Auszug Buch_Club-Kapitel West Ham United
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Auszug Buch_Club-Kapitel West Ham United
Kapitel 5; West Ham United 322 2.14 West Ham United Fußballverrückte Werftarbeiter Londons taten sich 1895 zusammen und gründeten mit Unterstützung des geschäftsführenden Direktors, Arnold Hills, den „Thames Iron Works FC“, um regelmäßig am Spielbetrieb einer Amateurliga teilnehmen zu können. 1896 wurde der Club in die regionale „Liga Süd“ aufgenommen. Als es fünf Jahre später finanzielle Schwierigkeiten gab, engagierten sich die Besitzer der Werften, die ihren Angestellten bisher mit Spenden geholfen hatten, direkt im Club. Um im regelmäßigen Ligaspielbetrieb konkurrenzfähig zu werden und die Investitionen der Geldgeber zu schützen, wurde der Verein 1900 als West Ham United Limited (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) neu gegründet. Diese Historie machte den Club unter dem Spitznamen „Hammers“ populär. Passend kam später als zweiter Spitzname „Die Eisernen“ hinzu, weil er die Schiffbaugeschichte mit dem Kampfgeist der Clubs auf dem Weg nach oben wie auch im Spiel gegen vermeintliche Favoriten verbindet und treffend kennzeichnet.490 West Ham spielte bis zum 1. Weltkrieg in regionalen Ligen im Großraum London. Erster Team-Manager war Syed King, der den Club von 1902 bis 1932 sportlich führte. Charlie Painter wurde 1912 Trainer und übernahm später (1932 bis 1950) das Team-Management. Erst 1919 wurde West Ham in die 2. Division aufgenommen (im gleichen Jahr als Arsenal in die 1. Division aufrückte). Vier Jahre später gelang als Zweiter der 2. Division der Aufstieg in die höchste Klasse und damit der erstmalige Vorstoß in die nationale Spitze. Das Finale des FA-Cups 1923 ging jedoch verloren. Seit dieser Zeit kämpft West Ham darum, zur Spitze zu gehören. Dabei hat es Erfolge erreicht und Rückschläge erlitten. Immer ist der Club wieder aufgestanden und hat einen neuen Anlauf genommen. Er hat Fehler korrigiert, ist gewachsen. Dem ersten Jahrzehnt in der Oberklasse (1923-1932) folgten Jahre in der 2. Liga (bis 1958). Dem Wiederaufstieg damals lag bereits ein Merkmal zugrunde, das West Ham auch heute prägt, nämlich die Fähigkeit von der Clubspitze bis zum letzten Mitarbeiter der Nachwuchsarbeit einen unverzichtbaren Stellenwert als Reservoir der Zukunft, nicht nur in Presseinterviews, sondern auch im Handeln, einzuräumen. Hinzu kommt die Qualität der Ausbildung, die immer wieder Spieler hervorbrachte bzw. weiterentwickelte, die dem Club halfen, entweder in der 1. Mannschaft oder durch Transfererlöse. 1957 schloß sich Bobby Moore dem Club an, ein Jahr später unterschrieb er einen Profivertrag. In 642 Liga- und Pokalspielen führte er aus der Defensive West Ham zu seinen größten Erfolgen. Kongeniale Ergänzung war über viele Jahre Geoff Hurst im Sturm. In dieser Periode errang West Ham mit dem Gewinn des Europapokals der Pokalsieger (1964) seinen bislang größten Erfolg (Finalsieg gegen München 1860). Vorausgegangen war der Gewinn des FA-Cups 1963. Später gewann West Ham zwei weitere Finalspiele im FA-Cup (1975, 1980). Das erneute Vordringen ins Finale des Europacups der Pokalsieger 1976 ging aber verloren, ebenso wie die beiden Endspiele um den nationalen Liga-Cup (1966, 1981). In der Ligameisterschaft gelang der große Wurf bisher nicht. Als beste Plazierungen stehen ein 3. Rang (1985/86) und ein 5. Rang (1998/99) zu Buche. Ansonsten bewegte sich West Ham meist auf den Plätzen 8 bis 15. Nach 20 erfolgreichen Jahren in der höchsten Spielklasse geriet West Ham dann erneut drei kurze Perioden in die 2. Liga (1978-1981 und 1989-1991 sowie 1992/93). Erst der Abstieg 1991/92 leitete eine Trendwende ein, die strategischen Charakter trug. 490 Auch „Eisern“ Union (Berlin) kennt diese sinnbildhafte Übertragung – selbst ohne den Hintergrund des Schiffsbaus. Kapitel 5; West Ham United Abb. 5-14a 323 West Ham United PLC, Gruppenstruktur (2003) 491 West Ham United PLC Vorstand Vorsitzender: Terence W. Brown C. J. Warner (Notar) Nick Igoe (Finanzdirektor) P. M. Aldridge 491 West Ham United Football Club plc West Ham United Sportswear Limited Vorstand: T. W. Brown (Vorsitzender) M. W. Cearns (Vize-) P. M. Aldridge (Geschäftsführender Direktor) C. J. Warner (Notar) N. Igoe (Finanzdirektor) Vorstand: T. W. Brown (Vorsitzender) P. M. Aldridge (Geschäftsführender Direktor) M. W. Cearns C. J. Warner (Notar) N. Igoe (Finanzdirektor) Hauptaktivitäten: Professioneller Fußballclub Hauptaktivitäten: Handel und Merchandising West Ham United Hospitality Limited Thames Iron Works & Shipbuilding Comp. Ltd. Vorstand: T. W. Brown (Vorsitzender) P. M. Aldridge (Geschäftsführender Direktor) M. W. Cearns C. J. Warner (Notar) N. Igoe (Finanzdirektor) Vorstand: T. W. Brown (Vorsitz und Geschäftsführer) P. M. Aldridge M. W. Cearns C. J. Warner N. Igoe (Finanzdirektor) Hauptaktivitäten: Hospitality und Catering einschließlich Hotelbetrieb Hauptaktivitäten: Grundstückseigentum und -management Eigene Darstellung, wie auch Abb. 5-14b und Organigramme in anderen Clubskizzen des Kapitels 5, hier wie meist, anhand von Organigrammen bzw. Geschäftsverteilungsplänen des jeweiligen Clubs unter Berücksichtigung der Erläuterungen der Vorstandsmitglieder und Manager sowie realer Arbeitsprozesse. 