckte
Ausschüttung zu werten sei, und hat damit die Rechtslage verkannt, weil das Verhalten des Geschäftsführers der
Mitbeteiligten grundsätzlich zuzurechnen war.
Es bleibt daher zu prüfen, ob das Finanzamt die mitbeteiligte GmbH nach § 95 Abs. 2 und 3 EStG 1988 zur
Haftung für die aus den verdeckten Ausschüttungen resultierende Kapitalertragsteuer heranziehen durfte oder
nicht:
§ 93 Abs. 1 EStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung normiert:
"§ 93. (1) Bei inländischen Kapitalerträgen (Abs. 2) (...) wird die Einkommensteuer durch Abzug vom
Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer)."
§ 95 EStG 1988 in der für die Streitjahre maßgebenden - seit Einführung des EStG 1988 insoweit
unveränderten - Fassung lautet auszugsweise:
"Höhe und Einbehaltung der Kapitalertragsteuer § 95 ...
(2) Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Empfänger der Kapitalerträge. Die Kapitalertragsteuer ist
durch Abzug einzubehalten. Der zum Abzug Verpflichtete (Abs. 3) haftet dem Bund für die Einbehaltung und
Abfuhr der Kapitalertragsteuer.
...
(5) Dem Empfänger der Kapitalerträge ist die
Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn
1.
der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge
nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder
2.
der Empfänger weiß, daß der Schuldner die
einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht
unverzüglich mitteilt.
..."
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum EStG 1988, 621 BlgNR 17. GP, wird - obwohl sich die
Vorgängerbestimmung des § 95 Abs. 2 EStG 1972 sprachlich von § 95 Abs. 2 und Abs. 5 (nunmehr Abs. 4)
EStG 1988 unterscheidet - festgehalten, dass die den zum Abzug Verpflichteten auferlegte Haftung "nach Art
und Umfang" jener entspricht, "die schon nach dem EStG 1972 für den Schuldner der Kapitalerträge bestand".
§ 93 Abs. 1 EStG 1972 normierte:
"Bei folgenden inländischen Kapitalerträgen wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag
(Kapitalertragsteuer) erhoben:
1. Gewinnanteilen (Dividenden), Zinsen und sonstigen Bezügen aus Aktien, Anteilen an Gesellschaften mit
beschränkter Haftung und an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (...)"
Im Geltungsbereich des EStG 1972 war es nach Lehre und Rechtsprechung unbestritten, dass es im
Auswahlermessen der Abgabenbehörde lag, ob dem Abzugsverpflichteten oder dem Steuerschuldner
(Empfänger der Ausschüttung) die Kapitalertragsteuer vorgeschrieben wird (vgl. Achatz, ÖStZ 1989, 252, 255).
Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum EStG 1988 geht klar die Absicht des Gesetzgebers hervor,
die Rechtslage in Bezug auf die Erhebung der Kapitalertragsteuer grundsätzlich nicht zu verändern.
Sowohl für das EStG 1972 wie auch für das EStG 1988 gilt, dass die Kapitalertragsteuer grundsätzlich vom
Schuldner der Kapitalerträge abzuführen ist. Nur ausnahmsweise wird der Empfänger der Kapitalerträge in
Anspruch genommen (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 95 Tz 2). Sind die
Voraussetzungen des § 95 Abs. 5 EStG 1988 erfüllt, liegt es im Ermessen der Abgabenbehörde, ob die Haftung
beim Schuldner der Kapitalerträge geltend gemacht wird oder der Steuerschuldner unmittelbar in Anspruch
genommen wird (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 95 Tz 11). Dabei wird es vor allem
dann zu einer Vorschreibung an den Steuerschuldner kommen, wenn es der abzugspflichtigen Gesellschaft trotz
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28.05.2015
sorgfältiger Prüfung nicht erkennbar war, dass eine steuerpflichtige Ausschüttung vorliegt (vgl. Achatz, a. a.O.,
256 f, siehe zu Beispielen für weitere Umstände, auf die bei der Ermessensübung Bedacht genommen werden
kann, Blasina in SWK 11/2015, 529).
§ 95 Abs. 5 (nunmehr Abs. 4) EStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung regelt die Fälle der
direkten Inanspruchnahme des Steuerschuldners (Empfänger der Kapitalerträge) für die Kapitalertragsteuer.
Bei Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung sind die Voraussetzungen des § 95 Abs. 5 EStG 1988
gegeben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. März 2012, 2008/15/0170, und vom 31. Mai 2011, 2008/15/0153).
Solcherart liegt es im Ermessen, ob die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft geltend
gemacht wird oder eine Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge erfolgt (vgl. Quantschnigg/Schuch,
Einkommensteuerhandbuch, § 95 Tz 11; Kirchmayr in Doralt et al, EStG16, § 95 Tz 66; Jakom/Marschner,
EStG 2015, § 95 Tz 41; Ritz, BAO5, § 20 Tz 4). Abgabenrechtliche Haftungen setzen nach ständiger
Rechtsprechung den Bestand einer Abgabenschuld voraus, nicht aber, dass diese Schuld dem Abgabenschuldner
gegenüber bereits geltend gemacht wurde (vgl. Ritz, BAO5, § 224 Tz 2, mwN). Es stößt daher grundsätzlich auf
keine Bedenken, die ausschüttende GmbH zur Haftung für die Kapitalertragsteuer aus verdeckten
Ausschüttungen heranzuziehen.
Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb
es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 28. Mai 2015
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27.02.2014
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
27.02.2014
Geschäftszahl
2011/15/0199
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie
Senatspräsident Dr. Zorn, Hofrätin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter,
im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Linz in 4020 Linz,
Bahnhofplatz 7,
gegen
den
Bescheid
des
unabhängigen
Finanzsenates,
Außenstelle Linz,
vom 16. November 2011, Zl. RV/1351-L/10, betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2008 (mitbeteiligte
Partei: D GmbH in P), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Mitbeteiligte ist eine inländische GmbH. Sie ist Gruppenträgerin iSd § 9 KStG 1988.
In der Beilage zur Körperschaftsteuererklärung 2008 hat die Mitbeteiligte ausgeführt, es seien ihr
Aufwendungen von 1.504.344,66 EUR als "Bereitstellungsgebühren für Bankverbindlichkeiten ..., die in
Zusammenhang mit der Finanzierung des Erwerbs von Beteiligungen gemäß § 10 Abs. 2 KStG entstanden sind",
angefallen. Gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 seien Zinsen in Zusammenhang mit der Fremdfinanzierung des
Erwerbes von Kapitalanteilen iSd § 10 KStG 1988 Betriebsausgaben. Nach Ansicht der Mitbeteiligten handle es
sich bei den in Rede stehenden "Finance Fees" um Zinsen iSd § 11 KStG 1988.
Die Mitbeteiligte ist davon ausgegangen, dass diese Bereitstellungsgebühren gemäß § 6 Z 3 EStG 1988 auf
die Laufzeit des Kredites (9 Jahre) aufzuteilen sind, und hat solcherart für das Streitjahr 2008 nur einen Anteil
von 173.391,66 EUR als Betriebsausgaben geltend gemacht.
Das Finanzamt erließ einen Feststellungsbescheid Gruppenträger, in welchem es das Einkommen für 2008
der Mitbeteiligten mit
-4.288.374,11 EUR feststellte. Die geltend gemachten (anteiligen)
Bereitstellungsgebühren von 173.391,66 EUR ließ es nicht zum Abzug zu. Zur Begründung führte es aus, diese
Aufwendungen seien nicht Zinsen "im engeren Sinn" gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 KStG, sondern fielen unter das
Abzugsverbot des § 12 Abs. 2 KStG 1988.
Die Mitbeteiligte erhob Berufung und begehrte die Berücksichtigung der geltend gemachten
Betriebsausgaben. Sie beträfen Bereitstellungsgebühren für Bankverbindlichkeiten, die in Zusammenhang mit
der Finanzierung des Erwerbs von Beteiligungen gemäß § 10 Abs. 2 KStG 1988 entstanden seien. Das
Finanzamt vertrete den Körperschaftsteuerrichtlinien 2001 folgend eine enge Auslegung des Begriffes "Zinsen"
in § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988. Diese Auffassung stütze sich darauf, dass im Ministerialentwurf zum
StReformG 2005 der (zunächst geplante) Gesetzestext noch von "Kosten der Fremdfinanzierung" gesprochen
habe, im Rahmen der Begutachtung des Ministerialentwurfes jedoch die Formulierung geändert worden sei,
sodass das Gesetz nunmehr den Begriff "Zinsen" verwende. Diese Abänderung sei nach Meinung des
Finanzamtes vorgenommen worden, weil der Steuergesetzgeber gemeint habe, der Begriff der "Kosten der
Fremdfinanzierung" könnte weit interpretiert werden und wäre daher auch missbräuchlicheren Gestaltungen
zugänglich. Nach Ansicht der mitbeteiligten Partei führe aber die teleologische Interpretation und die
Wortinterpretation zum Ergebnis, dass die hier strittigen Aufwendungen ebenfalls dem § 11 Abs. 1
Z 4 KStG 1988 zu subsumieren seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. In der
Entscheidungsbegründung werden zunächst folgende Literaturmeinungen zur Auslegung von § 11 Abs. 1
Z 4 KStG 1988 dargestellt: Wiesner/Mayr/Kirchmayr2, Gruppenbesteuerung, K61f; Kallina/Roller in
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Verwaltungsgerichtshof
27.02.2014
Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger,
Die
Körperschaftsteuer;
Nowotny
in
Quantschnigg/Achatz/Haidenthaler/Trenkwalder/Tumpel, Gruppenbesteuerung, § 11 Tz 10; Bieber in
Achatz/Kirchmayr, KStG § 11 Tz 52f; Plansky in Lang/Schuch/Staringer, KStG, § 11 Tz. 46, sowie Tissot,
SWK 2004, S 1001.
Sodann begründet die belangte Behörde, aus der im § 12 Abs. 2 KStG 1988 verwendeten Wortfolge
"unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang" ergebe sich, dass im Spannungsverhältnis zwischen § 11
Abs. 1 Z 4 KStG 1988 und § 12 Abs. 2 KStG 1988 eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten sei. Nach
Ansicht der belangten Behörde sei der Begriff "Zinsen" iSd § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 dem in der
Rechtsprechung vorkommenden Begriff der "Schuldzinsen" gleichzusetzen und umfasse daher grundsätzlich alle
für das aufgenommene Fremdkapital zu leistenden Zahlungen, wenn diese nicht die Tilgung des Fremdkapitals
beträfen. Ein Abzugsverbot für Fremdfinanzierungsaufwendungen, die über laufende Zinsen im engeren Sinn
hinausgehen (wie zB Geldbeschaffungskosten, Kursverluste), erschiene unbegründet, weil die Steuerbefreiung
gemäß § 10 KStG 1988 lediglich der Vermeidung der Doppelerfassung von Beteiligungserträgen diene und
keine Steuerbegünstigung darstelle, die ein Abzugsverbot nach § 12 Abs. 2 KStG 1988 rechtfertigte.
Da die steuerrechtliche Judikatur unter Zinsen sämtliche einmalige oder laufende Leistungen in Geld oder
Geldeswert (Bar- oder Sachaufwendungen) verstehe, die der Schuldner an den Gläubiger als Entgelt für die
Überlassung eines bestimmten Kapitals zur Nutzung entrichte, bestehe kein überzeugender Grund, im
Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 einen eigenen Zinsenbegriff zu kreieren, wenn auch die
Auffassung der Finanzverwaltung "historisch durchaus begründbar" erscheine. Hätte der Gesetzgeber anderes
beabsichtigt, wäre wohl eine eigene Legaldefinition des Begriffes "Zinsen" notwendig gewesen.
Damit seien die von der Mitbeteiligten geltend gemachten Aufwendungen abzugsfähig. Diese Nebenkosten
seien als Aktivposten auf die Laufzeit der Verbindlichkeit verteilt abzuschreiben (§ 6 Z 3 EStG 1988). Daher
werde für das Jahr 2008 ein Betrag von 173.391,66 EUR in Abzug gebracht.
Gegen diesen Bescheid hat das Finanzamt Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und erklärt,
den Bescheid hinsichtlich der von der belangten Behörde anerkannten Abzugsfähigkeit der Finanzierungskosten
anzufechten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 2 KStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben,
soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Vermögensvermehrungen und Einnahmen in unmittelbarem
wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nicht abgezogen werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hängen Zinsen eines Kredites, der zum
Erwerb einer Schachtelbeteiligung iSd § 10 KStG 1988 aufgenommen wurde, mit den (steuerfreien)
Schachtelgewinnen aus dieser Beteiligung unmittelbar zusammen und unterliegen daher grundsätzlich dem
Abzugsverbot des § 12 Abs. 2 KStG 1988 (vgl. beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 26. August 2009,
2007/13/0026, vom 20. Oktober 2004, 99/14/0079, vom 20. November 1996, 96/15/0188; vom
10. Oktober 1996, 94/15/0187, vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, 2008/15/0051, Slg 8483/F,
zum Fehlen eines Zusammenhanges zwischen der Steuerfreiheit der Zinsen aus Beteiligungen und dem
Kursverlust der Fremdwährungs-Finanzierungsverbindlichkeit).
Mit dem StReformG 2005, BGBl. I Nr. 57/2004, wurde in § 11 Abs. 1 KStG 1988, der für bestimmte
Aufwendungen ausdrücklich die Abziehbarkeit als Betriebsausgabe anordnet, folgende Z 4 (mit Wirksamkeit ab
der Veranlagung 2005) angefügt:
"Die Zinsen in Zusammenhang mit der Fremdfinanzierung des Erwerbes von Kapitalanteilen im Sinne des
§ 10, soweit sie zum Betriebsvermögen zählen."
Das Finanzamt bringt vor, bei Interpretation des § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 sei der gesamte
Gesetzgebungsprozess zu beachten. Entscheidend sei dabei, dass der ministeriale Begutachtungsentwurf zum
StReformG 2005 (136/ME XXII. GP) noch die Formulierung "Kosten der Fremdfinanzierung" enthalten habe
und erst die endgültige Regierungsvorlage (451 BlgNR XXII. GP) stattdessen den Begriff "Zinsen" verwende.
Der Grund für diese Änderung sei der engere Zinsbegriff gewesen, der im Gegensatz zu "Kosten der
Fremdfinanzierung" weniger anfällig für mögliche missbräuchliche Gestaltungen sei. Durch diesen Wechsel in
der Formulierung komme die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck, einen engen Zinsbegriff statuieren zu
wollen. Die belangte Behörde anerkenne die durch diesen Wechsel zum Ausdruck kommende Absicht des
Gesetzgebers und spreche ebenso wie die einschlägige Literatur davon, dass die darauf aufbauende Auslegung
des § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 historisch begründbar sei. Im Hinblick auf diese Vorgänge der
Gesetzesentstehung bleibe aber für eine systematische Interpretation der Norm kein Raum. Die Bestimmung sei
dem Wortsinn nach auszulegen. Zinsen seien demnach Vergütungen für die Überlassung von Kapital zur
Nutzung. Im gegenständlichen Fall handle es sich bei den in Streit stehenden Aufwendungen um
Bereitstellungsgebühren, also Kosten, die für die jederzeitige Abrufbarkeit des Kredites zu leisten seien. Diese
Aufwendungen stünden in keinem Zusammenhang mit der tatsächlichen Nutzung des Kredites. Diese Gebühr
falle unabhängig davon an, ob und wann der Kredit tatsächlich abgerufen werde, ja selbst dann, wenn der Kredit
gar nicht in Anspruch genommen werde.
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Verwaltungsgerichtshof
27.02.2014
Das Finanzamt übersieht mit seinem Vorbringen, dass es nach österreichischem Verfassungsrecht nicht der
Exekutive obliegt, Gesetze im formellen Sinn zu erlassen. Nach Art. 24 B-VG wird die Gesetzgebung des
Bundes vom Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat ausgeübt. Im Schoß der Exekutive gepflogene
Überlegungen können nicht der Legislative zugerechnet werden.
Für die Erläuterungen in einer Regierungsvorlage gilt freilich Besonderes: Gemäß Art. 41 Abs. 1 B-VG
gelangen Gesetzesvorschläge an den Nationalrat als Anträge seiner Mitglieder, des Bundesrates oder eines
Drittels der Mitglieder des Bundesrates sowie als Vorlagen der Bundesregierung. Soweit die Erläuterungen einer
Regierungsvorlage, die zu einem Gesetzesbeschluss des Gesetzgebers geführt hat, Darlegungen zur inhaltlichen
Bedeutung der von der Regierung vorgeschlagenen verba legalia enthalten, können diese Darlegungen insofern
der Interpretation des Gesetzestextes dienen, als sich (regelmäßig) aus dem Umständen ergibt, dass der
Gesetzgeber von diesem Verständnis des von ihm beschlossenen Gesetzestextes ausgegangen ist. Demgegenüber
sind vor bzw. außerhalb der Regierungsvorlage iSd Art. 41 Abs. 1 B-VG angestellte Überlegungen der
Exekutive in der Regel nicht geeignet, den Inhalt des von Nationalrat und Bundesrat herbeigeführten
Gesetzesbeschlusses auszuloten. In Bezug auf den Ministerialentwurf eines Gesetzes kommt dem Parlament
verfassungsrechtlich nicht mehr als Beobachterstatus zu.
In den ErlRV zum StReformG 2005, 451 der Beilagen XXII. GP, 29 f, wird ausgeführt:
"Durch die in Abs. 1 eingefügte neue Z 4 soll erreicht werden, dass bei Fremdfinanzierung von zum
Betriebsvermögen gehörenden Kapitalbeteiligungen, trotz der Steuerneutralität der laufenden
Beteiligungserträge (Dividenden), die Finanzierungskosten als Betriebsausgabe abgesetzt werden können. Zum
Betriebsvermögen von Körperschaften zählen jedenfalls Kapitalbeteiligungen, die von Körperschaften im Sinne
des § 7 Abs. 3 KStG 1988 gehalten werden."
Die ErlRV sprechen von "Finanzierungskosten" und lassen keinen Hinweis auf eine Einschränkung des
Zinsenbegriffes erkennen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner ertragsteuerlichen Rechtsprechung wiederholt in
Zusammenhang mit § 7 Z 1 GewStG (nach dieser Bestimmung waren bei Ermittlung des Gewerbeertrages
"Zinsen" hinzuzurechnen) mit dem Zinsenbegriff auseinander gesetzt. Zinsen sind demnach Entgelt für die
Nutzung von überlassenem Kapital (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1981, 2882/79,
Slg. 5597/F). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist auch in Bezug auf § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988
davon auszugehen, dass der Begriff "Zinsen" jegliches Entgelt für die Überlassung von Kapital erfasst.
Philipp, Kommentar zum GewStG, § 7 Z 1, Tz 7.91, führt zu Bereitstellungsprovisionen für Kredite aus,
diese seien Entgelt für die Nutzung des Kapitals, wenn der Kredit tatsächlich in Anspruch genommen worden ist.
Demgegenüber seien Bereitstellungsgebühren für Kredite, die nicht in Anspruch genommen worden sind, nicht
als Zinsen anzusehen. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der Ansicht an:
Bereitstellungsgebühren für in der Folge tatsächlich in Anspruch genommene Kredite zählen zum Entgelt für die
Nutzung des kreditierten Kapitals.
Im gegenständlichen Fall findet sich kein Hinweis darauf, dass die Mitbeteiligte den Kredit, für den die
streitgegenständlichen Bereitstellungsgebühren angefallen sind, nicht in Anspruch genommen hätte. Das
Finanzamt spricht in seiner Beschwerde lediglich die Möglichkeit an, dass Bereitstellungsgebühren auch dann
anfallen könnten, wenn ein Kredit später gar nicht abgerufen wird. In diesem Zusammenhang ist aber darauf zu
verweisen, dass die Regelung des § 11 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 jene Zinsen zum Abzug als Betriebsausgaben
zulässt, die ansonsten aufgrund des Abzugsverbotes des § 12 Abs. 2 leg. cit. wegen des unmittelbaren
wirtschaftlichen Zusammenhanges mit (steuerfreien Dividenden aus) Kapitalanteilen iSd § 10 leg. cit. vom
Abzug ausgeschlossen wären. Sollte aber ein Kredit nicht zur Finanzierung von derartigen Kapitalanteilen in
Anspruch genommen werden, ist gar nicht erkennbar, woraus sich ein unmittelbarer wirtschaftlicher
Zusammenhang mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen iSd § 12 Abs. 2 KStG 1988 ergeben sollte oder auf
welche andere Bestimmung sich ein Ausschluss der gewinnmindernden Berücksichtigung der Aufwendungen
stützen sollte.
Die betrieblich veranlassten Bereitstellungsgebühren sind also bei Inanspruchnahme des Kredites für die
Anschaffung von Kapitalanteilen iSd § 10 KStG 1988 aufgrund der Bestimmung des § 11 Abs. 1 Z 4 leg. cit.,
ansonsten mangels Anwendbarkeit eines Abzugsverbotes als Betriebsausgaben abziehbar.
Die Beschwerde vermag sohin die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen und
war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Die Bestimmungen über das Verfahren vor dem
Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des
31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 27. Februar 2014
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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
16. April 2015(*)
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Steuerrecht – Stundung der Steuer auf den
Gewinn, der bei der entgeltlichen Veräußerung bestimmter Anlagegüter realisiert wurde
– Steuererhebung – Niederlassungsfreiheit – Art. 49 AEUV – Art. 31 des EWRAbkommens – Ungleichbehandlung von Betriebsstätten im Hoheitsgebiet eines
Mitgliedstaats und Betriebsstätten im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats der
Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums – Verhältnismäßigkeit“
In der Rechtssache C-591/13
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 20.
November 2013,
Europäische Kommission, vertreten durch W. Mölls und W. Roels als Bevollmächtigte,
Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als
Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Ó Caoimh, der
Richterin C. Toader sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund (Berichterstatter),
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26.
November 2014,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne
Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die
Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 AEUV und aus
Art. 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl.
1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, indem sie Vorschriften
erlassen und beibehalten hat, nach denen die Steuer auf den Gewinn, der bei der
entgeltlichen Veräußerung bestimmter Anlagegüter (im Folgenden: ersetzte
Wirtschaftsgüter) realisiert wurde, durch „Übertragung“ dieses Gewinns auf neu
angeschaffte oder hergestellte Anlagegüter (im Folgenden: Ersatzwirtschaftsgüter) bis zu
deren Veräußerung gestundet wird, soweit die letztgenannten Güter zum
Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören,
während eine solche Stundung nicht möglich ist, wenn die Güter zum Anlagevermögen
einer Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören, die sich in einem anderen
Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des EWRAbkommens befindet.
Rechtlicher Rahmen
2
§ 6b Abs. 1 bis 4 des deutschen Einkommensteuergesetzes (EStG) bestimmt:
„(1)
Steuerpflichtige, die
Grund und Boden,
Aufwuchs auf Grund und Boden mit dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn der
Aufwuchs zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehört,
Gebäude oder Binnenschiffe
veräußern, können im Wirtschaftsjahr der Veräußerung von den Anschaffungs- oder
Herstellungskosten der in Satz 2 bezeichneten Wirtschaftsgüter, die im Wirtschaftsjahr
der Veräußerung oder im vorangegangenen Wirtschaftsjahr angeschafft oder hergestellt
worden sind, einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns
abziehen. Der Abzug ist zulässig bei den Anschaffungs- oder Herstellungskosten von
1.
Grund und Boden,
soweit der Gewinn bei der Veräußerung von Grund und Boden entstanden ist,
2.
Aufwuchs auf Grund und Boden mit dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn
der Aufwuchs zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehört,
soweit der Gewinn bei der Veräußerung von Grund und Boden oder der
Veräußerung von Aufwuchs auf Grund und Boden mit dem dazugehörigen Grund
und Boden entstanden ist,
3.
Gebäuden,
soweit der Gewinn bei der Veräußerung von Grund und Boden, von Aufwuchs auf Grund
und Boden mit dem dazugehörigen Grund und Boden oder Gebäuden entstanden
ist, oder
4.
Binnenschiffen,
soweit der Gewinn bei der Veräußerung von Binnenschiffen entstanden ist.
Der Anschaffung oder Herstellung von Gebäuden steht ihre Erweiterung, ihr Ausbau oder
ihr Umbau gleich. Der Abzug ist in diesem Fall nur von dem Aufwand für die
Erweiterung, den Ausbau oder den Umbau der Gebäude zulässig.
(2)
Gewinn im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 ist der Betrag, um den der
Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Buchwert übersteigt, mit
dem das veräußerte Wirtschaftsgut im Zeitpunkt der Veräußerung anzusetzen gewesen
wäre. Buchwert ist der Wert, mit dem ein Wirtschaftsgut nach § 6 anzusetzen ist.
(3)
Soweit Steuerpflichtige den Abzug nach Absatz 1 nicht vorgenommen haben,
können sie im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den steuerlichen Gewinn mindernde
Rücklage bilden. Bis zur Höhe dieser Rücklage können sie von den Anschaffungs- oder
Herstellungskosten der in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Wirtschaftsgüter, die in den
folgenden vier Wirtschaftsjahren angeschafft oder hergestellt worden sind, im
Wirtschaftsjahr ihrer Anschaffung oder Herstellung einen Betrag unter Berücksichtigung
der Einschränkungen des Absatzes 1 Satz 2 bis 4 abziehen. Die Frist von vier Jahren
verlängert sich bei neu hergestellten Gebäuden auf sechs Jahre, wenn mit ihrer
Herstellung vor dem Schluss des vierten auf die Bildung der Rücklage folgenden
Wirtschaftsjahres begonnen worden ist. Die Rücklage ist in Höhe des abgezogenen
Betrags gewinnerhöhend aufzulösen. Ist eine Rücklage am Schluss des vierten auf ihre
Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden, so ist sie in diesem Zeitpunkt
gewinnerhöhend aufzulösen, soweit nicht ein Abzug von den Herstellungskosten von
Gebäuden in Betracht kommt, mit deren Herstellung bis zu diesem Zeitpunkt begonnen
worden ist; ist die Rücklage am Schluss des sechsten auf ihre Bildung folgenden
Wirtschaftsjahres noch vorhanden, so ist sie in diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend
aufzulösen.
(4)
Voraussetzung für die Anwendung der Absätze 1 und 3 ist, dass
1.
der Steuerpflichtige den Gewinn nach § 4 Absatz 1 oder § 5 ermittelt,
2.
die veräußerten Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens sechs
Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte
gehört haben,
3.
die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer
inländischen Betriebsstätte gehören,
4.
der bei der Veräußerung entstandene Gewinn bei der Ermittlung des im Inland
steuerpflichtigen Gewinns nicht außer Ansatz bleibt und
5.
der Abzug nach Absatz 1 und die Bildung und Auflösung der Rücklage nach Absatz
3 in der Buchführung verfolgt werden können.
Der Abzug nach den Absätzen 1 und 3 ist bei Wirtschaftsgütern, die zu einem land- und
forstwirtschaftlichen Betrieb gehören oder der selbständigen Arbeit dienen, nicht
zulässig, wenn der Gewinn bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines
Gewerbebetriebs entstanden ist.“
Vorverfahren
3
Am 15. Mai 2009 richtete die Kommission ein Mahnschreiben an die Bundesrepublik
Deutschland. Darin wies sie diesen Mitgliedstaat darauf hin, dass § 6b EStG
möglicherweise mit dem freien Kapitalverkehr unvereinbar sei.
4
Mit Schreiben vom 13. Juli 2009 teilte die Bundesrepublik Deutschland mit, dass sie die
Auffassung der Kommission nicht teile, weil die streitige Regelung nicht unter den freien
Kapitalverkehr, sondern ausschließlich unter die Niederlassungsfreiheit falle und mit
dieser vereinbar sei.
5
Am 7. Mai 2010 übersandte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland ein
zusätzliches Mahnschreiben, in dem sie einräumte, dass die Regelung unter die
Niederlassungsfreiheit falle. Gleichwohl sei sie nach Prüfung des Vorbringens dieses
Mitgliedstaats zu dem Ergebnis gekommen, dass die fragliche Regelung gegen Art. 49
AEUV und Art. 31 des EWR-Abkommens verstoße.
6
Mit Schreiben vom 7. Juli 2010 widersprach die Bundesrepublik Deutschland der
Auffassung der Kommission und blieb bei ihrer Ansicht, dass die fragliche Regelung mit
der Niederlassungsfreiheit vereinbar sei.
7
Am 30. September 2011 übersandte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland
eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie ihre im zusätzlichen
Mahnschreiben dargelegte Auffassung bekräftigte und die Bundesrepublik Deutschland
aufforderte, dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme binnen zwei Monaten nach
ihrer Zustellung nachzukommen.
8
Da die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Antwort vom 28. November 2011 erneut
vortrug, dass die Auffassung der Kommission nicht zutreffe, beschloss diese, die
vorliegende Klage zu erheben.
Zur Klage
Zur Zulässigkeit
9
Die Bundesrepublik Deutschland hält die vorliegende Klage aus zwei Gründen für
unzulässig. Zum einen sei sie verspätet erhoben worden, und zum anderen sei ihr
Streitgegenstand geändert worden.
Zur Verspätung der Klageerhebung
–
Vorbringen der Parteien
10
Die Bundesrepublik Deutschland trägt vor, die Kommission habe ihr Klagerecht verwirkt,
weil sie nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens zu lange mit der Klageerhebung
gewartet habe. Da die eingetretene Verzögerung durch keinen sachlichen Grund
gerechtfertigt sei, habe die Kommission rechtsmissbräuchlich gehandelt. Die
Kommission habe sich während dieses Zeitraums des Wartens nicht mehr um eine
gütliche Lösung des Konflikts mit ihr bemüht.
11
Außerdem seien die allgemeinen Grundsätze der Rechtssicherheit und der loyalen
Zusammenarbeit zu berücksichtigen. Ebenso wie die Mitgliedstaaten bei der Beendigung
einer vom Gerichtshof festgestellten Verletzung des AEU-Vertrags zur Kooperation mit
der Kommission verpflichtet seien, müsse die Kommission in der Zeit vor Erhebung einer
Vertragsverletzungsklage mit dem betreffenden Mitgliedstaat kooperieren, nach
Alternativen zu einer Klage suchen und ihn über ihr weiteres Vorgehen informieren. Der
Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit richte sich nicht nur an die Mitgliedstaaten,
sondern auch an die Kommission.
12
Die Kommission macht geltend, die in Art. 258 AEUV aufgestellten Vorschriften kämen
zur Anwendung, ohne dass sie zur Einhaltung einer bestimmten Frist verpflichtet sei.
Außerdem hätten Erwägungen in Bezug auf den Zeitpunkt der Erhebung einer
Vertragsverletzungsklage keinen Einfluss auf deren Zulässigkeit.
13
Eine Beanstandung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn es dem betreffenden Mitgliedstaat
durch eine zu lange Dauer des Vorverfahrens erschwert worden wäre, die Argumente der
Kommission zu widerlegen, so dass die Verteidigungsrechte verletzt worden seien. Die
Bundesrepublik Deutschland habe jedoch nie behauptet, dass ein solcher Fall vorliege,
und es gebe dafür auch keine Anhaltspunkte.
–
Würdigung durch den Gerichtshof
14
Nach ständiger Rechtsprechung ist es Sache der Kommission, den Zeitpunkt für die
Erhebung der Vertragsverletzungsklage zu wählen. Die Erwägungen, die für diese Wahl
bestimmend sind, können die Zulässigkeit der Klage nicht beeinflussen. Die
Bestimmungen des Art. 258 AEUV sind anzuwenden, ohne dass die Kommission eine
bestimmte Frist einhalten muss, sofern nicht ein Fall vorliegt, in dem eine zu lange Dauer
des Vorverfahrens es dem betroffenen Mitgliedstaat erschweren könnte, die Argumente
der Kommission zu widerlegen, und damit die Verteidigungsrechte verletzen würden. Der
Nachweis einer solchen überlangen Dauer obliegt dem betroffenen Mitgliedstaat (vgl. in
diesem Sinne Urteil Kommission/Litauen, C-350/08, EU:C:2010:642, Rn. 33 und 34
sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
15
Die Bundesrepublik Deutschland hat, wie die Kommission ausführt, das Vorliegen einer
solchen Situation nicht geltend gemacht. Deshalb ist die von ihr erhobene Einrede der
Unzulässigkeit zurückzuweisen.
Zur Änderung des Streitgegenstands
–
Vorbringen der Parteien
16
Die Bundesrepublik Deutschland weist darauf hin, dass die Kommission das in ihrer
Erwiderung angeführte Argument, das die Besteuerung des durch die Veräußerung des
ersetzten Wirtschaftsguts erzielten Gewinns im Fall der Abschreibungsfähigkeit des
Ersatzwirtschaftsguts betreffe, weder im Vorverfahren noch in ihrer Klageschrift
vorgebracht habe. Dies sei als Änderung des Streitgegenstands anzusehen, mit der Folge,
dass die Klage insgesamt unzulässig sei.
17
Die Kommission hat dem in der mündlichen Verhandlung entgegengehalten, dass die
Klage zulässig sei. Aus der Klageschrift ergebe sich eindeutig, dass § 6b EStG auch für
grenzüberschreitende Sachverhalte gelten solle. Zwar werde die Steuer auf den bei der
Veräußerung des ersetzten Wirtschaftsguts erzielten Gewinn im Fall eines
abschreibungsfähigen Ersatzwirtschaftsguts, anders als bei einem nicht
abschreibungsfähigen Ersatzwirtschaftsgut, nicht vollständig bis zum Verkauf des
Ersatzwirtschaftsguts gestundet, sondern nur in einem den geringeren Abschreibungen
auf das Ersatzwirtschaftsgut entsprechenden Maß. Gleichwohl werde in beiden Fällen die
Steuer auf den bei der Veräußerung des ersetzten Wirtschaftsguts erzielten Gewinn
gestundet. Die Fälle unterschieden sich lediglich durch das Ausmaß der Stundung. Bei
nicht abschreibungsfähigen Ersatzwirtschaftsgütern erstrecke sich die Stundung bis zu
ihrer Veräußerung, während sie bei abschreibungsfähigen Ersatzwirtschaftsgütern von
kürzerer Dauer sein könne. Bei Letzteren könne die Bundesrepublik Deutschland nach
den in der deutschen Regelung vorgesehenen Abschreibungsregeln eine gestaffelte
Zahlung der Steuer verlangen.
Würdigung durch den Gerichtshof
18
Es ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall weder die Ordnungsmäßigkeit der mit
Gründen versehenen Stellungnahme noch die Ordnungsmäßigkeit des ihrer Zustellung
vorangegangenen Verfahrens in Abrede gestellt wird.
19
Nach ständiger Rechtsprechung wird der Gegenstand einer Vertragsverletzungsklage
nach Art. 258 AEUV durch die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission
festgelegt, so dass die Klage auf die gleichen Gründe und das gleiche Vorbringen gestützt
sein muss wie diese Stellungnahme. Dieses Erfordernis kann jedoch nicht so weit gehen,
dass in jedem Fall eine völlige Übereinstimmung zwischen der Darlegung der Rügen im
Tenor der mit Gründen versehenen Stellungnahme und in den Anträgen der Klageschrift
bestehen muss, falls der Streitgegenstand, wie er in der mit Gründen versehenen
Stellungnahme umschrieben ist, nicht erweitert oder geändert wurde. Insbesondere kann
die Kommission ihre ursprünglichen Rügen in ihrer Klageschrift präzisieren, sofern sie
den Streitgegenstand nicht ändert (vgl. Urteil Kommission/Polen, C-281/11,
EU:C:2013:855, Rn. 87 und 88 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
20
Im vorliegenden Fall hat die Kommission sowohl im Rahmen des Vorverfahrens als auch
vor dem Gerichtshof eindeutig vorgetragen, dass sie der Bundesrepublik Deutschland
vorwerfe, durch den Erlass und die Beibehaltung der in § 6b EStG vorgesehenen
Regelung gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 AEUV und Art. 31 des EWRAbkommens verstoßen zu haben.
21
Die Anwendung dieser Regelung hat im Wesentlichen zur Folge, dass die Steuer auf die
Gewinne aus der Veräußerung der zum Anlagevermögen einer in Deutschland belegenen
Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehörenden ersetzten Wirtschaftsgüter gestundet
wird, sofern diese Gewinne in den Kauf oder die Herstellung von Ersatzwirtschaftsgütern
reinvestiert werden. Der Steuerpflichtige kann diesen Steuervorteil jedoch nur dann in
Anspruch nehmen, wenn die Ersatzwirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer ebenfalls
in Deutschland belegenen Betriebsstätte gehören, nicht aber dann, wenn sie zum
Anlagevermögen einer Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat der Union oder des
Europäischen Wirtschaftsraums gehören. Diese Ungleichbehandlung stellt nach Ansicht
der Kommission einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit dar.
22
Mit den Ausführungen in ihrer Erwiderung zu der nach den deutschen
Abschreibungsvorschriften
bei
abschreibungsfähigen
Ersatzwirtschaftsgütern
erfolgenden Stundung der Steuer auf die realisierten Gewinne ist die Kommission
lediglich – in Beantwortung des von der Bundesrepublik Deutschland erhobenen
Vorwurfs, ihr sei ein Fehler unterlaufen, als sie angegeben habe, dass die Steuer auf die
beim Verkauf der ersetzten Wirtschaftsgüter realisierten Gewinne stets bis zur
Veräußerung der Ersatzwirtschaftsgüter gestundet werde – näher auf die zur Stützung
ihres Vorbringens zur gerügten Vertragsverletzung angeführten Argumente eingegangen,
die sie bereits in allgemeinerer Form im Rahmen des Vorverfahrens sowie in der
Klageschrift dargelegt hatte.
23
Insoweit ist hervorzuheben, dass der Umstand, dass der Zeitpunkt der Besteuerung des
aus der Veräußerung des ersetzten Wirtschaftsguts resultierenden Gewinns nach der
genannten Regelung davon abhängt, ob das Ersatzwirtschaftsgut abschreibungsfähig ist,
den Streitgegenstand unberührt lässt. Die Steuer auf den bei der Veräußerung des
ersetzten Wirtschaftsguts erzielten Gewinn wird nämlich, unabhängig davon, ob das
Ersatzwirtschaftsgut abschreibungsfähig ist, in beiden Fällen gestundet; sie unterscheiden
sich lediglich durch das Ausmaß der Stundung. Bei nicht abschreibungsfähigen
Ersatzwirtschaftsgütern könnte sich die Stundung bis zu ihrer Veräußerung erstrecken,
während sie bei abschreibungsfähigen Ersatzwirtschaftsgütern von kürzerer Dauer sein
kann. Dieser Vorteil gilt jedoch in beiden Fällen nur für Reinvestitionen zum Erwerb von
Ersatzwirtschaftsgütern, die zum Anlagevermögen einer in Deutschland belegenen
Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören.
24
Die bloße Tatsache, dass die Kommission im Vorverfahren und in der Klageschrift
hinsichtlich des Zeitpunkts der Besteuerung des aus der Veräußerung der ersetzten
Wirtschaftsgüter resultierenden Gewinns nur auf die Veräußerung von
Ersatzwirtschaftsgütern Bezug genommen hat, lässt daher nicht auf das Vorliegen eines
neuen Angriffsmittels schließen, was zu einer Beschränkung des Umfangs der Klage
allein auf nicht abschreibungsfähige Ersatzwirtschaftsgüter führen würde.
25
Folglich ist festzustellen, dass die von der Kommission erhobene Rüge während des
gesamten vorgerichtlichen und gerichtlichen Verfahrens unverändert geblieben ist.
26
Nach den vorstehenden Erwägungen ist die Klage der Kommission zulässig.
Zur Begründetheit
Vorbringen der Parteien
27
Die Kommission macht geltend, § 6b EStG verstoße gegen die Bestimmungen des AEUVertrags und des EWR-Abkommens über die Niederlassungsfreiheit.
28
Nach dem Wortlaut von § 6b EStG sei ein Steuerpflichtiger berechtigt, die bei der
Veräußerung bestimmter zum Anlagevermögen einer in Deutschland belegenen
Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehörender Anlagegüter realisierten Gewinne
unversteuert auf bestimmte Ersatzwirtschaftsgüter zu übertragen, sofern diese Gewinne
in den Erwerb oder die Herstellung dieser Ersatzwirtschaftsgüter reinvestiert würden.
Eine solche Stundung der Steuer auf diese Gewinne sei jedoch nach § 6b Abs. 4 Nr. 3
EStG nur möglich, wenn die Ersatzwirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer in
Deutschland belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehörten. Gehörten die
Ersatzwirtschaftsgüter dagegen zum Anlagevermögen einer außerhalb Deutschlands
belegenen Betriebsstätte, würden die aus der Veräußerung des ersetzten Wirtschaftsguts
resultierenden Gewinne sofort besteuert.
29
Ein Wirtschaftsteilnehmer werde deshalb der Tatsache Rechnung tragen, dass eine
außerhalb Deutschlands getätigte Reinvestition steuerlich ungünstiger behandelt werde
als eine dort vorgenommene Reinvestition. Diese Ungleichbehandlung könne eine in
Deutschland ansässige Gesellschaft davon abhalten, ihre Tätigkeiten mittels einer in
einem anderen Mitgliedstaat der Union oder des EWR als der Bundesrepublik
Deutschland belegenen Betriebsstätte auszuüben.
30
Eine solche Ungleichbehandlung könne nicht mit einer objektiv unterschiedlichen
Situation gerechtfertigt werden. Wenn sich die Betriebsstätte, in der die Reinvestition
getätigt werde, in einem anderen Mitgliedstaat der Union oder des EWR als der
Bundesrepublik Deutschland befinde, könne daraus lediglich der Schluss gezogen
werden, dass der betreffende Wirtschaftsteilnehmer von der Niederlassungsfreiheit
Gebrauch gemacht habe.
31
Die auf die Territorialität der Besteuerung gestützten Rechtfertigungsgründe seien nicht
stichhaltig. Im vorliegenden Fall gehe es um Gewinne, die in Deutschland bei der
Veräußerung des ersetzten Wirtschaftsguts erzielt worden seien. Die Bundesrepublik
Deutschland sei unstreitig berechtigt, diese Gewinne zu besteuern. Dieses Recht werde
im Übrigen im Fall einer Reinvestition außerhalb Deutschlands durch die sofortige
Besteuerung der Gewinne tatsächlich ausgeübt. Die steuerliche Behandlung von
Betriebsstätten aufgrund von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (im
Folgenden: Doppelbesteuerungsabkommen) sei in diesem Zusammenhang unerheblich.
32
Dass dies zur Folge haben könnte, dass die Bundesrepublik Deutschland den Zeitpunkt
der Fälligkeit der für derartige Gewinne geschuldeten Steuer auch dann, wenn die
Reinvestitionen außerhalb Deutschlands getätigt würden, aufschieben müsse, wie sie es
bei Reinvestitionen im Inland tue, ändere nichts an der Aufteilung der
Besteuerungsbefugnisse in Bezug auf diese Gewinne.
33
Die Rechtfertigung mit der Notwendigkeit, die Kohärenz des nationalen Steuersystems
zu wahren, könne nur dann durchgreifen, wenn es einen unmittelbaren Zusammenhang
zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dem Ausgleich dieses Vorteils durch
eine bestimmte steuerliche Belastung gebe. Die Besteuerung der Gewinne aus der
Veräußerung des Ersatzwirtschaftsguts sei aber als solche nicht das Gegenstück zur
Stundung der Steuer auf die bei der Veräußerung des ersetzten Wirtschaftsguts
realisierten Gewinne. Das Gegenstück zu diesem steuerlichen Vorteil – der Stundung der
auf die letztgenannten Gewinne geschuldeten Steuer – sei die spätere Besteuerung der aus
der Veräußerung eben dieses Wirtschaftsguts resultierenden Gewinne und nicht die
Besteuerung anderer, bei der Veräußerung des Ersatzwirtschaftsguts erzielter Gewinne.
34
Auch der Wunsch, Umstrukturierungen und Reinvestitionen zu fördern, sei kein legitimes
Ziel. Es spiele zudem keine Rolle, ob ein solches allgemeines Ziel wirtschaftlicher Art
im Einzelfall einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen könne. Die
Bundesrepublik Deutschland habe jedenfalls weder behauptet noch nachgewiesen, dass
dieses Ziel nicht auch ohne eine Schlechterstellung der fraglichen grenzüberschreitenden
Reinvestitionen erreicht werden könnte.
35
Die gewählte rechtliche Konstruktion stelle ebenfalls als solche keine Rechtfertigung
dar. Das Gleiche gelte für Ziele der nationalen Wirtschaftsförderung. Die bloße Tatsache,
dass ein steuerlicher Vorteil bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt nicht mittels
der gleichen Technik gewährt werden könne wie bei einem rein innerstaatlichen
Sachverhalt, rechtfertige keine unterschiedliche Behandlung dieser Sachverhalte.
36
Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Maßnahme stelle sich
mangels eines einschlägigen Rechtfertigungsgrundes nicht.
37
Der Gerichtshof sei jedenfalls im Urteil National Grid Indus (C-371/10, EU:C:2011:785)
hinsichtlich des vom Steuerpflichtigen zu tragenden Verwaltungsaufwands zu dem
Ergebnis gekommen, dass dieser das Recht habe, zwischen einer sofortigen und einer
aufgeschobenen Besteuerung zu wählen. Eine sofortige Besteuerung der fraglichen
Gewinne sei daher nicht verhältnismäßig.
38
Die Bundesrepublik Deutschland hält die Klage für unbegründet. Die Situation einer in
einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte sei objektiv nicht mit der einer in
Deutschland belegenen Betriebsstätte vergleichbar. Hilfsweise macht sie für den Fall,
dass eine Beschränkung festgestellt werden sollte, geltend, diese sei jedenfalls aus
zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, und zwar nach dem Grundsatz der
Territorialität der Besteuerung und aufgrund des Erfordernisses, die Kohärenz des
nationalen Steuersystems zu wahren, gerechtfertigt.
39
Von der fraglichen Steuerregelung gehe keinerlei abschreckende Wirkung aus, die einen
Steuerpflichtigen davon abhalten könnte, Betriebsstätten in anderen Mitgliedstaaten zu
gründen und seine Tätigkeiten mittels solcher Betriebsstätten auszuüben. Die fehlende
Möglichkeit, zum Anlagevermögen einer in Deutschland belegenen Betriebsstätte
gehörende Anlagegüter zu verkaufen, ohne dass die dabei erzielten Gewinne besteuert
würden, habe als solche keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Tätigkeiten einer in
einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte.
40
§ 6b EStG diene zur Verbesserung der Liquidität von Unternehmen und zur Erleichterung
von Umstrukturierungen durch die Begünstigung von Reinvestitionen in den eigenen
Betrieb. Derartige Reinvestitionen seien erforderlich, um die Produktion angesichts des
Verschleißes von Produktionsgütern oder des technischen Fortschritts wieder auf den
vorherigen Stand zu bringen. Durch den Verzicht auf eine sofortige Besteuerung der bei
der Veräußerung des ersetzten Wirtschaftsguts erzielten Gewinne werde es dem
betreffenden Unternehmen ermöglicht, sich in wirtschaftlicher Hinsicht auf strukturelle
Änderungen bei Produktionstechniken und Vertrieb oder auf regionale Veränderungen
einzustellen. Die Reinvestition dieser Gewinne erleichtere größere betriebliche
Umstrukturierungen und verhindere die Besteuerung der besonders hohen stillen
Reserven, die bei der Veräußerung des betreffenden Wirtschaftsguts aufgedeckt würden.
41
Die in § 6b EStG vorgesehene Steuerregelung laufe darauf hinaus, dass das ersetzte
Wirtschaftsgut und das Ersatzwirtschaftsgut als ein einziges Wirtschaftsgut aufgefasst
würden, denn in wirtschaftlicher Hinsicht führten beide Produktionsgüter zu Einnahmen
in Deutschland. Dieses Ergebnis werde dadurch erzielt, dass das ersetzte Wirtschaftsgut
für steuerliche Zwecke dem Ersatzwirtschaftsgut gleichgestellt werde. Die bei der
Veräußerung des ersetzten Wirtschaftsguts erzielten Gewinne würden in der Bilanz des
betreffenden Unternehmens auf das Ersatzwirtschaftsgut übertragen. In dieser Bilanz
werde das ersetzte Wirtschaftsgut so behandelt, als sei es dem Betriebsvermögen des
Unternehmens nie entnommen worden. Diese Fiktion einer ununterbrochenen
Zugehörigkeit des ersetzten Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen sei in technischer
Hinsicht nur dann statthaft, wenn das Ersatzwirtschaftsgut zum Anlagevermögen
desselben Steuerpflichtigen gehöre und ebenfalls der Besteuerungsbefugnis der
deutschen Behörden unterliege.
42
Nach den Bestimmungen der von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen
Doppelbesteuerungsabkommen stelle eine Betriebsstätte eine selbständige steuerliche
Einheit dar. Das ersetzte Wirtschaftsgut und das Ersatzwirtschaftsgut befänden sich somit
nicht in den Händen desselben Steuerpflichtigen, sondern in den Händen verschiedener
Steuerpflichtiger, die von verschiedenen Mitgliedstaaten besteuert würden. Demzufolge
könne der in der fraglichen Regelung vorgesehene Steuervorteil in Form der Möglichkeit,
ein Anlagegut auf steuerlich neutrale Art und Weise durch ein demselben
Steuerpflichtigen gehörendes Gut zu ersetzen, seinem Wesen nach unter derartigen
Umständen nicht gewährt werden. Die Bundesrepublik Deutschland könne diese
spezifische Art eines Steuervorteils bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt weder
rechtlich noch faktisch mittels einer anderen Technik gewähren, da Wirtschaftsgüter einer
ausländischen Betriebsstätte nicht der deutschen Steuerhoheit unterlägen.
43
Die besondere Technik sei nicht willkürlich gewählt worden, um grenzüberschreitende
Sachverhalte von vornherein auszuschließen. Sie sei vielmehr die einzige Technik, mit
der in fachlich und politisch vertretbarer Weise ein Steuervorteil für betriebliche
Reinvestitionen gewährt werden könne.
44
Die Kommission wolle eine spezielle Regelung von Investitions- und
Umstrukturierungsanreizen für grenzüberschreitende Sachverhalte schaffen, die nicht für
rein inländische Gesellschaften gelte. Da das deutsche Recht für rein inländische
Sachverhalte eine solche Regelung nicht allgemein vorsehe, könne das Unionsrecht bei
seinem gegenwärtigen Stand nicht die Einführung einer speziellen Form der Stundung
von Steuern auf Gewinne verlangen. Die Mitgliedstaaten verfügten beim gegenwärtigen
Stand der Harmonisierung des Steuerrechts auf Unionsebene über eine gewisse
steuerliche Autonomie. Sie seien keineswegs verpflichtet, ihr eigenes Steuersystem den
verschiedenen Steuersystemen der übrigen Mitgliedstaaten anzupassen, um zu
gewährleisten, dass eine Gesellschaft, die beschlossen habe, sich in einem bestimmten
Mitgliedstaat niederzulassen, dort genauso besteuert werde wie eine Gesellschaft, die
beschlossen habe, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen. Diese steuerliche
Autonomie bedeute auch, dass ein Mitgliedstaat Bedingungen und Höhe der Besteuerung
der verschiedenen Niederlassungsformen im Ausland tätiger inländischer Gesellschaften
frei festlegen könne, soweit er ihnen eine Behandlung gewähre, die gegenüber
vergleichbaren inländischen Niederlassungen nicht diskriminierend sei.
45
Die in § 6b EStG vorgesehene Steuerregelung sei jedenfalls durch zwingende Gründe
des Allgemeininteresses gerechtfertigt, die auf der Notwendigkeit beruhten, die
Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren. Nach
den Doppelbesteuerungsabkommen verfüge die Bundesrepublik Deutschland im
steuerlichen Bereich über keine Befugnisse in Bezug auf das Ersatzwirtschaftsgut und
könne daher weder die Höhe der Abschreibungen für dieses Wirtschaftsgut noch die
Steuer auf dessen Verkauf festlegen. Deshalb sei es technisch nicht möglich, die in § 6b
EStG vorgesehene Regelung auf Ersatzwirtschaftsgüter anzuwenden, die zu einer
außerhalb Deutschlands belegenen Betriebsstätte gehörten. Es gebe auch keine andere
Technik, die es rechtlich oder faktisch ermögliche, diese spezielle Art von Steuervorteil
auf einen grenzüberschreitenden Sachverhalt anzuwenden.
46
Diese Steuerregelung sei auch aus dem zwingenden Grund des Allgemeininteresses
gerechtfertigt, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu wahren. Zwischen dem
fraglichen steuerlichen Vorteil und dem Ausgleich dieses Vorteils durch eine bestimmte
steuerliche Belastung bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang. Bei der Übertragung der
aus der Veräußerung des ersetzten Wirtschaftsguts resultierenden Gewinne auf das
Ersatzwirtschaftsgut werde in der Praxis eine ununterbrochene Zugehörigkeit des
ersetzten Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen des betreffenden Unternehmens
fingiert. Wirtschaftlich betrachtet handele es sich bei den Gewinnen aus der Veräußerung
des ersetzten Wirtschaftsguts und den Gewinnen aus der Veräußerung des
Ersatzwirtschaftsguts um ein und denselben Gewinn, so dass die Besteuerung der dem
Ersatzwirtschaftsgut zuzuordnenden Gewinne untrennbar mit der Besteuerung der dem
ersetzten Wirtschaftsgut zuzurechnenden Gewinne verbunden sei. Die Modalitäten der
Besteuerung des Ersatzwirtschaftsguts seien deshalb integraler Bestandteil des fraglichen
Steuervorteils. Die steuerliche Begünstigung der Gewinne aus der Veräußerung des
ersetzten Wirtschaftsguts hänge zudem eng mit der Besteuerung der mit Hilfe des
Ersatzwirtschaftsguts in Deutschland erzielten Einnahmen zusammen.
47
Schließlich sei die genannte Steuerregelung aus dem zwingenden Grund des
Allgemeininteresses gerechtfertigt, der in dem politischen Anliegen bestehe, betriebliche
Reinvestitionen zu fördern, um die Produktionsanlagen zu erhalten oder auf den neuesten
Stand zu bringen, den Fortbestand des Unternehmens zu gewährleisten und die
Beschäftigung aufrechtzuerhalten. Dieses Ziel, Reinvestitionen in das Unternehmen
selbst zu fördern, damit anstelle des veräußerten Anlageguts ein neues erworben werde,
könne jedoch nur erreicht werden, wenn auch die Besteuerung des neuen Wirtschaftsguts
der deutschen Steuerhoheit unterliege.
48
Zur Verhältnismäßigkeit der fraglichen Maßnahme trägt die Bundesrepublik Deutschland
vor, dass sich eine Prüfung, ob es möglicherweise weniger einschneidende Maßnahmen
gebe, erübrige, falls keine unionsrechtliche Diskriminierung vorliege oder eine solche
Diskriminierung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei.
49
Hilfsweise macht sie geltend, dass die in § 6b EStG vorgesehene Maßnahme, deren
Anwendung auf Ersatzwirtschaftsgüter beschränkt sei, die zum Anlagevermögen einer in
Deutschland belegenen Betriebsstätte gehörten, verhältnismäßig sei.
50
Es wäre für sie schwierig, andere ebenso geeignete Maßnahmen für alle
grenzüberschreitenden Fälle zu finden. Etwaige solche Maßnahmen wären nicht weniger
einschneidend, da sie mit unzumutbarem Verwaltungsaufwand sowohl für die
Steuerverwaltung als auch für den Steuerpflichtigen verbunden wären.
51
Die Stundung von Steuern auf die fraglichen Gewinne hätte bei grenzüberschreitenden
Sachverhalten unerwünschte Folgen. Die Ausdehnung des steuerlichen Vorteils auf diese
Sachverhalte könnte unmittelbar dazu führen, dass Anlagegüter und Produktionsbetriebe
ins Ausland verlegt würden. Eine solche gezielte Auslagerung der Produktion durch die
Förderung von Reinvestitionen könne jedoch nicht geboten sein.
Würdigung durch den Gerichtshof
52
Die Kommission wirft der Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen vor, dass sie
Gewinne, die durch die entgeltliche Veräußerung bestimmter zum Anlagevermögen einer
in Deutschland belegenen Betriebsstätte gehörender Anlagegüter erzielt worden seien, im
Fall der Reinvestition dieser Gewinne in bestimmte neu angeschaffte oder hergestellte
Ersatzwirtschaftsgüter, die zum Anlagevermögen einer in einem anderen Mitgliedstaat
der Union oder des EWR belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehörten,
ungünstiger behandele als bei einer ähnlichen, innerhalb Deutschlands getätigten
Reinvestition.
53
Diese Ungleichbehandlung sei geeignet, die Niederlassungsfreiheit zu behindern, und
verstoße gegen Art. 49 AEUV sowie gegen Art. 31 des EWR-Abkommens.
–
Zum Verstoß gegen die in Art. 49 AEUV vorgesehene Niederlassungsfreiheit
54
Nach Art. 49 AEUV sind die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit zu beseitigen.
Mit dieser Freiheit ist für die im Einklang mit den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats
gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder
ihre Hauptniederlassung in der Union haben, das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in
anderen Mitgliedstaaten durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder
Agentur auszuüben (Urteil Kommission/Dänemark, C-261/11, EU:C:2013:480, Rn. 25
und die dort angeführte Rechtsprechung).
55
Die Niederlassungsfreiheit gilt auch für die Übertragung von Tätigkeiten eines
Steuerpflichtigen vom Gebiet eines Mitgliedstaats in einen anderen Mitgliedstaat (vgl. in
diesem Sinne Urteil Kommission/Dänemark, C-261/11, EU:C:2013:480, Rn. 28).
56
Auch wenn die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit nach
ihrem Wortlaut die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sicherstellen sollen,
verbieten sie es ebenfalls, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung eines seiner
Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem
anderen Mitgliedstaat behindert. Als Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit sind alle
Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung dieser Freiheit unterbinden, behindern oder
weniger attraktiv machen (Urteil Kommission/Dänemark, C-261/11, EU:C:2013:480,
Rn. 26 und 27 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
57
Im vorliegenden Fall hat die in § 6b EStG vorgesehene Steuerregelung zur Folge, dass
die Stundung der Steuerschuld für die Gewinne, die bei der entgeltlichen Veräußerung
eines zum Anlagevermögen einer in Deutschland belegenen Betriebsstätte des
Steuerpflichtigen gehörenden Anlageguts erzielt wurden, nur unter der Voraussetzung
gewährt wird, dass die Gewinne in den Erwerb von Ersatzwirtschaftsgütern reinvestiert
werden, die zum Anlagevermögen einer solchen in Deutschland belegenen Betriebsstätte
gehören. Eine ähnliche Reinvestition zum Zweck des Erwerbs von
Ersatzwirtschaftsgütern, die zum Anlagevermögen einer in einem anderen Mitgliedstaat
belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören, hat dagegen die sofortige
Besteuerung der Gewinne zur Folge.
58
Diese Ungleichbehandlung hinsichtlich der Stundung der Steuerschuld für die fraglichen
Gewinne kann für die Liquidität des Steuerpflichtigen, der diese Gewinne reinvestieren
möchte, um Ersatzwirtschaftsgüter für eine in einem anderen Mitgliedstaat als der
Bundesrepublik Deutschland belegene Betriebsstätte zu erwerben, im Verhältnis zu
einem Steuerpflichtigen, der eine ähnliche Reinvestition in eine in Deutschland belegene
Betriebsstätte tätigt, von Nachteil sein.
59
Die Ungleichbehandlung ist zumindest geeignet, eine außerhalb Deutschlands getätigte
Reinvestition weniger attraktiv zu machen als eine in Deutschland getätigte Reinvestition.
Folglich kann sie, wie die Kommission geltend macht, einen in Deutschland ansässigen
Steuerpflichtigen davon abhalten, seine Tätigkeiten mittels einer in einem anderen
Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland belegenen Betriebsstätte auszuüben.
60
Eine solche Ungleichbehandlung lässt sich nicht durch eine objektiv unterschiedliche
Situation erklären. In Ansehung der Regelung eines Mitgliedstaats zur Besteuerung der
in seinem Hoheitsgebiet erzielten Gewinne ist nämlich die Situation eines
Steuerpflichtigen, der die Gewinne reinvestiert, um ein Ersatzwirtschaftsgut zu erwerben,
das für eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte bestimmt ist, in Bezug
auf die Besteuerung der im erstgenannten Mitgliedstaat vor dieser Reinvestition erzielten
Gewinne mit der Situation eines Steuerpflichtigen vergleichbar, der die Gewinne
reinvestiert, um ein Ersatzwirtschaftsgut zu erwerben, das für eine in diesem
Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte bestimmt ist.
61
Demzufolge beschränkt die in § 6b EStG vorgesehene Steuerregelung die
Niederlassungsfreiheit dadurch, dass eine Stundung der Steuerschuld für die Gewinne,
die bei der entgeltlichen Veräußerung eines zum Anlagevermögen einer in Deutschland
belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehörenden Anlageguts erzielt wurden,
nur unter der Voraussetzung gewährt wird, dass die Gewinne reinvestiert werden, um
Ersatzwirtschaftsgüter zu erwerben, die zum Anlagevermögen einer ebenfalls in
Deutschland belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören.
62
Es ist jedoch zu prüfen, ob diese Beschränkung objektiv aus unionsrechtlich anerkannten
zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein kann.
63
Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch
eine nationale Regelung nur statthaft, wenn sie durch zwingende Gründe des
Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In diesem Fall muss die Beschränkung zudem
geeignet sein, die Erreichung des fraglichen Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über
das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. Urteil DI. VI.
Finanziaria di Diego della Valle & C., C-380/11, EU:C:2012:552, Rn. 41 und die dort
angeführte Rechtsprechung).
64
Was zunächst die Rechtfertigung mit der Notwendigkeit angeht, die Aufteilung der
Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, ist darauf hinzuweisen,
dass diese Rechtfertigung ein vom Gerichtshof anerkanntes legitimes Ziel ist und dass die
Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung in Ermangelung unionsrechtlicher
Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen befugt bleiben, zur Beseitigung
der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich
oder einseitig festzulegen (Urteil DMC, C-164/12, EU:C:2014:20, Rn. 46 und 47 sowie
die dort angeführte Rechtsprechung).
65
Der Gerichtshof hat in seinem Urteil National Grid Indus (C-371/10, EU:C:2011:785) in
Bezug auf eine nationale Regelung, nach der die Verlegung des tatsächlichen
Verwaltungssitzes einer Gesellschaft nationalen Rechts in einen anderen Mitgliedstaat
die sofortige Besteuerung nicht realisierter Wertzuwächse der überführten
Wirtschaftsgüter zur Folge hatte, während derartige Wertzuwächse im nationalen
Rahmen erst bei ihrer tatsächlichen Realisierung besteuert wurden, festgestellt, dass eine
solche Verlegung nicht bedeuten kann, dass der Herkunftsmitgliedstaat auf sein Recht
zur Besteuerung von Wertzuwächsen, die im Rahmen seiner Steuerhoheit vor dieser
Verlegung erzielt wurden, verzichten muss. Der Gerichtshof hat deshalb entschieden,
dass ein Mitgliedstaat nach dem Grundsatz der steuerlichen Territorialität das Recht hat,
die in seinem Hoheitsgebiet entstandenen nicht realisierten Wertzuwächse zum Zeitpunkt
der Verlegung zu besteuern. Eine solche Maßnahme soll nämlich Situationen verhindern,
die das Recht des Herkunftsmitgliedstaats auf Ausübung seiner Steuerhoheit im
Zusammenhang mit den in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten gefährden
können, und kann daher zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen
den Mitgliedstaaten gerechtfertigt sein (vgl. in diesem Sinne Urteil National Grid Indus,
C-371/10, EU:C:2011:785, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).
66
Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass es verhältnismäßig ist, wenn ein
Mitgliedstaat, um die Ausübung seiner Steuerhoheit zu wahren, die Steuer auf die in
seinem Hoheitsgebiet entstandenen nicht realisierten Wertzuwächse zu dem Zeitpunkt
festsetzt, zu dem seine Besteuerungsbefugnis in Bezug auf die betreffende Gesellschaft
endet, d. h. im konkreten Fall zum Zeitpunkt der Verlegung ihres tatsächlichen
Verwaltungssitzes in einen anderen Mitgliedstaat (vgl. in diesem Sinne Urteil National
Grid Indus, C-371/10, EU:C:2011:785, Rn. 52).
67
Hingegen erachtete er eine Regelung eines Mitgliedstaats, die bei der Verlegung des
tatsächlichen Verwaltungssitzes einer Gesellschaft aus seinem Hoheitsgebiet heraus eine
sofortige Besteuerung der im Rahmen seiner Steuerhoheit erzielten nicht realisierten
Wertzuwächse vorsah, für unverhältnismäßig, da es Maßnahmen gibt, die die
Niederlassungsfreiheit weniger stark beeinträchtigen als die sofortige Erhebung dieser
Steuer. Hierzu hat er ausgeführt, dass dem Steuerpflichtigen die Wahl zwischen der
sofortigen Zahlung dieser Steuer oder dem Aufschub ihrer Zahlung, gegebenenfalls
zuzüglich Zinsen entsprechend der anwendbaren nationalen Regelung, zu lassen ist (vgl.
in diesem Sinne Urteile National Grid Indus, C-371/10, EU:C:2011:785, Rn. 73 und 85,
sowie DMC, C-164/12, EU:C:2014:20, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).
68
Im vorliegenden Fall geht es um die Besteuerung des aus der Veräußerung des ersetzten
Wirtschaftsguts resultierenden Gewinns, der im Rahmen der Steuerhoheit der
Bundesrepublik Deutschland erzielt wurde. Die Kommission bestreitet insoweit nicht,
dass die Bundesrepublik Deutschland zur Besteuerung dieses Gewinns berechtigt ist.
69
Nach der in Rn. 65 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung kann eine
Reinvestition von Gewinnen, die unter die Steuerhoheit der Bundesrepublik Deutschland
fallen, zum Zweck des Erwerbs von Ersatzwirtschaftsgütern, die zu einer in einem
anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören, nicht
bedeuten, dass die Bundesrepublik Deutschland auf ihr Recht, die im Rahmen ihrer
Steuerhoheit erzielten Gewinne vor deren Transfer ins Ausland zu besteuern, verzichten
muss, weil sie zum Zweck des Erwerbs derartiger Ersatzwirtschaftsgüter reinvestiert
wurden.
70
Selbst wenn die Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Reinvestition des aus der
Veräußerung der ersetzten Wirtschaftsgüter resultierenden Gewinns zum Zweck des
Erwerbs von Ersatzwirtschaftsgütern, die zum Anlagevermögen einer außerhalb
Deutschlands belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören, nicht berechtigt
wäre, die mit diesen Ersatzwirtschaftsgütern erzielten Einkünfte zu besteuern, würde sie
nicht ihres Rechts beraubt, die im Rahmen ihrer Steuerhoheit in ihrem Hoheitsgebiet
durch die Veräußerung der ersetzten Wirtschaftsgüter erzielten Gewinne vor der
Reinvestition zu besteuern. Dieses Recht wird im Übrigen mittels der sofortigen
Besteuerung der fraglichen Gewinne bei einer solchen Reinvestition ausgeübt.
71
Im vorliegenden Fall spielt es dabei keine Rolle, ob es sich um nicht realisierte Gewinne
oder um realisierte Gewinne handelt. Entscheidend ist nämlich, dass in beiden Fällen
ähnliche, im rein innerstaatlichen Rahmen eines Mitgliedstaats stattfindende Vorgänge,
anders als ein grenzüberschreitender Vorgang, nicht zu einer sofortigen Besteuerung
dieser Gewinne geführt hätten.
72
Auch wenn eine Besteuerung der fraglichen Gewinne im Fall ihrer Reinvestition zum
Zweck des Erwerbs von Ersatzwirtschaftsgütern im Ausland aus Gründen gerechtfertigt
sein könnte, die mit der Notwendigkeit zusammenhängen, die Aufteilung der
Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, geht – wie sich aus
Rn. 67 des vorliegenden Urteils ergibt – eine nationale Regelung wie die hier in Rede
stehende, die stets eine sofortige Besteuerung der im Ausland reinvestierten Gewinne
vorsieht, jedenfalls deshalb, weil es Maßnahmen gibt, die die Niederlassungsfreiheit
weniger stark beeinträchtigen als eine sofortige Besteuerung, über das hinaus, was
erforderlich ist, um das mit der Notwendigkeit, die Aufteilung der
Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, verbundene Ziel zu
erreichen.
73
Insoweit genügt der Hinweis, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dem
Steuerpflichtigen die Wahl zu lassen ist, ob er den durch die Stundung der fraglichen
Steuer entstehenden Verwaltungsaufwand betreiben oder die Steuer sofort entrichten will.
Sieht der Steuerpflichtige diesen Verwaltungsaufwand nicht als übermäßig an und
möchte ihn betreiben, kann auch der die Steuerverwaltung treffende Aufwand nicht als
übermäßig eingestuft werden (vgl. in diesem Sinne Urteil National Grid Indus, C-371/10,
EU:C:2011:785, Rn. 77).
74
Die fragliche Beschränkung kann sodann nicht mit der Notwendigkeit, die Kohärenz des
nationalen Steuersystems zu gewährleisten, gerechtfertigt werden, die der Gerichtshof als
zwingenden Grund des Allgemeininteresses anerkannt hat. Ein auf diesen
Rechtfertigungsgrund gestütztes Argument kann nur dann Erfolg haben, wenn erwiesen
ist, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen
Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht (Urteile
Kommission/Portugal, C-345/05, EU:C:2006:685, Rn. 29, und Kommission/Schweden,
C-104/06, EU:C:2007:40, Rn. 26).
75
Im vorliegenden Fall besteht jedoch kein derartiger unmittelbarer Zusammenhang. Wie
die Kommission ausgeführt hat, ist das Gegenstück des fraglichen steuerlichen Vorteils
– die Stundung der Steuer auf die Gewinne, die durch die Veräußerung des ersetzten
Wirtschaftsguts erzielt wurden – ungeachtet der bei der Gewährung dieses steuerlichen
Vorteils angewandten Technik die spätere Besteuerung der aus der Veräußerung eben
dieses Wirtschaftsguts resultierenden Gewinne und nicht die Besteuerung anderer, durch
die Veräußerung des Ersatzwirtschaftsguts entstandener Gewinne.
76
Schließlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass das mit der fraglichen nationalen
Regelung angestrebte Ziel, Investitionen in das Unternehmen selbst und dessen
Umstrukturierung zu fördern, um seinen Fortbestand zu gewährleisten und die
Beschäftigung in Deutschland aufrechtzuerhalten – unterstellt, dass derartige
Erwägungen in bestimmten Fällen und unter bestimmten Voraussetzungen eine
akzeptable Rechtfertigung für eine nationale Regelung darstellen könnten, die eine
Steuervergünstigung für natürliche oder juristische Personen vorsieht (vgl. in diesem
Sinne Urteil Geurts und Vogten, C-464/05, EU:C:2007:631, Rn. 26) –, nur dann erreicht
werden kann, wenn auch das Ersatzwirtschaftsgut der Besteuerungsbefugnis der
deutschen Behörden unterliegt.
77
Das genannte Ziel kann erreicht werden, ohne dass eine Pflicht zur Reinvestition im
Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehen werden muss. Es kann nämlich
gleichermaßen erreicht werden, wenn sich der Steuerpflichtige dafür entscheidet, den aus
der Veräußerung des ersetzten Wirtschaftsguts resultierenden Gewinn zum Zweck des
Erwerbs eines Ersatzwirtschaftsguts zu reinvestieren, das zum Anlagevermögen seiner
nicht in Deutschland, sondern im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats belegenen
Betriebsstätte gehört. Unbeschadet der Einstufung einer im Ausland belegenen
Betriebsstätte in steuerrechtlichen Abkommen und der Behandlung des
Ersatzwirtschaftsguts in solchen Abkommen wäre das Ersatzwirtschaftsgut jedenfalls mit
der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen verbunden und würde damit zur
Förderung der Investition in das Unternehmen und zu dessen Umstrukturierung beitragen,
so dass es den Fortbestand dieser wirtschaftlichen Tätigkeit gewährleisten könnte (vgl. in
diesem Sinne Urteil Kommission/Portugal, C-345/05, EU:C:2006:685, Rn. 31 bis 33 und
35).
78
Der bloße Umstand, dass im Fall einer Reinvestition im Ausland die Befugnis zur
Besteuerung der durch das Ersatzwirtschaftsgut erzielten Einkünfte einem anderen
Mitgliedstaat zustehen könnte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Dazu genügt
der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung ein rein wirtschaftliches Ziel wie das
Bestreben, die nationalen Steuereinnahmen zu erhöhen, oder befürchtete
Mindereinnahmen nicht als zwingender Grund des Allgemeininteresses betrachtet
werden können, der die Beschränkung einer durch den Vertrag garantierten Grundfreiheit
zu rechtfertigen vermag (vgl. Urteile Verkooijen, C-35/98, EU:C:2000:294, Rn. 48 und
59, sowie DI. VI. Finanziaria di Diego della Valle & C., C-380/11, EU:C:2012:552,
Rn. 50).
79
Folglich ist die von der Kommission geltend gemachte Rüge eines Verstoßes gegen
Art. 49 AEUV begründet.
–
Zum Verstoß gegen Art. 31 des EWR-Abkommens
80
Die Bestimmungen über das Verbot von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit in
Art. 31 des EWR-Abkommens sind mit denen von Art. 49 AEUV identisch. Der
Gerichtshof hat deshalb klargestellt, dass in dem in Rede stehenden Bereich die
Bestimmungen des EWR-Abkommens und die des AEU-Vertrags einheitlich auszulegen
sind (Urteil Kommission/Dänemark, C-261/11, EU:C:2013:480, Rn. 42 und die dort
angeführte Rechtsprechung).
81
Die Unionsrechtsprechung zu Beschränkungen der Ausübung der Verkehrsfreiheiten
innerhalb der Union kann jedoch nicht in vollem Umfang auf die vom EWR-Abkommen
garantierten Freiheiten übertragen werden, da sich deren Ausübung in einen anderen
rechtlichen Rahmen einfügt (Urteil Kommission/Dänemark, C-261/11, EU:C:2013:480,
Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).
82
Im vorliegenden Fall hat die Bundesrepublik Deutschland keine Gründe angeführt, aus
denen die Erwägungen zu der nach Art. 49 AEUV verbotenen Beschränkung der
Niederlassungsfreiheit und zu ihrer fehlenden Rechtfertigung nicht sinngemäß auch für
Art. 31 des EWR-Abkommens gelten sollten. Unter diesen Umständen ist festzustellen,
dass die von der Kommission geltend gemachte Rüge eines Verstoßes gegen Art. 31 des
EWR-Abkommens ebenfalls begründet ist.
83
Nach alledem ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre
Verpflichtungen aus Art. 49 AEUV und aus Art. 31 des EWR-Abkommens verstoßen hat,
indem sie die in § 6b EStG vorgesehene Steuerregelung erlassen und beibehalten hat,
nach der die Stundung der Steuerschuld für Gewinne, die bei der entgeltlichen
Veräußerung eines zum Anlagevermögen einer in Deutschland belegenen Betriebsstätte
des Steuerpflichtigen gehörenden Anlageguts erzielt wurden, nur unter der
Voraussetzung gewährt wird, dass diese Gewinne in den Erwerb von
Ersatzwirtschaftsgütern reinvestiert werden, die zum Anlagevermögen einer in
Deutschland belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören.
Kosten
84
Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei
auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland
mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die
Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und
entschieden:
1.
Die Bundesrepublik Deutschland hat gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49
AEUV und aus Art. 31 des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 verstoßen, indem sie die in § 6b des
Einkommensteuergesetzes vorgesehene Steuerregelung erlassen und
beibehalten hat, nach der die Stundung der Steuerschuld für Gewinne, die bei
der entgeltlichen Veräußerung eines zum Anlagevermögen einer in
Deutschland belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehörenden
Anlageguts erzielt wurden, nur unter der Voraussetzung gewährt wird, dass
diese Gewinne in den Erwerb von Ersatzwirtschaftsgütern reinvestiert
werden, die zum Anlagevermögen einer in Deutschland belegenen
Betriebsstätte des Steuerpflichtigen gehören.
2.
Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Deutsch.
GZ. RV/5100708/2013
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard Renner in der
Beschwerdesache Verein XY gegen den Bescheid des Finanzamt Freistadt Rohrbach
Urfahr, vertreten durch AB, vom 14.1.2013, betreffend Körperschaftsteuer für 2007 zu
Recht erkannt:
1. Der Beschwerde wird stattgegeben.
Der angefochtene Bescheid wird folgendermaßen abgeändert:
Gesamtbetrag der Einkünfte
14.115,39 EUR
Verlustabzug
- 10.586,55 EUR
Einkommen
3.528,84 EUR
Körperschaftsteuer
882,21 EUR
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Verwaltungsgeschehen
Der beschwerdeführende Verein (im Folgenden: Bf) verfolgt nach seinen Statuten
ua die Förderung von Zwecken im Zusammenhang mit neuen Technologien, bei der
Unterstützung von Betrieben bei der Personalentwicklung und der Kommunikation
und Zusammenarbeit zwischen Betrieben, Organisationen und Institutionen. In der
tatsächlichen Geschäftsführung erfolgt im Rahmen einer sog „Implacementstiftung“ ua die
Qualifizierung von Fachkräften für Unternehmen sowie Unterstützung von Arbeitslosen bei
der Bildungsplanung.
Im Zuge einer den Zeitraum 2007 bis 2010 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung
kam der Prüfer zum Schluss, dass dem Bf die bislang beanspruchten und von der
belangten Behörde auch zuerkannten abgabenrechtlichen Begünstigungen gemäß den §§
34 ff BAO nicht zukämen.
Der Bf sei daher ab dem Kalenderjahr 2007 zur Körperschaftsteuer zu veranlagen. Für
Zeiträume vor 2007 sei eine Festsetzung bzw Veranlagung der Körperschaftsteuer gemäß
§ 207 BAO nicht möglich. Für das beschwerdegegenständliche Jahr 2007 ergab sich auf
Grund der Feststellungen des Prüfers ein körperschaftsteuerlicher Gewinn von 14.121,39
EUR.
Zu einem in der Schlussbesprechung gestellten Antrag des Bf auf Berücksichtigung von
vor dem Jahr 2007 iHv 14.873,12 EUR entstandenen Verlustvorträgen hielt der Prüfer
fest, dass die Höhe des vortragsfähigen Verlustes aus der Veranlagung des jeweiligen
Verlustjahres resultiere. Da für Jahre vor 2007 keine Körperschaftsteuererklärungen
eingereicht bzw keine Körperschaftsteuerbescheide erlassen worden seien, könnten ab
dem Jahr 2007 auch keine Verlustvorträge berücksichtigt werden. Eine bescheidmäßige
Festsetzung bzw Veranlagung der Körperschaftsteuer für Zeiträume vor dem Jahr 2007
sei gemäß § 207 BAO nicht mehr möglich.
Das Finanzamt folgte den Prüferfeststellungen und erließ am 14.1.2013 einen
Körperschaftsteuerbescheid, in dem sich ein Gewinn von 14.115,39 EUR bzw eine
Abgabenschuld an Körperschaftsteuer von 3.528,85 EUR ergab.
In der gegen den Körperschaftsteuerbescheid für 2007 gerichteten Berufung (Beschwerde
iSd § 243 BAO idF BGBl FVwGG 2012, BGBl I 2013/14) führte der Bf aus, er habe bereits
seit seiner Gründung am 28.11.1999 nach § 4 Abs 1 EStG 1988 bilanziert. Somit seien
von Anfang an alle Verluste und Gewinne auf Konten vorgetragen worden. Für alle
Jahre sei ein Jahresabschluss sowie die Umsatzsteuererklärung an die Finanzbehörde
übermittelt worden. Der Verein sei bis zur abgabenbehördlichen Prüfung als gemeinnützig
behandelt worden und habe somit keine Körperschaftsteuererklärung eingereicht. Im Zuge
der Außenprüfung sei festgestellt worden, dass doch Körperschaftsteuerpflicht bestehe.
Der Prüfungszeitraum sei auf den Zeitraum 2007 ausgedehnt worden. In diesem Jahr
sei ein Gewinn von 14.121,39 EUR erklärt und ein Verlustvortrag von14.873,12 EUR
ausgewiesen worden. Der Bf. sei ab 2007 als nicht mehr gemeinnützig betrachtet worden,
obwohl sich seine Tätigkeit nicht geändert habe.
Es werde im Jahr 2007 trotz eingetretener Verjährung die Berücksichtigung von
Verlustvorträgen iHv 14.873,12 EUR, auch wenn bereits Verjährung entgegnet werde.
Der Prüfer hielt zu den beschwerdegegenständlichen Ausführungen in seiner
Stellungnahme vom 1.3.2013 fest:
Den der Abgabenbehörde vorliegenden ältesten Jahresabschlüssen (ab 2004;
Jahresabschlüsse für 2000 bis 2003 lägen nicht vor; ob diese eingereicht worden
seien, lasse sich nicht mehr beurteilen) sei zu entnehmen, dass die Tätigkeit des
Bf nicht auf Gewinn gerichtet sei und dieser gemeinnützige und mildtätige Zwecke
Seite 2 von 6
fördere. In den Jahresabschlüssen sei ausgeführt worden, dass deshalb hinsichtlich der
Körperschaftsteuer eine Befreiung vorliege. Grundsätzlich liege es in der Verantwortung
des Rechtsträgers zu festzustellen, ob Tatsachen verwirklicht worden seien, die eine
Abgabepflicht auslösten. Ob es sich beim Bf unter Berücksichtigung der tatsächlichen
Geschäftsführung um einen wirtschaftlichen oder ideellen Verein gehandelt habe, könne
seitens der Abgabenbehörde nicht beurteilt werden; über Begünstigungen sei überdies
im jährlichen Besteuerungsverfahren zu entscheiden. Um Rechtsmittelverfahren seien
saldierte bilanzielle Verluste reklamiert worden, die Höhe des vortragsfähigen Verlustes
resultiere aber aus der Veranlagung des jeweiligen Verlustjahrs. Diese seien aber bereits
verjährt.
Aus den über Ersuchen des Bundesfinanzgerichts vorgelegten Jahresabschlüssen
ergeben sich folgende - jeweils gemäß § 4 Abs 1 EStG 1988 ermittelten Gewinne bzw
Verluste des Bf:
2001
- 5.275,53
2001
- 6.972,68
2002
-15.102,68
2003
+ 2.071,92
2004
+ 1.883,01
2005
+ 5.727,78
2006
+ 2.795,06
Gesamt
- 14.873,12
Das Erfordernis, diese Jahresabschlüsse auch der belangten Behörde zu übermitteln, hat
diese verneint.
Festgestellter Sachverhalt
Der Bf erzielte in den Jahren 2000 bis 2006 insgesamt einen gemäß § 4 Abs 1 EStG
1988 ermittelten Verlust von 19.016,96 EUR. Der Bf reichte für diese Jahre zwar
Jahresabschlüsse, aber keine Körperschaftsteuererklärungen bei der belangten
Behörde ein und wurde hiezu aber auch nicht aufgefordert. Diese Jahresabschlüsse
liegen bei der belangten Behörde nicht mehr auf. Die belangte Behörde erließ
keine Körperschaftsteuerbescheide; Grund hiefür war offenbar die seinerzeitige
übereinstimmende Rechtsansicht der Parteien, dass dem Bf abgabenrechtliche
Begünstigungen gemäß den §§ 34 ff BAO zukämen. Diese Ansicht wurde nach
einer Außenprüfung seitens der belangten Behörde ab dem Jahr 2007 nicht mehr
aufrechterhalten. Im Körperschaftsteuerbescheid für 2007 (Streitjahr) wurde ein
Gewinn von 14.121,39 EUR ausgewiesen, jedoch die in den Jahren 2000 bis 2006
Seite 3 von 6
angefallenen Verluste nicht im Wege eines Verlustvortrags berücksichtigt, wogegen sich
die Beschwerde richtet.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Feststellungen der abgabenbehördlichen
Prüfung sowie aus den dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Jahresabschlüssen für
2000 bis 2006. Was die Frage betrifft, ob der Bf ab 2000 laufend Jahresabschlüsse
eingereicht hat, so schließt sich das Bundesfinanzgericht dessen Ausführungen an, dass
es dazu gekommen sei. Einerseits hat die belangte Behörde dies nicht in Abrede gestellt,
andererseits befinden sich für spätere Jahre diese Unterlagen noch im Akt der belangten
Behörde, sidass kein Grund besteht, davon auszugehen, der Bf gabe fürher eine andere
vorgangsweise praktiziert. Überdies ist allgemein bekannt, dass die Finanzverwaltung
ältere Aktenteile skartiert und damit gleichsam mögliche Beweismittel de facto "vernichtet".
Rechtslage
Gemäß § 4 Abs 1 erster Satz EStG 1988 ist Gewinn der durch doppelte Buchführung
zu ermittelnde Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des
Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen
Wirtschaftsjahres.
Gemäß § 18 Abs 6 EStG 1988 sind als Sonderausgaben auch Verluste abzuziehen, die
in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies gilt nur, wenn
die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und soweit die
Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre
berücksichtigt wurden.
Gemäß § 2 Abs 2b Z 2 erster Satz EStG 1988 können vortragsfähige Verluste iSd § 18
Abs 6 und 7 nur im Ausmaß von 75% des Gesamtbetrages der Einkünfte abgezogen
werden (Vortragsgrenze). Insoweit die Verluste im laufenden Jahr nicht abgezogen
werden können, sind sie in den folgenden Jahren unter Beachtung der Vortragsgrenze
abzuziehen.
Gemäß § 8 Abs 4 Z 2 KStG 1988 in der im Beschwerdejahr geltenden Fassung ist der
Verlustabzug iSd § 18 Abs. 6 und 7 EStG 1988 bei Körperschaften als Sonderausgabe zu
berücksichtigen.
Da der Verlustabzug gemäß § 18 Abs 6 zweiter Satz EStG 1988 nur zulässig ist, wenn
die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind, ist er damit auf
betriebliche Einkünfte und außerdem auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 und § 5
EStG 1988 eingeschränkt.
Eine formell ordnungsmäßige Buchführung ist nicht Voraussetzung; der Verlustabzug ist
zulässig, „wenn der Verlust - allenfalls auch nach Korrektur der Buchhaltung durch den
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Steuerpflichtigen oder auf Grund einer Betriebsprüfung - seiner Höhe nach errechnet
werden kann und das Ergebnis auch überprüfbar ist“ (VfGH 3.3.1987, G 170/86). Die
Buchführung muss nur im Entstehungsjahr ordnungsmäßig sein (BFH 22.6.1962, VI 49/61
S, BStBl 1962 III 386; UFS 13.1.2006, RV/0052-I/02); die ordnungsmäßige Buchführung
ist nur notwendig, um den Verlustabzug der Höhe nach richtig ermitteln zu können.
Die Höhe des abzugsfähigen Verlustes ergibt sich grundsätzlich aus der Veranlagung des
Verlustjahres. Damit wird der Verlustabzug der Höhe nach mit Bindung für die Folgejahre
rechtskräftig festgestellt (VwGH 20.9.1977, 931/77 bzw VwGH 20.11.1996, 94/13/0011).
Erwägungen
Im vorliegenden Fall wurden jene Verluste, die zum vom Bf begehrten Verlustausgleich im
beschwerdegegenständlichen Jahr geführt haben, auf Grund von Gewinnermittlungen iSd
§ 4 Abs 1 EStG 1988 ermittelt, sodass insoweit das Erfordernis der Ordnungsmäßigkeit
jedenfalls vorliegt. Die belangte Behörde hat auch nicht eingewendet, dass die
Gewinnermittlungen derart grobe Mängel aufweisen würden, dass eine Errechnung der
Verluste der Höhe nach nicht möglich wäre. Sie bringt allerdings sinngemäß vor, dass
in den Verlustentstehungsjahren keine Veranlagungen, somit keine Feststellungen des
Verlustabzuges stattgefunden hätten und aus diesem Grund die Berücksichtigung der
Verlustvorträge nicht mehr möglich sei.
Dieser Ansicht kann sich das Bundesfinanzgericht in konkreten Fall nicht anschließen:
Der Bf hat seit seinem Bestehen jährlich Jahresabschlüsse eingereicht, die belangte
Behörde jedoch keine darauf basierenden Körperschaftsteuerbescheide erlassen, sondern
diese Unterlagen ungeprüft entgegengenommen und in weiterer Folge sogar vernichtet.
Sie hat sich dabei offenbar von der – wie sich herausgestellt hat, irrigen – und offenbar
auch vom Bf so vertretenen Ansicht leiten lassen, der Bf unterläge deshalb nicht der
unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht, weil ihm Begünstigungen gemäß den §§
34 ff BAO bzw § 5 Z 6 KStG 1988 zukämen, weswegen auch keine Veranlagung zur
Körperschaftsteuer erforderlich sei. Diese Ansicht ist schon alleine deshalb unzutreffend,
weil selbst dem Grunde nach "gemeinnützige" Körperschaften Betriebe führen können, die
isoliert gesehen, insoweit die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht auslösen.
Bei einer derartigen Fallkonstellation wäre es allerdings nach Ansicht des
Bundesfinanzgerichts nicht sachgerecht, einem Steuerpflichtigen, der durch das
Einreichen von Jahresabschlüssen insoweit seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen
nachgekommen ist, die Abgabenbehörde daraus jedoch keine Konsequenzen gezogen
hat und somit alleine ihr Verhalten für das Nichterlassen der ihrer Ansicht nach
erforderlichen Bescheide kausal war, den Verlustabzug nunmehr mit der Begründung
zu verwehren, das Erlassen von für die Zuerkennung des Verlustabzugs notwendigen
Bescheiden wäre aufgrund eingetretener Verjährung nicht mehr möglich bzw sei die
Überprüfung der Richtigkeit der Jahresabschlüsse mangles Aufliegens solcher in
den Verwaltungsakten nicht mehr möglich. Vielmehr sind in einem derartigen Fall die
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Ergebnisse der bei der Abgabenbehörde eingereichten Jahresabschlüsse insoweit von
Relevanz, als die Höhe der dort ausgewiesenen Verluste iSd der Rechtsprechung des
VfGH nachvollziehbar ist.
Da im gegenständlichen Fall keine Gründe ersichtlich sind, dass die eingereichten
Jahresabschlüsse gravierende Mängel aufgewiesen hätten, war der Beschwerde
stattzugeben und der Verlustabzug zu berücksichtigen. Der Verlustabzug kann somit
im Ausmaß von 75 % des Gesamtbetrages der im beschwerdegegenständlichen Jahr
erzielten Einkünfte von 14.115,39 EUR abgezogen werden und beträgt somit 10.586,55
EUR; das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen ermittelt sich daher mit 3.528,84 EUR;
die Körperschaftsteuer ist mit 882,21 EUR festzusetzen.
Zulässigkeit einer Revision
Die Frage, ob die Höhe der für den Verlustabzug maßgeblichen Verluste nicht nur
bescheidmäßig, sondern bei Unterbleiben einer Bewcheiderlassung auch unmittelbar
aus den vom Steuerpflichtigen erstellten Unterlagen (Jahresabschlüssen) ermittelbar ist
und somit insoweit das Erfordernis der "Ordnungsmäßigkeit" vorliegt, ist bislang von der
Rechtsprechung noch nicht entschieden und auch in der Literatur noch nicht behandelt
worden. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts liegt daher insoweit eine Rechtsfrage vor,
der grundsätzliche Bedeutung iSd Art 134 Abs 4 B-VG zukommt.
Die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis ist daher zulässig.
Linz, am 6. Februar 2015
Seite 6 von 6
GZ. RV/7101181/2015
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. über die Beschwerde der Bf., vertreten
durch Vertr., gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom 11.09.2014
betreffend Körperschaftsteuervorauszahlungen für 2014 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) als
unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf) ist eine Gesellschaft (GmbH.), die im April 2007 gegründet
wurde.
Die Körperschaftsteuervorauszahlung für 2014 und Folgejahre wurde mit Bescheid
vom 26.9.2013 vorerst mit 500 € festgesetzt.
In der Folge wurde mit Bescheid vom 11.9.2014 die Vorauszahlung gemäß § 26c Z 51
KStG 1988 unter Berücksichtigung des § 6 Abs. 1 GmbHG idF des Bundesgesetzes
BGBl. I Nr. 13/2014 in Höhe von 1.437,00 € neu festgesetzt. Begründend ist
angeführt, dass gemäß § 24 Abs. 4 Z 1 KStG 1988 bei unbeschränkt steuerpflichtigen
Kapitalgesellschaften (bzw. diesen vergleichbaren ausländischen Körperschaften) für
jedes volle Kalendervierteljahr des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht eine
Mindeststeuer in der Höhe von 5 % eines Viertels der gesetzlichen Mindesthöhe des
Grund- oder Stammkapitals zu entrichten ist.
In der Beschwerde vom 13.10.2014 wandte sich die Bf gegen die erhöhte Festsetzung
der Vorauszahlung mit Vorauszahlungsbescheid vom 11.9.2014, da der Bescheid zwar
dem Wortlaut des Gesetzes entspreche, aber die Bestimmung des § 26c Z 51 KStG
verfassungswidrig sei.
Die Bf wies insbesondere auf folgende Punkte hin:
1. Zweck und Wirkung von § 24 Abs. 4 Z 3 KStG:
Das KStG lege in § 24 Abs. 4 Z 3 fest, dass die Mindeststeuer für unbeschränkt
steuerpflichtige Gesellschaften mit beschränkter Haftung in den ersten fünf Jahren
ab Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht für jedes volle Kalendervierteljahr 125 €
und in den folgenden fünf Jahren für jedes volle Kalendervierteljahr 250 € beträgt. In
den Erläuterungen zur Regierungsvorlage für das Abgabenänderungsgesetz 2014
begründe der Gesetzgeber diese Norm mit der Schaffung "einer generellen steuerlichen
Gründungsprivilegierung für Gesellschaften mit beschränkter Haftung".
Die Wirkung dieser Bestimmung reiche weit über die Gründungsphase hinaus, schaffe
eine Begünstigung für die Dauer von insgesamt zehn Jahren und verringere die Belastung
neu gegründeter als auch junger Unternehmen.
2. Verfassungswidrigkeit von § 26c Z 51 KStG - Grundlagen:
Durch § 26c Z 51 KStG werde die Anwendbarkeit von § 24 Abs. 4 Z 3 KStG auf nach dem
30. Juni 2013 gegründete unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschaften mit beschränkter
Haftung eingeschränkt. Alle Gesellschaften, die vor diesem willkürlich gewählten Datum
gegründet wurden, müssen die volle Mindestkörperschaftsteuer von EUR 1.750,bezahlen, auch wenn sie ansonsten durch § 24 Abs. 4 Z 3 KStG begünstigt wären.
Die Norm des § 26c Z 51 KStG bewirke somit eine Diskriminierung von Gesellschaften
mit Gründungsdatum vor 1. Juli 2013 für die Dauer von bis zu zehn Jahren. Dies
widerspreche dem Gleichheitssatz des Art. 7 Abs. 1 erster Satz B-VG.
3. Verfassungswidrigkeit von § 26c Z 51 KStG - Vergleich der Gesamtbelastung:
Die Gesamtbelastung an Mindest-Körperschaftsteuer sei bei Gesellschaften mit
Gründungsdatum vor 1. Juli 2013 wesentlich höher als bei Gesellschaften, die nach dem
30. Juni 2013 gegründet wurden. Ein exemplarischer Vergleich der Belastung zweier
Gesellschaften ergebe folgendes:
Gründung
2013
2014
2015
2016
2017
30.06.2013
250
1.437
1.750
1.750
1.750
01.07.2013
250
500
500
500
500
Differenz
0
937
1.250
1.250
1.250
Gründung
2018
2019
2020
2021
2022
30.06.2013
1.750
1.750
1.750
1.750
1.750
01.07.2013
750
1.000
1.000
1.000
1.000
Differenz
1.000
750
750
750
750
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§26c Z 51 KStG führe zur ungleichen steuerlichen Behandlung gleicher Sachverhalte.
Körperschaften werden bis zu zehn Jahre lang bei gleicher Bemessungsgrundlage im
selben Jahr ungleich besteuert.
4. Verfassungswidrigkeit von § 26c Z 51 KStG - praktische Auswirkung:
Die Mindest-Körperschaftsteuer gelte gemäß § 24 Abs. 4 Z 4 KStG als Vorauszahlung, die
in folgenden Veranlagungszeiträumen anzurechnen ist. Die Höhe der Vorauszahlung sei
somit nur dann unerheblich, wenn die Körperschaft in der Zeit ihres Bestehens insgesamt
einen Gewinn erwirtschaftet, der zu einer höheren Körperschaftsteuerschuld führt als der
Summe der Mindest-Körperschaftsteuern.
Statistik Austria publiziere jährlich eine Statistik zur Körperschaftsteuer, die aktuellsten
Daten betreffen die Jahre 2007 bis 2009. Folgend werde der Anteil an Körperschaften
dargestellt, deren Gewinn zu einem niedrigeren Körperschaftsteuerbetrag als der MindestKörperschaftsteuer führen würde:
2007
2008
2009
Gewinn <= 0
44.621
47.969
49.565
Gewinn > 0 und <= 8.000
22.172
22.339
22.800
Summe mit Gewinn <=
66.793
70.308
72.365
113.173
117.331
120.192
%
%
%
59,02
59,92
60,21
8.000
Fälle gesamt
Anteil mit Gewinn <=8.000
Daraus ergebe sich: Bei der überwiegenden Mehrheit der Körperschaften reiche der
Gewinn nicht aus, um die Mindest-Körperschaftsteuer abzudecken. Die MindestKörperschaftsteuer wirke nicht als Vorauszahlung, sondern entfalte faktisch die Wirkung
einer Endbesteuerung.
Die ungleiche Steuerbelastung aufgrund § 26c Z 51 KStG habe bei der überwiegenden
Mehrheit der Körperschaften dauerhafte Wirkung.
5. Mindestkörperschaftsteuer der Bf:
Die bf. GmbH sei im April 2007 gegründet worden und unterliege seit dem 3. Quartal 2007
der Mindest-Körperschaftsteuer. Im ersten und zweiten Quartal 2014 befand sich die Bf im
siebten Bestandsjahr, im dritten und vierten Quartal 2014 im achten Bestandsjahr.
Gemäß § 24 Abs. 4 Z 3 KStG betrage die Mindest-Körperschaftsteuer für die Bf. daher
250 € pro Quartal bzw. 1.000 € für das gesamte Jahr 2014.
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Die Bf beantragte abschließend die Ausfertigung eines berichtigten Bescheides unter
Nichtanwendung der Bestimmungen des § 26c Z 51 KStG in der Fassung des AbgÄG
2014.
Beschwerdevorlage:
Da in der Beschwerde ausschließlich die Verfassungswidrigkeit des § 26c Z 51
KStG vorgebracht wird, wurde sie gemäß § 262 Abs. 3 BAO ohne Erlassung einer
Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinfnzgericht vorgelegt.
Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:
Sachverhalt:
Die im April 2007 als GmbH. gegründete Bf. ist im Inland unbeschränkt
körperschaftsteuerpflichtig. Die Stammeinlage der Bf. beträgt seit Gründung unverändert
35.000 € und ist vom einzigen Gesellschafter zur Hälfte (17.500 €) eingezahlt.
Im bekämpften Bescheid wurde die Jahresmindestkörperschaftsteuer für 2014 von 500 €
auf 1.437 € unterjährig erhöht, weil für die Bemessung des ersten Quartals 2014 noch
die Höhe des Mindeststammkapitals iHv. 10.000 € herangezogen, für die restlichen
drei Quartale jedoch auf Basis des ab 1.03.2014 anzuwendenden AbgÄG 2014 die
Bemessungsgrundlage von 35.000 € herangezogen wurde.
Die Bf bringt Verfassungswidrigkeit des § 26c Z 51 KStG1988 vor.
Die für die vorliegenden Beschwerden einschlägigen Gesetzesbestimmungen (idF
AbgÄG 2014, BGBl I 2014/13) lauten:
§ 24 Abs. 4 KStG 1988:
"Für unbeschränkt steuerpflichtige inländische Kapitalgesellschaften und diesen vergleichbaren unbeschränkt steuerpflichtigen ausländischen Körperschaften gilt Folgendes:
Z 1: Es ist für jedes volle Kalendervierteljahr des Bestehens der unbeschränkten
Steuerpflicht eine Mindeststeuer in Höhe von 5% eines Viertels der gesetzlichen
Mindesthöhe des Grund- oder Stammkapitals (§ 7 des Aktiengesetzes 1965, § 6 des
GmbH-Gesetzes und Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 über das Statut der
Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. Nr. L 294 vom 10.11.2001 S. 1) zu entrichten. …
Z 2: …
Z 3: Abweichend von Z 1 und 2 beträgt die Mindeststeuer für unbeschränkt steuerpflichtige
Gesellschaften mit beschränkter Haftung in den ersten fünf Jahren ab Eintritt in die
unbeschränkte Steuerpflicht für jedes volle Kalendervierteljahr 125 Euro und in den
folgenden fünf Jahren für jedes volle Kalendervierteljahr 250 Euro.
Z 4: Die Mindeststeuer ist in dem Umfang, in dem sie die tatsächliche
Körperschaftsteuerschuld übersteigt, wie eine Vorauszahlung im Sinne des
§ 45 des Einkommensteuergesetzes 1988 anzurechnen. Die Anrechnung ist mit
jenem Betrag begrenzt, mit dem die im Veranlagungsjahr oder in den folgenden
Seite 4 von 7
Veranlagungszeiträumen entstehende tatsächliche Körperschaftsteuerschuld den sich aus
den Z 1 bis 3 für diesen Veranlagungszeitraum ergebenden Betrag übersteigt ."
Die Vorgängerbestimmung des § 24 Abs. 4 Z 3 KStG 1988 idF GesRÄG 2013, BGBl I
2013/109, entfiel gänzlich.
§ 26c Z 51 KStG 1988:
"§ 24 Abs. 4 Z 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 13/2014 tritt mit 1. März
2014 in Kraft und ist auf nach dem 30. Juni 2013 gegründete unbeschränkt steuerpflichtige
Gesellschaften mit beschränkter Haftung anzuwenden. Die erstmalige Festsetzung
von Vorauszahlungen in Höhe der Mindeststeuer für vor dem 1. Juli 2013 gegründete
Gesellschaften mit beschränkter Haftung kann im Jahr 2014 je Kalendervierteljahr noch
in Höhe von jeweils 125 Euro erfolgen. Wurde für das Kalenderjahr 2014 bereits eine
Vorauszahlung in Höhe der Mindeststeuer festgesetzt, ist die Vorauszahlung unter
Berücksichtigung des § 6 Abs. 1 GmbHG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr.
13/2014 neu festzusetzen."
Anknüpfungspunkt für die Mindestkörperschaftsteuer ist die für die Gründung einer GmbH
erforderliche gesetzliche Mindesthöhe des Stammkapitals, die mit dem In-Kraft-Treten des
AbgÄG 2014 mit 1.03.2014 von 10.000 € auf 35.000 € erhöht wurde. Dementsprechend
erhöhte sich die quartalsweise zu entrichtende Mindestkörperschaftsteuer von 500 € auf
1.750 € jährlich. Der anzuwendende Prozentsatz von 5% des gesetzlichen Mindeststammkapitals blieb unverändert.
Artikel 7 Abs. 1 B-VG und Art. 2 StGG bestimmen die Gleichheit aller Staatsbürger vor
dem Gesetz.
Das Bundesfinanzgericht hat in einem Fall, dem ein im Wesentlichen gleichlautender
Sachverhalt samt wortgleicher Beschwerdeschrift zugrunde liegt, folgende Erwägungen
angestellt (BFG 4.12.2014, RV/7105068/2014):
„Die Neufassung des Abs. 3 von § 24 Abs. 4 iVm § 26c Z 51 KStG 1988 stellt sich
als ‚Reparatur‘ eines Steuerausfalls aufgrund der Schaffung von neuen GmbHs ‚light‘
laut GesRÄG 2013, mit dem damaligen reduzierten Stammkapital von 10.000 Euro
(anstatt davor wie für die Bf. 35.000 Euro) ab dem 1. Juli 2013 dar (vgl. die Darstellung bei
Kanduth-Kristen/Gregori, taxlex 2014, 112).
Die Bf. fiel in keinem Zeitpunkt unter die Bestimmungen dieser GmbHs ‚light‘, es wurde
auch keine Kapitalherabsetzung durchgeführt.
Im vorliegenden Fall liegt somit keine Ungleichbehandlung vor:
Die Bf. verlangt die Anwendung einer Bestimmung, die vom Gesetzgeber zur Rücknahme
von Begünstigung für andere – nicht in die Kategorie der Bf. fallende - GmbHs erlassen
wurde.
Wie im vorliegenden Fall steht es dem Gesetzgeber frei, sachlich ungleiche Fälle auch
ungleich zu behandeln.
Seite 5 von 7
Die Bf. wendet sich auch nicht gegen die Neueinführung der GmbHs ‚light‘ durch das
GesRÄG 2013, die schon damals eine Begünstigung für ab dem 1. Juli 2013 gegründete
GmbHs ‚light‘ vorsah, und machte damals selbst – wie bereits festgestellt - auch nicht von
einer Kapitalherabsetzung ( § 54 Abs. 3 GmbHG idF GesRÄG 2013, diese Bestimmung
wurde als Ausgleich für damals bereits bestehende GmbHs wie die Bf. mit dem höheren
Stammkapital von 35.000 Euro eingeführt) Gebrauch.
H. Herda, „GmbH ‚light‘ – Die Reform der Reform", wbl 2014, 361, legt auf Seite 368 dar,
dass die Situation für vor dem 30. Juni 2013 gegründete GmbHs ‚verfassungsrechtlich
besonders problematisch‘ sei, wenn sie von der Möglichkeit der Kapitalherabsetzung
auf 10.000 Euro nach dem GesRÄG 2013, Gebrauch gemacht haben und damit die
Mindestkörperschaftsteuer praktisch sofort wieder auf 1.750 Euro jährlich steigt. Diese
Bedenken treffen jedoch gerade auf den Fall der Bf., die von dieser Kapitalherabsetzung
keinen Gebrauch macht und bei der überdies die Mindestkörperschaftsteuer gleich blieb,
nicht zu.
Für den Standpunkt der Bf. ist auch nichts aus dem Beschluss OGH 9.10.2014, 6 Ob
111/14p , Antrag an den VfGH auf Aufhebung bestimmter Bestimmungen des GmbHG
jeweils idF AbgÄG 2014, zu gewinnen, da der OGH für eine gesetzliche Beibehaltung des
niedrigeren Stammkapitals von 10.000 Euro plädiert, gerade das jedoch für die Bf. mit
einem unveränderten Stammkapital von 35.000 Euro keine Auswirkung haben kann.
Überdies gilt die abgabenrechtliche Neuregelung für die Mindestkörperschaftsteuer in den
ersten zehn Jahren für alle nach dem 30. Juni 2013 gegründete GmbHs, nicht nur für die
damaligen GmbHs ‚light‘.“
Sowohl in der zitierten Entscheidung (BFG 4.12.2014, RV/7105068/2014) als auch im
vorliegenden Fall werden aus oben angeführten Gründen die verfassungsrechtlichen
Bedenken der Bf. nicht geteilt.
Es ist darauf zu verweisen, dass erst durch GesRÄG 2013, BGBl I 2013/10, mit Wirkung
zum 1.7.2013 das gesetzliche Mindestkapital der GmbH auf € 10.000,– reduziert
und damit einhergehend die Mindestkörperschaftsteuer gesenkt wurde, was bereits
acht Monate später wieder rückgängig gemacht wurde. Die Belastung der Bf. an
Mindestkörperschaftsteuer nach dem AbgÄG 2014 entspricht jener vor dem GesRÄG
2013 und wurde eine Verfassungswidrigkeit der Rechtslage vor dieser Gesetzesänderung
von der Bf. nicht geltend gemacht.
Die Bescheidbeschwerde gegen den auf Grund der geltenden Gesetzeslage erlassenen
Bescheid betreffend Körperschaftsteuervorauszahlungen für das Jahr 2014 wird daher als
unbegründet abgewiesen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen dieses Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 3
B-VG i. V. m. § 25a Abs. 1 VwGG die Revision zulässig, da zu der Neuregelung
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der Mindestkörperschaftsteuer im AbgÄG 2014 eine Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes fehlt.
Wien, am 31. März 2015
Seite 7 von 7
GZ. RV/7100148/2014
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf.2
Beteiligungs GmbH, Adresse, vertreten durch Stb gegen den Bescheid des FA Wien 1/23
vom 07.11.2012, betreffend Feststellungsbescheide Gruppenmitglied 2007 bis 2009 vom
7.11.2012 bzw. 22.7.2011 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht
erkannt:
Der Beschwerde betreffend 2007 wird teilweise stattgegeben. Der bekämpfte Bescheid
wird abgeändert und das Einkommen des beschwerdeführenden Gruppenmitglieds für
2007 mit - 3.813.859,92 € festgestellt, das Mehrbegehren auf Feststellung von weiteren
-100.000 € wird abgewiesen.
Der Beschwerde wird hinsichtlich 2008 und 2009 stattgegeben, die bekämpften Bescheide
werden abgeändert. Das Einkommen des beschwerdeführenden Gruppenmitglieds wird
für 2008 mit - 3.817.396,84 € und für 2009 mit - 3.812.555,74 € festgestellt.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Feststellungsbescheiden Gruppenmitglied (FGM) 2008 und 2009 vom 22.7.2011
stellte das Finanzamt (FA) das Einkommen des Gruppenmitgliedes Bf.2 Beteiligungs
GesmbH (GM bzw. Bf.2) ohne Berücksichtigung der in der Steuererklärung
geltend gemachten Siebentelabschreibungen aus dem Jahr 2004 in Höhe von
je 3.809.186,86 € fest. Eine Begründung für die Abweichung von der Steuererklärung
ist aus dem Bescheid nicht ersichtlich. Mit Berufung vom 11.8.2011 beantragte die
Bf.2 die Berücksichtigung von Siebentelbeträgen nach § 12 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 (6.
bzw. 7.Siebentel) sowie die Feststellung des Einkommens der Bf.2 für das Jahr 2008 mit
- 3.817.396,84 € und für das Jahr 2009 mit - 3.812.555,74 €.
In der Folge unterzog das FA im Wege der Großbetriebsprüfung (GBP) die Bf.1
(Bf.1 bzw. GT) als Gruppenträger sowie das diesem Gruppenträger zugeordnete
Gruppenmitglied Bf.2 Beteiligungs GmbH einer Betriebsprüfung (Bp) betreffend
ua. den Veranlagungszeitraum 2007. Mit Bescheiden vom 1.3.2013 hinsichtlich
Körperschaftsteuer Gruppe 2007 und Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2007 vom
7.11.2012 setzte das FA die Köperschaftsteuer der GT bzw. stellte das Jahresergebnis der
Bf.2 als Gruppenmitglied für 2007 neu fest.
In Tz 11 des Bp-Berichts zu Bf. 1 führte das Finanzamt begründend aus:
a) Sachverhalt:
Mit Gesellschafterbeschluss vom 26.2.2007 hat sich die Fa Bf.1 an der Bf.2 Beteiligungs
GmbH über eine Kapitalerhöhung (an der die Altgesellschafter nicht teilnahmen) zu
50,7% beteiligt. Mit 26.3.2007 wurde von der Fa. Bf.1 der Antrag beim zuständigen FA auf
Feststellung einer Gruppe gem. § 9 (8) KStG 1988 gestellt und auch positiv erledigt (ab
der Veranlagung 2007, Bilanzstichtag 31.3.2007). Mit Schreiben vom 6.3.2007 (eingelangt
am 9.3.2007) wurde von der Bf.2 Beteiligungs GmbH beantragt, den Bilanzstichtag vom
28.2. auf den 31.3. zu verlegen. Dies wurde vom zuständigen Finanzamt mit Bescheid
vom 12.3.2007 genehmigt.
Lt. den vorliegenden Bilanzen verfügte die Bf.2 Beteiligungs GmbH zum Zeitpunkt der
Beteiligung der Bf.1 über kein Vermögen jedoch über beträchtliche Verlustvorträge (rd. €
12 Millionen zum Stichtag 28.2.2006) und offene 1/7 Abschreibungen gem. § 12 Abs. 3
KStG 1988 aus der TWA an der Bf.2 Holding AG lt. nachfolgender Aufstellung.
Die Teilwertabschreibung der Bf.2 Holding AG im Jahre 2004 wurde notwendig, da mit
Beschluss vom 25.10.2004 die Liquidation dieser Gesellschaft beschlossen wurde. Die
endgültige Abwicklung der Liquidation erfolgte It. G&V im Wirtschaftsjahr 2006.
Im Jahr 2007 wurden für die beiden Wirtschaftsjahre gesondert Bilanzen erstellt. Diese
wurden bisher bei der Feststellung des Gruppenmitgliedes It. nachfolgender Aufstellung
erfasst:
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b) Rechtliche Würdigung:
1) Ergebniszurechnung zum Stichtag 28.2.2007 (4.Siebtel)
Wie bereits im Sachverhalt dargestellt, erfolgte beim Gruppenträger Bf.1 zum Stichtag
31.3.2007 die Zurechnung beider Wirtschaftsjahre der Bf.2 Beteiligungs GmbH (1.
Wirtschaftsjahr 1.3.2006 bis 28.2.2007 und 2. Wirtschaftsjahr 1.3.2007 bis 31.3.2007)
und somit letztlich die Verwertung des 4. und 5. Siebtel. Eine Ergebniszurechnung des
1. Wirtschaftsjahres der Bf.2 Beteiligungs GmbH ist nicht zulässig, da der Antrag auf
Gruppenbildung zum 26.3.2007 und somit nach dem Bilanzstichtag 28.2.2007 erfolgte
(§ 9 Abs. 8 KStG). Auch wenn der Antrag rechtzeitig und somit vor dem 28.2.2007
nachweislich beim Finanzamt eingelangt wäre, kann das Ergebnis des 1. Wirtschaftsjahres
nicht zugerechnet werden, da am Beginn dieses Wirtschaftsjahres der Gruppenträger nicht
über die finanzielle Verbindung verfügte (§ 9 Abs. 5 KStG).
2) Vorgruppenverlust
Die Verluste der Beteiligungskörperschaft resultieren It. Sachverhalt aus offenen 1/7
Abschreibungen aus dem Jahr 2004. Es handelt sich daher bei diesen offenen 1/7
Abschreibungen um Verluste, die aus der Vorgruppenzeit (somit "Vorgruppenverluste")
resultieren. Beim § 12 Abs. 3 KStG handelt es sich lediglich um eine Verteilungsregelung
(Siebtelregelung), die nichts an der Klassifizierung dieser abgesetzten Beträge als
Vorgruppenverluste ändert. Der Vorgruppenverlust des 2. Wirtschaftsjahres 2007 ist
daher nicht dem Gruppenträger zuzurechnen, sondern als Vorgruppenverlust des
Gruppenmitgliedes mit eigenen Gewinnen des Gruppenmitgliedes zu verrechnen (§ 9 Abs.
6 KStG).
Das 4.Siebtel ist mangels Vorhandensein der Gruppe, das 5.Siebtel aus dem Titel
"Vorgruppenverlust" jeweils bei Fa. Bf.2 Beteiligungs GmbH zu erfassen.
c) Betragsmäßige Auswirkung:
Somit wird das bisher als Verlust geltend gemachte Einkommen des Gruppenmitgliedes
Bf.2 Beteiligungs GmbH (St. Nr.: FA-StNr. ) iHv € -7.627.805,59 dem Gruppenträger
Bf.1 im Jahr 2007 in Höhe von 4.673,06 zugerechnet, (siehe Feststellungen unter Tz 1 im
Bericht zu St.Nr. StNr. -Bf. 2).
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Die aufgrund der Nichtberücksichtigung der Siebentelabschreibung beim GM Bf.2 auf
den GT Bf. 1 entfallende Körperschaftsteuer 2007 wurde im Bericht mit 953.486,42 €
ausgewiesen.
Mit fristgerecht eingebrachten Berufungen (nunmehr Beschwerden) vom 11.8.2011
und 29.8.2013 wendete sich das GM gegen diese Bescheide, beantragten die
Berücksichtigung einer Siebentelabschreibung iHv 3.813.945,67 im Einkommen des
GM für 2007 bis 2009 und führte begründend folgendermaßen aus:
Die bei Ermittlung des Einkommens abgesetzten Siebentelbeträge wurden mit der
Begründung, dass sie aus einer Teilwertabschreibung einer Beteiligung aus der Zeit vor
Aufnahme in die Unternehmensgruppe resultieren, den Vorgruppenverlusten zugeordnet.
Eine Teilwertabschreibung führe im Jahr der Teilwertminderung zu einem Verlust in
Höhe der gesamten Teilwertabschreibung. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es
weder eine materiellrechtliche noch verfahrensrechtliche Grundlage gibt, dass ein
Gruppenmitglied nach Eintritt in die Gruppe einen auf Ebene des Gruppenmitglieds
aus der Geltendmachung von schwebenden Siebenteln bestehenden Verlust in den
Vorgruppenverlust "übernehmen" kann. Der hinsichtlich des Gruppenmitglieds zu
erlassende Feststellungsbescheid kann nur hinsichtlich der Einkünfte des betreffenden
Jahres absprechen. Eine (ergänzende) Abänderung des letzten Veranlagungsbescheides
vor Gruppenzugehörigkeit würde im Ergebnis dazu führen, dass in diesem Jahr mehr als
ein Siebentel der Teilwertabschreibung bzw. des Veräußerungsverlustes geltend gemacht
wird , was der eindeutigen Verteilungsregel des § 12 Abs 3 KStG widerspricht.
Im Rahmen der Gruppenbesteuerung ergibt sich aus der Verwendung des Begriffs
"Einkommen" im Wortlaut des§ 9 Abs 6 KStG, dass unbeschränkt steuerpflichtige
Gruppenmitglieder zunächst unabhängig von der Unternehmensgruppe ihr "Einkommen"
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im Sinne des § 7 Abs 2 KStG zu ermitteln haben, welches auch mit Bescheid
festzustellen ist. Die steuerliche Gewinnermittlung eines Gruppenmitglieds weicht daher
grundsätzlich nicht von der steuerlichen Gewinnermittlung einer Körperschaft ab, die nicht
Gruppenmitglied ist und umfasst folglich auch die Geltendmachung noch offener Siebentel
als Betriebsausgabe.
Im Ergebnis wird daher nach der bekämpften Rechtsansicht eine Zuordnung der
noch nicht abgereiften Siebtelbeträge zu den Verlustvorträgen vorgenommen und
diesen in den steuerlichen Folgewirkungen gleichgestellt. Dagegen spricht aber,
dass es sich bei Verlustvorträgen gem § 8 Abs 4 Z 2 KStG und § 18 Abs 6 EStG
um Jahresverluste handelt, die in Vorjahren bereits in der Ermittlung der Einkünfte
berücksichtigt wurden. Nicht abgereifte Siebentel konnten aufgrund ihres Charakters
als aufgeschobene Betriebsausgaben bisher noch zu keinem Zeitpunkt in der
Gewinnermittlung der betroffenen Körperschaft ihren Niederschlag finden. Während im
Fall von Sonderausgabenverlustvorträgen der Steuerpflichtige zumindest einmal die
Möglichkeit hatte, die Verluste im Zuge der laufenden Gewinnermittlung mit positiven
Einkünften zu verrechnen, bestand gerade diese Möglichkeit bei noch offenen Siebentel
nicht, da sie aufgrund der zwingenden Verteilung über sieben Jahre noch nicht Eingang
in die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetieb finden konnten. Erst wenn die
Berücksichtigung einer Siebentelabschreibung in einem Jahr zu einem abzugsfähigen
Verlust führt, liegt ein "Sonderausgaben-Verlust" iSd § 18 Abs 6 EStG vor.
Auch der Steuergesetzgeber hat in der Vergangenheit ganz bewusst zwischen
Sonderausgaben-Verlustvorträgen und Siebtelbeträgen unterschieden. Im Zuge
der Verlustsistierung gem § 117 Abs 7 EStG in den Jahren 1996/97 konnten die
Siebtelbeträge gem § 12 Abs. 3 KStG weiterhin im Rahmen der Gewinnermittlung
berücksichtigt werden, während die Geltendmachung von Verlustvorträgen ausgesetzt
war. Außerdem unterliegen Verluste iSd § 18 Abs 6 EStG gem § 2 Abs 2b Z 2
grundsätzlich einer Verrechnungsgrenze in Höhe von 75% welche für noch schwebende
Siebtel keine Gültigkeit hat.
Hinsichtlich der vortragsfähigen Verluste, die aus Zeiträumen vor dem Wirksamwerden der
Unternehmensgruppe stammen (Vorgruppenverluste) verweist § 9 Abs 6 Z 4 KStG auf §
18 Abs. 6 EStG iVm § 8 Abs 4 Z 2 KStG . Die Gleichstellung der Siebtelbeträge iSd § 12
Abs 3 Z 2 KStG noch nicht verwerteten Verlustvorträgen iSd § 18 Abs 6 EStG ist daher
vom Wortlaut des § 9 Abs. 6 Z 4 KStG nicht gedeckt.
Eine Zuordnung zu den "vortragsfähigen Verlusten" könnte daher nur im Wege eines
Analogieschlusses erfolgen. Die Anwendung eines solchen Analogieschlusses setzt nach
ständiger Rechtsprechung des VwGH eine planwidrige, durch Analogie zu schließende
Lücke voraus, die dort anzunehmen sei , wo das Gesetz, "gemessen an seiner eigenen
Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und wo
seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht" ...
"Die bloße Meinung, eine Regelung sei wünschenswert, reicht hingegen nicht zur
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Annahme einer Gesezteslücke. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Lücke
beabsichtigt ist" (vgl Apfelthaler SWK11 /2011, S 518).
Ein Analogieschluss ist aber nur unter Einschränkungen zulässig und kann nur dann als
angebracht ansehen werden, wenn die für einen gesetzlichen Fall getroffene Wertung
auf einen gleichgelagerten, gesetzlich nicht geregelten Fall umgelegt wird, oder aber um
zu verhindern, dass gleichgelagerte bzw unterschiedlich gelagerte Fälle gleich behandelt
werden (Apfelthaler, aao; mit weiteren Nachweisen).
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der VwGH in seinem Erkenntnis 2008/15/0212
vom 14.10.2010 mit seiner Aussage in erster Linie festhält, dass offene Siebentel aus
Teilwertabschreibungen und Veräußerungsverlusten nach Maßgabe der Voraussetzung
des § 5 UmgrStG auf die übernehmende Körperschaft übergehen, obwohl die betreffende
Beteiligung am Spaltungsstichtag nicht mehr vorhanden ist. Es geht aus diesem Urteil
allerdings nicht hervor, dass offene Siebentel generell dem Verlustvortragsbereich
zuzurechnen sind. Vielmehr wendet der VwGH die Verlustvortragsbeschränkung auch
auf schwebende Siebentel an, da man nach seiner Ansicht nur so der dem UmgrStG
immanenten Wertungsentscheidung (objektbezogene Übertragung von Verlustvorträgen)
gerecht werden kann. Eine "Ausdehnung" der Judikatur des VwGH zu § 35 UmgrStG
auf § 9 Abs 6 Z 4 KStG führt aufgrund der völlig unterschiedlichen Zielsetzungen der
Bestimmungen zu völlig unsachlichen Ergebnissen.
Wir stellen daher den Antrag, den Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2007 ersatzlos
aufzuheben, und das Einkommen des Gruppenmitgliedes im Jahr 2007 mit minus
3,913.859,92 € festzusetzen sowie den Körperschaftsteuerbescheid 2007 entsprechend
anzupassen.
Für 2008 beantragte die Bf. das Einkommen mit - 3.817.396,84 € festzustellen für 2009 mit
- 3.812.555,74 €.
In der in den Verwaltungsakten abgelegten, nicht unterschriebenen und undatierten
Stellungnahme zur Beschwerde führte die GBP aus, dass offene Siebentelbeträge dem
Grunde nach Vorgruppenverluste darstellen würden und aufgrund der
V ert
e il ungsanordnung des § 12 Abs. 3 Z 2 KStG bei der jährlichen Gewinnermittlung
zu
be rücksichtigen seien. Diese offenen Siebtelbeträge
iSd
§ 12 Abs. 3
seien daher mit Eintritt
e in er Körperschaft in eine Unternehmensgruppe
als Vorgruppenverluste zu behandeln und demgemäß könne jährlich ein Siebentel nur
mit eigenen Gewinnen des Gruppenmitglieds verrechnet werden. Eine Zurechnung von
negativen Ergebnissen beim GT soweit sie aus dem Abzug von Vorgruppen-Siebenteln
eines GM resultierten könne nicht vorgenommen werden. Diese durch den Abzug von
offenen Vorgruppen-Siebtelbeträgen nach § 9 Abs. 6 Z 1 KStG entstandenen, negativen
Beträge seien weiterhin als Vorgruppenverluste gem. § 9 Abs. 6 Z 4 KStG nur mit eigenen
Gewinnen des Gruppenmitgliedes zu verrechnen.
Die "Einkommensermittlung" eines Gruppenmitglieds unterscheide sich von der
Einkommensermittlung einer Körperschaft, die nicht Gruppenmitglied ist, da bei
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der Ermittlung des zuzurechnenden steuerlichen Ergebnisses als Ergebnis eines
unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitglieds das Einkommen unter Berücksichtigung
der Z 4 des § 6 Abs. 6 KStG (Regelung betreffend den Abzug von Vor- und
Außergruppenverlusten) gelte.
Eine Teilwertabschreibung einer Beteiligung führe zu einem Verlust im Ausmaß des
gesamten Teilwertabschreibungsbetrages im Jahr der Teilwertabschreibung. Die
Verteilung der steuerlichen Wirksamkeit der Teilwertabschreibung einer Beteiligung
auf sieben Jahre bewirke nicht, dass sich der Buchwert der Beteiligung im Jahr
der Teilwertabschreibung und in den folgenden sechs Jahren um jeweils ein
Siebentel vermindere. Der Buchwert der Beteiligung sinke sofort um den gesamten
Teilwertabschreibungsbetrag. Bei dieser Verteilungsregel des § 12 Abs. 3 Z 2 KStG handle
es sich um keine Einkommensverteilung, sondern um eine Verlustverteilungsvorschrift, da
der Verlust aus der Teilwertabschreibung im Jahr der Teilwertabschreibung eingetreten sei.
Siebtelbeträge iSd § 12 Abs. 3 Z 2 KStG seien keine Schwebeverluste und die
Bestimmung des § 12 Abs. 3 Z 2 KStG stelle eine reine Verteilungsvorschrift dar, die
anders als die Vorschrift des § 2 Abs. 2a EStG 1988 keine Bindung der Verrechnung
an bestimmte positive Einkünfte festlege. Damit ändere die Verteilungsnorm des
§ 12 Abs. 3 Z 2 KStG nichts am Verlustcharakter von Teilwertabschreibungen und
Veräußerungsverlusten von Beteiligungen. Somit seien Siebtelbeträge zum Zeitpunkt
des Gruppeneintritts eines Gruppenmitglieds wie noch nicht verwertete Verluste als
Vorgruppenverluste zu behandeln.
Von der Betriebsprüfung werde bei der Qualifikation offener Siebtelbeträge iSd § 12 Abs.
3 Z 2 KStG als Vorgruppenverluste gem. § 9 Abs. 6 Z 4 KStG keine Analogie, sondern
eine sachlogische Auslegung des Begriffes "vortragefähiger Verlust" vorgenommen, da
eine Teilwertabschreibung und ein Veräußerungsverlust einer Beteiligung sofort zu einem
Aufwand führten, der auf Grund der Anordnung des § 12 Abs. 3 Z 2 KStG zu verteilen sei.
Der VwGH lege in seiner Entscheidung vom 14.10.20101, 2008/15/0212 den Begriff
Verluste iSd §§ 35 und 4 UmgrStG dahingehend aus, dass er eine Teilwertabschreibung
und einen Verlust aus der Veräußerung einer Beteiligung unter den Begriff Verlust iSd
§ 4 UmgrStG subsumiere. Die prägende Aussage des VwGH in diesem Zusammenhang
laute: "Teilwertabschreibungen und ein Verlust aus der Veräußerung einer Beteiligung
führen insbesondere bei Ausblendung der Streckung auf sieben Jahre (nach
§ 12 Abs. 3 Z 2 KStG 1988) vielfach zu einem Jahresverlust, der dann auf Grund der
Anordnung des § 35 UmgrStG auf die übernehmende Körperschaft übergeht. Aus dieser
Wertungsentscheidung des Gesetzgebers ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes
abzuleiten, dass offene Siebentel aus Teilwertabschreibung und Veräußerungsverlust
einer am Spaltungsstichtag nicht mehr vorhandenen Beteiligung ebenfalls auf die
übernehmende Gesellschaft übergehen, und zwar nach Maßgabe jener Voraussetzungen,
unter denen nach § 35 UmgrStG Verlustvorträge auf die aufnehmende Gesellschaft
übergehen."
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Kein anderes Ergebnis sei bei der Auslegung der Bestimmung des § 9 Abs. 6 Z 4 KStG für
die Frage der steuerlichen Qualifikation von noch nicht abgereiften Siebtelbeträgen einer
Körperschaft bei Eintritt in eine Unternehmensgruppe denkbar. Gemäß § 9 Abs. 6 Z 4
KStG 1988 könnten vortragsfähige Verluste (§ 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988) des unbeschränkt
steuerpflichtigen Gruppenmitglieds aus Zeiträumen vor dem Wirksamwerden der
Unternehmensgruppe (Vorgruppenverluste) oder aus einer umgründungsbedingten
Übernahme durch ein Gruppenmitglied (Außergruppenverluste) bis zur Höhe des eigenen
Gewinnes des jeweiligen Gruppenmitglieds verrechnet werden.
Der Auffassung der Berufungswerberin, offene Verlustsiebentel des unbeschränkt
steuerpflichtigen Gruppenmitglieds aus Zeiträumen vor dem Wirksamwerden der
Unternehmensgruppe seien nicht als Vorgruppenverluste iSd § 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988
zu qualifizieren, sei entgegenzuhalten, dass der VwGH in seiner Entscheidung den Begriff
Verlust iSd §§ 4 21 und 35 UmgrStG dergestalt ausgelegt habe, dass nicht zwischen
offenen Siebentel aus einer Teilwertabschreibung und Sonderausgabenverlusten zu
unterschieden sei.
Bei der Auslegung des Verlustbegriffes (im Sinne der VwGH-Rechtsprechung) sei
zu beachten, dass durch den in den umgründungssteuerrechtlichen Bestimmungen
angesprochenen Begriff "Verlust" sämtliche im Rahmen einer Umgründung auf einen
Rechtsnachfolger übergehenden bzw. zu übernehmende Verluste, somit auch jene
Verluste die von natürlichen Personen im Zuge einer Umgründung auf eine Körperschaft
übertragbar sind, angesprochen seien.
Im Rahmen der für die Gruppenbesteuerung maßgebenden Bestimmung des § 9 Abs. 6 Z
4 KStG 1988 für die Vorgruppenverlustzuordnung seien durch den Hinweis auf § 8 Abs. 4
Z 2 KStG 1988 sämtliche Verluste einer Körperschaft angesprochen, die vor Aufnahme in
eine Gruppe bei einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft entstanden sind.
Die vom Gesetzgeber verwendeten Begriffe Verluste iSd §§ 4, 21 und 35 UmgrStG und
Verluste iSd Bestimmung des § 9 Abs. 6 Z 4 KStG seien daher deckungsgleich. Bei der
Auslegung des § 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988 seien auch Sinn und Zweck der Bestimmung zu
berücksichtigen. Sinn der Bestimmung sei es, jene Verluste aus Zeiträumen vor Aufnahme
einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft in die Gruppe, nur bis zur Höhe des
eigenen Gewinnes des jeweiligen Gruppenmitgliedes zur Verrechnung zuzulassen.
Die reine Unterscheidung, ob die genannten Verluste, die der Verteilungsregelung
des § 12 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 unterliegen, zum Zeitpunkt des Gruppeneintritts einer
unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft bereits "abgereift" und mangels Verwertung
mit Gewinnen in den Verlustvortrag eingegangen seien und jener Siebentel, die zum
Zeitpunkt des Gruppeneintritts der unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft noch nicht
hätten geltend gemacht werden können, entspreche nicht dem Zweck der Bestimmung
des § 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988.
Siebtelbeträge iSd § 12 Abs. 3 Z 2 KStG seien keine Schwebeverluste. Die Bestimmung
des iSd § 12 Abs. 3 Z 2 KStG stelle eine reine Verteilungsvorschrift dar, die anders als
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die Vorschrift des § 2 Abs. 2a EStG 1988 keine Bindung der Verrechnung an bestimmte
positive Einkünfte festlege. Damit ändere die Verteilungsnorm des § 12 Abs. 3 Z 2 KStG
nichts am Verlustcharakter von Teilwertabschreibungen und Veräußerungsverlusten von
Beteiligungen.
Somit seien Siebtelbeträge zum Zeitpunkt des Gruppeneintritts eines Gruppenmitglieds
wie noch nicht verwertete Verluste als Vorgruppenverluste zu behandeln. Da es sich
bei der Bestimmung des § 12 Abs. 3 Z 2 KStG um eine reine Verteilungsvorschrift eines
bereits entstandenen und auch steuerlich anzuerkennenden Verlustes auf Grund einer
Teilwertabschreibung an einer Beteiligung handle, sinke der steuerliche Buchwert der
Beteiligung im Zeitpunkt der Vornahme der Teilwertabschreibung. Aus diesem Grund
sei die Bestimmung des § 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988 hinsichtlich der Einordnung offener
Siebentelbeträge aus Teilwertabschreibungen bzw. aus Veräußerungsverlusten einer
Beteiligung dahingehend zu interpretieren, dass für Zwecke der Einordnung dieser
Verluste die offenen Siebentelbeträge als noch gemäß der Verteilungsvorschrift des
§ 12 Abs. 3 Z 2 KStG abzusetzende Betriebsausgaben fiktiv als Vorgruppenverluste zu
qualifizieren seien. Diese aus einer Teilwertabschreibung bzw. einem Veräußerungsverlust
einer Beteiligung resultierenden Vorgruppenverluste seien ausschließlich mit positiven
Einkünften des Gruppenmitglieds zu verrechnen. Soweit diese als Vorgruppenverluste
zu qualifizierenden Beträge ein negatives "zuzurechnenden steuerlichen Ergebnisses"
hervorrufen bzw. ein solches erhöhen würden, würden sie weiterhin beim Gruppenmitglied
als Vorgruppenverluste verbleiben.
Die Berufung wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung am 6.12.2013 an
den Unabhängigen Finanzsenat vorlegt und ist nunmehr durch das Bundesfinanzgericht
(BFG) als Beschwerde zu behandeln.
Mit Schreiben vom 23.4.2015 wurde der Antrag auf Entscheidung durch den Senat
zurückgezogen.
In der mündlichen Verhandlung führte die Bf. 2 unter Hinweis auf den Artikel Dris. Michael
Lang in SWK 8/2015 ergänzend aus, dass das Erkenntnis des VwGH auf welches
das Finanzamt in seiner Begründung Bezug nimmt einen Analogieschluss im Rahmen
des UmgrStG beinhaltet. Der VwGH führe in diesem Erkenntnis deutlich vor Augen,
dass dieser Analogieschluss erforderlich sei um den Intentionen des Gesetzgebers zur
Verlustbehandlung bezogen auf das UmgrSt-Recht entsprechen zu können. Das UmgrStRecht sei vom Umstand geprägt, dass eine Gesellschaft untergehe und eine andere
Gesellschaft ihre Rechtnachfolge antrete.
Im Bereich der Gruppenbesteuerung gehe jedoch die Gesellschaft eben nicht unter,
sondern bleibe als Rechtssubjekt bestehen. Die Gewinnermittlung des Gruppenmitgliedes
laufe daher nach den allgemeinen Bestimmungen des Ertragsteuerrechts nahtlos
weiter und sei davon auch die Behandlung der Teilwertabschreibungen umfasst.
Der Gesetzgeber zwinge eine Körperschaft derartige Teilwertabschreibungen auf
Beteiligungen auf sieben Jahre zu verteilen. Die Frage der Behandlung der Siebentel nach
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Eintritt in eine Gruppe sei im Gesetz keine ungewollte Lücke, sondern ergebe sich aus
diesem. Es sei daher kein Platz für Analogieschlüsse wie im UmgrStgG.
Weiters seien Verluste die letztlich in einem Verlustvortrag resultieren, zunächst im
laufenden Ergebnis nicht verrechenbar gewesen wären. Dies sei ein wesentlicher
Unterschied zur Siebentel-Abschreibung.
Das FA führte aus, dass nach dem Erkenntnis des VwGH ersichtlich sei, dass dieser
sämtliche Verluste und damit auch die Siebentelverteilung unter § 4 UmgStG subsumiere.
§ 9 Abs. 6. Z. 4 KStG entspreche letztlich inhaltlich § 4 UmgrStG und sei daher die
Aussage des VwGH wohl auch auf das Gruppenbesteuerungsregime anzuwenden.
Zudem verwies das FA auf Hügel/Grenzüberschreitende und nationale Verschmelzungen
im Steuerrecht § 4 Rz. 7 (hier insbesondere auf den letzten Satz dieser Randzahl).
Auch Wiesner äußere auch sich in seinem Artikel RWZ 2010, Heft 12, Seite 361 vom
22.12.2010 in dieser Richtung und vermeine, dass die Aussagen des VwGH zum
UmgrStG auch im Bereich der Gruppenbesteuerung Anwendung finden sollten. Die
vom Finanzamt gewählte Vorgangsweise stelle zudem keine Schlechterstellung dar, da
auch bei Ausblenden der Gruppenmitgliedschaft die jeweiligen Siebentel lediglich im
Wege des Verlustvortrages in zukünftigen Perioden Berücksichtigung gefunden hätten.
Der Beitritt in eine Gruppe hebe die Individualbesteuerung des Gruppenmitgliedes auf,
es könnten aber Vorgänge vor diesem Zeitpunkt nicht der Individualbesteuerung des
späteren Gruppenmitgliedes entzogen werden.
Bei der von der Bf gewählten Vergehensweise kaufe sich der Gruppenträger
defacto Verluste zu, die ihm nicht zustehen würden. Außerdem sei zu beachten,
dass bei Umrechnung der Verluste ausländischer Gruppenmitglieder allfällige
Teilwertabschreibungen dieser ausländischen Gruppenmitglieder auszublenden seien
und somit nicht auf den Gruppenträger bzw. auf das übergeordnete Gruppenmitglied
übergehen könnten. Dies stelle die herrschende Rechtsansicht in der Literatur dar (RDW
2005, 652 Heft 9 vom 15.9.2005, Punkt 9.; Hohenwarter Verlustverwertung im Konzern,
Seite 454; Achatz/Kirchmayr KStG-Kommentar § 9 RZ 323).
Die Vertreterin der Bf replizierte, dass die Behandlung ausländische Verluste im Rahmen
der Gruppenbesteuerung zahlreiche gesetzliche Sonderregelungen umfasse und das hier
vorliegende Problem auf Grund der Deckelung der Auslandsverluste gar nicht entstehen
lasse. Die Problematik der Siebentel-Abschreibung komme bei Auslandsverlusten gar
nicht zum Tragen. Die Behandlung der Verluste ausländischer Gruppenmitglieder stelle
ein gesetzliches Sonderregime dar und könne für die Beantwortung der gegenständlichen
Rechtsfrage nicht herangezogen werden.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Der Entscheidung wird folgender unstrittiger Sachverhalt zugrunde gelegt:
Die Bf.1 erwarb am 26.2.2007 im Wege einer Kapitalerhöhung bei der Bf.2 Beteiligungs
GmbH 50,7% der Kapitalanteile und der Stimmrechte. Die Bf.2 Beteiligungs GmbH
ermittelte ihren Gewinn zu diesem Zeitpunkt zum abweichenden Bilanzstichtag 28.2..
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Über Antrag der Bf.2 Beteiligungs GmbH vom 6.3.2007 wurde der abweichende
Bilanzstichtag mit Bescheid des zuständigen FA vom 123.3.2007 von 28.2 auf
31.3.verändert.
Am 26.3.2015 stellte Bf.1 den Antrag auf Feststellung einer Unternehmensgruppe
unter der Bf.1 als Gruppenträger (GT). Mit Bescheid vom 8.10.2007 wurde diesem
Antrag stattgegeben und festgestellt, dass ab der Veranlagung 2007 zwischen den
Gesellschaften Bf.1 als GT und der Bf.2 Beteiligungs GmbH als GM eine Gruppe iSd der
§ 9 Abs. 8 KStG 1988 besteht.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Gruppe verfügte die Bf.2 Beteiligungs GmbH neben
Verlustvorträgen aus Vorjahren über offene Siebentelabschreibungen aus einer im Jahr
2004 stattgefunden habenden Teilwertabschreibung einer damaligen Tochtergesellschaft
der Bf.2 Beteiligungs GmbH. In den Jahren 2004, 2005 und 2006 waren daraus Verluste
im Ausmaß von jährlich -3.809.186,86 € (1.- 3. Siebentel) berücksichtigt worden.
Aufgrund der Änderung des Bilanzstichtages von 28.2. auf 31.3. endeten im Kalenderjahr
2007 zwei Wirtschaftsjahre, demgemäß wurde je ein Siebentel der noch offenen
Abschreibungen im Ergebnis der Bf.2 Beteiligungs GmbH zum 28.2.2007 und 31.3.2007
berücksichtigt (4. und 5. Siebentel).
Im Zuge einer Betriebsprüfung stellte das FA fest, dass das Ergebnis des GM zum
28.2.2007 nicht im Gruppenergebnis zu berücksichtigen sei, da der Gruppenantrag
erst nach Ablauf des abweichenden Wirtschaftsjahres der Bf.2 Beteiligungs GmbH am
26.3.2007 beim FA eingebracht worden sei und überdies nicht bereits am Beginn des
abweichenden Wirtschaftsjahres (somit am 1.3.2006) die finanzielle Beteiligung des GT
am GM vorgelegen habe.
Das Ergebnis des abweichenden WJ 1.3.2007 bis 31.3.2007 sei in das Gruppenergebnis
aufzunehmen. Das FA behandelte dabei die geltend gemachte Abschreibung aus dem
fünften Siebentel als Vorgruppenverluste, welche nicht beim GT zu Verrechnung gelangen
könnten sondern beim GM mit späteren eigenen Gewinnen zu verrechnen seien.
Dementsprechend erließ das FA für die Bf.2 Beteiligungs GmbH einen
Körperschaftsteuerbescheid für 2007 (erstes WJ 2007), am 7.11.2012 einen
Feststellungsbescheid GM für das 2.WJ 2007 sowie am 1.3.2013 (Zustellung 30.7.2013)
einen neuen Körperschaftsteuerbescheid 2007 an die Bf.1 als GT. Zudem erließ das
FA am 22.7.2011 Bescheide über die Feststellung des Gewinnes des GM Bf.2 für 2008
und 2009 aufgrund derer die weiteren Siebentelabschreibungen als Vorgruppeverluste
zu behandeln sind und demgemäß im Gruppenergebnis keine Berücksichtigung finden
könnten.
Unstrittig ist, dass das erste Wirtschaftsjahr der GM , das am 28.2.2007 endete, nicht
in den Feststellungbescheid Gruppenmitglied 2007 aufzunehmen ist. Das Ergebnis des
am 28.2.2007 endenden Wirtschaftsjahres des GM kann nicht im Gruppenergebnis für
2007 berücksichtigt werden. Zu Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf
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die oben zitierten Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht unter b) Rechtliche
Würdigung: 1) Ergebniszurechnung zum Stichtag 28.2.2007 (4.Siebtel) verwiesen.
Strittig ist ausschließlich die Rechtsfrage, ob die Siebentelabschreibungen ab dem zweiten
im Kalenderjahr 2007 endenden Wirtschaftsjahr (Stichtag 31.3.2007) der Bf.2 Beteiligungs
GmbH als Vorgruppenverluste zu behandeln sind oder im Feststellungsbescheid GM als
Verluste anzusetzen sind.
§ 9 KStG 1988 regelt abschließend die Behandlung von Unternehmensgruppen und stellt
eine Durchbrechung des Prinzips der Individualbesteuerung dar. Die Steuersubjektivität
der einzelnen Gruppenmitglieder bleibt dabei zwar erhalten, aber die steuerlichen
Ergebnisse der Gruppenmitglieder werden letztlich dem Gruppenträger zugeordnet und
durch diesen versteuert.
Die Berechnung des Gruppenergebnisses findet sich dabei in § 9 Abs. 6 KStG 1988
welcher auszugsweise lautet:
"Bei Ermittlung des zuzurechnenden steuerlich maßgebenden Ergebnisses ist Folgendes
zu beachten:
1. Als Ergebnis eines unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitglieds gilt das
Einkommen unter Berücksichtigung der Z 4.
2. Das Einkommen im Sinne der Z 1 ist dem am Gruppenmitglied nach Abs. 4
entsprechend unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gruppenmitglied bzw. Gruppenträger
zuzurechnen. Als Ergebnis des Gruppenträgers gilt das Einkommen mit der Maßgabe,
dass Sonderausgaben vom zusammengefassten Ergebnis abzuziehen sind.
3. [...]
4. Vortragsfähige Verluste (§ 8 Abs. 4 Z 2) des unbeschränkt steuerpflichtigen
Gruppenmitglieds aus Zeiträumen vor dem Wirksamwerden der Unternehmensgruppe
(Vorgruppenverluste) oder aus einer umgründungsbedingten Übernahme durch ein
Gruppenmitglied (Außergruppenverluste) können bis zur Höhe des eigenen Gewinnes
des jeweiligen Gruppenmitglieds verrechnet werden. Außergruppenverluste liegen
nicht vor, wenn vortragsfähige Verluste innerhalb der Gruppe entstanden sind und
umgründungsbedingt auf ein anderes Gruppenmitglied übergehen.
........ "
§ 9 Abs. 6 Z 1 und Z 2 KStG 1988 bezieht sich auf das Einkommen eines
Gruppenmitglieds, welches - gegebenenfalls im Wege weiterer finanziell übergeordneter
Gruppenmitglieder - dem Gruppenträger zuzurechnen ist. Aus dem an den Gruppenträger
zuzurechnenden steuerlichen Ergebnis des jeweiligen Gruppenmitgliedes sind nach Z
4 leg.cit. die vortragsfähigen Verluste aus Zeiten vor Eintritt in die Unternehmensgruppe
auszuscheiden.
Im Rahmen der Gruppenbesteuerung hat daher jedes GM zunächst gemäß
§ 9 Abs. 6 Z 1 KStG 1988 sein Einkommen nach den allgemeinen steuerlichen
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Einkommensermittlungsvorschriften zu ermitteln, welches sodann nach Z 2 leg.cit. an
das nach § 9 Abs. 4 KStG 1988 (un)mittelbar ausreichend verbundene übergeordnete
Gruppenmitlgied bzw. den Gruppenträger zu überbinden ist.
Das Einkommen iSd § 7 Abs. 2 KStG umfasst den Gesamtbetrag der in § 2 Abs.
3 EStG 1988 aufgezählten Einkünfte nach Ausgleich von Verlusten und Abzug der
Sonderausgaben iSd § 8 Abs. 4 KStG.
§ 8 Abs. 4 Z 2 KStG verweist seinerseits zur Definition des Verlustabzuges auf
§ 18 Abs. 6 EStG 1988. Nach § 18 Abs. 6 EStG sind Verlustabzüge Verluste die in einem
vorangegangenen Jahr entstanden sind, soweit sie nicht bereits bei der Veranlagung für
die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden.
Gewinn bzw. Verlust stellen das positive bzw. negative Betriebsergebnis ermittelt
unter Beachtung der steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften dar. Dieses
nach steuerlichen Grundsätzen ermittelte Betriebsergebnis wird der Besteuerung
zugrunde gelegt. In der herrschenden Verwaltungspraxis wird das steuerliche
Ergebnis aus dem unternehmensrechtlich ermittelten Betriebsergebnis dergestalt
abgeleitet, als dieses durch eine steuerliche Mehr- Weniger- Rechnung (MWR) auf den
ertragsteuerliche maßgebenden Gewinn/Verlust umgerechnet wird. Im Rahmen dieser
MWR werden unternehmensrechtlich ermittelte Gewinne zB um steuerlich unzulässige
ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen oder Kürzung von langfristigen
Rückstellungen erhöht, unternehmensrechtlich ermittelte Verluste werden durch derartige
Zurechnungen gekürzt.
Für die steuerliche Gewinn-/Verlustermittlung von Körperschaften werden die
Bestimmungen der §§ 4 bis 14 und § 20 EStG um §11 KStG 1988 (Abzugsfähige
Aufwendungen und Ausgaben) und § 12 KStG 1988 (Nichtabzugsfähige Aufwendungen
und Ausgaben) ergänzt. § 12 KStG normiert einen Katalog nicht abzugsfähiger
Aufwendungen, die bei der Einkünfteermittlung nicht berücksichtigt werden dürfen
(Blasina/Lachmayer in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger/Vock, KStG 1988 § 12
Rz 1;) Die Vorschrift des § 12 KStG1988 rechnet nach dem Aufbau des KStG zu den
allgemeinen Vorschriften über das Einkommen und die Einkommensermittlung. (Achatz/
Kirchmayr, Körperschaftsteuergesetz, § 12 Rz 13).
Die Bestimmung des § 12 Abs. 3 Z 2 KStG normiert, dass grundsätzlich zulässige,
nicht ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen von im Anlagevermögen
gehaltenen Beteiligungen iSd § 10 KStG auf sieben Jahre zu verteilen sind.
Bedingt durch den Umstand, dass § 12 Abs. 3 KStG 1988 wie oben dargestellt eine
Einkommensermittlungsvorschrift darstellt, wird das steuerliche Ergebnis (Einkommen)
der Muttergesellschaft im Abschreibungsjahr um sechs Siebentel der geltend gemachten
Teilwertabschreibung erhöht und in den folgenden sechs Wirtschaftsjahren um jeweils
ein Siebentel vermindert. Erst das jeweils angepasste Jahresergebnis kann in der Folge
der Besteuerung zu Grunde gelegt werden, bzw. stellt bei Vorliegen eines Verlustes einen
vortragsfähigen Verlust iSd des § 18 Abs. 6 EStG 1988 iVm § 8 Abs. 4 KStG 1988 dar.
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Ein vortragsfähiger Verlust iSd § 9 Abs. 6 Z 4 KStG liegt nach dem Gesetzeswortlaut
erst im Jahr einer verlusterzeugenden Verrechnung des jeweiligen Jahressiebentels vor.
Durch die ausdrückliche Einschränkung der sog. Vorgruppenverluste auf vortragsfähige
Verluste vor Wirksamwerden der Unternehmensgruppe, ist nach Ansicht des BFG
eindeutig klargestellt, dass eingetretene Wertminderungen, die noch nicht im Rahmen
der Einkünfteermittlung zu berücksichtigen waren und daher gerade eben nicht in die
vortragsfähigen Verluste Einzug gefunden haben konnten, von der eingeschränkten
Verrechnungsmöglichkeit ausgenommen sind.
Dem FA kann grundsätzlich zugestimmt werden, dass die Teilwertabschreibung im
Abschreibungsjahr zu einem (unternehmensrechtlichen) Verlust im Ausmaß des gesamten
Abschreibungsbetrages führt, dieser Verlust kann jedoch aufgrund der Verteilungsregel
des § 12 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 noch nicht im gesamten Ausmaß als vortragsfähig iSd
§ 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988 angesehen werden. Selbst bei Vorliegen eines hohen laufenden
Jahresgewinnes ist eine Verrechnung über das 1/7 hinaus unzulässig. Die Ausführungen
des FA, dass § 12 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 keine Einkommensverteilungsregel sondern
eine Verlustverteilungsregel darstellen würde, sind nach Ansicht des Gerichtes deswegen
unzutreffend, da der steuerliche Begriff des Einkommens sowohl ein positives Ergebnis
einer Einkunftsquelle (Gewinn, Überschuss der Einnahmen) als auch das negative
Ergebnis (Verlust, Überschuss der Werbungskosten) umfasst. Eine Verteilungsvorschrift
betreffend bestimmter Aufwendungen und Ausgaben wirkt daher jedenfalls auf das
steuerliche Einkommen, unabhängig davon ob sich dadurch ein Gewinn erhöht
oder ein Verlust vermindert. Steuerlich tritt daher die Folge der Wertminderung der
Teilwertabschreibung ist im jenem Jahr als einkommensmindernd zu Tage im dem das
jeweilige Siebentel zum Abzug zugelassen ist.
Die Ausführungen des FA dass dem in § 9 Abs. 6 Z 4 KStG 1988 verwendeten Begriff
„vortragsfähige Verluste“ (§ 8 Abs. 4 Z 2) im vorliegenden Streitfall in teleologischer
Interpretation die Bedeutung „eingetretene Wertminderungen“ beizumessen sei,
vermögen nicht zu überzeugen. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist auch
im öffentlichen Recht bei einer Interpretation nach jenen grundlegenden Regeln des
Rechtsverständnisses vorzugehen, die im ABGB für den Bereich der Privatrechtsordnung
normiert sind. § 6 ABGB verweist zunächst auf die Bedeutung des Wortlautes in
seinem Zusammenhang. Dabei ist grundsätzlich zu fragen, welche Bedeutung einem
Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach dem Sprachgebrauch des
Gesetzgebers zukommt. Dafür müssen die objektiven, jedermann zugänglichen Kriterien
des Verständnisses statt des subjektiven Verständnishorizonts der einzelnen Beteiligten
im Vordergrund stehen (vgl. dazu Bydlinski in Rummel, ABGB I Rz 1 zu § 6). In diesem
Sinne vertreten auch Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 3, S. 101 f, 1996,
die Auffassung, dass die Bindung der Verwaltung an das Gesetz nach Art. 18 B-VG
einen Vorrang des Gesetzeswortlautes aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und der
demokratischen Legitimation der Norm bewirke und den dem Gesetz unterworfenen
Organen die Disposition über das Verständnis möglichst zu entziehen sei. Dies bedeute
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bei Auslegung von Verwaltungsgesetzen einen Vorrang der Wortinterpretation in
Verbindung mit der grammatikalischen Auslegung sowie äußerste Zurückhaltung
gegenüber der Anwendung sogenannter "korrigierender Auslegungsmethoden". Daher
ist zunächst nach dem Wortsinn zu fragen (VwGH 23.02.2010, 2009/05/0080). Den
Gesetzesmaterialien kommt bei der Auslegung keine selbständige normative Kraft zu
(VwGH 03.04.2008, 2006/09/0056). Die Gesetzesmaterialien sind nur dann zur Auslegung
eines Gesetzes heranzuziehen, wenn der Wortlaut des Gesetzes selbst zu Zweifeln über
seinen Inhalt Anlass gibt (VwGH 18.03.1997, 96/08/0167; VwGH 17.10.2001, 99/13/0172).
Dem FA ist zu konzedieren, dass das österreichische Ertragssteuerrecht im Bereich
der Verlustberücksichtigung unter anderem von dem Ziel geprägt ist, den „Einkauf
von Verlusten“ möglichst zu vermeiden. Diese grundsätzliche Zielsetzung gestattet es
aber nach Ansicht des Gerichtes nicht, dem Gesetzgeber mit dem Hinweis auf den
Telos einer Bestimmung zu unterstellen, dass er ausdrückliche Einschränkungen wir hier auf „vortragsfähige Verluste“ - entgegen dem eindeutigen Wortsinn und den
dem Ertragsteuerrecht eigentümlichen Begriffsdefinitionen verstanden wissen möchte.
Die Bestimmung des § 12 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 bestand zudem bei Novellierung des
§ 9 KStG und Einführung der Besteuerung von Unternehmensgruppen bereits seit
einigen Jahren und kann daher davon ausgegangen, werden, dass der Gesetzgeber bei
Neufassung des § 9 KStG 1988 die Auswirkungen des § 12 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 vor
Augen hatte und entsprechend berücksichtigte.
Die Ausführungen des FA zur sachlogische Auslegung des Begriffes "vortragsfähige
Veluste" unter Hinweis auf VwGH Judikatur zu einem Fall des Umgründungssteuerrechts
vermögen dabei nicht zu überzeugen. Aus dem Erkenntnis des VwGH vom 14.10.2010,
2008/15/0212 ist ersichtlich, dass im konkreten Fall nach dem Gesetzeswortlauf § 4
UmgrStG iZm §§ 35 und 21 UmgrStG nicht zur Anwendung käme. Der Gerichtshof kam
in dem dort entschiedenen Fall wegen der Wertungsentscheidung des Gesetzgebers
iZm mit Spaltungen zum Ergebnis, dass in diesen Fällen offene Siebentel aus
Teilwertabschreibungen und Veräußerungsverluste aus Beteiligungsveräußerungen
einer am Spaltungsstichtag nicht mehr vorhandenen Beteiliung nach Maßgabe der
Voraussetzungen des § 35 UmgrStG auf die übernehmende Gesellschaft übergehen.
Damit ergibt sich ein Übergang der Siebentel iSd § 12 Abs. 3 Z 2 KStG aus den
entsprechenden Anordnungen der §§ 35 und 21 UmgrStG. Daraus ist ersichtlich, dass
Voraussetzung für den Übergang der Siebentel im Rahmen einer Spaltung nur aufgrund
der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung der genannten Bestimmungen möglich ist
und bei Fehlen derartiger Bestimmungen die offenen Siebentel beim Rechtsnachfolger
nicht abzugsfähig wären. Wie dem Erkenntnis zu entnehmen ist, bezog sich der VwGH
erkennbar nicht auf § 12 Abs. 3 Z 2 KStG 1988. Daraus kann nach Ansicht des Gerichtes
abgeleitet werden, dass der VwGH nicht § 12 Abs. 3 Z 2 KStG als Rechtsgrundlage
für die Weiterführung der Siebentelabschreibungen im Rahmen der steuerlichen
Gesamtrechtsnachfolge betrachtet, sondern davon ausgeht, dass bei Fehlen der
Bestimmungen des §§ 35 und 21 UmgrStG eine Berücksichtigung der weiteren Siebtel
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beim Rechtsnachfolger ausgeschlossen ist (siehe Lang/Pinetz in SWK 8/2015, 403 ).
Zu erwähnen ist auch, dass das FA selbst in seiner Stellungnahme unter Hinweis auf die
VwGH Judikatur zum UmgrStG ausführt, dass die strittigen Siebentelabschreibungen im
Bereich der Gruppenbesteuerung "fikitv als Vorgruppenverluste" zu behandeln seien. Eine
entsprechende gesetzliche Fiktion findet sich jedoch im Körperschaftsteuergesetz nicht.
In dem am 14.10.2010, 2008/15/0212 vom VwGH entschiedenen Fall war strittig, ab
welchem Wirtschaftsjahr die übernehmende Körperschaft bei unterjähriger Umgründung
die Folgesiebentel absetzen könnte. Aus der Lösung dieser Rechtsfrage ist für den
gegenständlichen Streitfall nichts zu gewinnen.
Im Bereich der Gruppenbesteuerung fehlt es an einer steuerlichen Rechtsnachfolge,
vielmehr bestehen die Steuersubjekte auch nach Gruppenbildung weiter. Somit sind die
steuerlichen Einkommensermittlungsvorschriften auf die betroffenen Gruppenmitglieder
– und damit auch die Verluststreckung des § 12 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 – anzuwenden.
Die Überlegungen des VwGH zur Verwertung von offenen Siebentelabschreibungen im
Rahmen einer (unterjähirgen) umgründungsbedingten, steuerlichen Rechtsnachfolge
können daher nicht auf das Gruppenbesteuerungsregime umgelegt werden.
Den Ausführungen des FA, dass § 4 UmgrStG inhaltlich § 9 Abs. 6 Z 4 KStG entspräche
und daher auch aus diesem Grund das zitierte Erkenntnis des VwGH auf die hier
strittige Rechtsfrage Anwendung finden müsse, kann nicht gefolgt werden. § 4 UmgrStG
verwendeten hinsichtlich des Verlustüberganges den Begriff "Verluste....., die ....noch
nicht verrechnet sind....." wohingegen § 9 Abs. 6 Z 4 wesentlich enger und deutlicher
gefasst ist und ausdrücklich auf vortragsfähige Verluste iSd § 8 Abs. 4 Z 2 verweist.
Allein diese sprachlich unterschiedliche Fassung der beiden Bestimmungen macht
deutlich, dass der übergangsfähige Verlust des UmgrStG nicht dem Verlustbegriff des § 9
Abs. 6 Z 4 KStG 1988 entspricht.
Das Bundesfinanzgericht kann sich im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut
des § 9 Abs. Z 4 KStG 1988 auch den vom FA zitierten Ausführungen von Hügel
(Grenzüberschreitende und nationale Verschmelzungen im Steuerrecht) nicht
anschließen. Die oben dargestellte Rechtsansicht des BFG wird auch an anderen
Stellen in der Literatur ausdrücklich geteilt (Blasina in Quantschnigg/Renner ua. Hrsg,
KStG 1988, § 12 Rz 190/1; Puchner/Tüchler SWK 13-14/2013, 649). Die übrigen
Literaturzitate des FA, welche im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgebracht
wurden, beziehen sich sämtlich auf die Frage der Verlustverrechnung ausländischer
Gruppenmitglieder und sind wegen der besonderen Behandlung ausländischer
Gruppenmitglieder nicht ohne weiteres auf eine rein inländische Ergebnisverrechnung
umzulegen. Die Ausführungen von Hohenwarter (Verlustverwertung im Konzern, S 454
und 739) zum Ausschluß der Berücksichtigung von Siebentelbeträgen ausländischer
Gruppenmitglieder für deren Beteiligungsabschreibungen aus Vorgruppenzeiträumen, ist
daher vor dem Hintergrund der Verlustumrechnung ausländischer Ergebnisse auf
inländisches Steuerrecht zu sehen. Diese Umrechnungsproblematik besteht für
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inländische Verluste nicht, weshalb die dort getroffenen Aussagen für den Streitfall nicht
entscheidend sind.
Im Ergebnis ist daher das erste im Jahr 2007 endende Wirtschaftsjahr im Rahmen der
Feststellung der Einkünfte der GM und damit im körperschaftsteuerpflichtigen Ergebnis
der Gruppe für 2007 nicht zu erfassen.
Die noch offenen Siebentel nach § 12 Abs. 3 KStG 1988aus der Teilwertabschreibung
2004 im jährlichen Betrag von je - 3.809.186,86 € je Wirtschaftsjahr sind ab dem
Rumpfwirtschaftsjahr 1.3.2007 bis 31.3.2007 im festgestellten Ergebnis der Bf.2 zu
erfassen. Die festgestellten Ergebnisse des GM (FGM) für 2007 bis 2009 stellen nach
§ 24a Abs. 2 KStG 1988 iVm § 92 Abs. 1 lit. a BAO Grundlagenbescheide dar und sind
daher die Körperschaftsteuerbescheide der Gruppenträgerin Bf.1 für 2007 bis 2009 gem.
§ 295 Abs. 1 BAO entsprechend abzuändern.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie
von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt,
insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der
bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet
wird.
Wie oben dargestellt kann nach Ansicht des BFG das Erkenntnis des VwGH vom
14.10.2010, 2008/15/0212 nicht auf die streitgegenständliche Rechtsfrage angewendet
werden. Andere höchstgerichtliche Judikatur zu diesem spezifischen Problem besteht
soweit erkennbar nicht. Aus diesem Grund ist gegen dieses Erkenntnis die (ordentliche)
Revision zulässig.
Wien, am 13. Juli 2015
Seite 17 von 17
25.02.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
25.02.2015
Geschäftszahl
2011/13/0003
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie Senatspräsident
Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der
Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde der Verlassenschaft nach H W in W, vertreten
durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH in 1090 Wien, Porzellangasse 51, gegen den Bescheid des
unabhängigen
Finanzsenates,
Außenstelle
Wien,
vom 17. November 2010,
Zl. RV/3310-W/09,
miterledigt RV/3311-W/09 und RV/2905-W/10, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich
Einkommensteuer für die Jahre 2000 bis 2007 sowie Einkommensteuer für die Jahre 2000 bis 2008, zu Recht
erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei
Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Beschwerdeführende Partei ist die Verlassenschaft nach dem am 1. November 2009 verstorbenen Dr. W.
(im Folgenden nur: W.).
Im Bericht vom 29. April 2009 über das Ergebnis einer Außenprüfung (Prüfungszeitraum 2000 bis 2007)
wird zur "Vermögenszurechnung - Zurechnung der Einkünfte (transparente/intransparente Stiftung)" ausgeführt,
in einer am 23. Juni 2008 eingebrachten Selbstanzeige vom 20. Juni 2008 sei mitgeteilt worden, dass W.
am 28. Mai 1963 eine Stiftung nach liechtensteinischem Recht (Familienstiftung A.; im Folgenden auch: FLFamilienstiftung) gegründet habe. Erstbegünstigte dieser Stiftung seien W. und dessen Sohn gewesen. Die
Führung der Stiftung sei mittels Mandatsvertrages ("28.5.1963, 15.3.1985, 20.6.1989, 7.4.1998") erfolgt, weiters
sei per Anhang zum Mandatsvertrag vom 7. April 1998 die Bank S. in Basel durch W. und dessen Sohn "zur
Instruktion an den Stiftungsvorstand" ermächtigt worden. In der Selbstanzeige sei auch dargestellt worden,
weshalb W. der Ansicht sei, dass ihm das Stiftungsvermögen nicht zuzurechnen sei. Diese Argumentation ziele
im Wesentlichen darauf ab, dass keine faktische Einflussnahme auf die Führung der Stiftung genommen worden
und deshalb eine Zurechnung des Stiftungsvermögens zum Stifter nicht möglich sei.
Zu dem in der Selbstanzeige dargestellten Sachverhalt sei der Betriebsprüfer zum "Typenvergleich Vergleichbarkeit einer österreichischen Privatstiftung mit einer FL-Familienstiftung" der Ansicht, dass
liechtensteinische Familienstiftungen mit einer österreichischen Privatstiftung vergleichbar sein könnten.
Fraglich sei allerdings, ob die vorliegende FL-Familienstiftung mit einer österreichischen Privatstiftung
vergleichbar sei. Auf Grund des Mandatsvertrages unterliege der Stiftungsrat dem Weisungsrecht des Stifters.
Aus dem Mandatsvertrag vom 7. April 1998 sei "deutlich ersichtlich, dass die Stifter zu keinem Zeitpunkt die
Verfügungsgewalt über ihr Vermögen (das Vermögen der Stiftung) aufgegeben und jederzeit das Weisungsrecht
inne hatten". Ein generelles Weisungsrecht des Stifters mit der Folge, dass der Stiftungsrat immer nur nach einer
entsprechenden Weisung des Stifters handeln dürfe, sei nach dem österreichischen Privatstiftungsgesetz
unzulässig. Schon deshalb sei die FL-Familienstiftung nicht mit einer Stiftung nach dem österreichischen
Privatstiftungsgesetz vergleichbar. Weiters halte der Umstand, dass der Stifter und sein Sohn auf Grund einer
entsprechenden Weisung des Stifters auch Erstbegünstigte der FL-Familienstiftung seien, einem Vergleich mit
dem österreichischen Privatstiftungsgesetz nicht stand, nach dem der Stifter und seine Familienangehörigen zwar
Vorstand, nicht gleichzeitig aber auch Begünstigte sein dürften. Folge der fehlenden Vergleichbarkeit sei, dass
die Einkünfte nicht der FL-Familienstiftung zugerechnet werden könnten.
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25.02.2015
Zur "Zurechnung der Einkünfte" seien die steuerlichen Grundsätze über das wirtschaftliche Eigentum und
Treuhandschaften maßgeblich. Wegen des Mandatsvertrages habe der Stifter trotz des zivilrechtlich an sich
wirksamen Stiftungsaktes weiterhin uneingeschränkten Zugriff auf das der FL-Familienstiftung gewidmete
Kapitalvermögen gehabt. Seine Stellung sei der eines Treugebers vergleichbar gewesen. Eine tatsächliche
Einflussnahme des Stifters auf die Geschäfte der Stiftung sei dabei nicht notwendig. Die Argumentation, dass es
wegen Nichtausübung der eingeräumten Rechte zu keinem Durchgriff durch die Stiftung auf den Stifter kommen
könne, berücksichtige nicht, dass der Stifter bereits durch Abschluss des Mandatsvertrages entscheidenden
Einfluss auf die Stiftungsverwaltung genommen habe. Durch die wegen des Mandatsvertrages jederzeitige
Möglichkeit, auf die Stiftungsverwaltung Einfluss zu nehmen, "bleibt der Stifter einem Treugeber vergleichbar,
der ebenfalls nicht aktiv in die Kapitalveranlagung durch den Treuhänder eingreift". Mit der Erstellung des
Mandatsvertrages habe der Stifter durch die Auswahl der Beauftragten aktiv auf die Geschäfte der Stiftung
Einfluss genommen und damit auf die Entwicklung seines Vermögens eingewirkt. Im Anhang zum
Mandatsvertrag vom 7. April 1998 werde ausdrücklich festgehalten, dass die Stifter/Erstbegünstigten die Bank
ermächtigten, dem Stiftungsrat der FL-Familienstiftung Instruktionen zu erteilen. Nach der
Sachverhaltsdarstellung in der Selbstanzeige seien alle Investitionsentscheidungen durch das Bankhaus getroffen
worden. Dies könne im Zusammenhang mit dem Anhang zum Mandatsvertrag vom 7. April 1998 nur so
verstanden werden, dass dieser Bank vom Stifter ein Weisungsrecht an den Stiftungsrat eingeräumt worden sei.
Dies entspreche im Ergebnis der Ausführung der Tätigkeit des Stiftungsrates entsprechend den Instruktionen des
Stifters.
Der Betriebsprüfer komme damit insgesamt zum Ergebnis, dass die FL-Familienstiftung nicht mit einer
dem österreichischen Privatstiftungsgesetz entsprechenden Privatstiftung vergleichbar sei und daher einem
"Typenvergleich" nicht standhalte. Es sei von einer transparenten Stiftung auszugehen, sodass "das gestiftete
Vermögen weiterhin dem Stifter (W.) zuzurechnen ist". Die Festsetzung der Besteuerungsgrundlagen erfolge
entsprechend den in der Selbstanzeige gemachten Angaben und der anschließenden Korrespondenz zwischen der
Betriebsprüfung und dem steuerlichen Vertreter.
Weiters sei für die Jahre 2000 und 2001 Verjährung noch nicht eingetreten, weil davon auszugehen sei,
dass W. durch das "Nichterklären von Kapitaleinkünften" unter Einschaltung der wirtschaftlich ihm
zuzuordnenden transparenten FL Familienstiftung eine vorsätzliche Verkürzung der Einkommensteuer bewirkt
habe. Als "Genussberechtigtem" seien ihm alle Ansprüche auf das Vermögen der FL-Familienstiftung und auf
dessen Erträgnisse zugestanden. Zudem habe der Mandatsvertrag die Stiftungsräte verpflichtet, ihr Mandat
ausschließlich nach den Instruktionen des Stifters auszuüben. Überdies sei von diesem eine liechtensteinische
Treuhandanstalt mit der Repräsentanz und als Domizilhalter beauftragt worden. Liege damit eindeutig eine
transparente Stiftung vor, könne von einer irrtümlich erfolgten Nichterklärung der Einkünfte aus der FLFamilienstiftung und von einer vertretbaren rechtlichen Würdigung als intransparente Stiftung nicht ausgegangen
werden. Dies "umso mehr als weder bei Gründung noch im Zusammenhang mit der nachträglichen
Vermögenszufuhr an die Stiftung eine Meldung der diesbezüglich schenkungssteuerpflichtigen Umstände noch
die Abfuhr der entsprechenden Schenkungssteuer erfolgte". Die Offenlegung der einkommensteuerpflichtigen
Erträge aus der FL-Familienstiftung sei erst im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden der Tatsache erfolgt,
dass der österreichischen Finanzverwaltung Kontoinformationen seitens einer liechtensteinischen Bank
übermittelt worden seien. In den von W. abgegebenen Einkommensteuererklärungen habe dieser die Einkünfte
nicht offengelegt. Die Wiederaufnahme des Verfahrens sei daher für den Zeitraum 2000 bis 2007 vorzunehmen
gewesen.
Den gegen die auf der Grundlage des Prüfungsberichtes ergangenen Bescheide erhobenen Berufungen vom
22. Juni 2009 (Wiederaufnahme und Einkommensteuer 2000 bis 2007) und vom 11. August 2010
(Einkommensteuer 2008) gab die belangte Behörde nach Durchführung einer Berufungsverhandlung mit dem
angefochtenen Bescheid keine Folge.
Nach der Wiedergabe des Ganges des Verwaltungsverfahrens führt die belangte Behörde im Erwägungsteil
des angefochtenen Bescheides aus, sie gehe von dem Sachverhalt aus, dass die FL-Familienstiftung im Jahr 1963
von W. errichtet worden sei (im Zuge der Errichtung seien rd. 266.000 CHF und im Jahr 1996 3,5 Mio. S
zugeführt worden). Die Statuten und der Mandatsvertrag aus dem Jahr 1963 sowie die Mandatsverträge vom
15. März 1985 und 20. Juni 1989 seien nicht mehr vorhanden bzw. lägen nur mehr die Statuten vom
6. April 1998 und der Mandatsvertrag vom 7. April 1998 vor. Die Stiftung sei als Familienstiftung mit
unbeschränkter Dauer konzipiert worden, deren "Zweck die wirtschaftliche Unterstützung von Angehörigen der
Familie (Erziehung und Bildung, Ausstattung und Unterstützung, Lebensunterhalt im Allgemeinen,
wirtschaftliche Förderung im weitesten Sinne) sowie außerhalb des Familienkreises stehenden natürlichen und
juristischen Personen ist". Ein kaufmännisches Gewerbe werde nicht betrieben. Als Erstbegünstigte seien
zeitlebens W. und dessen Sohn eingesetzt worden. Nach dem den bisherigen Mandatsvertrag ersetzenden
Mandatsvertrag vom 7. April 1998 seien zwei neue Stiftungsräte in Vaduz beauftragt worden, "welche ihre
Tätigkeit ausschließlich nach den Instruktionen des Auftraggebers und von Drittpersonen, welche der
Auftraggeber bezeichne, auszuüben, verpflichtet" seien. Per Anhang zum Mandatsvertrag vom 7. April 1998 sei
das Bankhaus in Basel zur Instruktionserteilung an den Stiftungsvorstand ermächtigt worden.
Die Tatsache, dass an W. Einkünfte aus der FL-Familienstiftung geflossen seien, sei erst durch die
Selbstanzeige bekannt geworden, sodass die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens erfüllt
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seien. Zur Prüfung, ob die siebenjährige Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO für hinterzogene Abgaben
Anwendung finde, sei die Vorfrage der Abgabenverkürzung im Abgabenverfahren unter Anwendung des
Grundsatzes der freien Beweiswürdigung eigenständig zu beurteilen. Die objektive Tatseite des § 33 Abs. 1 iVm
Abs. 3 lit. b FinStrG sei erfüllt, weil W. unter Verletzung der ihm obliegenden abgabenrechtlichen
Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung von Abgaben (Einkommensteuer 1963 bis 2007) bewirkt
habe. Zur subjektiven Tatseite genüge der bedingte Vorsatz, der bereits dann vorliege, wenn der Täter die
Verwirklichung eines Sachverhaltes, der dem gesetzlichen Tatbild entspreche, ernstlich für möglich halte und
sich damit abfinde (§ 8 Abs. 1 FinStrG). Wie im Folgenden ausführlich dargestellt werde, sei im Beschwerdefall
der Stiftungsrat durch einen Mandatsvertrag an die Weisungen des Stifters (Begünstigten) gebunden gewesen,
sodass "die Stiftung im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszublenden und das Einkommen
direkt dem Steuerpflichtigen und nicht der Stiftung zuzurechnen war". Insoweit sei daher das Finanzamt zu
Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass von einer vertretbaren Rechtsauffassung nicht auszugehen sei, weil im Fall
der (durch Mandatsvertrag eingeräumten) Dispositionsbefugnis des Stifters die Einkünfte unmittelbar dem Stifter
zuzurechnen seien. Auch der Hinweis auf das Fehlen einer eindeutigen Rechtsprechung sowie weiters darauf,
dass das Recht der Besteuerung ausländischer Stiftungen nur "von einigen wenigen Spezialberatern beherrscht
wurde", könne nicht überzeugen (auch der OGH habe im Urteil vom 19. März 2009, 13 Os 105/08b,
ausgesprochen, dass Einwendungen dieser Art nicht geeignet seien, finanzstrafrechtliche Konsequenzen
hintanzuhalten). Dem Einwand eines entschuldbaren Rechtsirrtums sei ebenfalls nicht zu folgen. Auch hätte W.
Erkundigungen hinsichtlich der Aufnahme der ausländischen Kapitaleinkünfte in die Einkommensteuererklärung
einholen müssen, "zumal ihm grundsätzlich die Steuerpflicht ausländischer Kapitaleinkünfte allein schon
aufgrund der Verwendung der amtlichen Vordrucke E 1 bei der Erstellung seiner Einkommensteuererklärung
klar sein musste". Für die Beurteilung der Abgabenhinterziehungsabsicht sei es weiters von wesentlicher
Bedeutung, dass W. weder Einkünfte (im Fall seiner Würdigung als transparente Stiftung) noch
Schenkungssteuer (im Fall seiner Würdigung als intransparente Stiftung) erklärt und abgeführt habe und somit
für jeden Fall seiner abgabenrechtlichen Würdigung die entsprechende abgabenrechtliche Konsequenz
unterlassen habe. Auch dürfe hinsichtlich der vorgebrachten Beweggründe für die Veranlagung des
Familienvermögens der internationale Bekanntheitsgrad des Fürstentums Liechtenstein als "Steueroase" nicht
übersehen werden. Die Selbstanzeige sei zudem erst im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden der so
genannten "DVD-Affäre" erfolgt. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei die belangte Behörde damit der
Auffassung, dass zumindest vom Vorliegen eines bedingten Vorsatzes hinsichtlich der Abgabenverkürzung
ausgegangen werden müsse. Da somit der Hinterziehungstatbestand des § 207 Abs. 2 BAO hinsichtlich der
Einkommensteuer für die Jahre 2000 und 2001 zu bejahen sei, komme die siebenjährige Verjährungsfrist zur
Anwendung, sodass das Finanzamt die Wiederaufnahme auch für diese Jahre zu Recht verfügt habe.
"Ad transparente Stiftung" wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, zur steuerlichen Einordnung der
liechtensteinischen Stiftung in Österreich sei zunächst zu prüfen, ob diese als Körperschaftsteuersubjekt im
Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 bzw. § 1 Abs. 3 Z 1 lit. a KStG 1988 anzuerkennen sei. Dabei sei ein so genannter
"Typenvergleich" vorzunehmen. Eine Vergleichbarkeit der liechtensteinischen Stiftung mit einer
österreichischen Privatstiftung im Sinne des Privatstiftungsgesetzes sei jedenfalls dann zu verneinen, wenn das
Stiftungsorgan (Stiftungsrat) nicht unabhängig von den Begünstigten der Stiftung sei, "d.h. wenn Begünstigte
zugleich Stiftungsräte sind oder im Innenverhältnis umfangreiche Weisungsrechte gegenüber dem Stiftungsrat
haben". Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis vom
23. Juni 2009, 2006/13/0183, VwSlg. 8452/F) zähle zu den Strukturmerkmalen, um von einer Vergleichbarkeit
mit der österreichischen Privatstiftung ausgehen zu können, zwingend die unabhängige Leitung durch den
Stiftungsvorstand im Verhältnis zum Stifter. Eine Vergleichbarkeit mit einer eigennützigen österreichischen
Privatstiftung sei zwar nach dem Inhalt der Stiftungsurkunde und der Begünstigtenregelung grundsätzlich
gegeben, allerdings sei im Hinblick auf den Inhalt des Mandatsvertrages vom 7. April 1998 von einem
Weisungsrecht des Stifters bzw. Begünstigten auszugehen. Gleichzeitig sei mit dem Anhang zum
Mandatsvertrag das Bankhaus in Basel vom Stifter ermächtigt worden, dem Stiftungsrat Instruktionen zu
erteilen. Der Stifter habe damit auch für den Fall fehlender eigener Weisungen sichergestellt, dass die
Stiftungsräte nicht eigenmächtig handeln dürfen. In diesem Punkt zeige sich damit ein deutlicher Unterschied zur
österreichischen Privatstiftung, deren Stiftungsvorstände immer weisungsfrei seien. Sei Vergleichbarkeit mit
einer Privatstiftung nach dem österreichischen Privatstiftungsgesetz nicht gegeben, sei eine Zurechnung der
Einkünfte aus dem Stiftungsvermögen an die Stiftung nicht möglich.
Aber "selbst wenn" man der Auffassung der Berufung folge, wonach trotz Vorliegens eines
Mandatsvertrages die liechtensteinische Stiftung ein der österreichischen Privatstiftung entsprechender
Rechtstypus sei, sei "in einem nächsten Schritt (wie auch für den Fall, dass eine Vergleichbarkeit nicht vorliegt)
das Einkünftezurechnungssubjekt festzustellen, dh. es ist zu untersuchen, ob der Stiftung auch die Einkünfte und
das Vermögen für steuerliche Zwecke zuzurechnen sind". Einkünfte seien nach ständiger Rechtsprechung und
herrschender Lehre demjenigen zuzurechnen, der durch Teilnahme am Marktgeschehen über die
Leistungserbringung disponieren könne und damit die Herrschaft gleich einem Eigentümer ausübe. Durch die im
Beschwerdefall auf Grund des vorliegenden Mandatsvertrages gegebene Weisungsgebundenheit der
Stiftungsräte sei der Stifter (Begünstigte) in die Lage versetzt worden, jederzeit den Impuls für eine
Organhandlung zu setzen. Er sei dadurch sowohl rechtlich als auch faktisch zum "obersten Organ" der
Familienstiftung mit alleiniger Entscheidungskompetenz geworden. Selbst wenn W. die Rechte aus dem
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Mandatsvertrag nicht ausgeübt habe, wie dies in der Berufung eingewendet werde, bleibe er einem Treugeber
vergleichbar, der ebenfalls nicht aktiv in die Kapitalveranlagung durch den Treuhänder eingreife. Entscheidend
für die Einkünftezurechnung sei bereits die Möglichkeit des jederzeitigen Eingriffs, unabhängig von der
tatsächlichen Durchführung. Da die Stiftungsräte nach dem klaren und eindeutigen Inhalt des Mandatsvertrages
nur nach den Weisungen des Stifters bzw. der von ihm hiezu bevollmächtigten Personen handeln dürften, sei
klargestellt, dass W. seine Dispositionsbefugnis nie aufgegeben habe. Zudem dürfe nicht übersehen werden,
dass W. im Anhang zum Mandatsvertrag das Bankhaus ermächtigt habe, dem Stiftungsrat Instruktionen zu
erteilen und dieses daher in seinem Auftrag die Investitionsentscheidungen getroffen habe, "zumal ja der
Stiftungsvorstand ohne entsprechende Weisung (abgesehen von Gefahr im Verzug) gar nicht handeln darf".