324 Kapitel 5; West Ham United Terence Brown, ursprünglich gemeinsam mit Peter Storrie als Vertreter der Fans als Beisitzer in den Vorstand berufen, hatte große Teile seines im Hauptberuf verdienten Geldes in seinen Lieblingsclub investiert, war inzwischen größter Gesellschafter geworden, übernahm 1992 den Vorsitz im Vorstand. Berufen wurde er von den Anteilsinhabern, wobei West Ham der einzige englische Proficlub ist, in dem die Nachkömmlinge der Gründerfamilien mit über 50 % bis heute eine Mehrheit halten. „Unter traumatischen Umständen waren wir in die neustrukturierte 1. Division der FL abgestiegen. Unser Stadion war schrecklich. Wir mußten das umliegende Gelände und eine Straße für fast 2 Mio. GBP kaufen, wenn wir jemals die Chance wahrnehmen wollten, unser Stadion auszubauen. Die Mannschaft war unter Niveau, aber unsere besten Spieler mußten verkauft werden, um die bevorstehende Saison finanzieren und überstehen zu können. Der Rasen hatte keine Drainage, nicht zu denken an Rasenheizung. Er war seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr erneuert worden. Wir hatten das Trainingsgelände nur gemietet und waren von einer Räumungsklage bedroht. Unser Merchandising bestand aus einer Kabine aus zweiter Hand, die auf dem Parkplatz vor dem Stadion stand. Die berühmte West Ham United Nachwuchs-Akademie war heruntergewirtschaftet. Seitdem ist viel geschehen. ...“492 Von diesem Zeitpunkt an begann West Ham einen Modernisierungsprozeß, um vor allem die materiell-sachlichen und strukturellen Rückstände gegenüber der Konkurrenz wettzumachen und die Nachwuchsarbeit als Wettbewerbsvorteil wiederherzustellen. Die Erneuerung nahm ein ganzes Jahrzehnt in Anspruch und wurde in Etappen und weitgehend ohne Outsourcing von Geschäftsfeldern vorangetrieben. Schwerpunkte waren der Neuaufbau des Nachwuchszentrums, die schrittweise Erneuerung und Erweiterung des Stadions, der Auf- und Ausbau von Wirtschaftssektoren zur Steigerung der Erträge. Dazu übernahmen die größten Eigentümer, der Vorsitzende gemeinsam mit einem, später mit zwei weiteren Vorstandsmitgliedern, die operative, hauptamtliche Führung. Die Vorstandsmitglieder besitzen die Mehrheit der Anteile (reichlich 90 %), ca. 300 Anhänger halten 9 %, 1 % hatte zeitweilig FILA (Trikotsponsor bis 2003) übernommen. Bis 1997 wurde eine Führungsstruktur entwickelt (vgl. Anlage 5-14), die es erlaubte, eine auf Steigerung der Erträge orientierte Entwicklung voranzutreiben. Das Merchandising wurde später als bei anderen englischen FC zielstrebig entwickelt, inzwischen aber im Einzugsgebiet stark verankert. Die Zusammenarbeit mit Sponsoren erhielt einen neuen Stellenwert und zeigte sich auch an den Spieltagen und in der Vorstandsarbeit. Das intensive Engagement des Clubs im heimatlichen Stadtbezirk und im regionalen Umfeld führte zu einer besseren Integration. West Ham besitzt sein Stadion und anliegende Parkflächen. Es kaufte das Trainingsgelände in einem benachbarten Stadtteil, das heute mindestens 6 Mio. € Wert hat, und besitzt einige der Gebäude, in denen es Geschäfte eröffnet hat. West Ham erwarb auch ein Stadtteilzentrum in Beckton, wo es neben Newham soziale, sportliche und Bildungsprojekte realisiert (siehe unten). Indem die Vorstandsmitglieder der Holding zugleich die Führung der Tochtergesellschaften innehaben (vgl. Abb. 5-14a), erfolgt die Führung der überschaubaren Gruppe „aus einer Hand“. Die Tochtergesellschaften sind faktisch in eine einheitliche Arbeitsstruktur als Geschäftsbereiche integriert. Insofern kann die reale Arbeitsstruktur zusammengefaßt wie in Abbildung 5-14b dargestellt werden. Beim Vergleich dieser mit der Arbeitsstruktur des Jahres 1997 (s. Anl. 5-14a) wird deutlich, daß die Zuordnungen nur unwesentlich verändert wurden. Lediglich ablauforganisatorische und andere Zweckmäßigkeitsgründe führten zu geringfügigen Modifikationen. Die Leiter der neu aufgenommenen bzw. erweiterten Arbeitsgebiete 492 Bericht des Vorsitzenden auf der Gesellschafterversammlung, 