Diese Vereinbarung habe auch der Darstellung in der Selbstanzeige unter Punkt 1.6. entsprochen, wonach die
"Investitions- und Deinvestitionsentscheidungen" vom Bankhaus - ohne Einfluss der Stiftungsräte - getroffen
worden seien. Der in der Berufung und in der Berufungsverhandlung von der steuerlichen Vertretung
vorgenommene Vergleich mit der Vermögensveranlagung österreichischer Privatstiftungen, bei denen die
Veranlagungsentscheidungen ebenfalls durch Banken getroffen würden, sei insofern nicht zutreffend, als nach
österreichischem Recht die Bank vom Stiftungsvorstand und nicht vom Stifter mit der Veranlagung beauftragt
werde. Dass es sich bei dem vorliegenden Mandatsvertrag um einen so genannten "weichen" Mandatsvertrag
gehandelt habe (bei welchem der Stiftungsrat selbständig handeln dürfe, wenn dies zur Wahrung der Interessen
der Stiftung erforderlich sei und Instruktionen nicht zeitgerecht eingeholt werden könnten), könne an der
rechtlichen Beurteilung nichts ändern. Unabhängig davon, ob der Mandatsvertrag "hart oder weich" ausgestaltet
sei, in beiden Fällen seien die Stifter bzw. die Begünstigten berechtigt, dem Stiftungsrat jederzeit Weisungen zu
erteilen. Der tatsächliche Ein- und Zugriff auf die Stiftungsverwaltung wäre nur bei liechtensteinischen
Ermessensstiftungen (Familienstiftung ohne Mandatsvertrag) von Bedeutung.
In der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich die beschwerdeführende
Partei in den gesetzlich gewährleisteten subjektiven Rechten verletzt, "dass die Einkünfte nicht dem Stifter (W.),
sondern der liechtensteinischen (Familienstiftung A.) zugerechnet werden; und dass das Verfahren bezüglich der
Einkommensteuer für die Jahre 2000 und 2001 wegen Verjährung (Vorliegen eines Irrtums bzw. einer
vertretbaren Rechtsansicht) nicht aufzunehmen war und seitens der belangten Behörde dennoch wieder
aufgenommen wurde".
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift
durch die belangte Behörde erwogen:
Die steuerrechtliche Frage, wem das Einkommen bzw. Einkünfte oder Einnahmen zuzurechnen sind (§ 2
Abs. 1 EStG 1988), ist in erster Linie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden (vgl. zuletzt etwa
das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2014, 2011/15/0106). Entscheidend ist, ob das Zurechnungssubjekt über die
Einkunftsquelle verfügt, also wirtschaftlich über diese disponieren und so die Art ihrer Nutzung bestimmen kann
(vgl. beispielsweise Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG-Kommentar, § 2 Tz 97). Für Zwecke der
Einkünftezurechnung ist nicht zwischen In- und Auslandssachverhalten zu unterscheiden (vgl. Fuchs, aaO, § 2
Tz 113, Lang, Steuerlicher "Durchgriff" durch liechtensteinische Stiftungen?, ÖStZ 2011/172, 112, sowie das
hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2010, 2008/13/0012, VwSlg. 8603/F). Die Frage, ob Einkünfte einer in
Liechtenstein ansässigen Stiftung oder aber den Stiftern oder den Begünstigten zuzurechnen sind, ist nach den
dafür maßgeblichen Grundsätzen des österreichischen Rechts zu beurteilen (vgl. Lang, aaO, 113).
Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Auffassung vertreten, "selbst wenn" die in Rede
stehende liechtensteinische Familienstiftung ein der österreichischen Privatstiftung entsprechender Rechtstypus
sei, seien die Einkünfte aus dem Stiftungsvermögen dem Stifter (und Erstbegünstigten) W. zuzurechnen
gewesen. Dieser habe nämlich trotz formeller Übertragung des Vermögens an die FL-Familienstiftung das
Vermögen nicht aus der Hand gegeben, wobei es auch nicht wesentlich sei, ob der vorliegende Mandatsvertrag
"hart oder weich" ausgestaltet gewesen sei. Schon diese Begründungslinie trägt den angefochtenen Bescheid.
Die Frage, ob die FL-Familienstiftung im Rahmen eines so genannten "Typenvergleichs" nach dem
Beschwerdevorbringen mit einer "österreichischen Privatstiftung nach dem PSG" vergleichbar sei, kann damit
dahingestellt bleiben (zur Trennung der Frage der Steuerrechtssubjektivität von der Frage, ob bestimmte
Einkünfte der liechtensteinischen Stiftung deren Stiftern, Begünstigten oder anderen Personen zuzurechnen sind,
vgl. z.B. Lang, aaO, 111, sowie Tanzer, Liechtensteinische (Privat-)Stiftungen und ihre typenmäßige
Einordnung sowie Einkünfteträgerschaft im österreichischen Ertragssteuerrecht, ZfS 2012/1, 19 f). Sind der
ausländischen Struktur das "Stiftungsvermögen" und die daraus generierten Einkünfte nicht zuzurechnen, kommt
ihr auch keine "Abschirmwirkung" zu (vgl. Schuch/Hammer, Ausländische Strukturen und vergleichbare
Strukturen im österreichischen Abgabenrecht, in Cerha/Haunold/Huemer/Schuch/Wiedermann (Hrsg.),
Stiftungsbesteuerung, Wien 2011, 211).
Einkünfte aus Kapitalvermögen sind demjenigen zuzurechnen, dem die Befugnis oder auch nur die
faktische Möglichkeit zur entgeltlichen Nutzung der fraglichen Wirtschaftsgüter zukommt (vgl. z.B. Ruppe in
Ruppe (Hrsg.), Familienverträge2, 141). Die Zurechnung von passiven Einkünften (also insbesondere auch
solchen aus Kapitalvermögen) erfolgt grundsätzlich an denjenigen, der das (wirtschaftliche) Eigentum an den die
Einkünfte generierenden Vermögenswerten hat (vgl. in diesem Sinne Lechner, Überlegungen zur
Einkünftezurechnung an ausländische Stiftungen, in FS Tanzer, Wien 2014, 156, Hammer, Ausländische
www.ris.bka.gv.at
Seite 4 von 6
Verwaltungsgerichtshof
25.02.2015
Stiftungen und vergleichbare Strukturen im österreichischen Steuerrecht, Wien 2012, 72, sowie das Urteil des
BFH vom 22. Dezember 2010, I R 84/09, DStR 16/2011,755).
An der Dispositionsbefugnis des Treugebers in Bezug auf die Zurechnung der Einkünfte aus einem
Treuhandvermögen ändert sich durch die Betrauung eines Treuhänders mit dessen Verwaltung nichts (vgl. das
hg. Erkenntnis vom 20. September 1988, 87/14/0167, VwSlg. 6352/F). Bei der Treuhandschaft bleibt die
Dispositionsbefugnis im Innenverhältnis beim Treugeber, weshalb diesem die Einkünfte zugerechnet werden
(vgl. z.B. Zorn,
Die Zurechnung von Einkünften unter dem Aspekt der Zwischenschaltung von Auslandsgesellschaften, in
FS Doralt, Wien 2007, 531, mwN). Mandatsverträge sind Bevollmächtigungsverträge nach liechtensteinischem
Recht, die einem Auftrag nach den §§ 1002 ff öABGB vergleichbar sind (vgl. z.B. Toifl, Nochmals: Die
liechtensteinische Familienstiftung im österreichischen Abgabenrecht, RdW 2008/387, 428). Deren Abschluss
führt zu einer Sonderform der Treuhandschaft (vgl. auch Lechner, aaO, 158, mwN), wobei es weiters nicht
darauf ankommt, ob der Mandatsvertrag "hart" oder "weich" ausgestaltet ist; entscheidend ist, dass die
Mandatsverträge den Stifter bzw. die Begünstigten berechtigen, dem Stiftungsrat jederzeit Weisungen zu
erteilen, ohne dass es auf den tatsächlichen Eingriff ankäme (vgl. z.B. Haunold/Wehinger,
Die liechtensteinische Stiftung, in Cerha/Haunold/Huemer/Schuch/Wiedermann (Hrsg.), 236 f und 246). Sind
die Stiftungsräte verpflichtet, das Mandat nach den Weisungen der zur Erteilung von Instruktionen Berechtigten
auszuüben, und sind sie zu selbständigem Handeln nur dann befugt, wenn dies zur Wahrung der Interessen des
Auftraggebers erforderlich ist, ist in der Regel davon auszugehen, dass das Vermögen im wirtschaftlichen
Eigentum des Stifters verbleibt und damit die Einkünfte dem Stifter zuzurechnen sind (vgl. in diesem Sinne
ebenfalls zur Zurechnung bei Vorliegen von Mandatsverträgen:
Schuch/Hammer, aaO, 214 f, Toifl, aaO, derselbe, Liechtensteinische Stiftungen - Irrwege der Intransparenz,
taxlex 2008, 234 ff, Hosp, Liechtensteinische Stiftungen im Lichte des österreichischen Steuerrechts,
ÖStZ 2008/391, 195, Schuchter, Die Behandlung von liechtensteinischen Stiftungen im österreichischen
Abgabenrecht, NZ 10/2009, 294 f, Mayr, Liechtensteinische Stiftungen steuerlich anerkennen?, RdW 2012/455,
433 ff, Beiser, Ertragsteuerrechtliche Zurechnung bei Stiftungen in Liechtenstein nach der Ruppe-Formel, RdW
2012/724, 694, und Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG16, § 27 Tz 275).
In der Beschwerde wird u.a. vorgebracht, sofern auf Grund des Anhanges zum Mandatsvertrag vom
7. April 1998 eine Zurechnung an die FL-Familienstiftung abzulehnen sein sollte, seien die Einkünfte nicht W.,
sondern "dem vermögensverwaltenden ausländischen Bankinstitut zuzurechnen, da diesem Bankinstitut das
Weisungsrecht gegenüber dem Stiftungsrat zukommt und (es) die entsprechenden Investitions- und
Deinvestitionsentscheidungen getroffen hat".
Zu Recht weist die belangte Behörde dazu in der Gegenschrift darauf hin, dass bei der Beauftragung eines
Bankinstitutes mit der (treuhändigen) Vermögensverwaltung die Einkünfte weiter dem Vollmachtgeber
zuzurechnen sind. Eine Zurechnung des Vermögens und der Einkünfte an das Bankinstitut findet auch noch
nicht deshalb statt, weil dieses im Rahmen ihres Auftrages zur Vermögensverwaltung
Veranlagungsentscheidungen ("Investitions- und Deinvestitionsentscheidungen") trifft. Inwieweit das Bankhaus
nach dem Beschwerdevorbringen darüber hinaus "Vermögensveranlagungsentscheidungen selbständig ohne
Einfluss des Stifters vorgenommen hat", die - ausnahmsweise - die Zurechnung des veranlagten Vermögens und
der daraus erzielten Einkünfte an das Bankinstitut rechtfertigten könnten, wird in der Beschwerde nicht plausibel
gemacht; auch die Relevanz eines diesbezüglich geltend gemachten Verfahrensmangels wegen unterbliebener
Aufforderung "zur Vorlage entsprechender Dokumente" wird in diesem Zusammenhang nicht aufgezeigt.
Die im vorliegenden Beschwerdefall bestehende Besonderheit, dass nach dem Anhang zum Mandatsvertrag
vom 7. April 1998 dem seitens W. bevollmächtigten Bankinstitut auch die Ermächtigung eingeräumt war, dem
Stiftungsrat Instruktionen zu erteilen, änderte damit nichts an der Zurechnung des Vermögens und der Einkünfte
an W., den die belangte Behörde im Sinne der oben dargestellten Zurechnungsgrundsätze zu Recht als
wirtschaftlichen Eigentümer des Vermögens in der Art eines Treugebers angesehen und somit als Subjekt der
Zurechnung der Einkünfte gewertet hat. Dass W. tatsächlich nicht die Möglichkeit gehabt hätte, seinen Willen
hinsichtlich des in Rede stehenden Vermögens durchzusetzen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch das
hg. Erkenntnis vom 29. September 2010, 2005/13/0079, VwSlg. 8586/F) oder diesbezüglich Weisungen zu
erteilen, wird im Übrigen auch in der Beschwerde nicht konkret behauptet.
War nach dem Gesagten davon auszugehen, dass W. über das der FL-Familienstiftung gewidmete
(offensichtlich in einer schweizerischen Bank deponierte) Vermögen weiterhin gleichsam wie über sein eigenes
Bankkonto verfügen konnte (vgl. in diesem Sinne nochmals beispielsweise Toifl, RdW 2008/387, 432, und
Mayr, aaO), widersprach es weiters nicht der Lebenserfahrung oder den Denkgesetzen, wenn die belangte
Behörde zur Bemessung der verlängerten Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 BAO von hinterzogenen Abgaben
ausging. Weshalb bei dem solcherart tatsächlich nicht aus der Hand gegebenen Vermögen eine vertretbare
Rechtsansicht oder ein Irrtum hinsichtlich einer Steuerpflicht der aus diesem Vermögen generierten Einkünfte in
Österreich vorgelegen sein sollte, macht die Beschwerde nicht einsichtig, die sich auch nicht gegen die Annahme
der belangten Behörde zur Kenntnis des W. über die grundsätzliche Steuerpflicht von ausländischen
Kapitaleinkünften wendet. Zur Annahme des bedingten Vorsatzes konnte sich die belangte Behörde im Rahmen
der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Schlüssigkeitskontrolle unterliegenden Beweiswürdigung
www.ris.bka.gv.at
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Verwaltungsgerichtshof
25.02.2015
(vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 5. April 2001, 2000/15/0150, und vom 22. April 2009, 2004/15/0001) zudem zu
Recht als Indizien auf das (vollständige) Verschweigen der Vermögenswidmung an die FL-Familienstiftung
gegenüber den österreichischen Abgabenbehörden und die notorische Attraktivität Liechtensteins als so genannte
Steueroase (vgl. dazu beispielsweise Mattes, Die liechtensteinische Familienstiftung, ein Weg zur
Steuervermeidung?, FJ 1992, 133 ff, Schilchegger, Die steuerliche Attraktivität liechtensteinischer Stiftungen,
RdW 1997/4, 231 ff, sowie Mayr, aaO) stützen (vgl. in diesem Zusammenhang auch das bereits von der
belangten Behörde angesprochene Urteil des OGH vom 19. März 2009, 13 Os 105/08b).
Die Beschwerde erweist sich damit insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG
abzuweisen. Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGHAufwandersatzverordnung 2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 25. Februar 2015
www.ris.bka.gv.at
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GZ. RV/7101339/2011
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri. in der Beschwerdesache der Bf.
gegen die Bescheide des FA Wien 1/23
vom 29. März 2010 betreffend Körperschaftsteuer der Jahre 2005, 2006 und 2007 sowie
vom 2. Dezember 2011 betreffend Körperschaftsteuer der Jahre 2008 und 2009 zu Recht
erkannt:
Den Beschwerden wird teilweise stattgegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage
angeschlossenen drei Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil
dieses Bescheidspruches.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Bf., eine Stiftung mit Sitz in Wien, wurde 1976 nach dem Bundes-Stiftungs- und
Fondsgesetz errichtet. Die gegenständlich maßgebliche Stiftungssatzung wurde mit
Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 23.6.1978 stiftungsbehördlich
genehmigt.
Für die Stiftung hatten nach der Stiftungssatzung die folgenden Bestimmungen zu
gelten:
§ 2 Zweck der Stiftung
Die Stiftung dient dazu, strebsamen jungen Männern und Frauen, denen nach erlangtem
Doktorate der Rechte, der Staatswissenschaften oder der Volkswirtschaften ausreichende
Mittel zur weiteren Ausbildung fehlen, diese Mittel zu bieten. Dieser Zweck wird durch die
Verwendung der Reinerträgnisse des Stiftungsvermögens verfolgt.
§ 3 Vermögen der Stiftung
(1) Häuser ...
(2) Wertpapiere ...
§ 4 Verwendung der Reinerträgnisse
Der jährliche Reinertrag ist vom Kuratorium am 1. November jeden Jahres zur Verleihung
von Stipendien zu verwenden. Die Anzahl und die Höhe der Stipendien wird vom
Kuratorium anlässlich der am Ende des Kalenderjahres durchzuführenden Abrechnung
der Erträgnisse des Stiftungsvermögens für das folgende Jahr festgesetzt, wobei
Stipendien an Doktoren des Rechts einerseits und an Doktoren der Staatswissenschaften
oder der Volkswirtschaften andererseits nach Maßgabe gleichqualifizierter Bewerber im
Verhältnis 3:1 zu verleihen sind. ...
(2) Die Stipendien sind vom Kuratorium in der Wiener Zeitung unter Angabe der
Verleihungsbedingungen zur Bewerbung auszuschreiben. Das Kuratorium hat die
rechtswissenschaftlichen sowie die sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten
der österreichischen Universitäten zu ersuchen, die Auschreibung der Stipendien in
geeigneter Form bekanntzugeben.
(3) Die Stipendien sind für ein Jahr zu verleihen und können demselben Bewerber
höchstens fünfmal verliehen werden. ...
(4) Die Verleihung eines Stipendiums ist an den Nachweis folgender Bedingungen
gebunden:
a) Abstammung von christlichen Eltern
b) Doktorat der Rechte, der Staatswissenschaften oder der Volkswirtschaften einer
österreichischen Universität
c) Mangel an zureichenden eigenen finanziellen Mitteln zur sorglosen Fortsetzung der
wissenschaftlichen Ausbildung
d) unbescholtenes Vorleben
(5) Unter den nach Abs. 4 qualifizierten Bewerbern haben
a) Bewerber, die bei Ablauf des Bewerbungstermines noch nicht fünf Jahre lang Doktoren
der Rechte, Staatswissenschaften oder der Volkswirtschaften sind, Vorrang vor jenen
Bewerbern, die schon älter im Doktorate sind.
b) Aus Wien und Niederösterreich stammende Bewerber haben den Vorzug vor anderen
Bewerbern, die aus den übrigen Bundesländern stammen; Inländer den Vorzug vor
Ausländern.
c) Unter den in gleicher Stellung innerhalb der einzelnen lit. a-b konkurrierenden
Bewerbern gibt das während des bisherigen Studienganges bewiesene größere Maß
an Talent und Strebsamkeit und nur bei sonst gleicher Würdigung der größere Grad der
Mittellosigkeit den Ausschlag.
...
§ 6 Kuratorium
...
(7) Die Mitglieder des Kuratoriums haben Anspruch auf eine ihrer Tätigkeit angemessene
Entschädigung, die mit den Erträgnissen der Stiftung im Einklang stehen und durch die
Stiftungsbehörde genehmigt werden muss.
...
§ 8 Auflösung der Stiftung
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Bei Auflösung der Stiftung fällt ihr Vermögen zu drei Viertel an die
rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien, zu einem Viertel an die sozialund wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien, an beide mit der Auflage
satzungsgemäßer Verwendung.
Den der Behörde, u. aus den Jahren 2004, 2008 und 2009, vorliegenden,
jeweiligen Aushängen an den Universitäten war u.a. zu entnehmen:
...
Da eine Verleihung(Anmerk.: eines Stipendiums) gebunden ist an den Nachweis
1. der Abstammung von christlichen Eltern
2. der Unbescholtenheit
3. eines Doktorats der Rechte, der Staats- oder der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
Studienrichtung Volkswirtschaft
4. des Mangels ausreichender eigener Mittel zur sorglosen Fortsetzung der
wissenschaftlichen Ausbildung;
haben Bewerbungen Nachweise zu Ziff. 1. - 3. und über die Vermögensund Einkommensverhältnisse (Ziff. 4) zu enthalten sowie Angaben über die
Staatsbürgerschaft, die Herkunft aus den Bundesländern und vor allem über die
bisherigen Leistungen des Bewerbers. Nur solche Doktoren sollen sich bewerben, die
sich im Falle ihrer Berücksichtigung unter Berufung auf ihren Doktoreid verpflichten
werden, während des folgenden Jahres ihre rechts-, staats- oder sozial- und
wirtschaftswissenschaftlichen Studien ernstlich fortzusetzen und sich unter der
Kontrolle einer öffentlichen Behörde für eine gemeinnützige Wirksamkeit gewissenhaft
vorzubereiten, andernfalls den Stipendienbetrag zurückzuerstatten. Doktoren, die
aus den Mitteln der Stiftung bereits einmal gefördert worden sind, sind vom Bezug
weiterer Stipendien ausgeschlossen; nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände, die
nachzuweisen sind, ist eine Bewerbung solcher Personen sinnvoll.
...
- Körperschaftsteuer der Jahre 2005 bis 2007
Im Jahr 2010 fand bei der Bf. u.a. hinsichtlich der Umsatz- und Körperschaftsteuer der
Jahre 2005 - 2007 eine Außenprüfung (AP) statt (Bericht vom 26.3.2010).
Infolgedessen wurden Feststellungen zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht der
Bf. getroffen.
Die AP hielt fest, dass sich im Vermögen der Bf. 3 Miethäuser im Eigentum sowie 1
Miethaus im Miteigentum befanden.
Die Einkünfte aus der Vermietung dieser Häuser wurden bisher zwar regelmäßig der
Umsatzsteuer unterzogen, jedoch hinsichtlich der Körperschaftsteuer nicht erklärt. Dies
offenbar deswegen, da die Bf. durch den Stiftungsvorstand wegen Gemeinnützigkeit als
beschränkt steuerpflichtig behandelt wurde.
Unter Verweis auf die erforderlichen Voraussetzungen für eine steuerliche Begünstigung
iSd §§ 34 ff. BAO hielt die AP fest.
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Die Stiftung habe den Zweck der "Förderung der Fortbildung strebsamer junger Frauen
und Männer auf dem Gebiete der Rechtswissenschaften sowie der Volkswirtschaftslehre".
In Verfolgung dieses Zweckes zahle die Bf. Geld an Personen aus, die bereits ein Studium
erfolgreich abgeschlossen haben und ein zweites Studium betreiben.
Dies stelle jedoch keine Förderung der Wissenschaft bzw. von Aus- und Fortbildung dar.
Da auch eine Ausrichtung nach den Kriterien der Hilfsbedürftigkeit fehle, sei auch keine
Verfolgung mildtätiger Zwecke gegeben.
Die Bf. könne daher keine steuerlichen Begünstigungen gem. den §§ 34 ff. BAO in
Anspruch nehmen.
Es handle sich um eine eigennützige Stiftung, die als unbeschränkt steuerpflichtige
juristische Person des privaten Rechts mit allen erzielten Einkünften iSd EStG der
Körperschaftsteuer unterliege.
In den Prüfungsjahren 2005 bis 2007 seien nur Einkünfte aus der Vermietung der vier sich
im Eigentum bzw. Miteigentum befindlichen Miethäuser erzielt worden.
Es handelte sich um die Objekte Hausgemeinschaft; L-Gasse28; S-Gasse24 und MGasse61.
Die im Prüfungsbericht vom 26.3.2010 unter Tz. 2 - lit a - d dargestellte Ermittlung
der steuerlichen Einkünfte aus der Vermietung der vier Häuser, sei aufgrund der
vorgelegten Hauseigentümer-Abrechnungen, der Betriebskosten-Abrechnungen, der
Stiftungsabrechnungen, der Buchhaltungsunterlagen der Hausverwaltung und der
zugehörigen Belege erfolgt.
Bei den beiden vermieteten Gebäuden S-Gasse24 und M-Gasse61, handelte es sich um
vor dem Jahr 1915 erbaute Objekte, die der Bf. im Jahr 1976 gewidmet wurden.
Da diese Mietobjekte unentgeltlich erworben und durchgehend vermietet worden seien,
seien auf Antrag die fiktiven Anschaffungskosten im Zeitpunkt des unentgeltlichen
Erwerbes (1976) als Afa-Bemessungsgrundlage anzusetzen gewesen. Die durchgeführte
Ermittlung der Anschaffungskosten und die Berechnung der Afa basiere auf den Daten
aus der Hausverwaltungs-Abrechnung aus 1976. Die ermittelte Afa betrage Euro 347,64
bzw. Euro 537,06 jährlich.
Weiters seien für das Objekt S-Gasse24, die in den Abrechnungen nicht enthaltene
15tel Afa für den Lifteinbau sowie für das Objekt M-Gasse61, abzugsfähige
Instandsetzungskosten für 2006 und 2007 sowie einige Ausgabenkorrekturen in die
Berechnung der Einkünfte aus der Vermietung eingeflossen.
Die im Zusammenhang mit der Vergabe der Stipendien stehenden
Aufwandsentschädigungen iHv Euro 6.000,00 aus dem Jahr 2007 stellten keine
steuerlichen Ausgaben bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung dar und seien
daher nicht abzugsfähig gewesen.
Die auf Basis der Berechnungen der AP ermittelten Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung der Jahre 2005 bis 2007 wurden der Bemessung der Körperschaftsteuer
zugrunde gelegt. Seitens der Abgabenbehörde wurden die entsprechenden Bescheide
mit Datum 29. März 2010 erlassen.
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Gegen die angeführten Bescheide vom 29. März 2010 wurde rechtzeitig mit Schreiben
vom 28. April 2010 Berufung erhoben.
Die Bf. führte darin u.a. aus, dass der Schwerpunkt der Berufung die Frage der
Gemeinnützigkeit sei, welche ihr in der AP aberkannt worden sei.
Sollte eine Gemeinnützigkeit nicht vorliegen, so sei die Berechnung der
Anschaffungskosten der der Bf. unentgeltlich zugewendeten Liegenschaften für
die Bemessung der Afa unrichtig durchgeführt worden. Die AP habe die fiktiven
Anschaffungskosten der im Jahr 1976 gewidmeten Liegenschaften herangezogen.
Da die Bf. erst im Jahr 1978 gegründet worden sei, sei der Zeitpunkt der erstmaligen
Einkunftserzielung heranzuziehen. Es werde von einer erstmaligen Einkunftserzielung im
Jahr 1976!, somit vor Gründung der Bf. ausgegangen.
Nach Ansicht der Bf. sei die Frage der Erzielung von Einkünften erstmals im Jahr 2005
untersucht worden. Es seien daher die fiktiven Anschaffungskosten zum 1.1.2005 als AfaBasis heranzuziehen.
Hieraus ergebe sich für das Objekt S-Gasse24, unter Berücksichtigung eines 20%igen Abschlages für Reparaturen und Instandhaltungen ein Jahresmietertrag von
Euro 39.140,00 und hieraus abgeleitet fiktive Anschaffungskosten für das Gebäude iHv
Euro 626.252,80. Dies führe zu einer Afa iHv jährlich Euro 12.525,00.
Nach gleicher Berechnungsweise ergebe sich für das Objekt M-Gasse61, eine jährliche
Afa iHv Euro 12.397,00.
Abzüglich der bisher seitens der AP berücksichtigten Afa seien daher die Einkünfte in den
Jahren 2005 bis 2007 um jeweils Euro 24.037,30 jährlich zu reduzieren.
Des weiteren seien die Aufwandsentschädigungen des Stiftungskuratoriums mit jährlich
jeweils Euro 6.000,00 unberücksichtigt geblieben.
Zur Frage der Gemeinnützigkeit sei drauf verwiesen, dass der Prüfung eine umfangreiche
Korrespondenz des Kuratoriums der Stiftung mit der Abgabenbehörde vorausgegangen
sei. Die Bf. sei mit Schreiben vom 2.8.2007 aufgefordert worden die Stiftungssatzung
anzupassen. Die Bf. habe entsprechend den Anregungen der Abgabenbehörde die
Statuten geändert und der Behörde vorgelegt. Hierbei sei in § 2 der Zweck der Stiftung
angepasst und eine im Sinne der Stiftungsrichtlinien konforme Bestimmung für den Fall
der Auflösung der Bf. geschaffen worden.
Mit Schreiben vom 14.7.2009 sei durch die Abgabenbehörde mitgeteilt worden, dass
Geldzuwendungen an nicht iSv § 37 BAO hilfsbedürftige Personen keine Verfolgung
unmittelbar gemäß § 34 ff BAO steuerlich begünstigter Zwecke darstellen.
Die Bf. werde in wenigen Wochen eine nochmals adaptierte Stiftungssatzung vorlegen,
nach welcher die Gemeinnützigkeit der Bf. auch zukünftig gegeben sein werde.
Gemäß § 35 (2) BAO liege eine Förderung der Allgemeinheit vor, wenn die Wissenschaft
gefördert werde. Stiftungszweck sei die Forschung und Weiterentwicklung von
Kenntnissen auf dem Gebiet der Rechtswissenschaften sowie der Volkswirtschaftslehre.
Für herausragende Arbeiten auf diesen Gebieten werden Stipendien verliehen. Eine der
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Voraussetzungen der wissenschaftlichen Arbeiten sei ein Forschungsansatz der Arbeiten
auf universitärem Niveau.
Eine Förderung der Wissenschaft liege vor, wenn eine Körperschaft Forschungsaufträge
erteilt (VwGH 9.7.1997, 94/13/0209 u.a.). Auch die Interpretation der gesetzlichen
Bestimmung in Rz 80 der Vereinsrichtlinien in die Richtung, dass nur die Förderung von
Grundlagenforschung als Erweiterung des menschlichen Wissenstandes begünstigt sei,
spreche für die Gemeinnützigkeit im vorliegenden Fall.
Es seien ausschließlich Stipendien an Personen erteilt worden, welche ihr Studium bereits
abgeschlossen hatten und sich weiterhin im wissenschaftlichen Bereich betätigen.
Die seit mehr als hundert Jahren bestehende Bf. versuche sich stetig an die geänderten
gesetzlichen Rahmenbedinungen anzupassen. Mit der nunmehr vorliegenden
Stiftungssatzung werde es auch möglich sein, in Hinkunft weiterhin als gemeinnützige
Stiftung den vom Stifter vor mehr als hundert Jahren formulierten wissenschaftlichen
Zweck weiter zu verfolgen.
Mit dem Rechtsmittel wurde die ersatzlose Aufhebung der Körperschaftsteuerbescheide
2005, 2006 und 2007, allenfalls die Reduktion der der Körperschaftsteuer zugrunde
liegenden Bemessungsgrundlage um jährlich Euro 30.037,30, beantragt.
In ihrer Stellungnahme zur Berufung, datiert 15. September 2010, hielt die AP u.a. fest.
Die Einwendungen der Bf. richten sich zwar grundsätzlich gegen die Aberkennung
der Gemeinnützigkeit, jedoch hinsichtlich einer gegebenenfalls nicht vorliegenden
Gemeinnützigkeit nur gegen die Berechnungen der Afa bezüglich der Objekte S-Gasse24
und M-Gasse61.
Die beiden Objekte seien der Bf. als Vermögen gewidmet worden und verfüge diese ab
28.4.1978 über das jeweilige Eigentumsrecht. Als Bemessungsgrundlage für die Afa der
beiden Objekte seien die fiktiven Anschaffungskosten der Gebäude heranzuziehen, da
diese im Jahr 1978 unentgeltlich erworben worden seien.
Dem Argument der Bf., dass die Frage der Erzielung von Einkünften erstmals im Jahr
2005 untersucht worden sei und daher die fiktiven Anschaffungskosten zum 1.1.2005
heranzuziehen seien, wurde entgegnet, dass die Gebäude seit der unentgeltlichen
Widmung im Jahr 1978 zur Erzielung von Mieteinkünften genutzt worden seien. Die Art
der Vermietungs-Tätigkeit habe sich seit 1978 nicht geändert. Da die Voraussetzungen der
steuerlichen Begünstigung gem. §§ 34 ff BAO nicht gegeben seien, seien die Einkünfte
aus der Vermietung bereits seit 1978 körperschaftsteuerpflichtig gewesen. Als Zeitpunkt
der erstmaligen Einkünfteerzielung sei daher der 28.4.1978 (nicht 1976) heranzuziehen
und bei der Ermittlung der fiktiven Anschaffungskosten und Afa zu berücksichtigen.
Zum Einwand der Bf. hinsichtlich der nicht berücksichtigten Aufwandsentschädigungen
des Stiftungskuratoriums hielt die AP fest.
Die seitens der Bf. bezifferten Euro 6.000,00 seien insoweit falsch, als laut den
vorgelegten Buchhaltungskonten im Jahr 2005 und 2006 nur Euro 4.400,00 und im Jahr
2007 Euro 6.000,00 zur Auszahlung gelangt seien.
Seite 6 von 16
Die Aufwandsentschädigung könne nicht zur Gänze der Vermietungstätigkeit der Bf.
zugeordnet werden. Sie stünde auch mit der Stipendiumsvergabe in Zusammenhang.
Es bestünden jedoch aufgrund der Tätigkeit der Kuratoriumsmitglieder seitens der AP
keine Bedenken jeweils 50% der jährlich ausbezahlten Aufwandsentschädigungen dem
Bereich der Vermietung zuzuordnen und als Ausgabe im Fall der nicht vorliegenden
Gemeinnützigkeit anzuerkennen.
Der Stellungnahme lagen u.a. die Berechnungen der Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung auf Basis der angefochtenen Bescheide (der Feststellungen des APBerichtes) unter Berücksichtigung der anteiligen Aufwandsentschädigung bei.
Die Stellungnahme wurde der Bf. zur Gegenäußerung übermittelt. In ihrem Schreiben
vom 16. November 2010 gab die Bf. zum vorgeschlagenen Kompromiss zur
Berücksichtigung der Aufwandsentschädigung an, dass es sich dabei um eine taugliche
Schätzungsgrundlage für die anzuerkennende Betriebsausgabe handle.
Zu den Ausführungen der AP zur Berechnung der Anschaffungskosten der beiden in
Rede stehenden Objekte und Unterstellung des Beginns der Einkünfteerzielung mit
dem Jahr 1978, hielt die Bf. fest, dass sie nicht von einer Körperschaftsteuerpflicht ab
1978 ausgehe. Wenn die Bf. mit Schreiben vom 2.8.2007 durch die Abgabenbehörde
aufgefordert worden sei die Stiftungssatzung anzupassen, dann müsse zumindest zu
diesem Zeitpunkt noch von einer Gemeinnützigkeit ausgegangen werden.
Im Übrigen gehe die Bf. davon aus, dass eine Gemeinnützigkeit nach Anpassung
der Stiftungssatzung durchgehend vorgelegen sei. Sollte allenfalls die seit mehr als
hundert Jahren vorliegende Gemeinnützigkeit für drei Jahre unterbrochen worden sein,
so stelle wohl dieser Zeitraum bzw. der Beginn dieses Zeitraums auch den Beginn
der Einkunftserzielung dar und sind die Verhältnisse zu Beginn dieses Zeitraums der
Abschreibung zugrunde zu legen.
Zur Frage der Gemeinnützigkeit generell brachte die Bf. vor.
Die Bf. sei mit Schreiben vom 2.8.2007 aufgefordert worden die Stiftungssatzung an die
geänderten Auslegungsbestimmungen der im Übrigen unverändert geltenden Rechtslage
§ 34 BAO anzupassen.
Innerhalb der von der Abgabenbehörde im Zuge einer Vorsprache des
Kuratoriumsmitglieds gewährten Frist von 2 Jahren habe das Kuratorium der Bf. in
den Jahren 2009 und 2010 in mehreren Sitzungen einerseits die Stiftungsurkunde
durchgreifend geändert und andererseits die Organisation der Stiftung an die geänderten,
neuen Stiftungsbestimmungen angepasst. Die geänderten Stiftungsbestimmungen
seien aktenkundig. Mit Schreiben vom 10.9.2010 sei bestätigt worden, dass die
Voraussetzungen für die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit gemäß den §§ 34 ff BAO
erfüllt seien.
- Körperschaftsteuer der Jahre 2008 und 2009
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Die Abgabenbehörde erließ mit Datum 2. Dezember 2011 die Bescheide zur
Körperschaftsteuer der Jahre 2008 und 2009.
In der Begründung wurde angegeben, dass wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen
die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege ermittelt worden seien.
Das Einkommen wurde jeweils iHv Euro 160.000,00 aus Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung geschätzt und die Körperschaftsteuer mit Euro 40.000,00 festgesetzt.
Mit Schreiben vom 15. Dezember 2011 wurde gegen die angeführten Bescheide
rechtzeitig Berufung erhoben.
Die Bf. gab an mit Schreiben vom 11. August 2011 die Körperschaftsteuererklärung
2009 eingereicht zu haben. In dieser seien aufgrund der nach Rechtsansicht der Bf.
vorliegenden Gemeinnützigkeit keine Einkünfte ausgewiesen gewesen. Offenbar sei
dieser Rechtsansicht nicht gefolgt worden und sei für das Jahr 2009 das Vorliegen der
Körperschaftsteuerpflicht angenommen worden. Doch auch in diesem Fall wären die
Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2009 aufgrund der bereits am 11. August 2011
übermittelten Aufstellung eindeutig zu bestimmen gewesen.
Es wurde die Festsetzung der Körperschaftsteuer 2009 auf Basis der Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung gemäß der beiligenden Unterlage iHv Euro 102.840,26
beantragt.
Auch für das Jahr 2008 sei das Vorliegen der Körperschaftsteuerpflicht angenommen
worden und die Besteuerungsgrundlagen gem. § 184 BAO geschätzt worden.
Die Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2008 könnten jedoch ebenfalls eindeutig
ermittelt werden. Es werde daher die Aufstellung der Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung der Bf. für das Jahr 2008 übermittelt.
Es wurde die Festsetzung der Körperschaftsteuer 2008 auf Basis dieser Einkünfte iHv
Euro 128.743,38 beantragt.
In den Akten der Abgabenbehörde befand sich ein Entwurf geänderter Statuten
der Bf. Dazu erging mit Datum 10.9.2010 ein Auskunftsschreiben an die Bf. in dem
die Abgabenbehörde bestätigte, dass dieser Entwurf die Voraussetzungen für die
Zuerkennung der Gemeinnützigkeit gem. den §§ 34 ff. BAO erfüllt.
Es wurde mit dem Schreiben darauf hingewiesen, dass nur bei entsprechender
tatsächlicher Geschäftsführung die steuerlichen Begünstigungen für gemeinnützige
Einrichtungen zustehen.
In der Folge wurde die geänderte Stiftungssatzung mit Bescheid des Amtes der Wiener
Landesregierung vom 10. Jänner 2011 stiftungsbehördlich genehmigt. Die diesbezügliche,
an die Abgabenbehörde gerichtete, Information der MA 62 langte am 1. April 2011 bei der
Abgabenbehörde ein.
Seite 8 von 16
Über die Beschwerde wurde erwogen
Zuständigkeit:
Im Sinne des § 323 Abs. 38 BAO gF sind durch das Bundesfinanzgericht (BFG) die am
31. Dezember 2013 beim Unabhängigen Finanzsenat (UFS) als Abgabenbehörde zweiter
Instanz anhängigen Berufungen als Beschwerden iSd Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Gegenständlich ist somit über die nunmehr als Beschwerden geltenden Berufungen der
Bf. zu entscheiden.
Körperschaftsteuer der Jahre 2005 bis 2009
Gemäß § 1 Abs. 2 KStG 1988 sind Körperschaften unbeschränkt steuerpflichtig, die
im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz haben. Dazu zählen gemäß Z. 1 par. cit.
juristische Personen des privaten Rechts, worunter auch die Stiftungen und Fonds nach
dem Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz zu verstehen sind.
Gemäß § 4 Abs. 1 KStG 1988 sind Körperschaften iSd § 1 Abs. 2 Z 1 ab jenem
Zeitpunkt steuerpflichtig, in dem die Rechtsgrundlage wie Satzung, Gesellschaftsvertrag
oder Stiftungsbrief festgestellt ist und sie erstmalig nach außen in Erscheinung treten. Mit
§ 4, der mit der früher geltenden Rechtslage übereinstimmt, wird angeordnet, ab welchem
Zeitpunkt die Körperschaft als eigenständiges Steuersubjekt körperschaftsteuerfähig ist.
Danach richtet sich auch die Eigenschaft, Subjekt der Zurechnung von Einkünften und
Vermögen zu sein.
Gemäß § 5 Z 6 KStG 1988 sind Körperschaften iSd § 1 Abs. 2, die der Förderung
gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke nach Maßgabe der §§ 34 bis 47 BAO
dienen, von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht befreit.
Bei der Bf. handelt es sich um eine im Jahr 1976 (Bescheid des Amtes der Wiener
Landesregierung vom 26.8.1976) nach dem Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz (BStFG,
BGBl 11/1975) gegründete und nach diesem Gesetz gemeinnützige Stiftung mit Sitz in
Wien.
Die gegenständlich maßgebliche Stiftungssatzung wurde mit Bescheid des
Amtes der Wiener Landesregierung vom 23.6.1978 aufgrund geänderter
Stiftungssatzung (Streichung der Vorzugsklausel für Träger des Namens X.)
stiftungsbehördlich genehmigt.
Gemäß § 2 Abs. 2 BStFG sind solche Zwecke gemeinnützig, durch deren Erfüllung die
Allgemeinheit gefördert wird. ... Der Stiftungszweck gilt auch dann als gemeinnützig, wenn
durch die Tätigkeit der Stiftung nur ein bestimmter Personenkreis gefördert wird.
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Die Bf. vermietete von Beginn ihres Bestehens an die im Stiftungsvermögen aufgrund
unentgeltlicher Widmung befindlichen Immobilien und erzielte daraus entsprechende
Mieteinnahmen.
Im Prüfungszeitraum handelte es sich um die Objekte Hausgemeinschaft; L-Gasse28; SGasse24 und M-Gasse61.
- Gemeinnützigkeit
Gemäß § 34 Abs. 1 BAO sind die Begünstigungen, die bei Betätigung für
gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke auf abgabenrechlichem Gebiet in
einzelnen Abgabenvorschriften gewährt werden, an die Voraussetzungen geknüpft,
dass die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, der die
Begünstigung zukommen soll, nach Gesetz, Satzung, Stiftungsbrief oder ihrer sonstigen
Rechtsgrundlage und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und
unmittelbar der Förderung der genannten Zwecke dient. ...
Gemäß § 35 Abs. 1 BAO sind gemeinnützig solche Zwecke, durch deren Erfüllung die
Allgemeinheit gefördert wird.
Gemäß § 35 Abs. 2 BAO liegt eine Förderung der Allgemeinheit nur vor, wenn die
Tätigkeit dem Gemeinwohl auf geistigem, kulturellem, sittlichem oder materiellem
Gebiet nützt. Dies gilt insbesondere für die Förderung der Kunst, Wissenschaft, der
Gesundheitspflege, der Kinder-, Jugend- und Familienfürsorge, der Fürsorge für alte,
kranke oder mit körperlichen Gebrechen behaftete Personen, des Körpersports, des
Volkswohnungswesens, der Schulbildung, der Erziehung, der Volksbildung, der
Berufsausbildung, der Denkmalpflege, des Natur-, Tier- und Höhlenschutzes, der
Heimatkunde, der Heimatpflege und der Bekämpfung von Elementarschäden.
Gemäß § 39 BAO liegt ausschließliche Förderung vor, wenn folgende fünf
Voraussetzungen zutreffen:
1. Die Körperschaft darf, abgesehen von völlig untergeordneten Nebenzwecken, keine
anderen als gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen.
2. Die Körperschaft darf keinen Gewinn erstreben. Die Mitglieder dürfen keine
Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Mitglieder keine sonstigen Zuwendungen aus
Mitteln der Körperschaft erhalten.
3. Die Mitglieder dürfen bei ihrem Ausscheiden oder bei Auflösung oder Aufhebung der
Körperschaft nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert
ihrer Sacheinlagen zurückerhalten, der nach dem Zeitpunkt der Leistung der Einlagen zu
berechnen ist.
4. Die Körperschaft darf keine Person durch Verwaltungsausgaben, die dem Zweck
der Körperschaft fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen
(Vorstandsgehälter oder Aufsichtsratsvergütungen) begünstigen.
5. Bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen
Zweckes darf das Vermögen der Körperschaft, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile
der Mitglieder und den gemeinen Wert der von den Mitgliedern geleisteten Sacheinlagen
übersteigt, nur für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verwendet werden.
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Gemäß § 40 Abs. 1 BAO liegt unmittelbare Förderung vor, wenn eine Körperschaft den
gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck selbst erfüllt. Dies kann auch durch
einen Dritten geschehen, wenn dessen Wirken wie eigenes Wirken der Körperschaft
anzusehen ist.
Gemäß § 41 Abs. 1 BAO muß die Satzung der Körperschaft eine ausschließliche und
unmittelbare Betätigung für einen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck
ausdrücklich vorsehen und diese Betätigung genau umschreiben; als Satzung im Sinn der
§§ 41 bis 43 gilt auch jede andere sonst in Betracht kommende Rechtsgrundlage einer
Körperschaft.
Gemäß § 41 Abs. 2 BAO liegt eine ausreichende Bindung der Vermögensverwendung
im Sinn des § 39 Z. 5 vor, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder
Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zweckes zu verwenden
ist, in der Satzung (Abs. 1) so genau bestimmt wird, daß auf Grund der Satzung geprüft
werden kann, ob der Verwendungszweck als gemeinnützig, mildtätig oder kirchlich
anzuerkennen ist.
Gemäß § 42 BAO muß die tatsächliche Geschäftsführung einer Körperschaft auf
ausschließliche und unmittelbare Erfüllung des gemeinnützigen, mildtätigen oder
kirchlichen Zweckes eingestellt sein und den Bestimmungen entsprechen, die die Satzung
aufstellt.
Wenn die Bf. darauf verweist, dass sie seit mehr als hundert Jahren als gemeinnützige
Stiftung bestehe und einen wissenschaftlichen Zweck verfolge, kann ihr zwar im Hinblick
auf die Gemeinnützigkeit iSd § 2 Abs. 2 BStFG gefolgt werden.
Doch ist ihrem Argument im Hinblick auf die zur Erlangung der steuerlichen Begünstigung
erforderliche Feststellung der Gemeinnützigkeit iSd §§ 34 ff. BAO nicht zu folgen.
Im Gegensatz zur Bestimmung des BStFG, das unter Förderung der "Allgemeinheit"
auch die Förderung eines bestimmten, d.h. auch eingeschränkten, Personenkreises
versteht, verlangt § 35 iVm § 36 BAO die Förderung der "Allgemeinheit" im Sinne eines
Personenkreises, der sich als genügend großer Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt.
Aufgrund der unterschiedlichen Definition kann daher aus einer Gemeinnützigkeit iSd
BStFG ohne weiteres keine Gemeinnützigkeit iSd Bestimmungen der BAO abgeleitet
werden.
Gemäß § 34 Abs. 1 BAO müssen die begünstigten Zwecke durch die Körperschaft
unmittelbar gefördert werden (vgl. VwGH 28.2.2012, 2009/15/0221).
Abgesehen davon verlangt der in § 41 Abs. 1 BAO enthaltene Grundsatz der formellen
Satzungsmäßigkeit, dass der Satzungszweck und die Art der Verwirklichung so genau
bezeichnet sein müssen, dass allein aufgrund der Satzung die Voraussetzungen für die in
Betracht kommenden Abgabenbegünstigungen geprüft werden können.
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Erweist sich die Satzung als unzureichend und entspricht diese nicht einwandfrei den
Gemeinnützigkeitsvorschriften der BAO, sind nach ständiger Rechtsprechung des VwGH
die Begünstigungsvorschriften der Abgabengesetze schon deshalb nicht anwendbar.
Wie in den Entscheidungsgründen dargestellt, ist aufgrund der maßgeblichen
Stiftungssatzung Zweck der gegenständlichen Stiftung "strebsamen jungen Männern und
Frauen, denen nach erlangtem Doktorate der Rechte, der Staatswissenschaften oder
der Volkswirtschaften ausreichende Mittel zur weiteren Ausbildung fehlen, diese Mittel zu
bieten".
Mit diesem Zweck wurde dem Erfordernis der ausdrücklichen unmittelbaren Förderung der
Allgemeinheit iSd § 41 Abs. 1 BAO nicht Rechnung getragen.
Durch die Förderung einzelner Personen durch Gewährung von Mitteln - hier
von Stipendien der Bf. - wurde in erster Linie eine Förderung dieser konkreten Personen
in wirtschaftlicher und finanzieller Sicht erreicht und konnte daher nur noch von
einer mittelbaren Förderung der Allgemeinheit ausgegangen werden. Die geforderte
unmittelbare Förderung der Allgemeinheit gemäß § 35 Abs. 1 iVm § 40 Abs. 1 BAO war
somit nicht gegeben (vgl. VwGH 27.1.1998, 97/14/0022). Die Bezieher der Stipendien
waren zudem nicht verpflichtet so zu agieren, dass ihr Wirken wie eigenes Wirken der
Körperschaft anzusehen war, um so das Unmittelbarkeitsprinzip zu erfüllen.
Auch die Förderung der Wissenschaft wurde durch den angeführten Zweck
nicht erfüllt. Diese wäre dann gegeben gewesen, wenn die Bf. selbst geforscht
oder Forschungsaufträge erteilt, die Ergebnisse ausgewertet und der Allgemeinheit
zeitnah zur Verfügung gestellt hätte. Das war jedoch hier nicht der Fall, da die Bf. lediglich
Stipendien an Personen mit abgeschlossenem Doktorat vergab, damit sich diese weiterhin
im wissenschaftlichen Bereich betätigten konnten. Eine Beauftragung wissenschaftlicher
Arbeiten oder Verwertung derselben durch die Bf. erfolgte nicht.
Mit dem angeführten Zweck erfüllte die Bw. auch keine Förderung auf dem Gebiet
der Berufsausbildung, wurden doch lediglich "Mittel zur sorglosen Fortsetzung der
wissenschaftlichen Ausbildung" zur Verfügung gestellt. Eine Betätigung der Bf. im Bereich
Aus- und Fortbildung lag nicht vor.
Zudem fehlten für die Feststellung der Gemeinnützigkeit, sowohl nach Satzung als auch
nach tatsächlicher Geschäftsführung, von vornherein feststehende, klar nachvollziehbare
und sachliche Kritierien für die Gewährung der Stipendien. Die in der Satzung unter § 4
Abs. 4 und 5 angeführten Bedingungen und Kriterien erfüllten diese Voraussetzungen
nicht. Den an den Universitäten verfügbaren Ausschreibungen der Stipendien, die der
Abgabenbehörde z.B. für die Jahre 2004, 2008 und 2009 vorlagen, waren ebenfalls keine
derartigen Kriterien zu entnehmen.
Auch die gemäß § 41 Abs. 2 BAO erforderliche Vermögensbindung wurde durch die
maßgebliche Satzung nicht erfüllt. Es waren lediglich Bestimmungen für den Fall der
Auflösung der Bf. enthalten; Bestimmungen hinsichtlich der Vermögensverwendung bei
Wegfall des bisherigen Zweckes der Bf. fehlten.
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Die Bf. war aber durch die Vergabe der Stipendien auch nicht im Bereich der Mildtätigkeit
iSd § 37 BAO tätig.
Mildtätigkeit wäre nur dann gegeben gewesen, wenn der Zweck der Bf. darauf gerichtet
gewesen wäre, Personen zu unterstützen, die materiell oder persönlich hilfsbedürftig sind.
Die Stipendienvergabe diente lediglich dazu, den berechtigten Personen die Fortführung
ihrer Studien zu ermöglichen, nicht jedoch dazu eine Unterstützung zu bieten um den
notwendigen Lebensbedarf der jeweiligen Person decken zu können.
Da weder nach der für die in Rede stehenden Jahre geltenden Satzung noch nach
tatsächlicher Geschäftsführung die Erfordernisse der §§ 34 ff. BAO erfüllt wurden, wurde
durch die Abgabenbehörde zu Recht die Gemeinnützigkeit der Bf. iSd gesetzlichen
Bestimmungen in Abrede gestellt.
Das Argument der Bf., dass die Satzung schließlich im Jahr 2010 geändert worden sei,
kann an dieser Beurteilung nichts ändern. Da die gesetzlichen Voraussetzungen für eine
abgabenrechtliche Begünstigung im jeweiligen Veranlagungszeitraum vorliegen müssen,
kann eine spätere Satzungsänderung rückwirkend zu keiner Begünstigung führen (vgl.
VwGH 9.8.2001, 98/16/0395; VwGH 29.7.2010, 2007/15/0137).
Inwieweit die Gemeinnützigkeit der Bf. aufgrund der neuen Satzung gegeben sein wird,
wird durch die Abgabenbehörde für die Folgejahre zu prüfen sein.
Die abgabenrechtliche Begünstigung des § 5 Z 6 KStG 1988 kommt somit nicht zum
Tragen. Die Bf. ist in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen, den Jahren 2005 2009, als körperschaftsteuerpflichtig zu beurteilen.
- Bemessungsgrundlagen
Bisher sei die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für die Jahre 2005 bis 2007 auf
Basis der Feststellungen der AP zu den Einkünften aus Vermietung der im Vermögen
befindlichen Immobilien sowie für die Jahre 2008 und 2009 mangels Abgabe von
Erklärungen im Schätzungswege erfolgt.
Seitens der Bf. wurden die aus der Vermietung erzielten Einkünfte jeweils zur
Umsatzsteuer erklärt. Erklärungen zur Köperschaftsteuer wurden seitens der Bf. nicht
(bzw. für das Jahr 2009 mit Null) abgegeben, da diese grundsätzlich vom Vorliegen der
Gemeinnützigkeit ausging.
Unter Verweis auf § 4 Abs. 1 KStG wird festgehalten, dass die Bf. aufgrund ihrer
Rechtsgrundlage, Stiftungssatzung, aus dem Jahr 1976 ab jenem Zeitpunkt als
eigenständiges Steuersubjekt existent war. Die spätere textliche Änderung der
Satzung(1978) ändert nichts daran, dass die Gründung bereits früher erfolgte.
Wie weiter oben ausgeführt wurde, war die Bf. nicht als gemeinnützige Stiftung iSd
§§ 34 ff. BAO zu beurteilen, sodass die abgabenrechtliche Begünstigung des § 5 Z 6
KStG 1988 nicht zum Tragen kommt und die Bf. in den beschwerdegegenständlichen
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Zeiträumen, den Jahren 2005 - 2009, mit ihren Einkünften als körperschaftsteuerpflichtig
zu beurteilen war.
Die Bf. hatte im Zuge des Rechtsmittelverfahrens, für den Fall der Aberkennung der
Gemeinnützigkeit, grundsätzlich die Berechnungsansätze der Abgabenbehörde für
die Jahre 2005 - 2007 anerkannt, beantragte jedoch für die Jahre 2008 und 2009 die
tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben, anstelle der bisher geschätzten Einkünfte, den
Berechnungen zugrunde zu legen.
Aufgrund der zu den Rechtsmitteln vorliegenden Unterlagen und Berechnungen waren
die erzielten Einkünfte aus Vermietung für die vier in Rede stehenden Objekte
Hausgemeinschaft; L-Gasse28; S-Gasse24 und M-Gasse61 als unstrittig zu beurteilen
und für die weiteren Berechnungen heranzuziehen. Auch die jeweiligen Absetzungen für
Instandsetzungen der Objekte waren unstrittig.
Folgende Punkte blieben jedoch strittig:
1) Ermittlung der Afa für die beiden Objekte S-Gasse24 und M-Gasse61 sowie
2) Anerkennung der aufgewendeten Aufwandsentschädigungen für die
Kuratoriumsmitglieder als abzugsfähig.
zu 1) Die beiden Objekte wurden der Bf. im Rahmen der Gründung unentgeltlich
gewidmet. Laut Grundbuch wurde der Bf. das Eigentumsrecht mit Urkunde vom 28.4.1978
übertragen. Aus beiden Objekten erzielte die Bf. von Beginn an Mieteinkünfte, die auch
jeweils hinsichtlich der Umsatzsteuer erklärt wurden.
Strittig blieb jedoch der Zeitpunkt für den Ansatz der fiktiven Anschaffungskosten für die
Ermittlung der jährlichen Afa-Beträge als Werbungskosten.
Nach Ansicht der Bf. sei aufgrund des durchgeführten Prüfungsverfahrens und der
Untersuchung der Frage der Erzielung von Einkünften erst ab dem Jahr 2005 der fiktive
Anschaffungswert zum 1.1.2005 den Berechnungen der Afa zugrunde zu legen.
Nach Ansicht der AP sei jedoch der fiktive Anschaffungswert zum 1.1.1978
heranzuziehen, da bereits ab diesem Zeitpunkt die gewidmeten Gebäude zur Erzielung
von Einkünften verwendet wurden.
Für die Beurteilung dieser Frage waren die folgenden gesetzlichen Bestimmungen
heranzuziehen:
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1972, BGBl Nr. 440/1972, zählten zu den Werbungskosten:
"Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung (§ 7). Gehört ein Gebäude
oder ein sonstiges Wirtschaftsgut nicht zu einem Betriebsvermögen, so sind für die
Bemessung der Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung als Anschaffungsoder Herstellungskosten zugrunde zu legen:
a) Bei einem Gebäude, das vor dem 1. Jänner 1963 angeschafft, hergestellt oder
unentgeltlich erworben worden ist, der Einheitswert zum 1. Jänner 1963 oder auf Antrag
der Betrag, der für die Anschaffung am 1. Jänner 1963 hätte aufgewendet werden
müssen,
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b) bei einem Gebäude, das nach dem 31. Dezember 1962 unentgeltlich erworben worden
ist, der Einheitswert, der für den letzten vor dem unentgeltlichen Erwerb liegenden
Feststellungszeitpunkt festgestellt worden ist, oder auf Antrag der Betrag, der für die
Anschaffung im Zeitpunkt des Erwerbes hätte aufgewendet werden müssen,
c) ..."
§ 112 Abs. 1 EStG 1972 lautete:
"Durch § 16 Abs. 1 Z 8 wird gegenüber § 9 Abs. 1 Z 6 des Einkommensteuergesetzes
1967 für Wirtschaftsgüter, die vor dem 1. Jänner 1973 angeschafft, hergestellt oder
unentgeltlich erworben wurden, kein neues Wahlrecht begründet. "
§ 114 Abs. 4 EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, lautet:
"Durch § 16 Abs. 1 Z 8 wird gegenüber § 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1972 für Wirtschaftsgüter,
die vor dem 1. Jänner 1989 angeschafft, hergestellt oder unentgeltlich erworben
worden sind und dem Steuerpflichtigen bereits am 31. Dezember 1988 zur Erzielung
von Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 4 bis 7 gedient haben, weder eine neue
Bemessungsgrundlage noch ein neues Wahlrecht für die Berechnung der Absetzung für
Abnutzung oder für Substanzverringerung begründet."
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 lit. b sind daher für die unentgeltlich erworbenen und im Jahr
1978 ins Eigentum der Bf. übertragenen Objekte S-Gasse24 und M-Gasse61 die fiktiven
Anschaffungskosten, d.h. der Betrag, der für die Anschaffung im Zeitpunkt des Erwerbes
hätte aufgewendet werden müssen, zur Berechnung der Afa heranzuziehen (vgl. VwGH
28.2.2012, 2009/15/0221). Dies waren daher die fiktiven Anschaffungskosten zum
1.1.1978.
Dem Argument der Bf., dass die Frage der Körperschaftsteuerpflicht erstmals für das
Jahr 2005 untersucht worden sei, konnte an der Feststellung des Stichtages für die
Bemessungsgrundlage der Afa mit dem 1.1.1978 somit nichts ändern.
Da die Bf. die Tätigkeit zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von
Beginn ihres Bestehens an ausübte und der Erwerb der Objekte bereits 1978 erfolgte,
waren die fiktiven Anschaffungskosten zum 1.1.1978 und nicht zum 1.1.2005 als
Bemessungsgrundlage für die Afa heranzuziehen.
Die Ermittlung der fiktiven Anschaffungskosten erfolgte dabei unter Anwendung
des Ertragswertverfahrens. D.h. der im Jahr 1978 erzielte Überschuss wurde als
maßgebend herangezogen. Auf diesen war ein Vervielfacher von 20 (Zinssatz 5%)
anzuwenden und abzüglich eines anteiligen Grundwertes von 20% so die Höhe des
fiktiven Anschaffungswertes zu ermitteln.
zu 2) Anerkennung der Aufwandsentschädigungen als abzugsfähige Werbungskosten
Die Bf. zahlte in den beschwerdegegenständlichen Jahren an die Kuratoriumsmitglieder
Aufwandsentschädigungen aus. Diese betrugen in den Jahren 2005 und 2006
jeweils Euro 4.400,00 und in den Jahren 2007 - 2009 jeweils Euro 6.000,00. Die
Kuratoriumsmitglieder waren jedoch nicht nur mit der Verwaltung des Stiftungsvermögens,
d.h. der Vermietungstätigkeit, befasst, sondern auch bei der Vergabe der Stipendien
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tätig. Eine Anerkennung der gesamten jährlichen Aufwandsentschädigungen als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung konnte daher nicht
erfolgen. Es war jedoch eine Anerkennung iHv 50% der Jahresbeträge als dem Bereich
der Vermietung zuordenbar anzuerkennen.
Die Bf. ist in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen, den Jahren 2005 - 2009, nicht
als gemeinnützig iSd §§ 34 ff. BAO und somit als körperschaftsteuerpflichtig zu beurteilen.
Die abgabenrechtliche Begünstigung des § 5 Z 6 KStG 1988 kommt nicht zum Tragen.
Aufgrund der obigen Ausführungen ergeben sich für die beschwerdegegenständlichen
Jahre 2005 bis 2009 nachstehend angeführte Einkommensbeträge aus den jeweiligen
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Die angeführten Beträge sind mit 25% der Körperschaftsteuer zu unterziehen.
Einkommen 2005: Euro 148.712,50 - Körperschaftsteuer: Euro 37.178,13
Einkommen 2006: Euro 153.353,17 - Körperschaftsteuer: Euro 38.338,29
Einkommen 2007: Euro 87.011,42 - Körperschaftsteuer: Euro 21.752,86
Einkommen 2008: Euro 155.780,68 - Körperschaftsteuer: Euro 38.945,17
Einkommen 2009: Euro 129.877,56 - Körperschaftsteuer: Euro 32.469,39.
Die Entscheidung über die Beschwerden war spruchgemäß zu treffen.
Die Berechnungen der Bemessungsgrundlagen und Abgabenbeträge für die
gegenständlichen Jahre 2005 bis 2009 sind im Detail den beiliegenden drei
Berechnungsblättern zu entnehmen. Sie bilden einen Spruchbestandteil.
Zulässigkeit einer Revision
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht
von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen und aktuellen
Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die
vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Wien, am 4. März 2015
Seite 16 von 16
GZ. RV/6100270/2013
Aignerstraße 10
5026 Salzburg-Aigen
www.bfg.gv.at
DVR: 2108837
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch
den Richter
Mag. Erich Schwaiger,
über die Beschwerde
der Beschwerdeführerin
PS,
Anschrift
vertreten durch die mit Zustellvollmacht
ausgewiesene
Höllermeier Schaller & Partner Steuerberatung
Salzburg GmbH & Co KG,
Anschrift
vom
14. März 2013
gegen den Bescheid
des Finanzamtes
Salzburg-Stadt, 5026 Salzburg-Aigen, Aignerstraße
10
vertreten durch
Mag. Dieter Lukesch
vom
22. Februar 2013
betreffend
die Haftung für Kapitalertragssteuer aufgrund des
Zuflusses der Pflichtteilsergänzung an X*** Y***
zu Recht erkannt:
Der bekämpfte Bescheid wird aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gem. Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) ist zulässig.
Entscheidungsgründe
Das Finanzamt legte die Berufung vom 14. März 2013 im Mai 2013 und damit vor dem
1. Jänner 2014 ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung an den Unabhängigen
Finanzsenat vor. Sie gilt deshalb gem. § 323 Abs. 38 BAO als Beschwerde, über
die das Bundesfinanzgericht abzusprechen hat. Die Berufungswerberin gilt als
Beschwerdeführerin (kurz Bf.). Von der gültigen Geschäftsverteilung wurde sie der
Gerichtsabteilung 7013 zur Erledigung zugewiesen.
1 Sachverhalt und Verfahrensgang
Die Bf. ist eine 2003 nach österreichischen Recht errichtete und steuerlich vertretene
Privatstiftung. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2012 beantragte sie die Abänderung des
Schenkungssteuerbescheides vom 3. März 2005 betreffend die Stiftungsurkunde und
Stiftungszusatzurkunde vom 14. Mai 2003 gemäß § 295a BAO.
Es solle die Schenkungssteuerbemessungsgrundlage (steuerpflichtiger Erwerb)
um EUR 1.900.000,00 gemindert werden, da ein mittels gerichtlichen Vergleiches
festgestellter Pflichtteilsergänzungsanspruch der X*** Y*** ein rückwirkendes Ereignis
darstelle. Im Detail begründete die Bf. ihr Begehren wie folgt:
Frau Y*** hat im Jahr 2006 eine Klage gegen die Privatstiftung auf Pflichtteilsergänzung
eingebracht (Klagssumme EUR 2.927.125,65 s. A), da ihrer Meinung nach ihr Mann
die Erbmasse durch Errichtung der Privatstiftung unrechtmäßig vermindert habe. Das
Gerichtsverfahren, das sich u.a. durch Einholung verschiedener Gutachten in die
Länge zog, wurde am 18. September 2012 durch den Abschluss eines gerichtlichen
Vergleiches abgeschlossen (Vergleichssumme EUR 1.900.000,00). Mit Bezahlung dieses
Betrages sind sämtliche verfahrensgegenständliche Ansprüche der Klägerin bereinigt und
verglichen (siehe Beilage).
Der Vorstand der Stiftung geht davon aus, dass die Bezahlung der Vergleichssumme eine
Minderung des gestifteten Vermögens im Zeitpunkt der Errichtung der Stiftung darstellt, da
der Stifter über diesen Betrag gar nicht verfügen hätte dürfen und können.
Aus dem in Kopie vorgelegten Vergleich geht nur die folgende Vereinbarung hervor:
„VERGLEICHSAUSFERTIGUNG
…
Wegen: EUR 2.544.321;80 samt Anhang (Sonstiger Anspruch – allgemeine Streitsache)
Die Parteien haben in der Verhandlung am 18. September 2012 folgenden gerichtlichen
VERGLEICH geschlossen:
Die beklagte Partei verpflichtet sich, der Klägerin zuhanden des Klagevertreters einen
Pauschalbetrag von EUR 1.900.000,00 binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu
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bezahlen. Mit Bezahlung des Vergleichsbetrages sind alle verfahrensgegenständlichen
Ansprüche der Klägerin bereinigt und verglichen.“
1.1 Gründung der Beschwerdeführerin
Die Bf. wurde mit Stiftungsurkunde vom 14. Mai 2003 von Z*** Y*** auf unbestimmte
Dauer errichtet und mit einem Stiftungskapital von EUR 70.000,00 ausgestattet. Mit selben
Datum errichtete der Stifter auch eine Stiftungszusatzurkunde und brachte weitere
Vermögenswerte ein. Dabei handelt es sich um die folgenden Werte:
„a) Bargeld in der Höhe von EUR 100.000,00.
b) deutsches Wertpapierdepot im Wert von ca. EUR 8.500.000,00.
c) mehrere deutsche Grundstücke“
Unter Pkt. II wurden die Begünstigten bestimmt. Zu Lebenszeit des Stifters sollte dieser
selbst Alleinbegünstigter sein und nach dessen Ableben sollten diese Stellung die
folgenden Personen übernehmen:
• Vier Personen mit jeweils wertgesicherten EUR 50.000,00, wovon zwei davon bis zu
deren Volljährigkeit nur EUR 15.000,00 erhalten sollen (Pkt. 2.1),
• vom Vorstand auszuwählende unterstützungswürdige Künstler bzw. Studierende in Form
von Stipendien mit EUR 50.000,00 sowie ein Verein mit EUR 30.000,00 (Pkt. 2.2) und
• schlussendlich die Gattin des Stifters (X***) mit dem restlichen Ertrag (Pkt. 2.3).
Die Gesamtausschüttungen aus der Bf. wurden unter Pkt. III mit den jährlichen
Veranlagungsgewinnen aus dem Stiftungsvermögen (Zinserträgnisse,
Veranlagungsgewinne, Gewinne aus Aktien und sonstigen Wertpapiergeschäften etc.)
begrenzt. Zuwendungen sollten damit primär an die unter Pkt. 2.1 genannten fließen. Nur
bei genügenden Erträgen sollten auch die anderen Begünstigten bedient werden. Die
Beträge sollen jährlich nach Feststellung des Jahresabschlusses und Beschlussfassung
des Stiftungsvorstandes zur Auszahlung gebracht werden.
Daneben finden sich in dieser Urkunde noch Regeln für das Ableben der einzelnen
Begünstigten. Im Falle von X*** Y*** würden danach deren Anteile jeweils den anderen
Begünstigten nach bestimmten Regeln zufallen.
Im Falle der Auflösung der Privatstiftung nach dem Ableben des Stifters ist das
Stiftungsvermögen auf einen neu zu errichtenden Rechtsträger mit gleichem oder
ähnlichem Namen zu übertragen, der der Rechtsform der Privatstiftung und ihrem Zweck
am ehesten entspricht. Dieser Rechtsträger gilt als Letztbegünstigter. Die Verpflichtung zur
Vermögensübertragung gilt auch für den Fall, dass noch Begünstigte vorhanden sind.
Unter Pkt. V schreibt die Zusatzurkunde eine konservative Veranlagungspolitik (risikolose
oder mündelsichere Papiere und Liegenschaftsvermietung) vor. Vorhandene Aktien oder
Aktienfonds sind bei Erreichen des ursprünglichen Kaufpreises zu verkaufen.
Nach Ableben des Stifters steht die Änderungsbefugnis bezüglich der Stiftungs- und der
Stiftungszusatzurkunde dem Stiftungsvorstand zu.
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Mit 2. Oktober 2003 änderte der Stifter die Regeln für das Ableben von X*** Y***
dahingehend, dass die an sich ihr zukommenden Erträge im Todesfall nur den
unterstützungswürdigen Künstlern bzw. Studierenden und dem Verein zukommen sollen.
1.2 Tod des Stifters, Vergleich, Haftungsbescheid
Schon am 17. Oktober 2003 verstarb der Stifter.
Zuwendungen an die unter Pkt. 2.1 genannten Begünstigten beschloss der
Stiftungsvorstand daraufhin nur in den Jahren 2006 und 2007 (vgl. Evidenzkonto
Zwischensteuer 2012).
Im Kalenderjahr 2005 erhob X*** Y*** erstmals Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die
Bf. (vgl. Lagebericht Jahresabschluss 2005) und klagte diese schlussendlich im Jahr 2006
gerichtlich ein. Im September 2012 folgte der gerichtliche Vergleich zwischen ihr und der
Bf.
Ausschließlich aufgrund der Angaben im Schreiben vom 4. Oktober 2012 (Antrag
gem. § 295a BAO samt beiliegendem Vergleich) sowie des oben skizzierten Akteninhaltes
nahm das Finanzamt Salzburg-Stadt (kurz FA) die Bf. als Haftungspflichtige für den
Zufluss von Kapitalerträgen an X*** Y*** im September 2012 in Anspruch. Es errechnete
die darauf entfallende Kapitalertragsteuer (kurz KESt) mit 25% von EUR 1.900.000,00
(EUR 475.000,00).
Das FA begründete den Haftungsbescheid vom 22. Februar 2013 wie folgt:
Der Pflichtteilsberechtigte hat nach § 951 ABGB zivilrechtlich einen Anspruch gegen
den Beschenkten auf Zahlung des Ausfalls an Pflichtteil in die geschenkte Sache. Dies
wirkt jedoch nicht ex tunc. Es kann daher nicht fingiert werden dass die „Schenkung“ an
die Stiftung nicht stattgefunden hat. Die zivilrechtliche Schenkung (Zuwendung) an die
Stiftung ist gültig, sie muss aber zum Teil wieder herausgegeben werden. Alles was einer
Privatstiftung zivilrechtlich wirksam übertragen wurde, kann nur in Form einer Zuwendung
wieder übertragen werden.
Zahlungen der Privatstiftung, die zur Befriedigung eines Pflichtteilanspruches geleistet
werden, sind daher als Zuwendung iSd § 27 Abs. 5 Z 7 EStG anzusehen und lösen eine
KeSt-Pflicht aus.
Lt. Auskunft des Vorstandes trägt die KeSt Frau Y***. Daher sind EUR 1.900.000,00 mit
25% KeSt behaftet (=475.000,00).
1.3 Berufung bzw. Beschwerde
Dagegen ergriff die Bf. am 14. März 2013 via FinanzOnline Beschwerde, ohne die
Entscheidung durch den (gesamten) Berufungssenat und eine mündliche Verhandlung zu
beantragen. Sie gab bekannt, dass X*** Y*** am 10. Februar 2013 verstorben sei.
Nach Erlassung des Mängelbehebungsauftrages vom 21. März 2013 reichte die Bf.
die in der Beschwerde angekündigte Begründung mit Schreiben vom 19. April 2013
Seite 4 von 18
(Postaufgabestempel vom 22. April 2013) fristgerecht nach. In diesem Schreiben führte
die Bf. – auszugsweise - ergänzend aus:
„Frau Y*** war Alleinerbin des Z*** Y*** und hat nach längeren Verhandlungen und
Gesprächen mit dem Vorstand der Stiftung im Jahr 2006 (vor Ende der dreijährigen
Verjährungsfrist) eine Klage gegen die Privatstiftung auf Pflichtteilsergänzung eingebracht
(Klagssumme EUR 2.927.125,65 s. A), da ihrer Meinung nach ihr Mann die Erbmasse
durch Errichtung der Privatstiftung unrechtmäßig vermindert habe. Das Gerichtsverfahren,
das sich u.a. durch Einholung verschiedener Gutachten in die Länge zog, wurde am
18. September 2012 durch den Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches beendet
(Vergleichssumme EUR 1.900.000,00). Mit Bezahlung dieses Betrages sind sämtliche
verfahrensgegenständliche Ansprüche der Klägerin bereinigt und verglichen.
Der Vorstand der Stiftung geht davon aus, dass die Bezahlung der Vergleichssumme
eine Minderung des gestifteten Vermögens im Zeitpunkt der Errichtung der Stiftung bzw.
des Todes des Stifters darstellt, da der Stifter über diesen Betrag gar nicht verfügen hätte
dürfen und können, bzw. um den Betrag des Pflichtteilsergänzungsanspruches zuviel
Vermögen aus der Verlassenschaft in die Stiftung eingebracht wurde.
Nach österreichischem Recht (§ 951 ABGB) beginnt die Verjährungsfrist des Anspruches
auf den Schenkungspflichtteil ab dem Tod des Erblassers. Auch nach deutschem
Recht ist der Pflichtteilsanspruch gemäß § 2332 BGB innerhalb einer Frist von drei
Jahren von Kenntnis des Erbfalles an geltend zu machen. Daraus folgt, dass der
Pflichtteilsergänzungsanspruch mit dem Tod des Erblassers (17. Oktober 2003)
entstanden ist.
Die Dotierung der Privatstiftung (mit Ausnahme des Mindestvermögens von EUR 70.000
bei Gründung der Privatstiftung) erfolgte im April bzw. Mai 2004, also nach dem Ableben
des Stifters, aus dem Nachlassvermögen, somit konnte das der Pflichtteilsberechtigten
zustehende Vermögen nicht rechtswirksam in die Stiftung eingebracht werden. Eine KEStpflichtige Zuwendung kommt aus diesem Grund für den Vergleichsbetrag nicht in Betracht.
Wir stellen daher den Antrag, den Haftungsbescheid für den Zeitraum 9/2012 aufzuheben
und den Betrag von EUR 475.000,00 bis zur Erledigung dieser Berufung von der
Einhebung auszusetzen.
In Eventu stellen wir den Antrag, den Haftungsbescheid wie folgt abzuändern:
Im von derWP_GmbH testierten Jahresabschluss 31.12.2011 finden sich folgende
Positionen: Passiva, A. Stiftungsvermögen, II. Gewinnrücklagen EUR 1.357.434,66
und III. Bilanzverlust EUR 282.854,95, in Summe EUR 1.074.579,71. Gemäß § 27 (5)
Z 8 EStG gehören Zuwendungen nicht zu den Einkünften im Sinne der Z 7 des § 27
(5) EStG, soweit sie eine Substanzauszahlung von gestiftetem Vermögen darstellen.
Zuwendungen gelten insoweit als Substanzauszahlung, als sie den maßgeblichen Wert
(hier Gewinnrücklagen abzüglich Bilanzverlust = EUR 1.074.579,71) übersteigen und im
Evidenzkonto (siehe Beilage) Deckung finden.
Infolge dessen wären EUR 1.074.579,71 KESt-pflichtig und EUR 825.420,29 KESt-frei.‘
Seite 5 von 18
Weiters sind aufgrund des Artikel 10 DBA D (Deutschland/Österreich) Dividenden im
Ansässigkeitsstaat des Empfängers steuerpflichtig, wobei der Sitzstaat der Stiftung die
Dividenden mit bis zu 15% besteuern darf. Zuwendungen von Privatstiftungen fallen unter
Dividenden. Da Frau X*** Y*** in Deutschland ansässig war, könnten höchstens 15% von
EUR 1.074.579,71, somit EUR 161.186,96 festgesetzt werden.
Sollte die Berufung der 2. Instanz (UFS) vorgelegt werden, beantragen wir eine mündliche
Verhandlung vor dem Berufungssenat.
Diesem Schreiben wurde eine mit „Evidenzkonto gem. § 27 Abs. 5 Z 8 lit. c“
überschriebene Aufstellung beigelegt, aus der folgenden Zuwendungen an die Bf.
ersichtlich sind:
Tabelle Stiftungseingangswerte
NICHT DARGESTELLT
Diese Begründung ergänzte die Bf. mit einem (zusätzlich mit Fußnoten versehenen)
Schreiben vom 23. Dezember 2013 wie folgt:
„1. Keine Steuerpflicht für die Herausgabe von Pflichtteilen durch Privatstiftungen
1.1 Keine Vermögenswidmung durch Z*** Y*** an die PS aufgrund des
Herausgabeanspruchs des Geschenkes
Gemäß § 2303 Abs 2 BGB steht einem Ehegatten im Falle des Todes des andren
Ehegatten ein Pflichtteilsanspruch zu. Der Pflichtteilsanspruch beläuft sich auf die Hälfte
des gesetzlichen Erbes.
Gemäß § 2325 BGB steht einem Pflichtteilsberechtigten dann ein Ergänzungsanspruch
zu, wenn der Erblasser einem Dritten Schenkungen gemacht hat, welche den Pflichtteil
beeinträchtigen.
Nach der Judikatur des Bundesgerichtshofes ist als Schenkung iSd § 2325 BGB auch
eine endgültige, unentgeltliche Zuwendung an eine gemeinnützige Stiftung, gleich ob
als kapitalerhöhende Zustiftung oder als Spende zur satzungsgemäßen Verwendung,
zu beurteilen, da beides einen endgültigen Vermögenstransfer zum Nachteil des
Pflichtteilsberechtigten darstellt.
Aufgrund der bereits im Todeszeitpunkt nach der sog. "Vermögensopfertheorie" (iS Rsp
des OGH) bestehenden Herausgabeansprüche im obigen Sinne wurde aus steuerlicher
Sicht das schlussendlich herausgegebene Vermögen niemals der PS gewidmet. Der PS
kam vielmehr nur das "Nettovermögen" (nach Abzug des Ergänzungspflichtteils) im Sinne
eines "vorbelasteten Eigentums" zu. Da das herausgegebene Vermögen wirtschaftlich
somit niemals Stiftungsvermögen war, konnte es auch nachfolgend weder zivilrechtlich
noch steuerlich von der PS zugewendet werden.
1.2. Interpretation des ertragsteuerlichen Zuwendungsbegriffes des § 27 Abs. 5 Z 7 EStG
§ 27 Abs. 5 Z 7 EStG lautet:
…
Seite 6 von 18
Es ist schon richtig, dass eine Legaldefinition des Zuwendungsbegriffes nicht existiert. Die
Finanzverwaltung stützt sich bei Ihrer Rechtsansicht auf die StiftR 2009 [Rz 213 und 223]:
…
a) Fehlende Beschlussfassung des Stiftungsvorstandes
Sollte hingegen - entgegen den Ausführungen unter Pkt.1.1 - davon auszugehen sein,
dass auch das herauszugebende Vermögen der PS gewidmet wurde, müssen in der Folge
die vorstehenden Aussagen aus den StiftR 2009 nach der hA dahingehend relativiert
werden, dass der Begriff der Zuwendung einer Privatstiftung nach § 27 Abs 5 Z 7 EStG
• eine unentgeltliche Vermögensübertragung von der Privatstiftung voraussetzt,
• die aus gesellschaftsrechtlicher Sicht eines vorhergehenden Beschlusses des
Stiftungsvorstandes bedarf.
Unstrittig ist von Unentgeltlichkeit auszugehen. Die Unentgeltlichkeit alleine reicht aber
für eine Steuerpflicht nicht aus, da aus gesellschaftsrechtlicher Sicht jedenfalls ein
vorhergehender Beschluss des Stiftungsvorstandes vorliegen muss. Der Grund für die
vorherige zwingende Genehmigung durch den Stiftungsvorstand liegt insbesondere in der
Gläubigerschutzbestimmung des § 17 Abs 2 2. Satz PSG, wonach der Stiftungsvorstand
Leistungen an Begünstigte nur dann vornehmen darf, wenn dadurch Ansprüche von
Gläubigern nicht geschmälert werden.
Im vorliegenden Sachverhalt mangelt es aber an einem solchen aus
gesellschaftsrechtlicher Sicht erforderlichen Beschluss, da dieser nicht notwendig
ist, wenn zwar die Vermögenswidmungen wirksam zustande gekommen sind (bzw.
sein sollten), diese jedoch bereits im Widmungszeitpunkt mit gesetzlich begründeten
(Herausgabe-)Ansprüchen, wie zB Pflichtteils(-ergänzungs-)ansprüchen, belastet sind.
In einer solchen Konstellation befreit sich die Privatstiftung nämlich lediglich von einer
sie treffenden, gesetzlich begründeten und bereits bei Vermögenseinlage latenten
Verpflichtung gegenüber den Plichtteilsberechtigten, so dass eine Zuwendung der
Privatstiftung iSd § 27 Abs 5 Z 7 EStG bei einer Pflichtteilsbezahlung bzw. einer in § 951
ABGB begründeten Vermögensherausgabe ex lege nicht vorliegen kann. Der Rechtsgrund
für die Pflichtteilszahlungen ist die Erfüllung zwingender gesetzlicher Vorschriften, womit
es sich schon rein begrifflich nicht um eine "Zuwendung" im Sinne des EStG handeln kann
und zwar auch dann nicht, wenn es einen Beschluss des Stiftungsvorstandes geben sollte,
dieser gesetzlichen Pflicht nachzukommen - dies machte einen derartigen Beschluss
nicht zu einem "Zuwendungsbeschluss" im Sinne des § 27 EStG. Gegenständlich haben
die Stiftungsvorstände - nachweislich der Protokolle der Stiftungsvorstandssitzungen keinen "Zuwendungsbeschluss" für die Auszahlungen von Pflichtteilen·gemacht, sondern
im Wissen, dass es sich um gesetzlich begründete Ansprüche handelt, auf der Basis des
Gesetzes bzw. des gerichtlichen Vergleiches im Namen der Stiftung Zahlungen an die
Pflichtteilsberechtigten (mit gleichzeitigem Hinweis auf den Rechtsgrund der Zahlung in
den Überweisungsbelegen) vorgenommen.
b) Keine Bereicherung des Begünstigten bzw subjektive Bereicherungsabsicht der Stiftung
Seite 7 von 18
§ 27 Abs 5 Z 7 EStG setzt nach hA eine Bereicherung des Empfängers des Vermögens
sowie einen subjektiven Bereicherungswillen der Privatstiftung voraus. Der subjektive
Bereicherungswille wird durch die Organe der Privatstiftung (somit durch den
Stiftungsvorstand) gebildet.
Aufgrund des gesetzlichen Anspruches der Pflichtteilsberechtigten liegt jedoch
weder eine objektive Bereicherung noch eine subjektive Bereicherungsabsicht durch
die Privatstiftung vor. Letzteres schon deswegen nicht, da ein gesetzlicher Zwang
zur Übertragung besteht und dieser jeglichen Bereicherungswillen ausschließt
und für die Zahlungsherausgabe keine Genehmigung durch den Stiftungsvorstand
erforderlich oder gar zulässig ist. Nach Stangl "erscheint [es] daher sachgerecht,
unentgeltliche Vermögensübertragungen, die einer Stiftung von "außen durch ein
Rechtsgeschäft außerhalb der Stiftungserklärung - aufgezwungen werden, vom
Zuwendungsbegriff des § 27 Abs 5 Z 7 EStG auszuklammern. So wird insbesondere
die aufgrund gesetzlicher Anordnung erfolgende Erfüllung eines geltend gemachten
Pflichtteilsergänzungsanspruches durch eine Privatstiftung beim Pflichtteilsberechtigten
nicht als einkommensteuerpflichtige Zuwendung anzusehen sein.
Die beiden unter a) und b) darstellten Argumente, die gegen eine Steuerpflicht nach § 27
Abs 1 Z 7 EStG idF vor BBG 2011 sprechen, sind unabhängig voneinander zu beurteilen.
1.3. Steuerneutrale Substanzauszahlung
Das Nachlassvermögen, welches die Basis für die Pflichtteilsansprüche bildet,
konnte frühestens mit dem Todestag von Z*** Y*** (17.10.2003) auf die PS
übergehen. Dementsprechend fällt das Vermögen, das aufgrund der Erbschaft
(Gesamtrechtsnachfolge nach Z*** Y***) an die PS übergegangen ist, jedenfalls unter § 27
Abs 1 Z 8 EStG idF vor BBG 2011.
Zuwendungen gelten dann nicht als steuerpflichtige (und folglich KESt-pflichtige)
Einkünfte, wenn sie Substanzauszahlungen von nach dem 01.08.2008 gestifteten
Vermögen darstellen. Dazu ist erforderlich, dass sie den maßgeblichen Wert iSd § 27 Abs
1 Z 8 lit a EStG idF vor BBG 2011 übersteigen und im Evidenzkonto nach § 27 Abs 1 Z 8
lit c EStG erfasst sind.
Da es sich bei der steuerneutralen Substanzauszahlung („Einlagenrückzahlungsprivileg")
um keine antragsbezogene Begünstigung des Steuerpflichtigen handelt, sondern
amtswegig das Vorliegen einer Substanzauszahlung zu prüfen ist, liegt insoweit ein
Verfahrensfehler vor.
1.4. Verstoß gegen den Gleichheitssatz
Darüber hinaus ist anzuführen, dass Pflichtteils(-ergänzungs-)ansprüche beim Empfänger,
zumindest für den Fall, dass keine Privatstiftung Alleinerbe ist, nicht steuerpflichtig sind.
Die von der Behörde vertretene Ansicht würde bedeuten, dass die Steuerpflicht für
Pflichtteils(-ergänzungs-)ansprüche davon abhängen würde, ob der von Gesetzes wegen
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zur Leistung des Pflichtteils Verpflichtete eine Privatstiftung oder eine natürliche Person
ist.
Bei der Privatstiftung ergäbe sich die KESt-Belastung der Pflichtteile rein aus der
Besonderheit der Rechtsform des Steuerpflichtigen. Da es sich beim Erwerb des
Pflichtteilsberechtigten stets um einen Erwerb von Todes wegen handelt und nach der
Rsp des VwGH daher einkommensteuerneutral zu sein hat (vgl. VwGH 27.11.1968,
290/68), ist es mit dem Sachlichkeitsprinzip nicht zu erklären, warum bei einer natürlichen
Person als Herausgabeverpflichtetem Ertragsteuerneutralität gegeben sein soll, bei einer
Privatstiftung als Herausgabeverpflichteter hingegen 25% KESt fällig werden sollen.
Dies zusätzlich vor dem Hintergrund, dass es für die Vermögensherausgabe durch die
Stiftung als gesetzlicher Verpflichtung keines Stiftungsvorstandsbeschlusses bedürfte,
sondern der Pflichtteilsberechtigte gegebenenfalls mittels Richterspruch und richterlichem
Exekutionstitel das Vermögen herausfordern könnte. Es wäre sehr erstaunlich, wenn die
Befolgung eines richterlicher Exekutionsbefehles gegen die Privatstiftung die Annahme
einer KESt-pflichtige Zuwendung der Stiftung rechtfertigen würde.
Es scheidet auch eine objektive Bereicherung des Pflichtteilsberechtigten durch die
Auszahlung des Pflichtteiles durch die Privatstiftung aus, weil der Pflichtteilsberechtigte
von Gesetzes wegen (erb- und pflichtteilsrechtliche Vorschriften des ABGB) eine
Forderung gegenüber der Privatstiftung hat, sodass deren Begleichung aus der Sicht des
Pflichtteilberechtigten eine reine Vermögensumschichtung darstellt, jedoch keine objektive
Bereicherung. Aus der Sicht der Privatstiftung ist die Sachlage spiegelbildlich: sie erhält
Vermögen, welches latent mit Pflichtteilsansprüchen belastet ist und diese Ansprüche
erstarken mit dem Tod des Stifters zu echten Verbindlichkeiten, deren Grundlage
zwingende gesetzliche Vorschriften sind.
Falls die Ansicht der Behörde zutreffen sollte, verstößt dies gegen Verfassungsrecht. Nach
der Rsp des VfGH verbietet nämlich der Gleichheitssatz, Differenzierungen, die sachlich
nicht begründbar sind (Art 7 B-VG, Art 2 StGG). Wesentlich Gleiches ist demnach gleich
und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Die Überprüfung des Gleichheitssatzes
hat in drei Schritten zu erfolgen:
• Feststellung, ob eine rechtliche Ungleichbehandlung vorliegt.
• Sachliche Rechtfertigung der Differenzierung
• Verhältnismäßigkeit des Rechtfertigungsgrundes
Im vorliegenden Sachverhalt liegt unzweifelhaft eine Ungleichbehandlung vor
(unterschiedliche Steuerfolge, ob der Herausgabeverpflichtete eine Privatstiftung oder eine
natürliche Person ist), eine sachliche Rechtfertigung kann hingegen nicht erkannt werden.
Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit kann daher entfallen.
Zusammenfassend dürfen wir daher festhalten, dass die Vermögensherausgaben
aufgrund des Pflichtteilsanspruches bzw des Vergleiches über den Pflichtteilsanspruch
nicht der Einkommensteuer bzw. der KESt unterliegen, sich sohin der Spruch des
Haftungsbescheides für den Zeitraum 09/2012 aufgrund des zuvor Gesagten jedenfalls
Seite 9 von 18
als inhaltlich rechtswidrig erweist. Daher ist dieser Haftungsbescheid wegen inhaltlicher
Rechtswidrigkeit (in eventu wegen Verfahrensfehlern) ersatzlos aufzuheben.
Im Übrigen verweisen wir auf die bereits eingebrachte Berufung vom 19. April 2013 und
die darin gemachten Anträge, die freilich vollinhaltlich aufrecht bleiben.“
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Dieses Erkenntnis basiert auf dem oben dargestellten Sachverhalt, der in den Akten des
Finanzamts und des Bundesfinanzgerichts abgebildet und unbestritten ist.
2 Beweiswürdigung, Rechtsgrundlagen, rechtliche Würdigung
Strittig ist primär, ob die Zahlung aufgrund des gerichtlichen Vergleiches vom September
2012 eine Zuwendung im Sinne des § 27 EStG 1988 darstellt und ob infolge dessen ein
KESt-Abzug vorzunehmen gewesen ist.
Gem. § 167 Abs. 2 BAO hat das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung
der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine
Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung genügt es dabei, von mehreren Möglichkeiten jene
als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende
Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten
absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich
5
erscheinen lässt (vgl. Ritz, BAO , § 167 Tz 8 mit vielen weiteren Nachweisen).
In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu
würdigen und unter die nachstehenden rechtlichen Grundlagen zu subsumieren:
2.1 Rechtsgrundlage für die Zahlung
In ihrem Antrag auf Änderung des Schenkungssteuerbescheides nannte die Bf. keine
Rechtsgrundlage für die Zahlung, sondern nur die Tatsache der unrechtmäßigen
Verringerung der Erbmasse durch die Errichtung der Privatstiftung. In der Beschwerde
bezeichnete sie die der Zahlung zugrunde liegende Prozesshandlung als „Klage gegen
die Privatstiftung auf Pflichtteilsergänzung“ und nannte als Rechtsgrundlagen § 951 ABGB
(österreichisches Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) und § 2332 BGB (deutsches
Bürgerliches Gesetzbuch). In der Beschwerdeergänzung nannte sie zusätzlich § 2325
BGB. Die Klage war 2006 eingereicht worden. Der Prozess wurde mit gerichtlichem
Vergleich von September 2012 beendet.
Das Stiftungsvermögen einer Privatstiftung gehört im Fall des Ablebens des Stifters
nicht mehr zu dessen Sachen oder Rechten und ist daher auch nicht in dessen Inventar
aufzunehmen (vgl. OGH 30.5.2012, 8 Ob 115/11). Das Stiftungsvermögen steht auch
für den Fall im zivilrechtlichen Eigentum der Privatstiftung, dass sich der Stifter eine
Änderung der Stiftungserklärung nach § 33 PSG oder einen Widerruf der Privatstiftung
nach § 34 PSG vorbehalten hat (vgl. Arnold in Arnold, Privatstiftungsgesetz - Kommentar
3
1 , Einleitung Tz 23).
Seite 10 von 18
Gem. § 951 Abs. ABGB kann der verkürzte Noterbe vom Beschenkten die Herausgabe
eines Geschenkes verlangen, wenn der Nachlass zur Deckung seines Pflichtteils nicht
ausreicht. Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des Fehlbetrages
abwenden.
Daraus ist abzuleiten, dass das Klagebegehren in diesem Fall nicht auf die Herausgabe
des Geschenks, sondern auf Zahlung des Ausfalls am Pflichtteil bei Exekution in die
3
geschenkte Sache zu lauten hat (vgl. Schubert in Rummel , § 951 Rz 3 sowie Welser in
3
Rummel , § 785 Rz 27 mit vielen weiteren Nachweisen).
Es handelt sich also um eine Geldforderung. Der Anspruch verjährt in drei Jahren nach
dem Todestag des Schenkers (§ 1487 ABGB).
Gem. § 785 Abs. 3 ABGB bleiben Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte
Personen unberücksichtigt, wenn sie früher als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers
gemacht wurden. Innerhalb dieser Zeit trifft der Rückforderungsanspruch jeden
nicht pflichtteilsberechtigten Dritten. Es ist richtig, dass diese Zweijahresfrist unter
Umständen auch bei Nichtpflichtteilsberechtigten wie einer Privatstiftung nicht zur
Anwendung kommt, wenn der Verdacht eines Rechtsmissbrauches vorliegt (vgl. etwa
Aichberger-Beig in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge
(Mai 2010) § 4 Tz 80). Der OGH äußerte einen solchen etwa im Zusammenhang mit
der Übertragung von Vermögen an eine Liechtensteiner Stiftung, zog daraus aber
ausschließlich Konsequenzen im Hinblick auf die Anwendung der Zweijahresregel. Aus
der Organisation einer Privatstiftung, in die der Erblasser sein wesentliches Vermögen
eingebracht hatte, kann sich danach eine Umgehung der unbefristeten Anrechnung
von Schenkungen an einen Pflichtteilsberechtigten ergeben (OGH 19.12.2002, 6 Ob
290/02 v). Weder Rechtsprechung noch Lehre und Literatur vertraten jemals, das
gestiftete Vermögen sei überhaupt nicht auf die Stiftung übergegangen. Zur Diskussion
steht nur, ob die Zweijahresfrist anwendbar sein kann. Rückschlüsse darauf, dass eine
Vermögensübertragung ex tunc wegfallen könnten, lassen sich daraus schon deshalb
nicht ableiten, weil der Pflichtteilsgeschädigte niemals die Herausgabe der Sache
verlangen, sondern nur einen Geldanspruch geltend machen kann (siehe oben).
Im hier zu beurteilenden Fall spielte die Zweijahresfrist von vornherein keine Rolle, da
zwischen der Gründung der Bf. und dem Tod des Stifters nur ein sehr kurzer Zeitraum
lag. In diesem Zeitraum hätte - unabhängig vom Naheverhältnis zum Stifter - auch jeden
anderen Geschenknehmer die Verpflichtung getroffen, den Pflichtteilsausfall zu ersetzen.
§ 2325 BGB enthält eine ähnliche Regel. Hier kommt es allerdings ab dem zweiten Jahr
nach einer Schenkung zu einer Verringerung der Berücksichtigung der Schenkung um
jährlich 1/10. Auch in Deutschland handelt es sich um eine Geldforderung („…so kann der
Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen …“).
Vom FA wurde nicht bezweifelt, dass der der Zahlung zugrunde liegende gerichtliche
Vergleich ausschließlich auf diesen Rechtsgrundlagen basiert. Auch den Akten ist nichts
Gegenteiliges zu entnehmen.
Seite 11 von 18
2.2 Sache des bekämpften Bescheides
Das Finanzamt nahm die Berufungswerberin mit dem bekämpften Bescheid nur für
die auf die Kapitaleinkünfte der X*** Y*** entfallende KESt als Haftungspflichtige
in Anspruch. Mit diesem Bescheid und der dazu erhobenen Beschwerde wurde der
Zuständigkeitsbereich des Bundesfinanzgerichts abgegrenzt.
Dessen Änderungsbefugnis („nach jeder Richtung“) ist nämlich durch die Sache
beschränkt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des FA gebildet
hat (vgl. z.B. VwGH 26.6.2014, 2011/15/0028; 25.4.2013, 2012/15/0161; 27.9.2012,
2010/16/0032; 29.7.2010, 2009/15/0152).
Spruch eines Haftungsbescheides (§ 224 BAO) ist die Geltendmachung der Haftung für
5
einen bestimmten Abgabenbetrag einer bestimmten Abgabe (vgl. Ritz, BAO , § 279 Tz 12
mit vielen weiteren Nachweisen). Die Abgabe wird im Falle der Kapitalertragsteuer vor
allem durch die Art des Vorteils, den Zeitpunkt der Zuwendung und eine Zuordnung zum
jeweiligen Empfänger bestimmt (vgl. Schwaiger, SWK 25/2010, S 777 und SWK 1/2014,
36; UFS 9.9.2009, RV/0352-S/05; 9.9.2009, RV/0132-S/08).
2.3 KESt-Abzug
Die KESt-Abfuhr an das FA hat bei den Einkünften aus der Überlassung von Kapital im
Sinne des § 27 Abs. 5 Z 7 EStG 1988 (siehe unten) durch den Abzugsverpflichteten
unter der Bezeichnung „Kapitalertragsteuer” binnen einer Woche nach dem Zufließen der
Kapitalerträge durchzuführen ist. Für die Beurteilung des KESt-Abzuges sind deshalb die
rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge zu beachten.
Dieser Zeitpunkt wird nicht in § 19 EStG 1988, sondern als lex specialis in § 95 Abs. 3
EStG 1988 definiert (Doralt, EStG16, § 96 Tz 3 unter Hinweis auf Quantschnigg/Schuch,
ESt-Handbuch, § 96 Tz 2). Gem. § 95 Abs. 3 Z 1 EStG 1988 gelten Kapitalerträge, deren
Zuwendung durch eine nicht unter § 5 Z 6 KStG 1988 fallende Privatstiftung beschlossen
wird, für Zwecke der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer an jenem Tag als zugeflossen,
der im Beschluss als Tag der Auszahlung bestimmt ist. Fehlt eine solche Bezeichnung ist
es der Tag nach der Beschlussfassung.
Im Fall einer verdeckten Zuwendung ohne formellen Zuwendungsbeschluss des
Stiftungsvorstandes kommt § 95 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 in Verbindung mit § 19 EStG 1988
zur Anwendung und ist der Zufluss mit der Auszahlung an den Begünstigten
anzunehmen (vgl. Marschner in Jakom EStG, 2014, § 95 Tz 24 unter Hinweis auf
EStR 2000 Rz 7710). Zum Zufluss kommt es damit dann, wenn die Zuwendung vom
Stiftungsvorstand beschlossen oder dem Begünstigten tatsächlich ausbezahlt wird
(Marschner, Optimierung, 1263 ff).
Dieser Zufluss und die Erlangung der Verfügungsmacht über die Vergleichssumme
erfolgten hier nicht vor dem Abschluss des gerichtlichen Vergleichs. Demzufolge ist die
Rechtslage Ende 2012 anzuwenden.
Seite 12 von 18
Gem. 93 Abs. 1 EStG 1988 wird die Einkommensteuer bei inländischen Einkünften aus
Kapitalvermögen durch Steuerabzug erhoben (Kapitalertragsteuer). Inländische Einkünfte
aus Kapitalvermögen liegen bei Einkünften aus der Überlassung von Kapital (§ 27 Abs. 2
EStG 1988) in Form von Zuwendungen einer Privatstiftung im Sinne des § 27 Abs. 5 Z 7
EStG 1988 dann vor, wenn die Privatstiftung Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat. Die
Bf. hat ihren Sitz hier in Österreich, weshalb dies grundsätzlich gegeben ist.
Als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gelten - wie von der Bf. richtig ausgeführt
- gem. § 27 Abs. 5 Z 7 EStG 1988 in der im September 2012 gültigen Fassung (Stand
BGBl. I Nr. 112/2011) Zuwendungen jeder Art von nicht unter § 5 Z 6 KStG 1988
fallenden Privatstiftungen. Als Zuwendungen gelten auch Einnahmen einschließlich
sonstiger Vorteile, die anlässlich der unentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsgutes
an die Privatstiftung vom Empfänger der Zuwendung erzielt werden. Dies gilt nicht
hinsichtlich der bei der Zuwendung von Grundstücken mitübertragenen Belastungen
des Grundstückes, soweit sie mit dem Grundstück in unmittelbarem wirtschaftlichen
Zusammenhang stehen.
Die Bf. wies unter Behauptung eines Verfahrensfehlers darauf hin, dass Zuwendungen
nicht zu den Einkünften im Sinne dieser Z 7 gehören, soweit sie eine Substanzauszahlung
von gestiftetem Vermögen darstellen (siehe Z 8 leg.cit.). Sie selbst stellte dabei dar, dass
dies nur für nach dem 01.08.2008 gestiftetes Vermögen gilt (Pkt. 3 der Ergänzung; vgl.
auch § 124b Z 146 lit. f EStG 1988). Da hier sämtliche Zuwendungen des Stifters an die
Bf. noch zu dessen Lebzeiten und damit zur Gänze vor diesem Stichtag erfolgten, ist
eine steuerneutrale Substanzauszahlung hier nicht möglich. Diese Rüge geht deshalb ins
Leere.
2.4 Zuwendung
Voraussetzung für den Zufluss eines KESt-pflichtigen Kapitalertrages ist das Vorliegen
einer Zuwendung. Diese kann in offener oder verdeckter Form vorliegen (vgl.
42
VwGH 21.2.2013, 2009/13/0257 unter Hinweis auf Büsser in Hofstätter/Reichel, EStG ,
2
§ 27 Tz 31.1.1. und Stangl in Arnold/Hangl/Tanzer, Privatstiftungs-Steuerrecht , Rz II/522).
2.4.1 Allgemeines
Wenngleich eine Legaldefinition des Zuwendungsbegriffs fehlt, können Zuwendungen
als unentgeltliche Vermögensübertragungen umschrieben werden. Entgegen der
Verwaltungsübung (vgl. StiftR 2009 Rz 213) ist aber nicht jede unentgeltliche Überführung
von Vermögen durch eine Privatstiftung an Dritte eine Zuwendung. Wie von der Bf.
richtig eingewendet, bedürfen Zuwendungen nämlich eines – zumindest konkludenten
- Beschlusses des Stiftungsvorstands und müssen nach herrschender Ansicht auf
eine von den Organen der Privatstiftung gewollte Bereicherung des Empfängers der
Zuwendung abzielen.
Das Höchstgericht formulierte 2013 vorsichtig, dass eine Zuwendung jedenfalls
dann vorliegt, wenn ein Vorgang auf einer auf Vorteilsgewährung gerichteten
Seite 13 von 18
Willensentscheidung der Stiftung beruht. Die könnte sich schlüssig aus den Umständen
des betreffenden Falles ergeben und läge z.B. auch dann vor, wenn der Stiftungsvorstand
- ausdrücklich oder schlüssig - mit einem Vorteil, den sich der Begünstigte ursprünglich
ohne dessen Kenntnis zuwendet, in der Folge einverstanden ist. Davon könnte unter
Umständen auch ausgegangen werden, wenn keine Rückforderung erfolgte (VwGH
21.2.2013, 2009/13/0257). Damit schloss es zwar den Fall nicht aus, dass auch eine
Vorteilsgewährung ohne Willensentscheidung der Stiftung denkbar ist, gab aber doch eine
klare Richtung vor:
Eine Zuwendung muss auf eine Vorteilsgewährung an den Zuwendungsempfänger
gerichtet sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn nicht die Gewährung von Vorteilen,
sondern die Tilgung einer zivilrechtlichen Schuld, die auch jeder fremde Dritte leisten
müsste, beabsichtigt ist.
51
Petritz (Petritz in Hofstätter/Reichel, EStG , § 27 Abs 5 EStG neu Tz 44) wie
auch Marschner (Marschner in Jakom, EStG 2014, § 27 Tz 288) gehen mit vielen
weiteren überzeugenden Nachweisen davon aus, dass ein solcher subjektiver
Bereicherungswille der Privatstiftung fehlt, wenn Vermögensherausgaben nur deshalb
erfolgen, weil das Vermögen im Widmungszeitpunkt mit gesetzlichen oder vertraglichen
Herausgabeverpflichtungen belastet war, welche beim Eintritt bestimmter Ereignisse
schlagend werden. Als Beispiel nennen die beiden Autoren die hier zur Diskussion
stehenden Pflichtteilsergänzungsansprüche gegenüber der Privatstiftung, welche
nach dem Tod des Stifter geltend gemacht werden und den Stiftungsvorstand nach
§ 951 ABGB gesetzlich verpflichten, das Vermögen (anteilig) herauszugeben. Andere
Kommentatoren folgen dem und halten es für sachgerecht, solche unentgeltliche
Vermögensübertragungen, die einer Stiftung „von außen“ - durch ein Rechtsgeschäft
außerhalb der Stiftungserklärung - aufgezwungen werden, vom Zuwendungsbegriff
2
auszuklammern (vgl. Stangl, Privatstiftungs-Steuerrecht , II 521).
2.4.2 Definition über das PSG
Gewisse Rückschlüsse auf die Definition von „Zuwendungen“ lassen auch die
Kommentare zu § 17 Abs. 2 PSG zu. Danach haben die Stiftungsvorstandsmitglieder
ihre Aufgaben sparsam und mit der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters
zu erfüllen. Der Stiftungsvorstand darf Leistungen an Begünstigte zur Erfüllung des
Stiftungszwecks nur dann und soweit vornehmen, wenn dadurch Ansprüche von
Gläubigern der Privatstiftung nicht geschmälert werden.
3
Nach Arnold (Arnold in Arnold, Privatstiftungsgesetz 1 , § 17 Tz 61 ff mit vielen
weiteren Nachweisen) handelt es sich bei dieser Bestimmung um das Kernstück des
stiftungsrechtlichen Gläubigerschutzes. Sie spreche von „Leistungen an Begünstigte zur
Erfüllung des Stiftungszwecks“ und wolle damit offenbar Zuwendungen an Begünstigte
von fremdüblichen Geschäften abgrenzen.
Seite 14 von 18
Fremdübliche synallagmatische Geschäfte seien bei angemessenem Leistungsaustausch
keine solchen unzulässigen Leistungen. Werde aber das Austauschverhältnis zugunsten
irgendeiner Person exzessiv und nicht nur geringfügig überschritten, werde diese
automatisch Begünstigter. Dies gelte auch für den Stifter selbst, unabhängig davon, in
welcher Form die Leistungen erfolgen.
Das PSG unterscheidet damit - für Gläubigerschutzzwecke - zwischen „Begünstigten“ und
„Gläubigern“. Als Gläubiger sind dabei wohl jedenfalls all jene gemeint, deren Ansprüche
unabhängig von der Stiftungssatzung und von Stiftungsvorstandsbeschlüssen entstehen.
Darunter fallen nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts auch Pflichtteilsansprüche
gem. § 951 ABGB.
2.4.3 „Grundsatzentscheidung“ VwGH 27.11.1968, 0290/68 (siehe ÖStZB 1969, 56)
Die Bf. führte diese Entscheidung als Grundsatzentscheidung ins Treffen. Darin
beurteilte das Höchstgericht (für Zwecke der Spekulationsgewinnbesteuerung), ob
Grundstücke dann als angeschafft gelten, wenn sie anstelle des in Geld bestehenden
Pflichtteilanspruches überlassen wurden. Hier ging es also um die Abgrenzung zwischen
Anschaffung und unentgeltlichem Erwerb beim Pflichtteilsberechtigten. Dieses Problem
steht hier nicht direkt zur Diskussion, sondern die Frage, ob der Zufluss als „Zuwendung“
zu behandeln ist.
Hilfreich für die Interpretation des Gesetzes ist allerdings die Aussage des VwGH, dass
der Anspruch des Noterben auf den Pflichtteil unentgeltlich erworben wurde. Der Begriff
der "Anschaffung" schließt demnach den Erwerb durch Erbschaft aus. Unter Erbschaft ist
nicht nur der unentgeltliche Erwerb der Erben, sondern auch der gleichfalls unentgeltliche
Erwerb der Noterben und des Legatars zu verstehen. Diese Rechtsprechung blieb
7
zwar nicht unkritisiert (vgl. Doralt/Kempf in Doralt, EStG , § 30 Tz 36 unter Hinweis auf
Quantschnigg/Schuch, ESt-Handbuch, § 24 Tz 7.1 sowie Reischauer in Rummel, ABGB,
II2, § 1414 Rz 8), die Kritik betraf aber nur die Frage, ob sie auch auf Wirtschaftsgüter
anwendbar sein soll, die anstatt eines Geldanspruches übergeben wurden. Dieser Aspekt
steht hier nicht zur Diskussion.
Auch 1997 wies der VwGH in Beurteilung der Rechtslage 1991 etwa noch einmal darauf
hin, dass unter dem im § 30 EStG 1988 gebrauchten Begriff "Anschaffung" nach Lehre
und Rechtsprechung nur der entgeltliche Erwerb, nicht aber der Erwerb durch Schenkung,
Erbschaft oder Vermächtnis zu verstehen ist (VwGH 11.9.1997, 94/15/0134).
Auch wenn hier nicht die Frage zu beurteilen ist, ob eine Anschaffung vorliegt, sondern ob
eine steuerpflichtige Zuwendung geflossen ist, leuchtet aus diesen Aussagen hervor, dass
Erwerbe der Erben, der Noterben und des Legatars gleich zu behandeln sind. Sie gelten
als – vom Erblasser – unentgeltlich zugewendet.
2.4.4 Verhältnis zur Erbschafts- und Schenkungssteuer
Grundsätzlich dürfen sich die Einkommensteuer und die Erbschaftsteuer nicht überlappen
und im Zweifel muss davon ausgegangen werden, dass ein Sachverhalt nur entweder
Seite 15 von 18
als entgeltlicher Vorgang dem EStG 1988 oder als unentgeltlicher Vorgang dem ErbStG
(bzw. Schenkungsmeldegesetz) unterliegt. Daraus leitet sich ab, dass ein unentgeltlicher
Vermögensanfall, vor allem in Form von Erbschaften und Schenkungen, nicht unter
eine der Einkunftsarten fällt (vgl. Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und
Steuerstrafrecht, 390ff mit unzähligen weiteren Nachweisen).
Im Fall der Zuwendungen von Privatstiftungen wurde dieses Prinzip vom Gesetzgeber in
der Form umgesetzt, dass Zuwendungen gesetzlich als Einkünfte aus Kapitalvermögen
fingiert und der Einkommensteuer unterzogen werden. Im Gegenzug werden diese
Zuwendungen mit § 15 Abs. 1 Z 18 ErbStG von der Erbschafts- und Schenkungssteuer
befreit. Dieses Konzept leuchtet auch aus den parlamentarischen Materialien hervor
(1132 d.B. XVIII. GP), wo ausgeführt wurde, damit solle der Tatsache Rechnung getragen
werden, dass die Begünstigten mit sämtlichen Zuwendungen der Einkommensteuer
unterliegen. Dies deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber damals davon ausging, dass
diese Zuwendungen prinzipiell unter die Tatbestände des ErbStG fallen. Anderenfalls hätte
er auf die Befreiung verzichten können.
Mit 1. August 2008 wurde die Erbschafts- und Schenkungssteuerpflicht durch eine
Meldepflicht ersetzt. Auffällig daran ist, dass § 121a BAO keine Ausnahme von dieser
Verpflichtung vorsieht. Nach der Verwaltungsübung mangelt es solchen Zuwendungen an
der Freigebigkeit. Dem widersprachen Beiser (SWK 2008, S 846) und Rief (GeS 2008,
5
240). Ritz hält die Frage für strittig (Ritz, BAO , § 121a Tz 13).
Bis 31. Juli 2008 sah § 32 Z 4 lit. a EStG 1988 in Verbindung mit § 124b Z 56 und
Z 146 lit. h EStG 1988 zudem für Zuwendungen von Privatstiftungen insofern eine
Steuerermäßigung vor, als für sie Erbschafts- und Schenkungssteuer gemäß § 8
Abs. 3 lit. b des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes nacherhoben wurde. Dies
war dann der Fall, wenn zugewendetes Vermögen oder an dessen Stelle getretene
Vermögenswerte von der Privatstiftung innerhalb von zehn Jahren […] unentgeltlich
weitergegeben wurden, nicht aber, wenn sich die Privatstiftung damit - wie hier - von
einer sie persönlich treffenden Verpflichtung befreite. Eine derartige Leistung an einen
Pflichtteilsberechtigten war weder eine „Schenkung“ der Privatstiftung noch eine
unentgeltliche Veräußerung im Sinne des Nacherhebungstatbestandes. Steuerlich war es
ein Erwerb der Pflichtteilsberechtigten von Todes wegen und damit auf dieser Ebene ein
erbschaftsteuerpflichtiger Vorgang im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 1 ErbStG (vgl. Arnold in
2
Arnold/Stangl/Tanzer, Privatstiftungs-Steuerrecht , II 462). Das schließt eine KESt-Pflicht
wohl aus.
Die Steuerschuld entsteht gem. § 12 Abs. 1 Z 1 lit. b ErbStG mit dem Zeitpunkt der
Geltendmachung und nicht im Zeitpunkt des Zuflusses (vgl. UFS 3.8.2011, RV/0682S/10; Behandlung einer Bescheidbeschwerde abgelehnt mit Beschluss VwGH 27.9.2012,
2011/16/0259).
Seite 16 von 18
Die Geltendmachung erfolgte hier bereits 2006, womit der Vergleich noch der
Erbschaftssteuer unterliegen müsste. Ob das zuständige FA eine solche tatsächlich zur
Vorschreibung brachte, ist den Akten nicht zu entnehmen.
2.5 Zusammenfassung
Zur kapitalertragsteuerlichen Behandlung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen
existiert derzeit zwar noch keine konkrete höchstgerichtliche Rechtsprechung, aus
der Zusammenschau all dieser Ausführungen folgt aber, dass die Herausgabe des
„Geschenkes“ durch eine Privatstiftung zur Deckung des Pflichtteilfehlbetrages im
Wege einer Zahlung (§ 951 ABGB) keine Zuwendung im Sinne des § 27 Abs. 5 Z 7
EStG 1988 an den Pflichtteilsberechtigten darstellt.
Der Rechtsgrund für die Zahlung war ein rein zivilrechtlicher. Der Anspruch der X*** Y***
basierte nicht auf stiftungsrechtlichen Grundlagen, sondern ausschließlich auf § 951
ABGB. Er bestand unabhängig von ihrer Stellung gegenüber der Privatstiftung und wäre
auch von jedem fremden Geschenknehmer zu befriedigen gewesen. Eine Qualifikation
dieser Zahlung als Zuwendung ist damit ausgeschlossen.
Die Inanspruchnahme der Bf. zur Haftung für eine auf diese Zahlung an X*** Y***
entfallende KESt erfolgte deshalb zu Unrecht und der Bescheid war ersatzlos aufzuheben.
Auf die übrigen Argumente der Bf. näher einzugehen erübrigt sich deshalb.
2.6 Revisionszulassung
Diese Beurteilung durch das Bundesfinanzgericht kann sich zwar auf umfangreiche
und überzeugende Literaturnachweise und Aussagen in mehreren VwGHErkenntnissen zu vergleichbaren Themen, nicht aber auf eine klare und unzweifelhafte
höchstgerichtliche Rechtsprechung zum konkreten Problem stützen. Das von der Bf.
zitierte „Grundsatzerkenntnis“ beurteilte die Rechtslage vor dem EStG 1972 und befasste
sich nicht mit der Steuerbarkeit eines Zuflusses, sondern mit der Frage, ob ein im Wege
eines Pflichtteilanspruches erworbenes Wirtschaftsgut als angeschafft gilt. Es befasste
sich wie auch das zitierte Erkenntnis aus 1997 nicht mit Zuwendungen in der heutigen
Ausprägung.
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses
auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der
Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Gegen ein Erkenntnis des
Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer
Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das
Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche
Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung
des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Dies ist hier der Fall, weshalb die Revision zuzulassen war.
2.7 Mündliche Verhandlung, Senat
Seite 17 von 18
Die Bf. beantragte erst in der Beschwerdeergänzung vom 19. April 2013 eine mündliche
Verhandlung vor dem Berufungssenat.
Die Entscheidung über eine Bescheidbeschwerde obliegt dem Senat, wenn dies in der
Beschwerde beantragt wird (§ 272 Abs. 2 Z 1 lit. BAO). Auch eine mündliche Verhandlung
muss in der Beschwerde beantragt werden (§ 274 Abs. 1 Z 1 lit. a BAO).
Es genügt damit nicht, dass ein solcher Antrag in einem (die Beschwerde) ergänzenden
5
Schriftsatz gestellt wird (vgl. Ritz, BAO , § 272 Tz 4 unter Hinweis auf Rechtsprechung
zu § 284 Abs. 1 BAO alte Fassung wie VwGH 27.2.2001, 2000/13/0137; 16.9.2003,
2000/14/0116; 24.3.2004, 98/14/0179).
Damit ist hier Einzelrichterzuständigkeit gegeben. Ein Anspruch auf mündliche
Verhandlung besteht nicht.
Salzburg-Aigen, am 11. August 2014
Seite 18 von 18
GZ. RV/2100674/2010
Conrad von Hötzendorf-Str. 14-18
8010 Graz
www.bfg.gv.at
DVR: 2108837
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache X, D Y L, Z Y,
vertreten durch SADLEDER Wirtschaftsprüfungs GmbH, Linzerstraße 63, 4502 St. Marien,
gegen die Bescheide des Finanzamts Judenburg Liezen vom 29. April 2010 betreffend
Umsatzsteuer und Einkommensteuer für die Jahre 2006, 2007 und 2008 zu Recht erkannt:
1) Der Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid des Jahres 2006 wird teilweise
Folge gegeben.
Die Umsatzsteuer beträgt 631,20 Euro.
Die Vorsteuern betragen 616,35 Euro.
Die Zahllast beträgt 14,35 Euro.
Die weiteren Bemessungsgrundlagen und die Berechnung der Abgabe sind dem als
Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen.
Die Höhe und die Fälligkeit der zu entrichtenden Abgabe sind der Buchungsmitteilung des
Finanzamts zu entnehmen.
2) Die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2007 und 2008 wird
abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
3) Der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2006, 2007 und
2008 wird teilweise Folge gegeben.
Das Einkommen des Jahres 2006 beträgt 30.319,97 Euro.
Die für das Jahr 2006 festgesetzte Einkommensteuer beträgt -6.890,87 Euro.
Das Einkommen des Jahres 2007 beträgt 53.506,40 Euro.
Die für das Jahr 2007 festgesetzte Einkommensteuer beträgt -1.003,30 Euro.
Das Einkommen des Jahres 2008 beträgt 32.544,79 Euro.
Die für das Jahr 2008 festgesetzte Einkommensteuer beträgt 2.616,04 Euro.
Die weiteren Bemessungsgrundlagen und die Berechnung der Abgaben sind den als
Beilagen angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen.
Die Höhe und die Fälligkeit der zu entrichtenden Abgaben sind den Buchungsmitteilungen
des Finanzamts zu entnehmen.
4) Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Umwandlungsvertrag vom 21. September 2006 wurde die A GmbH durch
Übertragung ihres Vermögens auf das Einzelunternehmen der Beschwerdeführerin
(Bf.) gemäß den Bestimmungen des Umwandlungsgesetzes unter Inanspruchnahme
der umgründungssteuerrechtlichen Begünstigungen des Art. II UmgrStG zum Stichtag
31. Dezember 2005 umgewandelt. Laut Umwandlungsvertrag wurde die übertragende
Gesellschaft mit Ablauf des Umwandlungsstichtags aufgelöst und ihr Vermögen als
Ganzes im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf die Alleingesellschafterin (Bf.) übertragen.
Betriebsgegenstand der am 25. August 1980 gegründeten GmbH war ursprünglich der
Betrieb des Hotels „B“ in C, sowie die Vermietung von zwei Ferienwohnungen in D Y, die
sich im Eigentum der Bf. befinden.
In den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre machte die Bf. die von der GmbH
erlittenen Verluste als Sonderausgaben geltend, und zwar für das Jahr 2006 in Höhe von
81.919,17 Euro, für das Jahr 2007 in Höhe von 60.806,50 Euro und für das Jahr 2008 in
Höhe von 25.219,48 Euro, und sie beantragte für das Jahr 2006 die Anrechnung der von
der GmbH noch nicht verrechneten Mindestkörperschaftsteuer in Höhe von 6.795,18 Euro.
Anlässlich einer für die Streitjahre vorgenommenen Außenprüfung stellte der Prüfer
fest, dass mangels Vorhandenseins eines Betriebes am Umwandlungsstichtag
keine Umwandlung im Sinn des Art. II UmgrStG vorliege. Die Verlustabzüge und
die Mindestkörperschaftsteuer seien bei der Veranlagung der Einkommensteuer der
Streitjahre daher nicht zu berücksichtigen. Für das Nichtvorhandensein eines Betriebes
spreche, dass die Gewerbeberechtigung der GmbH für das Gastgewerbe in der
Betriebsart eines Hotel Garni in C bereits am 31. Jänner 2005 geendet habe. Tatsächlich
müsse der Betrieb des Hotels durch die GmbH bereits früher eingestellt worden sein, weil
Seite 2 von 15
bereits zum 17. November 2004 die Gewerbeberechtigung für den Nachfolger für den
Betrieb eines Hotels am selben Standort erteilt worden sei.
Die Vermietung der beiden Ferienwohnungen, die im Alleineigentum der Bf. stehen, stelle
keinen Betrieb im Sinn des Ertragsteuerrechts, sondern bloße Vermögensverwaltung dar.
Die beiden Ferienwohnungen, die für jeweils zwei Personen angeboten werden, bestehen
aus einem Wohnzimmer mit Kochnische, einem Schlafzimmer, Dusche und WC und seien
mit TV und Radio ausgestattet. In den Streitjahren seien die Wohnungen um einen Preis
von 42 Euro pro Tag und Wohnung (ab einer Aufenthaltsdauer von drei Tagen) angeboten
worden. Extra verrechnet worden seien die Kurtaxe in Höhe von drei Euro pro Tag sowie
die Endreinigung in Höhe von 20 Euro.
Nach Ansicht der Bf. handle es sich bei der Vermietung der Ferienwohnungen
um eine gewerbliche Tätigkeit, weil sie Leistungen erbringe, die über die reine
Nutzungsüberlassung hinausgehen; sie habe Gäste vom Bahnhof abgeholt und wieder
zurückgebracht, die Zimmer täglich gereinigt, Besorgungen für die Gäste gemacht,
Führungen und Wanderungen veranstaltet und verschiedene Pakete angeboten
(Thermentickets, Liftkarten, Kaffe- und Kuchenjausen, etc.).
Als Nachweis für die Erbringung der genannten Zusatzleistungen legte die Bf. über
Aufforderung des Prüfers das Dankschreiben der Familie E vom 28. März 2010 betreffend
den Transport zum Bahnhof bei der Abreise vor. Weitere Nachweise für Gästetransporte
erbrachte sie nicht. Sie gab jedoch an, dass der Großteil der Gäste ohnedies mit dem
eigenen Auto anreise. Hinsichtlich der Gästeverpflegung brachte die Bf. vor, dass sie
anlässlich des Kfestes im Jahr 2010 ihre Appartements über den Tourismusverein um
23 Euro ohne bzw. um 28 Euro mit Frühstück angeboten habe. Das Frühstück könne,
mangels eines eigenen Frühstücksraums im Haus der Bf., im Nachbarhaus (bei der
Firma F) eingenommen werden, wobei die Abrechnung durch die Bf. erfolge. Dieses
Frühstücksangebot sei bisher jedoch noch nie angenommen worden. Auf Wunsch
werde den Gästen aber Gebäck an die Appartementtür geliefert. Schließlich legte die
Bf. Unterlagen darüber vor, dass sie im Internet – je nach Saison – verschiedene Pakete
anbiete, zB „Frühlingserwachen“ (vier Frühlingstage in der Ferienwohnung mit einem
Tageseintritt mit Sauna in die Therme sowie einer Kaffe- und Kuchenjause bei der
Firma F).
Dem Einwand des Prüfers, in den von der Bf. vorgelegten Belegen seien keine
Nebenleistungen verrechnet worden, entgegnete die Bf., dass die besondere
Gästebetreuung ein Spezialangebot des Hauses sei und dafür keine Extraverrechnung
erfolge. Die Therme sei erst im Oktober 2009 eröffnet worden, weshalb Thermentickets
im Prüfungszeitraum noch nicht angeboten werden konnten. Die Erbringung weiterer
Nebenleistungen (in den Streitjahren) sei von der Bf. – laut Prüfer - nicht nachgewiesen
worden.
Weitere Feststellungen des Prüfers betrafen ua. die Ermittlung der Bemessungsgrundlage
für die AfA im Zusammenhang mit den Einkünften aus der Vermietung der beiden
Seite 3 von 15
Ferienwohnungen, den Abzug von Rechtsberatungskosten im Zusammenhang mit der
Umwandlung sowie die Ermittlung der Höhe der Privatanteile für Strom, Fernwärme,
Hausbetriebskosten, Rundfunkgebühren, Grundsteuer und Versicherung. (Da sich die
Wohnung der Bf. und die beiden Ferienwohnungen im selben Haus befinden, wurden
diese Kosten nicht getrennt erfasst.)
Das Finanzamt folgte bei der Erlassung der Umsatz- und Einkommensteuerbescheide der
Jahre 2006 bis 2008 den Feststellungen des Prüfers.
In der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde wurde vorgebracht,
Betriebsgegenstand der A GmbH sei der Betrieb des Hotels B in C sowie die gewerbliche
Vermietung von zwei Ferienwohnungen in D Y gewesen. Dieser gewerbliche Betrieb
habe bereits zum Umwandlungsstichtag und auch am Tag des Umwandlungsbeschlusses
bestanden, sodass die in § 7 UmgrStG genannten Bedingungen als erfüllt anzusehen
seien. Auch seitens des Firmenbuches, das die ordnungsgemäße Umwandlung
genehmigen habe müssen, sei der Bestand eines Betriebes nicht in Abrede gestellt
worden. Die gewerbliche Tätigkeit der GmbH und die Tätigkeit der Bf. seien mit einer
Vermögensverwaltung nicht vergleichbar. Sowohl der zeitliche Arbeitseinsatz der Bf.
als auch die eingesetzten Mittel, um die Ferienwohnungen an möglichst vielen Tagen
auslasten zu können, sprengen den Rahmen einer Vermögensverwaltung. Die Bf. müsse
stets erreichbar sein und biete eine Vielzahl von Tätigkeiten an. Insbesondere die immer
wechselnden Pauschalangebote, die angebotenen Führungen und Wanderungen, die in
den Pauschalangeboten enthaltenen Thermeneintritte und Liftkarten, das angebotene
Frühstück und die Jausen, die Bahnhoftransporte und die tägliche Reinigung der
Zimmer bzw. Betten vermittelten das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit. Es müsse
stets auf die Wünsche der Gäste eingegangen und die Leistungen dementsprechend
verändert werden. So sei seit der Eröffnung der Therme auch dieses Angebot in das
Leistungspaket aufgenommen worden. Sowohl die genannten Angebote als auch
der Werbeauftritt in verschiedenen Zeitungen und die Einschaltungen in diversen
Internetportalen heben sich von einer Vermögensverwaltung deutlich ab. Natürlich
könne die Bf. nur die derzeit aktuellen Angebote aufzeigen. Die Tätigkeit der Bf.
verursache einen Verwaltungsaufwand, der über eine Vermögensverwaltung weit
hinausgehe. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe derartige Tätigkeiten als gewerblich
eingestuft (vgl. VwGH 30.09.1999, 97/15/0027; VwGH 05.10.1994, 94/15/0059). Die Bf.
vermiete die Ferienwohnungen nach Art eines Beherbergungsbetriebes mit ständiger
Anwesenheitspflicht, um eine möglichst hohe Auslastung zu erreichen. Das gehe auch
daraus hervor, dass die Wohnungen mit Tagespreis, Kurtaxe und Endreinigung angeboten
werden. Der erzielte Umsatz könne hingegen nicht als Kriterium dafür herangezogen
werden, ob eine gewerbliche Tätigkeit oder eine Vermögensverwaltung vorliege.
Entscheidend seien die Art der Betätigung, der Auftritt gegenüber den Kunden, die
angebotenen Leistungen sowie der notwendige Arbeitseinsatz. Nach diesen Kriterien übe
die Bf. eine gewerbliche Tätigkeit aus. Da der Betrieb sowohl am Umwandlungsstichtag
als auch an dem Tag, an dem der Umwandlungsbeschluss gefasst worden sei, existiert
Seite 4 von 15
habe, sei von einer ordnungsgemäßen Umwandlung auszugehen. Die Verlustabzüge und
die verrechenbare Körperschaftsteuer seien daher zu berücksichtigen.
Weiters richtet sich die Beschwerde gegen die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für
die AfA, gegen die Nichtanerkennung der Rechtsberatungskosten im Zusammenhang mit
der Umwandlung und gegen die vom Prüfer erhöhten Privatanteile bei den Strom- und
Fernwärmekosten für die Jahre 2007 und 2008. Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage
für die AfA wurde vom steuerlichen Vertreter der Bf. ausgeführt, für den Fall, dass es sich
bei den von der Bf. in den Streitjahren aus der Bewirtschaftung ihrer Ferienwohnungen
erzielten Einkünfte tatsächlich um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung handle,
sei der vom Prüfer ermittelte Wert von 17.000 Euro zu berichtigen. Da die Wohnungen
vor mehr als zehn Jahren angeschafft worden seien und nunmehr erstmals zur Erzielung
von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwendet werden, bestehe gemäß
§ 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988 die Möglichkeit, den (höheren) gemeinen Wert als
Abschreibungsbasis heranzuziehen. Unter Ansatz eines Quadratmeterpreises von
1.300 Euro ergebe sich für die beiden Wohnungen ein Wert von 114.000 Euro. Die
jährliche AfA würde demnach 1.710 Euro betragen. Zu den mit der Umwandlung in
Zusammenhang stehenden Kosten der Rechtsberatung führte der steuerliche Vertreter der
Bf. aus, dass diese Kosten auch dann abzugsfähig seien, wenn die Bf. nunmehr Einkünfte
aus Vermietung und Verpachtung erziele. Selbst nach den Umgründungssteuerrichtlinien
stünden diese Kosten in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der
künftigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers. Die Privatanteile an den Stromund Fernwärmekosten habe der Prüfer für die Jahre 2007 und 2008 mit 80% statt mit 50%
angesetzt. Der Ansatz von nur 50% sei aber deshalb gerechtfertigt, weil die Erfahrungen
des täglichen Lebens zeigten, dass Personen mit Fremdkosten, die sie nicht separat
bezahlen müssen, nicht mit jener Sparsamkeit umgingen, die man sonst annehmen
könne. Der Verbrauch an Strom und Fernwärme sei in den Ferienwohnungen (in Relation
der Nutzflächen) daher wesentlich höher als in der Wohnung der Bf., weshalb letztlich ein
Anteil von 50% gerechtfertigt sei.
In einer Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen führte der Prüfer zur Frage, ob es
sich bei der Vermietung der beiden Ferienwohnungen um eine gewerbliche Tätigkeit
oder um Vermögensverwaltung handle, aus, dass die in der Beschwerde aufgezählten
Tätigkeiten, die die Bf. neben der reinen Nutzungsüberlassung erbringe, bereits
während der Außenprüfung genannt worden seien. Nachweise für im Prüfungs- bzw.
im Streitzeitraum geleistete Nebentätigkeiten habe die Bf. jedoch nicht erbracht. Den
Ausführungen der Bf., sie müsse für die Mieter der Ferienwohnungen ständig erreichbar
sein, entgegnete der Prüfer, die Haustüre, die sowohl zu den Ferienwohnungen im
ersten Stock als auch zur Wohnung der Bf. im zweiten Stock führe, könne mit den zu den
Ferienwohnungen gehörenden Wohnungsschlüsseln gesperrt werden. Die Bf. müsse
daher nicht ständig anwesend sein. Da die Bf., zumindest in den Jahren 2006 und 2007,
auch nichtselbständig als Versicherungsvertreterin tätig gewesen sei, sei sie sicherlich
bestrebt gewesen, den mit der Vermietung der Ferienwohnungen verbundenen ArbeitsSeite 5 von 15
und Verwaltungsaufwand so gering wie möglich zu halten. In diesem Zusammenhang
sei auch zu berücksichtigen, dass die Bf. lediglich zwei Ferienwohnungen habe, die auf
Grund der touristischen Situation und der Lage der Wohnungen nur fallweise hätten
vermietet werden können. Das Vorbringen der Bf. im Zusammenhang mit der täglichen
Reinigung der Zimmer/Betten sei insofern widersprüchlich als nicht erkennbar sei, warum
trotz täglicher Reinigung, deren Kosten im Preis für die Ferienwohnungen enthalten sein
müssten, noch extra eine Endreinigung in den Prospekten ausgewiesen und verrechnet
worden sei. Hinsichtlich der für die Reinigung geltend gemachten Kosten habe die
Bf. angegeben, diese an sich selbst bezahlt zu haben. Zur Ermittlung der Höhe der
Bemessungsgrundlage für die AfA führte der Prüfer aus, laut Immobilienpreisspiegel für
das Jahr 2006 habe der Quadratmeterpreis für gebrauchte Eigentumswohnungen im
Bezirk G bei mittlerem bis gutem Wohnwert rund 1.100 Euro betragen. Auf Grund der
Lage von D Y (Verkehrsanbindung, Arbeitsplatzangebot etc.) sei für das Jahr 2006 ein
Quadratmeterpreis von 1.000 Euro angemessen. Die AfA-Bemessungsgrundlage betrage
somit rund 88.000 Euro, die jährliche AfA betrage 1.320 Euro. Die mit der Umwandlung
in Zusammenhang stehenden Rechtsberatungskosten könnten nicht berücksichtigt
werden, weil sie nicht das Unternehmen der Bf. betreffen. Hinsichtlich der Erhöhung der
Privatanteile für die Jahre 2007 und 2008 führte der Prüfer aus, dass auch der steuerliche
Vertreter der Bf. für das Jahr 2006 einen Privatanteil von 80% berücksichtigt habe. Der
Prüfer habe für die Jahre 2007 und 2008 den Privatanteil bei der Grundsteuer und den
Kosten für die Versicherung nach Nutzflächen (ein Drittel entfalle auf die vermieteten
Flächen) und bei den verbrauchsabhängigen Kosten nach der Anzahl der Nächtigungen
(in den Ferienwohnungen seien im Streitzeitraum durchschnittlich 190 Nächtigungen pro
Jahr angefallen, während die Bf. ihre Wohnung das ganze Jahr genutzt habe) aufgeteilt.
Mit Schreiben vom 24. Jänner 2014 wurde der Bf. die Stellungnahme des Prüfers zur
Kenntnis gebracht.
In einer schriftlichen Entgegnung vom 8. Mai 2014 führte der steuerliche Vertreter
der Bf. aus, die Tätigkeit der Bf. sei bereits im Rahmen der GmbH als gewerbliche
Fremdenzimmervermietung angemeldet und geführt worden. Die zahlreichen Angebote
und Tätigkeiten der Bf. (für ihre Gäste) sowie die Einhaltung der gewerberechtlichen
Bestimmungen stünden im Gegensatz zu einer vermögensverwaltenden Tätigkeit.
§ 7 Abs. 1 UmgrStG ziele nicht nur auf Großbetriebe ab. Umwandlungsfähig seien
auch Kapitalgesellschaften, die nur in einem verminderten Ausmaß betriebsführend
(operativ) tätig seien. Die Voraussetzungen für eine Umwandlung seien jedenfalls
sowohl am Umwandlungsstichtag als auch am Tag des Umwandlungsbeschlusses
erfüllt gewesen. Die Feststellung des Prüfers, die Bf. habe ihren Gästen auf Grund
ihrer Tätigkeit als Versicherungsvertreterin nicht immer zur Verfügung stehen und ihnen
daher auch nicht alle Sonderwünsche erfüllen können, sei nicht zutreffend. Da die Bf.
ihre Außendiensttätigkeit für eine Versicherung bestmöglich einteilen habe können,
sei ihr entsprechend viel Zeit für die Betreuung der Gäste geblieben. Sie sei ihren
Gästen daher stets als Ansprechperson für Fragen, Informationen und Auskünfte zur
Seite 6 von 15
Verfügung gestanden. Der gesonderte Ausweis der Reinigungskosten in den Prospekten
sei aus Wettbewerbsgründen erfolgt. Die Bezahlung der Reinigungskosten durch die
Bf. an sich selbst spreche nicht gegen, sondern für das Vorliegen einer gewerblichen
Tätigkeit. Da sie die diesbezüglichen Belege aber leider nicht aufbewahrt habe, sei der
Nachweis dieser betrieblichen Ausgaben nicht mehr möglich. Jeder Beherbergungsbetrieb
müsse darauf achten, eine möglichst hohe Auslastung zu erreichen. Nach Ansicht
des steuerlichen Vertreters der Bf. könne es daher keinen Unterschied machen, ob
jemand eine Vielzahl oder nur einige wenige Ferienwohnungen zu verwalten habe.
Von einer missglückten Umwandlung – wie vom Prüfer dargestellt – könne keinesfalls
gesprochen werden, weil stets ein Betrieb vorhanden gewesen sei. Unabhängig vom
Vorhandensein eines Betriebes sei aber jedenfalls die Mindestkörperschaftsteuer bei der
Veranlagung der Einkommensteuer der Bf. zu verrechnen, weil § 9 Abs. 8 UmgrStG in der
im Zeitpunkt der Umwandlung (31. Dezember 2005) geltenden Fassung keinen Bezug
auf das Vorhandensein eines Betriebes im Sinn des § 7 Abs. 1 UmgrStG nehme. Auf das
„Vorliegen eines Betriebes“ komme es für die Anrechnung der Mindestkörperschaftsteuer
nicht an.
Weiters führte der steuerliche Vertreter der Bf. in der Stellungnahme vom 8. Mai 2014
aus, er akzeptiere die vom Finanzamt ermittelte Bemessungsgrundlage für die AfA in
Höhe von 88.000 Euro. Die im Zusammenhang mit der Umwandlung entstandenen Kosten
für die Rechtsberatung seien bei der Bf. jedoch als Aufwand zu berücksichtigen, weil
hier ein unmittelbarer Zusammenhang mit den von der Bf. in den Streitjahren erzielten
Einkünften gegeben sei. Nicht zugestimmt werde auch der Ermittlung der Privatanteile
bei den verbrauchsabhängigen Kosten der Bf. (Strom und Fernwärme) durch den
Prüfer, weil die Aufteilung dieser Kosten im Verhältnis der gemeldeten Nächtigungen zur
Eigennutzung durch die Bf. zu keinem zutreffenden Ergebnis führe. Die Fremdenzimmer
verursachten nämlich auch dann Kosten, wenn keine Nächtigungen zu verzeichnen seien.
Die Aufteilung der Kosten im Verhältnis 50 zu 50 sei daher angemessen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
1) Umwandlung
Gemäß § 7 Abs. 1 UmgrStG, in der für den vorliegenden Fall geltenden Fassung BGBl. I
Nr. 161/2005, sind Umwandlungen im Sinn des Umgründungssteuergesetzes ua.
verschmelzende Umwandlungen nach dem „Bundesgesetz über die Umwandlung von
Handelsgesellschaften, BGBl. Nr. 304/1996“, wenn am Umwandlungsstichtag und am Tag
des Umwandlungsbeschlusses ein Betrieb vorhanden ist. Gemäß § 7 Abs. 4 UmgrStG
sind auf Umwandlungen die §§ 8 bis 11 anzuwenden.
Gemäß § 9 Abs. 8 UmgrStG sind Mindeststeuern der übertragenden Körperschaft im
Sinne des § 24 Abs. 4 KStG 1988, die bis zum Umwandlungsstichtag entstanden und
noch nicht verrechnet sind, den Rechtsnachfolgern ab dem dem Umwandlungsstichtag
Seite 7 von 15
folgenden Wirtschaftsjahr in jenem Ausmaß zuzurechnen, das sich aus der Höhe
der Beteiligung an der umgewandelten Körperschaft im Zeitpunkt der Eintragung des
Umwandlungsbeschlusses in das Firmenbuch ergibt. … § 24 Abs. 4 KStG 1988 gilt für
natürliche Personen als Rechtsnachfolger mit der Maßgabe, dass die Mindeststeuern
im Ausmaß entstehender Einkommensteuerschulden nach Berücksichtigung der in § 46
Abs. 1 EStG 1988 genannten Beträge anzurechnen sind. § 46 Abs. 2 EStG 1988 ist nicht
anzuwenden.
Gemäß § 10 Z 1 lit. a UmgrStG ist für Verluste der übertragenden Körperschaft
§ 4 Z 1 lit. a, c und d anzuwenden. Gemäß § 4 Z 1 lit. a UmgrStG gelten Verluste
der übertragenden Körperschaft, die bis zum Verschmelzungsstichtag entstanden
und noch nicht verrechnet sind, im Rahmen der Buchwertfortführung ab dem dem
Verschmelzungsstichtag folgenden Veranlagungszeitraum der übernehmenden
Körperschaft insoweit als abzugsfähige Verluste dieser Körperschaft, als sie den
übertragenen Betrieben, Teilbetrieben oder nicht einem Betrieb zurechenbaren
Vermögensteilen zugerechnet werden können. Voraussetzung ist weiters, dass
das übertragene Vermögen am Verschmelzungsstichtag tatsächlich vorhanden
ist. Gemäß § 4 Z 1 lit. c UmgrStG ist der von diesen Betrieben, Teilbetrieben oder
Vermögensteilen verursachte Verlust vom Abzug ausgeschlossen, wenn der Umfang
der Betriebe, Teilbetriebe oder nicht einem Betrieb zurechenbaren Vermögensteile am
Verschmelzungsstichtag gegenüber jenem im Zeitpunkt des Entstehens der Verluste
derart vermindert ist, dass nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse eine
Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist.
Im vorliegenden Fall wurden – wie die Bf. ausführte – zwar die handelsrechtlichen
Voraussetzungen einer Umwandlung erfüllt und wurde diese daher im Firmenbuch
eingetragen, für den Bereich des Abgabenrechts ist Voraussetzung für die Anwendung
des Art. II UmgrStG aber die Übertragung eines Betriebes im Sinn des Ertragsteuerrechts.
Es muss somit eine selbständige organisatorische Einheit zur Erzielung von (betrieblichen)
Einkünften im Sinn des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 vorliegen (vgl. Hügel/Mühlehner/
Hirschler, Umgründungssteuergesetz, Kommentar, § 7 Rz 30).
Betriebsgegenstand der übertragenden GmbH war ursprünglich der Betrieb des Hotels „B“
in C sowie die Vermietung von zwei Ferienwohnungen in D Y. Wie der Prüfer feststellte,
hatte die Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Hotel Garni
in C bereits am 31. Jänner 2005 geendet. Tatsächlich muss der Betrieb des Hotels durch
die übertragende GmbH schon früher eingestellt worden sein, weil am 17. November 2004
bereits die Gewerbeberechtigung für den Nachfolger für den Betrieb eines Hotels am
selben Standort in C entstand. Diese Feststellungen des Prüfers wurden von der Bf. nicht
bestritten. Es ist daher als erwiesen anzusehen, dass der Teilbetrieb „Hotel Garni“ sowohl
am Umwandlungsstichtag als auch am Tag des Umwandlungsbeschlusses nicht mehr
bestand. Selbst wenn im vorliegenden Fall somit eine abgabenrechtlich anzuerkennende
Umwandlung im Sinn des Art. II UmgrStG vorliegen würde, wären gemäß § 4 Z 1 lit. a
UmgrStG die beim Teilbetrieb „Hotel Garni“ entstandenen Verluste nicht auf die Bf. als
Seite 8 von 15
Gesamtrechtsnachfolgerin der übertragenden GmbH übergegangen, weil das übertragene
Vermögen (der Teilbetrieb Hotel Garni) am Umwandlungsstichtag nicht mehr vorhanden
war.
Der Betriebsgegenstand der übertragenden GmbH umfasste somit sowohl
am Umwandlungsstichtag (31. Dezember 2005) als auch am Tag des
Umwandlungsbeschlusses (21. September 2006) nur mehr die Vermietung von zwei
Ferienwohnungen. Entscheidend für die Beurteilung des vorliegenden Falles ist
daher, ob die Vermietung der beiden Ferienwohnungen einen Betrieb im Sinn des
Ertragsteuerrechts, dh. eine selbständige organisatorische Einheit zur Erzielung von
betrieblichen Einkünften im Sinn des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988, bildet oder ob es
sich dabei um Vermögensverwaltung handelt, die, wenn man von der Rechtsform des
Vermieters absieht, zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führt.
Das Unterscheidungsmerkmal zwischen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
und Einkünften aus Gewerbebetrieb ist nach ständiger Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB VwGH 07.10.2003, 2000/15/0024, und VwGH
24.06.2009, 2008/15/0060, jeweils m.w.N.) darin zu erblicken, ob sich die Tätigkeit
des Vermieters auf die bloße Überlassung des Bestandgegenstandes beschränkt
oder ob, in welcher Richtung und in welchem Ausmaß sie darüber hinausgeht. Die
durch jede Art von Vermietung bedingte laufende Verwaltungsarbeit und die durch sie
gleichfalls oft erforderliche Werbetätigkeit allein machen die Betätigung nicht zu einer
gewerblichen, es sei denn, die laufende Verwaltungsarbeit überschreitet (deutlich)
jenes Maß, das üblicherweise mit der Verwaltung eigenen Liegenschaftsvermögens
verbunden ist. Insgesamt müssen zur bloßen Vermietung besondere, damit nicht im
Regelfall oder stets verbundene Umstände hinzutreten, durch die eine über die bloße
Nutzungsüberlassung hinausgehende weitere Tätigkeit des Vermieters bedingt wird.
Eine solche weitere Tätigkeit wird vor allem in den typischen Fällen „gewerblicher“
Beherbergung von Gästen in Hotels und Fremdenpensionen erbracht. Diese weitere
Tätigkeit besteht insbesondere in der (angebotenen) Verpflegung der Gäste (sei es auch
nur in Form eines Frühstücks) und in der täglichen Wartung der Zimmer (Reinigung,
Bettenmachen). Wenn solche zusätzlichen Tätigkeiten allerdings wegen der Zahl der
Fremdenzimmer nur in bescheidenem Ausmaß anfallen, begründen auch sie keinen
(steuerlichen) Gewerbebetrieb.
Ob die laufende Verwaltungsarbeit (deutlich) jenes Ausmaß überschreitet, das
üblicherweise mit der Verwaltung eigenen Liegenschaftsvermögens verbunden ist,
hängt somit sowohl von der Art und dem Umfang der vom Vermieter neben der bloßen
Nutzungsüberlassung erbrachten Tätigkeiten als auch von der Zahl der vermieteten
Fremdenzimmer (bzw. der darin befindlichen Betten) und Ferienwohnungen ab. So
beurteilte der Verwaltungsgerichtshof die Vermietung von vier Fremdenzimmern mit acht
Betten (vgl. das auch von der Bf. zitierte Erkenntnis VwGH 05.10.1994, 94/15/0059)
bzw. die Vermietung von fünf Fremdenzimmern mit neun Betten (vgl. VwGH 07.10.2003,
2000/15/0024) trotz der Erbringung zahlreicher Nebenleistungen, wie der Verabreichung
Seite 9 von 15
von Frühstück sowie auf Anfrage und in geringem Umfang auch der Verabreichung von
kalten Speisen und Getränken, der täglichen Reinigung der Zimmer, der Übernahme
und Verteilung der Post und dergleichen, noch als Erzielung von Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung. Wegen der geringen Anzahl der Fremdenbetten seien
die genannten Leistungen – laut Verwaltungsgerichtshof - nicht im erheblichen Umfang
angefallen, weshalb sie nicht geeignet seien, einen Gewerbebetrieb zu begründen.
Bei der kurzfristigen Vermietung von acht Ferienwohnungen (auf die Anzahl der Betten
kommt es bei Ferienwohnungen nicht in erster Linie an) handelt es sich nach Ansicht des
Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 24.06.2009, 2008/15/0060) hingegen bereits um die
Vermietung einer verhältnismäßig größeren Anzahl von Ferienwohnungen, die wegen der
mit der Vermietung verbundenen Betreuung der Wohnungen zu gewerblichen Einkünften
führt.
Im vorliegenden Fall wurden im maßgeblichen Zeitraum nur zwei Ferienwohnungen
(mit insgesamt vier Betten) vermietet, wobei die Bf. angab, neben der bloßen
Nutzungsüberlassung die folgenden Nebenleistungen erbracht zu haben:
- die Gäste seien am Bahnhof abgeholt und wieder zurückgebracht worden,
- die Zimmer seien täglich gereinigt worden,
- die Gäste seien zum Teil verpflegt worden (Frühstück),
- wenn gewünscht, seien Besorgungen für die Gäste gemacht worden,
- Führungen und Wanderungen seien veranstaltet worden,
- und es habe Pauschalangebote gegeben (Thermentickets, Liftkarten, Kaffe- und
Kuchenjausen).
Die Bf. wurde vom Finanzamt aufgefordert, nachzuweisen, welche der genannten
Leistungen sie in den Streitjahren tatsächlich erbracht habe.
Im Zusammenhang mit den genannten Gästetransporten legte die Bf. nur das
Dankschreiben der Familie E vom 28. März 2010 betreffend den Transport zum Bahnhof
bei der Abreise vor. Für die Streitjahre wurde kein Nachweis für einen Gästetransport
erbracht. Die Bf. führte lediglich aus, dass die meisten Gäste ohnedies mit dem eigenen
Pkw anreisen.
Die tägliche Reinigung der Zimmer führte die Bf. – nach ihren Angaben – selbst durch.
In diesem Zusammenhang legte sie daher nur „Eigenbelege“ vor. Auch wenn die Bf.
neben ihrer nichtselbständigen Tätigkeit als Versicherungsvertreterin tatsächlich eine
tägliche Reinigung der beiden Ferienwohnungen vornahm, führt die Erbringung dieser
Nebenleistung auf Grund der geringen Anzahl der Ferienwohnungen noch nicht zu einer
gewerblichen Tätigkeit.
Im Zusammenhang mit der angebotenen Gästeverpflegung brachte die Bf. vor, das
Frühstück könne im Nachbarhaus bei der Firma F eingenommen werden, wobei die
Abrechnung dafür von ihr vorgenommen werde. Dieses Angebot sei bisher jedoch noch
nie angenommen worden. Im Haus der Bf. gäbe es keinen Frühstücksraum und somit
auch keine Möglichkeit, ein Frühstück (oder andere Verpflegungen) anzubieten. Auf
Seite 10 von 15
Wunsch werde den Gästen das Frühstücksgebäck aber an die Appartementtür geliefert.
Wie oft dieses Angebot angenommen worden sei, gab die Bf. nicht bekannt. Dem Hinweis,
in den Rechnungen scheinen keine derartige Nebenleistungen auf, entgegnete die Bf.,
dabei handle es sich um ein Spezialangebot des Hauses, das nicht extra verrechnet
werde. Eine Gästeverpflegung (zB in Form der Verabreichung eines Frühstücks) durch die
Bf. fand in den Streitjahren somit nicht statt. Die Erbringung weiterer Nebenleistungen, wie
zB die Besorgung von Frühstücksgebäck, wurde von der Bf. nicht nachgewiesen.
Hinsichtlich der Veranstaltung von Führungen und Wanderungen sowie der genannten
Pauschalangebote (Thermentickets, Liftkarten, Kaffe- und Kuchenjausen) wurde für die
Streitjahre kein einziger Nachweis erbracht. Die in den Pauschalangeboten enthaltenen
Thermentickets haben für die Streitjahre schon deshalb keine Bedeutung, weil die Therme
erst im Oktober 2009 eröffnet wurde.
Bei der Vermietung von nur zwei Ferienwohnungen ist weiters davon auszugehen, dass
selbst die kurzfristige Vermietung dieser Ferienwohnungen keine Verwaltungsarbeit
bedingt, die in erheblichem Umfang jenes Maß überschreitet, das üblicherweise mit der
Verwaltung eigenen Liegenschaftsvermögens verbunden ist. An dieser Beurteilung ändern
auch die in der Beschwerde angesprochenen Werbeauftritte in verschiedenen Zeitungen
sowie die Einschaltungen in diversen Internetportalen nichts.
Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass die Vermietung der beiden
Ferienwohnungen keine über die bloße Nutzungsüberlassung hinausgehende Tätigkeit
darstellte. Mangels Vorliegens eines Betriebes im Sinn des Ertragsteuerrechts lagen
die Voraussetzungen für eine Umwandlung im Sinn des § 7 Abs. 1 UmgrStG somit nicht
vor. Es können daher auch die in den §§ 8 bis 11 UmgrStG geregelten Rechtsfolgen
einer Umwandlung nicht eintreten. Der Bf. sind daher weder gemäß § 9 Abs. 8 UmgrStG
die Mindeststeuern der übertragenden GmbH zuzurechnen noch gelten gemäß
§ 10 Z 1 lit. a UmgrStG iVm § 4 Z 1 lit. a UmgrStG die Verluste der übertragenden
GmbH als abzugsfähige Verluste der Bf. Dem Einwand des steuerlichen Vertreters
der Bf., für die Verrechnung der Mindestkörperschaftsteuer sei das Vorliegen eines
Betriebes nicht entscheidend, weil § 9 Abs. 8 UmgrStG in der am Umwandlungsstichtag
(31. Dezember 2005) geltenden Fassung keinen Bezug auf einen Betrieb enthalte, ist
entgegenzuhalten, dass – wie bereits ausgeführt wurde - Voraussetzung für den Eintritt
der in § 9 Abs. 8 UmgrStG geregelten Rechtsfolgen das Vorliegen einer Umwandlung
im Sinn des § 7 Abs. 1 UmgrStG ist und diese wiederum das Vorliegen eines Betriebes
voraussetzt. Die ab dem Jahr 2011 geltende Fassung des § 9 Abs. 8 UmgrStG
unterscheidet sich von der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung des § 9 Abs. 8
UmgrStG jedoch dadurch, dass ab dem Jahr 2011 als weitere Voraussetzung für die
Verrechnung der Mindestkörperschaftsteuer beim Rechtsnachfolger der Betrieb nach § 7
Abs. 1 UmgrStG auch noch am Ende des Jahres, für das die Anrechnung erfolgen soll,
vorhanden sein muss.
Seite 11 von 15
2) AfA-Bemessungsgrundlage
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 lit. e EStG 1988, in der in den Streitjahren geltenden Fassung,
können bei Gebäuden, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören und die der
Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, ohne Nachweis der
Nutzungsdauer jährlich 1,5% der Bemessungsgrundlage (lit. a bis d) als Absetzung für
Abnutzung geltend gemacht werden.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988, in der im Jahr 2006 geltenden Fassung, sind
bei früher angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgütern, die erstmalig zur Erzielung
von Einkünften verwendet werden, die ungekürzten tatsächlichen Anschaffungs- oder
Herstellungskosten der Bemessung der Absetzung für Abnutzung zugrunde zu legen.
Wurde ein Gebäude vor mehr als zehn Jahren oder ein sonstiges Wirtschaftsgut vor mehr
als einem Jahr angeschafft oder hergestellt, dann darf der höhere gemeine Wert angesetzt
werden.
Vom Prüfer wurden 17.000 Euro als AfA-Bemessungsgrundlage angesetzt. Dieser Betrag
entspricht dem 1,5-fachen Buchwert der Ferienwohnungen im Zeitpunkt der Entnahme
aus dem Betriebsvermögen der GmbH.
In der Beschwerde wurde eingewendet, dass bei der Ermittlung des gemeinen Wertes
der Ferienwohnungen ein Quadratmeterpreis von 1.300 Euro anzusetzen wäre. Der
Gesamtwert der Ferienwohnungen betrage demnach 114.000 Euro, die jährliche AfA
betrage 1.710 Euro.
In einer Stellungnahme zur Beschwerde führte der Prüfer aus, die Überprüfung der AfABemessungsgrundlage anhand des Immobilienpreisspiegels habe ergeben, dass der
Quadratmeterpreis für gebrauchte Eigentumswohnungen im Bezirk G im Jahr 2006 bei
einem mittleren bis guten Wohnwert rund 1.100 Euro betragen habe. Auf Grund der Lage
von D Y (Verkehrsanbindung, Arbeitsplatzangebot etc.) sei nach Ansicht des Finanzamts
für das Jahr 2006 ein Preis von 1.000 Euro angemessen. Die AfA-Bemessungsgrundlage
betrage daher rund 88.000 Euro, die jährliche AfA betrage demnach 1.320 Euro.
In der schriftlichen Stellungnahme vom 8. Mai 2014 gab der steuerliche Vertreter der Bf.
bekannt, dass die Höhe der vom Finanzamt ermittelten AfA-Bemessungsgrundlage und
die Höhe der sich daraus ergebenden jährlichen AfA akzeptiert werden.
3) Rechtsberatungskosten
Die mit der Umwandlung in Zusammenhang stehenden Rechtsberatungskosten in Höhe
von 1.772,60 Euro (brutto) wurden vom Prüfer nicht als Werbungskosten (bzw. Vorsteuern)
der Bf. anerkannt, weil sie nicht das Unternehmen der Bf. betreffen.
In der Beschwerde wurde gegen diese Rechtsansicht vorgebracht, auch wenn die
Bf. tatsächlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erziele, seien die mit der
Umwandlung in Zusammenhang stehenden Notarkosten bei ihr als Werbungskosten
(bzw. als Vorsteuern) zu berücksichtigen, weil selbst laut Umgründungssteuerrichtlinien
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diese Kosten in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der künftigen
wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers stehen.
Laut Umwandlungsvertrag hatte die Bf. sich verpflichtet, die durch die Umwandlung
verursachten Kosten zu tragen. Die Rechnung des Notars über Beratungskosten in Höhe
von insgesamt 1.772,60 Euro (darin sind Vorsteuern in Höhe von 261,60 Euro enthalten)
wurde daher an die Bf. gelegt.
Wie in der Beschwerde bereits ausgeführt wurde, stehen laut
Umgründungssteuerrichtlinien (UmgrStR 2002, Rz 639) Vorleistungen (zB
Beratungsleistungen), die im Zusammenhang mit einer Umwandlung an den
Gesellschafter erbracht werden, in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang
mit der künftigen wirtschaftlichen Tätigkeit als Unternehmer. Sind die Umsätze aus
dieser Tätigkeit steuerpflichtig, so ist der Unternehmer auch hinsichtlich der oben
genannten Vorleistungen zum Vorsteuerabzug berechtigt. Diese Rechtsfolge tritt nach
Umwandlungen ein, die nicht unter Art. II UmgrStG fallen.
Die vom Finanzamt vertretene Rechtsansicht, die der Bf. in Rechnung gestellten
Beratungskosten stünden in keinem Zusammenhang mit der Vermietungstätigkeit der
Bf., kann daher nicht geteilt werden. Die Aufwendungen für Rechtsberatung in Höhe von
1.511,00 Euro (netto) werden daher als Werbungskosten berücksichtigt. Die Vorsteuern in
Höhe von 261,60 Euro sind abziehbar.
4) Privatanteile
Die Aufwendungen für Strom und Fernwärme, die Hausbetriebskosten (Wasser, Kanal),
die Versicherungskosten und die Grundsteuer werden für die privaten Wohnräume der
Bf. sowie für die im selben Haus befindlichen Ferienwohnungen jeweils gemeinsam
vorgeschrieben bzw. abgerechnet. Für das Jahr 2006 schätzte die Bf. den Privatanteil
an diesen Aufwendungen mit 80%. Für die Jahre 2007 und 2008 begehrte die Bf.
hingegen, die Privatanteile mit 50% anzusetzen, weil nach ihren Erfahrungen Personen
mit Fremdkosten, die sie nicht separat bezahlen müssen, nicht mit jener Sparsamkeit
umgehen, die man sonst annehmen könne. Der Verbrauch an Strom und Fernwärme sei
in den Ferienwohnungen in Relation der Nutzflächen daher wesentlich höher als in der
Wohnung der Bf.
Das Finanzamt vertritt hingegen die Ansicht, dass die Höhe des für das Jahr 2006 von
der Bf. berücksichtigten Privatanteils beizubehalten sei. Für die Jahre 2007 und 2008
setzte das Finanzamt bei den Versicherungskosten und der Grundsteuer den Privatanteil –
entsprechend dem Verhältnis der Nutzflächen - mit zwei Drittel der Gesamtkosten an. Bei
den verbrauchsabhängigen Kosten berücksichtigte das Finanzamt einen Privatanteil von
80% in Anlehnung an die Zahl der Nächtigungen in den Ferienwohnungen.
Diese Schätzung führt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts zu einem den tatsächlichen
Verhältnissen entsprechenden Ergebnis. Wie der Prüfer feststellte, gab die Bf. für die
Seite 13 von 15
Streitjahre eine durchschnittliche Zahl von 190 Nächtigungen pro Jahr an. Das entspricht
bei einer Vollbelegung der beiden Ferienwohnungen (insgesamt vier Betten) einer
Auslastung an weniger als 50 Tagen pro Jahr, während die Bf. den privat genutzten Teil
des Hauses mit ihrem Ehepartner das ganze Jahr bewohnt. Die Ferienwohnungen sind
daher nur an knapp 15% der Tage eines Jahres voll ausgelastet. Wenn daher 20% der
verbrauchsabhängigen Kosten (Strom und Fernwärme) als auf die Ferienwohnungen
entfallend geschätzt werden, ist dabei bereits berücksichtigt, dass Feriengäste eventuell
nicht so sparsam mit Strom und Fernwärme umgehen wie die Hauseigentümer. Der
weitere Einwand der Bf., die Ferienwohnungen verursachten auch Kosten in Zeiten, in
denen keine Nächtigungen stattfinden, betrifft wohl weniger die verbrauchsabhängigen
Kosten als vielmehr Kosten wie Grundsteuer, Versicherung und dergleichen. Diese Kosten
werden aber ohnedies im Verhältnis der Nutzflächen aufgeteilt ohne zu berücksichtigen,
dass die private Wohnung der Bf. ständig, die Ferienwohnungen hingegen nur zeitweise
bewohnt werden. Eine Aufteilung der verbrauchsabhängigen Kosten – wie von der Bf.
vorgeschlagen – im Verhältnis 50 zu 50 wäre hingegen sowohl auf Grund der Nutzfläche
der Ferienwohnungen als auch auf Grund ihrer Auslastung als weit überhöht anzusehen.
5) Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betragen daher:
2006
Einkünfte aus V und
2007
2008
-2.038,99
-994,99
2.080,82
255,00
255,00
255,00
AfA laut BFG
-1.320,00
-1.320,00
-1.320,00
Rechtsberatungs-
-1.511,00
-2.059,99
1.015,82
V laut Bp
AfA laut Bp
kosten
Einkünfte aus V
-4.614,99
und V laut BFG
6) Zulässigkeit der Revision
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes
die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der
grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung
fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Seite 14 von 15
Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist im vorliegenden Fall nicht zulässig, weil
dieser Entscheidung hinsichtlich des ersten Streitpunktes (Umwandlung) ohnedies die
vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretene Rechtsansicht
zugrunde gelegt wurde und die Revision hinsichtlich der weiteren Streitpunkte nicht von
einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Graz, am 12. Juni 2014
Seite 15 von 15
GZ. RV/3100052/2013
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. R in der Beschwerdesache BF,
vertreten durch D, gegen den Bescheid des Finanzamtes E mit Ausfertigungsdatum 2.
April 2012 betreffend Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2009 zu Recht erkannt:
I.
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art.
133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I.
Verfahrensgang
1. Das Finanzamt hat mit dem am 2. April 2012 ausgefertigten Bescheid die Haftung
der Beschwerdeführerin für Kapitalertragsteuer in Höhe von 90.000 € für den Zeitraum
2009 geltend gemacht. A habe einen Mitunternehmeranteil in die A-GmbH eingebracht,
der keinen positiven Verkehrswert gehabt habe, da in der Einbringungsbilanz die Position
"Zurückbehalt Verbindl." nicht auf § 16 Abs. 5 Z 3 UmgrStG gestützt werden könne. Es
handle sich um eine Betriebsverbindlichkeit der ABC-KG und nicht um eine Verbindlichkeit
des einbringenden Gesellschafters A. Daraus folge, dass eben diese Vorteilsgewährung
eine verdeckte Gewinnausschüttung darstelle. Die Anwendungsvoraussetzung
des Art. III UmgrStG sei somit nicht gegeben. Die Aufdeckung der stillen Reserven
(verdeckte Ausschüttung der Verbindlichkeit) und zwar zum Zeitpunkt des gewählten
Einbringungsstichtages 30.6.2009 sei daher geboten.
2. Dagegen erhob der steuerliche Vertreter am 2. Mai 2012 im Wege von FINAZOnline
Berufung und reichte dieser mit Schreiben vom 11. Mai 2012 eine Begründung nach.
Mit Sacheinlagevertrag vom 23.12.2009 seien alle Geschäftsanteile an der ABCKG im Wege der Anwachsung gemäß § 142 UGB in die A-GmbH übertragen und
sämtliche Anwendungsvoraussetzungen des Art III UmgrStG erfüllt worden. Ein
positiver Verkehrswert liege für jeden Mitunternehmeranteil vor. Das Zurückbehalten
der Verbindlichkeit im Sinne des § 16 Abs. 5 Z 3 UmgrStG bewirke die Überführung
derselben in das steuerliche Privatvermögen des Einbringenden. Sie habe keinen
Eingang in das Betriebsvermögen der übernehmenden Kapitalgesellschaft gefunden.
Zinsaufwendungen seien in den Folgejahren beim Einbringenden nicht als nachträgliche
Betriebsausgaben geltend gemacht worden. Die zwischenzeitliche Tilgung wurde ebenfalls
vom Einbringenden aus seiner steuerlichen Privatsphäre getätigt.
3. Die Abgabenbehörde beantragte mit Schreiben vom 21. Jänner 2013 die
Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
4. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am 31. Dezember 2013 beim Unabhängigen
Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom
Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit 1. Jänner 2014 auch gegenüber dem
Bundesfinanzgericht.
II.
Sachverhalt
Nach den im Gerichtsverfahren erhobenen Beweisen sowie der von der Abgabenbehörde
ausgewiesenen Aktenlage ist nachfolgender Sachverhalt unbestritten und erwiesen:
1. Mit Einbringungsvertrag vom 23. Dezember 2009 haben A, B und C ihre
Gesellschaftsanteile an der ABC-KG rückwirkend zum 30. Juni 2009 in die A-GmbH
eingebracht. A war am Vermögen der ABC-KG zu 50% beteiligt, B zu 38% und C zu
12%. Als Gegenleistung für die eingebrachten und übertragenen Anteile erhielten die
Einbringenden eine Stammeinlage von 1.000 € aus der bei der A-GmbH beschlossenen
Erhöhung des Stammkapitals von 35.000 € auf 36.000 €. Davon übernahmen A eine
Stammeinlage von 500 €, B eine Stammeinlage von 380 € und C eine Stammeinlage von
120 €.
2. Aufgrund der Einbringungen übernahm die A-GmbH sämtliche Gesellschaftsanteile
der ABC-KG, die ohne Liquidation erlosch. Das Gesellschaftsvermögen der ABC-KG ging
gemäß § 142 UGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die A-GmbH über.
3. Der Einbringungsvertrag vom 23. Dezember 2009 führt unter Punkt 6. "Rückwirkende
Veränderungen des Einbringungsvermögens - positiver Verkehrswert" aus (kursive
Schreibweise im Original):
1. Das Einbringungsvermögen wird rückwirkend zum 30.6.2009 geändert wie folgt:
a) A
Einlage durch Übernahme von Verbindlichkeiten der
Seite 2 von 6
ABC-KG (§ 16 Abs 5 Z 1 UmgrStG)
360.000,00 €
Bare Einlage (§ 16 Abs 5 Z 1 UmgrStG)
38.110,96 €
b) B
Bare Entnahme (§ 16 Abs 5 Z 1 UmgrStG)
65.543,57 €
c) C
Bare Einlage (§ 16 Abs 5 Z 1 UmgrStG)
14.787,21 €
Weitere Veränderungen wurden nicht getätigt.
2. Die Einlage des A erfolgt durch Schuldübernahme des Darlehens bei der F-Bank,
Kredit-Nr. 1234567. Die Vertragsteile nehmen zur Kenntnis, dass diese Verbindlichkeit
aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge grundsätzlich auf die übernehmende
Gesellschaft übergeht und haftet somit die A-GmbH für diese Verbindlichkeit
solidarisch mit Herrn A. Herr A verpflichtet sich jedoch, die A-GmbH diesbezüglich
schad- und klaglos zu halten.
3. Somit geht aus den Einbringungsbilanzen hervor, dass das Einbringungsvermögen
- trotz obiger rückwirkender Veränderungen nach § 16 Abs 5 UmgrStG - am
Einbringungsstichtag einen positiven Verkehrswert hatte und auch heute noch hat.
Weiters geht hervor, dass das jeweilige Einbringungsvermögen einen jeweils das die
Kapitalerhöhung übersteigenden Wert hat.
In Beilage 1 des Einbringungsvertrages sind für die einzelnen Gesellschafter folgende
Einbringungsbilanzen ausgewiesen:
Einbringungsbilanz zum 30.6.2009
Gesellschafter A
Wert MU-Anteil
Einzahlung
-394.477,32 Einbringungskapital
38.110,96 Zurückb. Verbindl.
-356.366,36
3.633,64
-360.000,00
-356.366,36
Einbringungsbilanz zum 30.6.2009
Gesellschafter B
Wert MU-Anteil
68.305,14 Einbringungskapital
Barentnahme
68.305,14
2.761,57
65.543,57
68.305,14
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Einbringungsbilanz zum 30.6.2009
Gesellschafterin C
Wert MU-Anteil
Einzahlung
-13.915,00 Einbringungskapital
872,07
14.787,21
872,07
872,07
4. Mit am 31. Mai 2010 unterzeichnetem Vertrag wurde zwischen A, der A-GmbH sowie
der F-Bank zum Schuldverhältnis aus dem "Abstattungskreditvertrag vom 15.12.2006
Saldo per Übernahmestichtag 30.06.2009 EUR 360.000,--" vereinbart, dass anstelle der
Kreditnehmerin A-GmbH Herr A den angeführten Saldo zur Rückzahlung übernimmt und
die A-GmbH aus der persönlichen Haftung entlassen wird.
Die A-GmbH hat weder eine Rückzahlung dieses Kredites vorgenommen noch dafür
Zinsen gezahlt. Tilgung des Kredits und Zinszahlungen erfolgen durch Herrn A, auf den
auch das zugehörige Konto Nr. 1234567 bei der F-Bank lautet.
5. Der von A in die A-GmbH eingebrachte Gesellschaftsanteil an der ABC-KG hatte
jedenfalls einen positiven Verkehrswert, auch dann, wenn die Werterhöhung des Anteiles
außer Acht gelassen wird, die sich aus dem Zurückbehalten der Verbindlichkeit iHv
360.000 € durch den Gesellschafter A ergibt. Der diesbezügliche Streit im Verfahren vor
der Abgabenbehörde wurde vor Gericht mit Stellungnahme der Abgabenbehörde vom
14. November 2014 zu den vom Bundesfinanzgericht erhobenen und zur Kenntnisnahme
gebrachten Beweisen beigelegt.
III.
Rechtliche Beurteilung
1. Eine Einbringung im Sinne des Art. III UmgrStG liegt vor, wenn Vermögen auf
Grundlage eines schriftlichen Einbringungsvertrages (Sacheinlagevertrages) und
einer Einbringungsbilanz nach Maßgabe des § 19 UmgrStG einer übernehmenden
Körperschaft tatsächlich übertragen wird. Voraussetzung ist, dass das Vermögen am
Einbringungsstichtag, jedenfalls aber am Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrages
für sich allein einen positiven Verkehrswert besitzt. Nach § 12 Abs. 2 Z 2 UmgrStG
gehören Mitunternehmeranteile zum einbringungsfähigen Vermögen.
2. Werden alle Anteile an einer Gesellschaft im Wege des Art. III UmgrStG auf
eine Körperschaft übertragen, verbleibt nur diese als Gesellschafter, womit
die Gesellschaft nach § 142 Abs. 1 UGB ohne Liquidation erlischt und das
Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Körperschaft
übergeht.
3. Nach § 8 Abs. 2 KStG darf eine verdeckte Ausschüttung das Einkommens einer
Körperschaft nicht mindern. Eine solche verdeckte Ausschüttung liegt vor, wenn eine
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Kapitalgesellschaft ihren Gesellschaftern Vermögensvorteile zuwendet, die ihrer äußere
Form nach nicht unmittelbar als Einkommensverteilung erkennbar ist, ihre Wurzel aber
in den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen hat. Die Einkommensminderung kann
grundsätzlich entweder in überhöhten Aufwendungen oder in zu geringen Einnahmen
bestehen (VwGH 4.3.2009, 2004/15/0135).
4. Kapitalertragsteuer ist nach § 95 Abs. 4 EStG 1988 idF vor BGBl. I Nr. 76/2011 im
Zeitpunkt des Zufließens von Kapitalerträgen abzuziehen. Bei verdeckten Ausschüttungen
ist der Zufluss nach Maßgabe des § 19 Abs. 1 EStG 1988 anzunehmen (VwGH 25.6.2007,
2007/14/002; VwGH 26.6.2014, 2011/15/0028).
5. Im gegenständlichen Verfahren ist von Belang, dass sich Herr A, Gesellschafter
der ABC-KG sowie der A-GmbH, mit Vertrag vom 23. Dezember 2009 verpflichtete, das
Darlehen der ABC-KG bei der F-Bank iHv 360.000 €, welches zivilrechtlich im Wege der
Gesamtrechtsnachfolge nach § 142 UGB auf die A-GmbH überging, zu übernehmen und
dieser Verpflichtung mit am 31. Mai 2010 unterzeichnetem Vertrag (siehe Punkt II.4.) im
Wege einer privativen Schuldübernahme iSd § 1405 ABGB auch nachgekommen ist.
Weder rechtlich noch logisch fassbar ist die Annahme der Abgabenbehörde, dass durch
diesen Vorgang der Tatbestand einer verdeckten Ausschüttung der A-GmbH ihren
Gesellschafter A verwirklicht werden kann, hat er damit doch dem Unternehmen Kapital
zugeführt und nicht Einkommen der Kapitalgesellschaft verwendet. Unerheblich ist, ob
der Vermögensübergang nach § 142 UGB , wie sich im Gerichtsverfahren ergeben hat,
im Rahmen des Art III UmgrStG erfolgte oder außerhalb nach § 6 Z 14 lit. b EStG 1988
(Annahme der Abgabenbehörde, jedoch ohne Sachverhaltsermittlung und Vollzug der
entsprechenden Rechtsfolgen). Einen Zufluss von Kapitalerträgen iSd § 95 Abs. 4 EStG
1988 begründet jedenfalls weder der Übergang einer Verbindlichkeit im Rahmen einer
Einbringung nach Art III UmgrStG noch auf Basis des § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 (VwGH
26.6.2014, 2011/15/0028), sodass spruchgemäß zu entscheiden und der angefochtene
Bescheid gemäß § 279 Abs. 1 BAO aufzuheben war.
IV.
Zulässigkeit einer Revision
Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die
Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer
Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die für die Lösung
des Beschwerdefalles bedeutsamen Rechtsfragen sind durch die unter Punkt III.
zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits beantwortet. Die
ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist demzufolge nicht zulässig.
Zur außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof siehe nachstehende
Rechtsbelehrung.
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Innsbruck, am 18. Dezember 2014
Seite 6 von 6
25.06.2014
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
25.06.2014
Geschäftszahl
2009/13/0154
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte
Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein
der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. (FH) M, der MMag. A, der M (jeweils als
Erben nach Dipl.-Ing. W M), des Dipl.-Ing. T, der Dr. L und der S, als ehemalige Gesellschafter der S GesnbR
in W, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Universitätsring 10, gegen den
Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 30. Juni 2009, Zl. RV/1342- W/06,
betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2002, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen
zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Gesellschaftsvertrag vom 15. Jänner 1987 traten M und T dem bis dahin in der Rechtsform eines
Einzelunternehmens geführten Ziviltechnikerbüro des R hinzu und gründeten eine GesbR. Nach dem Ableben
von R im Jahr 1992 traten seine Erben (S und L) in seine Gesellschafterstellung ein und betrieben gemeinsam
mit den Gesellschaftern M und T bis zum Jahr 2002 das Ziviltechnikerbüro in der Rechtsform der GesbR. Im
Streitjahr 2002 waren M und T zu je 35%, L zu 5% und S zu 25% beteiligt. Mit Bescheid vom
28. November 2003 stellte das Finanzamt die Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 2002 erklärungsgemäß
fest, wobei für S - aufgrund der Annahme ihres Ausscheidens zum Buchwert ihres Kapitalkontos - kein
Veräußerungsgewinn berücksichtigt wurde.
Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die zum Stichtag
31. Dezember 2002 erfolgte Einbringung der Anteile der Mitunternehmerschaft in die M-GmbH falle nicht unter
Art. III UmgrStG. Das übertragene Vermögen sei den Einbringenden zum Einbringungsstichtag nämlich nicht in
vollem Umfang zuzurechnen gewesen. Im Streitjahr 2002 habe daher eine Aufdeckung der stillen Reserven zu
erfolgen, wobei auf M und T ein Veräußerungsgewinn von je EUR 20.870,94 und auf L - aufgrund des von ihr
im Sonderbetriebsvermögen gehaltenen Betriebsgrundstücks - ein solcher von EUR 1.194.556,97 entfielen. Im
Prüfbericht wurde ua. ausgeführt, die Anteile der GesbR seien mit Einbringungsvertrag vom 25. August 2003
rückwirkend zum Stichtag 31. Dezember 2002 auf die M-GmbH übertragen worden. Dabei sei von einer
Verteilung der Anteile auf T, M (je 47,5%) und L (5%) ausgegangen worden, weil S ihre 25%ige Beteiligung je
zur Hälfte auf M und T übertragen habe. Auch das von L im Sonderbetriebsvermögen gehaltene
Betriebsgrundstück sei in die M-GmbH eingebracht worden. Weiters sei mit Spaltungsvertrag vom
29. September 2003 zum Stichtag 31. Dezember 2002 der operative Betrieb des Ziviltechnikerbüros im Wege
der Abspaltung von der M-GmbH auf die M&T-GmbH (Gesellschafter M und T zu je 50%) übertragen worden.
Die M-GmbH sei in L-GmbH (Gesellschafterin L zu 100%) umbenannt worden und habe nur mehr das
Betriebsgrundstück an die M&T-GmbH vermietet. S sei zum Buchwert ihres Kapitalkontos (EUR 268.989,--)
aus der GesbR ausgeschieden und habe auf die Ansprüche aus ihrer Sonderbilanz (EUR 211.240,--) zugunsten
von M und T verzichtet. Da S jedoch erst mit Vereinbarung vom 29. September 2003 ihren Gesellschaftsanteil
an M und T rückwirkend zum 31. Dezember 2002 abgetreten habe, sei dem Zurechnungserfordernis des § 13
Abs. 2 UmgrStG nicht entsprochen worden. Daher seien die stillen Reserven der Besteuerung zu unterziehen.
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Verwaltungsgerichtshof
25.06.2014
Das Finanzamt erließ nach Wiederaufnahme des Verfahrens unter Hinweis auf die abgabenbehördliche
Prüfung einen entsprechenden Bescheid über die Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 2002
(ua. Feststellung eines Veräußerungsgewinns in Höhe von insgesamt EUR 1,236.298,85).
In der dagegen erhobenen Berufung wurde ua. vorgebracht, das einzubringende Vermögen sei den
einbringenden Gesellschaftern am Einbringungsstichtag bereits in vollem Umfang zuzurechnen gewesen.
Maßgebend für die Zurechnung sei das wirtschaftliche Eigentum. Im Gesellschaftsvertrag vom 15. Jänner 1987
habe R sich bzw. seine Rechtsnachfolger verpflichtet, spätestens Ende 2002 aus der GesbR auszuscheiden. Der
Gesellschaftsvertrag habe genaue Bestimmungen hinsichtlich des Datums des Ausscheidens und des
Auseinandersetzungsguthabens enthalten. Auch die übernehmenden Personen seien explizit bestimmt worden.
Es habe daher keiner weiteren Vereinbarung zur Eigentumsübertragung bedurft. Durch die klare Ausstiegsregel
im Gesellschaftsvertrag habe S ab 1. Jänner 2003 keine Verfügungsgewalt über ihren Anteil mehr gehabt. Der
faktische Übergang der Nutzungs- und Stimmrechte sowie die nicht mehr mögliche Veräußerung des
Gesellschaftsanteils durch S entsprächen einem wirtschaftlichen Eigentumsübergang. Auch habe S nach dem
31. Dezember 2002 keine - für die Mitunternehmerstellung erforderliche - Unternehmerinitiative mehr entfaltet.
Zwar könne eine zu geringe Unternehmerinitiative durch ein höheres Unternehmerrisiko kompensiert werden,
bei S habe es aber gerade auch an diesem Merkmal gefehlt, sei doch sämtlichen beteiligten Mitgesellschaftern
von Anfang an klar gewesen, dass S an den Gewinnen bzw. Verlusten der Gesellschaft ab dem 1. Jänner 2003
nicht mehr teilnehmen werde und habe die im Dezember 2002 diskutierte Frage der Höhe des
Abschichtungsbetrages nur den Zeitraum bis zum Umgründungsstichtag 31. Dezember 2002 betroffen. S sei ihr
25%iger Mitunternehmeranteil nach dem steuerlich anzuwendenden Grundsatz der wirtschaftlichen
Betrachtungsweise gemäß § 24 BAO per 31. Dezember 2002 nicht mehr zuzurechnen gewesen, sondern sei
dieser mit Ablauf dieses Tages sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich wirksam auf M und T anteilig übertragen
worden.
Im Rahmen eines Eventualbegehrens wurde in der Berufung vorgebracht, die Betriebsprüfung gehe
jedenfalls von den falschen Rechtsfolgen aus, wenn sie die Anwendung des Art. III UmgrStG insgesamt für
nicht zulässig erkläre. Das Zurechnungserfordernis des § 13 Abs. 2 UmgrStG beziehe sich auf das jeweils
einzubringende Vermögen des einzelnen Einbringenden und seien nach herrschender Lehre auch Teile von
Mitunternehmeranteilen einbringungsfähig. 75% der Mitunternehmeranteile sowie das Sonderbetriebsvermögen
seien am Einbringungsstichtag eindeutig den einbringenden Gesellschaftern zuzurechnen gewesen, sodass
zumindest hinsichtlich dieses Vermögens eine Einbringung gemäß Art. III UmgrStG erfolgt sei.
Allenfalls sei als Einbringungsstichtag nicht der 31. Dezember 2002, sondern der 25. August 2003, der Tag
des Abschlusses des Einbringungsvertrages, anzusehen. § 13 Abs. 2 UmgrStG verwehre nämlich dem
Einbringenden nicht die Rechtsfolgen des Art. III UmgrStG, wenn ihm das Vermögen zum Stichtag nicht
zurechenbar sei, sondern gelte diesfalls der Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrages als
Einbringungsstichtag.