25.10.2001, Geschäftsbericht 2001, S. 6. Kapitel 5; West Ham United 325 Abb. 5-14b West Ham United FC, Operative Struktur 2003, Führungsebenen 1-3 West Ham United Football Club plc Vorstand (5) Terence W. Brown ( Geschäftsführender Vorsitzender) M.W. Cearns (Vize-, aufsichtsführend) C.J. Warner (Notar, aufsichtsführend) P. M. Aldridge Geschäftsführender Direktor TeamManager G. Roeder(bis 2003) Alan Pardew FußballSekretär Peter Barnes Nick Igoe Finanzdirektor Manager Marketing/ Wirtschaft Sue Page FirmenSekretär Scott Duxbury Trainer, Physios, Betreuung TicketingManager (+15) Merchandising (13) StadionManager Sponsoring/ Werbung (+20) (6) Spieler (47) Ausrüstung (1) Sicherheit Scouting (2) AzubiSpieler (22) RW Buchhaltung Verwaltung (10) Quality-Hotel Ben Illingworth Plätze Hospitality (6+ p.t.) General-Manager Hospitality/Hotel Technik Direktor FußballAkademie Tony Carr U19 U17 (46) Fußball in Stadt/Region Bildungs- und Sozialprojekte (9) Trainer, Physios, Betreuer (28) Manager Traingsgelände (+8) Spieltagspersonal Spieler 8-16 Jahre _____________________________________________________________________________________ Legende: Direktor (Vorstand) Manager (Bereichsleiter) Manager Abteilungs-/ Gruppenleiter (Zahl in Klammern: Anzahl der Mitarbeiter der Abteilung/Arbeitsgruppe) MA Kapitel 5; West Ham United 326 Hospitality/Catering/Hotel, Sponsoring und Merchandising sind im Rahmen ihrer Budgets eigenverantwortlich entscheidungsbefugt. Strategische Entscheidungen und neue Vorhaben bedürfen der Vorlage im Vorstand oder zumindest der Zustimmung des geschäftsführenden Direktors und des Vorsitzenden, die beide täglich zusammenkommen. Während die operativ tätigen Vorstände um eine möglichst direkte Führung der Geschäftsbereiche bzw. Abteilungen bemüht sind, kommen z.B. dem Fußballsekretär nicht nur die Aufgaben der Organisation von Verwaltung und des laufenden Spiel- und Sportbetriebs sowie die Unterstützung des TeamManagers bei der Führung der sportlichen Arbeit zu. Er ist auch für Koordinierungsaufgaben zuständig. Eine ähnliche Funktion, jedoch mehr an der Seite der Vorstände, übt der Firmensekretär aus. Mit Scott Duxbury hat West Ham seit 2001 zudem einen Juristen in leitender Position direkt im Club eingebunden, nicht zuletzt auch, um mehr Know how bei den umfangreicher gewordenen vertraglichen Arbeiten vor Ort zu haben. Tab. 5-6 West Ham United, Entwicklung der Mitarbeiterzahl 1986 bis 2005493 feste MA feste p. t. ges. 86/87 87/88 91/92 93/94 95/96 97/98 98/99 99/00 00/01 01/02 02/03 03/04 04/05 79 84 90 99 105 131 158 197 238 231 260 226 180 22 24 23 20 22 23 20 243 262 425 447 393 413 101 108 113 119 127 154 178 440 500 656 707 619 593 Die Mitarbeiterzahlen sind vor allem in den Wirtschaftsbereichen und in der Nachwuchsakademie gestiegen. Grundlage der Geschäftstätigkeit bildete der 1997/98 vom Vorstand beschlossene Geschäftsplan für die mittel- und langfristige Entwicklung des Clubs. Er enthielt die nach umfangreicher Analyse und Diskussion fixierten elf wichtigsten Arbeitsschwerpunkte, die im Stil eines Aufrufs an die Bereichsleiter und Mitarbeiter abgefaßt worden sind und die seitdem periodisch fortgeschrieben werden. In der Ursprungsversion wurden festgelegt: „1. Sichere Premier Liga-Status (oder erlange ihn wieder)! 2. Qualifiziere dich für europäische Wettbewerbe! 3. Untersuche jeden Geschäftsbereich der Gesellschaft innerhalb von 12 Monaten, um Gewinne, Effizienz und die Qualität des Services zu steigern. Ticketing und Handel sind derzeit Gegenstand umfangreicher Untersuchungen! 4. Nutze die Möglichkeiten im Merchandising: a) um die Rendite zu erhöhen b) um zwanzig Geschäfte in Essex und Ost-London zu eröffnen c) um das Versandgeschäft zu entwickeln. 5. Baue neue Tribünen auf der Ost- und der Westseite für ein Stadion mit 36.500 Sitzplätzen! 6. Führe die Strategie der Nachwuchsentwicklung weiter! 7. Nutze die Möglichkeiten des Pay-TV! 8. Erweitere die Geschäftstätigkeit im Firmenkundenbereich! 9. Bau die wirtschaftlichen Aktivitäten aus! 10. Kooperiere mit kleineren Clubs bzw. erwirb zu geeignetem Zeitpunkt Farmclubs! 11. Gewährleiste, daß wir aus den Veränderungen des Fußballs infolge des Bosman-Urteils Nutzen ziehen können!“ 494 Die Umsetzung dieser Zielsetzungen erfolgt im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung und der jährlichen Budgetierung sowie von detaillierten Projektplänen. Besonderes Augenmerk 493 494 Angaben nach den Geschäftsberichten von West Ham United. Nach Geschäftsplan West Ham United, Schwerpunkte als Arbeitsübersetzung des Verfassers. Kapitel 5; West Ham United 327 widmete der Vorstand den Investitionsprogrammen und deren Umsetzung.495 Während diese beim Stadion und in den Wirtschaftsbereichen jeweils unter der direkten Regie eines der Vorstände realisiert werden, liegt die alleinige fachliche Entscheidungskompetenz für Spielerverpflichtungen oder Vertragsverlängerungen beim Team-Manager. Dieser stimmt sich bei West Ham im Kreis seiner Trainerkollegen ab. Der Vorstandsvorsitzende bzw. der Finanzdirektor sind dann diejenigen, die abschließend über die Realisierbarkeit und die Konditionen von Verträgen entscheiden. Der Vorsitzende Terence Brown unterstrich dazu: „Es ist nicht mit unserer Clubphilosophie vereinbar, eine Risikostrategie zu verfolgen, die mit Blick auf sportliche Erfolge durch Spielerinvestitionen Verluste schafft, die West Ham destabilisieren. Wir investieren nur das, was wir erarbeiten. Unser Club strebt operative Gewinne an und investiert nur soweit, wie wir sicher in der Lage sind, Investitionen über operative Gewinne und Gewinne aus Spielertransfers zu finanzieren. Dazu haben wir die Erträge gesteigert, die materiellen Voraussetzungen für die sportliche Arbeit und die Zuschauer verbessert, den Wert der Mannschaft auf über 100 Mio. GBP erhöht und natürlich auch in die Verstärkung der Mannschaft investiert. Außerdem haben wir mehrere Talente aus der eigenen Jugendarbeit in die 1. Mannschaft geführt, die heute bereits zum Kader der Nationalmannschaft gehören.“496 In seiner Vorgehensweise ist West Ham stärker als andere englische FC durch eine bewußt gestaltete strategische und personelle Kontinuität getragen. Seit 1895 (Vereinsgründung) bzw. 1902 (erster hauptamtlicher Trainer) gab es lediglich zehn Team-Manager. Alan Pardew übernahm diese Aufgabe im Frühherbst 2003. Die durchschnittliche Tätigkeitsdauer der bisherigen Team-Manager betrug damit deutlich mehr als zehn Jahre. Dies ist ein Spitzenwert im englischen Fußball. Andere PLClubs, wie Arsenal erreichen immerhin auch 5,5 Jahre, ManU 5,8 Jahre, Manchester City 3,6 Jahre, Aston Villa 5,4 Jahre und West Bromwich Albion 3,7 Jahre. Natürlich ist die Verweildauer der Cheftrainer/Team-Manager auch in England in den letzten Jahren kürzer geworden. Dennoch legen etliche FC nach wie vor großen Wert auf mehrjährige, systematische sportliche Führung auf der Grundlage abgestimmter Entwicklungskonzeptionen. Obgleich bei West Ham G. Roeder mit zwei Jahren (2001-2003), Billy Bond, der zuvor in über 20 Jahren mit 793 Pflichtspielen, Rekordhalter bei West Ham geworden war, mit vier Jahren (1990-94) bzw. Harry Redknapp mit sieben Jahren (1994-2001) z.T. deutlich unter dem Durchschnitt West Hams liegen, haben auch sie in wichtigen Bereichen in ihrer mehrjährigen Tätigkeit die Entwicklung des Clubs vorangebracht. Bei kurzfristigen Leistungsschwankungen, Abstiegsgefahr und in anderen schwierigen Entwicklungsperioden hat der Vorstand von West Ham bisher nur selten einen Wechsel auf dieser Position als Lösung von Problemen angesehen, solange in Grundfragen der Arbeit und in den Zielsetzungen eine Übereinstimmung zwischen Vorstand, Cheftrainer und sportlicher Leitung vorhanden war und der Team-Manager die sportlichen Belange gegenüber den angestellten Spielern vermitteln und durchsetzen konnte. Der Abstimmung der sportlichen und personellen Strategie in diesem Kreis mißt West Ham großes Augenmerk bei.497 Die tägliche Zusammenarbeit zwischen Team-Manager und Fußballsekretär hilft der Umsetzung. Der Vorsitzende trifft mindestens ein Mal je Woche mit dem Team-Manager zusammen. Zu den Vorstandssitzungen berichten Team-Manager und Fußballsekretär regelmäßig. In nichtsportlichen Fragen der Clubführung bleibt der Team-Manager bei West Ham wie bei fast allen 495 Nach Gesprächen mit Vorstandsvorsitzender Terence Brown, dem früheren Geschäftsführenden Direktor Peter Storrie, Finanzdirektor N. Igoe, Fußball-Sekretär Peter Barnes, insbes. am 14.3.1997, im März 1998 bzw. 8./11.5.2001. 496 Terence Brown im Gespräch am 8.5.2001. 497 Peter Storrie, Geschäftsführender Vorstand 1997, wie auch Neil Harrison und Peter Barnes, Fußball-Sekretäre, in Gesprächen 1997, 2001, 2003-2005. 