Der in den Verwaltungsakten einliegende Gründungsvertrag der GesbR vom 15. Jänner 1987 lautet
auszugsweise:
"1.3.3.2. ...Nach dem Ablauf von 10 (zehn) Jahren, ab dem Ende des Jahres, in das das Ableben des (R)
gefallen ist, längstens jedoch mit Ablauf des Jahres 2002 (zweitausendzwei), scheiden die in seine Rechte aus
diesem Vertrag eingetretenen zivilrechtlichen Erben und Rechtsnachfolger des (R) aus dem
Gesellschaftsverhältnis aus und sind verpflichtet, die dann von ihnen gehaltenen restlichen 20% der
Gesellschaftsanteile unabhängig von ihrer Aufteilung unter den Erben und Rechtsnachfolgern je zur Hälfte auf
die Gesellschafter (T) und (M) oder auf von diesen genannte Personen zu übertragen...
11.1.3. Bei Ausscheiden eines Gesellschafters - mit Ausnahme der Sonderregelung für (R) und/oder dessen
Erben und Rechtsnachfolger - erfolgt keine Teilung des Gesellschaftsvermögens; vielmehr wächst sein Kapital
sowie Gewinnanteil den verbleibenden Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung oder - bei Ausscheiden
des vorletzten Gesellschafters dem letzten Gesellschafter zu."
Der in den Verwaltungsakten einliegende Sacheinlage- und Einbringungsvertrag vom 25. August 2003
lautet auszugsweise:
"PRÄAMBEL
1. (T), (M) sowie (L) sind Gesellschafter (der GesbR), welche das Ingenieurbüro des (R) fortgeführt haben.
(R) ist (...) 1992 verstorben. Seit diesem Zeitpunkt betreiben (T) und (M) verantwortlich die
Zivilingenieurkanzlei in der Rechtsform der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, wobei das
Beteiligungsverhältnis wie folgt ausgestaltet ist:
(T) 47,5%
(M) 47,5%
(L) 5%
2. (M) und (T) sind zu jeweils 50% an der (M-GmbH) beteiligt...
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Verwaltungsgerichtshof
25.06.2014
3. (T), (M) und (L) beabsichtigen, ihre Mitunternehmeranteile (an der GesbR) inklusive
Sonderbetriebsvermögen als Sacheinlage in die (M-GmbH) einzubringen...
§ 1 Vertragsgegenstand
1.
(T), (M) und (L) bringen hiermit ihre Mitunternehmeranteile (Gesellschaftsanteile) (an der
GesbR) gemäß Artikel III UmgrStG als Sacheinlage nach den Bestimmungen dieses Vertrages in die (MGmbH) ein und treten diese Mitunternehmeranteile (Gesellschaftsanteile) an die (M-GmbH) ab...
...
7.
Durch die Einbringung der Mitunternehmeranteile (Gesellschaftsanteile) (an der GesbR) tritt
eine Vereinigung aller Gesellschaftsanteile (an der GesbR) in der Hand der (M-GmbH) ein. (Die GesbR)
geht somit ohne Liquidation in sinngemäßer Anwendung des § 142 Abs. 1 HGB durch Übernahme aller
Aktiva und Passiva, Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten sowie Rechte und Pflichten (der
GesbR) im Wege der Anwachsung auf die (M-GmbH) über."
Die in den Verwaltungsakten einliegende Vereinbarung betreffend das Ausscheiden von S vom
29. September 2003 lautet:
"VEREINBARUNG
welche abgeschlossen wird zwischen (T), (M), (L) und (S) wie folgt:
1.
Die Vertragsteile vereinbaren, dass (S) per 31.12.2002 aus der Gesellschaft nach bürgerlichem
Recht ausscheidet und ihre Gesellschaftsanteile durch Anwachsung (T) und (M) zufallen.
2.
Das bestehende Kapitalkonto wandelt sich in eine Forderung von (S) um und bleibt als
Verbindlichkeit in der Gesellschaft bestehen."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde - nach Durchführung einer mündlichen
Verhandlung - die Berufung als unbegründet ab. Art. III UmgrStG gelange im Beschwerdefall nicht zur
Anwendung, weil das eingebrachte Vermögen den Einbringenden zum Einbringungsstichtag nicht im
vollen Umfang zuzurechnen gewesen sei. Im Gesellschaftsvertrag vom 15. Jänner 1987 seien
unterschiedliche Vereinbarungen für das Ausscheiden der Gesellschafter und ihrer Erben getroffen worden.
Während unter Punkt 1.3.3.2. vereinbart worden sei, dass die zivilrechtlichen Erben des R spätestens mit
Ablauf des Jahres 2002 ausscheiden würden und verpflichtet seien, die Gesellschaftsanteile auf die
Gesellschafter M und T zu übertragen, sei in Punkt 11.1.3. für das Ausscheiden der übrigen Gesellschafter
vereinbart worden, dass deren Kapital und Gewinnanteil den verbleibenden Gesellschaftern zuwachse. Die
unterschiedliche Gestaltung dieser beiden Vertragsklauseln zeige, dass bei Ausscheiden eines
Gesellschafters aus der Gesellschaft zwischen dem Anwachsen der Gesellschaftsanteile an die
verbleibenden Gesellschafter und einem Ausscheiden der weichenden Gesellschafter mit einer
anschließend erforderlichen Übertragung der Anteile unterschieden worden sei. Aus dieser
unterschiedlichen vertraglichen Gestaltung sei zwingend zu folgern, dass bei Abschluss des
Gründungsvertrages hinsichtlich des Ausscheidens der Erben des R kein automatisches Anwachsen der
Anteile bei den Gesellschaftern M und T gewollt gewesen sei, sondern dass es zum Übergang des
zivilrechtlichen Eigentums eines eigenen Vertrags bedurft hätte. Ein solcher sei erst am
29. September 2003 von S, M und T unterfertigt worden und sei dort geregelt, dass S rückwirkend zum
31. Dezember 2002 aus der GesbR ausscheide und ihre Gesellschaftsanteile M und T anwachsen würden.
Diese Vereinbarung mache deutlich, dass die Beschwerdeführer selbst nicht von einem automatischen
Anwachsen zum 31. Dezember 2002 ausgegangen seien, sondern vielmehr davon, dass eine zivilrechtliche
Übertragung der Anteile erforderlich sei und M und T bis zu diesem Zeitpunkt auch keine
Verfügungsgewalt über die Anteile der S gehabt hätten. Soweit in der Berufung vorgebracht werde,
zumindest das wirtschaftliche Eigentum am Anteil der S sei aufgrund des Gründungsvertrags der GesbR
zum 31. Dezember 2002 auf M und T übergegangen, sei auszuführen, dass bei der Übertragung von
Rechten grundsätzlich nicht das wirtschaftliche Eigentum, sondern die zivilrechtliche Stellung von
Bedeutung sei. Die ins Treffen geführte wirtschaftliche Betrachtungsweise könne nicht dazu führen, dass
das wirtschaftliche Eigentum ohne (vertragliche) Zustimmung des zivilrechtlichen Eigentümers übergehe.
Selbst wenn man der Argumentation folgen und das wirtschaftliche Eigentum als nicht mehr bei S gelegen
ansehen würde, könne aus dem Gesellschaftsvertrag nicht abgeleitet werden, dass dieses auf M und T
übergegangen sei.
Weiters führte die belangte Behörde aus, in einer Mitunternehmerschaft werde nicht gefordert, dass jeder
einzelne Beteiligte unmittelbar selbst Unternehmerrisiko entfalte; vielmehr sei jenes der Gesellschaft
ausreichend. S habe jedoch auch noch nach dem 31. Dezember 2002 ein gewisses Unternehmensrisiko
getragen, habe sie doch noch Verhandlungen über die Höhe des Abfertigungsbetrages geführt und zeige
sich das Unternehmerrisiko auch darin, wie viel der Mitunternehmer anlässlich der Veräußerung seines
Anteils für diesen erhalte. Auch könne der Veräußerer dem Erwerber nur dann Eigentum an einer Sache
verschaffen, wenn er selbst Eigentümer sei. Das folge aus § 442 ABGB, wonach man nur jene Rechte
übertragen könne, die man selbst habe. Da der Gesellschaftsanteil von S zum Einbringungsstichtag
31. Dezember 2012 nicht in das Eigentum der beiden Gesellschafter M und T übergegangen sei, sei das
eingebrachte Vermögen den Einbringenden zu diesem Stichtag nicht in vollem Umfang zuzurechnen
gewesen.
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25.06.2014
Die in § 13 Abs. 2 UmgrStG idF BGBl. I Nr. 71/2003 normierte, mit 21. August 2003 in Kraft getretene,
Ersatzstichtagsregelung komme nicht zur Anwendung, da der Einbringungsvertrag unstrittig am
25. August 2003 unterfertigt worden sei, somit zu einem Zeitpunkt, in dem den einbringenden Personen
das Eigentum noch nicht in vollem Ausmaß zuzurechnen gewesen sei. Erst mit Vereinbarung vom
29. September 2003 sei das rückwirkende Ausscheiden der Gesellschafterin S unter Anwachsung deren
Anteils an die Gesellschafter M und T vereinbart worden, sodass erst durch diesen Vertragsabschluss die
dem Einbringungsvertrag zugrunde liegenden Eigentumsverhältnisse (je 47,5% von M und T, 5% von L)
vorgelegen seien. Als Besteuerungsstichtag gelte der von den Einbringenden ursprünglich gewählte
Einbringungsstichtag. Eine davon abweichende Regelung, wonach die Versteuerung auch für den Fall des
Nichtgreifens der Rechtswohltat des Ersatzstichtags zu diesem Zeitpunkt oder auch zum Zeitpunkt des
handelsrechtlichen Einbringungsstichtags vorzunehmen sei, habe der Gesetzgeber nicht getroffen, weshalb
es bei dem von den Gesellschaftern gewählten Einbringungsstichtag bleibe.
Hinsichtlich des in der Berufung gestellten Eventualantrags, wonach zumindest 75% des einzubringenden
Vermögens sowie das Sonderbetriebsvermögen den Einbringenden am Einbringungsstichtag zuzurechnen
gewesen seien, und daher jedenfalls eine Versteuerung der stillen Reserven hinsichtlich dieser Teile nicht
zu erfolgen habe, führte die belangte Behörde aus, dass nach der ursprünglichen Intention der Beteiligten
der gesamte Betrieb der GesbR in die GmbH hätte eingebracht werden sollen und nicht nur einzelne
Mitunternehmeranteile. Da die Einbringung zum Stichtag 31. Dezember 2002 nach Art. III UmgrStG
"missglückt" sei, könne auch zu diesem Zeitpunkt keine Aufspaltung nach Art. IV UmgrStG erfolgen,
sodass sich eine weitere Auseinandersetzung damit erübrige.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach
Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
§ 6 Z 14 lit. b EStG 1988 idF BGBl. 699/1991 lautet:
"Die Einlage oder die Einbringung von Wirtschaftsgütern und sonstigem Vermögen in eine Körperschaft
(§ 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1988) gilt als Tausch im Sinne der lit. a, wenn sie nicht unter das
Umgründungssteuergesetz fällt oder das Umgründungssteuergesetz dies vorsieht. Die Einbringung von
(Teil)Betrieben, Mitunternehmer- und Kapitalanteilen im Sinne des § 12 Abs. 2 des
Umgründungssteuergesetzes ist auf den nach dem Umgründungssteuergesetz maßgeblichen
Einbringungsstichtag zu beziehen."
Kommt Art. III UmgrStG nach Auffassung der belangten Behörde ("missglückte" Einbringung) nicht zur
Anwendung, richtet sich die Beurteilung des Einbringungsvorgangs nach dem allgemeinen Steuerrecht.
Nach § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 stellt die Einbringung einen Tauschvorgang dar, der als Veräußerung und
Anschaffung zu behandeln ist, sodass es zur Aufdeckung der im eingebrachten Vermögen enthaltenen
stillen Reserven und damit zur Gewinnrealisierung kommt (vgl. Walter, Umgründungssteuerrecht 2013,
Tz 321). Nach § 6 Z 14 lit. b letzter Satz EStG 1988 ist die (missglückte) Einbringung von (Teil)Betrieben,
Mitunternehmer- und Kapitalanteilen im Sinne des § 12 Abs. 2 UmgrStG zwar auf den nach dem UmgrStG
maßgeblichen Einbringungsstichtag zu beziehen und kann nach § 13 Abs. 1 UmgrStG der
Einbringungsstichtag auch auf einen Zeitpunkt vor Unterfertigung des Einbringungsvertrages
zurückbezogen werden. Allerdings kommt nach § 13 Abs. 2 UmgrStG die Wahl eines zurückliegenden
Einbringungsstichtags nur in Betracht, wenn das einzubringende Vermögen dem Einbringenden schon zu
diesem Zeitpunkt zuzurechnen war. Scheitert die Anwendung des Art. III UmgrStG - wovon die belangte
Behörde ausgegangen ist - daran, dass das einzubringende Vermögen den Einbringenden zum vereinbarten
Einbringungsstichtag noch nicht zuzurechnen war, weil sie dieses erst zu einem späteren Zeitpunkt
erworben haben, kann die (besondere) Rückwirkungsfiktion des § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 nicht greifen
(vgl. idS Rabel in Helbich/Wiesner/Bruckner, Handbuch der Umgründungen, Band B, § 12 Rz 24 f iVm
§ 13 Rz 15). Da die belangte Behörde die Gewinnrealisierung aus der ihrer Ansicht nach "missglückten"
Einbringung mit Ablauf des 31. Dezember 2002 angenommen und damit für das Streitjahr 2002 die
entsprechenden Einkünfte festgestellt hat, hat sie schon deshalb den angefochtenen Bescheid mit
inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Der belangten Behörde könnte aber auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie offenbar auch die Ansicht
vertritt, das Vorliegen von zivilrechtlichem Eigentum der einbringenden Gesellschafter am
Einbringungsvermögen sei Voraussetzung für das Zustandekommen einer gültigen Einbringung im Sinne
des Art. III UmgrStG. Zwar muss das Einbringungsvermögen dem Einbringenden sowohl im Zeitpunkt des
Abschlusses des Einbringungsvertrages (§ 12 Abs. 1 UmgrStG), als auch am Einbringungsstichtag (§ 13
Abs. 2 UmgrStG) zuzurechnen sein (vgl. Doralt/Ruppe I11, Tz 1177). Jedoch richtet sich die Beurteilung
der Frage, wem das einzubringende Vermögen zuzurechnen ist, nach allgemeinen abgabenrechtlichen
Grundsätzen (§ 24 BAO). Maßgeblich für die Zurechnung ist daher das wirtschaftliche Eigentum am
einzubringenden Vermögen (vgl. Wundsam/Zöchling/Huber/Khun, UmgrStG4, § 12 Rz 23 und § 13 Rz 33,
sowie Walter, aaO, Tz 354 f und 375).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der
VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.
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Verwaltungsgerichtshof
25.06.2014
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 25. Juni 2014
www.ris.bka.gv.at
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1656
Eine gleichzeitige Übertragung von im Sinne des § 12 Abs. 2 oder § 32 Abs. 3
UmgrStG begünstigtem und nichtbegünstigtem Vermögen auf eine neue oder
übernehmende Körperschaft ist möglich, wenn das nicht begünstigte Vermögen
zumindest als gewillkürtes Betriebsvermögen dem begünstigten Vermögen
zugeordnet werden kann. Eine gleichzeitige Abspaltung von im
Sinne des § 12 Abs. 2 oder § 32 Abs. 3 UmgrStG begünstigtem Vermögen auf eine
neue oder übernehmende und nichtbegünstigtem Vermögen auf eine andere neue
oder übernehmende Körperschaft schließt die Anwendung des Art. VI UmgrStG nur
hinsichtlich der Abspaltung des nichtbegünstigten Vermögens aus, und zwar auch
dann, wenn den Abspaltungen ein einziger Spaltungsplan bzw. Spaltungs- und
Übernahmsvertrag zugrunde liegt.
Beispiel:
Die A-GmbH spaltet zum 31.12.01 einerseits einen Teilbetrieb zur Neugründung in
die B-GmbH ab und andererseits ein Grundstück zur Aufnahme in die C-GmbH ab.
An der A-GmbH ist die natürliche Person A außerbetrieblich zu 100% beteiligt.
Die Teilbetriebsabspaltung fällt bei Wahrung der Anwendungsvoraussetzungen des §
32 UmgrStG unter Art. VI UmgrStG, die Grundstücksabspaltung unter § 20 KStG
1988. Die Grundstücksabspaltung führt
• auf Ebene der abspaltenden A-GmbH zur Realisierung der stillen Reserven
des Grundstückes gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 KStG 1988 iVm § 6 Z 14 EStG 1988
• bei A gemäß § 27 EStG 1988 zur Gewinnrealisierung (Tauschgrundsatz), die
Anteile an der neuen C-GmbH sind mit dem gemeinen Wert der
"Wertminderung" seiner Beteiligung, die dem gemeinen Wert der Liegenschaft
entspricht, anzusetzen (siehe auch Rz 1809).
Hinsichtlich des abgespaltenen Teilbetriebes kommt es hinsichtlich der Anteile
hingegen zu einer bloßen Ab- und Aufstockung (siehe Rz 1733).
Die Aufspaltung im Wege der Übertragung von begünstigtem Vermögen in eine neue
oder übernehmende Körperschaft und nicht begünstigtem Vermögen in eine andere
neue oder übernehmende Körperschaft schließt die Anwendung des Art. VI UmgrStG
zur Gänze aus, weil die Aufspaltung als solche immer ein einheitlicher Vorgang ist
(siehe Abschnitt 6.13.2.). Die Aufspaltung einer vermögensverwaltenden
Körperschaft ist nur dann steuerneutral möglich, wenn nur Kapitalanteile im Sinne
des § 12 Abs. 2 Z 3 UmgrStG oder daneben auch Mitunternehmeranteile im Sinne
des § 12 Abs. 2 Z 2 UmgrStG übertragen werden. Sollte daher eine aufspaltende
Holdinggesellschaft am Spaltungsstichtag neben Kapitalanteilen auch liquide Mittel
und Forderungen besitzen und allgemeine (nicht mit dem Beteiligungserwerb
zusammenhängende) Verbindlichkeiten ausweisen, kann eine Spaltung nach dem
SpaltG nicht unter Art. VI UmgrStG fallen.
GZ. RV/1100235/2012
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Gerald Daniaux in der
Beschwerdesache a, vertreten durch Mag. jur. Siegfried, Metzler & Partner,
Steuer- und Wirtschaftsberatung GmbH, 6900 Bregenz, Dorf Rieden 7, gegen die
Bescheide des Finanzamtes Bregenz vom 20. April 2012 betreffend Aufhebung der
Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 gemäß § 299 Abs. 1 BAO nach Durchführung
einer mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers, in Anwesenheit
seines steuerlichen Vertreters Mag. jur. Siegfried Metzler, des Vertreters des Finanzamtes
Mag. Matthias Metzler, sowie der Schriftführerin VB Jennifer Reinher am 25. Juni 2015 zu
Recht erkannt:
1) Der Beschwerde gegen die Aufhebungsbescheide vom 20. April 2012 betreffend
Umsatzsteuer 2009 und 2010 wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.
2) Betreffend die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 vom 20.
April 2012 wird beschlossen:
Die Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide wird gemäß § 261 Abs. 2 BAO als
gegenstandslos erklärt.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 22. April 2011 bzw. Umsatzsteuerbescheid 2010
vom 19. März 2012 wurde die Umsatzsteuer betreffend Umsätze aus Vermietung und
Verpachtung unter Berücksichtigung der Kleinunterregelung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG
1994 mit € 0,00 festgesetzt.
Mit Vorhalt des Finanzamtes vom 21. März 2012 wurde der Bf. ersucht, für die Jahre 2007
bis 2010 berichtigte Umsatzsteuererklärungen einzureichen, in der die Entgelte und die
Umsatzsteuerbeiträge aus den Vermietungen angeführt sind.
In einer Stellungnahme vom 29. März 2012 führt die steuerliche Vertretung des
Bf. hierzu aus, dass entgegen der Auffassung der Betriebsprüfung im erwähnten
Zeitraum die Kleinunternehmergrenze nicht überschritten worden sei, weil die
Geschäftsführerbezüge keine Umsätze im Sinne des § 1 UStG 1994 darstellen
würden. Bei der Beurteilung der umsatzsteuerrechtlichen Unternehmereigenschaft
sei nach der Rechtsprechung des EuGH nicht auf das Beteiligungsausmaß
abzustellen. Wenn das Anstellungsverhältnis derart gestaltet sei, dass den
Geschäftsführer nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Unternehmerrisiko
treffe, liege unabhängig vom Beteilungsausmaß ein Unterordnungsverhältnis im
Sinne des Art 10 der Mehrwerteuerrichtlinie vor. Im konkreten Fall liege somit bei den
Geschäftsführerbezügen keine umsatzsteuerrechliche Unternehmereigenschaft vor.
Bei der Kleinunternehmergrenze seien deshalb diese Bezüge nicht als Umsätze zu
berücksichtigen. Der Bf. erfülle alle Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung der
Kleinunternehmerregelung.
Am 20. April 2012 erging der Bescheid über die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides
2009, welcher damit begründet wurde, dass sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit aus
der rechtskräftigen Rechtsmittelerledigung betreffend die Umsatzsteuer 2005 und 2006
(Berufungsvorentscheidung vom 10.02.2009) ergeben würde, die bei der Einreichung
der Umsatzsatzsteuererklärungen der Folgejahre nicht berücksichtigt worden sei und
entgegen den Beilagen zu den Steuererklärungen auch kein Antrag auf Entscheidung
über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt worden sei. Weiters
werde hinsichtlich der inhaltlichen Rechtswidrigkeit auf die Begründung des ersetzenden
Umsatzsteuerbescheides 2009 verwiesen.
Mit Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 20. April 2012 wurde die Umsatzsteuer mit
€ 629,34 festgesetzt. Begründend wurde hierzu ausgeführt, dass der Bf. Geschäftsführer
und Gesellschafter (50 %) der b sei. Die Umsätze aus der Geschäftsführertätigkeit
hätten im Jahr 2009 € 59.872,34 betragen. Gesellschafter-Geschäftsführer (mit 50 %
oder mehr Beteiligung) seien grundsätzlich Unternehmer iSd UStG 1994, damit seien
Bezüge aus dieser Tätigkeit grundsätzlich auch steuerbar und steuerpflichtig. Aus
Gründen der Verwaltungsvereinfachung könne auch ein Gesellschafter-Geschäftsführer
einer GmbH hinsichtlich dieser Tätigkeit wie ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer
Personengesellschaft, somit als Nichtunternehmer, behandelt werden. Die Anwendung der
Kleinunternehmerregelung könne für die Vermietungsentgelte nicht in Betracht kommen,
da für die Ermittlung der Kleinunternehmergrenze alle Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 und
2 UStG 1994, somit auch die Geschäftsführerbezüge, einzubeziehen seien. Ergänzend
werde auf die abweisende und rechtskräftige Berufungsvorentscheidung betreffend die
Umsatzsteuer 2005 und 2006 vom 10.02.2009 verwiesen.
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Mit der selben Begründung wurde der Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 19. März
2012 mit Bescheid vom 20. April 2012 aufgehoben und im gleichzeitig erlassenen
Umsatzsteuerbescheid 2010 die Umsatzsteuer unter Einbeziehung der Umsätze aus der
Geschäftsführertätigkeit in Höhe von € 61.212,76 mit € 631,26 festgesetzt.
In der dagegen erhobenen Berufung vom 16. Mai 2012 wird beantragt, die Umsätze des
Bf. aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 steuerfrei zu
belassen und die beiden Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 ersatzlos aufzuheben.
Der Bf. habe in den Jahren 2009 und 2010 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
in Höhe von jeweils ca. € 8.600,00 erzielt und Einkünfte aus sonstiger selbständiger
Arbeit als Gesellschafter-Geschäftsführer (50 % Beteiligung an der c) in Höhe von
€ 59.872,34 im Jahr 2009 und € 61.212,76 im Jahr 2010. Strittig sei die Frage ob bei
Anwendung der Kleinunternehmerregelung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 auch
die Geschäftsführerbezüge einzubeziehen seien. Das Finanzamt gehe davon aus, dass
die Bezüge aus der Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer grundsätzlich auch
steuerbar und steuerpflichtig seien. Es verweise auf die die Umsatzsteuerrichtlinien 2000,
Rz 184, wonach aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung auch ein GesellschafterGeschäftsführer einer GmbH hinsichtlich dieser Tätigkeit wie ein GesellschafterGeschäftsführer einer Personengesellschaft, somit als Nichtunternehmer, behandelt
werden könne. Somit gehe das BMF in den Umsatzsteuerrichtlinien dezidiert davon aus,
dass es sich diesbezüglich um eine nichtunternehmerische Tätigkeit handeln würde. Bei
der Anwendung der Kleinunternehmerregelung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 seien
diese Einkünfte nicht für die Ermittlung der Kleinunternehmergrenze einzubeziehen.
Auch das EuGH-Erkenntnis (EuGH 18.10.2007, C-355/06 J.A. van der Steen) stütze
dieses Ansicht, dass der Bf. als Gesellschafter-Geschäftsführer seine Tätigkeit nicht als
Steuerpflichtiger im Sinne von Art 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie ausübe. Demnach
sei der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Ein Mann GmbH dieser untergeordnet
und sei deshalb nicht selbständig. Auch wenn man dieses Sichtweise des EuGH zwar
als insoweit formal-juristisch und wirklichkeitsfremd bezeichne, weil der beherrschende
Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft als Geschäftsführer keinen Weisungen
unterliege und nicht der Gesellschaft untergeordnet sein könne, da er den Willen der
Gesellschafterversammlung selbst bilde, sei sie jedoch gleichwohl wegen der Folge der
Nichtunternehmereigenschaft des Geschäftsführers im Ergebnis zutreffend (Studie in
Rau/Dürrwächter, Kommentar UStG 1994, § 2 Rz 145). Die Umsatzbesteuerung der
Geschäftsführervergütungen verstoße nämlich gegen das Gebot der Rechtsformneutralität
der Umsatzsteuer, welches verbiete, die Geschäftsführungstätigkeit der Organe von
Kapitalgesellschaften - wie auch Personengesellschaften - mit Umsatzsteuer zu belasten.
Folglich könne es aus umsatzsteuerlicher Sicht dahinstehen, ob die Geschäftsführer
und Vorstände von Kapitalgesellschaften als selbständig anzusehen seien. In dieser
Vorabentscheidungsfrage habe das vorlegende Gericht wissen wollen, ob eine natürliche
Person, die auf Grund eines Arbeitsvertrages mit einer steuerpflichtigen Gesellschaft,
deren einziger Gesellschafter, Geschäftsführer und Mitarbeiter sie im übrigen sei, alle
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Arbeiten im Namen und für Rechnung dieser Gesellschaft ausführe, für die Zwecke von
Art 4 Abs 4 Unterabschnitt 2 der Sechsten Richtlinie selbst als Steuerpflichtiger im Sinne
von Art 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie gelte (Rz 17). In einer Situation wie die des
Ausgangsverfahrens müsse von einem Verhältnis der Unterordnung der einen Person
gegenüber der anderen ausgegangen werden. Dies in Anbetracht der Erwägungen, dass
Herr van der Steen zwar die Tätigkeiten der Gesellschaft allein ausgeführt habe, die
Reinigungsverträge jedoch von der Gesellschaft geschlossen worden seien und er bei
der Bestimmung seines Arbeitsentgeltes von der Gesellschaft abhängig gewesen sei
(Rz 22), Herr van der Steen habe nicht im eigenen Namen, für eigene Rechnung und auf
eigene Verantwortung gehandelt, wenn er Dienstleistungen als Arbeitnehmer erbracht
habe, sondern für Rechnung und Verantwortung der Gesellschaft (Rz 23) und Herr van
der Steen für sein Auftreten als Geschäftsführer der Gesellschaft und für seine Tätigkeit
im Rahmen der Geschäfte der Gesellschaft gegenüber Dritten kein wirtschaftliches Risiko
getragen habe (Rz 25), habe der EuGH auf die Vorlagefrage geantwortet, dass Herr van
der Steen nicht als Steuerpflichtiger im Sinne von Art 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie
gelten könne. Aus diesem EuGH-Urteil könne entgegen der Ansicht des Finanzamtes
nirgends entnommen werden, dass es darauf ankäme, ob vom Geschäftsführer-Gehalt
auch Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge einbehalten worden seien, wie es in der
Berufungsvorentscheidung betreffen die Umsatzsteuer 2005 und 2006 vom 10.02.2009
begründet worden sei.
In Übereinstimmung mit den Umsatzsteuerrichtlinien und einer richtlinienkonformen
Auslegung, nachdem die umsatzsteuerlichen Sachverhalte identisch seien, seien
die Geschäftsführerbezüge als nicht steuerbare Umsätze anzusehen und somit bei
der Anwendung der Kleinunternehmerregelung nicht zu berücksichtigen. D.h., die
Umsätze aus Vermietung und Verpachtung seien gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994
umsatzsteuerbefreit.
In der mündlichen Verhandlung wiederholte der steuerliche Vertreter des Bf. das bisherige
Vorbringen und betonte nochmals, dass der Bf. die Dienstleistungen nicht im eigenem
Namen, nicht für eigene Rechnung und nicht auf eigene Verantwortung, sondern auf
Rechnung und Verantwortung der Gesellschaft getätigt habe. Es bestehe ein mündlicher
Anstellungsvertrag zur GmbH und es werde diesbezüglich auf dessen Erwähnung
im Gesellschaftsvertrag verwiesen. Sämtliche Arbeitsmittel würden von der Gesellschaft
gestellt, wichtige Verträge könnten nur in Abstimmung mit dem anderen GesellschafterGeschäftsführer getätigt werden. Der Bf. beziehe für seine Geschäftsführertätigkeit fixe
Bezüge in Höhe von € 4.000,00 monatlich plus Sonderzahlungen. Der Bf. sei an den
Gesellschaftsvertrag gebunden. Bei Krankheit habe er auszuscheiden, und zwar sowohl
als Gesellschafter, als auch als Geschäftsführer. Der Bf. habe 100 % seiner Arbeitskraft
zur Verfügung zu stellen. Es bestehe ein Wettbewerbsverbot wie für andere Dienstnehmer
auch. Er habe Anspruch auf Urlaub, Lohnnebenkosten würden abgeführt. Es liege
insgesamt ein Verhältnis der Unterordnung vor.
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Hiergegen stellte der Vertreter des Finanzamtes u.a. fest, dass nach dessen Meinung
ein Verhältnis der Unterordnung nicht gegeben sei. Es bestehe auch kein Arbeitsvertrag
aus welchem unmittelbar herauszulesen sei, wie die Verhältnisse tatsächlich seien. Die
Erfahrung des täglichen Lebens zeige, dass bei einer so starken Beteiligung eine freie
Arbeitseinteilung und auch eine freie Arbeitszeit bestehe.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz von Amts wegen
einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des
Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Der Inhalt eines Bescheides ist nicht richtig, wenn der Bescheidspruch nicht dem
Gesetz entspricht. Die Aufhebung setzt die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus. Die
Aufhebung setzt weder ein Verschulden der Abgabenbehörde noch ein Verschulden (bzw.
ein Nichtverschulden) des Bescheidadressaten voraus (s. zB Ritz, BAO 5. Auflage, § 299
Tz 10ff.). Für die Anwendbarkeit des § 299 Abs. 1 BAO ist auch nicht ausschlaggebend,
weshalb die Rechtswidrigkeit vorliegt (etwa unrichtige Auslegung einer Bestimmung oder
Übersehen von Grundlagenbescheiden etc.).
Die Aufhebung nach § 299 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Bei der
Ermessensübung kommt dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung
eine zentrale Bedeutung zu. Grundsätzlich kommt dem Prinzip der Rechtmäßigkeit
(Rechtsrichtigkeit) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit (Rechtsbeständigkeit)
zu. Für die Ermessensübung ist es bedeutungslos, ob die Rechtswidrigkeit des
Bescheides auf ein Verschulden (der Behörde und/oder der Partei) zurückzuführen ist
(Ritz, BAO 5. Auflage, § 299 Tz 52ff.).
Gemäß § 302 Abs. 1 BAO sind Aufhebungen von Bescheiden gemäß § 299 bis zum
Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97) – in der Regel: der Zustellung - des
aufzuhebenden Bescheides zulässig (auch nach Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist;
Ritz, aaO, § 302 Tz 8).
Europarechtliche Grundlage für die Bestimmmung der Unternehmereigenschaft im Bereich
der Umsatzsteuer ist Artikel 4 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie 77/388/EWG in der
Fassung der Richtlinie 2004/66/EG (in der Folge: 6. EG-RL).
Gemäß Artikel 4 Absatz 1 der 6. EG-RL gilt als Steuerpflichtiger, wer eine der in Absatz 2
genannten wirtschaftlichen Tätigkeit selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt,
gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
Die in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines
Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschießlich der Tätigkeiten der
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Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten
Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von
körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von
Einnahmen umfasst.
Nach innerstaatlichem Recht richtet sich die Unternehmereigenschaft nach § 2 UStG
1994.
Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche
Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder
berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige
Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt
oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.
Gemäß Abs. 2 leg.cit. wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig
ausgeübt,
1. soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen
derart eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet
sind;
2. wenn eine juristische Person dem Willen eines Unternehmers derart untergeordnet
ist, dass sie keinen eigenen Willen hat. Eine juristische Person ist dem Willen eines
Unternehmers dann derart untergeordnet, dass sie keinen eigenen Willen hat
(Organschaft), wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell,
wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen eingegliedert ist.
Die Gesellschafterstellung allein vermittelt keine Unternehmereigenschaft. Die Umsätze
der Gesellschaft werden dieser und nicht den Gesellschaftern zugerechnet (EuGH 20. 6.
1996, Rs C-155/94 “Wellcome Trust“).
Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft ist nicht Unternehmer;
seine Leistungen werden in Ausübung einer gesellschaftsrechtlichen Funktion erbracht
und bewirken keinen Leistungsaustausch, sondern eine Leistungsvereinigung. Die
Rechtsform des Gesellschafter-Geschäftsführers ist hierbei nicht maßgebend (zB VwGH
13. 12. 1977, 1550/77, betreffend die Geschäftsführung durch eine Komplementär-GmbH
einer GmbH & Co KG).
Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft, die zu einer Geschäftsführung
gegen ihren Willen nicht verhalten werden können, sind nach der Rsp des VwGH
selbständig tätig (VwGH 9.12.1980, 1666/2223, 224/79, ÖStZB 1981, 140=Slg
5535 F). Das ist - bei Fehlen gesellschaftsvertraglicher Sonderregeln - ab einer
Beteiligung von 50 % der Fall (VwGH 21.10.1986, 86/14/0107, ÖStZB 1987, 246), bei
Minderheitsgesellschaftern dann, wenn durch gesellschaftsvertragliche Bestimmungen
(Sperrminorität) gesichert ist, dass sie zu einer Geschäftsführung gegen ihren Willen nicht
verhalten werden können (VwGH 20.1.1981, 2349/79, ÖStZB 1982, 68 = Slg 5544 F).
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Der EuGH hat demgegenüber für den Fall eines Alleingesellschafters, der auf Grund
eines Arbeitsvertrages mit einer steuerpflichtigen Gesellschaft alle Arbeiten im Namen
und für Rechnung der Gesellschaft ausführt, das Vorliegen einer wirtschaftlichen
Tätigkeit verneint. Arbeitsbedingungen und Arbeitsentgelt sprachen für ein Verhältnis
der Unterordnung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 Unterabsatz 1 der 6. MWSt-RL (nunmehr
Art 10 MWSt-RL; EuGH 18.10.2007, Rs C-355/06 "van der Steen"; Slg I-8863). Für die
Unterordnung führte der EuGH ferner ins Treffen, dass der Geschäftsführer ausschließlich
für Rechnung und Verantwortung der Gesellschaft seine Leistung erbrachte und
gegenüber Dritten kein wirtschaftliches Risiko zu tragen hatte.
Die UStR (Rz 184) folgen der Rsp des VwGH, vertreten jedoch - unter Hinweis
auf die Rsp des EuGH "van der Steen" - auch die Auffassung, aus Gründen der
Verwaltungsvereinfachung könne auch ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer
GmbH wie ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft, somit als
Nichtunternehmer, behandelt werden. Die mit Wartungserlass 2006, AÖF 18/2007, für
Zeiträume ab 1.1.2009 angeordnete Einschränkung dieser Vereinfachungsmaßnahme auf
voll zum Vorsteuerabzug berechtigte Gesellschaften wurde mit dem Wartungserlass 2008,
AÖF 56/2009 fallen gelassen. Die Vereinfachung ist somit weiterhin uneingeschränkt
anwendbar.
Die Rsp des VwGH und die darauf gestützte Verwaltungspraxis dürfte unisono
nicht aufrecht zu erhalten sein: Nach der Rsp des EuGH ist gerade nicht das
Beteiligungsausmaß maßgebend, sondern in einer Gesamtbetrachtung auf den
Grad der Selbständigkeit abzustellen, der sich aus der konkreten Ausgestaltung des
Beschäftigungsverhältnisses ergibt (vgl Strunz, SWK 2007, 903; Unterberger, taxlex 2007,
604; Kanduth-Kristen, taxlex 2008, 91). In diese Richtung geht auch die jüngere Rsp
des BFH (10.3.2005, V R 29/03), BStBl II 730). Entscheidend ist die Ausgestaltung im
Einzelfall: Ist das Anstellungsverhältnis derart gestaltet, dass den Geschäftsführer nach
dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Unternehmerrisiko trifft, liegt unabhängig vom
Beteiligungsausmaß ein Unterordnungsverhältnis iSd Art 10 der MWSt-RL relevanten
- Protokollerklärung zu Art 4 der 6. MWSt-RL, wonach es den Mitgliedstaaten gestattet
ist, ua die Tätigkeit von Geschäftsführern nicht der MWSt zu unterwerfen. Diese dürfte
uE im Ergebnis für ein Wahlrecht sprechen, das sich (nur) auf jene Rechtsverhältnisse
bezieht, die nicht unter Art 10 der MWSt-RL fallen. Demgegenüber scheint ein Wahlrecht
zur Unternehmereigenschaft für Anstellungsverhältisse ohne Unternehmerrisiko nicht
4
gedeckt. (Ruppe/Achatz, UStG , RZ 86, 86/1-3).
Urteil des EuGH in der Rechtssache "Van der Steen":
Herr van der Steen war Geschäftsführer und einziger Gesellschafter einer GmbH,
die Reinigungsdienste ausübte, darüber hinaus auch einziger Arbeitnehmer der
Gesellschaft, welche als solche Unternehmerin iSd Umsatzsteuergesetzes war. Dem
Arbeitsvertrag zwischen der Gesellschaft und Herrn van der Steen zufolge war ein
festes Monatsgehalt sowie ein jährliches Urlaubsgeld vereinbart. Zweifel in Bezug
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auf das Gemeinschaftsrecht bestanden hinsichtlich der Frage, ob die Arbeit eines
Alleingesellschafter-Geschäftsführers für die GmbH als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen
sei, da diese ja im Rahmen der Geschäftsführung und der Vertretung der Gesellschaft und
somit nicht im Wirtschaftsverkehr ausgeführt werde. Der EuGH sprach sich schließlich
für das Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses aus. Die Reinigungstätigkeit
der Gesellschaft sei alleine der Ausübung von Herrn van der Steen unterlegen, die
Reinigungsverträge hingegen von der GmbH geschlossen worden. Diese GmbH habe ihm
ein auch ein festes Monatsgehalt sowie ein Urlaubsentgelt gezahlt, woraus folge, dass
Herr van der Steen bei der Bestimmung seines Arbeitsentgeltes von der Gesellschaft
abhängig gewesen sei. Zudem habe er nicht im eigenem Namen, sondern auf Rechnung
und Verantwortung der Gesellschaft gehandelt. Bezüglich der Modalitäten der Vergütung
habe der EuGH bereits in der Rs. C-202/90, Ayuntamiento de Sevilla, festgestellt, dass
nur dann kein Unterordnungsverhältnis besteht, wenn die Betroffenen das wirtschaftliche
Risiko ihrer Tätigkeit tragen würden. Für sein Auftreten als Geschäftsführer für die
Gesellschaft und für seine Tätigkeit im Rahmen der Geschäfte der GmbH gegenüber
Dritten habe er kein wirtschaftliches Risiko getragen.
Somit befand der EuGH, dass eine natürliche Person, die aufgrund eines Arbeitsvertrages
mit einer steuerpflichtigen Gesellschaft, deren einziger Gesellschafter, Geschäftsführer
und Mitarbeiter sie ist, alle Arbeiten im Namen und auf Rechnung dieser Gesellschaft
ausführt, selbst nicht als Steuerpflichtiger iSd 6. MwSt-RL gilt.
Die generelle Annahme, dass ab einer Beteiligung von 50 % von einer Selbständigkeit
des Gesellschafter-Geschäftsführers ausgegangen werden kann und eine
Unternehmereigenschaft demgemäß zu bejahen ist, ist nach diesem Urteil des EuGH
nicht mehr als gemeinschaftskonform anzusehen, wobei es hinsichtlich der Frage,
ob ein Geschäftsführer einer GmbH selbständig oder als Arbeitnehmer tätig ist, auf
das Gesamtbild der Verhältnisse ankommt. D.h. der Grad der Selbständigkeit des
Gesellschafter-Geschäftsführers wird in der Gesamtbetrachtung das entscheidende
Kriterium sein. Für das Fehlen der Unternehmereigenschaft darf jedenfalls kein
Handeln im eigenen Namen und auf eigene Rechnung und Verantwortung, somit kein
wirtschaftliches (Unternehmer)Risiko gegenüber Dritten, vorliegen.
Im Gesellschaftsvertrag der d (Gesellschafter e) - Gegenstand des Unternehmens: f vom 11. November 2000 unter Punkt 4.4. festgelegt, dass "Die Geschäftsführerbefugnisse
erstrecken sich auf alle ordentlichen Geschäfte des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs. Für
außerordentliche Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsverkehr hinausgehen,
ist die Zustimmung auch des anderen Gesellschafters erforderlich."
Im Gesellschaftsvertrag der g vom 11. November 2000, abgeschlossen zwischen der
d, h, sowie i wird unter Punkt 3.1. festgelegt, dass "Die Firma d persönlich haftende
Gesellschafterin ist. Sie ist lediglich Arbeitsgesellschafterin, ..." Punkt 4.1.: "Zur Vertretung
und Geschäftsführung ist allein die persönlich haftende Gesellschafterin berechtigt
und verpflichtet." Punkt 4.2.: "Die Geschäftsführungsbefugnis erstreckt sich auf alle
Handlungen des ordentlichen Geschäftsbetriebes, wobei das Widerspruchsrecht der
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Kommanditisten ausgeschlossen ist. Bezüglich der vom Geschäftsführer einzuholenden
Zustimmungen sind die korrespondierenden Bestimmungen im GmbH-Vertrag zu
beachten (vgl. dort § 4.4)." Punkt 6.1.: "Die Gesellschafter sind am Gewinn und Verlust je
zur Hälfte beteiligt." Punkt 6.5.: Der Gewinnverteilung zu je 50 % liegt die Voraussetzung
zugrunde, dass jeder Gesellschafter (Anmerkung BFG gemeint: in seiner Funktion als
Geschäftsführer) eine Arbeitsleistung erbringt, die einem führenden Angestellten auf
kollektivvertraglicher Basis zugemutet werden kann. Die kollektivvertraglichen Regelungen
sind auch im Bezug auf Urlaub, Feiertage, Arbeitszeit usw. anzuwenden."
Weiters wurden vom steuerlichen Vertreter Jahreslohnkonten (2009, 2010, 2014)
der GmbH betreffend den Bf. gelegt, aus denen ersichtlich ist, dass dieser für seine
Geschäftsführertätigkeit jeweils monatlich € 4.000,00 sowie einen 13./14. Bezug erhalten
hat. Lohnabgaben wie Dienstgeberbeiträge und DZ, sowie Kommunalsteuer, wurden
geleistet.
Unbestrittermaßen werden sämtliche Arbeitsmittel für die Ausführung der
Geschäftsführertätigkeit gestellt, auch besteht eine Obergrenze hinsichtlich
der Neuanschaffung von Firmenautos für die Geschäftsführer (Pkt. 3.4. des
Gesllschaftsvertrages der g). Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass der Bf. die
tägliche Arbeitszeiteinteilung als Geschäftsführer hinsichtlich des Beginn/Endzeitpunktes
weitgehend selbständig bestimmen kann, dies entspricht jedoch dem modernen Bild der
"freien" Arbeitszeit von leitenden Angestellten wie eines Geschäftsführers in der Branche
des Bf., welcher zweifellos Kundenkontakte auch außerhalb starrer Bürozeiten oder auch
auswärtig in dieser Funktion wahrzunehmen hat.
Weiters ist erwiesen, dass der Bf. ein fixes Monatsgehalt (samt 13. und 14. Bezug)
bezogen hat, für welches Lohnabgaben (DB, DZ, KommSt) abgeführt wurden, wobei
er bei der Bestimmung des Arbeitsentgeltes von der Gesellschaft abhängig ist, was
auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass das Gehalt konstant war, also offensichtlich
nicht ständig neu bzw. abhängig vom Gewinn/Verlust, somit unabhängig von den
wirtschaftlichen Parametern der Gesellschaft, festgesetzt wurde. Durch diesen
kontinuierlich ausbezahlten Geschäftsführer-Bezug lässt sich jedenfalls kein in der
Geschäftsführertätigkeit gelegenes Unternehmerwagnis erkennen. Wenn auch nur
ein mündlicher Arbeitsvertrag existiert, so ist doch diesbezüglich auf den o.a. Pkt 6.5.
zu verweisen "... eine Arbeitsleistung erbringt, die einem führenden Angestellten auf
kollektivvertraglicher Basis zugemutet werden kann. Die kollektivvertraglichen Regelungen
sind auch im Bezug auf Urlaub, Feiertage, Arbeitszeit usw. anzuwenden." Diese
vertragliche Formulierung erhellt eine deutliche Anlehnung der Geschäftsführertätigkeit
des Bf. als nichtunternehmerische bzw. nichtselbständige Tätigkeit betreffend Arbeitszeit
und Arbeitsleistung.
Hinsichtlich der persönlichen Verantwortung des Bf. steht fest, dass er bei
Ausübung seiner Tätigkeit als Geschäftsführer nicht im eigenen Namen und auf
eigene Rechnung gehandelt hat, wobei er über die gesetzlichen Bestimmungen
betreffend Geschäftsführung hinaus keine eigene Verantwortung zu tragen hatte. Ein
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Unternehmerrisiko hat somit für ihn hinsichtlich seiner Geschäftsführertätigkeit gegenüber
Dritten nicht bestanden.
Das Bundesfinanzgericht stellt aufgrund der o.a. Rechtsprechung des EuGH fest,
dass seiner Ansicht nach eine (unternehmerische) wirtschaftliche Tätigkeit des Bf. als
Geschäftsführer nicht vorliegt. In der Gesamtbetrachtung der Verhältnisse sprechen die
Arbeitsbedingungen und das Arbeitsentgelt für ein Unterordnungsverhältnis im Sinne des
Art 4 Abs. 4 Unterabsatz 1 der 6. Mehrwertsteuerrichtline (nunmehr Art 10 MWSt-RL:
"Die selbständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Artikel 9 Absatz
1 schließt Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen aus, soweit sie an ihren
Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden
sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgeltes sowie der
Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft"), weshalb die
Geschäftsführertätigkeit des Bf. als nichtunternehmerisch anzusehen und daher bei der
Anwendung der Kleinunternehmerregelung nicht zu berücksichtigen bzw. einzubeziehen
ist.
Die Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 erfolgte daher zu Unrecht. Es
war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision:
Gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision
zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche
Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichts abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende
Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich
beantwortet wird.
Es liegt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend Vorliegen bzw.
Nichtvorliegen einer Unternehmereigenschaft unter Berücksichtigung der durch das "Van
der Steen" Urteil des EuGH vom 18.10.2007, C-355/06, aufgestellten Parameter vor. Eine
ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher zulässig.
Feldkirch, am 25. Juni 2015
Seite 10 von 10
18.12.2014
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
18.12.2014
Geschäftszahl
2011/15/0164
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte
MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über
die Beschwerde der N KG in N, vertreten durch die Dkfm. Martin Wirtschaftstreuhand- und
Steuerberatungsgesellschaft mbH in 4320 Perg, Linzer Straße 36, gegen den Bescheid des unabhängigen
Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 10. August 2011, Zl. RV/0193-L/10, miterledigt RV/0194- L/10,
RV/0195-L/10, betreffend u.a. Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2001 bis 2007 und
Umsatzsteuer für die Jahre 2002 bis 2007, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Kommanditgesellschaft, an der NG (eine ausgebildete Pferdewirtin) als
Komplementärin und deren Vater DI Dr. KG als Kommanditist beteiligt sind, wurde mit Gesellschaftsvertrag
vom 4. Dezember 2001 gegründet. Unternehmensgegenstand im Streitzeitraum war die Ausbildung von Pferden,
das Trainieren von Pferden, die Erteilung von Reitunterricht, die Teilnahme an reitsportlichen Veranstaltungen,
der Handel mit Produkten, welche vorgenannten Zwecken dienen, und alles, was den Gesellschaftszweck
fördert.
Von 2001 bis 2005 erklärte die Beschwerdeführerin Vorsteuerüberhänge und Verluste. Das Finanzamt
erließ für die Jahre 2001 bis 2005 Umsatzsteuerbescheide, in denen es die geltend gemachten Vorsteuern
berücksichtigte, und stellte die in diesen Jahren erzielten Verluste gemäß § 188 BAO erklärungsgemäß fest,
wobei die Umsatzsteuer- und Feststellungsbescheide gemäß § 201 Abs. 1 BAO vorläufig ergingen. Nachdem die
Beschwerdeführerin auch in den Streitjahren 2006 und 2007 Verluste und Vorsteuerüberhänge erklärte, änderte
das Finanzamt die Umsatzsteuer- und Feststellungsbescheide 2001 bis 2005 im Gefolge eines
Vorhalteverfahrens ab und erließ für die Jahre 2006 und 2007 von den Abgabenerklärungen abweichende
Erstbescheide.
In Bezug auf die Umsatzsteuer ging das Finanzamt davon aus, dass der Beschwerdeführerin mangels
Unternehmereigenschaft kein Vorsteuerabzug zustünde, weil ihre Betätigung als Liebhaberei im Sinne des § 1
Abs. 2 der Liebhabereiverordnung (im Folgenden: LVO) anzusehen sei. Die von der Beschwerdeführerin
erklärte Umsatzsteuer werde hingegen, bis zu einer allfälligen Rechnungsberichtigung, gemäß § 11 Abs. 12
UStG 1994 geschuldet.
Für die Jahre 2001 bis 2007 sprach das Finanzamt bescheidmäßig aus, dass eine Gewinnfeststellung gemäß
§ 188 BAO unterbleibe. Die von der Beschwerdeführerin ausgeübte Tätigkeit (Haltung, Training und Handel
von Sportpferden) sei als Bewirtschaftung von Wirtschaftsgütern anzusehen sei, die typischerweise der privaten
Lebensführung zuzurechnen seien. Eine derartige Betätigung stelle gemäß § 1 Abs. 2 LVO keine
Einkunftsquelle dar, wenn daraus Verluste entstünden. Die Beschwerdeführerin habe von 2001 bis 2007 Verluste
von insgesamt 451.470,86 EUR erzielt. Dass die Beschwerdeführerin auch Reitunterricht anbiete, mache aus
ihrer Tätigkeit noch keinen Gewerbebetrieb. Dies gelte umso mehr, als sie in den Jahren 2001 und 2002 keine
Einnahmen erzielt habe. In den Jahren 2003 (9.042,95 EUR), 2004 (27.277,51 EUR), 2005 (31.009,95 EUR),
2006 (67.155,12 EUR) und 2007 (62.739,77 EUR) habe sie zwar Einnahmen in beträchtlicher Höhe erzielt, die
aber zum Großteil aus dem Verkauf von Pferden (85.818,17 EUR) und sonstigem Anlagevermögen wie LKW
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bzw. Transporter (65.666,67 EUR) resultierten. Nur ein geringer Teil der 2003 (1.497,50 EUR), 2004
(4.309,54 EUR), 2005 (15.464,50 EUR), 2006 (23.215,72 EUR) und 2007 (3.512,50 EUR) erzielten Einnahmen
stamme aus Reitstunden und Einstellgebühren.
Die Betätigung der Beschwerdeführerin sei auch deshalb Ausfluss einer besonderen in der Lebensführung
begründeten Neigung, weil deren Komplementärin mit den im Betriebsvermögen befindlichen Pferden bei
Springreitturnieren antrete. Die Beschwerdeführerin sehe dies zwar als Teil der "betrieblichen Tätigkeit" an und
stelle die Teilnahme und Präsenz bei solchen Veranstaltungen als "Werbung" für die Qualität der trainierten
Pferde dar. Aus steuerlicher Sicht stelle die Teilnahme an Springreitveranstaltungen aber eine Sportausübung
dar, bei der im Betriebsvermögen befindliche Pferde für außerbetriebliche Zwecke eingesetzt würden. Die
Beschwerdeführerin erfasse zwar die Einnahmen aus der Teilnahme an Turnieren, diese hätten in den
Jahren 2001 bis 2007 aber nur 496 EUR betragen. Demgegenüber wiesen die vorgelegten Jahresabschlüsse für
denselben Zeitraum Turnierkosten von 19.132,22 EUR aus, welche noch um anteilige Stellplatzmieten,
Futterkosten, etc. zu erhöhen seien.
Dass sich der Betrieb in der Aufbauphase befinde und der Betriebsstandort im Streitzeitraum - unter Anfall
entsprechender Kosten - zweimal verlegt worden sei, ändere nichts daran, dass die Beschwerdeführerin von 2001
bis 2007 erhebliche Verluste angehäuft habe und in absehbarer Zukunft kein gesamtpositives Ergebnis erzielen
werde. Richtig sei, dass bei der Liebhabereibeurteilung auch ein fiktiver Veräußerungs- oder Aufgabegewinn zu
berücksichtigen sei. Der von der Beschwerdeführerin geschätzte Marktwert ihrer zum "1. Jänner 2009"
vorhandenen Pferde von 500.000 EUR werde aber angezweifelt. Abgesehen davon sei bei Ermittlung des
fiktiven Veräußerungs- oder Aufgabegewinnes der Buchwert der Tiere (ca. 113.000 EUR) in Abzug zu bringen,
was wiederum zu einem negativen Ansatz führe. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten
verletzungsbedingten Ausfälle ihrer Komplementärin stellten übliche Risiken und keine Unwägbarkeiten dar,
weshalb sie einer Beurteilung der in Rede stehenden Betätigung als Liebhaberei nicht entgegenstünden.
Die Feststellung der Einkünfte habe auch deshalb zu unterbleiben, weil die vorliegende Gestaltung nicht
fremdüblich sei. NG erhalte als Komplementärin und ausgebildete Pferdewirtin - diesen Umstand habe die
Beschwerdeführerin immer betont - nur einen äußerst geringen Vorwegbezug für ihre Arbeitsleistung (in den
Jahren 2001 bis 2008 insgesamt 18.332,19 EUR), wohingegen dem Kommanditisten (ihrem Vater) für eine
Einlage von 7.000 EUR der restliche Gewinn oder besser gesagt im gegenständlichen Fall der restliche Verlust
zugewiesen werde. Die bestehende Verlustsituation hätte unter Fremden zudem bereits nach kurzer Zeit zu
Problemen geführt, welche nur aufgrund des familiären Naheverhältnisses zwischen den Gesellschaftern
ausblieben. Der Vater von NG führe der Beschwerdeführerin immer weiter Kapital zu, um die Leidenschaft
seiner Tochter für den Reitsport bzw. die Beschäftigung mit Pferden zu finanzieren, und vermindere mit den
daraus resultierenden Verlusten sein Einkommen. Zudem sei NG im Streitzeitraum bei ihrem Vater angestellt
gewesen und habe in den Jahren 2001 (6.067,12 EUR), 2002 (3.736,56 EUR), 2003 (9.422,30 EUR), 2004
(10.532,64 EUR), 2005 (10.609,64 EUR), 2006 (11.627,96 EUR) und 2007 (11.698,76 EUR) Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit erzielt. Insoweit stimmten auch die Angaben nicht, dass NG hauptberuflich und nicht
in ihrer Freizeit für die Beschwerdeführerin tätig sei.
Die Beschwerdeführerin berief u.a. gegen die Umsatzsteuer- und Feststellungsbescheide 2001 bis 2007 und
brachte in der Berufung im Wesentlichen vor, die Frage, ob Tätigkeiten typischerweise einer besonderen in der
Lebensführung begründeten Neigung entsprächen, sei abstrakt nach der Verkehrsauffassung und nicht an Hand
der subjektiven Verhältnisse zu beurteilen. Ob eine Betätigung typischerweise einer privaten Neigung
entspreche, hänge demnach wesentlich von Anzahl und Größe des bewirtschafteten Wirtschaftsgutes bzw. davon
ab, ob sie im Haupt- oder Nebenberuf betrieben werde. Eine prinzipiell erwerbswirtschaftliche Tätigkeit sei
selbst bei nachhaltigen Verlusten nicht auf eine besondere in der Lebensführung begründete Neigung
zurückzuführen und falle in der Regel nicht unter § 1 Abs. 2 LVO.
In einer Berufungsentscheidung der belangten Behörde sei der hauptberufliche Betrieb eines Reitstalles mit
40 Pferden nicht als Hobby oder Freizeitbeschäftigung angesehen worden. In einer anderen - mit dem Streitfall
eher vergleichbaren - Berufungsentscheidung habe die belangte Behörde ausgesprochen, dass der Betrieb eines
Pferdestalls doch ganz profan aus der Bereitstellung von Unterkunft und Verpflegung für die Tiere in geforderter
Qualität bestehe, also niedrige Stalldienste angeboten würden, wohingegen der "gehobene" Umgang mit den
Tieren fremden Reitern zukomme.
Die Beschwerdeführerin versorge durchschnittlich zehn - großteils eigene - Tiere und bilde diese für
Turniere aus (reite aber auch fremde Pferde zu), bestreite Turniere, biete Kindern Reitstunden an und bilde
Praktikanten aus. "Es werden aber eben auch die 'niedrigen' Tätigkeiten durchgeführt, und dies führt bei
zehn Pferden schon zu einem erheblichen Zeit- und Energieaufwand, der von (der Komplementärin der
Beschwerdeführerin) alleine gar nicht bewältigt werden könnte, weshalb sie ja Personal eingestellt hat." Fraglich
sei bereits, ob eine Person, die Pferde nur zum Vergnügen besitze, zehn Tiere anschaffen und selbst versorgen
würde. Jedenfalls aber würde eine solche Person nicht eine enorme Menge an Zeit (zehn bis zwölf Stunden am
Tag, sieben Tage die Woche) darauf verwenden, die Pferde für Turniere auszubilden, Turniere zu bestreiten,
Kindern Reitunterricht zu erteilen, Praktikanten alle Facetten der Pferdehaltung und des Pferdetrainings
beizubringen und die Pferde täglich zu reiten. Im Rahmen der abstrakten Betrachtung sei daher im Streitfall von
einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit auszugehen.
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Verwaltungsgerichtshof
18.12.2014
Die Behauptung, wonach das Antreten bei Springreitturnieren eine private Sportausübung und keine
gewerbliche Tätigkeit darstelle, entbehre jeglicher Lebenserfahrung. Das Prinzip eines Reitstalls der
vorliegenden Art beruhe darauf, dass man junge Tiere einkaufe, trainiere und bei Turnieren gute Ergebnisse
erziele, um Interessenten auf sich aufmerksam zu machen, die sodann ausgebildete Tiere kauften oder neue Tiere
verkauften. Das wirtschaftliche Überleben des Reitstalls hänge von Turnieren bzw. den dort erzielten Resultaten
ab, mit ihnen stehe und falle der Ruf des Reitstalls. Es sei zugleich der einzige Weg, sich einen Ruf zu erarbeiten
und die für den Betrieb des Unternehmens essentiellen Kontakte zu knüpfen.
Richtig sei, dass die Beschwerdeführerin von 2001 bis 2007 ein negatives Ergebnis von 451.470,86 EUR
erzielt habe. Bei näherer Betrachtung sei aber ersichtlich, dass sich die Verlustsituation im Laufe der Jahre
erheblich verbessert habe. Beim Betrieb eines mit hohen Kosten verbundenen Reitstalls sei schon deshalb ein
längerer Beobachtungszeitraum erforderlich, weil für die Ausbildung der ersten erworbenen Pferde mehrere
Jahren benötigt würden. Im Jahr 2009 seien bereits vier Pferde mit Gewinn verkauft worden. Dies zeige, dass der
Zeitpunkt nicht mehr weit sei, in dem Gewinne erwirtschaftet würden. Abgesehen davon stellten die
Reitverletzungen der Komplementärin berücksichtigungswürdige Unwägbarkeiten dar. Diese habe eine
fachspezifische Ausbildung absolviert, weshalb ihre dabei erworbenen Kenntnisse schwer zu ersetzen seien;
wenn sie aber nun nicht reiten könne, gerate unweigerlich die Ausbildung der Pferde, der Unterricht von
Reitschülern und Praktikanten sowie die regelmäßige Teilnahme an Turnieren ins Stocken. Sollte sich der
Betrieb wie geplant entwickeln, werde man weitere Trainer und Trainerinnen einstellen können, um das
Ausfallsrisiko zu minimieren. Durch die Reitverletzung der Komplementärin sei der Verlust 2007 im Vergleich
zu den Vorjahren signifikant angestiegen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde - nach Ergehen weiterer Vorhalte und der
Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die Berufung betreffend u.a. die Umsatzsteuer für die Jahre 2002
bis 2007 und die Feststellung von Einkünften für die Jahre 2001 bis 2007 ab und führte begründend hierzu aus,
dass die gegenständliche Betätigung als eine iSd § 1 Abs. 2 Z 1 LVO zu beurteilen sei. Das Halten, Reiten und
Ausbilden von Pferden "(dies entspricht der Bewirtschaftung des 'Wirtschaftsgutes')" sowie die Teilnahme an
Turnieren sei eine Tätigkeit, die in engem Zusammenhang mit der Ausübung des Pferdesportes stehe. Sport an
sich sei nach der Verkehrsauffassung als Freizeitgestaltung einzustufen. Pferde seien als "Wirtschaftsgüter"
anzusehen, die sich in einem besonderen Maß für die Nutzung im Rahmen der Lebensführung eigneten (Hinweis
auf das hg. Erkenntnis vom 24. April 1997, 93/15/0136). Dass die Beschwerdeführerin auch Reitstunden
angeboten, Beritte vorgenommen und Praktikanten betreut habe, ändere an dieser Einordnung nichts, weil deren
Haupttätigkeit in der Sportpferdeausbildung und der Bestreitung von Turnieren gelegen sei.
Die Anzahl der von der Beschwerdeführerin in den Jahren 2001 bis 2010 gehaltenen Tiere zeige laut
Anlageverzeichnis eine Bandbreite von fünf bis zwölf Pferden auf. In den Jahren 2008 bis 2010 schienen zudem
bis zu vier Pferde im Umlaufvermögen auf. Erlöse aus dem Einstellen von Pferden seien nur im November und
Dezember 2005 sowie im April, Mai und Juni 2010 erzielt worden. Daher gehe der Hinweis auf eine
Berufungsentscheidung der belangten Behörde betreffend einen Reitstall mit 40 Pferden von vornherein ins
Leere. Die weitere ins Treffen geführte Berufungsentscheidung sei für den Streitfall ebenfalls nicht relevant. Wie
die Beschwerdeführerin selbst ausgeführt habe, "liegt ein großer Teil der Tätigkeit (ihrer Komplementärin) in
der Teilnahme an Turnieren. Für die 'niedrigen' Dienste wurde Personal eingestellt", wohingegen in der
angeführten Entscheidung lediglich Unterkunft und Verpflegung für die Tiere bereitgestellt worden sei. Der
Verweis auf das "tägliche Schaufeln von Pferdemist" zur Untermauerung der Ansicht, eine besondere in der
Lebensführung begründete Neigung läge nicht vor, sei auf den Streitfall nicht übertragbar. Die belangte Behörde
gehe davon aus, dass sich ein Reitstall mit fünf bis zwölf eigenen und einer vernachlässigbaren Anzahl von
Beritt- und Einstellpferden besonders zur Nutzung im Rahmen der Lebensführung eigne und daher eine
Betätigung iSd § 1 Abs. 2 Z 1 LVO vorliege.
Eine Tätigkeit iSd § 1 Abs. 2 Z 1 LVO stelle von Beginn an Liebhaberei dar. Liebhaberei sei solange
anzunehmen, als sich die Art der Bewirtschaftung nicht ändere, wovon im Streitzeitraum - trotz der zweimaligen
Sitzverlegung - nicht auszugehen sei. Die Beschwerdeführerin habe trotz mehrmaliger Aufforderung hierzu
keine Prognoserechnung vorgelegt, weshalb ihr der rechnerische Nachweis eines zu erwartenden
Gesamtgewinns nicht gelungen sei. Auf Gesellschaftsebene sei daher von Liebhaberei auszugehen. Auch die
Tätigkeit des Kommanditisten sei als Liebhaberei einzustufen, weil dieser keine besonderen Vergütungen
bezogen habe. In Bezug auf die Komplementärin, deren Anteil an den Einkünften in allen Jahren positiv
gewesen sei, liege hingegen eine Einkunftsquelle vor.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei der für das Einkommensteuerrecht
entwickelte Begriff der Liebhaberei auch im Umsatzsteuerrecht relevant. Die gegenständliche Betätigung falle
unter § 1 Abs. 2 LVO, weshalb keine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit iSd UStG 1994 vorliege. Die
Umsätze aus dieser Tätigkeit unterlägen nicht der Umsatzsteuer, weshalb die mit dieser Tätigkeit
zusammenhängenden Vorsteuern nicht abgezogen werden könnten. Da die Beschwerdeführerin in ihren
Rechnungen Umsatzsteuer ausgewiesen habe, werde diese gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994 geschuldet, solange
die Rechnungen nicht gegenüber den Rechnungsempfängern berichtigt würden. Die Wirkung einer - bislang
nicht erfolgten - Berichtigung trete ex nunc ein.
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Verwaltungsgerichtshof
18.12.2014
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem
einfachgesetzlich gewährleisteten Recht darauf, "nicht entgegen den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 iVm § 6
Liebhabereiverordnung, BGBl. 1993/33, als Liebhabereibetrieb beurteilt zu werden bzw. auf Feststellung der
Einkünfte gemäß § 188 BAO und Vorsteuerabzug gemäß § 12 UStG, verletzt".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen.
Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über das Vorliegen von Einkünften, über die Annahme
einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit und über die Erlassung vorläufiger Bescheide
(Liebhabereiverordnung, LVO), in der Fassung BGBl. II Nr. 358/1997, lautet auszugsweise:
"Abschnitt I
Einkommen- und Körperschaftsteuer
§ 1. (1) Einkünfte liegen vor bei einer Betätigung (einer Tätigkeit oder einem Rechtsverhältnis), die
-
durch die Absicht veranlaßt ist, einen Gesamtgewinn
oder einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 3) zu erzielen, und
-
nicht unter Abs. 2 fällt.
Voraussetzung ist, daß die Absicht anhand objektiver Umstände (§ 2 Abs. 1 und 3) nachvollziehbar ist. Das
Vorliegen einer derartigen Absicht ist für jede organisatorisch in sich geschlossene und mit einer gewissen
Selbständigkeit ausgestattete Einheit gesondert zu beurteilen.
(2) Liebhaberei ist bei einer Betätigung anzunehmen, wenn Verluste entstehen
1. aus der Bewirtschaftung von Wirtschaftsgütern, die sich nach der Verkehrsauffassung in einem besonderen
Maß für eine Nutzung im Rahmen der Lebensführung eignen (z.B. Wirtschaftsgüter, die der Sport- und
Freizeitausübung dienen, Luxuswirtschaftsgüter) und typischerweise einer besonderen in der Lebensführung
begründeten Neigung entsprechen oder ..."
Wirtschaftsgüter fallen dann unter § 1 Abs. 2 Z 1 LVO, wenn sie sich - insbesonders auch unter Beachtung
des Umfanges und ihrer Anzahl - nach der Verkehrsauffassung besonders für eine private Nutzung eignen und
typischerweise einer privaten Neigung entsprechen (vgl. Doralt/Renner, EStG14, § 2 Tz 461, ebenso
Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 2 Tz 33.1, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Reitställe stellen Wirtschaftsgüter dar, die vielfach der Sport- und Freizeitausübung dienen
(vgl. Doralt/Renner, a.a.O., § 2 Tz 463, mit weiteren Nachweisen). Ob die im Zusammenhang mit dem Betrieb
eines Reitstalles stehende Betätigung unter § 1 Abs. 2 LVO fällt, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu
beurteilen, worunter insbesondere Anzahl und Umfang der Wirtschaftsgüter und die Qualität der Betätigung zu
verstehen sind (vgl. Doralt/Renner, a.a.O., § 2 Tz 464). Gemessen an diesen Kriterien wird der Betrieb eines
Reitstalls mit fünf bis zwölf eigenen und bis zu vier weiteren Beritt- und Einstellpferden regelmäßig nicht als
Betätigung iSd § 1 Abs. 2 LVO anzusehen sei. Dies gilt umso mehr, wenn in einem solchen Betrieb auch
Reitunterricht angeboten wird und Praktikanten ausgebildet werden.
Die belangte Behörde gelangte im angefochtenen Bescheid zur Auffassung, im Streitfall liege eine
Betätigung iSd § 1 Abs. 2 LVO vor, und begründet dies im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin
Personal für die im Reitstall zu verrichtenden "niedrigen" Dienste eingestellt und die Tätigkeit ihrer
Komplementärin großteils in der Teilnahme an Turnieren bestanden habe.
Dass die Beschwerdeführerin für die "niedrigen" Dienste Personal eingestellt hat, rechtfertigt jedoch die
Einstufung ihrer Betätigung unter § 1 Abs. 2 LVO nicht, solange sich ihr Reitstall insoweit nicht von auf Gewinn
ausgerichteten Betrieben vergleichbarer Größe unterscheidet. Feststellungen dahingehend hat die belangte
Behörde in Verkennung der Rechtslage nicht getroffen. Die belangte Behörde ist auch dem
Berufungsvorbringen, das Überleben eines Reitstalles der vorliegenden Art hänge von der Teilnahme an
Turnieren bzw. den dort erzielten Resultaten ab, nicht entgegen getreten, weshalb der Umstand, dass die
Komplementärin mit im Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin befindlichen Pferden an Springreitturnieren
teilgenommen hat, die Annahme einer Betätigung iSd § 1 Abs. 2 LVO ebenfalls nicht zu begründen vermag.
Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG
aufzuheben war.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG
abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGHAufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung weiterhin
anzuwenden.
Wien, am 18. Dezember 2014
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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)
16. Juli 2015 (*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung Ð Mehrwertsteuer Ð Sechste Richtlinie 77/388/EWG Ð Art. 17 Ð Recht auf
Vorsteuerabzug Ð Teilweiser Abzug Ð Mehrwertsteuer, die von Holdinggesellschaften für die Beschaffung von
Kapital entrichtet wurde, das sie in ihre Tochtergesellschaften investiert haben Ð An die Tochtergesellschaften
erbrachte Dienstleistungen Ð Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer Personengesellschaft Ð Art. 4 Ð
Bildung einer Gruppe von Personen, die als ein Steuerpflichtiger behandelt werden können Ð Voraussetzungen Ð
Erforderlichkeit eines Unterordnungsverhältnisses Ð Unmittelbare Wirkung“
In den verbundenen Rechtssachen C 108/14 und C 109/14
betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof
(Deutschland) mit Entscheidungen vom 11. Dezember 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 6. März 2014,
in den Verfahren
Beteiligungsgesellschaft Larentia + Minerva mbH & Co. KG
gegen
Finanzamt Nordenham (C 108/14)
und
Finanzamt Hamburg-Mitte
gegen
Marenave Schiffahrts AG (C 109/14)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. C. Bonichot
(Berichterstatter), A. Arabadjiev, J. L. da Cruz Vilaça und C. Lycourgos,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Januar 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Beteiligungsgesellschaft Larentia + Minerva mbH & Co. KG, vertreten durch die Steuerberaterinnen
M. Hertwig und G. Jorewitz sowie durch Rechtsanwalt C. Hensell,
der Marenave Schiffahrts AG, vertreten durch A. Fresh, Prozessbevollmächtigter,
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
Irlands, vertreten durch E. Creedon, J. Quaney und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von N. J. Travers,
Barrister,
der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und A. Kramarczyk-Szaøadzi ska als Bevollmächtigte,
der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Kaye als Bevollmächtigte im Beistand von
O. Thomas, Barrister,
der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wasmeier und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. März 2015
folgendes
Urteil
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 4 und 17 der Sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern Ð Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage
(ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 geänderten Fassung (ABl.
L 221, S. 9, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten, zum einen zwischen der
Beteiligungsgesellschaft Larentia + Minerva mbH & Co. KG (im Folgenden: Larentia + Minerva) und dem
Finanzamt Nordenham (Deutschland) (C 108/14) und zum anderen zwischen dem Finanzamt Hamburg-Mitte
(Deutschland) und der Marenave Schiffahrts AG (im Folgenden: Marenave) (C 109/14), über die
Voraussetzungen für den Abzug der Vorsteuer, die von diesen Holdinggesellschaften für die Beschaffung von
Kapital gezahlt wurde, das dem Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer
Personengesellschaft dienen sollte, an die sie später mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistungen erbracht haben.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
24.08.2015 19:37
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a)
a)
b)
c)
d)
e)
1.
2.
1.
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Art. 4 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„(1)
Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig
und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
(2)
Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers
oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe
und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von
körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.
…
(4)
Der in Absatz 1 verwendete Begriff ‚selbständig‘ schließt die Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige
Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein
sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts
sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.
Vorbehaltlich der Konsultation nach Artikel 29 steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen,
die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische
Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln.
Ein Mitgliedstaat, der die in Unterabsatz 2 vorgesehene Möglichkeit in Anspruch nimmt, kann die erforderlichen
Maßnahmen treffen, um Steuerhinterziehung oder umgehung durch die Anwendung dieser Bestimmung
vorzubeugen.
…“
In Art 17 der Sechsten Richtlinie heißt es:
„(1)
Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.
(2)
Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet
werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von
einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht
werden,
…
(5)
Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet
werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die
dieses Recht nicht besteht, ist der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den
Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.
Dieser Pro-rata-Satz wird nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze
festgelegt.
Jedoch können die Mitgliedstaaten
dem Steuerpflichtigen gestatten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz
anzuwenden, wenn für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen geführt werden;
den Steuerpflichtigen verpflichten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz
anzuwenden und für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen zu führen;
dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Vorsteuerabzug je nach der Zuordnung der
Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen;
dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihm vorschreiben, den Vorsteuerabzug nach der in Unterabsatz 1
vorgesehenen Regel bei allen Gegenständen und Dienstleistungen vorzunehmen, die für die dort genannten
Umsätze verwendet wurden;
vorsehen, dass der Betrag der Mehrwertsteuer, der vom Steuerpflichtigen nicht abgezogen werden kann, nicht
berücksichtigt wird, wenn er geringfügig ist.
…“
Deutsches Recht
In § 2 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (BGBl. I S. 386) heißt es:
„(1)
Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen
umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede
nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine
Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.
(2)
Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind,
dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind;
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und
organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der
Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese
Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im
Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.
§ 15 des Gesetzes lautet:
„(1)
Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer
für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. …
(2)
Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den
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innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur
Ausführung folgender Umsätze verwendet:
steuerfreie Umsätze;
(3)
Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 1
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind …
…
(4)
Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder
innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung
nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen
Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen
wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer
sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem
Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug
berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.
…“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rechtssache C 108/14
Larentia + Minerva hält als Kommanditistin 98 % der Anteile zweier Tochtergesellschaften in der Rechtsform
einer GmbH & Co. KG. Für diese erbringt sie zudem als „Führungsholding“ entgeltlich administrative und
kaufmännische Dienstleistungen.
Für diese mehrwertsteuerpflichtigen Leistungen nahm Larentia + Minerva einen vollständigen Abzug der von
ihr gezahlten Vorsteuer für die Einwerbung von Kapital bei einem Dritten vor, das zur Finanzierung ihrer
Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften und ihrer Dienstleistungen diente.
Das Finanzamt Nordenham ließ diesen Abzug nur begrenzt zu, da seiner Ansicht nach das bloße Halten von
Anteilen
an
Tochtergesellschaften
kein
Recht
auf
Vorsteuerabzug
eröffnet.
Der
Mehrwertsteuerberichtigungsbescheid vom 24. September 2007 für das Jahr 2005 wurde von Larentia +
Minerva vor dem Niedersächsischen Finanzgericht (Deutschland) angefochten, das die Klage mit Urteil vom 12.
Mai 2011 abwies. Larentia + Minerva legte gegen dieses Urteil beim Bundesfinanzhof Revision ein.
Das vorlegende Gericht fragt zum einen nach der Berechnungsweise des Vorsteuerabzugs, wenn dieser Abzug
nur teilweise vorgenommen werden darf, und zum anderen nach der Reichweite von Art. 4 Abs. 4 der Sechsten
Richtlinie, der die von Larentia + Minerva geltend gemachte „Mehrwertsteuergruppe“ betrifft. Zum
letztgenannten Punkt möchte das vorlegende Gericht insbesondere wissen, ob das nationale Recht mit dieser
Bestimmung vereinbar ist, obwohl es Personengesellschaften von der Inanspruchnahme einer solchen Regelung
ausschließt und ein Unterordnungsverhältnis der Tochtergesellschaften gegenüber dem Organträger verlangt.
Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem
Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Nach welcher Berechnungsmethode ist der (anteilige) Vorsteuerabzug einer Holding aus Eingangsleistungen im
Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung zum Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften zu berechnen,
wenn die Holding später (wie von vornherein beabsichtigt) verschiedene steuerpflichtige Dienstleistungen
gegenüber diesen Gesellschaften erbringt?
Steht die Bestimmung über die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen in Art. 4
Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie einer nationalen Regelung entgegen, nach der (erstens) nur eine
juristische Person Ð nicht aber eine Personengesellschaft Ð in das Unternehmen eines anderen Steuerpflichtigen
(sogenannter Organträger) eingegliedert werden kann und die (zweitens) voraussetzt, dass diese juristische
Person finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch (im Sinne eines Über- und Unterordnungsverhältnisses) „in
das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist“?
Falls die vorstehende Frage bejaht wird: Kann sich ein Steuerpflichtiger unmittelbar auf Art. 4 Abs. 4
Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie berufen?
Rechtssache C 109/14
Marenave erhöhte im Jahr 2006 ihr Kapital, und die mit dieser Erhöhung verbundenen Emissionskosten führten
zu einer Mehrwertsteuerzahlung von 373 347,57 Euro.
Diese Gesellschaft erwarb im gleichen Jahr als Holdinggesellschaft Anteile an vier
„Schiffskommanditgesellschaften“, an deren Geschäftsführung sie gegen Vergütung beteiligt war. Von der
Mehrwertsteuer auf die Einkünfte aus dieser Tätigkeit brachte sie u. a. den gesamten Vorsteuerbetrag von
373 347,57 Euro in Abzug.
Mit Bescheid vom 15. Januar 2009 versagte das Finanzamt Hamburg-Mitte den Abzug in entsprechender Höhe.
Mit Urteil vom 10. Dezember 2012 gab das Finanzgericht Hamburg-Mitte der gegen diesen Bescheid gerichteten
Klage von Marenave statt. Das Finanzamt Hamburg-Mitte legte beim Bundesfinanzhof Revision gegen dieses
Urteil ein.
Das vorlegende Gericht hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof dieselben wie die in
Rn. 11 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Fragen vorzulegen.
Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 26. März 2014 sind die Rechtssachen C 108/14 und
C 109/14 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung
verbunden worden.
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Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht, das davon ausgeht, dass der Vorsteuerabzug nur
insoweit zulässig ist, als die Aufwendungen des Steuerpflichtigen nur zum Teil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit
zugerechnet werden können, wissen, nach welcher Berechnungsweise die Vorsteuer, die von einer
Holdinggesellschaft für die Beschaffung von Kapital, das dem Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften
dienen sollte, gezahlt wurde, zwischen den wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten der
Gesellschaft aufzuteilen ist.
Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine Holdinggesellschaft, deren einziger Zweck der Erwerb von
Beteiligungen an anderen Unternehmen ist, ohne dass sie Ð unbeschadet ihrer Rechte als Aktionärin oder
Gesellschafterin Ð unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Gesellschaften eingreift, kein
Mehrwertsteuerpflichtiger im Sinne von Art. 4 der Sechsten Richtlinie und somit nicht zum Vorsteuerabzug
gemäß Art. 17 der Richtlinie berechtigt ist (vgl. u. a. Urteile Cibo Participations, C 16/00, EU:C:2001:495,
Rn. 18, und Portugal Telecom, C 496/11, EU:C:2012:557, Rn. 31).
Der bloße Erwerb und das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen können nicht als wirtschaftliche Tätigkeiten
im Sinne der Sechsten Richtlinie angesehen werden, die den Erwerber bzw. Inhaber zum Steuerpflichtigen
machen würden. Der bloße Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen stellt nämlich keine Nutzung
eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen dar, weil eine etwaige Dividende als Ergebnis
dieser Beteiligung Ausfluss der bloßen Innehabung des Gegenstands ist (vgl. u. a. Urteile Cibo Participations,
C 16/00, EU:C:2001:495, Rn. 19, und Portugal Telecom, C 496/11, EU:C:2012:557, Rn. 32).
Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Beteiligung unbeschadet der Rechte, die dem Anteilseigner in seiner
Eigenschaft als Aktionär oder Gesellschafter zustehen, mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die
Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, an der die Beteiligung erworben worden ist (vgl. u. a. Urteile Cibo
Participations, C 16/00, EU:C:2001:495, Rn. 20, und Portugal Telecom, C 496/11, EU:C:2012:557, Rn. 33).
Eingriffe einer Holdinggesellschaft in die Verwaltung von Gesellschaften, an denen sie Beteiligungen erworben
hat, sind eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie, wenn sie die
Durchführung von Transaktionen einschließen, die gemäß Art. 2 der Richtlinie der Mehrwertsteuer unterliegen,
wie etwa das Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen der
Holdinggesellschaft an ihre Tochtergesellschaften (vgl. u. a. Urteile Cibo Participations, C 16/00,
EU:C:2001:495, Rn. 22, und Portugal Telecom, C 496/11, EU:C:2012:557, Rn. 34).
Ferner ist das in den Art. 17 ff. der Sechsten Richtlinie vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug integraler
Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Dieses
Recht kann für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden. Jede
Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug wirkt sich auf die Höhe der steuerlichen Belastung aus und muss
in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gelten. Ausnahmen sind daher nur in den in der Sechsten Richtlinie
ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig (vgl. u. a. Urteil Portugal Telecom, C 496/11, EU:C:2012:557,
Rn. 35).
Die Mehrwertsteuer kann nur abgezogen werden, wenn die Eingangsumsätze direkt und unmittelbar mit zum
Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen zusammenhängen. Das Recht auf Abzug der für den Bezug von
Gegenständen oder Dienstleistungen auf der Eingangsstufe entrichteten Mehrwertsteuer ist nur gegeben, wenn
die hierfür getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen der auf der Ausgangsstufe versteuerten, zum
Abzug berechtigenden Umsätze gehören (vgl. u. a. Urteile Cibo Participations, C 16/00, EU:C:2001:495, Rn. 31,
und Portugal Telecom, C 496/11, EU:C:2012:557, Rn. 36).
Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und
unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum
Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen dann angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen
Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und Ð als solche Ð
Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten
hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen
zusammen (vgl. u. a. Urteile Cibo Participations, C 16/00, EU:C:2001:495, Rn. 33, und Portugal Telecom,
C 496/11, EU:C:2012:557, Rn. 37).
Wie der Generalanwalt in Nr. 39 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind daher die Kosten, die im
Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer Holdinggesellschaft
getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und Ð wie oben in Rn. 21 des vorliegenden Urteils
ausgeführt worden ist Ð insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, als der wirtschaftlichen Tätigkeit dieser
Gesellschaft zugeordnet anzusehen. Folglich eröffnet die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer gemäß
Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie ein Recht auf vollständigen Vorsteuerabzug.
Die in Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Abzugsregelung erfasst nur die Fälle, in denen der
Steuerpflichtige die Gegenstände und Dienstleistungen sowohl für wirtschaftliche Tätigkeiten, für die ein Recht
auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für wirtschaftliche Tätigkeiten, für die dieses Recht nicht besteht,
verwendet, also gemischt nutzt. Die Mitgliedstaaten dürfen eine der in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 dieser
Richtlinie vorgesehenen Abzugsmethoden nur für diese Gegenstände und Dienstleistungen verwenden (Urteil
Portugal Telecom, C 496/11, EU:C:2012:557, Rn. 40).
Die Regelungen in Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie betreffen die Vorsteuer auf Aufwendungen, die
ausschließlich mit wirtschaftlichen Tätigkeiten im Zusammenhang stehen. Die Festlegung der Methoden und
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Kriterien zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im
Sinne der Sechsten Richtlinie steht im Ermessen der Mitgliedstaaten, die bei der Ausübung ihres Ermessens
Zweck und Systematik dieser Richtlinie berücksichtigen und daher eine Berechnungsweise vorsehen müssen,
die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der Eingangsaufwendungen jeder dieser beiden Tätigkeiten tatsächlich
zuzurechnen ist (Urteile Securenta, C 437/06, EU:C:2008:166, Rn. 33 und 39, und Portugal Telecom,
C 496/11, EU:C:2012:557, Rn. 42).
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Ausführungen des vorlegenden Gerichts, dass in den
Ausgangsverfahren die Holdinggesellschaften aufgrund der wirtschaftlichen Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig
sind, die aus den Leistungen besteht, die sie an alle ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt erbringen. Daher
müsste die für die Kosten des Erwerbs dieser Leistungen gezahlte Mehrwertsteuer vollständig abgezogen
werden, es sei denn, dass nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie mehrwertsteuerfrei sind. Im
letzteren Fall dürfte das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten
vorgenommen werden.
Somit könnte nur in dem Fall, dass das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass die Beteiligungen, die sich
aus den Kapitaltransaktionen der Holdinggesellschaften der Ausgangsverfahren ergeben haben, zum Teil
anderen Tochtergesellschaften zugeordnet worden sind, an deren Verwaltung sie nicht teilgenommen haben, die
für die Kosten dieser Transaktionen gezahlte Mehrwertsteuer nur anteilig abgezogen werden, wie in der ersten
Frage des vorlegenden Gerichts in Betracht gezogen wird. Denn in diesem Fall könnte das bloße Halten ihrer
Anteile an diesen Tochtergesellschaften nicht als eine wirtschaftliche Tätigkeit dieser Holdinggesellschaften
angesehen werden, und die Vorsteuer wäre in die Mehrwertsteuer aufzuteilen, die zu den wirtschaftlichen
Tätigkeiten der Holdinggesellschaften gehört, und in die, die zu ihren nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten gehört.
In diesem Rahmen dürfen die Mitgliedstaaten gegebenenfalls einen Investitionsschlüssel, einen
Umsatzschlüssel oder jeden anderen geeigneten Schlüssel verwenden und sind nicht verpflichtet, sich auf eine
einzige dieser Methoden zu beschränken (Urteil Securenta, C 437/06, EU:C:2008:166, Rn. 38).
Daher ist es allein Sache der nationalen Behörden, unter gerichtlicher Kontrolle die Kriterien für die Aufteilung
zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten, die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der
Eingangsaufwendungen jeder dieser beiden Tätigkeiten tatsächlich zuzurechnen ist, unter Berücksichtigung von
Zweck und Systematik der Sechsten Richtlinie festzulegen (Urteil Securenta, C 437/06, EU:C:2008:166,
Rn. 39).
Unter diesen Umständen und aus denselben Erwägungen, wie sie der Generalanwalt in den Nrn. 20 und 21
seiner Schlussanträge dargelegt hat, ist es nicht Sache des Gerichtshofs, sich an die Stelle des
Unionsgesetzgebers bzw. an die der nationalen Behörden zu setzen, um eine allgemeine Methode zur
Berechnung des Verhältnisses zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten festzulegen.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 2 und 5 der Sechsten Richtlinie wie folgt
auszulegen ist:
Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer
Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche
Tätigkeit ausübt, sind als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, und die für
diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer ist grundsätzlich vollständig abzuziehen, es sei denn, dass bestimmte
nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten
Fassung mehrwertsteuerfrei sind. Im letzteren Fall darf das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der
Richtlinie vorgesehenen Modalitäten vorgenommen werden.
Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften von einer
Holdinggesellschaft getragen werden, die nur bei einigen von ihnen an der Verwaltung teilnimmt, hinsichtlich
der übrigen dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind nur zum Teil als Teil der allgemeinen
Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, so dass die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer nur im
Verhältnis zu den der wirtschaftlichen Tätigkeit inhärenten Kosten nach von den Mitgliedstaaten festgelegten
Aufteilungskriterien abgezogen werden kann, die bei der Ausübung dieser Befugnis Zweck und Systematik der
Sechsten Richtlinie berücksichtigen und insoweit eine Berechnungsweise vorsehen müssen, die objektiv
widerspiegelt, welcher Teil der Eingangsaufwendungen der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen
Tätigkeit tatsächlich zuzurechnen ist, was zu prüfen Sache der nationalen Gerichte ist.
Zur zweiten Frage
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten
Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, in seinem Recht die in dieser
Bestimmung
vorgesehene
Möglichkeit,
eine
Gruppe
von
Personen
zu
bilden,
die
als
ein
Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können (im Folgenden: Mehrwertsteuergruppe), allein den
Einheiten vorzubehalten, die juristische Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein
Unterordnungsverhältnis verbunden sind.
Das vorlegende Gericht fragt nach der Reichweite dieser Bestimmung, deren Inanspruchnahme vor ihm geltend
gemacht worden ist. Wie der Generalanwalt in Nr. 55 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann die Antwort
auf diese Frage entgegen den von Irland in seinen schriftlichen Erklärungen insoweit geäußerten Zweifeln für
die Entscheidung der Ausgangsrechtsstreitigkeiten von Interesse sein. Würde nämlich der Holdinggesellschaft
und ihren Tochtergesellschaften der Status einer Mehrwertsteuergruppe verliehen, könnte dies aufgrund der
entgeltlichen Umsätze zwischen den Tochtergesellschaften und Dritten zur Gewährung des vollständigen Abzugs
der für die Kapitaltransaktionen der Holdinggesellschaft gezahlten Vorsteuer führen.
Was die Antwort anbelangt, die in der Sache auf die zweite Frage zu geben ist, ist darauf hinzuweisen, dass der
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Gerichtshof hinsichtlich der Auslegung von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.
November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1), dessen Wortlaut dem von
Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie entspricht, festgestellt hat, dass diese Bestimmungen, die
jedem Mitgliedstaat gestatten, mehrere Personen, die im Gebiet dieses Mitgliedstaats ansässig und rechtlich
unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng
miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, ihre Anwendung nicht von
weiteren Voraussetzungen abhängig machen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Irland, C 85/11,
EU:C:2013:217, Rn. 36).
Daher ist erstens festzustellen, dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie im Unterschied zu
anderen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, insbesondere ihren Art. 28a und 28b, die sich ausdrücklich auf
„juristische Personen“ beziehen, nicht per se die Einheiten von seinem Anwendungsbereich ausschließt, die Ð
wie die Kommanditgesellschaften der Ausgangsverfahren Ð keine juristischen Personen sind.
Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie sieht für die Mitgliedstaaten auch keine ausdrückliche
Möglichkeit vor, den Wirtschaftsteilnehmern weitere Bedingungen für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe
aufzubürden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Schweden, C 480/10, EU:C:2013:263, Rn. 35),
insbesondere nicht, dass die Mitgliedstaaten verlangen könnten, dass ausschließlich juristische Personen
Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe sein könnten.
Deshalb ist zu prüfen, ob der Spielraum der Mitgliedstaaten, die die Möglichkeit haben, die Bildung solcher
Mehrwertsteuergruppen in ihrem Gebiet zu gestatten, es ihnen erlaubt, die Einheiten, die keine juristischen
Personen sind, vom Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie auszuschließen.