328 Kapitel 5; West Ham United anderen Clubs außen vor.498 Für andere Belange waren und sind andere leitende Personen klar zuständig. Zu den wichtigen Führungsgrundsätzen gehören bei West Ham (ähnlich s. Arsenal) a die Bewahrung einer Eigentumsstruktur, die für den Club Stabilität, klare Führungsverhältnisse und eine familiäre Atmosphäre gewährleisten, a die Kontinuität der leistungsorientierten Clubstrategie mit den Schwerpunkten, sportliche Erfolge zu erreichen und soziale Verantwortung im Einzugsgebiet aktiv wahrzunehmen, a die Sicherung von Professionalität bei der Besetzung von Führungspositionen und von Fachaufgaben in der Wirtschaftstätigkeit, a die zunehmende Einbeziehung moderner Führungsmethoden zur Steuerung der Komplexität der verschiedenen Felder der Geschäftstätigkeit.499 Als etliche FC in England, Schottland, Dänemark, Holland und Italien an die Börse gingen, hat West Ham auch deshalb einen solchen Weg nicht eingeschlagen, weil keine Lösung gefunden werden konnte, einen Börsengang zur schnelleren Kapitalbeschaffung mit der Bewahrung der Eigentümerstruktur, der Stabilitäts- und sozialen Interessen der Gründerfamilien zu harmonisieren. In England waren bislang Konstruktionen wie in Deutschland (GmbH & Co. KGaA) nicht realisierbar, wo man gleichzeitig in größerem Umfang Kapital für Investitionen gewinnen, sich dennoch den Wirkungen des Kapitalmarktes teilweise entziehen und die Kontrolle des Clubs in den Händen bewährter Vereinsführer oder etablierter lokaler Interessengruppen belassen kann. Es sei denn, die bisherigen Eigentümer gehören, wie bei wenigen anderen FC zu verzeichnen, zu den „Superreichen“, die auch beim Börsengang einen entsprechenden Anteil der Aktien übernehmen und jede erforderlich werdende Kapitalaufstockung mitgehen können. West Ham hat im Jahr 2000 - im Unterschied zu ManU, Arsenal, Aston Villa und einigen anderen Clubs das Angebot eines TV-Senders zum Erwerb von Anteilen abgelehnt. Ein wichtiger Grund dafür war die Frage der Kontrolle der Hauptgeschäftsgebiete. West Ham hätte kurzfristig mehrere Millionen GBP für 9,9 % der Anteile erhalten können (im privaten Handel wurde zu dieser Zeit ein Anteilsschein von 50 Pence Nennwert zu 500 GBP gehandelt). Dafür jedoch hätte die Vermarktungsfirma große Teile der Wirtschaftstätigkeit übernommen. Für längere Zeit wäre dann im Marketing ein Abfluß an Provisionen von 20-30 % der Vertragsvolumina in Kauf zu nehmen gewesen. Der Finanzdirektor und die Chefin des Marketing verwiesen in diesem Zusammenhang auf die clubeignen Kalkulationen, wonach eine vom Vermarkter betriebene Wirtschaftstätigkeit eines FC nur im besten Falle geringfügig mehr an Brutto-Volumen bei den Vertragsabschlüssen erbringen könne als die vom Club mit professionellen Kräften selbst betriebenen Wirtschaftstätigkeit. Effekte einer „Economy of Scale“ seien für den Club nicht vorteilhaft, sie begünstigten höchstens den Vermarkter, wenn er Mehrfachengagements des einen oder anderen seiner Kunden bei den von ihm wirtschaftlich geführten FC veranlaßt. Die Abzüge der Provisionen oder ähnlicher Erlösanteile verringere jedoch die Erträge eines jeden dieser FC längerfristig. Zudem leide die Qualität der Kundenbeziehungen des Clubs. „Es ist besser, die Wirtschaftstätigkeit selbst zu betreiben und Fachkräften Gehalt zu zahlen, als einer Vermarktungsfirma dessen Personal und dessen Gewinnanteile zu finanzieren.“500 T. Brown stellte dies in den größeren Zusammenhang des Charakters des Clubs und seiner Selbständigkeit: „Die Zusammenarbeit mit unseren Sponsoren und Geschäftspartnern ist für uns eine, die von gegenseitigen wirtschaftlichen Interessen getragen wird, die aber immer auch eine recht persönliche Seite hat. 498 Außer z.B. bei Celtic, VfB Stuttgart, ManU, wo in bestimmten Fragen seitens der Team-Manager Einbeziehung erwünscht bzw. Engagement vorhanden ist und eine partielle Einbeziehung über die Führung des Sportbereichs hinaus erfolgt. Bei FC mit Sportdirektor bzw. Sportvorstand (etliche deutsche Clubs, wie auch Tottenham, Bordeaux, Real Madrid, Parma u.a.) entlastet dieser den Team-Manager/Cheftrainer von diesen Funktionsteilen, vgl. auch Kapitel 5.1. 499 Nach T. Brown, Gespräche 1997, 2002 - 2005; P. Storrie 1997, Nick Igoe 2001, P. Barnes 2000, 2001. 500 Finanzdirektor N. Igoe am 11.5.2001, ähnlich Marketing-Abteilungsleiterin S. Page. Kapitel 5; West Ham United 329 Vertrauen gehört dazu. Das ist eben keine technokratische Angelegenheit, wie es von den meisten Vermarktern dargestellt wird.“501 West Ham setzte in den letzten Jahren zunehmend auf die Stärkung der Anhängerschaft in London und Umgebung. Dabei nutzte es Erkenntnisse des Zensus von 1991, die den Schluß zulassen, daß West Ham mit mehr als einer Million Einwohner im engeren Einzugsgebiet (im 10-Meilen-Radius um das Stadion) nach Arsenal und noch vor Tottenham, West Bromwich Albion, Aston Villa und ManU die zweitstärkste Bevölkerungsdichte in Stadionbereichen Englands aufweist.502 Regelmäßig vom Vorstand ausgewertet werden in diesem Zusammenhang auch die Ergebnisse der jährlichen Fanumfragen, die vom „Zentrum für Fußballforschung“ der Universität Leicester seit Jahren in detaillierter und für Marketing und Kundenarbeit der FC vorteilhaft nutzbarer Weise durchgeführt wurden. Danach hat West Ham United nach Manchester United und knapp vor den Glasgow Rangers und Chelsea das größte direkte Einzugsgebiet seiner Heimspielzuschauer. Sie kommen im Schnitt aus einer Entfernung von 22 Meilen zu den Heimspielen. Sie folgen dem Club auch weit überdurchschnittlich zu Auswärtsspielen. Die beliebtesten Auswärtsplätze sind dabei Arsenal und Liverpool, am wenigsten beliebt sind Chelsea, ManU und Sunderland. Die Anhängerschaft von West Ham umfaßt weniger Fans mit Hochschulbildung als beim Durchschnitt der PL. Sie rangiert aber nach Einkommen in der Spitzengruppe der PL, wobei sie mehrheitlich von berufstätigen Facharbeitern, Angestellten und Mittelständlern verschiedenster Branchen geprägt wird. Die Anhängerschaft ist im Schnitt jünger als bei den meisten anderen Clubs. Der Frauenanteil erreicht nur knapp den Durchschnitt der Liga. Der Anteil an Jahreskarteninhabern steigt überdurchschnittlich. Ein Großteil der Stadionbesucher reist mit Bahn oder U-Bahn zu den Spielen, obgleich West Ham inzwischen über die besten Parkmöglichkeiten der Londoner PL-Clubs verfügt. Von mehr Fans als bei den meisten anderen PL-Clubs wird West Ham als „sehr wichtig“ in ihrem Leben eingeschätzt. Hinsichtlich Struktur und Treue der Anhängerschaft verfügt West Ham über ähnliches Potential wie Manchester City. Anhänger dieser Clubs begleiten ihre Mannschaft nicht nur häufiger zu Auswärtsspielen, sie unterliegen auch einer geringeren Fluktuation, wenn es Mißerfolge gibt. Zur Art der Einbeziehung in Angelegenheiten des Clubs äußern sich die Fans jedoch mehrheitlich kritisch (z.B. niedrigste Umfragewerte der PL bereits im Jahr 2000). Die Zufriedenheitswerte mit dem Stadion steigen dagegen seit Jahren. Die Fans West Hams kaufen im Vergleich zu den anderen Clubs der PL überdurchschnittlich Jahreskarten, Fan-Artikel, Videos und Spieltagsprogramme. Sie nutzen die Clubwebseite aktiver als die Fans vieler anderer Clubs, äußern sich kritischer zur Macht der Großclubs, zu den Preiserhöhungen für Tickets und gegenüber dem „Big Business“ im Fußball.503 Sie haben insgesamt eine hohe Erwartungshaltung an ihren Club, was sicherlich auch auf die seit den 80er Jahren ausbleibenden Triumphe zurückzuführen ist. Diese Erkenntnisse aus den Fan-Befragungen und weitere eigene Erhebungen des Clubs bilden Orientierungen für die Gestaltung der Kundenarbeit von Vorstand und Managern sowie für die baulichen und die wirtschaftlichen Aktivitäten. Eine aktive Minderheit unter den Fans agitiert seit einigen Jahren gegen den Vorstand, ohne jedoch realistische Alternativen aufzuzeigen. Die große Mehrheit der Fans ist überwiegend optimistisch hinsichtlich der Zukunft ihres FC und schätzt die im Vergleich zu vielen anderen Clubs in England und Kontinentaleuropa deutlich besseren Informationen durch den Vorstand und die gewachsene Transparenz. So werden bei West Ham in den letzten Jahren zunehmend auch diffizile Führungsentscheidungen, Investitionen und Spielerverpflichtungen oder -verkäufe nicht nur den Anteilsbesitzern, sondern auch den 501 Terence Brown im Gespräch am 11.5.2001. Vgl. Szymanski/Kuypers, Tabelle 6.1, S. 199. 503 Nach Williams, John, Sir Norman Chester Centre for Football Research, jährliche FA PL National Fan Survey (bis 2001), Zusammenfassungen bzw. Clubteile West Ham. Seit 2002 übernahm die FAPL die Untersuchungen selbst, da dies als Element der Markenentwicklung und Teil des Eigengeschäfts angesehen wurde. 502 Kapitel 5; West Ham United 330 organisierten Fans detailliert erläutert (s. Anlage 5-14b). Eine erstaunliche Offenheit von leitenden Clubvertretern reflektiert sich nicht nur aus besonderen Anlässen. Der Vorsitzende und andere Vorstände stehen den Fancines offen für Interviews zur Verfügung.504 Der Geschäftsbericht für die Aktionäre wird inzwischen auch den Fans zugänglich gemacht. Die Darstellungen z.B. zur Investitionstätigkeit und zu den Gründen für Führungsentscheidungen wurden im Zeitraum bis 2005 auf ein selbst im Rahmen der in vielen Fragen transparent agierenden englischen FC beispielhaftes Niveau entwickelt.505 Abb. 5-14c West Ham United, Entwicklung von Gesamterträgen (ohne Spielertransfers), Spieleinnahmen und Personalaufwand, 1986/87 bis 2004/05 (in 000 €) 90.000 Erträge (gesamt, ohne Spielertransfers) 80.548 80.000 75.433 Spieleinnahmen (Liga und Pokale) 70.000 Personalaufwand (gesamt) 59.296 60.000 55.606 50.000 54.692 51.604 51.935 49.516 49.202 41.333 40.000 30.000 37.410 23.763 39.137 27.506 36.204 31.526 19 86 /87 19 87 /88 19 91 /92 19 92 /93 19 93 /94 19 94 /95 19 95 /96 19 96 /97 19 97 /98 19 98 /99 19 99 /00 20 00 /01 20 01 /02 20 02 /03 20 03 /04 20 04 /05 22.824 21.794 20.534 18.684 17.416 20.000 20.778 14.73715.693 15.882 19.620 19.706 12.100 9.561 12.925 10.235 15.701 10.111 7.674 9.24010.927 10.000 6.016 7.813 6.148 7.2235.921 8.542 4.808 3.978 3.005 5.679 5.863 0 2.578 (Hinweis: Diese und weitere Charts auch in Farbe – siehe „CD zum Buch“) Die Rekonstruktion des clubeigenen „Boleyn Ground“ entsprechend der Vorgaben der PL als Sitzplatzarena und der Bau einer ersten neuen Tribüne vergrößerte die Stadionkapazität in Ausbauphase 1 bis Mitte der 90er Jahre auf 26.500. Zur Finanzierung des Baus dieser neuen Tribüne nutzte der Club – ähnlich wie Celtic, später Leicester und andere Clubs – Schuldverschreibungen. Die Notwendigkeit, solche Maßnahmen einfach zu strukturieren und klar zu erläutern, wurde spätestens dann deutlich, als die Verbindung des Erwerbs solcher mit den in drei Stufen gegliederten Vorrechten für die Käufer von den Fans nicht sofort angenommen wurde. Der fol504 505 So z.B. „Over Land and Sea“, „On the terraces“. Vgl. Jahresberichte bis 2005. Kapitel 5; West Ham United 331 gende schrittweise Ausbau des Stadions änderte die anfangs skeptische Haltung der Anhänger zu den Ausbauvorhaben zum positiven. Dabei wurde eine auch im Vergleich zur Konkurrenz hohe Auslastung erreicht (Saison 2000/01: der fünftbeste Wert in der PL mit 98,4 %). Das Stadion wurde auf eine Kapazität von 36.500 Zuschauern erweitert und modernisiert. Nach Fertigstellung der bislang letzten Ausbaustufe, die zudem Erweiterungspotential um 10.000 Plätze integriert, stieg die durchschnittliche Besucherzahl bei Ligaspielen in der Saison 2001/02 auf 35.546 und hielt sich im Krisenjahr 2002/03 bei 34.200 (97 % Auslastung).506 Teil des Boleyn Ground ist seit 2002 ein Hotel (ähnlich Bayer 04), das vom Club selbst betrieben wird. Zusätzlich ist es an das Buchungsnetz der 3-Sterne-Gruppe Quality Hotels angebunden. Zur Sicherstellung der Auslastung hatte West Ham bereits vor Baubeginn einen Kooperationsvertrag mit dem Londoner City Airport geschlossen, der nur wenige Autominuten vom Stadion entfernt liegt. Ebenfalls integriert sind Räume für kommunale und Bildungseinrichtungen, die für die sozialen Aktivitäten genutzt werden. 2002/03 hat der Club ein Museum eröffnet, das interessante Perspektiven auf die Clubtradition und die Helden des Spiels ermöglicht. Dafür hat West Ham u.a. die Sammlungen aus dem Erbe von Bobby Moore, Geoff Hurst und Martin Peters erworben. Mit der hohen Auslastung und einer konsequenten Vertragspolitik des Vorstandes war es West Ham noch bis 1996 möglich, die Personalaufwendungen durch die Spielerlöse zu dekken (vgl. Abb. 5-14c sowie Anlagen 4-11 bis 4-15 auf CD). Die Abbildungen 5-14d und 5-14e zeigen die Struktur der Erlöse aus Hauptgeschäftsbereichen und zusammen mit Anlage 5-14c (s. CD) deren Entwicklung im Vergleich zu 1996/97. Abb. 5-14d West Ham United, Anteil der Hauptertragsgebiete an den Gesamterlösen (ohne Spielertransfers) 2002/03 und 2004/05 (in 000 € und %) 2002/03 (Premier League) Merchandising 5.400; 7% Catering/ Hospitality; 5.301; 7% TV/Radio/ Ligaspons.; 32.836; 40% Spielerlöse 22.824; 28% Sponsoring/ Werbung; 14.128; 18% 2004/05 (2. Liga): Merchandising; 4.257; 9% TV+Ligasponsoring; 12.997; 26% 506 Catering/ Hospitality; 6.109; 12% Spieleinnahmen; 19.706; 40% Sponsoring/ Werbung; 6.447; 13% Vgl. Boon, Gerry, a.a.O. 2002, S. 59/60; Geschäftsberichte West Ham, 2002, S.5; 2003, S.6; 2005, S. 11-14. Kapitel 5; West Ham United 332 Die Erlöse aus der eigenen Wirtschaftstätigkeit hat West Ham in allen klassischen Geschäftsfeldern deutlich gesteigert, wobei erst seit 1997 sowohl ein starker Anstieg der TV-Erlöse aus den Liga-Verträgen als auch aus der Clubarbeit zu verzeichnen ist. Neben den TV-Erlösen trugen seit Mitte der 90er Jahre ein kontinuierliches Wachstum der Erträge aus Ticketing, Merchandising, Sponsoring und aus dem in die Regie des Clubs zurückgeholten Catering zur Verbesserung der Ertragspositionen entscheidend bei. Den Handel und die Bereiche Hospitality/Catering führt West Ham in zwei clubeigenen Tochtergesellschaften (s. Abb. 5-14a, oben). Zur Erschließung des Potentials im Handel wurden Jahr für Jahr neue Geschäfte in Londoner Stadtbezirken und im Umland eröffnet. Bis 2002 betrieb West Ham neun Läden, davon gehören zwei dem Club. Dabei experimentierte West Ham auch mit neuen Kooperationsformen zur Erhöhung der Effizienz. Nachdem FILA einen günstigen Ausrüstervertrag und die Ausbauprogramme unterstützende Hilfen angeboten hatte, wurden einige Geschäfte als gemeinsame Unternehmen mit dem