Aus der Begründung des Kommissionsvorschlags (KOM[73] 950 endg.), der zum Erlass der Sechsten Richtlinie
geführt hat, geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber durch den Erlass von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 dieser
Richtlinie es den Mitgliedstaaten ermöglichen wollte, die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht systematisch an
das Merkmal der rein rechtlichen Selbständigkeit zu knüpfen, und zwar aus Gründen der
Verwaltungsvereinfachung oder zur Verhinderung bestimmter Missbräuche, wie z. B. die Aufspaltung eines
Unternehmens zwischen mehreren Steuerpflichtigen, um in den Genuss einer Sonderregelung zu gelangen (vgl.
in diesem Sinne Urteil Kommission/Schweden, C 480/10, EU:C:2013:263, Rn. 37).
Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten bei der Anwendung von Art. 11
Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 im Rahmen ihres Ermessensspielraums die Anwendung der Regelung über die
Mehrwertsteuergruppe bestimmten Beschränkungen unterwerfen können, sofern diese den Zielen der Richtlinie
entsprechen, die auf die Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und die Vermeidung
von Steuerhinterziehung oder umgehung abzielt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Kommission/Schweden,
C 480/10, EU:C:2013:263, Rn. 38 und 39).
Zwar enthielt die Sechste Richtlinie bis zum Inkrafttreten ihres durch die Richtlinie 2006/69 eingeführten Art. 4
Abs. 4 Unterabs. 3 keine mit Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 vergleichbaren ausdrücklichen
Bestimmungen, doch war den Mitgliedstaaten dadurch nicht die Möglichkeit genommen, vor diesem
Inkrafttreten gleichwertige sachdienliche Maßnahmen zu erlassen, da die Vermeidung von Steuerhinterziehung
und umgehung durch die Mitgliedstaaten ein Ziel darstellt, das von der Sechsten Richtlinie anerkannt und
gefördert wird, selbst wenn eine ausdrückliche Ermächtigung durch den Unionsgesetzgeber fehlt (vgl. in diesem
Sinne u. a. Urteil Halifax u. a., C 255/02, EU:C:2006:121, Rn. 70 und 71).
Es obliegt jedoch dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob der Ausschluss der Einheiten, die keine juristischen
Personen sind, von der Regelung über die Mehrwertsteuergruppe, wie er sich aus dem in den
Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Recht ergibt, eine für diese Ziele der Verhinderung
missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder
umgehung erforderliche und geeignete Maßnahme ist.
Zweitens ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie, dass jeder
Mitgliedstaat diejenigen Personen als einen Steuerpflichtigen behandeln kann, die in seinem Gebiet ansässig,
rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng
miteinander verbunden sind. Das bloße Bestehen enger Verbindungen zwischen diesen Personen kann daher in
Ermangelung weiterer Anforderungen nicht zu der Annahme führen, dass der Unionsgesetzgeber die Regelung
über die Mehrwertsteuergruppe allein den Einheiten hat vorbehalten wollen, die sich in einem
Unterordnungsverhältnis zum Organträger der betreffenden Unternehmensgruppe befinden.
Das Vorliegen eines solchen Unterordnungsverhältnisses lässt zwar vermuten, dass zwischen den betreffenden
Personen enge Verbindungen bestehen, doch kann es Ð wie der Generalanwalt in Nr. 99 seiner Schlussanträge
ausgeführt hat Ð nicht grundsätzlich als eine für die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe notwendige
Voraussetzung angesehen werden. Etwas anderes würde nur in den Ausnahmefällen gelten, in denen eine
solche Bedingung in einem bestimmten nationalen Kontext eine für die Erreichung der Ziele der Verhinderung
missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder
umgehung sowohl erforderliche als auch geeignete Maßnahme ist.
Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie
dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die in dieser Bestimmung
vorgesehene Möglichkeit, eine Mehrwertsteuergruppe zu bilden, allein den Einheiten vorbehält, die juristische
Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind, es
sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die Erreichung der Ziele der
Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung
oder umgehung erforderlich und geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.
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Zur dritten Frage
Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie
davon ausgegangen werden kann, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen
Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht
mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden
könnten.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich der Einzelne in allen Fällen, in denen die
Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten
gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen kann, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder
nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt hat (vgl. u. a. Urteil GMAC UK, C 589/12,
EU:C:2014:2131, Rn. 29).
Eine Unionsbestimmung ist unbedingt, wenn sie eine Verpflichtung begründet, die weder an eine Bedingung
geknüpft ist noch zu ihrer Erfüllung oder Wirksamkeit einer Maßnahme der Unionsorgane oder der
Mitgliedstaaten bedarf (vgl. u. a. Urteil GMAC UK, C 589/12, EU:C:2014:2131, Rn. 30).
Wie der Generalanwalt in Nr. 112 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, bedarf die in Art. 4 Abs. 4 der
Sechsten Richtlinie aufgestellte Voraussetzung, nach der die Bildung einer Mehrwertsteuergruppe davon
abhängt, dass zwischen den betreffenden Personen enge Verbindungen in finanzieller, wirtschaftlicher und
organisatorischer Hinsicht bestehen, einer Präzisierung auf nationaler Ebene. Dieser Artikel hat daher insoweit
einen bedingten Charakter, als er die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften voraussetzt, die den konkreten
Umfang solcher Verbindungen bestimmen.
Demnach erfüllt Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie nicht die Voraussetzungen, um unmittelbare Wirkung zu
entfalten.
Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie nicht davon
ausgegangen werden kann, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass Steuerpflichtige dessen
Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten, falls dessen Rechtsvorschriften nicht
mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu vereinbarender Weise ausgelegt werden
könnten.
Kosten
Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht
anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer
Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
Art. 17 Abs. 2 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames
Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die
Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 geänderten Fassung ist wie folgt auszulegen:
Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften
von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die an deren Verwaltung teilnimmt und insoweit
eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind als Teil der allgemeinen Aufwendungen der
Holdinggesellschaft anzusehen, und die für diese Kosten bezahlte Mehrwertsteuer ist grundsätzlich
vollständig abzuziehen, es sei denn, dass bestimmte nachgelagerte Umsätze gemäß der Sechsten
Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten Fassung mehrwertsteuerfrei sind.
Im letzteren Fall darf das Abzugsrecht nur nach den in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie vorgesehenen
Modalitäten vorgenommen werden.
Kosten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften
von einer Holdinggesellschaft getragen werden, die nur bei einigen von ihnen an der Verwaltung
teilnimmt, hinsichtlich der übrigen dagegen keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, sind nur zum Teil
als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holdinggesellschaft anzusehen, so dass die für diese
Kosten bezahlte Mehrwertsteuer nur im Verhältnis zu den der wirtschaftlichen Tätigkeit inhärenten
Kosten nach von den Mitgliedstaaten festgelegten Aufteilungskriterien abgezogen werden kann, die
bei der Ausübung dieser Befugnis Zweck und Systematik der Sechsten Richtlinie berücksichtigen
und insoweit eine Berechnungsweise vorsehen müssen, die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der
Eingangsaufwendungen der wirtschaftlichen und der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit tatsächlich
zuzurechnen ist, was zu prüfen Sache der nationalen Gerichte ist.
Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69
geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die
in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit, eine Gruppe von Personen zu bilden, die als ein
Mehrwertsteuerpflichtiger behandelt werden können, allein den Einheiten vorbehält, die juristische
Personen sind und mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis
verbunden sind, es sei denn, dass diese beiden Anforderungen Maßnahmen darstellen, die für die
Erreichung der Ziele der Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der
Vermeidung von Steuerhinterziehung oder umgehung erforderlich und geeignet sind, was das
vorlegende Gericht zu prüfen hat.
Bei Art. 4 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 2006/69 geänderten
Fassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass er unmittelbare Wirkung hat, so dass
Steuerpflichtige dessen Inanspruchnahme gegenüber ihrem Mitgliedstaat geltend machen könnten,
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falls dessen Rechtsvorschriften nicht mit dieser Bestimmung vereinbar wären und nicht in mit ihr zu
vereinbarender Weise ausgelegt werden könnten.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Deutsch.
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30.06.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
30.06.2015
Geschäftszahl
2012/15/0215
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin
Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein des
Schriftführers Mag. Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der G Gesellschaft m.b.H. in A, vertreten durch die
Steiner Sokolski Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Weihburggasse 18- 20/50, gegen den Bescheid des
unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 8. Oktober 2012, Zl. RV/0352-K/08, betreffend
Umsatzsteuer für die Jahr 2003 bis 2005, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende GmbH betreibt ein Bauunternehmen. Mit Vertrag vom 12. Februar 2003 (und
Zusatzvereinbarungen vom 14. März 2003 und 4. Juni 2003) verpflichtete sie sich (als Generalunternehmer)
gegenüber HV und LV zur Erbringung im Einzelnen festgelegter Bauleistungen. Als Gegenleistung wurde
vereinbart, dass die Beschwerdeführerin
"folgende Grundstücke mit Parzellennummern 1157/xxx und 1157/yyy gesamt Größe 1167 m2 - bei Bedarf
noch ca. 140 m2 in (...) weiters die Wohnbauförderdung in der derzeitigen Höhe von EUR 35.000,-" erhält.
Die angesprochene Zusatzvereinbarung vom 4. Juni 2003 hat folgenden Inhalt:
"abgeschlossen zwischen der (Beschwerdeführerin) und (HV und LV) wie folgt:
1.
Mit Vertrag vom 14.3.2003 hat sich die (Beschwerdeführerin) verpflichtet, Leistungen betreffend des
Objektes (L) unter obiger Adresse zu erbringen.
Die Bezahlung dieser Leistung erfolgt einerseits durch Überlassung der Grundstücke 1157/xxx, 1157/yyy
im Gesamtausmaß von
1.167 m2 (Eigentümer (LV)) und der Bezahlung eines Geldbetrages in Höhe von EUR 35.000,--.
2.
Es war vereinbart, dass die Leistungen der beiden Vertragspartner Zug um Zug erfolgen, d.h. einerseits die
Arbeitsleistung der (Beschwerdeführerin) und andererseits der gemeinsame Verkauf und Verwertung der
Grundstücke.
Nachdem die Arbeitsleistungen der (Beschwerdeführerin) bereits zügig fortgeschritten sind und der Verkauf
der Parzellen nicht den notwendigen Erfolg gezeigt hat, vereinbaren die Parteien, dass zusätzlich zum
vereinbarten Bargeldbetrag ein weiterer Betrag in Höhe von EUR 15.000,-- an die (Beschwerdeführerin) bezahlt
wird.
3.
Gleichzeitig wird vereinbart, dass dieser Betrag nach dem Verkauf der ersten beiden von den beabsichtigten
4 Bauparzellen auf obigen Grundstücken und Bezahlung des Kaufpreises an Frau (LV) zurückbezahlt wird."
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Verwaltungsgerichtshof
30.06.2015
Im Bericht vom 31. Oktober 2007 über das Ergebnis einer bei der Beschwerdeführerin stattgefundenen
Außenprüfung wird dazu ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe auf den angeführten Grundstücken vier
Reihenhäuser errichtet. Sie habe diese Häuser in den Jahren 2003 bis 2005 samt Grund und Boden zum Verkauf
angeboten. In der Folge habe die Beschwerdeführerin mit den Erwerbern Kauf- bzw. Bauträgerverträge
ausschließlich hinsichtlich der Gebäude abgeschlossen, wobei die Errichtung von Gebäuden zu jeweils einem
pauschalen Werklohn vereinbart worden sei. Weiters hätten die vier von der Beschwerdeführerin angeworbenen
Reihenhauskäufer mit LV gesonderte Kaufverträge hinsichtlich der jeweiligen Grundstücke geschlossen. Zur
Erfüllung der Verpflichtung der LV aus den mit der Beschwerdeführerin abgeschlossenen Verträgen vom
12. Februar 2003 bzw. 14. März 2003 seien die Kaufpreiszahlungen der Reihenhauserwerber für den
Grundstückserwerb der Beschwerdeführerin zugekommen.
Die Beschwerdeführerin habe in Teilrechnungen zunächst Umsatzsteuer ausgewiesen, diese jedoch in
weiterer Folge storniert und die Gebäudelieferungen (Errichtung der Reihenhäuser) als steuerfreie
Grundstückslieferungen iSd § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 behandelt.
Dazu vertrat der Prüfer die Ansicht, dass die Lieferung des Grund und Bodens der
Grundstückseigentümerin LV zuzurechnen sei, auch wenn sie sich im Innenverhältnis gegenüber der
Beschwerdeführerin zur Überlassung der streitgegenständlichen Grundstücke verpflichtet gehabt habe. Die
Beschwerdeführerin habe steuerpflichtige Umsätze getätigt, die damit in Zusammenhang stehenden
Eingangsumsätze berechtigten zum Vorsteuerabzug.
Nach
Wiederaufnahme
der
Verfahren
erließ
das
Finanzamt
entsprechend
geänderte
Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2005, wobei in allen Jahren zusätzliche Vorsteuerbeträge berücksichtigt und im
Jahr 2005 die Umsätze aus dem Verkauf der Reihenhäuser in Höhe von insgesamt 431.965,02 EUR als
steuerpflichtig behandelt wurden.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass umsatzsteuerlich
nicht die zivilrechtliche Übertragung des Eigentums, sondern die Einräumung der wirtschaftlichen
Verfügungsmacht über die Grundstücke entscheidend sei.
Die Beschwerdeführerin habe die Grundstücke gemäß der Vereinbarung mit LV vom 12. Februar 2003 zum
Kauf angeboten. Der Wille der Parteien zum Erwerb eines Reihenhauses samt Grundstück habe sich schon auf
Basis der Anbotstellung ergeben, weswegen die gesonderte vertragliche Abwicklung zwischen LV und den
Reihenhauserwerbern der Steuerbefreiung nicht abträglich sei. Im Beschwerdefall sei jedenfalls die
Verwertungsbefugnis und somit die wirtschaftliche Dispositionsfähigkeit iSd § 3 Abs. 7 UStG 1994 auf Basis
des Kaufvertrages vom 12. Februar 2003 auf die Beschwerdeführerin übergegangen. Hiefür spreche nicht zuletzt
der Umstand, dass die Beschwerdeführerin mit der Projektvermarktung "Reihenhaussiedlung H" begonnen habe
(Teilung der Liegenschaft, Einholen der Baubewilligung, Akquirierung der Käufer). Die Beschwerdeführerin
habe die Grundstücke auch im Jahresabschluss 2004 als Umlaufvermögen ausgewiesen. Für diese Ansicht
spreche auch, dass die Erwerberin eines Reihenhauses die Beschwerdeführerin auf Ausstellung einer Rechnung
mit Mehrwertsteuerausweis geklagt habe, weil sie davon ausgegangen sei, dass die Mehrwertsteuer aus dem
Rechnungsbetrag herauszurechnen sei. Da die Option zur Steuerpflicht nur dem Veräußerer eines Grundstückes
zustehe, habe das Klagebegehren nicht durchgesetzt werden können. Die Frage, ob überhaupt ein
Grundstücksumsatz vorliege, sei dabei überhaupt nicht thematisiert worden. Der Umstand, dass die
Beschwerdeführerin den Grundverkauf nicht im Rahmen der Schlussrechnung oder einer Teilrechnung
ausgewiesen habe, sei ein Formalfehler, der rückwirkend berichtigt werden könne. Im Vordergrund sei eine
angestrebte Kostenreduktion gestanden, die aber nicht in einer Steuerersparnis gelegen wäre.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung nach Durchführung einer
mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Zu dem gegen die Beschwerdeführerin angestrengten Zivilprozess
stellte die belangte Behörde fest, dieser habe mit einem Vergleich dergestalt geendet, dass sich die
Beschwerdeführerin verpflichtet habe, vom Kaufpreis für das Wohnhaus die Grunderwerbsteuer und die
Eintragungsgebühr bis zum 30. November 2007 an das zuständige Finanzamt zur Einzahlung zu bringen. Auf
Grund des Teilungsplanes, der von der Beschwerdeführerin in Auftrag gegeben worden sei, habe LV mit den
vier Erwerbern (bzw. Erwerberpaaren) Kaufverträge geschlossen, mit denen sie sich verpflichtet habe, die
jeweiligen Grundstücke zu verkaufen und an die Erwerber zu übergeben. Weiters habe sie ihre Einwilligung
erklärt, dass die Teilungen entsprechend dem Teilungsplan durchgeführt und die Eigentumsrechte einverleibt
werden. Die Kaufpreise seien auf ein vom vertragsverfassenden Rechtsanwalt einzurichtendes Treuhandkonto
zur Einzahlung zu bringen gewesen. LV habe ausdrücklich erklärt, dass sämtliche Nutzungen, Vorteile, Lasten
und Gefahren und Zufälle sowie überhaupt alle Rechten und Pflichten mit der Unterfertigung der Kaufverträge
auf die Käufer übergingen. Die Kaufverträge seien beim Finanzamt zur Gebührenbemessung angezeigt worden
und seien Grundlage für die entsprechenden Grundbuchshandlungen gewesen, wobei die Beschwerdeführerin in
den angesprochenen Vertragsurkunden mit keinem Wort erwähnt worden sei.
LV sei im Außenverhältnis als Lieferantin der Liegenschaften aufgetreten. Der Umstand, dass die
Beschwerdeführerin die Teilung des Grundstücks beauftragt und die Baubewilligung erhalten habe, sei
demgegenüber nicht ausschlaggebend. LV sei auf Grund der Vereinbarungen mit der Beschwerdeführerin vom
14. März und 4. Juni 2003 als Treuhänderin für die Beschwerdeführerin tätig geworden. Die Lieferungen der
Grundstücke seien von LV unmittelbar an die Letztabnehmer (Einräumung der Verfügungsmacht) erfolgt. Die
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Verwaltungsgerichtshof
30.06.2015
Beschwerdeführerin habe keinen Anspruch auf Ausfolgung der Grundstücke gehabt, sondern nur einen
Herausgabeanspruch betreffend die Kauferlöse. Demnach habe die Beschwerdeführerin keinen gemäß § 6 Abs. 1
Z 9 lit. a UStG 1994 steuerfreien Grundstücksumsatz verwirklicht.
Dagegen wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Auf dem Gebiet der Umsatzsteuer sind Leistungen demjenigen zuzurechnen, der sie im eigenen Namen
erbringt; Leistender ist, wer im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet ist (vgl. z.B. das
hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2003, 2002/14/0134, sowie zum Grundsatz der Maßgeblichkeit des
Außenverhältnisses im Umsatzsteuerrecht etwa Ruppe/Achatz, UStG4, § 1 Tz 258, mwN).
Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 die Lieferungen und sonstigen Leistungen,
die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die
Umsatzsteuerpflicht setzt einen Leistungsaustausch zwischen bestimmten Personen, also eine wechselseitige
Abhängigkeit zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Steuerobjekt der Umsatzsteuer ist die einzelne
Leistung (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 22. Dezember 2004, 2000/15/0122, und vom 20. Februar 2008,
2006/15/0161).
Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin
(bloß) Gebäude (auf fremdem Grund und Boden) errichtet habe. Die Lieferung des Grund und Bodens selbst sei
von der Grundstückseigentümerin unmittelbar an die Reihenhauserwerber erfolgt.
Die Beschwerdeführerin vertritt demgegenüber die Ansicht, dass sie selbst die streitgegenständlichen
Grundstücke auf Grund der Vereinbarungen mit LV vom 12. Februar 2003 und 4. Juni 2003 erworben habe,
auch wenn die Grundstücke in weiterer Folge "bücherlich an vier Reihenhauskäufer übertragen" worden seien.
Obwohl die Verträge grundbücherlich nicht durchgeführt worden seien, sei der Abschluss dieser Verträge mit
einer Lieferung iSd § 3 UStG 1994 an die Beschwerdeführerin zu vergleichen.
Gemäß § 3 Abs. 1 UStG 1994 sind Lieferungen Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer oder
in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über den Gegenstand zu verfügen.
Nach § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 sind die Umsätze von Grundstücken im Sinne des § 2 des
Grunderwerbsteuergesetzes 1987 steuerfrei.
Die Befähigung zur Verfügung wird nicht mit dem Verpflichtungsgeschäft eingeräumt, sondern erst, wenn
der Gegenstand zur Disposition des Abnehmers steht. Der Abschluss des Verpflichtungsgeschäftes
(z.B. Kaufvertrag) bewirkt noch keine Lieferung. Übergabsarten, die zivilrechtlich zum Erwerb des Eigentums
und Besitzes ausreichen, sind auch umsatzsteuerlich zur Verschaffung der Verfügungsmacht ausreichend. In
Betracht kommt neben der körperlichen Übergabe (insbesondere in Ansehung von Grundstücken) die Übergabe
durch Zeichen, wie von Urkunden oder Anbringung von Merkmalen (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 3 Tz 36
und 38). Die Übereignung von Grundstücken erfordert die Einigung über den Eigentumsübergang und die
Eintragung im Grundbuch. Mit der Grundbucheintragung wird idR auch die Verfügungsmacht über die
Immobilie verschafft. Gehen allerdings aufgrund einer Vereinbarung im Grundstückskaufvertrag Nutzen und
Lasten schon vor der Eigentumsübertragung auf den Erwerber über und erhält der Erwerber im Verhältnis der
Vertragsparteien eine eigentümerähnliche Stellung, die im Außenverhältnis abgesichert ist, wird die
Grundstückslieferung bereits zu dem vertraglich festgelegten Zeitpunkt ausgeführt, an dem Nutzen und Lasten
übergehen (so zum insoweit vergleichbaren deutschen UStG Flückiger in Plückebaum/Widmann, dUStG, § 3
Abs. 1 Tz 170f; in diesem Sinne auch Leonard in Bunjes/Geist, dUStG9, § 3 Tz 60).
Im Verwaltungsverfahren vertrat das Finanzamt die Ansicht, LV habe die in ihrem Eigentum stehenden
Grundstücke von der Beschwerdeführerin wieder rückübertragen erhalten und sie sodann an die
Reihenhauserwerber geliefert. Die Beschwerdeführerin trat dieser Beurteilung wie auch nunmehr in der
Beschwerde entgegen. Der festgestellte Sachverhalt habe keine Anhaltspunkte für eine Rückübertragung der
wirtschaftlichen Verfügungsmacht von der Beschwerdeführerin auf LV ergeben. Auch eine
Treuhandvereinbarung liege nicht vor.
Die von der Beschwerdeführerin vorlegten Unterlagen (ein nicht unterfertigter (einverleibungsfähiger)
Kaufvertrag zwischen LV und der Beschwerdeführerin sowie das Schreiben des Rechtsanwaltes vom
5. Juli 2004 zur getrennten Behandlung des Verkaufs der Grundstücke vom Ankauf der Wohnhäuser) boten
Anhaltspunkte dafür, dass ursprünglich eine Lieferung der streitgegenständlichen Grundstücke an die
Beschwerdeführerin in Aussicht genommen worden war. Nachweise für die tatsächliche Verwirklichung dieser
Absicht wurden im Verwaltungsverfahren von der Beschwerdeführerin nicht beigebracht. Die eingangs
wiedergegebene Vereinbarung, die Beschwerdeführerin erhalte als Gegenleistung für ausbedungene
Bauleistungen bestimmte Grundstücke, stellt noch keine Übertragung der Verfügungsmacht über diese
Grundstücke iSd § 3 UStG 1994 dar. Diese Abmachung geht über ein bloßes Verpflichtungsgeschäft nicht
hinaus. In diesem Sinne ist auch in der ergänzenden Vereinbarung vom 4. Juni 2003 in Pkt. 2 davon die Rede,
dass die Leistungen der beiden Vertragspartner Zug um Zug erfolgen sollen, nämlich "einerseits die
Arbeitsleistung (der Beschwerdeführerin) und andererseits der gemeinsame Verkauf und Verwertung der
Grundstücke". Soweit die Beschwerdeführerin zur Veranschaulichung ihrer Verfügungsmacht über die
Grundstücke vorgebracht hat, dass sie die Kunden akquiriert, um Baubewilligung angesucht und die Erstellung
eines Teilungsplanes in Auftrag gegeben habe, handelt es sich dabei um Tätigkeiten, die nicht dem
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30.06.2015
Grundstückseigentümer vorbehalten sind, sondern lediglich das Einverständnis des Grundstückseigentümers
voraussetzen, welche im Beschwerdefall unstrittig gegeben war. Dass ab einem bestimmten Zeitpunkt (etwa dem
Tag der Vertragsunterfertigung am 12. Februar 2003) Nutzen, Vorteil, Last, Gefahr und Zufall in Ansehung der
streitgegenständlichen Liegenschaften von LV auf die Beschwerdeführerin übergegangen wären, sodass es der
Beschwerdeführerin etwa freigestanden wäre, mit den Liegenschaften auch anders als im Vertrag vom
12. Februar 2003 vorgesehen zu verfahren, ist den von der Beschwerdeführerin vorgelegten, im angefochtenen
Bescheid wiedergegebenen Unterlagen nicht zu entnehmen. Zutreffend hat die belangte Behörde in diesem
Zusammenhang erkannt, dass weder die Einholung einer Baubewilligung noch die Beauftragung eines
Teilungsplanes der von der Bebauung betroffenen Liegenschaften im Beschwerdefall entscheidungsrelevant
sind. Soweit die Beschwerde nunmehr von einer "Aufsandungserklärung" spricht, nach deren Inhalt das
bücherliche Eigentum des Beschwerdeführerin ohne Weiteres hätte einverleibt werden können, entfernt sie sich,
ohne eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zur gesetzmäßigen Darstellung zu
bringen, unzulässiger Weise vom festgestellten und daher den Verwaltungsgerichtshof bindenden Sachverhalt.
Während im Grunderwerbsteuerrecht getrennte Lieferungen unter bestimmten Voraussetzungen
zusammengefasst werden, weil dort für die abgabenrechtliche Beurteilung eines Erwerbsvorganges der Zustand
eines Grundstückes maßgebend ist, in dem dieses erworben werden soll, stellt das Umsatzsteuergesetz - wie
schon ausgeführt auf den einzelnen Umsatz ab (vgl. zu ähnlichen Sachverhaltskonstellationen die hg. Erkenntnisse vom
25. Februar 2009, 2006/13/0128, und vom 23. September 2010, 2007/15/0220).
Im Verwaltungsverfahren ist nach dem Gesagten nicht hervorgekommen, dass die Beschwerdeführerin entgegen der nach außen dokumentierten Vertragslage - den jeweiligen Reihenhauserwerbern auch die
Verfügungsmacht über das Grundstück verschafft und solcherart steuerfreie Grundstückslieferungen iSd § 6
Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 bewirkt hat. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war deshalb
gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II
Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 30. Juni 2015
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27.05.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
27.05.2015
Geschäftszahl
2012/13/0029
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte
Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein
der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der Mgesellschaft mbH & Co KG in W, vertreten durch
Dr. Andreas Köb, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 2/5, gegen den Bescheid des unabhängigen
Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 24. Jänner 2012, Zl. RV/0263-W/09, betreffend Umsatzsteuer 1999 und
2000, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei
Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei vertrieb während des Streitzeitraumes u.a. Zeitungen und Zeitschriften und
bot Abonnements nach folgendem Muster an:
"Ja, ich abonniere (...) für ein Jahr und danach bis auf Widerruf (schriftlich, mit sechswöchiger
Kündigungsfrist zum Monatsletzten) zum derzeitig gültigen Abopreis von monatlich S (...). Zusätzlich möchte
ich (...) um nur S (...)"
Die zusätzlich und nur bei Abschluss eines Zeitungsabonnements zu den angegebenen niedrigen, für die
beschwerdeführende Partei nicht kostendeckenden Preisen bei ihr bestellbaren Gegenstände waren z.B. eine
Kaffeemaschine ("um nur S 350,--"), ein Werkzeugkoffer, "Teletubbies" u.dgl.
Im Bericht vom 7. März 2008 über eine bei der beschwerdeführenden Partei durchgeführte Außenprüfung
wurde dazu dargelegt, es handle sich jeweils um das Angebot eines Zeitungsabonnements mit einer bestimmten
Mindestbindungsdauer und eines Zusatzartikels zu einem "Pauschalpreis". Von den in Rechnung gestellten
Entgelten habe das geprüfte Unternehmen den jeweils aktuellen Listenpreis des Abonnements dem begünstigten
10%- igen USt-Satz unterzogen und (nur) den "Restbetrag des Entgelts" dem (in der Regel mit dem 20%igen Steuersatz zu versteuernden) "Vorspannartikel" zugeordnet. Es bestehe ein "krasses Mißverhältnis zwischen
dem objektiven Wert der Nebenware und dem zugeordneten Entgelt".
Die an den Kunden erfolgte "Mitteilung bezüglich der verbilligten Abgabe" dürfe "nicht überbewertet oder
gar als Preisvereinbarung missverstanden werden" und der "Preis der einzelnen Lieferkomponenten" könne "aus
dem veröffentlichten Angebot nicht abgelesen werden". Richtigerweise bildeten die Einstandspreise der von
Dritten zugekauften Gegenstände "wohl" die "Preisuntergrenze dieser Komponenten". Davon ausgehend sei eine
teilweise "Korrektur der Entgelte von 10% auf 20% USt" erforderlich.
In ihrer Berufung vom 13. August 2008 gegen die Umsatzsteuerbescheide des Finanzamtes, das sich der
Auffassung der Prüferin anschloss, machte die beschwerdeführende Partei u.a. geltend, das Finanzamt orientiere
sich offenbar an der Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom 6. Dezember 2004, RV/0165-L/03,
RV/0166-L/03, betreffend die Aufteilung pauschaler Menüpreise auf mit 10% zu versteuernde Speise- und mit
20% zu versteuernde Getränkekomponenten. Dabei werde übersehen, dass im vorliegenden Fall - anders als im
Fall eines pauschalen Menüpreises - jeweils bestimmte Einzelpreise vereinbart worden seien. Die Behauptung,
der Preis der einzelnen Komponenten könne aus dem veröffentlichten Angebot nicht abgelesen werden, stehe im
Widerspruch zum Sachverhalt. Für die Umsatzbesteuerung sei der vereinbarte Preis heranzuziehen, sofern keine
missbräuchliche Gestaltung vorliege, was im vorliegenden Fall aber auszuschließen sei, weil "die
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27.05.2015
Unterpreishingabe der Nebenware ausschließlich aus betriebswirtschaftlichen Gründen im Rahmen einer
Marketingaktivität erfolgt" sei.
Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens brachte die beschwerdeführende Partei dazu noch vor, es
gebe keine Grundlage dafür, im Falle eines Preisnachlasses bei unterschiedlichen Steuersätzen eine nach
Meinung der Finanzverwaltung "sachgerechte Aufteilung bzw. Verschiebung bei der Versteuerung des Entgelts"
vorzunehmen. Die Prüferin gehe selbst von der "Eindeutigkeit und Ausdrücklichkeit des auf die Nebenware
entfallenden Entgeltteiles" aus, wenn sie einräume, für den Kunden sei klar, dass die günstige Abgabe der
Nebenware zum Erwerb eines Abonnements animieren solle. Die Leistung "Lieferung eines
Zeitungsabonnements" und das dafür angesetzte Entgelt seien mit und ohne Annahme des Zusatzangebotes
gleich, von einer "künstlichen Aufspaltung" könne keine Rede sei. Dass der Preis für das Zusatzangebot unter
dem Einstandspreis der beschwerdeführenden Partei liege, ändere nach dem Urteil des EuGH vom
20. Jänner 2005, C-412/03, Scandic, nichts an seiner Maßgeblichkeit für die Umsatzsteuer. In der
Berufungsverhandlung am 30. November 2011 legte der Vertreter der beschwerdeführenden Partei u.a. noch
ergänzend dar, von einem bloßen "Scheinpreis" könne nicht gesprochen werden, wenn etwa Gegenstände mit
einem Einkaufspreis von EUR 40,-- um einen Preis von rund EUR 25,-- angeboten worden seien, und wer
einmal Abonnent geworden sei, bleibe es durchschnittlich zehn Jahre lang.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab, was sie in
ihren Erwägungen im Wesentlichen wie folgt begründete (Schreibweisen von Eigennamen berichtigt):
"Im gegenständlichen Fall hat der 'Leistungsempfänger', der Abonnent, Entgelt für ein Gesamtpaket
nämlich Abonnement und eine günstige Zugabe geleistet.
Die Außenprüfung sah in dem Gesamtpaket 'Abo und Zugabe' ein Gesamtpaket mit verschiedenen
Steuersätzen, für welches ein Gesamtentgelt geleistet wurde.
Nach Ansicht der Bw. ist im gegenständlichen Fall jedoch zu prüfen, ob (...) eine Einzelpreisvereinbarung
oder eine Gesamtgeldvereinbarung vorliege (...)
Der Senat geht im vorliegenden Fall von einem Gesamtpaket aus, für welches ein Gesamtentgelt geleistet
worden ist. Der Abonnent kann den Nebenartikel zur angebotenen Sonderkondition nur dann erwerben, wenn er
sich gleichzeitig mit dem Erwerb des Zeitungsabonnements gegenüber dem Anbieter verpflichtet, einen Vertrag
über eine gewisse Mindestnutzungsdauer abzuschließen. Ohne das Abo kann der Leistungsempfänger die
Zugabe nicht zu dem günstigen Preis erwerben.
Der Senat folgt der Ansicht der Außenprüfung, dass die Werbeankündigung als Angebot in Form eines
Leistungsbündels, das aus zwei selbständigen Leistungen (Zeitungsabonnement und Nebenware) besteht. Wie
dem Angebot zu entnehmen ist, wird dem Kunden für die Lieferung des Zeitungsabonnements der jeweilige
gültige Listenpreis in Rechnung gestellt, während die Nebenware regelmäßig zu einem gegenüber dem
handelsüblichen Verkaufspreis niedrigeren Preis verkauft wird, wobei sich der Kunde gegenüber dem Anbieter
verpflichtet, ein Zeitungsabonnement für eine bestimmte Laufzeit zu bestellen. Umsatzsteuerlich ist daher eine
einheitliche entgeltliche Leistung anzunehmen.
Nach Ansicht des Senates wird dem Abonnenten somit ein nicht unerheblicher Preisnachlass auf das
gesamte Leistungspaket gewährt, der sowohl beim Preis für das Abonnement als auch beim Preis der Nebenware
zu berücksichtigen ist.
Dass für den Preis der Zugabe, der der Aufteilung zu Grunde gelegt wird, von der Außenprüfung zumindest
der Einstandspreis herangezogen worden ist, ist nach Ansicht des Senates damit begründet, da damit aus der
Sicht zwei unterschiedlicher Steuersätze einer allfälligen missbräuchlichen Aufteilung entgegengewirkt wird.
Auch Sarnthein führt in der ÖStZ 2010/217, 104, aus, dass ein Pauschalpreis (...) aufzuteilen ist. Zu der
Aufteilung eines Pauschalpreises spricht der EuGH (...) zwei sachgerechte Möglichkeiten an (...)
Den Ausführungen des Bw., dass im gegenständlichen Fall ein ausdrückliches, eindeutiges,
unzweifelhaftes, nach außen hin zum Ausdruck kommendes Angebot der einzelnen Leistungskomponenten und
der darauf entfallenden Entgeltsteile vorliege, hält der Senat entgegen, dass zwar der Preis für das Abo als auch
der Preis für die Zugabe vereinbart wurde, da jedoch dieses Paket nur in dieser Kombination nämlich Abo und
günstige Zugabe erworben werden konnte, das Entgelt Gesamtentgelt für dieses Gesamtpaket ist.
Dieser Pauschalpreis, welchen der Abonnent für dieses Gesamtpaket leistet, entspricht nach Ansicht des
Senates dem Parteiwillen. Für einen Abonnenten, den kein Vorsteuerabzug zusteht, wovon idR auszugehen ist,
ist nur der zivilrechtliche Preis von Relevanz; wie die Umsatzsteuersätze auf den einzelnen
Leistungskomponenten aufgeteilt werden, ist für ihn völlig nebensächlich.
Unterberger/Notter führen in den SWK (SWK 2011, S 96; strittig) aus, dass das UStG und die MwStSyst-RL
zwar keine speziellen Regelungen für die Entgeltsaufteilung enthalten und daher die allgemeinen Bestimmungen
anzuwenden seien, dabei aber der Einfachheit wegen der Methode sowie insb der Verhinderung willkürlicher
Aufteilung besondere Beachtung zukomme. Um willkürliche Aufteilung zu verhindern, komme
Parteienvereinbarungen - soweit diese überhaupt möglich sind - keine Bedeutung zu.
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Verwaltungsgerichtshof
27.05.2015
Auch vor diesem Hintergrund ist der Ansicht des Finanzamtes zu folgen und als Untergrenze für den Preis
der Zugabe jedenfalls der Einstandspreis anzusetzen.
Auch führt Pernegger zu den Pauschalpreisen in Melhardt/Tumpel UStG, § 4 Rz 382 u.a. aus, dass in der
Folgeentscheidung (UFS 6.12.2010, RV/0036-L/10) zu VwGH 16.12.2009, 2008/15/0075, der UFS u.a.
feststellte, dass
- die Aufteilung eines Gesamtentgeltes auf unterschiedlich zu besteuernde Menükomponenten nach den
vom EuGH und VwGH entwickelten Regeln und nicht nach erfolgten Preismitteilungen zu erfolgen hat
(Einschränkung der Preisautonomie) (...)
- ein im Rahmen eines Pauschalangebotes werbend mitgeteilter Preis einer Komponente, der das
Gesamtpaket attraktiver erscheinen lassen soll, durch diese Mitteilung nicht zum Marktwert dieser
Komponente wird, da der Preis einer Komponente, um ein Gesamtpaket zielführend bewerben zu
können, nämlich unter dem Marktwert dieser Komponente liegen muss.
Folgte man den Ausführungen in diesem Absatz sind daher im vorliegenden Fall die für Werbezwecke
besonders günstigen Preise für die Zugaben nicht als Marktwert anzusehen und für die Aufteilung der
Entgelte innerhalb des Gesamtpaketes heranzuziehen.
Im gegenständlichen Fall sieht der Senat ein Gesamtpaket 'Abo und Zugabe', welches mit der günstigen
Zugabe beworben wurde und folgt daher der Berechnung der Betriebsprüfung betreffend Einstandspreis für
die Zugabe.
Die Bw. führt weiters aus (...)
Dem hält der Senat entgegen, dass die Verschiebung der Entgelte, die umsatzsteuerlich unterschiedlich zu
beurteilen sind, nicht derart missbraucht werden könne, dass es allein aus wirtschaftlichen Überlegungen zu willkürlichen Aufteilungen unterschiedlich zu besteuernder Leistungen im Rahmen von
Pauschalangeboten führt. (Vgl. Sarnthein ÖStZ 2010/219, 104f).
Auch Tumpel/Moshammer (SWK 2010, S 832) halten zwar für die Aufteilung die zwischen den Parteien
vereinbarten und kommunizierten Preise für maßgebend. Keine wirksame Parteienvereinbarung liege
jedoch vor, wenn die Preismitteilung nicht ernst zu nehmen sei, weil entweder kein Entgelt oder bloß ein
symbolischer Preis verlangt werde oder die Aufteilung in missbräuchlicher Weise erfolge. In solchen
Fällen komme für die Schätzung von Teilentgelten in bestimmten Fällen die Heranziehung des
Marktwertes als sachgerechte Methode in Frage. Führe dies nicht zu einem sachgerechten Ergebnis, könne
unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufschlüsselung anhand tatsächlicher Kosten vorgenommen
werden.
Im Berufungsfall wurde die Zugabe im Rahmen eines Gesamtpaketes aus Werbegründen sehr billig
angeboten um möglichst viele Abos zu verkaufen und somit viele Abonnenten zu binden damit aber auf
jeden Fall das gesamte Paket günstiger angeboten.
Dass in der günstigen Preisvereinbarung des Gesamtpaketes, die unzweifelhaft aus betrieblichen Motiven
erfolgt ist, insgesamt von einem entgeltlichen Vorgang auszugehen ist, wird vom Senat nicht bestritten.
Allerdings kann der Senat der Ansicht der Bw. nicht folgen, dass in der vorgenommenen Aufteilung der
Entgelte die wirtschaftliche Begründung für den niedrigen Preis der Zugabe darin begründet ist, dass der
Kunde die Zeitung abonniert. Da der Abonnent das Gesamtentgelt für das insgesamt günstigere
Gesamtpaket zahlt, wird das Abo dadurch ebenso billiger.
Dazu kommt, dass dieses Angebot noch preisgünstiger kalkuliert werden konnte, da die dem
Normalsteuersatz unterliegende Zugabe, mit einem unter dem Einstandspreis liegenden Entgelt angeboten
worden ist.
Da die Ermittlung des einzelnen Zuzahlungsbetrages im Zuge der Außenprüfung weder durch eine
Kalkulation noch durch sonstige Preisermittlungsunterlagen dargelegt werden konnte, schloss sich der
Senat der Berechnung der Kosten (Einstandspreis) für die Zugaben an. Für den beurteilenden Sachverhalt
bedeute dies, dass die Einstandspreise der von Dritten zugekauften Gegenstände wohl die Preisuntergrenze
dieser Komponenten bildeten.
Wenn auch den Ausführungen des Bw. zutreffen, dass die Zugaben deshalb zu so einem niedrigen Preis
angeboten worden sind, da es sich um eine Werbekampagne für die Abos handelte, so ist daraus jedoch
abzuleiten, dass im Rahmen des Gesamtpaketes auch das Abo günstiger geworden ist.
Daraus ergibt sich, da mehrere Leistungen ustrechtlich zu behandeln sind, zwingend ein besonderes
Augenmerk auf die einzelnen Leistungen zu richten und sie aufzuschlüsseln.
Feststeht auch, dass der Leistungsempfänger ein speziell für dieses Paket gefordertes Gesamtentgelt für
mehrere Leistungen, zu entrichten hatte. Daraus ergibt sich zweifelsfrei die Notwendigkeit der Aufteilung
des Gesamtentgeltes, wobei weder das UStG 1994 noch die MwStSyst-RL Regelungen für eine Aufteilung
vorsehen, sodass daher allgemeine Bestimmungen zur Anwendung gelangen müssen.
Entscheidungsrelevant im Berufungsfall ist die Tatsache des Erwerbes eines Gesamtpaketes zu einem
günstigen Gesamtpreis. Die solcherart für das Leistungsbündel erfolgte Aufteilung des gewählten
Preisnachlasses ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise vorzunehmen. Dabei ist der vom Finanzamt
gewählten Aufteilungsmethode, der die Berechnung der Betriebsprüfung zugrunde gelegt worden ist, nach
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Verwaltungsgerichtshof
27.05.2015
der für die unter den Einstandspreisen angebotenen Zugaben jedenfalls der Einstandspreis anzusetzen ist,
schon deshalb zu folgen, da nach betriebswirtschaftlichen Überlegungen und nach der Verkehrsauffassung
die Kosten der einzelnen Komponenten im Rahmen der Aufteilungsmethode zu berücksichtigen sind. Dies
bedeutet, dass der Einstandspreis zutreffend die Untergrenze der begünstigten Zugabe darstellen muss und
sich dem zufolge der Marktwert des Abos als Teil des Gesamtpaketes entsprechend verringert.
Dem Argument der Bw, dass es sich um eine Einzelpreisvereinbarung handle, steht entgegen, dass das
konkret zu beurteilende Gesamtpaket nur in dieser Form zum Gesamtpreis gekauft werden konnte. Gerade
deshalb vertritt der Senat die Auffassung, dass keine Einzelpreisvereinbarung vorliegt, zumal auch
feststeht, dass der maßgebliche Entgeltlichkeitszusammenhang zwingend zwischen dem Erwerb sämtlicher
beworbenen Leistungen des Paktes und der Bezahlung des dafür geforderten Gesamtentgeltes gelegen war.
Teilt man die Rechtsansicht der Bw. würde dies bedeuten, dass es der Leistende in der Hand hätte, durch
beliebige Aufteilung des zivilrechtlichen Preises auf die beiden Preiskomponenten die zu entrichtende
Steuer willkürlich zu bestimmen.
Der vorstehenden Rechtsausführungen folgend, schloss sich der Senat der Berechnung der Außenprüfung
an."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der
Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 4 Abs. 1 UStG 1994 wird der Umsatz in Fällen wie dem vorliegenden nach dem Entgelt
bemessen. Entgelt ist alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung aufzuwenden hat,
um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten.
Maßgeblich ist der Wert der Gegenleistung und nicht der Wert der erbrachten Leistung. Die Gegenleistung
kann auch unter den Selbstkosten liegen (vgl. Mayr/Ungericht, UStG4, 2014, § 4 Anm 1, mit
Judikaturnachweisen).
Im vorliegenden Fall schlossen die Kunden der beschwerdeführenden Partei zeitlich unbefristete
Zeitungsabonnements mit einer einjährigen Mindestdauer ab, für die monatlich ein Abonnementpreis zu
entrichten war. Wer wollte, konnte gleichzeitig eine der von der beschwerdeführenden Partei dazu - nur in
Verbindung mit dem Abschluss eines Abonnements - angebotenen, völlig andersartigen Waren um einen
stark verbilligten Preis erwerben. Dieses Angebot hatte unstrittig den Zweck, Personen mit einem Interesse
an Waren der angebotenen Art zum Abschluss eines Abonnements zu bewegen. Umsatzsteuerrechtlich galt
für die Zeitungsabonnements der begünstigte Steuersatz von 10%, für die verbilligt angebotenen Waren soweit verfahrensgegenständlich - der Steuersatz von 20%. Unstrittig ist auch - trotz der an einer Stelle
widersprüchlichen Ausführungen der belangten Behörde ("aus zwei selbständigen Leistungen (...)
Umsatzsteuerlich ist daher eine einheitliche (...) Leistung anzunehmen") - das Vorliegen jeweils zweier
Leistungen gegen Entgelt, das in der Gegenschrift ausdrücklich zugestanden wird.
Der Beschwerdefall betrifft sohin eine Aktion der beschwerdeführenden Partei, bei der zu Werbezwecken
neu gewonnenen Kunden die Möglichkeit eingeräumt wurde, Gegenstände, welche in keinem Bezug zum
Geschäftsgegenstand der beschwerdeführenden Partei stehen, zu auffällig niedrigen Preisen zu erwerben.
Die Beschwerde zeigt zutreffend auf, dass es bei einer solchen Konstellation schon nicht dem wahren
wirtschaftlichen Gehalt des Vorgangs entspricht, im Falle der Annahme des weiteren Anbotes durch den
neu gewonnenen Kunden einen Teil des von der beschwerdeführenden Partei auch im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr verlangten Abonnementpreises als zusätzliches Entgelt dem Verkauf des Werbeartikels
zuzuordnen.
Da die belangte Behörde dies nicht erkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2
Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der
VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 27. Mai 2015
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27.11.2014
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
27.11.2014
Geschäftszahl
2011/15/0079
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin
Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der
Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck in 4810
Gmunden, Tagwerkerstraße 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom
10. März 2011, Zl. RV/1355- L/09, miterledigt RV/1356-L/09, betreffend u.a. Umsatzsteuer 2006 (mitbeteiligte
Partei: T GmbH in V, vertreten durch Mag. Karoline Schachinger, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in
4655 Vorchdorf, Kapellenweg 4), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bei der Mitbeteiligten, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wurde eine abgabenbehördliche
Prüfung durchgeführt, bei der die Prüferin folgende Feststellungen traf:
"Tz. 1 begünstigter Steuersatz § 10 (2) Z. 11 UStG
Bei der Betriebsprüfung wurde eine ehemalige Tennishalle mit 3000m2 Größe vorgefunden, in welcher
Fahrgelegenheiten und andere Belustigungsmöglichkeiten wie Billardtische, Klettergerüste und dergleichen dem
Publikum angeboten werden.
Im Prüfungsjahr 2006 war Eintritt zu bezahlen (für Aktivunterhaltungsgeräte sind ab 2007 obendrein Jetons
erforderlich, die bei der Kasse zu kaufen sind). Der gesamte Betrieb wurde alleine von der (Mitbeteiligten)
betrieben.
Diese begehrt den begünstigten Steuersatz gem. § 10 (2) Z. 11 Umsatzsteuergesetz. Der
Verwaltungsgerichtshof sieht den Tatbestand der Schaustellerei dann als erfüllt an, wenn Belustigungen der oben
angeführten Art entweder auf gelegentlich stattfindenden Jahrmärkten oder ortsgebundenen Rummelplätzen
stattfinden.
Rummelplatz ist im Sprachgebrauch eine Stätte, an der eine Mehrzahl von Anbietern im traditionellen
Jahrmarktsmilieu und- oder in Jahrmarktsatmosphäre die oben angeführten Leistungen anbietet.
Aufgrund des Umstandes, dass ein einzelnes Unternehmen in einer abgeschlossenen Halle solche
Leistungen anbietet, und sohin für einen Rummelplatz die Mehrzahl der Anbieter, Freiluft und auch das oben
angeführte Jahrmarktsmilieu fehlt, kann diese gesetzliche Bestimmung nach Ansicht des Finanzamtes auf den
Prüfungsfall nicht angewendet werden".
Das Finanzamt folgte der Prüferin und erließ u.a. einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid für das Jahr
2006.
Die Mitbeteiligte berief gegen den im Gefolge der abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen
Umsatzsteuerbescheid 2006 und brachte vor, dass sie einen der größten österreichischen "Indoor-Freizeitparks"
für Kinder betreibe. Auf 3.000 m2 Fläche würden Attraktionen wie Kinderrutschen, Gokart-Strecken, Karussell,
Hüpfburg, Trampolin, Autodrom, Schiffsschaukel u.a.m. angeboten. Ein angeschlossenes Büffet ermögliche die
Versorgung der Besucher.
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Verwaltungsgerichtshof
27.11.2014
Nach Art. 12 Abs. 3 lit. a Unterabsatz 3 der 6. MWSt-RL bzw. Art. 98 Abs. 1 und Abs. 2 der RL
2006/112/EG stehe es den Mitgliedstaaten frei, die im Anhang H bzw. III der besagten Richtlinien angeführte
Lieferungen und Dienstleistungen mit einem ermäßigten Steuersatz zu belegen. Österreich habe von dieser
Möglichkeit Gebrauch gemacht und u.a. die Tätigkeit eines Schaustellers begünstigt (§ 10 Abs. 2 Z 11
UStG 1994). Aus einer von der EU Kommission veröffentlichten Gegenüberstellung der Besteuerung von
Gegenständen und Dienstleistungen der Kategorien von Anhang H bzw. Anhang III gehe zudem hervor, dass in
Österreich für Eintritte in Vergnügungsparks der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung komme.
Schausteller würden ihre Leistungen üblicherweise auf gelegentlich stattfindenden Jahrmärkten,
Volksfesten, Messen und nicht in einer ortsgebundenen festen Anlage erbringen. Als Ausnahme davon führten
die (österreichischen) Umsatzsteuerrichtlinien 2000 (Rz 1293 ff) den Wiener Prater sowie Themen- und
Freizeitparks (Westerncity, Erlebniswelten etc.) an. Als begünstigungsfähig würden in den
Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Belustigungsgeschäfte und Fahrgeschäfte aller Art (Ringelspiel, Schaukeln,
Grotten- und Geisterbahnen, Schießbunden Geschicklichkeitsspiele, Ausspielungen etc.) genannt.
Die Prüferin habe der Mitbeteiligten den begünstigten Steuersatz mit der Begründung versagt, dass bei
deren Betrieb eine Mehrzahl von Anbietern, die Freiluft und das Jahrmarktsmilieu fehlten.
Die Erbringung von Schaustellerleistungen in Gemeinschaft mit anderen Anbietern werde in den
Umsatzsteuerrichtlinien 2000 (Rz 1293) dahingehend präzisiert, dass erst die Vielfalt der gebotenen
Schaustellungen, Belustigungen und Fahrgeschäften aller Art die Anbieter dieser Leistungen zu Schaustellern
mache. Wichtig sei, nicht nur ein einzelnes oder eine Vielzahl gleicher Angebote zu finden, zumal dem Besucher
in der Regel nicht bekannt sei, wer bzw. wie viele einzelne Schausteller die diversen Belustigungen anbieten
würden. Die Vielfalt in Anzahl und Unterschiedlichkeit der Angebote sei typisch für Freizeitparks oder
Rummelplätze. Die Steuermäßigung nach § 10 Abs. 2 Z 11 UStG 1994 setze nicht voraus, dass der Schausteller
in eigener Person von Ort zu Ort ziehend auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen
Veranstaltungen Schaustellungen erbringe. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 18. Juli 2002,
V R 89/01, reiche es vielmehr aus, dass er diese Leistungen im eigenen Namen mit Hilfe seiner Arbeitnehmer
oder sonstigen Erfüllungsgehilfen an die Besucher der Veranstaltung ausführe, wobei in Österreich, anders als in
Deutschland, nicht zwischen sesshaften und nicht sesshaften Schaustellern unterschieden werde.
Das Kriterium der Freiluft könne nur indirekt aus der Aufzählung bestimmter Veranstaltungen abgeleitet
werden, die üblicherweise im Freien stattfänden, wie eben Jahrmärkte, Volksfeste u.ä. Da sich die
Freizeitgewohnheiten der Menschen verändert hätten, seien Erlebniswelten, "Adventure-Parks", "IndoorFreizeitparks", "Phantasia-Länder" etc. entstanden, die witterungsunabhängig jene Vergnügungsmöglichkeiten
böten, die früher nur bei Schönwetter hätten genutzt werden können. Bei der Begünstigung für Schwimmbäder
(§ 10 Abs. 2 Z 6 UStG) werde nicht zwischen Freibädern, Badeteichen und Hallenbädern unterschieden, weshalb
es auch für Schaustellerleistungen nicht bedeutsam sein könne, ob diese im Freien oder in einer Halle erbracht
würden. Der Aufbau und die Benützung der Fahrgeschäfte, Spielgeräte oder sonstiger Belustigungen erfolgten in
einer Halle nicht anders als auf dem Freigelände.
Das Kriterium des Jahrmarktsmilieus werde weder im Gesetz noch in den Richtlinien erläutert. In den
Umsatzsteuerrichtlinien 2000 seien Jahrmärkte bzw. Rummelplätze als mögliche Veranstaltungsorte für
Schaustellerleistungen genannt. Im allgemeinen Sprachgebrauch verstehe man darunter das Angebot von
Fahrgeschäften, Spielmöglichkeiten (Hüpfburg, Trampolin, Rutschen, Autodrom, Schiffsschaukel etc.), sonstige
Unterhaltungsmöglichkeiten sowie die Möglichkeit, auch zu essen und zu trinken. Das Typische des Milieus
könne zusätzlich auch noch in der ausgelassenen Stimmung, dem im Vordergrund stehenden
Vergnügungsinteresse, den vielfältigen Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten u.a.m. bestehen. All dies
könne man auch bei Freizeitangeboten erleben, die speziell auf die Interessen von Kindern und Jugendlichen
abgestimmt seien und in geschlossenen Räumen angeboten würden.
Die Vielfalt der angebotenen Schaustellungen mache die Mitbeteiligte zum Schausteller. Anders als in
Deutschland seien in Österreich auch Schaustellungen in ortsgebundenen festen Anlagen begünstigt. Einzig die
Überdachung bzw. die Durchführung in einer geschlossenen - aber weitläufigen - Halle unterscheide die
Leistungen der Mitbeteiligten von einem unter freiem Himmel befindlichen Rummelplatz. § 10 Abs. 2 Z 11
UStG und dessen Anwendung auf die von der Mitbeteiligten erzielten Einnahmen aus Eintrittsgeldern stünden
im Einklang mit Art. 12 Abs. 3 lit. a Unterabsatz 3 der 6. MWSt-RL bzw. Art. 98 Abs. 1 und Abs. 2 der
RL 2006/112/EG.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung statt. Zur Begründung führte sie
zusammenfassend aus, dass es für die Subsumtion unter den Begriff "Tätigkeit als Schausteller" grundsätzlich
nicht schädlich sei, wenn nur ein Unternehmer Unterhaltungs- und Belustigungsleistungen anbiete, soweit diese
einen Umfang und eine Vielfalt erreichten, die einem Jahrmarkt oder Rummelplatz entspreche. Eine
Unterscheidung zwischen schaustellerischer Tätigkeit im Freien oder in geschlossenen Räumen sei aus
gleichheitsrechtlichen Gründen abzulehnen. Der in Streit stehende Freizeitpark entspreche in Umfang, Angebot
und Atmosphäre einem Jahrmarkt, weshalb die daraus resultierende Tätigkeit als eine Tätigkeit als Schausteller
im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 11 UStG zu beurteilen sei und - mit Ausnahme der nicht begünstigten
(Neben-)Leistungen - der ermäßigte Umsatzsteuersatz zur Anwendung gelange.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Finanzamt erhobene Beschwerde.
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Verwaltungsgerichtshof
27.11.2014
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Art. 12 Abs. 3 Buchstabe a Unterabsatz 3 der im Streitjahr 2006 geltenden Richtlinie 77/388/EWG
und nach Art. 98 Abs. 1 der danach geltenden Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über
das gemeinsame Mehrwertsteuersystem - MwStSystRL - (Amtsblatt der Europäischen Union - ABlEU Nr. L 347/1) können die Mitgliedstaaten (neben dem Normalsatz der Mehrwertsteuer) einen oder zwei ermäßigte
Sätze anwenden. Diese ermäßigten Sätze werden als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der
nicht niedriger als 5 % sein darf und sind nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in
Anhang H (Art. 12 Abs. 3 Buchstabe a Unterabsatz 3 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG) bzw. der in Anhang III
(Art. 98 Abs. 2, Art. 99 Abs. 1 MwStSystRL) genannten Kategorien anwendbar.
Anhang H der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Anhang III der MwStSystRL enthält ein Verzeichnis der
Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze angewandt werden können. Die
jeweilige Kategorie 7 des Anhangs H der Richtlinie 77/388/EWG bzw. des Anhangs III MwStSystRL lässt dies
für die "Eintrittsberechtigung für Veranstaltungen, für Theater, Zirkus, Jahrmärkte, Vergnügungsparks,
Konzerte, Museen, Tierparks, Kinos und Ausstellungen sowie ähnliche kulturelle Ereignisse und Einrichtungen"
zu.
Nach § 10 Abs. 1 UStG 1994 beträgt die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz 20% der
Bemessungsgrundlage (§§ 4 und 5).
§ 10 Abs. 2 Z 11 UStG 1994 bestimmt, dass sich die Steuer für Zirkusvorführungen sowie die Leistungen aus
der Tätigkeit als Schausteller auf 10% ermäßigt.
Die Beschwerde rügt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von
Verfahrensvorschriften, die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, das Unternehmen der Mitbeteiligten
unterscheide sich von einem Jahrmarkt bzw. vom Wiener Prater nur darin, dass gegenüber den Besuchern nicht
mehrere Anbieter von Unterhaltungs- und Belustigungsgeschäften, sondern nur ein einziger Unternehmer
auftrete, entspreche weder dem Akteninhalt noch der allgemeinen Lebenserfahrung. Tatsächlich weiche das
Erscheinungsbild des von der Mitbeteiligten betriebenen Unternehmens in Angebot, Größe und
Erscheinungsbild erheblich von Rummelplätzen und Jahrmärkten ab und entspreche viel eher einem größeren
Spielplatz oder Spielzimmer. Darüber hinaus seien die Öffnungszeiten nicht mit jenen von Jahrmärkten
vergleichbar. Zudem biete die Mitbeteiligte für einen Rummelplatz untypische Angebote (wie ein "GeburtstagsHighlight" mit inkludierter Restaurantleistung) feil.
Mit dieser Rüge wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt, weil sich die
Beschwerde damit sowohl von den im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung getroffenen Feststellungen,
wonach die Prüferin eine ehemalige Tennishalle mit 3.000 m2 Größe vorgefunden hat, in der Fahrgelegenheiten
und andere Belustigungsmöglichkeiten wie Billardtische, Klettergerüste und dergleichen dem Publikum
angeboten werden, als auch vom - unwidersprochen gebliebenen - Berufungsvorbringen, wonach die
Mitbeteiligte auf 3.000 m2 einen der größten österreichischen "Indoor-Freizeitparks" für Kinder betreibt, in dem
Attraktionen wie Kinderrutschen, Gokart-Strecken, Karussell, Hüpfburg, Trampolin, Autodrom, Schiffsschaukel
u.a.m. angeboten werden, entfernt. Diesbezüglich ist zudem auf eine in den Verwaltungsakten einliegende
Anfrage des Finanzamtes an den bundesweiten Umsatzsteuerfachbereich vom 13. Juli 2009 zu verweisen, in der
u. a. ausgeführt wird, dass die Mitbeteiligte "Fahrgelegenheiten anbietet, wie sie auch im Jahrmarktsmilieu
angeboten werden" und "das Finanzamt aufgrund der Ortsgebundenheit und der fehlenden Vielfalt der Anbieter
die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes ablehnt". Die belangte Behörde hat sich demnach mit ihren
Tatsachenfeststellungen nicht über die Beweisergebnisse des Finanzamtes hinweggesetzt.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes wird in der Beschwerde im Wesentlichen
ausgeführt, dass der gegenständliche Sachverhalt, nämlich dass ein einzelner Unternehmer in einer
abgeschlossenen Halle, fernab von Jahrmärkten, Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen Fahrgelegenheiten
und andere Belustigungsmöglichkeiten anbiete, weder vom Schaustellerbegriff des § 10 Abs. 2 Z 11 UStG 1994
noch von der zu Schaustellern ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfasst werde.
Auch mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.
Es trifft zu, dass der Verwaltungsgerichtshof in noch zum UStG 1972 ergangenen Erkenntnissen wiederholt
ausgesprochen hat, dass es für die Beurteilung, ob jemand Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller erbringt,
entscheidend darauf ankommt, ob die Leistungen entweder auf gelegentlich stattfindenden Jahrmärkten,
Volksfesten, Messen oder aber im Rahmen von ortsgebundenen festen Rummelplätzen in Gemeinschaft mit
anderen Schaustellern erbracht werden, weil erst die Vielfalt der bei solchen Anlässen gebotenen
Schaustellungen, Belustigungen und Fahrgeschäften aller Art denjenigen, der bei einer solchen Veranstaltung
Schaustellungsleistungen erbringt, zum Schausteller im Sinne § 10 Abs. 2 Z 18 UStG 1972 macht (vgl. z.B. die
hg. Erkenntnisse vom 23. September 1985, 84/15/0073, VwSlg 6026/F, vom 3. November 1986, 85/15/0117,
VwSlg 6164/F, und vom 27. Juli 1994, 93/13/0263, VwSlg 6907/F).
Im Streitfall liegt die geforderte Vielfalt an Belustigungen und Fahrgeschäften aller Art vor. Die von der
Mitbeteiligten erbrachten Leistungen fielen daher, für den Fall, dass sie in Gemeinschaft mit anderen
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Verwaltungsgerichtshof
27.11.2014
Unternehmern (Schaustellern) erbracht worden wären, jedenfalls unter die Begünstigung des § 10 Abs. 2 Z 11
UStG 1994.
Im Bereich der Umsatzsteuer kommt im Grundsatz der steuerlichen Neutralität das Gebot der
Gleichbehandlung konkurrierender Unternehmer zum Ausdruck, welches es verbietet, vergleichbare
Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln, es sei denn, eine Differenzierung ist objektiv gerechtfertigt
(vgl. EuGH 25. April 2013, C-480/10, Europäische Kommission gegen Königreich Schweden; EuGH
31. Jänner 2013, C-643/11, LVK - 56 EOOD).
Die Regelung des UStG 1994 betreffend den ermäßigten Steuersatz für die Leistungen als Schausteller
(§ 10 Abs. 2 Z 11) ist in Umsetzung des Richtlinienrechts der EU erlassen worden. Solcherart kommt bei
Auslotung des Bedeutungsinhaltes der "Leistungen als Schausteller" das Gebot der unionsrechtskonformen
Interpretation zur Anwendung. Im Rahmen dieser Interpretation darf dem Tatbestandsmerkmal "Schausteller"
nicht ein so enger Inhalt beigemessen werden, dass die nationale Regelung eine Ungleichbehandlung von
miteinander konkurrierenden Unternehmern zur Folge hätte.
Vor diesem Hintergrund ist die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z 11 UStG 1994 dahingehend auszulegen,
dass sie Leistungen von Schaustellern unabhängig davon erfasst, ob sie von einem oder von mehreren
Unternehmern (Schaustellern) erbracht werden.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG
abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der
Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 27. November 2014
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28.05.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
28.05.2015
Geschäftszahl
2012/15/0106
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin
Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein des
Schriftführers Mag. Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der B Z in W, vertreten durch die SchneideR'S
Rechtsanwalts-KG in 1170 Wien, Hormayrgasse 7A Top 18, gegen den Bescheid des unabhängigen
Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 26. März 2012, Zlen. RV/0341-L/10 und RV/0342-L/10, betreffend u.
a. Einkommensteuer 2002, 2005 und 2006, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er über Einkommensteuer 2005 und 2006 abspricht, wegen
Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen Umfang der Anfechtung (Einkommensteuer 2002) wird die Beschwerde als unbegründet
abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin eröffnete im Jahr 2002 einen Handelsbetrieb mit Waren aller Art, dessen Gewinn
sie gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermittelte.
Im Jahr 2008 fand eine abgabenbehördliche Prüfung statt, auf Grund derer nach Wiederaufnahme der
Verfahren geänderte Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2002 bis 2006 ergingen.
Gegen die im Sinne der Prüfungsfeststellungen ergangenen neuen Sachbescheide der genannten Jahre erhob
die Beschwerdeführerin Berufung. Beantragt wurde u.a. die Anerkennung von in den Jahren 2005 und 2006 an
den Sohn der Beschwerdeführerin sowie an die C KEG geleisteten Zahlungen als Betriebsausgaben sowie des im
Jahr 2002 entstandenen Verlustes als vortragsfähig.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung betreffend Einkommensteuer der
Jahre 2002 bis 2006 und Umsatzsteuer 2005 und 2006 als unbegründet ab (die Berufung betreffend
Umsatzsteuer 2002 bis 2004 war bereits mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes einer Erledigung
zugeführt worden).
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und allgemeinen Rechtsausführungen wird im
angefochtenen Bescheid ausgeführt, der Sohn der Beschwerdeführerin habe am 10. April 2005 eine Rechnung
für 50 Stunden EDV-Administration in Höhe von 2.500 EUR (ohne Umsatzsteuerausweis) gelegt und diesen
Betrag unstrittig auch erhalten. Allerdings sei nicht nachgewiesen worden, dass der Sohn diesen Betrag auch
versteuert habe. Aus der der Berufung beigelegten Einkommensteuererklärung des Sohnes für das Jahr 2005
gehe hervor, dass Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 4.000 EUR erklärt worden seien. Nicht
ersichtlich sei jedoch, ob in diesem Gesamtbetrag die von der Beschwerdeführerin gezahlten
2.500 EUR enthalten seien. Ein wesentliches Indiz dafür, dass der strittige Betrag nicht als Betriebseinnahme des
Sohnes erklärt worden sei, sehe die belangte Behörde in dem Umstand des fehlenden Umsatzsteuerausweises,
was für Rechnungen eines Unternehmers an eine Unternehmerin im betrieblichen Bereich ungewöhnlich sei.
Mangels Nachweises, dass der von der Beschwerdeführerin an ihren Sohn bezahlte Betrag von 2.500 EUR in
den betrieblichen Bereich geflossen sei, sei der Betrag nicht als Betriebsausgabe der Beschwerdeführerin zu
qualifizieren.
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Verwaltungsgerichtshof
28.05.2015
Die Zahlungen der Beschwerdeführerin an die C KEG seien nicht anzuerkennen, weil mit Beschluss des
Handelsgerichtes Y vom 11. Oktober 2005 der Konkurs über das Vermögen der C KEG mangels
kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet worden sei. Der Beschluss sei am 2. November 2005 rechtskräftig
geworden und im Firmenbuch mit 7. November 2005 bekannt gemacht worden. Der streitgegenständliche Betrag
in Höhe von 46.688 EUR (Provisionsabrechnung) sei in drei Teilen am 30. November, 12. Dezember und
31. Dezember 2005 bar beglichen worden. Damit seien sämtliche Teilzahlungen nach Bekanntmachung des
Beschlusses über die Rechtskraft der Konkursabweisung mangels Kostendeckung erfolgt. Die
Beschwerdeführerin habe die Beträge demnach an eine KEG geleistet, welche in Folge rechtskräftiger
Konkursabweisung mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 39 FBG aufgelöst war. Dass die
berufungsgegenständlichen Teilbeträge aufgrund ihrer Zahlung an eine nicht mehr existente Firma keine
Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 darstellen könnten, sei offenkundig. Da die C KEG im Zeitpunkt
der jeweiligen Zahlungen nicht mehr existiert habe, sei ein betrieblicher Grund der Zahlung nicht gegeben, die
Zahlungen seien damit nicht durch den Betrieb der Beschwerdeführerin veranlasst. Auf die
Berufungsausführungen zu einem späteren weiteren Konkursantrag der C KEG im Jahr 2006 brauche daher nicht
mehr eingegangen zu werden. Auch ein Vorsteuerabzug sei ausgeschlossen, weil die Rechnung der C KEG nach
deren Auflösung ausgestellt worden sei.
Aus demselben Grund könne auch die von der C KEG am 15. März 2006 ausgestellte Rechnung über
17.400 EUR (betreffend eine Geschäftseinrichtung) nicht anerkannt werden. Da die Rechnung von einem
"nullum" gestellt und auch seitens der Beschwerdeführerin an ein "nullum" geleistet worden sei, entspreche
diese Leistung nicht den Erfordernissen zur Anerkennung von Aufwendungen als Betriebsausgaben gemäß § 4
Abs. 4 EStG 1988. Die C KEG habe die Rechnung nach ihrer Auflösung gelegt; sie habe zu diesem Zeitpunkt
also keine Unternehmereigenschaft mehr gehabt, was zu einer nicht dem § 11 UStG 1994 entsprechenden
Rechnung geführt habe, die einen Vorsteuerabzug nicht ermögliche.
Zum Verlustvortrag wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin nicht die im
Jahr 2002 seitens der Betriebsprüfung erfolgte Umsatzzuschätzung von 40.000 EUR bekämpfe, sondern
lediglich die Ansicht vertrete, dieser Umstand stünde einem Vortrag des für 2002 errechneten Verlustes in den
Folgejahren nicht entgegen. Die belangte Behörde teile diese Ansicht nicht, weil die Zuschätzung erfolgt sei, um
die mittels Gelddeckungsrechnung festgestellte Unterdeckung auszugleichen und das gesamte Rechenwerk der
Beschwerdeführerin für das Jahr 2002 unvollständig sei. Die Beschwerdeführerin habe für 2002 einen Verlust
von 121.247 EUR erklärt, die "Gewinnerhöhung" von 40.000 EUR stelle rund ein Drittel des erklärten Verlustes
dar. Wenn der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, 92/14/0031, ausgeführt habe,
dass bei einer Zuschätzung von 70.000 S bei einem erklärten Verlust von rund 380.000 S (also einer
Zuschätzung unter einem Fünftel des erklärten Verlustes) ein Hinweis auf Buchführungsmängel bestünde, die
einen Verlustabzug gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 nicht rechtfertigen, könne die im Beschwerdefall erfolgte
Zuschätzung von rund einem Drittel des erklärten Verlustes umso mehr einen Verlustabzug nicht rechtfertigen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem "Recht auf Ermittlung
ihres steuerpflichtigen Gewinns entsprechend den Vorschriften der §§ 4 ff EStG wegen Versagung der
steuerlichen Anerkennung bestimmter, konkret nachgewiesener Betriebsausgaben bei Festsetzung der
Einkommensteuer für die Jahre 2002, 2005 und 2006 verletzt".
Durch den ausdrücklich als solchen bezeichneten Beschwerdepunkt wird der Prozessgegenstand des
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an der der Verwaltungsgerichtshof
bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 2014,
2011/15/0184).
Die
angeführten
Beschwerdepunkte
schließen
weder
die
Umsatzsteuer
noch
die
Einkommensteuerfestsetzung der Jahre 2003 und 2004 ein. Der im angefochtenen Bescheid vorgenommene
Abspruch über die Umsatzsteuer 2005 und 2006 sowie die Einkommensteuer 2003 und 2004 ist damit von der
Prüfungskompetenz des Verwaltungsgerichtshofes nicht umfasst (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2013,
2009/15/0017).
Bei den von der belangten Behörde nicht anerkannten Betriebsausgaben handelte es sich zum einen um die
im Jahr 2005 geleistete Zahlung an den Sohn der Beschwerdeführerin in Höhe von
2.500 EUR, zum anderen um Zahlungen an die C KEG, die in den Jahren 2005 und 2006 nach
Konkursabweisung erfolgt waren. Eine Rechtswidrigkeit der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2002
ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen zu den nicht anerkannten Betriebsausgaben nicht.
Soweit in den Beschwerdegründen auch die Vortragsfähigkeit des für das Jahr 2002 von den
Abgabenbehörden im Wege einer Schätzung ermittelten Verlustes darzustellen versucht wird, ist - abgesehen
davon, dass die Prüfung dieser Frage nach dem eingangs Gesagten der Prüfungskompetenz des
Verwaltungsgerichtshofes entzogen ist - der Vollständigkeit halber an die ständige Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes zu erinnern, wonach über die Vortragsfähigkeit eines Verlustes jeweils in jenem Jahr
zu entscheiden ist, in welchem der betreffende Vortrag vorgenommen werden soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom
19. September 2013, 2012/15/0014).
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Verwaltungsgerichtshof
28.05.2015
Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerfestsetzung des Jahres 2002 erweist sich daher insgesamt als
unbegründet.
Zu der strittigen Zahlung von 2.500 EUR im Jahr 2005 trägt die Beschwerde vor, es sei nach den
Feststellungen der belangten Behörde unstrittig, dass der Sohn der Beschwerdeführerin dieser eine Rechnung
über 50 Stunden EDV-Administration ohne Mehrwertsteuerausweis gelegt habe und dieser Betrag von der
Beschwerdeführerin auch bezahlt worden sei. Die belangte Behörde habe diesen Betrag nicht als
Betriebsausgabe anerkannt, weil nicht nachgewiesen worden sei, dass der Sohn diesen Betrag auch versteuert
habe. Es sei anzunehmen, dass dieser Betrag nicht versteuert worden sei, weil es im betrieblichen Bereich
ungewöhnlich wäre, dass Rechnungen eines Unternehmers an Unternehmer ohne Mehrwertsteuer ausgestellt
würden. Diese Erwägungen der belangten Behörde rechtfertigten es nicht, den Abzug des strittigen Betrages als
Betriebsausgaben zu versagen.
Vertragliche Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen können nach ständiger Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes für den Bereich des Steuerrechts nur als erwiesen angenommen werden, wenn sie
nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen klaren Inhalt haben und fremdüblich sind. Auch die
Erfüllung der vertraglichen Vereinbarungen muss diesen Anforderungen genügen (vgl. in diesem Sinne für viele
das hg. Erkenntnis vom 29. September 2010, 2007/13/0054).
Von der belangten Behörde wäre demnach zu prüfen gewesen, ob die zwischen der Beschwerdeführerin
und ihrem Sohn abgeschlossene Vereinbarung über die Erbringung von Dienstleistungen nach außen
ausreichend zum Ausdruck gekommen ist, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt
hatte und auch zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wäre.
Derartige Feststellungen hat die belangte Behörde nicht getroffen. Ob der Sohn den strittigen Betrag erklärt hat
oder nicht, ist hingegen schon deshalb kein geeignetes Kriterium, die betriebliche Veranlassung der strittigen
Zahlung zu verneinen, weil damit vorausgesetzt würde, dass die steuerliche Behandlung seitens des Sohnes zu
Recht erfolgt wäre, was es aber erst an Hand der aufgezeigten Kriterien zu beurteilen gilt. Auch das Fehlen eines
Umsatzsteuerausweises lässt den Schluss auf das Vorliegen eines familienhaften, nicht unternehmerischen
Tätigwerdens nicht zu, zumal - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - bei der gegenständlich in Rede
stehenden Umsatzgröße grundsätzlich die Umsatzsteuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 zum Tragen
kommt. Im Übrigen ist im Rahmen familienhafter Mitarbeit schon der Umstand der Rechnungslegung als
solcher ungewöhnlich.
Die Zahlungen an die C KEG hat die belangte Behörde nicht als Betriebsausgaben anerkannt, weil sie an
eine nach Konkursabweisung "nicht mehr existente Firma" geleistet worden seien. Es lägen Zahlungen an ein
"nullum" vor.
Mit diesen Ausführungen hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
Die an die Abweisung mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 71b Konkursordnung (nunmehr
Insolvenzordnung, im Folgenden IO) geknüpfte Rechtsfolge besteht nicht darin, dass die Gesellschaft erlischt
oder zu diesem Zeitpunkt bestehende Forderungen in Wegfall kommen, sodass der Gläubiger von seiner Schuld
befreit würde. Vielmehr kommt es durch die Konkursabweisung (lediglich) zur Auflösung der Gesellschaft
(vgl. Mohr, Die Insolvenzordnung11, 591).
Die Auflösung der Personengesellschaft führt zur Abwicklung (Liquidation). Die Rechtsfähigkeit der
Gesellschaft besteht unter Wahrung ihrer Identität während des Liquidationsverfahrens fort. Der Zweck der
Gesellschaft ist in der Folge aber auf die Abwicklung gerichtet. Die Durchführung der Abwicklung obliegt den
Liquidatoren. Wenn nichts anderes vorgesehen ist, sind alle Gesellschafter Liquidatoren (vgl. Schauer in
Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht, 2/636f). Ihre Aufgabe ist es u.a., ausstehende
Forderungen, wie im Beschwerdefall offenbar die gegenüber der Beschwerdeführerin bestehenden Ansprüche,
zu betreiben.
Zur Vollbeendigung kommt es erst dann, wenn keinerlei Vermögen (also auch keine Forderungen
gegenüber Geschäftspartnern) mehr vorhanden sind; die (im Beschwerdefall ohnehin nicht erfolgte) Löschung
im Firmenbuch hat nur deklarative Wirkung. Sollte später Vermögen (beispielsweise einbringliche Forderungen
gegenüber früheren Geschäftspartnern) hervorkommen, so ist die Gesellschaft trotz der Löschung im
Firmenbuch nicht erloschen (vgl. Schauer, aaO, Rz 2/641).
Wenn die belangte Behörde daher aus dem bloßen Umstand, dass ein Konkursantrag den Gläubiger der
Beschwerdeführerin betreffend mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden ist, auf die fehlende
Betriebsausgabeneigenschaft der streitgegenständlichen Zahlungen geschlossen hat, kann ihr nicht gefolgt
werden. Sollte die C KEG die den Teilzahlungen zu Grunde liegende Forderung gegenüber der
Beschwerdeführerin in das Vermögensverzeichnis gemäß § 100a IO nicht aufgenommen haben, könnte dies
allenfalls Zweifel am tatsächlichen Bestehen der Forderung erwecken und Anlass für weitere Erhebungen zur
Aufklärung möglicher Widersprüche in den Angaben von Gläubiger und Schuldner der Forderung sein.
Derartige Feststellungen wurden aber im angefochtenen Bescheid nicht getroffen, weil die belangte Behörde in
Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen ist, schon aus der Konkursabweisung mangels kostendeckenden
Vermögens ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin an eine nicht existente Firma (ein "nullum") geleistet habe.
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Verwaltungsgerichtshof
28.05.2015
Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Abspruch betreffend Einkommensteuer 2005 und 2006
gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im übrigen
Umfang der Anfechtung, somit hinsichtlich Einkommensteuer 2002, war die Beschwerde gemäß § 42
Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGHAufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 28. Mai 2015
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02.07.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
02.07.2015
Geschäftszahl
2013/16/0220
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte
Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die
Beschwerde des Dr. T H in A, vertreten durch die SWS Scheed Wöss Rechtsanwälte OG in 4020 Linz,
Jaxstraße 2-4, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 17. Oktober 2013,
Zl. IKD(Gem)-524712/1ad-2013-Gb/Os, betreffend Haftung für Kommunalsteuer (mitbeteiligte Partei: Stadt
Linz in 4040 Linz, Hauptstraße 1-5), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von 57,40 EUR binnen
zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war seit 1. Jänner 2010 als Vorstand der A AG zur selbstständigen Vertretung
befugt. Mit Beschluss des Handelsgerichtes vom 31. August 2010 wurde über das Vermögen der A AG der
Konkurs eröffnet. Die Gesellschaft wurde laut Firmenbuch infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens
aufgelöst.
Mit Bescheid vom 31. Jänner 2012 zog der Magistrat der mitbeteiligten Landeshauptstadt den
Beschwerdeführer zur Haftung für Kommunalsteuer der A AG für den Zeitraum 2006 bis 30. April 2010 in
Höhe von insgesamt 12.662,43 EUR heran.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 1. März 2012 Berufung u.a. mit der Begründung,
dass eine Haftung nur insoweit gegeben sein könne, als eine Gläubigerungleichbehandlung zu Lasten der
bescheiderlassenden Behörde tatsächlich stattgefunden habe. Der Bescheid enthalte hierzu jedoch keinerlei
Feststellungen.
Mit Vorhalt vom 27. März 2012 forderte der Magistrat der mitbeteiligten Landeshauptstadt den
Beschwerdeführer auf, einen Nachweis zu erbringen, welche Mittel der Beschwerdeführer zu den jeweiligen
Fälligkeitsterminen zur Entrichtung der noch offenen Abgabenverbindlichkeiten im strittigen Abgabenzeitraum
zur Verfügung gehabt habe und welche privatrechtlichen oder öffentlich rechtlichen Forderungen mit den
vorhandenen Mitteln zu diesen Fälligkeitszeitpunkten befriedigt worden seien.
Mit E-Mail vom 3. Oktober 2012 übermittelte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine
auszugsweise Kontendarstellung aus den Buchhaltungsunterlagen des Streitzeitraumes sowie eine Übersicht über
die Entwicklung der Verbindlichkeiten der A AG von März bis August 2010. Daraus sei ersichtlich, dass der
Beschwerdeführer in den Bezug habenden Monaten 2010 die mitbeteiligte Landeshauptstadt "in jedem Fall in
einem höheren Ausmaß finanziell bedient hat, als dies der Fall gewesen wäre, wenn sämtliche Gläubiger in
diesem Zeitraum mit den vorhandenen finanziellen Mitteln gleich bedient worden wären", womit eine Haftung
für diesen Zeitraum auszuschließen sei. Für die Bezug habenden Monate im Jahr 2009 wäre eine
Gläubigergleichbehandlung sämtliche Gläubiger nur mit einem niedrigen zweistelligen Prozentsatz ihrer
Forderungen bedient worden, sodass eine allfällige Haftung lediglich in diesem Ausmaß bestehe.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2012 teilte der Magistrat der mitbeteiligten Landeshauptstadt dem
Beschwerdeführer mit, dass der erbrachte Nachweis nicht jenem von der Abgabenbehörde geforderten Nachweis
der Gläubigergleichbehandlung entspreche, weil nicht hervorgehe, welche finanziellen Mittel zu den jeweiligen
Fälligkeitstagen der haftungsgegenständlichen Abgabe zur Verfügung gestanden hätten. Der Beschwerdeführer
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Verwaltungsgerichtshof
02.07.2015
sei daher nochmalig um Nachweis der Gläubigergleichbehandlung für den Abgabenzeitraum von Mai 2009 bis
April 2010 ersucht worden.
Mit E-Mail vom 15. November 2012 übermittelte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nochmalig die
auszugsweisen Buchhaltungsunterlagen zu den Jahren 2009 und 2010 sowie eine Übersicht über die
Entwicklung der Verbindlichkeiten der A AG von Mai 2009 bis August 2010. Aus den Unterlagen sei
ersichtlich, welche fälligen Verbindlichkeiten öffentlich- und privatrechtlicher Natur durch die
Gemeinschuldnerin zu den Fälligkeitsterminen für den Abgabezeitraum von Mai 2009 bis April 2010 geleistet
worden seien. Die übermittelten Dokumente würden zeigen, dass die mitbeteiligte Landeshauptstadt trotz einer
gänzlichen Nichtzahlung von Kommunalsteuer in den Monaten Juli bis Dezember 2009 im gesamten
Abgabenzeitraum von Mai 2009 bis April 2010 besser gestellt worden sei, als dies bei einer gleichmäßigen
Bedienung sämtlicher Gläubiger durch die Gemeinschuldnerin im Abgabezeitraum Mai 2009 bis April 2010
durch die vorhandenen finanziellen Mittel erfolgt worden wäre. Als Beweis für das Vorbringen sei die
zeugenschaftliche Einvernahme der steuerlichen Vertretung angeboten worden.
Mit E-Mail vom 22. Februar 2013 wurden die Einvernahme des Beschwerdeführers zur Darlegung seines
Rechtsstandpunktes sowie die Einvernahme des namhaft gemachten steuerlichen Vertreters des
Beschwerdeführers zum Beweis dafür beantragt, dass ein Verschulden des Beschwerdeführers im Sinne der
abgabenrechtlichen Bestimmungen nicht vorliege. Weiters seien ergänzende Unterlagen (Geldflussrechnung von
September 2009 bis August 2010, Bilanz zum 31.12.2010 sowie Gewinn- und Verlustrechnung für den Zeitraum
vom 1.9.2010 bis 31.12.2010 jeweils mit den entsprechenden Zahlen der Jahre 2008 und 2009 als
Vergleichsgrundlage, vorläufige Saldenliste per 31. August 2010) übermittelt worden.
Nach Aufforderung in der E-Mail vom 25. Februar 2013 des Magistrates der mitbeteiligten
Landeshauptstadt zur Konkretisierung des Beweisthemas zur Einvernahme des steuerlichen Vertreters sowie des
Beschwerdeführers führte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit E-Mail vom 12. März 2013 aus, der als
Zeuge angeführte steuerliche Vertreter könne Beweis dafür liefern, dass eine Gläubigergleichbehandlung zu
Lasten des Magistrates der mitbeteiligten Landeshauptstadt nicht gegeben gewesen sei. Die Einvernahme sei für
den Fall, dass die vorgelegten Urkunden interpretierungsnotwendig seien, geboten. Die Einvernahme des
Beschwerdeführers habe zu erfolgen, um ein ordnungsgemäßes Ermittlungserfahren zu gewährleisten.
Mit Bescheid vom 3. April 2013 gab der Magistrat der mitbeteiligten Landeshauptstadt den Anträgen auf
Beweisaufnahme des steuerlichen Vertreters MMag. S sowie des Beschwerdeführers als Zeugen keine Folge.
Mit Bescheid vom 10. April 2013 gab das zuständige Mitglied des Stadtsenates der mitbeteiligten
Landeshauptstadt der Berufung gegen den Haftungsbescheid teilweise Folge und reduzierte die Haftsumme im
Rahmen des behördlichen Ermessens auf einen Betrag von insgesamt 10.000 EUR. Die schuldhafte Verletzung
der abgabenrechtlichen Verpflichtung sei dem Beschwerdeführer jedoch vorzuwerfen, weil dem von der
Abgabenbehörde geforderten Nachweis einer Schuldlosigkeit des Vorstandes an der nicht ordnungsgemäßen
Entrichtung der Kommunalsteuer trotz mehrmaliger Aufforderungen nicht entsprochen worden sei. Für einen
solchen Nachweis seien keinesfalls Aufzeichnungen über einzelne befriedigte Gläubiger oder Auszüge aus
Buchhaltungsunterlagen ausreichend. Die nach Einräumung einer Fristerstreckung vorgelegten Unterlagen wie
u. a. Geldflussdarstellung, Bilanzauszüge sowie vorläufige und unvollständige Saldenlisten würden weder den
von der Abgabenbehörde geforderten Nachweis für ein Nichtverschulden des Vorstandes erbringen noch würden
sie auf Grund der Unvollständigkeit der geforderten qualifizierten Mitwirkungspflicht entsprechen.
Die Ablehnung der Einvernahme des Beschwerdeführers sowie seines steuerlichen Vertreters als Zeugen
durch die Abgabenbehörde sei begründet gewesen. Der Beschwerdeführer hätte als Haftender formalrechtlich
nicht als Zeuge einvernommen werden können. Dem Beschwerdeführer seien bereits mehrere Monate Zeit
eingeräumt worden, einen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen, welcher jedoch offensichtlich
nicht erbracht werden hätte können. Zudem sei kein konkretes Beweisthema angeführt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers vom
25. April 2013 als unbegründet ab und führte aus, dass der Beschwerdeführer mehrfach nach wiederholt
gewährter Fristerstreckung in Form von konkreten Fragen um seine Mitwirkung und seine Stellungnahme
ersucht worden sei. Im Hinblick auf die von der Abgabenbehörde konkret gestellten Fragen könne es aber
keinesfalls genügen, lediglich umfangreiche Unterlagen unkommentiert zu übermitteln und die Behörde um
Studium der übermittelten Unterlagen zu ersuchen.
Die Ablehnung der Beweisaufnahmen sei zulässig gewesen, weil der Beschwerdeführer selbst nicht als
Zeuge hätte einvernommen werden können. Da es weder dem Beschwerdeführer noch zwei verschiedenen
Steuerberatungskanzleien unabhängig voneinander innerhalb mehrerer Monate gelungen sei, den geforderten
Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen, hätte eine Zeugeneinvernahme nicht den gewünschten
Erfolg gezeigt, sondern nur zu einer Verzögerung des Verfahrens geführt.
In der dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, "nicht zur
Haftung für Kommunalsteuer gemäß § 6a KommunalsteuerG 1993 herangezogen zu werden", verletzt.
Das gemäß Art 151 Abs. 51 Z 9 B-VG an die Stelle der Oberösterreichischen Landesregierung getretene
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens die
Abweisung der Beschwerde und Zuspruch von Aufwandersatz beantragt.
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Verwaltungsgerichtshof
02.07.2015
Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis
zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
Gemäß § 1 des Kommunalsteuergesetzes 1993 (KommStG) unterliegen der Kommunalsteuer die
Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland (Bundesgebiet)
gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind.
Die Steuerschuld entsteht gemäß § 11 Abs. 1 KommStG mit Ablauf des Kalendermonats, in dem u.a
Lohnzahlungen gewährt worden sind.
Gemäß § 6a KommStG haften die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter neben
den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe
infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne
Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die
gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen,
und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass
die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen
Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die
Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 6a KommStG annehmen darf. Hat der Vertreter
schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf
die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war
(vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2014, 2012/16/0180).
Der Vertreter haftet für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung
stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist
nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung
der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Nicht die Abgabenbehörde hat das
Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Vorstand
das Fehlen ausreichender Mittel. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer
entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der
Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum
jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. April 2015, 2013/16/0213).
Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters, den Betrag der bei Gläubigergleichbehandlung zu
entrichtenden Abgaben und zur Errechnung einer entsprechenden Quote nachzuweisen, bedeutet nicht, dass die
Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre; entspricht der Vertreter der Gesellschaft nämlich seiner
Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der
Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Vertreter abzufordern, jedenfalls aber konkrete
Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom
18. März 2013, 2011/16/0187).
Der Beschwerdeführer trägt vor, er habe mehrere Unterlagen, insbesondere eine Geldflussrechnung für
September 2009 bis August 2010, eine Bilanz zum 31. Dezember 2010, eine Gewinn- und Verlustrechnung für
September 2009 bis August 2010 sowie eine (wie sich aus den Verwaltungsakten aufgrund eines Vermerkes des
steuerlichen Vertreters ergibt unvollständige) Saldenliste für 2009 und 2010 vorgelegt, welche jedoch nicht
berücksichtigt worden wären. Dieses Vorbringen vernachlässigt dabei, dass die Pflichtverletzung zu den
jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten der in Rede stehenden Abgabenschuldigkeiten zu prüfen ist und sich auch die
von der belangten Behörde (wiederholt) geforderte Liquiditätsaufstellung und der Nachweis der
Gläubigergleichbehandlung auf diese Zeitpunkte beziehen müssen. Der Beschwerdeführer wurde im Zuge des
Ermittlungsverfahrens wiederholt aufgefordert, konkrete Fragestellungen zu beantworten, und ihm wurde durch
mehrmalige Fristerstreckung die Gelegenheit gegeben, sowohl weitere Unterlagen beizuschaffen, als auch zu
den Fragestellungen konkret Stellung zu nehmen. Wenn der Beschwerdeführer dennoch die geforderten
Informationen nicht bereitzustellen vermöchte, so kann darin weder Überspannung der Mitwirkungspflicht noch
ein Unterlassen der Ermittlung des Sachverhaltes von Amtswegen erblickt werden.
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde weiters eine Verletzung ihrer Ermittlungspflicht vor,
weil sie von der beantragten Einvernahme des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers abgesehen habe.
Beweisanträge sind von der Abgabenbehörde gemäß § 183 Abs. 3 BAO abzulehnen, wenn die unter Beweis
zu stellenden Tatsachen u.a. unerheblich sind. Erheblich ist ein Beweisantrag nur dann, wenn Beweisthema eine
Tatsache ist, deren Klärung, wenn sie schon nicht (sachverhalts-)erheblich ist, zumindest mittelbar beitragen
kann, Klarheit über eine (sachverhalts-)erhebliche Tatsache zu gewinnen (vgl. das hg. Erkenntnis vom
19. Mai 2015, 2013/16/0016). Der Beschwerdeführer lässt in der Beschwerde offen, wann er den Beweisantrag
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Verwaltungsgerichtshof
02.07.2015
gestellt hat, und führt als Beweisthema an, der Zeuge hätte "die Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger"
bestätigen können. Ob eine Gleichbehandlung im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
vorliegt, ist allerdings kein unter Beweis zu stellender Sachverhalt, sondern eine rechtliche Würdigung (vgl. etwa
die hg. Erkenntnisse vom 25. November 2010, 2007/15/0130, und vom 27. Februar 2008, 2005/13/0100). Somit
zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, zu welchem konkreten Beweisthema (Tatsache) der Zeuge beantragt
worden wäre, weshalb die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels nicht dargetan wird.
Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof insofern
zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der
Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, sie somit den Denkgesetzen und dem
allgemeinen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. März 2015, 2013/16/0166).
Das allgemeine Vorbringen, die belangte Behörde habe die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden
als nicht ausreichend angesehen, obwohl dieser sämtliche erforderlichen Unterlagen vorgelegt hätte, vermag eine
Unschlüssigkeit nicht aufzuzeigen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der im Beschwerdefall
noch anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 2. Juli 2015
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GZ. RV/1100434/2014
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia Mauthner in
der Beschwerdesache Bf., vertreten durch RTG Dr. Rümmele Treuhand GmbH
Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Marktstraße 30, 6850 Dornbirn,
gegen den Bescheid des Finanzamt Feldkirch vom 12. Februar 2014, betreffend
Abweisung eines Antrages gemäß § 299 Abs. 1 BAO zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt
unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom 10. Juni 2013 wurden der
Beschwerdeführerin (in der Folge abgekürzt Bf.) erste Säumniszuschläge in Höhe von
insgesamt 13.206,64 € vorgeschrieben, weil die folgenden Abgabenschuldigkeiten nicht
fristgerecht entrichtet wurden:
Abgabe
Frist
Betrag in Euro
Säumniszuschlag in Euro
Umsatzsteuer 03/2013
15.05.2013
367.067,77
7.341,36
Dienstgeberbeitrag 04/2013
15.05.2013
19.890,44
397,81
Lohnsteuer 04/2013
15.05.2013
101.243,11
2.024,86
Werbeabgabe 03/2013
15.05.2013
172.130,37
3.442,61
13.206,64
Mit Eingabe vom 5. Februar 2013 stellte die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung
gemäß § 299 Abs. 1 BAO iVm § 217 Abs. 7 leg. cit. einen Antrag auf Aufhebung des
gegenständlichen Bescheides mangels Verschuldens der Bf. In eventu wurde die
Aufhebung des angefochtenen Bescheides auf Grund ausnahmsweiser Säumnis gemäß
§ 217 Abs. 5 BAO begehrt. Begründend wurde ausgeführt, die Bf. habe betreffend die
den Säumniszuschlägen zugrunde liegenden Abgabenschuldigkeiten sowie betreffend
einer weiteren Abgabenschuldigkeit am Vormittag des 17.05.2013, einem Freitag, online
eine Überweisung an das Finanzamt Feldkirch getätigt (über insgesamt 661.751,61 €).
Von der beauftragten Hausbank, der X., sei die Überweisung via Clearing Service
Austria (CSA) am selben Tag der empfangenden Bank Y zugestellt worden. Der Auftrag
der X. habe eine Gutschrift beim Empfänger mit Valuta 21.05.2013 (einem Dienstag)
vorgesehen (vgl. hierzu das beiliegende Mail der X. sowie ein Bildschirmfoto zum
betreffenden Auftrag). Die Antwort der Abteilung "Nachforschung Inland" der Y habe
ergeben, dass aufgrund eines technischen Fehlers bei der empfangenden Bank das Konto
des Finanzamtes erst am 22.03.2013 erkannt worden sei - und nicht bereits, wie durch
die X. beauftragt und im Zahlungsdienstegesetz (ZaDiG) vorgesehen - am 21.05.2013.
Eine Gutschrift an diesem Tag wäre unter Berücksichtigung der Respirofrist gemäß § 211
Abs. 2 BAO rechtzeitig gewesen, weil Montag, der 20.05.2013, ein Feiertag gewesen
sei. Da die Bf. den Überweisungsauftrag, wie dargestellt, fristgerecht erteilt habe (vgl.
in diesem Zusammenhang auch die RAE Rz 117 und RZ 964) und ein Verschulden für
die verspätete Gutschrift weder der Bf. noch ihrer Hausbank angelastet werden könne,
sondern vielmehr im Bereich der das Finanzamtskonto führenden Bank gelegen sei,
welche entgegen Beauftragung und ZaDiG den überwiesenen Betrag um einen Tag
zu spät gutgeschrieben habe, werde gemäß § 217 Abs. 7 BAO die Nichtfestsetzung
der Säumniszuschläge beantragt. Auch ein Auswahlverschulden der Bf. sei schon rein
definitorisch ausgeschlossen, weil die Empfängerbank der Finanzverwaltung keinesfalls
als Erfüllungsgehilfe des Abgabepflichtigen angesehen werden könne.
Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall auch die
Toleranzregelung des § 217 Abs. 5 BAO anwendbar wäre. Da die Frist von fünf Tagen
laut der zitierten Bestimmung erst mit Ablauf der Respirotage beginne (vgl. dazu § 217
Abs. 5 letzter Satz leg. cit. sowie RAE Rz 962) sei eine Säumnis erst am Mittwoch,
den 22.05.2013, eingetreten und habe sich lediglich auf diesen einen Tag erstreckt.
Innerhalb der retrospektiv zu betrachtenden Sechs-Monats-Frist habe sich die Bf.
keine Zahlungssäumnis zuschulden kommen lassen. Vor dem BFG sei derzeit ein
Beschwerdeverfahren betreffend mit Bescheid vom 10. Dezember 2012 festgesetzte
Säumniszuschläge anhängig, wobei die strittige, ebenfalls eintägige Säumnis am
21.11.2012 eingetreten sei. Ungeachtet des Ausgangs dieses Beschwerdeverfahrens liege
daher jedenfalls ein Zeitraum von sechs Monaten zwischen den beiden von der Behörde
als Säumnis beurteilten Sachverhalten (vgl. in diesem Zusammenhang auch RAE Rz 969,
insbesondere das dort wiedergegebene Beispiel).
Mit Bescheid vom 12. Februar 2014 wurde der obige Antrag auf Aufhebung des
Bescheides betreffend Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen abgewiesen.
Begründend wurde unter Wiedergabe des § 211 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 BAO
ausgeführt, unter Berücksichtigung der dreitägigen Frist gemäß § 211 BAO wäre
eine Gutschrift auf dem Konto des Finanzamtes Feldkirch spätestens am 21.05.2013
noch rechtzeitig gewesen. Gegenständlich sei aber die Gutschrift auf dem Konto der
empfangsberechtigten Kasse erst am 22.05.2013 erfolgt. Bezogen auf die Fälligkeitstage
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15.05.2013 liege daher auch unter Berücksichtigung der dreitägigen Respirofrist eine
Säumnis vor. Die Begünstigung gemäß § 217 Abs. 5 BAO (keine Verpflichtung zur
Entrichtung eines Säumniszuschlages, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage
betrage und innerhalb der letzten sechs Monate keine Säumnis vorliege) könne ebenfalls
nicht angewendet werden, weil im vorliegenden Fall die Gutschrift der Überweisung zum
15.11.2012 erst am 21.11.2012 erfolgte und somit verspätet gewesen sei.
§ 217 Abs. 7 BAO komme gegenständlich nicht zum Tragen, weil die Überweisung erst am
zweiten Tag der dreitägigen Respirofrist veranlasst worden sei. Die gemäß § 211 Abs.
2 BAO eingeräumte Respirofrist stelle aber keine weitere Frist zur Abgabenentrichtung
dar, sondern solle allein dem Umstand Rechnung tragen, dass die Bearbeitung von
Banküberweisungen längere Zeit in Anspruch nehmen könne. Die Vorgangsweise,
die Respirofrist als weitere Frist zur Abgabenentrichtung zu verwenden, und die
Überweisungen erst innerhalb der Respirofrist durchführen zu lassen, stelle einen
Missbrauch dieser Frist und damit ein grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO
dar. Somit liege auch das aus dieser Vorgangsweise resultierende Risiko zur Gänze auf
Seiten des Abgabepflichtigen.
Festgestellt werde überdies, dass auch im Falle einer Stattgabe der beim BFG
anhängigen Beschwerde betreffend die mit Bescheid vom 10. Dezember 2012
festgesetzten Säumniszuschläge eine verspätete Entrichtung vorliege, da die den
Säumniszuschlägen zugrunde liegenden Abgaben am 15.11.2012 fällig gewesen seien,
der zu zahlende Betrag dem Konto der empfangsberechtigten Kasse jedoch erst am
21.11.2012 gutgeschrieben worden sei.
In der gegen diesen Bescheid fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde beantragt,
den Spruch des beschwerdegegenständlichen Bescheides dahingehend abzuändern,
dass der Bescheid über die Festsetzung von Säumniszuschlägen vom 10. Juni 2013
gemäß § 299 Abs. 1 BAO aufgehoben werde. In der Begründung wenden sich die
steuerlichen Vertreter der Bf. gegen die Rechtsmeinung des Finanzamtes, wonach die
Toleranzregelung des § 217 Abs. 5 BAO wegen einer früheren Säumnis nicht angewendet
werden könne. Eine derartige Auslegung sei gemessen an der Textierung des im
Folgenden wiedergegebenen Beispiels unter Rz 969 RAE nicht zulässig: "Am 2. April
war der Abgabenpflichtige säumig; die nächste Säumnis dürfte, um den Tatbestand der
ausnahmsweisen Säumnis zu erfüllen, erst am 3. Oktober eintreten."
Im vor dem BFG anhängigen Beschwerdeverfahren betreffend die mit Bescheid vom
10. Dezember 2012 festgesetzten Säumniszuschläge seien die am Donnerstag, dem
15.11.2012, fälligen Zahlungen erst am Mittwoch, dem 21.11.2012, gutgeschrieben
worden. Rechtzeitig (inklusive Wochendende und Respirotage) wäre Dienstag, der
20.11.2012, gewesen. Die Bf. sei also erst am 21.11.2012 säumig gewesen (dies
entspreche im obig angeführten Beispiel dem 02.04.); die Säumnis sei an diesem Tag
eingetreten und habe auch nur diesen einen Tag umfasst.
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Im aktuellen Beschwerdefall seien die am Mittwoch, dem 15.05.2013, fälligen Zahlungen
am Mittwoch, dem 22.05.2013, gutgeschrieben worden. Rechtzeitig (inklusive
Wochenende, Feiertag und Respirotage) wäre Dienstag, der 21.05.2013, gewesen. Die
wiederum bloß eintägige Säumnis sei somit am 22.05.2013 eingetreten (dies entspreche
im obig angeführten Beispiel dem 03.10).
Der 21.11.2012 (an diesem Tag sei die erste Säumnis eingetreten) plus sechs Monate
ergebe den 21.05.2013. Dies bedeute, dass die zweite Säumnis, um den Tatbestand der
ausnahmsweisen Säumnis zu erfüllen, bei analoger Anwendung der Richtlinien frühestens
am 22.05.2013 eintreten dürfe. Tatsächlich liege die nunmehrige, antragsgegenständliche
Säumnis der Bf. somit auf den Tag genau, außerhalb der Sechs-Monats-Frist.
Der Vollständigkeit halber werde überdies angemerkt, dass Wochenenden, Feiertag
und Respirotage bei der Fünf-Tages-Frist gemäß § 217 Abs. 5 BAO zu berücksichtigen
seien, d.h. die Frist verlängern (vgl. § 217 Abs. 5 letzter Satz BAO sowie RAE Rz 962 und
Rz 964).
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 20. März 2014 wurde die Beschwerde unter
Wiedergabe der maßgeblichen Normen mit der Begründung abgewiesen, § 217 Abs. 5
BAO beziehe sich auf den Fälligkeitstag und nicht auf den Tag der Gutschrift des
Abgabenbetrages und davon gehe auch das Berechnungsbeispiel in Rz 969 der RAE
aus. Die dem im gegenständlichen Beschwerdefall den Säumniszuschlägen zugrunde
liegenden Abgaben - Umsatzsteuer 03/2013, Werbeabgabe 03/2013, Lohnsteuer
04/2013 und Dienstgeberbeitrag 04/2013 - hätten den Fälligkeitstag 15.05.2013. Unter
Berücksichtigung der dreitägigen Respirofrist gemäß § 211 leg. cit. wäre somit eine
Gutschrift auf dem Konto des Finanzamtes Feldkirch spätestens am 21.05.2013 noch
rechtzeitig gewesen. Da die Gutschrift auf dem Konto der empfangsberechtigten Kasse
erst am 22.05.2013 erfolgte sei und § 217 Abs. 5 BAO nicht angewendet werden könne,
liege eine Säumnis vor. In diesem Zusammenhang werde auf RAE, Rz 963, verwiesen.
5
Verwiesen werde zudem auf Ritz, BAO , § 217. Danach setze eine ausnahmsweise
Säumnis iSd § 217 Abs. 5 BAO voraus, dass auf einem Abgabenkonto die Säumnis
nicht mehr als fünf Tage betrage und innerhalb der letzten Monate vor Säumnis alle
Abgabenschuldigkeiten zeitgerecht entrichtet worden seien.
Grundsätzlich sei festzuhalten, dass § 211 Abs. 2 leg. cit. für bestimmte
Entrichtungsformen eine Respirofrist von drei Tagen vorsehe. Erfolge die Gutschrift
innerhalb dieser Frist (und somit verspätet), bleibe die Verspätung ohne Rechtsfolgen.
Sinn dieser Bestimmung sei keineswegs die Einräumung einer weiteren Frist zur
Abgabenentrichtung. Vielmehr sei der Gesetzgeber erkennbar davon ausgegangen,
dass die Bearbeitung von Banküberweisungen längere Zeit im Anspruch nehmen könne.
Im Fall der Entrichtung der Abgabenschuldigkeit mittels Banküberweisung gehe jedoch
das Risiko einer mehr als drei Tage (unter Einrechnung von Samstagen, Sonntagen,
gesetzlichen Feiertagen, Karfreitag und 24. Dezember) späteren Gutschrift zu Lasten des
Abgabenschuldners (siehe dazu Doralt/Ruppe, Steuerrecht II, 2. Auflage, S. 190).
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Gesamthaft werde festgestellt, dass zur Fälligkeit 15.05.2013 eine verspätete Entrichtung
vorliege und die Tolerenzregelung gemäß § 217 Abs. 5 BAO wegen einer früheren
Säumnis nicht angewendet werden könne.
Mit Schriftsatz vom 17. April 2014 beantragte die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung
die Vorlage der Beschwerde an das BFG. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass
das Beschwerdevorbringen - wonach eine den Richtlinien der Abgabenerhebung (RAE)
entsprechende Handhabung der Sechs-Monats-Frist des § 217 Abs. 5 BAO nicht zur
Feststellung einer schädlichen Vorsäumnis führen würde und sohin der angefochtene
Bescheid gemäß der Toleranzregelung der zitierten Vorschrift aufzuheben sei - in der
Beschwerdevorentscheidung nicht entsprechend gewürdigt worden sei.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die den Säumniszuschlägen zugrunde
liegenden, am 15.05.2013 fällig gewordenen Abgabenschuldigkeiten (Umsatzsteuer
03/2013, Dienstgeberbeitrag 04/2013, Lohnsteuer 04/2013 und Werbeabgabe
03/2013) erst am 22.05.2013 beglichen wurden. Strittig ist jedoch, ob wegen
Vorliegens einer ausnahmsweisen Säumnis iSd § 217 Abs. 5 BAO die Festsetzung
eines Säumniszuschlages zu unterbleiben hat. Geltend gemacht wurde überdies das
Fehlen eines groben Verschuldens an der Säumnis.
Im Anlassfall sind folgende Normen maßgeblich:
Gemäß § 217 Abs. 1 BAO sind für Abgaben, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs.
2 lit. d), die nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werden, Säumniszuschläge zu
entrichten. Gemäß Abs. 2 der zitierten Norm beträgt der erste Säumniszuschlag 2% des
nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.
Gemäß § 217 Abs. 5 BAO entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung eines
Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage
beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der
Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener
der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird,
zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage,
gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie
beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 und 3 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist.
Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind Säumniszuschläge auf Antrag des Abgabepflichtigen
insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein
grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften
selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der
Selbstberechnung vorliegt.
Gemäß § 211 Abs. 1 lit. d BAO gelten Abgaben bei Überweisung auf das Postscheckkonto
oder ein sonstiges Konto der empfangsberechtigten Kasse am Tag der Gutschrift als
entrichtet.
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Erfolgt gemäß § 211 Abs. 2 BAO in den Fällen des Abs. 1 lit. c die Auszahlung oder
Überweisung durch das Abgabepostamt oder in den Fällen des Abs. 1 lit. d die Gutschrift
auf dem Postscheckkonto oder dem sonstigen Konto der empfangsberechtigten Kasse
zwar verspätet, aber noch innerhalb von drei Tagen nach Ablauf der zur Entrichtung einer
Abgabe zustehenden Frist, so hat die Verspätung ohne Rechtsfolgen zu bleiben; in den
Lauf der dreitägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag
und der 24. Dezember nicht einzurechnen.
Das Vorliegens einer ausnahmsweisen Säumnis iSd § 217 Abs. 5 BAO setzt voraus, dass
die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und alle Abgabenschuldigkeiten innerhalb
der letzten sechs Monate vor der Säumnis zeitgerecht entrichtet wurden. Die erste
Voraussetzung ist im Anlassfall erfüllt, weil die am Mittwoch, dem 15.05.2013, fälligen
Zahlungen dem Finanzamtskonto am Mittwoch, dem 22.05.2013, gutgeschrieben wurden.
Da die Zahlung mittels Überweisung erfolgte und der Bf. somit die dreitägige Respirofrist
des § 211 Abs. 2 BAO zustand, in die Samstag, Sonntag gesetzliche Feiertage nicht
einzurechnen sind (der 18.05.2013 war ein Samstag, der 19.05.2013 war ein Sonntag und
der 20.05.2013 war ein Feiertag), wurden die beschwerdegegenständlichen Abgaben am
ersten Tag der Fünf-Tages-Frist beglichen.
Nach Auffassung der Bf. ist aber auch die zweite tatbestandsmäßige Voraussetzung des
§ 217 Abs. 5 - die zeitgerechte Entrichtung aller Abgabenschuldigkeiten innerhalb der
letzten sechs Monate vor dem Eintritt der gegenständlichen Säumnis - erfüllt. Sie stützt
sich dabei auf das in Rz 969 der Richtlinie des BMF vom 07.11.2014, BMF-010103/0166IV/4/2014 (im Folgenden kurz: RAE) angeführte Beispiel für die Berechnung der
Sechsmonatsfrist.
Rz 969 der RAE lautet auszugsweise: ......"Am 2. April war der Abgabepflichtige säumig;
die nächste Säumnis dürfte, um den Tatbestand der ausnahmsweisen Säumnis zu
erfüllen, erst am 3. Oktober eintreten."
Vorweg ist anzumerken, dass die RAE lediglich einen Auslegungsbehelf zum 6. Abschnitt
der BAO darstellen, mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt aber keine für das
Bundesfinanzgericht beachtliche Rechtsquelle darstellen (VwGH 18.3.1992, 92/14/0019;
VwGH 20.9.1995, 95/13/0011; VwGH 22.9.1999, 97/15/0005; VwGH 28.1.2003,
2002/14/0139). Infolgedessen können aus den RAE auch keine über die gesetzlichen
Bestimmungen hinausgehenden Rechte und Pflichten abgeleitet werden.
Nach Auffassung des BFG darf das in Rz 969 der RAE angeführte Beispiel für die
Berechnung der Sechs-Monats-Frist des § 217 Abs. 5 BAO nicht losgelöst von
§ 211 Abs. 2 leg. cit. betrachtet werden. Danach ist ein Abgabepflichtiger, der eine
Abgabe mittels Überweisung entrichtet, nur dann nicht säumig, wenn der zu zahlende
Betrag spätestens am Fälligkeitstag dem Finanzamtskonto gutgeschrieben wird. Wird
der betreffende Betrag innerhalb von drei Tagen nach Fälligkeit entrichtet, ist der
Abgabenpflichtige zwar säumig, die Säumigkeit führt aber auf Grund der Bestimmung des
§ 211 Abs. 2 BAO nicht zur Festsetzung eines Säumniszuschlages. Auf den Anlassfall
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übertragen bedeutet das, dass die Sechsmonatsfrist des § 217 Abs. 5 BAO wie folgt zu
berechnen ist: Hinsichtlich der am 15.11.2012 fälligen Abgabenschuldigkeiten war die Bf.
am 16.11.2012, einem Freitag, säumig. Der 16.11.2012 entspricht somit dem 2. April im
in der Rz 969 der RAE angeführten Beispiel für die Berechnung der Sechs-Monats-Frist
des § 217 Abs. 5 BAO. Hinsichtlich der am 15.05.2013 fälligen Abgabenschuldigkeiten
war die Bf. am 16.05.2013, einem Donnerstag, säumig. Der 16.05.2013 entspricht somit
dem 3. Oktober im gegenständlichen Beispiel. Der 16.11.2012 (an diesem Tag ist die
erste Säumnis eingetreten) plus sechs Monate ergibt den 16.05.2012. Daher ist die im
Anlassfall eingetretene Säumnis noch innerhalb der Sechs-Monats-Frist des § 217 Abs. 5
BAO eingetreten, weshalb keine ausnahmsweise Säumnis iSd zitierten Norm vorliegt.
Zu prüfen ist im Beschwerdefall überdies, ob der Säumnis grobes Verschulden im
Sinne des § 217 Abs. 7 BAO zugrunde liegt. Dies ist zu bejahen, wenn eine auffallende
und ungewöhnliche Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt, die den Eintritt
des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als entfernt möglich voraussehbar
erscheinen lässt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und
für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen
Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (VwGH 15.5.1997, 96/15/0101, siehe
5
Ritz, BAO , § 217 Tz 43ff und § 308 Tz 13ff). Demgegenüber ist von einem minderen
Grad des Versehens auszugehen, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein
sorgfältiger Mensch begeht. Das Vorliegen bzw. Fehlen groben Verschuldens ist stets
nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. In diesem Sinne ist an rechtskundige
Personen ein strengerer Maßstab anzulegen, als an Rechtsunkundige oder bisher noch
nie an Verfahren beteiligten Personen. War die Versäumung voraussehbar und hätte
sie durch ein dem Antragswerber zumutbares Verhalten abgewendet werden können,
dann wird dies als auffallend sorglos zu beurteilen sein und der Stattgabe des Antrages
entgegenstehen (vgl. etwa VwGH 6.10.1994, 93/16/0075).
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (siehe dazu zB
VwGH 24.4.1996, 94/13/0020; VwGH 22.3.2000, 99/13/0264), ist Sinn der Bestimmung
des § 211 Abs. 2 BAO - also die Gewährung einer Respirofrist von drei Tagen für
bestimmte Entrichtungsformen - nicht die Einräumung einer weiteren Frist zur
Abgabenentrichtung. Vielmehr ist der Gesetzgeber erkennbar davon ausgegangen, dass
die Bearbeitung von Banküberweisungen längere Zeit in Anspruch nehmen kann. Nach
Auffassung des unabhängigen Finanzsenates (siehe dazu zB UFS 2.1.2007, RV/2616W/06; UFS 7.11.2007, RV/0104-L/07; UFS 2.10.2008, RV/0068-S/08; UFS 3.10.2008,
RV/3101-W/07), von dessen Rechtsmeinung abzugehen das Bundesfinanzgericht keine
Veranlassung sieht, handelt somit ein Abgabepflichtiger, der systemwidrig die Respirofrist
als eine Art verlängerter Entrichtungsfrist erachtet und deshalb Überweisungen
grundsätzlich erst nach den gesetzlichen Fälligkeitsterminen durchführen lässt, jedenfalls
auffallend sorglos.
Die Bf. hat an Hand von Unterlagen den Beweis erbracht, dass hinsichtlich
der den Säumniszuschlägen zugrunde liegenden, jeweils am 15.05.2013 fällig
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gewordenen Abgabenschuldigkeiten am 17.07.2013, dem zweiten Respirotag, online
eine Überweisung an das Finanzamt Feldkirch getätigt wurde. Weiters wurde bewiesen,
dass die beauftragte Bank die Überweisung via Clearing Service Austria (CSA) am selben
Tag der empfangenden Bank zugestellt hat und eine Gutschrift beim Empfänger mit
Valuta 21.05.2013 (einem Dienstag, dem dritten Respirotag) vorgesehen war, aufgrund
eines technischen Fehlers bei der empfangenden Bank die Gutschrift jedoch erst
am 22.03.2013 dem Finanzamtskonto gutgeschrieben wurde. Diese als feststehend
erachteten Tatsachen können dem Antrag gemäß § 217 Abs. 7 BAO aber dennoch nicht
zum Erfolg verhelfen, weil - wie obig dargelegt - die Vorgangsweise einer Terminisierung
der Überweisungsaufträge jeweils nach Ablauf der gesetzlichen Fälligkeitstermine als
mit den Intentionen des Gesetzgebers nicht im Einklang stehend gewertet wird. Die Bf.
nimmt dadurch eine für Fälle einer verzögerten Überweisung durch die Bank gedachte
Frist systemwidrig für Zwecke einer verlängerten Entrichtungsfrist in Anspruch und
infolgedessen das Risiko einer Entrichtung nach Ablauf der Respirofrist in Kauf. Mit
einer solchen Handlungsweise wird die für die Einhaltung von Fristen und Terminen
zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen, weshalb diese als grob fahrlässig anzusehen
ist.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie
von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt,
insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der
bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet
wird.
Die Berechnung der Sechs-Monats-Frist des § 217 Abs. 5 BAO ergibt sich unmittelbar
aus § 217 Abs. 5 leg. cit. iVm § 211 Abs. 2 leg. cit.. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung wird dadurch nicht berührt, eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.
Gesamthaft war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Feldkirch, am 31. Juli 2015
Seite 8 von 8
30.06.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
30.06.2015
Geschäftszahl
2012/15/0165
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser
sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein des Schriftführers
Mag. Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des R M in V, vertreten durch die KPMG Wirtschaftsprüfungs- und
Steuerberatung GmbH in 1090 Wien, Porzellangasse 51, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenats,
Außenstelle Feldkirch, vom 30. Juni 2012, Zl. RV/0070-F/12, betreffend Sicherstellungsauftrag gemäß
§ 232 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In Folge der Feststellungen einer Außenprüfung gemäß § 147 BAO iVm § 99 FinStrG ordnete das
Finanzamt mit Bescheid gemäß § 232 BAO die Sicherstellung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2005
bis 2010 in Höhe von 11.416.418,25 EUR in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des
Beschwerdeführers an.
Begründend wurde vorgebracht, die sicherzustellenden Abgabenansprüche seien auf Grund nachstehender
Sachverhalte entstanden und wie folgt ermittelt worden: Laut Firmenbuch seien der Beschwerdeführer und seine
ehemalige Gattin an der 1995 gegründeten - im Bereich der Werbung und des Marketing tätige M Werbung GmbH mit Sitz in Vorarlberg bis zum 30. Juni 1999 zu je 50% beteiligt gewesen. Vom 1. Juli 1999
bis zum 6. Juni 2003 habe die Beteiligung des Beschwerdeführers 100% betragen. Ab dem 7. Juni 2003 habe er
26% der Firmenanteile innegehabt und die in Österreich ansässige R Privatstiftung 74%. Stifter und Begünstigter
der R Privatstiftung sei der Beschwerdeführer. Dieser sei auch bis zum 26. Juni 2009 Alleingeschäftsführer der
M Werbung GmbH gewesen.
Zudem sei der Beschwerdeführer Begünstigter der C Stiftung mit Sitz in Liechtenstein, die er laut
schriftlicher Stellungnahme seines steuerlichen Vertreters am 17. März 1998 treuhändig habe errichten lassen.
Die C Stiftung halte sowohl 100% der Anteile der in Liechtenstein ansässigen M Werbung AG als auch 100%
der Anteile der ebenfalls in Liechtenstein ansässigen S Anstalt.
Mit Rechnung vom 1. September 1998 habe die M Werbung GmbH an die M Werbung AG einen
Firmenwert um 8 Millionen Schilling (581.382,67 EUR) veräußert. Der Leistungsinhalt sei in der Rechnung wie
folgt beschrieben worden: "Für die Bereitstellung des (Beschwerdeführers) als Key Account verrechnen wir
Ihnen einen einmaligen Firmenwert in Höhe von ATS 8.000.000,00".
In der Folge sei am 2. September 1998 zwischen den verbundenen Unternehmen M Werbung AG und
S Anstalt ein Treuhandvertrag abgeschlossen worden. Laut diesem Vertrag werde die M Werbung AG von der
S Anstalt mit der treuhändigen Abwicklung der Aufträge eines Großkunden betraut, wofür ihr gemäß Pkt. 5.3.
des Vertrages 22% der Zahlungen des Kunden an die M Werbung GmbH mittels Gutschrift weiterzuleiten seien.
Überdies sei auf Basis des mit 1. September 1998 datierten Veräußerungsvorganges am 3. September 1998
ein Kooperationsvertrag betreffend den Großkunden zwischen den verbundenen Unternehmen
M Werbung GmbH und M Werbung AG abgeschlossen worden. Danach werde die M Werbung AG von der
M Werbung GmbH mit der Erstellung eines Werbe- und Marketingkonzeptes sowie mit der Durchführung der
Werbe- und Marketingmaßnahmen beauftragt. Für diese Dienstleistung habe die Auftraggeberin
www.ris.bka.gv.at
Seite 1 von 10
Verwaltungsgerichtshof
30.06.2015
(M Werbung GmbH) der Auftragnehmerin (M Werbung AG) 25% der Zahlungen des Kunden mittels Gutschrift
weiterzuleiten. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt (von 1998 bis 2010) habe die M Werbung GmbH
Aufwendungen in der Höhe von mehr als 76 Millionen Euro verbucht, denen der verbuchte Key-Account-Erlös
"Firmenwert" (581.382,67 EUR) gegenüberstehe.
In den Abgabenverfahren bis einschließlich 2008 seien die Leistungsverrechnungen zwischen der
M Werbung GmbH und der M Werbung AG erklärungsgemäß veranlagt worden.
Nunmehr vertrete das Finanzamt jedoch die Auffassung, dass der dargestellte Sachverhalt aufgrund der
verbundenen Unternehmensstruktur unter dem Aspekt des Fremdvergleiches und unter Berücksichtigung der
internationalen Aspekte wie folgt zu beurteilen sei:
Die die Grundlage für die gegenständliche Leistungsverrechnung bildende Veräußerung des
"Firmenwertes" - also die Bereitstellung des Beschwerdeführers als Key-Account von der M Werbung GmbH an
das verbundene Unternehmen M Werbung AG entspreche nicht den Anforderungen des Fremdvergleiches.
Erfolge die Veräußerung eines als "Firmenwert" bezeichneten unkörperlichen Wirtschaftsgutes, welches als
"Key-Account" bzw. "Know how" des Gesellschafter-Geschäftsführers (also des Beschwerdeführers) dargestellt
werde, sei erforderlich, dass der konkrete Leistungsinhalt des Verkaufes dargestellt werde. Die
Leistungsbeschreibung müsse in einem solchen Maße konkret sein, dass die Einschätzung des genauen
Marktwertes des veräußerten Wirtschaftsgutes möglich sei und in der Folge auch beurteilt werden könne, ob ein
fremder Dritter jene Gegenleistung zu erbringen bereit gewesen wäre, die vom verbundenen Unternehmen
erbracht worden sei. Einer besonders exakten Leistungsbeschreibung bedürfe es, wenn der Vertragsgegenstand
in der Veräußerung einer schwer fassbaren Leistung wie im gegenständlichen Fall des "Key-Account" bzw. des
"Know how" bestünde. Gegenständlich sei zwischen den verbundenen Unternehmen weder eine klare inhaltliche
Konkretisierung des Veräußerungsgegenstandes "Key-Account" erfolgt, noch sei der verrechnete Wert bzw. die
Wertermittlung nachvollziehbar bzw. dokumentiert. Aus der Sicht des Finanzamtes entspreche daher der
Veräußerungsvorgang mit Rechnung vom 1. September 1998 nicht den seitens der höchstgerichtlichen Judikatur
für Rechtsgeschäfte unter Angehörigen gestellten Anforderungen und wäre daher in dieser Form unter Fremden
nicht abgeschlossen worden.
Auch der in weiterer Folge auf Basis dieses Veräußerungsvorganges am 3. September 1998 abgeschlossene
Kooperationsvertrag betreffend den Großkunden sei allgemein gehalten und konkretisiere die Vertragsinhalte zur
Leistungserbringung zwischen den verbundenen Unternehmen M Werbung GmbH und M Werbung AG nicht in
einer zwischen Fremden üblichen Weise. Überdies werde das Entgelt für Dienstleistungsvergütungen, die auch
bei verbundenen Unternehmen mit internationalem Bezug eine strukturierte Leistungsbeschreibung und
Zuordnung erfordern würden, in der Regel nicht als fixer Prozentsatz eines Auftragsvolumens ermittelt, während
laut Kooperationsvertrag als Auftragsvergütung pauschal 25% des Auftragsvolumens zu zahlen sei. Schließlich
fehle für den Auftragsinhalt "know how" zudem ein Vertragspassus, wonach sämtliche Ansprüche, Rechte und
Werte aus der Vertragserfüllung auf die Auftraggeberin (M Werbung GmbH) übergingen, wie dies bei
Vereinbarungen zwischen Fremden üblicherweise vorgesehen sei.
Der der Leistungsverrechnung zu Grunde liegende Veräußerungsvorgang "Firmenwert" ("Key Account")
stelle ein Scheingeschäft gemäß § 23 BAO dar und sei für die Erhebung von Abgaben ohne Bedeutung. Das
betreffende Veräußerungsgeschäft erfülle mangels fremdüblicher Konkretisierung des "Firmenwertes" dem
Grunde und der Höhe nach und mangels Leistungserbringung durch die M Werbung AG die
Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 BAO, weil zwischen den Vertragspartnern offensichtlich überhaupt keine
Firmenwertveräußerung beabsichtigt gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass die Gesamtkonstruktion unter
Einbeziehung einer Steueroase (Liechtenstein) ausschließlich gewählt worden sei, um eine Verminderung der
Besteuerungsgrundlagen zum Nachteil der österreichischen Steuerbehörde zu bewirken. Es werde festgehalten,
dass auch bis dato bei sämtlichen Verträgen mit dem Großkunden die M Werbung GmbH Vertragspartner sei.
Die der Aufwandverrechnung zugrundeliegenden Verträge (Kooperationsvertrag zwischen der
M Werbung GmbH und der M Werbung AG vom 3. September 1998 und Treuhandvertrag zwischen der
S Anstalt und der M Werbung AG vom 2. September 1998 bzw. die "Firmenwert"-Veräußerung der
M Werbung GmbH an die M Werbung AG mit Rechnung vom 1. September 1998) stellten Umgehungsgeschäfte
dar, die nur zum Schein als Grundlage für Betriebsausgaben abgeschlossen worden seien. Die von der
M Werbung GmbH an die M Werbung AG geleisteten Zahlungen seien als verdeckte Gewinnausschüttung an
den Beschwerdeführer, den tatsächlichen Machthaber der "verbundenen M-Unternehmen", zu beurteilen: Neben
der objektiven Tatbestandvoraussetzung der überhöhten Aufwendungen der M Werbung GmbH bedingt durch
nicht fremdübliche und fiktive Aufwandsverrechnungen sei auch das subjektive Tatbild durch die Umsetzung
und Abwicklung durch den Beschwerdeführer verwirklicht. Dieser sei Machthaber der gesamten
Unternehmensstruktur M (insbesondere M Werbung GmbH, M Werbung AG und S Anstalt) und erfülle als
verantwortlicher Entscheidungsträger das subjektive Tatbestandselement der verdeckten Gewinnausschüttung.
Die Kapitalertragsteuer gemäß § 27 iVm § 95 Abs. 1 EStG werde auf Basis von § 95 Abs. 5 EStG 1988 mittels
Abgabenbescheid gemäß § 201 BAO direkt vorgeschrieben werden, wobei Bemessungsgrundlage der als "KeyAccount" bezeichnete Aufwand bei der M Werbung GmbH sei.
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Um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung zu begegnen, könne die
Abgabenbehörde nach Entstehung des Abgabenanspruches bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit einen
Sicherstellungsauftrag erlassen.
Der Beschwerdeführer, der laut Firmenbuch bis zum 26. Juni 2009 als Gesellschafter-Geschäftsführer der
M Werbung GmbH tätig gewesen sei und nunmehr mittelbarer Gesellschafter sei, habe seinen bisherigen
österreichischen Wohnsitz bereits mit 20. Juni 2011 aufgegeben und sei nach Liechtenstein verzogen. Da dort
auch die Lebenspartnerin des Beschwerdeführers mit dem gemeinsamen Sohn wohnhaft sei, sei von einer
dauerhaften Verlagerung des Lebensmittelpunktes ins Ausland auszugehen. Zudem werde der Beschwerdeführer
ab 1. Juli 2011 keine Einkünfte mehr in Österreich erzielen, weil sowohl ein bisheriges Dienstverhältnis beendet
als auch seine selbstständige Tätigkeit für die M Werbung GmbH per Ende Juni 2011 eingestellt worden sei. Die
Einkünfte aus Gewerbetrieb seien schon bisher aus Liechtenstein zugeflossen.
Die dargestellte Unternehmenskonstruktion zeige, dass der Beschwerdeführer als (mittelbarer)
Gesellschafter der M Werbung GmbH wesentliche Verflechtungen ins angrenzende Ausland besitze und daher
die Möglichkeit in Betracht zu ziehen sei, dass bereits vorhandenes Vermögen bzw. der gesamte
Betriebsstandort der M Werbung GmbH ins Ausland verlagert werde und so dieses Vermögen dem Zugriff der
Abgabenbehörde zur Deckung von Abgabenschulden entzogen sei. Im Rahmen des abgabenbehördlichen
Ermittlungsverfahrens sei diesbezüglich zudem bekannt geworden, dass der Beschwerdeführer für ein in
Gründung befindliches Unternehmen in der Schweiz eine Bürofläche von ca. 300 m2 anmieten wolle.
Mangels österreichischer Einkünfte und inländischen Wohnsitzes stünden dem österreichischen Fiskus auch
keine Einkunftsquellen zur Abdeckung bereits entstandener Abgabenansprüche mehr zur Verfügung. Dies wiege
umso schwerer, als mit Liechtenstein kein Vollstreckungsabkommen bestehe. In Österreich sei zwar
Immobilienvermögen vorhanden, dieses reiche aber zur Deckung der bereits entstandenen Abgabenforderungen
insbesondere deshalb nicht aus, weil dieses zum Teil mit Pfandrechten belastet sei. Überdies habe der
Beschwerdeführer seine tatsächlichen Vermögensverhältnisse - insbesondere Auslandskonten und Vermögen im Ausland bisher nicht offengelegt. Da zudem auch ein Verdacht der Abgabenverkürzung bestünde, sei
insgesamt davon auszugehen, dass eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der
gegenständlichen Abgabenansprüche vorliege, der nur durch die sofortige Erlassung eines
Sicherstellungsauftrages entgegengetreten werden könne.
Gegen diesen Sicherstellungsbescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und beantragte dessen
ersatzlose Aufhebung. Begründend führte er aus, er wende sich gegen den vom Finanzamt angenommenen
Sachverhalt ("Key-Account"-Übertragung als Scheingeschäft sowie von der M Werbung GmbH an die
M Werbung AG gezahltes Entgelt für "Key-Account" als verdeckte Gewinnausschüttung), und die daraus
abgeleitete Folge des Entstehens eines KESt-Anspruches dem Grunde nach.
Wie nachweislich aus der der Großbetriebsprüfung am 10. Juni 2011 übermittelten Funktions- und
Risikoanalyse hervorgehe, existiere innerhalb der M Gruppe eine klare Aufgabenteilung. Danach sei die
M Werbung AG grundsätzlich für die Akquisition von Aufträgen und das Halten der Kundenbeziehung
verantwortlich, während die M Werbung GmbH diese Aufträge operativ abarbeite. Es könne daher nicht
nachvollzogen werden, weshalb eine tatsächlich von allen involvierten Rechtsträgern gelebte
Aufgabenaufteilung ein Scheingeschäft im Sinne des § 23 BAO sein sollte. Maßgeblich sei bei einem
Scheingeschäft die "Existenz des tatsächlich Gewollten". Seien die Rechtsfolgen aber genauso beabsichtigt
gewesen, wie sie in den Dokumenten stünden und letztlich auch gelebt worden seien, könne dem Grunde nach
kein Scheingeschäft vorliegen.
Nicht nachvollzogen werden könne auch die Feststellung des Finanzamtes, wonach durch die Key-AccountÜbertragung an die M Werbung AG keine Änderungen eingetreten seien, weil die M Werbung GmbH weiterhin
sämtliche operativen Leistungen für den Großkunden erbringe. Der Großbetriebsprüfung sei schon mehrfach
nachvollziehbar dargetan worden, dass es für den Großkunden Bedingung gewesen sei, die operativen
Leistungen von einer EU-Adresse aus erbracht und fakturiert zu erhalten. Einzig deshalb sei der diese
Zuständigkeit festlegende Kooperationsvertrag zwischen der M Werbung AG (= Auftragsakquisiteur hinsichtlich
des Auftrages betreffend diesen Großkunden) und der M Werbung GmbH (= abarbeitende Einheit hinsichtlich
des Auftrages betreffend diesen Großkunden) geschlossen worden, während gleichzeitig die M Werbung GmbH
gegenüber dem Großkunden als Auftragnehmer auftrete - aus dieser Sicht sei sie gegenüber der M Werbung AG
formal Auftraggeber für die Akquisition.
Vor diesem Hintergrund sei nicht verständlich, weshalb das Finanzamt den Vertretungs- und
Kooperationsvertrag als reines Umgehungsgeschäft (offenbar also auf § 22 BAO basierend) zur Konstruktion
künstlicher Betriebsausgaben ansehe. Eine solche Annahme würde die gelebte wirtschaftliche Realität ignorieren
(vor dessen Hintergrund der Vertretungs- und Kooperationsvertrag weder umständlich noch ungewöhnlich sei),
um damit ohne weitere Begründung mit der Floskel "Umgehung/Missbrauch" einer sichtlich fiskalunliebsamen
Steuergestaltung die Wirksamkeit abzuerkennen. Als sachverhaltsmäßige Begründung für einen
Sicherstellungsbescheid sei dies aber nicht ausreichend.
In einer am 20. Juni 2011 an die Großbetriebsprüfung übermittelten Stellungnahme sei dargelegt worden,
dass die M Werbung AG von Beginn an eine operative Einheit und damit weder Sitz- noch
Briefkastengesellschaft gewesen sei und dass die M Werbung AG aufgrund des Kaufvertrages vom
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1. September 1998 die Key-Account-Aktivität des Beschwerdeführers für einen Kaufpreis von 8 Mio Schilling
(581.382,67 EUR) erworben habe.
Ob der Kaufpreis von 8 Mio Schilling (581.382,67 EUR) angemessen gewesen sei oder nicht, sei für die
Frage des Überganges der Einkunftsquelle "Key-Account" von der M Werbung GmbH zur M Werbung AG so
lange nicht von Bedeutung, als diese Übertragung im September 1998 tatsächlich stattgefunden habe. Die Höhe
des Entgelts für den Übergang des "Key-Accounts" sei ein Bewertungs- und Besteuerungsproblem des
Jahres 1998, aber kein Indikator für den tatsächlichen Übergang des "Key-Account" von der M Werbung GmbH
auf die M Werbung AG. Der tatsächliche Übergang des "Key-Account" könne sich nur aus der gelebten Realität
sowie aus Zeugenaussagen ergeben.
Verwiesen werde auch auf das der Berufung beigelegte Gutachten einer Marketingsachverständigen zu den
Marktusancen beim Key-Account-Management, welches der Großbetriebsprüfung bereits am 21. Juli 2011
vorgelegt worden sei. Darin werde erläutert, was "Key-Account-Management" bei Marketing und PR-Agenturen
grundsätzlich bedeute, welche Entlohnungsformen in der Praxis vorkämen und in welcher Bandbreite (in
Abhängigkeit vom Umfang der beauftragten Leistungen) sich Entlohnungen für den "Key-Account" für die
Weiterreichung eines akquirierten Auftrages an eine abarbeitende Werbeagentur bewegen würden.
Vor diesem Hintergrund sei es mehr als unverständlich, wenn das Finanzamt lapidar und ohne Begründung
ausführe, dass Dienstleistungsvergütungen als fixer Prozentsatz des Auftragsvolumens nicht fremdüblich seien.
Diese Aussage zeuge von Branchenunkenntnis des Finanzamtes und hätte durch Studium des obig angeführten
Gutachtens, durch einen Fragenvorhalt an die Gutachterin oder die Beiziehung eines Amtssachverständigen für
Marketing bereinigt werden können.
Die zwischen der M Werbung AG und der M Werbung GmbH vereinbarte "Umsatzquote" von 25% des
Auftragsvolumens liege nach der Beurteilung der Sachverständigen in der Bandbreite und könne daher auch der
Höhe nach nicht als unangemessen oder fremdunüblich angesehen werden. Auch nach Aussage der Finanzprüfer
in den bisherigen abgabenrechtlichen Prüfungen der M Werbung GmbH verbleibe der M Werbung GmbH im
Vergleich mit anderen Werbeagenturen, nachweislich der Verprobung mit der "cost-plus"- Methode, sogar ein
überproportional großer Teil des Ertrages.
Da sowohl das Entlohnungsmodell "Key-Account" dem Grunde nach in der konkreten Branche üblich sei
und die Höhe innerhalb der durch die Marketingsachverständige festgestellten Bandbreite liege, könne der
Rechtsmeinung, die "Key-Account"-Vereinbarung sei dem Grunde und der Höhe nach fremdunüblich, nicht
gefolgt werden. Die Fremdüblichkeit von Verträgen sei jedenfalls nicht nach der Dicke des Vertragswerkes
(Vergleich Vertrag mit dem Großkunden gegenüber mit innerhalb der M Gruppe geschlossenen Verträgen) zu
bemessen, sondern nach den in der Praxis für vergleichbare Sachverhalte mit ungefähr denselben Inhalten
abgeschlossenen Verträgen. Dabei sei die Behörde verpflichtet, im Fall der Unkenntnis der
Branchengepflogenheiten diese von Amts wegen festzustellen.
Wie die Marketingsachverständige in ihrem Gutachten ausgeführt habe, seien hohe Umsatzquoten (von im
Einzelfall bis zu 40%) für einen Key-Accounter anlässlich der Weiterreichung eines akquirierten Großauftrages
keine Seltenheit in der Marketingbranche, wobei die wesentliche Leistung des Key-Accounters im Erlangen des
Auftrages und im Halten des Auftrages gegenüber dem Kunden bestünde. Selbst wenn der Key-Accounter
darüber hinaus keine gesonderten Leistungen erbrächte, würden in der Marketing-Branche unter fremden Dritten
derartige Umsatzquoten bezahlt.
Die betreffenden Honorare seien von der Logik her Pauschalhonorare für eine abarbeitende Einheit bzw.
eine essentielle Leistung. Daher würden auch unter fremden Dritten keine exakten Leistungsaufzeichnungen
(wie bei einer Abrechnung von Steuerberatern auf Stundenbasis) geführt. Vielmehr würden die durch die
Umsatzquote angefallenen Kosten durch betriebswirtschaftliche Schlüsselung im Rahmen der Kostenrechnung
auf jene in einem Geschäftsjahr angefallenen Projekte umgelegt, die durch die Auftragsweiterreichung seitens
des Key-Accounters erlangt worden seien.
Es werde zudem nochmals ausdrücklich betont, dass es sich bei Key-Account-Leistungen nicht um
irgendwelche nach Stunden oder "Manntagen" abzurechnenden Standard-Routineleistungen handle, die
theoretisch von jedem im Marketingbereich einschlägig versierten Rechtsträger erbracht werden könnten,
sondern um Leistungen mit extrem hohem Wert für den Abarbeiter, die letztlich realistischer Weise gar nicht in
"Manntagen" ausdrückbar seien.
Nach der Rechtsprechung liege eine Grenze derartiger branchenüblicher Vereinbarungen gerade im
grenzüberschreitenden Kontext nur dort, wo durch Kooperationsvereinbarungen der gesamte Gewinn der
abarbeitenden Einheit abgesaugt werde; das sei aber gegenständlich nachweislich nicht der Fall. Vielmehr hätten
die bei der Prüfung der M Werbung GmbH tätigen Finanzprüfer ausdrücklich bestätigt, dass erstens verglichen
mit anderen Unternehmen der Werbebranche, die übernommene Aufträge abarbeiteten, ein überproportional
hoher Gewinn bei der M Werbung GmbH verbleibe und zweitens die mit der Finanzverwaltung vereinbarte
"Kontrollrechnung" ("cost plus 15%") stets übererfüllt worden sei.
Abschließend werde betont, dass die ab 1998 geplante Vorgangsweise vorab mit der Finanzverwaltung
besprochen worden sei und in der Folge zwei abgabenrechtliche Prüfungen stattgefunden hätten, ohne dass der
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Vorwurf der fremdunüblichen Ausgestaltung erhoben worden sei. Die Wertung der gesamten Konstruktion als
fremdunüblich würde daher auch gegen den Treu-und-Glauben-Grundsatz verstoßen.
Hinsichtlich des unterstellten Zuflusses einer verdeckten Gewinnausschüttung beim Beschwerdeführer
werde auf die beiliegende, als Bestandteil dieser Berufung anzusehende schriftliche Stellungnahme verwiesen. In
dieser werde die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung dem Grunde und der Höhe nach widerlegt.
Widerlegt werde auch die faktische Machthaberposition des Beschwerdeführers sowohl über den
österreichischen als auch über den liechtensteinischen Zweig der M Gruppe sowie der Zufluss (§ 95 Abs. 4 Z 4
EStG 1988) einer verdeckten Gewinnausschüttung beim Beschwerdeführer, welcher notwendige Voraussetzung
einer KESt-Festsetzung sei. Mangels eines zweifelsfreien Bestands einer KESt-Schuld des Beschwerdeführers
seien somit die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages nicht
gegeben.
Darüber hinaus fehlten die Voraussetzungen für die Erlassung eines Sicherstellungsbescheides auch
deshalb, weil eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringlichkeit von Abgabenschulden beim
Beschwerdeführer nicht vorliege, insbesondere weil sich dessen Vermögenssituation nicht verschlechtert habe.
Auch die unterstellte Betriebsverlegung der M Werbung GmbH finde nicht statt und sei überdies für die KEStSchuld des Beschwerdeführers unbeachtlich. Die Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen des
Beschwerdeführers sei schließlich zwar für die DBA Anwendung steuerlich beachtlich, beeinflusse aber weder
die Ertrags- und Vermögenslage des Beschwerdeführers noch verschlechtere sie die Exekutierbarkeit von dessen
Vermögen.
Aber selbst wenn - entgegen den oben angeführten Argumenten - eine verdeckte Gewinnausschüttung der
M Werbung GmbH an den Beschwerdeführer vorliegen sollte, wäre hinsichtlich der KESt-Vorschreibung an den
Beschwerdeführer das Ermessen im Sinne der § 232 BAO iVm § 20 BAO iVm § 95 Abs. 3 und 5 EStG 1988
falsch ausgeübt worden. So habe das Finanzamt die KESt auf der Basis des § 95 Abs. 5 EStG 1988 direkt dem
Beschwerdeführer vorgeschrieben. Es sei aber eine Ermessensentscheidung, ob die KESt dem Empfänger der
Kapitalerträge oder dem Abzugsverpflichteten (im gegenständlichen Fall der M Werbung GmbH)
vorgeschrieben werde. Dieses Ermessen sei nach Zweckmäßigkeit und Billigkeit auszuüben. Sofern bei einem
der beiden Involvierten (GmbH und Ausschüttungsempfänger) eine Steuerdurchsetzung nicht oder nur mit
großem Aufwand möglich sei, während sie beim jeweils anderen leicht möglich gewesen wäre, dann sei das
Ermessen falsch geübt worden (weil die KESt jenem Rechtsträger vorgeschrieben worden sei, bei dem ein
großer Aufwand bei der KESt-Eintreibung getätigt werden müsse).
Gegenständlich sei im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen worden, dass die gemäß § 95 Abs. 5
EStG 1988 vorgeschriebene KESt beim Beschwerdeführer nur schwerlich einzubringen sei, weshalb mit
Pfändungsbescheiden dessen gesamtes inländisches bewegliches Vermögen gepfändet worden sei.
Zweckmäßiger wäre es gewesen, das Haftungssubstrat der M Werbung GmbH (insbesondere deren unbelastete
Liegenschaft) exekutiv in Anspruch zu nehmen, wie dies vom anwaltlichen Vertreter der M Werbung GmbH,
der zugleich der anwaltliche Vertreter des Beschwerdeführers sei, der Finanzbehörde angeboten worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte sie aus, in
Streit stehe die Rechtmäßigkeit der Erlassung des Sicherstellungsauftrages insbesondere dahingehend, ob
tatsächlich Abgabenansprüche entstanden seien, ob Umstände vorlägen, die die Annahme einer Gefährdung oder
wesentlichen Erschwerung der Einbringung der betreffenden Abgaben rechtfertigten und ob die
Ermessensausübung rechtsrichtig erfolgt sei.
Die M Werbung GmbH sei in den Streitjahren nicht nur alleiniger formeller Vertragspartner des
Großkunden gewesen, einzig dieses Unternehmen sei auch faktisch gegenüber dem Großkunden aufgetreten. Die
betreffenden rechtlichen Gestaltungen - Veräußerung des Key-Account-Managements durch eine vom
Beschwerdeführer beherrschte Gesellschaft an eine andere ebenfalls vom Beschwerdeführer beherrschte
Gesellschaft und zeitgleicher Rückkauf von Key-Account-Management-Leistungen, damit die vertraglichen
Vereinbarungen der M Werbung GmbH gegenüber dem Großkunden erfüllt werden könnten - erschienen einzig
aus Gründen der Steuervermeidung sinnvoll. Auch die an den Vertragsabschlüssen beteiligten, in Liechtenstein
ansässigen Gesellschaften seien zeitgleich im März 1998 gegründet worden. Der Beschwerdeführer könne als
Begünstigter der von ihm treuhändig errichteten und 100% der Anteile der M Werbung AG haltenden,
liechtensteinischen C Stiftung über jene 76.136.769,70 EUR frei verfügen, die die M Werbung GmbH für den
Zukauf der Key-Account-Management-Leistungen in den Streitjahren 1998 bis 2010 aufwenden habe müssen.
Im Rahmen der freien Beweiswürdigung komme die belangte Behörde daher zum Ergebnis, dass die obig
angeführten vertraglichen Vereinbarungen ausschließlich dem Zweck dienten, dem Beschwerdeführer unter
Vermeidung steuerlicher Folgen das wirtschaftliche Eigentum an jenen 76.136.769,70 EUR zu verschaffen, die
in den Streitjahren 1998 bis 2010 den Gewinn der M Werbung GmbH vermindert hätten. Es liege ein
Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes im Sinne des § 22 BAO zur
Vermeidung der für Ausschüttungen an Gesellschafter zu entrichtenden Kapitalertragsteuer vor.
Von einem beherrschenden Einfluss des Beschwerdeführers hinsichtlich der M Werbung GmbH sei
auszugehen, weil er zum Zeitpunkt des Abschlusses der als missbräuchlich erachteten Verträge im Jahr 1998 zu
50% an der Gesellschaft beteiligt und zudem deren Alleingeschäftsführer war. 50% seien von seiner damaligen
Ehefrau gehalten worden, die aufgrund der damals aufrechten Ehe als nahestehende Person zu qualifizieren sei.
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Nach Auflösung der Ehe sei dann auch der 50%ige Anteil der ehemaligen Gattin auf den Beschwerdeführer
übergegangen. Dass zu einem späteren Zeitpunkt 74% der Firmenanteile an eine mittlerweile aufgelöste
österreichische Privatstiftung übergegangen seien, deren Stifter und Begünstigter ebenfalls der
Beschwerdeführer gewesen sei, und in weiterer Folge 100% der Firmenanteile an die M Werbung
Holding GmbH, werde schon deshalb nicht als entscheidend erachtet, weil gerade der Umstand, dass der
Beschwerdeführer seit 22. Dezember 2011 alleiniger Gesellschafter der erwähnten M Werbung Holding GmbH
sei, seine Machtposition innerhalb der M Gruppe unterstreiche.
Ein beherrschender Einfluss des Beschwerdeführers sei auch hinsichtlich der liechtensteinischen
M Werbung AG zu bejahen, weil der Beschwerdeführer nicht nur deren gewerberechtlicher Geschäftsführer,
sondern als Stifter und Begünstigter der C Stiftung zudem als deren mittelbarer Alleingesellschafter zu werten
bzw. als wirtschaftlicher Eigentümer der Gesellschaftsanteile anzusehen sei.
Zu dieser rechtlichen Beurteilung sei die belangte Behörde deshalb gelangt, weil sämtliche Indizien dafür
sprächen, dass es sich bei der in Liechtenstein ansässigen C Stiftung um eine transparente (kontrollierte) Stiftung
handle. So sei der Beschwerdeführer unstrittig alleiniger, uneingeschränkter Begünstigter über das gesamte
Stiftungsvermögen, die Erträgnisse aus diesem Vermögen sowie ein allfälliges Liquidationsergebnis und damit
wirtschaftlich Berechtigter des Stiftungsvermögens im Sinne der Vorschriften des Liechtensteinischen
Sorgfaltspflichtgesetzes 1996. Weiters sei die Stiftung fiduziarisch errichtet worden; formeller Stifter sei also
eine Treuhandgesellschaft gewesen, während der Beschwerdeführer als Treugeber lediglich als wirtschaftlicher
Stifter fungiert habe, sodass von der Existenz eines Mandatsvertrages auszugehen sei. Das Vorliegen eines
Mandatsvertrages sei aber ein wesentliches Indiz dafür, dass das Stiftungsvermögen nicht aus dem
Herrschaftsbereich des Stifters ausgeschieden sei. In einem Mandatsvertrag sei nämlich die Festlegung von
konkreten und verbindlichen Verwaltungskriterien für das Stiftungsvermögen beinahe obligatorisch. Selbst wenn
daher in Stiftungsstatuten weder Widerrufs- noch Änderungsbefugnisse vorgesehen seien, impliziere ein
Mandatsvertrag, für den überdies Schriftlichkeit nach liechtensteinischem Recht nicht zwingend vorgesehen sei,
dass sich der wirtschaftliche Stifter der Verfügungsmöglichkeit über das der Stiftung übertragene Vermögen
nicht begeben habe.
Gegenständlich existiere zwar kein Widerrufsrecht, eine Änderung der Beistatuten bedürfe allerdings der
Genehmigung des Beschwerdeführers. Durch dieses Gestaltungsrecht und auch deshalb, weil einziger
Stiftungszweck neben dem Halten der 100%igen Beteiligungen an der M Werbung AG und der S Anstalt sowie
der Verwaltung der aus diesen Gesellschaften nicht ausgeschütteten Gewinne die Zuwendung von Erträgnissen
des Stiftungsvermögens und/oder die Verteilung von Stiftungsvermögen an den Beschwerdeführer sei, sei von
diesem sichergestellt worden, dass gegen seinen Willen eine Übertragung des Stiftungsvermögens auf eine
andere Person als ihn selbst nicht möglich sei. Hinzu komme, dass neben dem Stiftungsrat ein Familienbeirat als
weiteres Stiftungsorgan existiere, dem als einziges Mitglied der Beschwerdeführer angehöre. Der Familienbeirat
könne laut Beistatut unter anderem auch Zuwendungen aus dem Stiftungsvermögen bzw. seinen Erträgnissen
empfehlen. Dieser "Empfehlung" werde der Stiftungsrat wohl nachkommen müssen, weil Stiftungszweck
Zuwendungen an den Beschwerdeführer als einzigem Stiftungsbegünstigten seien. Die Aussage des
Stiftungsrates, er entscheide nach freiem Ermessen und nicht auf Weisung des wirtschaftlichen Stifters, werde
somit als nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmend erachtet. Es sei auch nicht maßgeblich, dass nach Aussage
des Stiftungsrates bis dato noch keine Ausschüttungen an den Beschwerdeführer erfolgt seien, denn von
Bedeutung sei einzig, ob solche Zuwendungen vom Beschwerdeführer bewirkt werden könnten.
Aus der Sicht der belangten Behörde spreche auch eine näher dargestellte, zum Teil vertragswidrige
Umsetzung der Vertragswerke für die Verwirklichung des Missbrauchstatbestands des § 22 BAO.
Das dargestellte Gesamtkonstrukt sei nicht nur missbräuchlich im Sinne des § 22 BAO, weil sich außer zur
Vermeidung der für Ausschüttungen an Gesellschafter zu entrichtenden Kapitalertragsteuer kein beachtlicher
außersteuerlicher Grund für diese ungewöhnliche Gestaltung finden lasse, sie sei auf Grund der
Widersprüchlichkeit der Verträge und ihrer vertragswidrigen Umsetzung auch fremdunüblich.
Für die gewählte Vertragskonstruktion habe weder eine wirtschaftliche noch vertragliche Notwendigkeit
bestanden und erscheine eine derart unübliche Gestaltung nur aus Gründen der Steuerersparnis sinnvoll. Zudem
bestehe ein beherrschender Einfluss des Beschwerdeführers auf sämtliche, am Abschluss der Verträge beteiligten
Gesellschaften und wäre bei Wegdenken der Machtposition des Beschwerdeführers innerhalb der involvierten
Gesellschaften der gegenständliche Vorgang nicht so abgewickelt worden. Aus diesen Feststellungen habe die
belangte Behörde den Schluss gezogen, dass die beschriebene Vertragskonstruktion nicht nur als fremdunüblich,
sondern auch als missbräuchlich im Sinne des § 22 BAO zu werten gewesen sei. Würden aber die steuerlich
nicht anzuerkennenden Vertragswerke betreffend Veräußerung des Key-Account Managements,
Treuhandvertrag und Kooperationsvertrag weggedacht bzw. würde eine den wirtschaftlichen Vorgängen,
Tatsachen und Verhältnissen angemessene Gestaltung vorgenommen, erfülle die von der M Werbung GmbH in
den Streitjahren vorgenommene Erlöskürzung in Höhe von 25% der Zahlungen des Großkunden (durch Ansatz
von entsprechenden Betriebsausgaben unter dem Titel "Key-Account") das objektive Tatbild der verdeckten
Ausschüttung. Aus der Sicht der belangten Behörde sei auch das subjektive Tatbestandselement einer verdeckten
Gewinnausschüttung verwirklicht, weil die beschriebene Machtposition des Beschwerdeführers den Schluss auf
eine subjektive, auf Vorteilsgewährung gerichtete Willensentscheidung zulasse.
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Keine Relevanz für die Frage, ob auf Grund der erwähnten zivilrechtlichen Vereinbarungen die in Bezug
auf den Großkunden ausgeübte Key-Account-Tätigkeit in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der
M Werbung AG oder der M Werbung GmbH zuzurechnen sei, hätten zudem die vom Beschwerdeführer in
Auftrag gegebenen Privatgutachten einer Sachverständigen für Marketing. So erläutere das erste Gutachten ganz
allgemein den Begriff "Key-Account" im Bereich Marketing und PR-Agenturen und zeige marktübliche
Entlohnungsformen auf. Das zweite Gutachten befasse sich zwar konkret mit den Unternehmen der M Gruppe,
sämtliche darin getätigte Aussagen basierten aber auf der Annahme, dass der Beschwerdeführer seit Gründung
der M Werbung AG im Jahr 1998 ausschließlich für dieses Unternehmen tätig sei. Diese Auffassung werde aber
von der belangten Behörde nicht geteilt, weil ein solches Tätigwerden zumindest in Bezug auf den
gegenständlichen Großkunden im Außenverhältnis nicht zu Tage trete. Aus demselben Grund komme auch dem
Einwand, wonach die M Werbung AG nachweislich weder eine Sitz- noch eine Briefkastengesellschaft, sondern
eine operative Einheit sei, keine Bedeutung zu.
Zur Gefährdung bzw. wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgaben führte die belangte Behörde
aus, der Beschwerdeführer habe mit 20. Juni 2011 seinen bisherigen österreichischen Wohnsitz aufgegeben und
sei nach Liechtenstein verzogen. Seit Beendigung eines Dienstverhältnisses in Österreich und der Aufgabe der
selbstständigen Tätigkeit für die österreichische M Werbung GmbH jeweils mit Ende Juni 2011 erziele er mit
Ausnahme von Alppachteinkünften in Höhe von 1.000 EUR jährlich keine inländischen Einkünfte mehr. Das
Vermögen des Beschwerdeführers in Österreich bestehe aus Liegenschaftsvermögen mit einem Verkehrswert
von 2.750.000 EUR. Im Zuge der Verlegung seines Wohnsitzes nach Liechtenstein habe der Beschwerdeführer
sein Bankkonto aufgelöst, sodass er seit diesem Zeitpunkt auch nicht mehr über Geldforderungen gegenüber
inländischen Banken verfüge.
Aus den Akten sei zu ersehen, dass der Beschwerdeführer gewerbliche Einkünfte aus seiner Tätigkeit als
gewerberechtlicher Geschäftsführer der liechtensteinischen M Werbung AG erziele und über weitere
Vermögenswerte im Ausland, insbesondere in Liechtenstein, verfüge. Die Höhe dieser Einkünfte sowie der Wert
des im Ausland gelegenen Vermögens seien dem Finanzamt nicht bekanntgegeben worden.
Die Aufgabe der Tätigkeiten in Österreich und die Verlagerung des Wohnsitzes nach Liechtenstein hätten
zumindest zu einer wesentlichen Erschwerung der Einbringbarkeit der zu sichernden Abgabenansprüche geführt,
weil mangels eines Vollstreckungsabkommens in Abgabensachen zwischen Österreich und Liechtenstein
lediglich auf das in Österreich verbliebene, zur Befriedigung der Abgabenansprüche nicht annähernd
ausreichende Vermögen gegriffen werden könne. Für die Annahme, dass das Finanzamt zu Recht vom Bestand
eines objektiven sachlichen Bedürfnisses nach rechtzeitiger Deckung der Abgabenansprüche ausgegangen sei,
spreche zudem die Tatsache, dass sowohl der Wohnsitzwechsel und damit verbunden die Auflösung des
inländischen Bankkontos des Beschwerdeführers als auch die Einstellung aller inländischen Tätigkeiten erst
nach Beginn der abgabenbehördlichen Prüfung nach § 99 FinStrG iVm § 147 BAO wegen eines Verdachts der
Abgabenhinterziehung erfolgt seien. Ermöglicht würden dem Beschwerdeführer der Wohnsitzwechsel und die
Weiterführung seiner Tätigkeiten im Ausland, weil er bereits seit längerem (seit dem Jahr 1998)
grenzüberschreitend tätig gewesen sei.
Zudem sei auch eine zumindest teilweise Verlagerung der Tätigkeit der M Werbung GmbH in ein neu
gegründetes Schweizer Unternehmen nicht auszuschließen. Denn obwohl die zwischen der M Werbung GmbH
und ihrem Großkunden bestehenden Verträge bis zum Jahr 2016 Gültigkeit hätten, werde derzeit an ihrer
Neuerstellung gearbeitet. Zwar werde sich nach Aussage der Vertreter des Beschwerdeführers durch diese
Umstrukturierungen am Istzustand faktisch nichts ändern, weil das Schweizer Unternehmen die in Liechtenstein
ansässige M Werbung AG mit der Durchführung der Werbemaßnahmen beauftragen werde, welches in der
Folge wiederum die in Österreich ansässige M Werbung GmbH mit der operativen Tätigkeit betrauen werde,
sodass die M Werbung GmbH letztendlich weiterhin 75% der Zahlungen des Großkunden für ihr Tätigwerden
erhalten werde. Ob die Umsetzung allerdings tatsächlich zukünftig so gehandhabt werde oder ob das
Ausscheiden der M Werbung GmbH als Vertragspartner des Großkunden zu einer Tätigkeitsverlagerung ins
Ausland führe, könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden. Dies sei aber deshalb von Bedeutung, weil
die Firmenanteile der M Werbung GmbH seit 1. Juni 2010 zu 100% im Eigentum der im Jahr 2009 gegründeten
österreichischen M Werbung Holding GmbH stünden und an letzterer wiederum der Beschwerdeführer seit
22. Dezember 2011 zu 100% beteiligt sei. Eine teilweise oder gänzliche Verlagerung der derzeit noch von der
M Werbung GmbH ausgeübten Tätigkeiten in die Schweiz würde somit zu einer Verminderung des mittelbaren
Beteiligungswertes des Beschwerdeführers führen und damit zu einer weiteren Erschwerung der Einbringung der
Abgabenansprüche.
Der rechtliche Vertreter des Beschwerdeführers habe mit Eingabe vom 12. April 2012 angeboten, das
Vermögen der aufgelösten österreichischen R Privatstiftung sowie das in Österreich befindliche Vermögen des
Beschwerdeführers als Sicherheit für allfällige Steuerverbindlichkeiten des Beschwerdeführers so lange bei sich
bereit zu halten, bis entweder eine bestandswirksame Einigung erzielt werde oder über eine allfällige
Steuerschuld rechtskräftig und vollstreckbar entschieden worden sei. Diesbezüglich sei anzumerken, dass dem
Beschwerdeführer als Letztbegünstigten der mit 5. Dezember 2011 aufgelösten Stiftung das Stiftungsvermögen,
dessen Buchwert nach Angaben des Beschwerdeführers zum 1. Dezember 2011 rund 12.850.000 EUR betragen
habe, nach Ablauf der zwölfmonatigen Sperrfrist gemäß § 36 Abs. 2 PSG ausgeschüttet werde. Das Finanzamt
habe mit Bescheid vom 7. Dezember 2011 die Forderungen des Beschwerdeführers auf die Ausschüttung des
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Stiftungsvermögens gepfändet. Dabei habe sich das Finanzamt auf die Rechtsprechung des OGH gestützt,
wonach Gläubiger des Stifters die Gesamtrechte des Stifters nach § 331 ff EO pfänden könnten, wenn sich der
Stifter - wie gegenständlich der Beschwerdeführer - den Widerruf der Privatstiftung iSd § 34 PSG vorbehalten
habe.
Zum Anbot selbst sei seitens der belangten Behörde auszuführen, dass ein Sicherstellungsauftrag in einem
Rechtsmittelverfahren allein darauf zu überprüfen sei, ob im Zeitpunkt seiner Erlassung die hierfür
erforderlichen sachlichen Voraussetzungen gegeben gewesen seien. Daher könne der Erlag einer
Sicherheitsleistung nach Erlassung eines Sicherstellungsauftrages gemäß § 232 BAO expressis verbis lediglich
zur Aufhebung von auf Grund des Sicherstellungsauftrages vollzogener Vollstreckungsmaßnahmen führen, nicht
aber zur Aufhebung des Sicherstellungsauftrages selbst.
Die Erlassung von Sicherstellungsaufträgen liege im Ermessen der Abgabenbehörde und erfordere gemäß
§ 20 BAO die Beachtung der Grundsätze der Billigkeit und Zweckmäßigkeit. Aus der zwingenden
Tatbestandsvoraussetzung der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringlichkeit der Abgaben
ergebe sich, dass nur durch die Sofortmaßnahme dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben
Rechnung getragen werden könne. Die berechtigten Interessen des Abgabepflichtigen würden daher
grundsätzlich in den Hintergrund treten.
Keine Berechtigung komme auch dem Einwand des Beschwerdeführers zu, wonach das Ermessen deshalb
falsch ausgeübt worden sei, weil die Kapitalertragsteuer nicht demjenigen vorgeschrieben worden sei, bei dem
die Einbringung am wahrscheinlichsten sei. Dies sei gegenständlich die M Werbung GmbH und nicht der
Beschwerdeführer.
Dazu sei primär auszuführen, dass mit einem Sicherstellungsauftrag noch keine Abgaben vorgeschrieben
würden. Abgesehen davon, sei gemäß § 95 Abs. 5 Z 1 EStG 1988 dem Empfänger der Kapitalerträge die
Kapitalertragsteuer ausnahmsweise dann vorzuschreiben, wenn der Abzugsverpflichtete die Kapitalertragsteuer
nicht vorschriftsmäßig gekürzt habe. Die verdeckte Gewinnausschüttung stelle einen typischen Anwendungsfall
des § 95 Abs. 5 Z 1 EStG 1988 dar, weil bei einer verdeckten Gewinnausschüttung in aller Regel die
Kapitalertragsteuer nicht einbehalten werde. Sofern aber eine Direktvorschreibung an den Abgabenschuldner
gesetzlich zwingend vorgesehen sei, stelle eine solche Vorschreibung keine Ermessensentscheidung dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und
Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerde moniert das Fehlen der
Voraussetzungen für einen Sicherstellungsbescheid und macht insbesondere geltend, dass
- die Abgabenschuld (aus dem Titel "verdeckte Gewinnausschüttung aus der M Werbung GmbH) dem
Grunde nach nicht entstanden sei, weil die Voraussetzungen für die Annahme einer verdeckten
Gewinnausschüttung nicht vorlägen;
- im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Sicherstellungsbescheides keine die Gefährdung der
Einbringlichkeit indizierenden Sachverhaltsmomente vorgelegen seien;
- selbst bei Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung aus der M Werbung GmbH ein Zufluss
dieses Vorteils beim Beschwerdeführer nicht gegeben gewesen sei, weil zwischen ihm und der formal
die Zahlungen aus der (österreichischen) M Werbung GmbH erhaltenden (liechtensteinischen)
M Werbung AG die steuerlich intransparente liechtensteinische C Stiftung gestanden sei, auf deren
Vermögen und Einkünfte der Beschwerdeführer (entgegen der Ansicht der belangten Behörde) nicht
habe zugreifen können;
- selbst bei Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung aus der M Werbung GmbH und eines
laufenden Zuflusses beim Beschwerdeführer die KESt in den Jahren 2005 bis 2010 nicht dem
Beschwerdeführer, sondern der abzugsverpflichteten M Werbung GmbH vorgeschrieben werden
müssten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die
Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach
feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag
erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung zu begegnen.
Eine Sicherstellung ist kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine
dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende "Sofortmaßnahme", die dazu dient, selbst vor
Feststellung des genauen Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn
Grund zu der Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich
erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung
sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern dass
es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich
relevanten Sachverhaltes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die
Gefährdung oder wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind (vgl. zB das hg. Erkenntnis
vom 31. Mai 2011, 2008/15/0288).
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30.06.2015
Zum Bestand einer Abgabenschuld dem Grunde nach:
Erste Voraussetzung für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages ist somit die Verwirklichung jenes
Tatbestandes, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes muss im
Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht iSd § 93 Abs. 3 lit. a BAO
in der Begründung des Sicherstellungsauftrages bzw. in der diesen bestätigenden Berufungsentscheidung
dargetan werden.
Die belangte Behörde hat ihre Annahme einer verwirklichten Abgabenschuld - im Gegensatz zur
erstinstanzlichen Entscheidung des Finanzamtes - nicht auf die Qualifikation der Zahlungen der
M Werbung GmbH an die M Werbung AG als Scheingeschäft nach § 23 BAO gestützt. Vielmehr hat die
belangte Behörde, gestützt u. a. auf § 22 BAO, eine unmittelbare Einkünftezurechnung beim
Beschwerdeführer angenommen und dies vor allem mit dessen beherrschendem Einfluss auf die beteiligten
Gesellschaften sowie der Ungewöhnlichkeit der Abwicklung der Werbeleistungen begründet.
Im Erkenntnis vom 25. Februar 2015, 2011/13/0003, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Zurechnung von
Einkünften ausgeführt, dass die Frage, ob Einkünfte einer in Liechtenstein ansässigen Stiftung oder aber
den Stiftern oder den Begünstigten zuzurechnen sind, nach den dafür maßgeblichen Grundsätzen des
österreichischen Rechts zu beurteilen ist.
Die dazu von der belangten Behörde angestellten - und hinsichtlich des Vorliegens eines Mandatsvertrages
betreffend die C Stiftung überhaupt nur auf Vermutungsebene getroffenen - Schlussfolgerungen reichen
nicht aus, um eine solche weit gehende Feststellung (Zurechnung der Einkünfte an den Beschwerdeführer)
zu tragen (vgl. auch bereits das hg. Erkenntnis vom 25. März 2015, 2012/13/0033). Dabei weist die
Beschwerde auch zutreffend darauf hin, dass die Stellung eines wirtschaftlich Berechtigten nach den
liechtensteinischen Sorgfaltspflichtvorschriften zur Verhinderung von Geldwäsche den österreichischen
einkommensteuerrechtlichen Zurechnungskriterien nicht gleichgesetzt werden kann (vgl. nochmals das
hg. Erkenntnis vom 25. März 2015, 2012/13/0033).
Nach den Feststellungen des Finanzamtes habe die M Werbung GmbH, deren Gesellschafter und
Geschäftsführer der Beschwerdeführer war, im Jahr 1998 einen "Firmenwert" (bestehend aus dem "Knowhow" des Beschwerdeführers) der M Werbung AG "verkauft" (Kaufpreis ca. 600.000 EUR), wobei dieser
"verkaufte Firmenwert" die Grundlage dafür habe bilden sollen, dass die M Werbung GmbH in den Jahren
ab 1998 jeweils 25% ihrer Erlöse (aus ihren einem konkreten Großkunden gegenüber erbrachten
Werbeleistungen) der M Werbung AG (für deren Betätigung durch Einsatz des "Firmenwertes") bezahlt
habe (Zahlungen an die M Werbung AG von mehr als 76 Mio EUR). Dieser "Firmenwert" sei vom
Beschwerdeführer trotz entsprechender Aufforderung nicht konkret spezifiziert, aber als "Key-Account"
bezeichnet worden. Die M Werbung GmbH habe diesem Großkunden bereits in den Jahren vor 1998
gleichartige Leistungen erbracht. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Finanzamt die
streitgegenständliche Gestaltung als Scheingeschäft qualifiziert, durch welches Vermögenszuwendungen
an den Beschwerdeführer verdeckt werden sollten, sodass die in Rede stehenden Zahlungen der
M Werbung GmbH nicht durch ihren Betrieb veranlasste Zahlungen darstellen, sondern durch das
Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögenszuwendungen an den Beschwerdeführer.
Die belangte Behörde erörtert in der Begründung des angefochtenen Bescheides diese Überlegung des
Finanzamtes und dessen entsprechendes Vorbringen nicht und lässt es solcherart völlig offen, aus welchen
Gründen sie sich dieser Beurteilung nicht anschließt.
Dazu ist zudem auch auf die hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2012,
2009/15/0032) zu verweisen, wonach es seitens eines Betriebsausgaben geltend machenden
Abgabepflichtigen für die Darlegung der betrieblichen Veranlassung von Zahlungen einer besonders
exakten Leistungsbeschreibung bedarf, wenn Zahlungen für die Erbringung schwer fassbarer Leistungen,
wie Kontaktvermittlung, Know-how-Überlassung, "Bemühungen", u.ä. erfolgt sein sollen. Die
Anerkennung der betrieblichen Veranlassung solcher Zahlungen hat eine konkrete und detaillierte
Beschreibung der erbrachten Leistungen zur Voraussetzung. Dies gilt auch für die im Beschwerdefall
beschriebenen "Key-Account-Leistungen", die die M Werbung AG der M Werbung GmbH in Rechnung
gestellt hat, zumal schon die Übertragbarkeit des "Firmenwertes Key Account" angesichts der dabei im
Vordergrund stehenden persönlichen Eigenschaften grundsätzlich als nicht möglich erscheint (vgl. das
hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, 2011/15/0028). Exakte Feststellungen zum Leistungsinhalt fehlen im
angefochtenen Bescheid allerdings.
Lässt sich der Betriebsausgabencharakter von geleisteten Zahlungen nach dem beschriebenen Maßstab
mangels bewertbarer und konkret umschriebener Leistungsinhalte nicht erhärten, kann dies durchaus für
das Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen sprechen.
Dazu bedarf es aber entsprechender Ermittlungen und Feststellungen der belangten Behörde einschließlich
einer fallbezogenen Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Finanzamts und der behaupteten
Tätigkeit des Key Account Managements, die im angefochtenen Bescheid unterblieben sind.
Zur Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgaben:
Zweite Voraussetzung für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages ist das Vorliegen einer Gefährdung
oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe.
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30.06.2015
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, liegt eine Gefährdung oder Erschwerung
iSd § 232 Abs. 1 BAO vor, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Abgabepflichtigen und den besonderen
Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde
die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint. Für eine Gefährdung bzw. wesentliche
Erschwerung sprechen etwa drohende Insolvenzverfahren, Exekutionsführung von dritter Seite,
Auswanderungsabsicht, Vermögensverschiebungen ins Ausland oder an Verwandte (vgl. das
hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2013, 2012/15/0036).
Dabei hat sich das Verfahren über eine Berufung gegen einen Sicherstellungsauftrag auf die Überprüfung
zu beschränken, ob im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem die
Sicherstellung angeordnet worden ist, die erforderlichen Voraussetzungen gegeben waren (vgl. nochmals
das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2013).
Die Beschwerde bringt gegen das Vorliegen einer Gefährdung der Einbringlichkeit u.a. vor, dass der
Wegzug des Beschwerdeführers nach Liechtenstein nichts am exekutiven Zugriff auf das inländische
Vermögen geändert habe. Darüber hinaus bestehe auch im Inland Privatstiftungsvermögen zu Gunsten des
Beschwerdeführers. Nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung könnten Gläubiger die Stifterrechte
pfänden, den Widerruf ausüben und sich damit in den Besitz des Stiftungsvermögens bringen. Dieses hätte
jedenfalls ausgereicht, um die mittels Sicherstellungsbescheid geforderte Abgabensumme gegebenenfalls
abzudecken. Da das Stiftungsvermögen nach einem Widerruf aufgrund von § 36 PSG nicht unmittelbar an
den Letztbegünstigten ausgekehrt werden dürfe, sondern von Gesetzes wegen einem "Sperrjahr" unterliege,
habe auch keine Möglichkeit bestanden, dass dieses Vermögen frühzeitig an den Letztbegünstigten gehe.
Darüber hinaus sei am Tag der Zustellung des Sicherstellungsbescheides das Widerrufsrecht in der
Privatstiftung noch unausgeübt gewesen, d.h. der widerrufsberechtigte Stifter habe zu diesem Zeitpunkt
keine "Fluchthandlung" in Form eines Widerrufs gesetzt, die ihm wegen des oben zitierten "Sperrjahres"
ohnehin nicht viel genützt hätte.
Dieser Beschwerdeeinwand verfängt nicht, weil sich der Abgabengläubiger über das Rechtsinstitut des
§ 232 BAO gegen Vermögensauskehrungen absichern können soll. Die Erlassung eines
Sicherstellungsbescheides nach § 232 BAO macht dabei naturgemäß nur zu einem Zeitpunkt Sinn, wo
noch Vermögen in Österreich bzw. im exekutiven Zugriff Österreichs ist. Der Verweis auf (noch) nicht
aufgelöstes inländisches Stiftungsvermögen als verbliebener Vermögensstock sowie auf die einjährige
Sperrfrist des § 36 PSG für einen Stiftungswiderruf sind daher keine Hindernisse für die Erlassung eines
Sicherstellungsbescheides. Sobald Indizien für bevorstehende Vermögensauskehrungen gegeben sind (hier:
Auslandsverzug nach Liechtenstein mit Kontoauflösung in Österreich), ist eine Sicherstellung zulässig
(vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2013).
Allerdings hätte sich die belangte Behörde - wie die Beschwerde insofern zutreffend geltend macht - vor
Erlass eines Sicherstellungsbescheides sehr wohl mit der bestehenden Haftung der abzugspflichtigen
M Werbung GmbH für die aus verdeckten Ausschüttungen resultierende Kapitalertragsteuer beschäftigen
müssen, zumal nach dem EStG 1988 die Kapitalertragsteuer grundsätzlich vom Schuldner der
Kapitalerträge abzuführen ist.
Wenn die belangte Behörde demgegenüber davon ausgeht, dass eine Vorschreibung der Kapitalertragsteuer
an die M Werbung GmbH nicht möglich war, weil eine Direktvorschreibung an den Abgabenschuldner
"gesetzlich zwingend vorgesehen sei", so verkennt sie die Rechtslage.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. Mai 2015, Ro 2014/15/0046, ausgeführt
hat, liegt es im Ermessen, ob die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft geltend
gemacht wird oder eine unmittelbare Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge erfolgt. Gemäß
§ 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird insoweit auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses
verwiesen.
Die belangte Behörde hätte vor diesem Hintergrund daher eine begründete Ermessensentscheidung treffen
müssen, ob im Beschwerdefall die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft geltend
gemacht werden oder eine unmittelbare Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge erfolgen soll.
Erst auf Basis dieser Ermessensabwägung wäre die Gefährdungslage gemäß § 232 BAO beurteilbar
gewesen, wobei im Falle einer beabsichtigten primären Inanspruchnahme der abzugsverpflichteten
Gesellschaft und einer dabei zu gewärtigenden finanziellen Unterdeckung auch eine Sicherstellung eines
Teilbetrages gegenüber dem Beschwerdeführer als Empfänger der Kapitalerträge in Betracht käme.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen (prävalierender)
Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39
Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der
Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 30. Juni 2015
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GZ. RV/6100323/2011
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter
A
in der Beschwerdesache
MV GmbH als Masseverwalter der BF GmbH, vormals BF1 GmbH, Straße, Ort,
vertreten durch
Mag. Werner Obermüller, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Villa Hummelhof,
Maderspergerstraße 22a, 4020 Linz
gegen
FA Salzburg-Stadt, Aignerstraße 10, 5026 Salzburg
wegen
behaupteter Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 28.02.2011, betreffend die Haftung für
Lohnsteuer 2007, 2008 und 2009, den Dienstgeberbeitrag 2007, 2008 und 2009 sowie
den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2007, 2008 und 2009
zu Recht erkannt:
1. Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 279 Abs. 1 BAO aufgehoben.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Bei der BF fand im Jahr 2011 eine gemeinsame Prüfung der lohnabhängigen Abgaben
über die Jahre 2006 bis 2009 statt.
Dabei traf der Prüfer im Bericht über die gemeinsame Prüfung der lohnabhängigen
Abgaben, soweit dies im gegenständlichen Verfahren noch strittig ist die Feststellung,
dass eine Anzahl von einzeln bezeichneten Personen als Arbeitnehmer der BF anzusehen
seien und begründete dies für die einzelnen Personen gleichlautend damit, dass
Arbeitgeber sei, wer Bezüge im Sinne des § 25 EStG 1988 auszahle und den damit
verbundenen wirtschaftlichen Aufwand trage.
Bei einzelnen als Arbeitnehmer der BF qualifizierten Personen wurde diese Umschreibung
noch dadurch ergänzt, dass sich der Begriff des Arbeitgebers nach § 47 Abs. 1 EStG 1988
mit dem des § 47 Abs. 2 EStG 1988 decke, weswegen im Zweifel auch zu prüfen sei, wem
der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft schulde.
Dies wurde in einer Beilage zu den Bescheiden damit begründet, dass dieser Teil der
Arbeitnehmer bei anderen Gesellschaften angemeldet gewesen sei, jedoch keine echte
Personalgestellung vorgelegen sei, da diese Gesellschaften keine Lohnabgaben abgeführt
hätten und als Scheinfirmen zu qualifizieren seien.
Weiters wurde im Bericht die Ermessensübung begründet, weswegen die Lohnsteuer im
Haftungswege der BF vorgeschrieben worden sei.
Das FA erließ in der Folge für die aus den Feststellungen des Prüfers resultierenden
Nachforderungen an Lohnsteuer für die Jahre 2007, 2008 und 2009 Haftungsbescheide
nach § 82 EStG 1988 zu deren Begründung auf den Prüfungsbericht über diese Jahre
verwiesen wurde.
Weiters erließ das FA Abgabenbescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages
zum Familienlastenausgleichsfonds für die Jahre 2007, 2008 und 2009 sowie
Abgabenbescheide über die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag zum
Familienlastenausgleichsfonds für die Jahre 2007, 2008 und 2009. Auch zur Begründung
dieser Bescheide wurde auf den Prüfungsbericht über diese Jahre verwiesen.
Gegen die Bescheide betreffend die Haftung für Lohnsteuer, den Dienstgeberbeitrag
und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag jeweils für die Jahre 2007, 2008 und 2009
erhob die BF durch ihren ausgewiesenen Vertreter fristgerecht Berufung und bestritt die
Ausführungen des FA.
Darauf legte das FA die Berufungen ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem
UFS zur Entscheidung vor.
Diese Berufung war zum 31. Dezember 2013 noch nicht erledigt.
Aufgrund der Erhebungen des BFG hat sich e geben, dass die BF im Jänner 2012 ihren
Sitz nach Niederösterreich verlegt hat und über das Vermögen der BF mit 3. Mai 2012 der
Konkurs eröffnet wurde.
Seite 2 von 6
Für die am 27. August 2015 durchgeführte mündlichen Verhandlung entschuldigte sich
der Vertreter der BF wegen einer Terminkollision, der Vertreter des FA beantrage wie
schriftlich.
Das BFG hat dazu erwogen:
Festzuhalten ist, dass die BF ursprünglich Lohnabgaben (in geringerer Höhe als durch das
FA festgesetzt) abgeführt hatte.
Die BF wurde mit Haftungsbescheiden vom 28. Februar 2011 gemäß § 82 EStG 1988
als Arbeitgeber der im Bericht über die Außenprüfung gemäß § 150 BAO genannten
Personen für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn zu entrichtenden
Lohnsteuer für die Jahre 2007, 2008 und 2009 in Anspruch genommen.
Mit Abgabenbescheiden vom gleichen Tag erfolgte die Festsetzung des
Dienstgeberbeitrages zum Familienlastenausgleichsfonds für die Jahre 2007, 2008
und 2009 sowie die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag zum
Familienlastenausgleichsfonds für die Jahre 2007, 2008 und 2009.
Gemäß § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr
der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer.
Gemäß § 79 EStG 1988 ist die Lohnsteuer eine vom Arbeitgeber selbst zu berechnende
Abgabe.
Gemäß § 43 Abs. 2 FLAG finden die Bestimmungen über den Steuerabzug vom
Arbeitslohn sinngemäß auf den Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds
Anwendung.
Gemäß § 122 Abs. 7 WKG finden die Bestimmungen des § 43 FLAG sinngemäß auf den
Zuschlag Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds Anwendung.
Gemäß § 202 Abs. 1 BAO gelten die §§ 201 und 201a BAO sinngemäß, wenn nach
den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich
Haftungspflichtigen obliegt. Hierbei sind Nachforderungen mittels Haftungsbescheides (§
224 Abs. 1 BAO) geltend zu machen.
Nach § 201 Abs. 1 BAO kann - sofern die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung
durch einen Abgabepflichtigen anordnen oder gestatten - nach Maßgabe des Abs. 2
und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts
wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der
Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der
Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung
als nicht richtig erweist.
Gemäß § 201 Abs. 1 BAO 2 Z 3 BAO kann die Festsetzung erfolgen, wenn kein
selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung
Seite 3 von 6
des § 303 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen
würden.
Die sinngemäße Anwendung der Bestimmungen des § 303 BAO nach § 201 Abs.
2 Z 3 BAO bedeutet, dass die Bestimmung des § 303 BAO im Geltungsbereich der
Ausgangsnorm insoweit angewendet werden darf, als dies dem Sinn und Zweck des
§ 201 Abs. 2 Z 3 BAO entspricht (zB VwGH vom 14.02.1991, 90/16/0184; 30.09.1994,
93/08/0254). Die Bestimmung des § 201 BAO in der derzeit gültigen Form geht zurück auf
das Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, BGBl. I 2002/97. In den Materialien zu diesem
Gesetz (666/A BlgNR 21. GP) wird zu dieser Bestimmung angeführt:
" Die Neufassung des § 201 BAO dient primär der Harmonisierung der Rechtswirkungen
(insbesondere im Bereich des Rechtsschutzes ) von Selbstberechnungen und von
Veranlagungsbescheiden.
Erstmalige Festsetzungen von Selbstberechnungsabgaben (zB von Dienstgeberbeiträgen)
sollen somit grundsätzlich nur innerhalb jener Fristen (und bei Vorliegen der
entsprechenden Voraussetzungen) zulässig sein, in denen bei Veranlagungsabgaben
die Abgabenbescheide gemäß § 299 BAO aufhebbar sind bzw. Wiederaufnahmen der
betreffenden Verfahren in Betracht kommen. …
Die erstmalige Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben hat zwingend zu erfolgen,
wenn die Voraussetzungen einer beantragten Wiederaufnahme (abgesehen von einem
durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren) vorliegen. Dies bewirkt einen Gleichklang mit
der bei einem durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren geltenden Rechtslage. …
Der Gesetzgeber bezweckte also mit der Neufassung des § 201 BAO eine
Harmonisierung der Rechtswirkungen von bescheidmäßigen Festsetzungen der
Abgabenbehörde nach Selbstberechnungen und von Veranlagungsbescheiden.
Dabei entspricht die erstmalige Festsetzung des § 201 Abs. 2 Z 3 BAO bei
5
Veranlagungsbescheiden der Wiederaufnahme nach § 303 BAO. (Ritz, BAO , § 201 Tz.
3)
Diese Rechtsansicht wird offenbar auch vom VwGH vertreten:
"Die Festsetzung gemäß § 201 BAO in der Fassung vor der mit dem FVwGG 2012, BGBl.
I Nr. 14/2013, vorgenommenen Änderung kann dann, wenn sich die bekanntgegebene
Selbstberechnung im Sinne des Abs. 1 der Bestimmung als 'nicht richtig' erweist,
gemäß Abs. 2 Z 3 erfolgen, 'wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 Abs. 4 die
Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorliegen
würden'. Die Vorschrift hat insoweit den Zweck, einen 'Gleichklang mit der bei einem durch
Bescheid abgeschlossenen Verfahren geltenden Rechtslage' herbeizuführen (vgl. das hg.
Erkenntnis vom 25. September 2012, 2008/13/0175, unter Hinweis auf den Bericht des
Finanzausschusses zum Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, BGBl. I Nr. 97/2002, 1128
BlgNR 21. GP 9)." (VwGH vom 30.01.2014, 2011/15/0156, Rs 2)
Seite 4 von 6
Die angestrebte Harmonisierung ist jedoch nur dann in vollem Umfang zu erreichen,
wenn nicht nur § 303 BAO an sich, sondern auch die dazu ergangene höchstgerichtliche
Rechtsprechung auf § 201 Abs. 2 Z 3 BAO uneingeschränkt angewendet wird.
Dies führt nach Ansicht des BFG auch im Anwendungsbereich des § 201 Abs. 2 Z 3
BAO dazu, dass die Nichtdarlegung der maßgeblichen Tatsachen oder Beweismittel
in der Bescheidbegründung sowie die unterlassene Anführung des maßgeblichen
Wiederaufnahmetatbestandes im Spruch des Festsetzungsbescheides im gerichtlichen
Verfahren nicht mehr sanierbar ist.
Im gegenständlichen Verfahren wurden in den nach § 201 BAO erlassenen Bescheiden
die Rechtsgrundlagen nicht angegeben, nach denen die erstmalige Festsetzung der
Selbstberechnungsabgaben erfolgte und für deren Entrichtung die BF mittels Haftungsund Abgabenbescheiden herangezogen wurde. Es fehlt jedenfalls die Anführung
des maßgeblichen Wiederaufnahmetatbestandes in den nach § 201 Abs. 2 Z. 3 BAO
erlassenen Haftungs- und Abgabenbescheiden. Dies kann nach dem oben Gesagten im
Rechtsmittelverfahren nicht saniert werden.
Diese Ansicht deckt sich auch mit der ständigen Rechtsprechung des UFS,
wonach bei der Festsetzung einer Abgabe nach § 201 BAO das Finanzamt jene
Sachverhaltselemente zu benennen und den Fallgruppen des § 201 Abs. 2 und 3 BAO
zuzuordnen hat, welche die erstmalige Festsetzung der Abgabe rechtfertigen. Dies kann
im Rechtsmittelverfahren nicht nachgeholt werden (vgl dazu UFS 17.08.2009, RV/0522L/06; 25.8.2010, RV/0419-S/10; 21.01.2010, RV/1570-W/07; 14.01.2011, RV/3459-W/08;
23.11.2011, RV/2201-W/08; 25.11.2011, RV/2204-W/08).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis E 20.7.1999,
97/13/0131; E 30.11.1999, 94/14/0124) berechtigt die Bestimmung des § 289 Abs. 1
BAO, nunmehr: § 279 Abs. 1 BAO die Abgabenbehörde zweiter Instanz nicht dazu, den
vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrund durch einen anderen - ihrer
Meinung nach zutreffenden - zu ersetzen. Liegt der vom Finanzamt angenommene
Wiederaufnahmegrund nicht vor (oder hat dieses die Wiederaufnahme tatsächlich
auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt), muss die Berufungsbehörde den vor ihr
angefochtenen Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben (VwGH
19.09.2007, 2004/13/0108.
Nach Ansicht des BFG ist es zudem nicht wesentlich, ob das Gericht einen
Wiederaufnahmegrund erkennt. Entscheidend ist aus Rechtsschutzgründen, ob
auch ein durchschnittlicher Bescheidadressat erkennen kann, dass aufgrund des
Vorliegens eines Wiederaufnahmegrundes in seine an sich durch die ursprünglich vom
Finanzamt unbeanstandet gebliebene Selbstberechnung und den Zeitablauf gesicherte
Rechtsposition eingegriffen wird und auf welche Rechtsgrundlage sich die Behörde
dabei stützt. Im verfahrensgegenständlichen Fall ist das zu verneinen, zumal sich
weder im Haftungsbescheid noch im Bericht über die Außenprüfung ein Hinweis auf die
Seite 5 von 6
Wiederaufnahme finden lässt, etwa in Form der Nennung der Rechtsgrundlage oder des
Wortes Wiederaufnahme.
Auch die allfällige Erkennbarkeit eines Wiederaufnahmegrundes in einem verwiesenen
Dokument kann dessen Darlegung in einem Bescheid, verbunden mit der rechtlichen
Subsumtion, nicht ersetzen. Zur Rechtfertigung der Durchbrechung der Rechtskraft
und Bestimmung der Identität der Sache ist es nicht ausreichend, in der Begründung
des Bescheides lediglich gesetzliche Bestimmungen wiederzugeben oder bloß
Sachverhaltselemente ohne Darstellung der Relevanz zum angewandten Rechtsinstitut zu
erwähnen (UFS vom 12. Februar 2013, RV/0362-I/09).
Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden. Die angefochtenen Bescheide
waren ersatzlos zu beheben.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie
von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt,
insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der
bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet
wird.
5
Nach Ritz, BAO , § 201 Tz 39, ist bei Wiederaufnahmebescheiden die Nichtdarlegung
der maßgeblichen Tatsachen oder Beweismittel in der Bescheidbegründung nicht
im Berufungsverfahren sanierbar (vgl zB VwGH 21.6.1994, 91/14/0165; 21.7.1998,
93/14/0187, 0188). Es bleibe abzuwarten, ob der VwGH diese Auffassung auch im
Anwendungsbereich des § 201 Abs 2 Z 3 BAO vertreten wird.
Die ordentliche Revision ist im vorliegenden Fall zulässig, da bis dato eine
Rechtsprechung des VwGH, ob auch im Anwendungsbereich des § 201 Abs. 2 Z 3 BAO
die Nichtdarlegung des Wiederaufnahmegrundes im abgabenbehördlichen Verfahren
zwingend zur Bescheidaufhebung durch das Bundesfinanzgericht führen muss, fehlt.
Salzburg-Aigen, am 27. August 2015
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26.02.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
26.02.2015
Geschäftszahl
2012/15/0164
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser
sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin
Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde des H M in G, vertreten durch die BDO Tschofen Treuhand
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft GmbH in 6800 Feldkirch, Gallmiststraße 17, gegen den Bescheid des
unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Feldkirch, vom 4. Juli 2012, Zl. RV/0380- F/10, betreffend
Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2003 bis 2008, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass er zu
lauten hat: "Der erstinstanzliche Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich
Einkommensteuer 2003 bis 2008 wird ersatzlos aufgehoben."
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 23. April 2009
Beschwerdeführer:
erging
seitens
des
Finanzamtes
folgendes
Ergänzungsersuchen
an
den
"Seitens des Finanzamtes Feldkirch war auf Grund abgabenrechtlicher Erhebungen festzustellen, dass Sie
bis zu Ihrer Pensionierung einer langjährigen nichtselbstständigen Beschäftigung in der Schweiz nachgegangen
sind. Weiters war festzustellen, dass Sie zumindest seit April 2002 Ihren Wohnsitz in (österreichische Adresse)
haben. Eine Prüfung des elektronischen Aktes ergab weiters, dass für Sie ab 2001 bis laufend lediglich
geringfügige inländische Pensionseinkünfte evident sind. Eine Offenlegung und Deklarierung Ihrer
ausländischen Pensionseinkünfte zumindest ab dem Jahr 2002 bis laufend ist gegenüber dem Finanzamt
Feldkirch bis dato nicht erfolgt. Sie werden deshalb aufgefordert bis spätestens 22.05 2009
Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2002 bis 2008 einzureichen. (...)"
Am 6. Juli 2009 übermittelte der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter Entwürfe der
Steuererklärungen 2002 bis 2008 vorab per Email an den im Ergänzungsersuchen ausgewiesenen Bearbeiter im
Finanzamt und schloss dieser Nachricht diverse Beilagen an. In einer der Beilagen wurden die "Säulen" seiner
Pensionseinkünfte inklusive der bezogenen ASVG-Leistungen für die Jahre 2002 bis 2008 einzeln
aufgeschlüsselt. Darüber hinaus wurde eine "Steuerübersicht" 2002 bis 2008 angeschlossen, in der der
steuerliche Vertreter den Gesamtbetrag der Einkünfte und die daraus resultierende Einkommensteuer bereits
vorausberechnete. Mit Email vom 7. Juli 2009 antwortete der Bearbeiter im Finanzamt, dass die Unterlagen
grundsätzlich ausreichend seien.
Am 9. Juli 2009 wurden die Einkommensteuererklärungen für 2002 bis 2008 online eingereicht. Mit
Schreiben vom selben Tag wurde u.a. die Beilage mit der Aufschlüsselung der Einkünfte inklusive der
inländischen "ASVG-Pension" nochmals schriftlich eingereicht.
Am 14. Juli 2009 ergingen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2008, die jedoch lediglich die
"Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug" in Ansatz brachten.
Am 17. August 2010 wurden dem Finanzamt seitens der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) berichtigte
Lohnzettel übermittelt, mit denen die bisherige Kategorisierung der der Finanzverwaltung "automatisiert
überspielten" Lohnzettel von "LZ-Art 8" (Lohnzettel für Steuerpflichtige, für die aufgrund eines
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Verwaltungsgerichtshof
26.02.2015
Doppelbesteuerungsabkommens keine Lohnsteuer einzubehalten ist) auf die Kategorisierung "LZ-Art 1"
(Lohnzettel für beschränkt oder unbeschränkt Steuerpflichtige) richtiggestellt wurde.
Auf Grundlage der berichtigten Lohnzettel ergingen am 24. August 2010 Bescheide betreffend
Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich Einkommensteuer sowie neue
Sachbescheide für die Jahre 2003 bis 2008, die neben den "Einkünften ohne inländischen Steuerabzug" auch die
Einkünfte laut Lohnzettel der PVA enthielten.
Gegen die Wiederaufnahme brachte der Beschwerdeführer mit näherer Begründung Berufung ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte sie aus,
als Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sei - wie sich aus der Begründung der Bescheide des
Finanzamtes ergebe - ein berichtigter, neuer Lohnzettel, der von der PVA nach Ergehen der Erstbescheide
übermittelt worden sei und aus dem sich geänderte Einkommensteuerfestsetzungen ergäben. Es sei dem
steuerlichen Vertreter Recht zu geben und werde auch von Seiten des Finanzamtes nicht bestritten, dass er alle
erforderlichen Unterlagen schon vor Erlassung der Erstbescheide eingereicht habe. Es sei aber gängige Praxis
der Finanzämter in Österreich, dass Veranlagungen im Regelfall erklärungsgemäß ohne weitere Kontrolle von
Unterlagen durchgeführt würden. Der "im Hintergrund wartende", von der bezugauszahlenden Stelle (hier:
PVA) automatisiert überspielte Lohnzettel werde dabei keiner Prüfung unterzogen. Dass der im System
gespeicherte, von der PVA überspielte Lohnzettel die Indikation "L8" ("aufgrund DBA keine Lohnsteuer
einzubehalten") enthalten habe - was zu einer Nichterfassung der Bezüge laut Lohnzettel im Inland habe führen
müssen - sei für die Abgabenbehörde nicht erkennbar gewesen. Das Hervorkommen der Indikation "L1" in den
berichtigten Lohnzetteln der PVA vom 17. August 2010 verwirkliche daher einen Wiederaufnahmetatbestand.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der
Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 303 Abs. 4 BAO idF vor dem Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012,
BGBl. I Nr. 14/2013, ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter anderem in allen Fällen
zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht
worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des
Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen
Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden
Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis, als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt
hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die
rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse
(neue Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach
vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine
Tatsachen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2000, 95/14/0094).
Maßgebend ist in diesem Zusammenhang, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden
Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger
rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte
gelangen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. März 2009, 2004/15/0135, mit weiteren Nachweisen). Hierbei
kommt es auf den Wissensstand der Behörde (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) im
jeweiligen Veranlagungsjahr an (vgl. für viele die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 2010, 2006/15/0314, und
vom 18. Dezember 2008, 2006/15/0208).
Im Beschwerdefall steht - wie die belangte Behörde festgestellt hat - außer Streit, dass der
Beschwerdeführer "alle erforderlichen Unterlagen schon vor Erlassung der Erstbescheide eingereicht hat" und
"durch seinen steuerlichen Vertreter seiner Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht vollständig
nachgekommen ist".
Den Einkommensteuererklärungen waren auch Beilagen angeschlossen, aus denen sich unmissverständlich
die inländischen Pensionseinkünfte und deren Höhe ergeben haben. Zudem lag eine Vorausberechnung der zu
erwartenden Steuerbelastung durch den steuerlichen Vertreter vor, die diese Einkünfte mitumfasste und
entsprechend höher als die vorgeschriebene Einkommensteuer durch die Abgabenbehörde war.
Damit waren aber der Abgabenbehörde nach ihrem Wissensstand auf Grund der Abgabenerklärungen und
ihrer Beilagen im jeweiligen Veranlagungsjahr hinsichtlich der Steuerpflicht der inländischen Pensionseinkünfte
keine abgabenrelevanten Umstände unbekannt, die erst neu hervorkommen konnten.
Der bloße Umstand der falschen (internen) Kategorisierung des von der PVA (automatisiert übermittelten)
Lohnzettels betreffend die inländischen Pensionseinkünfte stellt keine relevante Tatsache im Sinne des § 303
Abs. 4 BAO dar. Dies gilt umso mehr, als im Beschwerdefall von Seiten des Finanzamtes gerade deshalb ein
Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist, um anlässlich der Übersiedlung des Beschwerdeführers vom
Ausland ins Inland alle in- und ausländischen Pensionseinkünfte steuerlich zu erfassen, und dazu ausdrücklich
ein Ergänzungsersuchen an den Beschwerdeführer gerichtet worden ist, in dem bereits ausgeführt wurde, dass
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Verwaltungsgerichtshof
26.02.2015
"eine Prüfung des elektronischen Aktes" ergeben habe, dass für den Beschwerdeführer "ab 2001 bis laufend
lediglich geringfügige inländische Pensionseinkünfte evident" seien.
Der angefochtene Bescheid wäre daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2
Z 1 VwGG aufzuheben.
Gemäß § 42 Abs. 3a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof jedoch in der Sache selbst entscheiden, wenn
sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit
und Kostenersprarnis liegt. Dies ist im vorliegenden Beschwerdefall gegeben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung
BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 26. Februar 2015
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24.09.2014
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
24.09.2014
Geschäftszahl
2010/13/0062
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte
Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein
der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der I GmbH & Co OG (als Rechtsnachfolgerin
der I GmbH) in W, vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 5/3, gegen den
Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 17. Juli 2009, Zl. RV/1714- W/08,
betreffend Abweisung eines Antrags auf Bescheidänderung gemäß § 295a BAO betreffend
Körperschaftsteuer 2004 und 2005, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende OG ist die Rechtsnachfolgerin der A Büro Vermietungs GmbH. Letztere schloss
als Leasingnehmerin mit der A Büro Errichtungs- und Verwaltungs AG am 31. Oktober 2000 einen
Leasingvertrag über das streitgegenständliche Bürogebäude, welches 20 Geschoße mit einer Büronutzfläche von
17.500 m2, eine Lagerfläche im 1. Untergeschoß von 650 m2 und 148 Pkw-Stellplätze auf vier Untergeschoßen
umfasste. Die A Büro Vermietungs GmbH (in der Folge: Vermieterin) vermietete das von ihr geleaste
Bürogebäude an die B Versicherungs AG (in der Folge: Mieterin) weiter.
Mit einem in den Verwaltungsakten einliegenden Schreiben vom 15. Dezember 2006 erklärte die Mieterin
gegenüber der Vermieterin ihre Bereitschaft, das befristete Mietverhältnis - unter bestimmten Bedingungen - bis
Ende Februar 2017 zu verlängern. Zu diesen Bedingungen zählten neben der grundsätzlichen
Umsatzsteuerfreiheit des zukünftigen Mietzinses der Verzicht auf die Kündigung des bestehenden
Verwaltungsvertrags sowie das Recht zur Verlängerung des Mietvertrags durch den Mieter. Als weitere
Bedingung wurde die Bezahlung eines Pauschalbetrags in Höhe von EUR 2,3 Mio. zzgl. etwaiger USt als
"Mietreduktion für die Jahre 2004 bis 2006" genannt.
Unter Bezugnahme hierauf stellte die Mieterin der Vermieterin am 22. Dezember 2006 einen Betrag in
Höhe von EUR 2,3 Mio. zzgl. 20% USt in Rechnung. Mit Schreiben vom selben Tag erklärte die mit der
Verwaltung des Bürogebäudes beauftragte GmbH gegenüber der Vermieterin, dass mit der Bezahlung dieses
Betrags die Verminderung der Nutzbarkeit des Objekts für die Jahre 2004 bis 2006 als abgegolten angesehen
und keine weitere Mietreduktion für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2006 beansprucht werde.
Am 19. März 2007 stellte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin u.a. einen Antrag gemäß
§ 295a BAO und begehrte die Abänderung ihrer Körperschaftsteuerbescheide für 2004 und 2005. Die gewährte
Mietenrückvergütung in Höhe von EUR 2,3 Mio. sei auf die Jahre 2004 bis 2006 linear zu verteilen, sodass sich
für die Jahre 2004 und 2005 eine Minderung der ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlage um jeweils
EUR 766.666,66 ergebe. In der Begründung des Antrags nach § 295a BAO führte die Vermieterin im
Wesentlichen aus, mit der Vereinbarung vom 15. Dezember 2006 sei ein mehrjähriger Streit mit der Mieterin des
Bürogebäudes über behauptete Beeinträchtigungen der Nutzbarkeit des Mietgegenstandes in den
Jahren 2004 bis 2006 beigelegt worden. Unbestrittenermaßen habe es diverse, zum Teil aus Baumängeln
resultierende Schäden gegeben. Es sei aber sehr wohl bestritten worden, ob und in welchem Ausmaß daraus
überhaupt eine Beeinträchtigung der Nutzbarkeit des Mietobjekts habe abgeleitet werden können. Dieser Streit
sei bis zum Jahr 2006 von der Mieterin nur mit geringem Aufwand betrieben worden, sodass kein Anhaltspunkt
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Verwaltungsgerichtshof
24.09.2014
dafür vorgelegen sei, dass tatsächlich mit einer Mieteinbuße zu rechnen sei. Zwar habe die Mieterin die Mängel
gerügt und dokumentiert, aber keine weiteren Schritte gesetzt. Auch sei die Miete regelmäßig entrichtet worden
und habe die Mieterin von der Möglichkeit, diese teilweise einzubehalten oder bei einem Dritten zu hinterlegen,
keinen Gebrauch gemacht. Das Verhalten der Mieterin habe sich allerdings mit der Aufnahme der
Verhandlungen über die Verlängerung des Mietvertrags im Jahr 2006 grundsätzlich geändert und habe die
Mieterin die taktische Verbesserung ihrer Verhandlungsposition voll ausgenützt. Letztlich habe man sich auf
eine rückwirkende Mietreduktion für die Jahre 2004 bis 2006 in Höhe von EUR 2,3 Mio. geeinigt. Ansonsten
hätte die Gefahr bestanden, dass das gesamte Gebäude relativ kurzfristig leer gestanden wäre, was zu einer
Existenzbedrohung für die Vermieterin geführt hätte. Nach rechtlichen Ausführungen zu § 295a BAO folgerte
die Vermieterin, dass die rückwirkende Vereinbarung einer Mietzinsminderung für die Jahre 2004 bis 2006
zweifellos ein abgabenrelevantes Ereignis im Sinne des § 295a BAO darstelle.
Mit Bescheid vom 14. April 2008 wies das Finanzamt den Antrag auf Bescheidänderung gemäß
§ 295a BAO ab. Gestützt auf die Beantwortung eines Vorhalts durch die Mieterin am 26. Februar 2008 vertrat
das Finanzamt die Auffassung, die pauschale Zahlung in Höhe von EUR 2,3 Mio. sei in erster Linie durch die
Verlängerung des Mietvertrags bedingt gewesen und habe primär der Einnahmensicherung für die nächsten zehn
bis 20 Jahre gedient. Sollte auch eine Mitabgeltung der Unannehmlichkeiten der Jahre 2004 bis 2005 erfolgt
sein, könnte es sich dabei nur um verhältnismäßig geringe Beträge handeln. Da es lediglich zu einer
Periodenverschiebung komme, werde der Antrag aus verwaltungsökonomischen Gründen abgewiesen.
In der dagegen erhobenen Berufung vom 20. Mai 2008 brachte die Rechtsvorgängerin der
Beschwerdeführerin insbesondere vor, die von der Mieterin in ihrem Schreiben vom 15. Dezember 2006
gewählte Formulierung der "Mietreduktion für die Jahre 2004 bis 2006" sei eindeutig und grammatikalisch nicht
anders interpretierbar. Aus einer Forderung nach einer Mietzinsrückvergütung werde kein zukünftiger Rabatt für
eine Vertragsverlängerung, nur weil diese anlässlich der Vertragsverlängerung ausgehandelt werde. Eine lineare
Verteilung des Betrags in Höhe von EUR 2,3 Mio. auf die Jahre 2004 bis 2006 bewirke eine Minderung des
Mietentgelts um 20,2% (2004), 19,7% (2005) bzw. 19,3% (2006). Die Höhe dieser Mietzinsreduktion sei
fremdüblich und entspreche der mietenrechtlichen Judikatur. Im konkreten Fall würden zweifellos Mängel
vorliegen, die die Benutzbarkeit des Mietobjekts wesentlich beeinträchtigen könnten und würde jeder dieser
Mängel für sich schon eine Mietzinsreduktion begründen. Gemeinsam mit der Berufung legte die
Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin auch einen umfangreichen Schriftverkehr zu den Mängeln des
Mietobjekts sowie diverse Mängellisten vor.
Ergänzend wurde ein Schreiben einer B Holding AG vom 10. September 2008 vorgelegt, in dem diese nun
bestätigte, dass die Zahlung von EUR 2,3 Mio. lediglich die finale Bereinigung der Ansprüche aus der
Beeinträchtigung der Nutzbarkeit des Mietobjekts in den Jahren 2004 bis 2006 darstelle und die für die
Folgeperiode (2007 bis 2017) vereinbarte Miete auf die Mietzinsreduktion keinen Einfluss gehabt habe.
Über Vorhalt der belangten Behörde führte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 1. April 2009
weiters aus, bei der von ihrer Rechtsvorgängerin geleisteten Zahlung habe es sich um eine Art Schadenersatz
gehandelt, dessen Auslöser in der Vergangenheit gelegen sei. Die Mieterin habe bereits in der Vergangenheit
objektiv den Anspruch erworben und sich danach mit der Vermieterin auf die Höhe der daraus resultierenden
Mietzinsminderung geeinigt. Für drohende Ertragsminderungen oder Ansprüche Dritter aus dem Titel des
Schadenersatzes seien nach § 198 Abs. 8 Z 1 UGB ausreichende Rückstellungen zu bilden, wenn diese
Ansprüche am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher seien. Wären dem die Bilanz erstellenden
Steuerberater die damals bereits vorliegenden Mängel sowie der dazu ergangene Schriftverkehr bekannt gegeben
worden, hätte er entsprechende Rückstellungen bilden müssen. Es habe daher eine Bilanzberichtigung zu
erfolgen. Nach detaillierter Auflistung der einzelnen Mängel wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass viele
Schäden mehrmals oder in allen Jahren durchgehend aufgetreten seien. Auch könnten diese Beeinträchtigungen
nicht unbedeutend sein, hätte die das Bürogebäude verwaltende GmbH doch sonst nicht selbst zwei Gutachten
dazu in Auftrag gegeben. Dem vorgelegten Schriftverkehr sei zu entnehmen, dass mehrfach die Ersatzvornahme
bzw. die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen angedroht worden sei und habe das Verfahren
mehrmals "an der Kippe" zum gerichtlichen Verfahren gestanden. Eine Verpflichtung zur Rückstellungsbildung
habe somit in allen drei Jahren bestanden. Dabei habe sich die Höhe an der mietrechtlichen Judikatur zu
orientieren. Hätte man sich nicht gütlich geeinigt, hätten zusätzlich Prozess- und Rechtsanwaltskosten
einkalkuliert werden müssen. Eine Rückstellungsbildung hätte daher im Jahr 2004 jedenfalls mit mindestens
15% bis 20% und 2005 mit mindestens 20% bis 25% der jeweiligen Jahresmiete erfolgen müssen. Für 2006
würde sich die Rückstellungsbildung erübrigen, weil die Vereinbarung bereits vorgelegen sei.
Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab. Zwar seien in den Jahre 2004 bis 2006
verschiedene Mängel des Mietobjekts gerügt worden, jedoch hätten diese nicht das ganze Gebäude in einem
derart gravierenden Ausmaß betroffen, dass eine Reduktion der jeweiligen Mieterlöse in den Zeitpunkten der
Bilanzerstellung für die Jahre 2004 und 2005 erkennbar gewesen sei. Die Rechtsvorgängerin der
Beschwerdeführerin habe keine Rückstellung gebildet, weil für sie aus dem Verhalten der Mieterin nicht
erkennbar gewesen sei, dass diese in Zukunft bestimmte Ansprüche stellen würde. So habe die
Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf Bescheidänderung gemäß § 295a BAO
u.a. selbst ausgeführt, dass die Mieterin den Streit bis 2006 nur mit geringem Aufwand betrieben habe, sodass
kein Anhaltspunkt dafür vorgelegen sei, dass tatsächlich mit einer Mieteinbuße zu rechnen gewesen sei. Auch sei
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Verwaltungsgerichtshof
24.09.2014
die Miete regelmäßig entrichtet worden und habe die Mieterin nicht von der Möglichkeit, diese teilweise
einzubehalten oder bei einem Dritten zu hinterlegen, Gebrauch gemacht. Im Übrigen seien auch den vorgelegten
Schriftsätzen keine konkreten Angaben zur Höhe allfälliger Schadenersatzansprüche der Mieterin oder zur Höhe
der angedrohten Mietzinsminderungen zu entnehmen. Da die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin in den
Zeitpunkten der Bilanzerstellung für die Jahre 2004 und 2005 nicht vom Vorliegen einer Verpflichtung zur
Rückstellungsbildung ausgegangen sei, liege kein Grund vor, der eine Bilanzberichtigung erforderlich machen
würde. Die nachträgliche Vereinbarung einer "Mietreduktion für die Jahre 2004 bis 2006" in Höhe von
EUR 2,3 Mio. stelle kein Ereignis dar, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand
oder Umfang eines Abgabenanspruchs habe, weil keine materiellrechtliche Bestimmung des Abgabenrechts eine
derartige Rückwirkung vorsehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof nach vorheriger
Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 23. Februar 2010, B 1079/09, dem Verwaltungsgerichtshof zur
Entscheidung abgetretene und für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ergänzte Beschwerde. Über diese hat
der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer mit einer Replik
beantworteten Gegenschrift erwogen:
Nach § 295a BAO in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung des AbgÄG 2003,
BGBl. I Nr. 124/2003, kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert
werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder
Umfang eines Abgabenanspruchs hat.
§ 295a BAO ist eine rein verfahrensrechtliche Bestimmung. Sie nimmt keinen Einfluss auf den Tatbestand
materieller Abgabengesetze. Vielmehr ist den materiellen Abgabengesetzen zu entnehmen, ob einem
nachträglich eingetretenen Ereignis abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit zukommt. Es ist daher an
Hand der materiellen Abgabengesetze zu prüfen, ob ein Anwendungsfall des § 295a BAO vorliegen kann
(vgl die hg Erkenntnisse vom 20. Februar 2008, 2007/15/0259, vom 4. Februar 2009, 2006/15/0151,
VwSlg. 8405/F, und vom 26. Jänner 2011, 2007/13/0084).
Die Änderung nach § 295a BAO hat zur Voraussetzung, dass ein Ereignis eintritt, welches
abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruchs hat.
Ein derartiges Ereignis muss - damit ein Anwendungsfall des § 295a BAO vorliegen kann - nach Erlassung des
Abgabenbescheids eintreten. Tritt ein solches Ereignis hingegen vor Bescheiderlassung ein, muss es bereits im
Abgabenbescheid Berücksichtigung finden (vgl. Ritz, BAO5, § 295a Tz 5).
Bei der Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG 1988 - die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin
ermittelte ihren Gewinn nach dieser Bestimmung - bewirkt die bei dieser Gewinnermittlungsart zu beachtende
Maßgeblichkeit der unternehmensrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, dass innerhalb des von
den steuerlichen Vorschriften vorgegebenen Rahmens eine Verpflichtung zur Rückstellungsbildung für die
steuerliche Gewinnermittlung besteht, wenn eine solche Verpflichtung für die Unternehmensbilanz gegeben ist
(vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 2013, 2010/15/0157).
Aufgrund der Maßgeblichkeit der unternehmensrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
besteht bei der Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG 1988 daher die Verpflichtung, bei der Erstellung des
Jahresabschlusses alle erkennbaren Risiken und drohenden Verluste, die in dem Geschäftsjahr oder einem
früheren Geschäftsjahr entstanden sind, zu berücksichtigen. Dabei gilt der Grundsatz der subjektiven Richtigkeit
der Bilanz. Richtig ist die Bilanz dann, wenn die am Bilanzstichtag bestehenden Verhältnisse nach der bei
Bilanzerstellung bestehenden Kenntnis des Steuerpflichtigen (bzw. nach der Kenntnis, die der Steuerpflichtige
unter Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt bei Bilanzerstellung hätte haben können) in der Bilanz ihren
Niederschlag gefunden haben. Ob eine Rückstellung zu bilden ist, ist demnach nach dem Erkenntnisstand im
Zeitpunkt der Aufstellung des jeweiligen Jahresabschlusses zu beantworten (vgl. Zorn in Hofstätter/Reichel, Die
Einkommensteuer, Band III, Tz 67 ff zu § 4 Abs. 2 EStG 1988 sowie Tz 70 f zu § 9 EStG 1988, jeweils mit
weiteren Nachweisen; sowie nochmals das hg. Erkenntnis vom 25. April 2013, 2010/15/0157).
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für
die Bildung einer Rückstellung in den Bilanzen für 2004 und 2005 für eine aus der Mietzinsreduktion
resultierende Ertragsminderung seien nicht vorgelegen, weil im jeweiligen Zeitpunkt der Bilanzerstellung noch
nicht ernsthaft mit dem Eintritt der in Rede stehenden Verbindlichkeit zu rechnen gewesen sei.
Dagegen wird in der Beschwerde vorgebracht, in den Bilanzen der Jahre 2004 und 2005 wäre zwingend
eine Rückstellung für den Anspruch der Mieterin auf Mietzinsreduktion zu bilden gewesen. Im Zeitpunkt der
Erstellung der Bilanzen der Jahre 2004 (21. Oktober 2005) und 2005 (13. Juni 2006) hätten die Umstände,
welche durch die Bildung einer Rückstellung zu berücksichtigen seien, bereits konkret bestanden und seien diese
der Unternehmerin (Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin) auch bekannt gewesen. Die gebotene
Rückstellungsbildung sei jedoch unterblieben, weil die Unternehmerin die diesbezüglichen Informationen nicht
an den die Bilanz erstellenden Steuerberater weitergeleitet habe. Diese die Rückstellungsbildung bedingenden
Umstände seien sodann in der Vereinbarung mit der Mieterin vom 15. Dezember 2006 abschließend geregelt
worden. Die zu Unrecht unterlassene Rückstellungsbildung müsse durch eine Bilanzberichtigung nach § 4
Abs. 2 EStG 1988 für die Bilanzen 2004 und 2005 nachgeholt werden. Verfahrensrechtlich habe dies im Wege
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Verwaltungsgerichtshof
24.09.2014
einer Bescheidänderung nach § 295a BAO zu erfolgen, was die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid
verkannt habe.
Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids nicht aufgezeigt. Sollten wie in der Beschwerde behauptet - die für eine Rückstellungsbildung vorausgesetzten tatsächlichen Verhältnisse
bereits an den jeweiligen Bilanzstichtagen vorhanden gewesen und der Unternehmerin bis zur jeweiligen
Bilanzerstellung bekannt geworden sein, hätte im Hinblick auf die Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG 1988
die Verpflichtung zur Rückstellungsbildung bei Erlassung der Körperschaftsteuerbescheide für 2004 und 2005
bereits bestanden. Der Vereinbarung mit der Mieterin vom 15. Dezember 2006 kommt in diesem Fall für die
Rückstellungsbildung in den Bilanzen der Jahre 2004 und 2005 keine weitere Bedeutung zu.
Sind aber, wie behauptet, die für die Rückstellungsbildung maßgeblichen Umstände im gegenständlichen
Fall bereits vor Erlassung der Körperschaftsteuerbescheide für 2004 und 2005 vorgelegen, können die
Voraussetzungen des § 295a BAO nicht erfüllt sein. Wie oben bereits näher dargelegt, hat die Änderung nach
§ 295a BAO nämlich zur Voraussetzung, dass nach Bescheiderlassung ein Ereignis eintritt, das
abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit entfaltet und sich auf den Bestand oder Umfang eines
Abgabenanspruchs auswirkt. Auf der Grundlage des in der Beschwerde vorgetragenen Ablaufs des Geschehens
hätte bereits vor Bescheiderlassung die Verpflichtung zur Rückstellungsbildung bestanden. Damit liegt aber kein
nachträgliches, den abgabenrechtlich relevanten Sachverhalt betreffendes Ereignis vor, sondern nur eine
Berichtigung seiner Dokumentation in der Bilanz (vgl. Jakom/Marschner, EStG 2014, § 4 Rz 214, sowie
Zorn/Varro in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 4 Tz 133).
Soweit die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften eine
Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht sowie eine mangelhafte Beweiswürdigung der belangten
Behörde rügt, vermag dies der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, führt doch - wie dargestellt - auch die
Zugrundelegung des Sachverhaltsvorbringens der Beschwerdeführerin zu keinem anderen Verfahrensergebnis.
Die Beschwerde erweist sich somit im Ergebnis als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG
abzuweisen. Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2
Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die
Kostenentscheidung
Aufwandersatzverordnung 2008.
stützt
sich
auf
die
§§ 47 ff VwGG
iVm
der
VwGH-
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 24. September 2014
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GZ. RV/7101769/2015
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Vorsitzende Dr. Anna Maria Radschek und
die weiteren Senatsmitglieder Mag. Anna Mechtler-Höger, KR Gregor Ableidinger
und Dr. Franz Kandlhofer in der Beschwerdesache Bf, AdresseBf, vertreten durch
KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft,
Porzellangasse 51, 1090 Wien, gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15
Schwechat Gerasdorf vom 18.12.2013, betreffend Einkommensteuer 2003 bis 2006 in
der Sitzung am 03.06.2015 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht
erkannt:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf) erstattete gemeinsam mit ihren beiden in Österreich
lebenden Schwestern mit Schreiben vom 19. November 2013 durch ihren steuerlichen
Vertreter eine Offenlegung gemäß § 29 FinStrG betreffend Einkommensteuer 2003 bis
2012 und Erbschaftsteuer 2003.
Darin wird vorgebracht, die Einkünfte aus den ausländischen Konten der X S.A., Konten
und Depots bei der Bank S, Basel, Schweiz (ab 2010 M., Genf, Schweiz) seien irrtümlich
in Österreich nicht erklärt worden.
Der am 2003 verstorbene Vater habe über Konten und Depots bei der Bank
S, Basel, Schweiz, verfügt. Im Jahr 2003 seien diese Konten im Wege des
Verlassenschaftsverfahrens auf seine Kinder zu gleichen Teilen übergegangen.
Im Jahr 2005 sei die X S.A., Gesellschaft nach dem Recht von Panama) gegründet und
das Konto bei der S in diese Gesellschaft eingebracht worden.
Im Jahr 2010 seien die Konten und Depots von der Bank S, Basel, Schweiz, auf die Bank
M., Genf, Schweiz, übertragen worden.
Die Einkünfte aus diesen Konten und Depots seien irrtümlicherweise nicht der
österreichischen Einkommensteuer unterworfen worden. Aus finanzstrafrechtlicher
Vorsicht würden auch die Jahre 2003 bis 2007 betragsmäßig vollständig offengelegt.
Mit Bescheiden vom 18. Dezember 2013 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer
der Bf für die Jahre 2003 bis 2011 fest. In der Begründung wurde ausgeführt, im Ausland
bezogene Zinsen aus Bankeinlagen und Forderungswertpapieren unterlägen gemäß § 37
Abs. 8 Z 3 EStG 1988 der Einkommensteuer. Sie seien gesondert neben dem übrigen
Einkommen ohne Abzug von Freibeträgen bzw. Absetzbeträgen im Veranlagungswege mit
25% zu besteuern.
Das Vorliegen von Vorsatz sei zu bejahen, weil es sich um Kapitaleinkünfte von nicht
unbeträchtlicher Höhe handle und nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen
sei, dass derjenige, der über ein größeres Vermögen verfüge, auch Kenntnis von der
potentiellen Steuerpflicht angefallener Erträge habe. Überdies sei zu berücksichtigen, dass
die Besteuerung von Kapitaleinkünften aus in der Schweiz angelegtem Kapitalvermögen
seit Jahren in den Medien und in der öffentlichen Diskussion massiv thematisiert worden
sei.
In der fristgerecht gegen die Einkommensteuerbescheide 2003 bis 2006 erhobenen
Beschwerde brachte die steuerliche Vertretung der Bf vor, nach Rechtsprechung
und herrschender Lehre setze die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen seien,
eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die
Abgabenhinterziehung voraus, und zwar auch dann, wenn im Verwaltungsverfahren noch
keine Verjährungseinrede erhoben worden sei. Die maßgeblichen Hinterziehungskriterien
der Straftatbestände seien von der Abgabenbehörde nachzuweisen.
Die Beurteilung der Vorfrage, ob von einer Abgabenhinterziehung auszugehen sei,
habe in der Begründung des Bescheides zu erfolgen. Daraus müsse sich ergeben,
auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse sowie auf Grund welcher Überlegungen zur
Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung die Annahme der Hinterziehung
gerechtfertigt sei.
Bei den von der Behörde angeführten Begründungen handle es sich lediglich um
eine standardisierte, nicht auf die konkreten Umstände des Einzelfalles eingehende
Begründung. Es seien keine zweckdienlichen Umstände angeführt, aus denen sich mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Vorliegen eines Eventualvorsatzes
beweisen lasse.
Es sei seitens der Behörde lediglich ausgeführt worden, dass sich der Vorsatz allein auf
Grund der Kontrollmitteilungen infolge unrichtiger Einkommensteuererklärungen 2003
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bis 2006 ergebe, da in der Vergangenheit die ausländischen Kapitaleinkünfte in den
Steuererklärungen nicht enthalten gewesen seien. Der Vorsatz sei mit dem nicht näher
ausgeführten allgemeinen Begriff der "nicht unbeträchtlichen Höhe der ausländischen
Kapitaleinkünfte" argumentiert und daraus geschlossen worden, dass nach allgemeiner
Lebenserfahrung davon auszugehen sei, dass derjenige, der über ein größeres Vermögen
verfüge, auch Kenntnis von einer potentiellen Steuerpflicht anfallender Erträge habe.
Bewusst fahrlässig handle, wer es für möglich halte, dass er einen einem bestimmten
Tatbild entsprechenden Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen wolle.
Sowohl bei Eventualvorsatz als auch bei bewusster Fahrlässigkeit erkenne der Täter
die Möglichkeit des verpönten Erfolgseintrittes. Im Falle bewusster Fahrlässigkeit
handle er jedoch im Vertrauen darauf, dass dieser Erfolg nicht eintreten werde. Bei der
Unterscheidung sei ua auf die Persönlichkeit des Täters und die damit verbundene
Frage, ob dem Täter nach den Umständen eine vorsätzliche Handlung zuzumuten sei,
einzugehen. Führe diese Untersuchung zu keinem Ergebnis, gelte, dass im Zweifel
zugunsten des Täters zu entscheiden sei. Es sei dann nicht Eventualvorsatz, sondern
bewusste Fahrlässigkeit anzunehmen.
Der Annahme der Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer vorsätzlichen
Abgabenhinterziehung sei entgegenzuhalten, dass in der Offenlegung vom 19. November
2013 darauf hingewiesen worden sei, dass die Nichtversteuerung durch die Bf irrtümlich
erfolgt sei, womit eindeutig festgehalten sei, dass bei der Bf kein Vorsatz vorgelegen sei.
Ein derartiger Hinweis in der Offenlegung sei aber nicht zwingend gewesen, da im
Rahmen der Darlegung der Verfehlung keine Notwendigkeit bestehe, auch Umstände
bekannt zu geben, die der Beantwortung der Frage dienten, ob die Abgabepflichtige
vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt habe. Ein Schuldbekenntnis in Form von
Ausführungen zur subjektiven Tatseite sei für die ausdrückliche Darlegung der
Verfehlung bei der Offenlegung nicht erforderlich. Das Fehlen genauerer Ausführungen
könne daher nicht als Argument für das Bestehen einer Abgabenhinterziehung gemäß
§ 33 FinStrG herangezogen werden.
Die Bf sei zweifelsfrei der Ansicht gewesen, dass die Schweiz das
Besteuerungsrecht habe und durch Abzug der ausländischen Quellensteuern die
ausländischen Kapitaleinkünfte endbesteuert gewesen seien. Es sei daher von der
Abgabenbehörde zu prüfen, ob die Abgabepflichtige hinsichtlich der Nichtbesteuerung der
Einkünfte in Österreich einem Irrtum unterlegen sei.
Angesichts der Tatsache, dass die Bf keine steuerrechtliche Berufsausbildung genossen
habe und in Österreich Konten generell der Kapitalertragsteuer mit Abgeltungswirkung
unterlägen, sei nachgewiesen, dass die Bf keinen Vorsatz gehabt habe, sondern vielmehr
einem "Endbesteuerungsirrtum" unterlegen sei.
Diese Meinung werde im Übrigen auch vom UFS Linz in seiner Entscheidung vom
30.5.2012, FSRV/0100-L/10 geteilt: Es sei denkmöglich, dass selbst in Wirtschaftsdingen
erfahrene Personen hinsichtlich der korrekten Besteuerung von ausländischen
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Kapitaleinkünften im Internationalen Steuerrecht einen "Endbesteuerungsirrtum" haben
könnten.
Weiters sei zu betonen, dass die Bf die Wahl der Schweiz als Veranlagungsland nicht
selbst vorgenommen habe, sondern das Depot im Jahr 2003 von ihrem verstorbenen
Vater anteilig geerbt habe. Sie habe nicht die Schweiz als Depotland gewählt, sondern
lediglich das ihr übertragene Depot in der Schweiz belassen, was aus Gründen der
Verwaltungsvereinfachung durchaus nachvollziehbar sei.
Gemäß § 9 FinStrG werde dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet,
wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlaufe, der ihn das Vergehen oder
das darin liegende Unrecht nicht erkennen lasse. Sei der Irrtum unentschuldbar, so sei
dem Täter Fahrlässigkeit zuzurechnen. Somit besage der ausdrückliche Gesetzeswortlaut,
dass im Falle eines Irrtums Vorsatz ausgeschlossen sei.
Letztlich gehe es bei der Frage der Entschuldbarkeit des Irrtums darum, ob die
Steuerpflichtige Erkundigungen hinsichtlich der Aufnahme der ausländischen
Kapitaleinkünfte in die österreichische Einkommensteuererklärung einzuholen gehabt
hätte. Einem jüngeren deutschen Judikat (FG Münster vom 5.9.2007, 1 K 1544/04 E)
liege die Ansicht zu Grunde, dass aus dem bloßen Unterlassen der Einholung von
Erkundigungen kein bedingter Vorsatz abgeleitet werden könne.
In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung
des UFS nicht einmal Wirtschaftstreuhändern der Vorwurf des Vorsatzes gemacht
werde, wenn sie mit den Untiefen des Internationalen Steuerrechts nicht vertraut
seien. Die jüngere Rechtsprechung des VwGH belege, dass auch bei Personen des
Wirtschaftslebens der einschlägige Wissensstand nicht überschätzt werden dürfe und der
Vorwurf des "Wissen müssens" maximal ein fahrlässiges Verhalten begründen könne,
nicht jedoch Vorsatz.
Ein Grund für die Nichtangabe dieser Einkünfte in der österreichischen Steuererklärung
liege darin, dass die Bf der irrigen Meinung gewesen sei, dass die ausländischen
Quellensteuern auf die ausländischen Kapitaleinkünfte eine Endbesteuerungswirkung vergleichbar der österreichischen KESt - hätten.
Diese Aussage harmoniere auch mit der originär strafrechtlichen Rechtsprechung
zum Irrtum über die Steuerpflicht ausländischer Kapitaleinkünfte im Bereich der DBAAnwendung.
Wenn die Behörde ausführe, dass zumindest vom Vorliegen von bedingtem Vorsatz
auszugehen sei, da unvollständige Steuererklärungen eingereicht worden seien und die
grundsätzliche Steuerpflicht ausländischer Kapitaleinkünfte dem Steuerpflichtigen schon
auf Grund der Höhe der Kapitaleinkünfte klar sein müsse, sei dem entgegenzuhalten, dass
eine derartige Interpretation weit überschießend und vom Gesetz nicht gedeckt sei, da
sie keinen Raum für eine irrtümliche Nichterklärung von Einkünften lasse. Führe jegliche
unvollständige Abgabe zur Annahme von bedingtem Vorsatz, sei eine irrtümliche und
fahrlässige Nichterklärung von Einkünften ausgeschlossen. Eine solche Interpretation sei
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aber dem Gesetz nicht zu entnehmen und betreffe keinesfalls die subjektive Tatseite des
§ 33 FinStrG, sondern allenfalls die objektive Tatseite. Zum Tatbestand des § 33 FinStrG
gehöre der Vorsatz, Abgaben zu verkürzen, der nicht schon dann angenommen werden
könne, wenn das objektive Tatbild erfüllt sei.
Soweit die Behörde ausführe, dass derjenige, der über ein größeres Vermögen verfüge,
auch Kenntnis von der potentiellen Steuerpflicht anfallender Erträge habe, sei dem
entgegenzuhalten, dass die Bf die ausländischen Kapitalerträge gerade auf Grund der
vermeintlichen Besteuerung nicht mitgeteilt hat.
Die Ansicht der Behörde, dass die Nichtversteuerung von Kapitaleinkünften in der Schweiz
Gegenstand einer laufenden medialen Diskussion sei, gehe ins Leere, weil die Diskussion
erst in den letzten Jahren verstärkt zugenommen habe und in den Jahren bis 2007
medial völlig unbeachtet gewesen sei. Die Diskussion drehe sich in erster Linie um nicht
versteuerte Einkünfte bzw Umsätze, die auf sog. Schwarzgeldkonten in Steueroasen
vor der Finanzverwaltung versteckt würden. Bei den Einlagen der Bf handle es sich
um Famiienvermögen, das bereits seit vielen Jahren in der Schweiz veranlagt sei. Aus
einer erst 2008 einsetzenden medialen Diskussion zu einem anderen Thema könne kein
Vorsatz der Bf für die Jahre 2003 bis 2006 abgeleitet werden.
Da mangels Vorsatzes die Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 vorletzter Satz BAO nicht
zehn, sondern nur fünf Jahre betrage, erweise sich der Spruch der angefochtenen
Bescheide als inhaltlich rechtswidrig. Die Verjährung sei in jedem Verfahrensstadium zu
berücksichtigen und bewirke die Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde. Die
Bescheide seien daher ersatzlos aufzuheben.
Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidungen als unbegründet abgewiesen
und ausgeführt, gemäß § 19 BAO würden bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus
Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf
den Rechtsnachfolger übergehen. Die Abgabenschuld gehe daher in dem Ausmaß
auf die Gesamtrechtsnachfolgerin über, in dem der Abgabenanspruch vor dem die
Gesamtrechtsnachfolge bewirkenden Ereignis entstanden sei. Als Erbin und somit
Gesamtrechtsnachfolgerin treffe die Bf auch eine Berichtigungspflicht für die bis zum Tod
erwirtschafteten Kapitalerträge, soweit diese nicht verjährt seien.
Das Finanzamt gehe von einer Abgabenhinterziehung und somit von einer zehnjährigen
Verjährungsfrist aus.
Ein Irrtum sei entschuldbar, wenn der Täter ohne jedes Verschulden, also ohne Verletzung
seiner Sorgfaltspflicht, in seiner Handlungsweise weder ein Finanzvergehen noch ein darin
liegendes Unrecht erkennen habe können. Ein verschuldeter (= unentschuldbarer) Irrtum
liege auch bei vorwerfbarer Erkundigungspflicht vor. Ein vorwerfbarer Rechtsirrtum liege
vor, wenn der Steuerpflichtige trotz Zweifel betreffend die Rechtmäßigkeit seines Handelns
nicht bei der zuständigen Behörde nachfrage.
Die Unkenntnis des Gesetzes sei nur dann als unverschuldet anzusehen, wenn dem
Normadressaten die Rechtsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen
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erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben sei. Müssten ihm Zweifel an der
Rechtmäßigkeit seines Verhaltens aufkommen, hätten ihn diese Zweifel zu veranlassen,
hierüber bei der zuständigen Behörde anzufragen. In der Unterlassung einer dem
Beschuldigten nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbaren Erkundigung liege
ein Verschulden, welches das Vorliegen eines entschuldbaren Irrtums und damit die
Anwendung des § 9 FinStrG ausschließe.
Im vorliegenden Fall sei das schweizerische Kapitalvermögen im Jahr 2003 durch
Erbschaft erworben worden. Schon im Rahmen des Erbschaftssteuerverfahrens sei das
ausländische Vermögen nicht offengelegt worden. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte die Bf
Erkundigungen über die Besteuerung des Kapitalvermögens einholen müssen.
Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der über ein größeres
Vermögen verfüge, auch von der potentiellen Steuerpflicht anfallender Erträge wisse. Der
Einwand, die ausländischen Quellensteuern hätten eine Endbesteuerungswirkung, sei als
Schutzbehauptung anzusehen.
Es sei davon auszugehen, dass die Bf auch in Österreich über ein Bankkonto verfüge
und daher habe wissen müssen, dass die österreichische Kapitalertragsteuer 25%
betrage. Die Annahme, dass die Abzugssteuer von 0,08%, 0,1% bzw. 0,09% eine
gleichartige Abgeltungswirkung habe, sei unglaubwürdig und lebensfremd.
Es sei auch davon auszugehen, dass es in Österreich ansässigen natürlichen
Personen auch ohne steuerrechtliche Berufsausbildung bekannt sei, dass keine
länderübergreifende Endbesteuerungswirkung vorliegen könne. Dies umso mehr, als die
Problematik des Transfers von Kapitalvermögen in die Schweiz zwecks Steuervermeidung
in Österreich seit vielen Jahren in der Öffentlichkeit diskutiert werde.
Mit dem Verweis auf das Judikat des FG Münster vom 5.9.2007, 1 K 1544/04 E übersehe
die Bf, dass darin in Frage gestellt worden sei, ob die Kläger bzw der sogenannte "HobbySteuerberater" von einer Steuerpflicht der Anlagen in der Bundesrepublik Deutschland
bzw. zumindest von der beschriebenen Auskunftspflicht wissen mussten. Insofern könne
das Urteil auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung führte die Bf aus, sie sei Künstlerin und
die jüngste von vier Schwestern. Als solche habe sie daher keinen Einfluss auf das
Verlassenschaftsverfahren nach ihrem verstorbenen Vater gehabt. Dass dieser ein
Vermögen angespart habe, das auf Konten in der Schweiz veranlagt sei, habe sie nicht
mitbekommen. Sie habe ihren Vater als rechtsverbundenen Menschen gekannt und sei
daher nicht auf die Idee gekommen, dass dieser Steuern hinterzogen haben könnte.
Auch sei sie zum Zeitpunkt des Todes ihres Vaters in einer persönlich sehr schwierigen
Situation gewesen und habe sich auch aus diesem Grund nicht um die finanziellen
Dinge gekümmert. Die Transaktionen betreffend das in der Schweiz angelegte Vermögen
seien von einem Vermögensverwalter durchgeführt worden, der stets den Eindruck
vermittelt habe, dass sämtliche Steuern korrekt abgeführt worden seien. Auch seien die
Depotauszüge nur an ihre Mutter und nicht an sie übermittelt worden.
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Sie sei erst im Jahr 2013 von ihrer Mutter auf die Steuerpflicht der Erträge aus den
Schweizer Konten hingewiesen worden. Bis dahin habe sie von ihrer Mutter nach dem Tod
des Vaters monatliche Zuwendungen in Höhe von 500,00 Euro bis 1.000,00 Euro erhalten.
Es sei ihr nicht bewusst gewesen, dass es sich dabei um Erträgnisse aus dem Vermögen
des verstorbenen Vaters gehandelt habe.
Die Vertreterin der belangten Behörde brachte vor, die Thematik von Anlagen in der
Schweiz sei spätestens 2008 in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Hätte die Bf damals
bereits reagiert, wären die Jahre 2003 bis 2006 keinesfalls verjährt. Sie gehe daher davon
aus, dass kein entschuldbarer Irrtum vorliege.
Der steuerliche Vertreter erklärte, ein nichtentschuldbarer Irrtum bedeute noch kein
vorsätzliches Handeln. Der gegenständliche Fall sei kein typischer, weil auch die
Familienstruktur keine typische sei. Hinsichtlich der medialen Diskussion sei zu
berücksichtigen, dass der Vermögensverwalter zu diesem Zeitpunikt erklärt habe, dass
steuerlich alles in Ordnung sei. Deshalb sei es auch 2008 zu keiner Selbstanzeige
gekommen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt:
Die Bf hat für die Streitjahre keine Abgabenerklärungen eingereicht.
Sie erwarb im Jahr 2003 im Erbweg gemeinsam mit ihren drei Schwestern in der Schweiz
veranlagtes Kapitalvermögen in Höhe von EUR 1.347.197,04. Das Vermögen war
von ihrem am 2003 verstorbenen Vater auf Konten und Depots bei der Bank S, Basel,
Schweiz, veranlagt worden. Auf Grund der Familienstruktur verfügte die Mutter, an die
auch die Depotauszüge zugestellt wurden, gemeinsam mit dem Vermögensverwalter über
das in der Schweiz veranlagte Vermögen. Die Bf konnte einerseits als jüngste von vier
Schwestern darauf keinen Einfluss nehmen und befand sich andererseits im Zeitpunkt des
Todes ihres Vaters auch in einer persönlich schwierigen Situation, in der sie nicht in der
Lage war, sich um steuerliche Belange zu kümmern. Vom Vermögensverwalter wurde
überdies vermittelt, dass steuerlich alles in Ordnung sei. Sie unterlag hinsichtlich der
Steuerpflicht der Erträge aus dem in der Schweiz veranlagten Kapitalvermögen, die ihr in
Form von monatlichen Zuwendungen ihrer Mutter zwischen 500,00 Euro und 1.000,00
Euro zugeflossen sind, einem unentschuldbaren Irrtum.
Die Erträge aus dem in der Schweiz veranlagten Kapitalvermögen sowie die aus den Anund Verkäufen lukrierten Spekulationsgewinne legte die Bf erst in der Selbstanzeige vom
19. November 2013 in folgender Höhe offen:
Jahr
Einkünfte aus Kapitalvermögen
Spekulationseinkünfte
2003
6.036,85 €
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2004
11.284,83 €
2.739,81 €
2005
5.673,39 €
-
2006
17.246,08 €
730,63 €
Das Finanzamt erließ für die Jahre 2003 bis 2006 datiert mit 18. Dezember 2013
Einkommensteuerbescheide, in welchen die in der Schweiz erzielten Kapita- und
Spekulationseinkünfte in Ansatz gebracht wurden.
Dieser Sachverhalt gründet sich auf die Angaben der Bf in der Offenlegung vom
19. November 2013 und hinsichtlich des Vorliegens eines unentschuldbaren Irrtums
auf ihre glaubwürdige Aussage in der mündlichen Verhandlung und die folgende
Beweiswürdigung:
Die Bf führte in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig aus, dass es ihr einerseits
auf Grund ihrer persönlichen schwierigen Situation und andererseits auf Grund der
untypischen Familienstruktur als jüngste von vier Töchtern nicht möglich gewesen sei,
die ihr nach ihren persönlichen Verhältnissen zumutbaren Erkundigungen über allfällige
steuerliche Aspekte des in der Schweiz veranlagten Vermögens einzuholen. In der
Unterlassung der subjektiv zumutbaren Erkundigung ist zwar ein die Entschuldbarkeit
des Irrtums ausschließendes Verschulden, aber kein vorsätzliches Handeln zu erblicken.
Die Bf hat kein nach außen erkennbares Verhalten gesetzt, aus dem geschlossen hätte
werden können, dass sie die Abgabenhinterziehung ernstlich für möglich gehalten und
sich billigend damit abgefunden hat.
Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe
der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist bei Verbrauchsteuern, ... drei Jahre,
bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die
Verjährungsfrist zehn Jahre.
Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer
vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder
Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
Gemäß § 33 Abs. 3 lit a FinStrG ist eine Abgabenverkürzung nach Abs. 1 mit
Bekanntgabe des Bescheides, mit dem bescheidmäßig festzusetzende Abgaben zu
niedrig festgesetzt wurden oder wenn diese infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von
der Entstehung des Abgabenanspruches mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist
(Anmeldefrist, Anzeigefrist) nicht festgesetzt werden konnten, bewirkt.
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Gemäß § 8 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der
einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung
ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
Gemäß § 9 FinStrG wird dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn
ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darín
liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, so ist dem Täter
Fahrlässigkeit zuzurechnen.
Hatte der Abgabengläubiger infolge einer Abgabenhinterziehung keine Möglichkeit, das
Bestehen seines Anspruches zu erkennen, so entspricht es dem Sinn des Institutes der
Verjährung, dass die Durchsetzung der hinterzogenen Abgaben erst nach Ablauf einer
längeren Frist unzulässig wird (VwGH 14.7.1989, 86/17/0198).
Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe schließen die Erfüllung des
Tatbestandes der Hinterziehung und damit die Anwendung der Zehnjahresfrist aus.
Ob eine Abgabe hinterzogen ist, ist eine Vorfrage. Diese Beurteilung setzt
eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die
5
Abgabenhinterziehung voraus (Ritz, BAO , § 207 Tz 15).
Eine Abgabenhinterziehung liegt nicht schon bei einer objektiven Abgabenverkürzung
vor, sondern erfordert Vorsatz als Schuldform. Vorsätzliches Handeln beruht nach der
ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen
nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden
Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen
als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (VwGH 30.10.2003, 99/15/0098; VwGH
23.6.1992, 92/14/0036).
Die objektive Tatseite des § 33 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 3 lit a FinStrG ist im vorliegenden
Fall unstrittig erfüllt. Die Bf hat unter Verletzung der ihr nach § 119 BAO obliegenden
abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch das Nichterklären der
Schweizer Kapitaleinkünfte eine Verkürzung von Abgaben bewirkt.
Für den subjektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung ist es erforderlich, dass
der Täter den Steueranspruch kennt und weiß, dass er unrichtige oder unvollständige
Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen macht und dadurch der Steueranspruch
beeinträchtigt wird (UFSjournal 2013,65).
Entsprechend der obigen Beweiswürdigung ist davon auszugehen, dass die Bf nicht
wusste, dass die in der Schweiz erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen in Österreich
offenzulegen gewesen wären. Sie konnte auf Grund der ungewöhnlichen Familienstruktur
keinen Einfluss auf die Veranlagung des Vermögens nehmen und war in dem Glauben,
dass die Versteuerung der Erträge, die ihr in Form von monatlichen Zuwendungen
ihrer Mutter zugeflossen sind, ordnungsgemäß erfolgt ist. Eine Überprüfung war für sie
nicht möglich, weil die Depotauszüge an ihre Mutter übermittelt wurden und damit ihrer
Kontrolle entzogen waren. Darüber hinaus gelangte der Senat zur Überzeugung, dass
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es der Bf auf Grund ihrer schwierigen persönlichen Verhältnissse nicht möglich war, die
erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um das Unrecht der Vorgangsweise erkennen zu
können, und Erkundigungen einzuholen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt in der Unterlassung einer
dem Beschuldigten nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbaren Erkundigung ein
Verschulden, das das Vorliegen eines entschuldbaren Irrtums und damit die Anwendung
des § 9 FinStrG ausschließt (VwGH 1.12.1972, 2072/71; VwGH 15.6.1973, 390/73).
Im Umkehrschluss ist daher im gegenständlichen Fall davon auszugehen, dass in der
Unterlassung von Erkundigungen durch die Bf wegen ihrer schwierigen persönlichen
Verhältnisse kein Verschulden liegt, das die Anwendung des § 9 FinStrG ausschließt.
Es ist vielmehr das Vorliegen eines unentschuldbaren Irrtums zu bejahen und somit von
Fahrlässigkeit auszugehen.
Da somit der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO
nicht gegeben ist, hat das Finanzamt die angefochtenen Bescheide außerhalb der
gesetzlichen Verjährungsfrist erlassen. Der Beschwerde war daher stattzugeben und die
angefochtenen Bescheide aufzuheben.
Zulässigkeit einer Revision:
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 des
Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig, weil in der vorliegenden Beschwerde
keine Rechtsfragen aufgeworfen wurden, denen grundsätzliche Bedeutung im Sinne
des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Bei der Frage, ob der Bf Vorsatz in Bezug auf die
Nichterklärung der in der Schweiz erzielten Kapitalerträge vorzuwerfen ist, handelt
es sich um keine Rechtsfrage, sondern um eine Frage, die im Rahmen der freien
Beweiswürdigung zu entscheiden war.
Wien, am 17. Juni 2015
Seite 10 von 10
GZ. RV/7101769/2015
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Vorsitzende Dr. Anna Maria Radschek und
die weiteren Senatsmitglieder Mag. Anna Mechtler-Höger, KR Gregor Ableidinger
und Dr. Franz Kandlhofer in der Beschwerdesache Bf, AdresseBf, vertreten durch
KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft,
Porzellangasse 51, 1090 Wien, gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15
Schwechat Gerasdorf vom 18.12.2013, betreffend Einkommensteuer 2003 bis 2006 in
der Sitzung am 03.06.2015 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht
erkannt:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf) erstattete gemeinsam mit ihren beiden in Österreich
lebenden Schwestern mit Schreiben vom 19. November 2013 durch ihren steuerlichen
Vertreter eine Offenlegung gemäß § 29 FinStrG betreffend Einkommensteuer 2003 bis
2012 und Erbschaftsteuer 2003.
Darin wird vorgebracht, die Einkünfte aus den ausländischen Konten der X S.A., Konten
und Depots bei der Bank S, Basel, Schweiz (ab 2010 M., Genf, Schweiz) seien irrtümlich
in Österreich nicht erklärt worden.
Der am 2003 verstorbene Vater habe über Konten und Depots bei der Bank
S, Basel, Schweiz, verfügt. Im Jahr 2003 seien diese Konten im Wege des
Verlassenschaftsverfahrens auf seine Kinder zu gleichen Teilen übergegangen.
Im Jahr 2005 sei die X S.A., Gesellschaft nach dem Recht von Panama) gegründet und
das Konto bei der S in diese Gesellschaft eingebracht worden.
Im Jahr 2010 seien die Konten und Depots von der Bank S, Basel, Schweiz, auf die Bank
M., Genf, Schweiz, übertragen worden.
Die Einkünfte aus diesen Konten und Depots seien irrtümlicherweise nicht der
österreichischen Einkommensteuer unterworfen worden. Aus finanzstrafrechtlicher
Vorsicht würden auch die Jahre 2003 bis 2007 betragsmäßig vollständig offengelegt.
Mit Bescheiden vom 18. Dezember 2013 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer
der Bf für die Jahre 2003 bis 2011 fest. In der Begründung wurde ausgeführt, im Ausland
bezogene Zinsen aus Bankeinlagen und Forderungswertpapieren unterlägen gemäß § 37
Abs. 8 Z 3 EStG 1988 der Einkommensteuer. Sie seien gesondert neben dem übrigen
Einkommen ohne Abzug von Freibeträgen bzw. Absetzbeträgen im Veranlagungswege mit
25% zu besteuern.
Das Vorliegen von Vorsatz sei zu bejahen, weil es sich um Kapitaleinkünfte von nicht
unbeträchtlicher Höhe handle und nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen
sei, dass derjenige, der über ein größeres Vermögen verfüge, auch Kenntnis von der
potentiellen Steuerpflicht angefallener Erträge habe. Überdies sei zu berücksichtigen, dass
die Besteuerung von Kapitaleinkünften aus in der Schweiz angelegtem Kapitalvermögen
seit Jahren in den Medien und in der öffentlichen Diskussion massiv thematisiert worden
sei.
In der fristgerecht gegen die Einkommensteuerbescheide 2003 bis 2006 erhobenen
Beschwerde brachte die steuerliche Vertretung der Bf vor, nach Rechtsprechung
und herrschender Lehre setze die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen seien,
eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die
Abgabenhinterziehung voraus, und zwar auch dann, wenn im Verwaltungsverfahren noch
keine Verjährungseinrede erhoben worden sei. Die maßgeblichen Hinterziehungskriterien
der Straftatbestände seien von der Abgabenbehörde nachzuweisen.
Die Beurteilung der Vorfrage, ob von einer Abgabenhinterziehung auszugehen sei,
habe in der Begründung des Bescheides zu erfolgen. Daraus müsse sich ergeben,
auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse sowie auf Grund welcher Überlegungen zur
Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung die Annahme der Hinterziehung
gerechtfertigt sei.
Bei den von der Behörde angeführten Begründungen handle es sich lediglich um
eine standardisierte, nicht auf die konkreten Umstände des Einzelfalles eingehende
Begründung. Es seien keine zweckdienlichen Umstände angeführt, aus denen sich mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Vorliegen eines Eventualvorsatzes
beweisen lasse.
Es sei seitens der Behörde lediglich ausgeführt worden, dass sich der Vorsatz allein auf
Grund der Kontrollmitteilungen infolge unrichtiger Einkommensteuererklärungen 2003
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bis 2006 ergebe, da in der Vergangenheit die ausländischen Kapitaleinkünfte in den
Steuererklärungen nicht enthalten gewesen seien. Der Vorsatz sei mit dem nicht näher
ausgeführten allgemeinen Begriff der "nicht unbeträchtlichen Höhe der ausländischen
Kapitaleinkünfte" argumentiert und daraus geschlossen worden, dass nach allgemeiner
Lebenserfahrung davon auszugehen sei, dass derjenige, der über ein größeres Vermögen
verfüge, auch Kenntnis von einer potentiellen Steuerpflicht anfallender Erträge habe.
Bewusst fahrlässig handle, wer es für möglich halte, dass er einen einem bestimmten
Tatbild entsprechenden Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen wolle.
Sowohl bei Eventualvorsatz als auch bei bewusster Fahrlässigkeit erkenne der Täter
die Möglichkeit des verpönten Erfolgseintrittes. Im Falle bewusster Fahrlässigkeit
handle er jedoch im Vertrauen darauf, dass dieser Erfolg nicht eintreten werde. Bei der
Unterscheidung sei ua auf die Persönlichkeit des Täters und die damit verbundene
Frage, ob dem Täter nach den Umständen eine vorsätzliche Handlung zuzumuten sei,
einzugehen. Führe diese Untersuchung zu keinem Ergebnis, gelte, dass im Zweifel
zugunsten des Täters zu entscheiden sei. Es sei dann nicht Eventualvorsatz, sondern
bewusste Fahrlässigkeit anzunehmen.
Der Annahme der Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer vorsätzlichen
Abgabenhinterziehung sei entgegenzuhalten, dass in der Offenlegung vom 19. November
2013 darauf hingewiesen worden sei, dass die Nichtversteuerung durch die Bf irrtümlich
erfolgt sei, womit eindeutig festgehalten sei, dass bei der Bf kein Vorsatz vorgelegen sei.
Ein derartiger Hinweis in der Offenlegung sei aber nicht zwingend gewesen, da im
Rahmen der Darlegung der Verfehlung keine Notwendigkeit bestehe, auch Umstände
bekannt zu geben, die der Beantwortung der Frage dienten, ob die Abgabepflichtige
vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt habe. Ein Schuldbekenntnis in Form von
Ausführungen zur subjektiven Tatseite sei für die ausdrückliche Darlegung der
Verfehlung bei der Offenlegung nicht erforderlich. Das Fehlen genauerer Ausführungen
könne daher nicht als Argument für das Bestehen einer Abgabenhinterziehung gemäß
§ 33 FinStrG herangezogen werden.
Die Bf sei zweifelsfrei der Ansicht gewesen, dass die Schweiz das
Besteuerungsrecht habe und durch Abzug der ausländischen Quellensteuern die
ausländischen Kapitaleinkünfte endbesteuert gewesen seien. Es sei daher von der
Abgabenbehörde zu prüfen, ob die Abgabepflichtige hinsichtlich der Nichtbesteuerung der
Einkünfte in Österreich einem Irrtum unterlegen sei.
Angesichts der Tatsache, dass die Bf keine steuerrechtliche Berufsausbildung genossen
habe und in Österreich Konten generell der Kapitalertragsteuer mit Abgeltungswirkung
unterlägen, sei nachgewiesen, dass die Bf keinen Vorsatz gehabt habe, sondern vielmehr
einem "Endbesteuerungsirrtum" unterlegen sei.
Diese Meinung werde im Übrigen auch vom UFS Linz in seiner Entscheidung vom
30.5.2012, FSRV/0100-L/10 geteilt: Es sei denkmöglich, dass selbst in Wirtschaftsdingen
erfahrene Personen hinsichtlich der korrekten Besteuerung von ausländischen
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Kapitaleinkünften im Internationalen Steuerrecht einen "Endbesteuerungsirrtum" haben
könnten.
Weiters sei zu betonen, dass die Bf die Wahl der Schweiz als Veranlagungsland nicht
selbst vorgenommen habe, sondern das Depot im Jahr 2003 von ihrem verstorbenen
Vater anteilig geerbt habe. Sie habe nicht die Schweiz als Depotland gewählt, sondern
lediglich das ihr übertragene Depot in der Schweiz belassen, was aus Gründen der
Verwaltungsvereinfachung durchaus nachvollziehbar sei.
Gemäß § 9 FinStrG werde dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet,
wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlaufe, der ihn das Vergehen oder
das darin liegende Unrecht nicht erkennen lasse. Sei der Irrtum unentschuldbar, so sei
dem Täter Fahrlässigkeit zuzurechnen. Somit besage der ausdrückliche Gesetzeswortlaut,
dass im Falle eines Irrtums Vorsatz ausgeschlossen sei.
Letztlich gehe es bei der Frage der Entschuldbarkeit des Irrtums darum, ob die
Steuerpflichtige Erkundigungen hinsichtlich der Aufnahme der ausländischen
Kapitaleinkünfte in die österreichische Einkommensteuererklärung einzuholen gehabt
hätte. Einem jüngeren deutschen Judikat (FG Münster vom 5.9.2007, 1 K 1544/04 E)
liege die Ansicht zu Grunde, dass aus dem bloßen Unterlassen der Einholung von
Erkundigungen kein bedingter Vorsatz abgeleitet werden könne.
In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung
des UFS nicht einmal Wirtschaftstreuhändern der Vorwurf des Vorsatzes gemacht
werde, wenn sie mit den Untiefen des Internationalen Steuerrechts nicht vertraut
seien. Die jüngere Rechtsprechung des VwGH belege, dass auch bei Personen des
Wirtschaftslebens der einschlägige Wissensstand nicht überschätzt werden dürfe und der
Vorwurf des "Wissen müssens" maximal ein fahrlässiges Verhalten begründen könne,
nicht jedoch Vorsatz.
Ein Grund für die Nichtangabe dieser Einkünfte in der österreichischen Steuererklärung
liege darin, dass die Bf der irrigen Meinung gewesen sei, dass die ausländischen
Quellensteuern auf die ausländischen Kapitaleinkünfte eine Endbesteuerungswirkung vergleichbar der österreichischen KESt - hätten.
Diese Aussage harmoniere auch mit der originär strafrechtlichen Rechtsprechung
zum Irrtum über die Steuerpflicht ausländischer Kapitaleinkünfte im Bereich der DBAAnwendung.
Wenn die Behörde ausführe, dass zumindest vom Vorliegen von bedingtem Vorsatz
auszugehen sei, da unvollständige Steuererklärungen eingereicht worden seien und die
grundsätzliche Steuerpflicht ausländischer Kapitaleinkünfte dem Steuerpflichtigen schon
auf Grund der Höhe der Kapitaleinkünfte klar sein müsse, sei dem entgegenzuhalten, dass
eine derartige Interpretation weit überschießend und vom Gesetz nicht gedeckt sei, da
sie keinen Raum für eine irrtümliche Nichterklärung von Einkünften lasse. Führe jegliche
unvollständige Abgabe zur Annahme von bedingtem Vorsatz, sei eine irrtümliche und
fahrlässige Nichterklärung von Einkünften ausgeschlossen. Eine solche Interpretation sei
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aber dem Gesetz nicht zu entnehmen und betreffe keinesfalls die subjektive Tatseite des
§ 33 FinStrG, sondern allenfalls die objektive Tatseite. Zum Tatbestand des § 33 FinStrG
gehöre der Vorsatz, Abgaben zu verkürzen, der nicht schon dann angenommen werden
könne, wenn das objektive Tatbild erfüllt sei.
Soweit die Behörde ausführe, dass derjenige, der über ein größeres Vermögen verfüge,
auch Kenntnis von der potentiellen Steuerpflicht anfallender Erträge habe, sei dem
entgegenzuhalten, dass die Bf die ausländischen Kapitalerträge gerade auf Grund der
vermeintlichen Besteuerung nicht mitgeteilt hat.
Die Ansicht der Behörde, dass die Nichtversteuerung von Kapitaleinkünften in der Schweiz
Gegenstand einer laufenden medialen Diskussion sei, gehe ins Leere, weil die Diskussion
erst in den letzten Jahren verstärkt zugenommen habe und in den Jahren bis 2007
medial völlig unbeachtet gewesen sei. Die Diskussion drehe sich in erster Linie um nicht
versteuerte Einkünfte bzw Umsätze, die auf sog. Schwarzgeldkonten in Steueroasen
vor der Finanzverwaltung versteckt würden. Bei den Einlagen der Bf handle es sich
um Famiienvermögen, das bereits seit vielen Jahren in der Schweiz veranlagt sei. Aus
einer erst 2008 einsetzenden medialen Diskussion zu einem anderen Thema könne kein
Vorsatz der Bf für die Jahre 2003 bis 2006 abgeleitet werden.
Da mangels Vorsatzes die Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 vorletzter Satz BAO nicht
zehn, sondern nur fünf Jahre betrage, erweise sich der Spruch der angefochtenen
Bescheide als inhaltlich rechtswidrig. Die Verjährung sei in jedem Verfahrensstadium zu
berücksichtigen und bewirke die Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde. Die
Bescheide seien daher ersatzlos aufzuheben.
Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidungen als unbegründet abgewiesen
und ausgeführt, gemäß § 19 BAO würden bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus
Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf
den Rechtsnachfolger übergehen. Die Abgabenschuld gehe daher in dem Ausmaß
auf die Gesamtrechtsnachfolgerin über, in dem der Abgabenanspruch vor dem die
Gesamtrechtsnachfolge bewirkenden Ereignis entstanden sei. Als Erbin und somit
Gesamtrechtsnachfolgerin treffe die Bf auch eine Berichtigungspflicht für die bis zum Tod
erwirtschafteten Kapitalerträge, soweit diese nicht verjährt seien.
Das Finanzamt gehe von einer Abgabenhinterziehung und somit von einer zehnjährigen
Verjährungsfrist aus.
Ein Irrtum sei entschuldbar, wenn der Täter ohne jedes Verschulden, also ohne Verletzung
seiner Sorgfaltspflicht, in seiner Handlungsweise weder ein Finanzvergehen noch ein darin
liegendes Unrecht erkennen habe können. Ein verschuldeter (= unentschuldbarer) Irrtum
liege auch bei vorwerfbarer Erkundigungspflicht vor. Ein vorwerfbarer Rechtsirrtum liege
vor, wenn der Steuerpflichtige trotz Zweifel betreffend die Rechtmäßigkeit seines Handelns
nicht bei der zuständigen Behörde nachfrage.
Die Unkenntnis des Gesetzes sei nur dann als unverschuldet anzusehen, wenn dem
Normadressaten die Rechtsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen
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erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben sei. Müssten ihm Zweifel an der
Rechtmäßigkeit seines Verhaltens aufkommen, hätten ihn diese Zweifel zu veranlassen,
hierüber bei der zuständigen Behörde anzufragen. In der Unterlassung einer dem
Beschuldigten nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbaren Erkundigung liege
ein Verschulden, welches das Vorliegen eines entschuldbaren Irrtums und damit die
Anwendung des § 9 FinStrG ausschließe.
Im vorliegenden Fall sei das schweizerische Kapitalvermögen im Jahr 2003 durch
Erbschaft erworben worden. Schon im Rahmen des Erbschaftssteuerverfahrens sei das
ausländische Vermögen nicht offengelegt worden. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte die Bf
Erkundigungen über die Besteuerung des Kapitalvermögens einholen müssen.
Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der über ein größeres
Vermögen verfüge, auch von der potentiellen Steuerpflicht anfallender Erträge wisse. Der
Einwand, die ausländischen Quellensteuern hätten eine Endbesteuerungswirkung, sei als
Schutzbehauptung anzusehen.
Es sei davon auszugehen, dass die Bf auch in Österreich über ein Bankkonto verfüge
und daher habe wissen müssen, dass die österreichische Kapitalertragsteuer 25%
betrage. Die Annahme, dass die Abzugssteuer von 0,08%, 0,1% bzw. 0,09% eine
gleichartige Abgeltungswirkung habe, sei unglaubwürdig und lebensfremd.
Es sei auch davon auszugehen, dass es in Österreich ansässigen natürlichen
Personen auch ohne steuerrechtliche Berufsausbildung bekannt sei, dass keine
länderübergreifende Endbesteuerungswirkung vorliegen könne. Dies umso mehr, als die
Problematik des Transfers von Kapitalvermögen in die Schweiz zwecks Steuervermeidung
in Österreich seit vielen Jahren in der Öffentlichkeit diskutiert werde.
Mit dem Verweis auf das Judikat des FG Münster vom 5.9.2007, 1 K 1544/04 E übersehe
die Bf, dass darin in Frage gestellt worden sei, ob die Kläger bzw der sogenannte "HobbySteuerberater" von einer Steuerpflicht der Anlagen in der Bundesrepublik Deutschland
bzw. zumindest von der beschriebenen Auskunftspflicht wissen mussten. Insofern könne
das Urteil auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung führte die Bf aus, sie sei Künstlerin und
die jüngste von vier Schwestern. Als solche habe sie daher keinen Einfluss auf das
Verlassenschaftsverfahren nach ihrem verstorbenen Vater gehabt. Dass dieser ein
Vermögen angespart habe, das auf Konten in der Schweiz veranlagt sei, habe sie nicht
mitbekommen. Sie habe ihren Vater als rechtsverbundenen Menschen gekannt und sei
daher nicht auf die Idee gekommen, dass dieser Steuern hinterzogen haben könnte.
Auch sei sie zum Zeitpunkt des Todes ihres Vaters in einer persönlich sehr schwierigen
Situation gewesen und habe sich auch aus diesem Grund nicht um die finanziellen
Dinge gekümmert. Die Transaktionen betreffend das in der Schweiz angelegte Vermögen
seien von einem Vermögensverwalter durchgeführt worden, der stets den Eindruck
vermittelt habe, dass sämtliche Steuern korrekt abgeführt worden seien. Auch seien die
Depotauszüge nur an ihre Mutter und nicht an sie übermittelt worden.
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Sie sei erst im Jahr 2013 von ihrer Mutter auf die Steuerpflicht der Erträge aus den
Schweizer Konten hingewiesen worden. Bis dahin habe sie von ihrer Mutter nach dem Tod
des Vaters monatliche Zuwendungen in Höhe von 500,00 Euro bis 1.000,00 Euro erhalten.
Es sei ihr nicht bewusst gewesen, dass es sich dabei um Erträgnisse aus dem Vermögen
des verstorbenen Vaters gehandelt habe.
Die Vertreterin der belangten Behörde brachte vor, die Thematik von Anlagen in der
Schweiz sei spätestens 2008 in der Öffentlichkeit diskutiert worden. Hätte die Bf damals
bereits reagiert, wären die Jahre 2003 bis 2006 keinesfalls verjährt. Sie gehe daher davon
aus, dass kein entschuldbarer Irrtum vorliege.
Der steuerliche Vertreter erklärte, ein nichtentschuldbarer Irrtum bedeute noch kein
vorsätzliches Handeln. Der gegenständliche Fall sei kein typischer, weil auch die
Familienstruktur keine typische sei. Hinsichtlich der medialen Diskussion sei zu
berücksichtigen, dass der Vermögensverwalter zu diesem Zeitpunikt erklärt habe, dass
steuerlich alles in Ordnung sei. Deshalb sei es auch 2008 zu keiner Selbstanzeige
gekommen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt:
Die Bf hat für die Streitjahre keine Abgabenerklärungen eingereicht.
Sie erwarb im Jahr 2003 im Erbweg gemeinsam mit ihren drei Schwestern in der Schweiz
veranlagtes Kapitalvermögen in Höhe von EUR 1.347.197,04. Das Vermögen war
von ihrem am 2003 verstorbenen Vater auf Konten und Depots bei der Bank S, Basel,
Schweiz, veranlagt worden. Auf Grund der Familienstruktur verfügte die Mutter, an die
auch die Depotauszüge zugestellt wurden, gemeinsam mit dem Vermögensverwalter über
das in der Schweiz veranlagte Vermögen. Die Bf konnte einerseits als jüngste von vier
Schwestern darauf keinen Einfluss nehmen und befand sich andererseits im Zeitpunkt des
Todes ihres Vaters auch in einer persönlich schwierigen Situation, in der sie nicht in der
Lage war, sich um steuerliche Belange zu kümmern. Vom Vermögensverwalter wurde
überdies vermittelt, dass steuerlich alles in Ordnung sei. Sie unterlag hinsichtlich der
Steuerpflicht der Erträge aus dem in der Schweiz veranlagten Kapitalvermögen, die ihr in
Form von monatlichen Zuwendungen ihrer Mutter zwischen 500,00 Euro und 1.000,00
Euro zugeflossen sind, einem unentschuldbaren Irrtum.
Die Erträge aus dem in der Schweiz veranlagten Kapitalvermögen sowie die aus den Anund Verkäufen lukrierten Spekulationsgewinne legte die Bf erst in der Selbstanzeige vom
19. November 2013 in folgender Höhe offen:
Jahr
Einkünfte aus Kapitalvermögen
Spekulationseinkünfte
2003
6.036,85 €
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2004
11.284,83 €
2.739,81 €
2005
5.673,39 €
-
2006
17.246,08 €
730,63 €
Das Finanzamt erließ für die Jahre 2003 bis 2006 datiert mit 18. Dezember 2013
Einkommensteuerbescheide, in welchen die in der Schweiz erzielten Kapita- und
Spekulationseinkünfte in Ansatz gebracht wurden.
Dieser Sachverhalt gründet sich auf die Angaben der Bf in der Offenlegung vom
19. November 2013 und hinsichtlich des Vorliegens eines unentschuldbaren Irrtums
auf ihre glaubwürdige Aussage in der mündlichen Verhandlung und die folgende
Beweiswürdigung:
Die Bf führte in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig aus, dass es ihr einerseits
auf Grund ihrer persönlichen schwierigen Situation und andererseits auf Grund der
untypischen Familienstruktur als jüngste von vier Töchtern nicht möglich gewesen sei,
die ihr nach ihren persönlichen Verhältnissen zumutbaren Erkundigungen über allfällige
steuerliche Aspekte des in der Schweiz veranlagten Vermögens einzuholen. In der
Unterlassung der subjektiv zumutbaren Erkundigung ist zwar ein die Entschuldbarkeit
des Irrtums ausschließendes Verschulden, aber kein vorsätzliches Handeln zu erblicken.
Die Bf hat kein nach außen erkennbares Verhalten gesetzt, aus dem geschlossen hätte
werden können, dass sie die Abgabenhinterziehung ernstlich für möglich gehalten und
sich billigend damit abgefunden hat.
Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe
der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist bei Verbrauchsteuern, ... drei Jahre,
bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die
Verjährungsfrist zehn Jahre.
Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer
vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder
Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
Gemäß § 33 Abs. 3 lit a FinStrG ist eine Abgabenverkürzung nach Abs. 1 mit
Bekanntgabe des Bescheides, mit dem bescheidmäßig festzusetzende Abgaben zu
niedrig festgesetzt wurden oder wenn diese infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von
der Entstehung des Abgabenanspruches mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist
(Anmeldefrist, Anzeigefrist) nicht festgesetzt werden konnten, bewirkt.
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Gemäß § 8 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der
einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung
ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
Gemäß § 9 FinStrG wird dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn
ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darín
liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, so ist dem Täter
Fahrlässigkeit zuzurechnen.
Hatte der Abgabengläubiger infolge einer Abgabenhinterziehung keine Möglichkeit, das
Bestehen seines Anspruches zu erkennen, so entspricht es dem Sinn des Institutes der
Verjährung, dass die Durchsetzung der hinterzogenen Abgaben erst nach Ablauf einer
längeren Frist unzulässig wird (VwGH 14.7.1989, 86/17/0198).
Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe schließen die Erfüllung des
Tatbestandes der Hinterziehung und damit die Anwendung der Zehnjahresfrist aus.
Ob eine Abgabe hinterzogen ist, ist eine Vorfrage. Diese Beurteilung setzt
eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die
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Abgabenhinterziehung voraus (Ritz, BAO , § 207 Tz 15).
Eine Abgabenhinterziehung liegt nicht schon bei einer objektiven Abgabenverkürzung
vor, sondern erfordert Vorsatz als Schuldform. Vorsätzliches Handeln beruht nach der
ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen
nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden
Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen
als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (VwGH 30.10.2003, 99/15/0098; VwGH
23.6.1992, 92/14/0036).
Die objektive Tatseite des § 33 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 3 lit a FinStrG ist im vorliegenden
Fall unstrittig erfüllt. Die Bf hat unter Verletzung der ihr nach § 119 BAO obliegenden
abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch das Nichterklären der
Schweizer Kapitaleinkünfte eine Verkürzung von Abgaben bewirkt.
Für den subjektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung ist es erforderlich, dass
der Täter den Steueranspruch kennt und weiß, dass er unrichtige oder unvollständige
Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen macht und dadurch der Steueranspruch
beeinträchtigt wird (UFSjournal 2013,65).
Entsprechend der obigen Beweiswürdigung ist davon auszugehen, dass die Bf nicht
wusste, dass die in der Schweiz erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen in Österreich
offenzulegen gewesen wären. Sie konnte auf Grund der ungewöhnlichen Familienstruktur
keinen Einfluss auf die Veranlagung des Vermögens nehmen und war in dem Glauben,
dass die Versteuerung der Erträge, die ihr in Form von monatlichen Zuwendungen
ihrer Mutter zugeflossen sind, ordnungsgemäß erfolgt ist. Eine Überprüfung war für sie
nicht möglich, weil die Depotauszüge an ihre Mutter übermittelt wurden und damit ihrer
Kontrolle entzogen waren. Darüber hinaus gelangte der Senat zur Überzeugung, dass
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es der Bf auf Grund ihrer schwierigen persönlichen Verhältnissse nicht möglich war, die
erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um das Unrecht der Vorgangsweise erkennen zu
können, und Erkundigungen einzuholen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt in der Unterlassung einer
dem Beschuldigten nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbaren Erkundigung ein
Verschulden, das das Vorliegen eines entschuldbaren Irrtums und damit die Anwendung
des § 9 FinStrG ausschließt (VwGH 1.12.1972, 2072/71; VwGH 15.6.1973, 390/73).
Im Umkehrschluss ist daher im gegenständlichen Fall davon auszugehen, dass in der
Unterlassung von Erkundigungen durch die Bf wegen ihrer schwierigen persönlichen
Verhältnisse kein Verschulden liegt, das die Anwendung des § 9 FinStrG ausschließt.
Es ist vielmehr das Vorliegen eines unentschuldbaren Irrtums zu bejahen und somit von
Fahrlässigkeit auszugehen.
Da somit der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO
nicht gegeben ist, hat das Finanzamt die angefochtenen Bescheide außerhalb der
gesetzlichen Verjährungsfrist erlassen. Der Beschwerde war daher stattzugeben und die
angefochtenen Bescheide aufzuheben.
Zulässigkeit einer Revision:
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 des
Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig, weil in der vorliegenden Beschwerde
keine Rechtsfragen aufgeworfen wurden, denen grundsätzliche Bedeutung im Sinne
des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Bei der Frage, ob der Bf Vorsatz in Bezug auf die
Nichterklärung der in der Schweiz erzielten Kapitalerträge vorzuwerfen ist, handelt
es sich um keine Rechtsfrage, sondern um eine Frage, die im Rahmen der freien
Beweiswürdigung zu entscheiden war.
Wien, am 17. Juni 2015
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