Ausrüster betrieben. Angesichts der Stagnation im Handelsumsatz im Abstiegsjahr 2002/03, des aktuellen Preisdrucks am Markt und der Änderung des Ausrüsters von FILA zu Reebock ab Saisonbeginn 2003/04 wurde das Merchandising restrukturiert. Dabei wurde der Verkauf auf das vergrößerte Clubzentrum am Stadion und drei weitere Geschäfte in London konzentriert und mit dem Ausrüster arbeitsteilig organisiert. Im Einzugsgebiet in London führt West Ham den Handel selbst, für den Rest Großbritanniens übernahm Reebock den Vertrieb. Die sportlichen und sozialen Projekte im kommunalen und regionalen Einzugsgebiet sind für West Ham wichtige Tätigkeitsgebiete. Sie werden umfangreicher und intensiver als bei vielen Konkurrenzclubs bearbeitet. Im Rahmen vielfältiger Projekte und mit neun Vollzeitmitarbeitern hat West Ham z.B. in der Saison 2001/02 mehr als 137.000 Kinder, Jugendliche und Behinderte, 2002/03 mehr als 162.000 einbezogen. Projekte sind z.B.: — — — — — — — — — — — — — Bildungsprogramm für Jugendliche in unterentwickelten Stadtgebieten, Trainerlehrgänge für Anfänger, Schullehrer und Spieler von Amateurclubs, Sichtungsturniere, Arbeitsgemeinschaften Fußball und Fitneß an Schulen, Unterstützung der Kriminalitätsbekämpfung in Problemgebieten durch Aufklärungsveranstaltungen und Ausbildungsprojekte (Trainer bzw. Sportverwaltung) Nachmittags- und Abendsportveranstaltungen in städtischen Parks, Betreuung von Trainingszentren der kommunalen Behörden mehrer Stadtbezirke, 33 Wochenlehrgänge für junge Fußballer in den Sommerferien , Betreuung von Stützpunkten für den Mädchenfußball in drei kommunalen Zentren, Nachhilfekurse für Schüler, Kunstmanagement-Lehrgang „Sport und Malerei“, Grundlagenlehrgänge zur Berufsausbildung, Fortbildung im Umschulungszentren, 1.350 Trainingseinheiten mit 31.000 Teilnehmern zur Förderung des Fußballs für junge Menschen asiatischer Herkunft Unterstützung behinderter Fußballfans durch regelmäßige Zusammenkünfte und Kontaktpflege (wofür eine Vollzeitstelle beim Club eingerichtet wurde). Neben den Bildungsprogrammen und der Anti-Rassismus-Kampagne wurden in den letzten Jahren verstärkt die Angebote für die Bevölkerungsteile asiatischer Herkunft und die Projekte zur Förderung von Mädchen- und Frauenfußball erweitert. Mit diesen und weiteren Programmen verbreitert West Ham seine Wirkung in der lokalen Öffentlichkeit. 2005 hat es eine Restrukturierung dieser Aktivitäten vorgenommen. Fachkompetente Manager leiten nun die projektbezogenen Arbeitsgruppen aus festangestellten Mitarbeitern und Fachkräften mit Zeitverträgen.507 Dabei wird eine vielfältig vernetzte Kooperation mit Behörden, Stiftungen und ande507 Nach T. Brown, Gespräch am 27.4.2005. Kapitel 5; West Ham United 333 ren gesellschaftlichen Kräften gepflegt, die zeigt, in welch umfassender Weise ein stabiles Sportwirtschaftsunternehmen gesellschaftlich wirken kann. Ein so aufgestellter FC ist nicht vordergründig Empfänger steuerlicher Vorteile oder städtischer Unterstützungsleistungen, wie es zahlreiche FC in anderen europäischen Ländern praktizieren, sondern handelt als Unternehmen mit sozialer Verantwortung. Abgesehen von Einzelprojekten mancher Bundesligisten fand sich in Deutschland (unter den in diese Arbeit einbezogenen FC) ein vergleichbar komplexes, strategisches Herangehen unter Einbeziehung umfangreicher sozialer Aktivitäten nur bei der TSG Hoffenheim. Beim Ausbau des Boleyn Ground hat West Ham neben den üblichen Kiosken und Restaurants auch spezielle Suiten und Gruppenbereiche sowie in der letzten Ausbaustufe ein Hotel integriert. Im Stadion sind mit Suiten, Logen und Restaurants Räumlichkeiten geschaffen worden, in denen der Vorsitzende und andere Vorstände sowie die Manager mit Geschäftspartnern und zahlenden Gästen bereits Stunden vor dem Heimspiel zusammentreffen, mit ihnen essen und die Kontakte pflegen können. In ähnlicher Art haben viele Clubs in England und Schottland ihre Stadien entwickelt, eine Praxis, die in Deutschland bisher, so segmentiert, kaum berücksichtigt wurde und die den Clubverantwortlichen für eine differenzierte Gestaltung der Hospitality-Erlöse, besonders aber auch für die Führung von Kunden- und Geschäftsbeziehungen, weitere Handlungsoptionen eröffnet. Abb. 5-14e West Ham United, Erlösentwicklung der Hauptgeschäftsbereiche Vergleich 1996/97 zu 2002/03 (PL) und 2004/05 (2. Liga) (in 000 €) 35.000 32.836 30.000 25.000 22.824 19.706 20.000 15.000 14.128 10.927 12.997 10.000 6.710 5.000 3.614 2.512 0 5.400 5.301 6.447 6.109 4.257 0 1996/97 (PL) Spieleinnahmen Merchandising 2002/03 (PL) Sponsoring/Werbung Catering/Hospitality 2004/05 (2. Liga) TV/Ligasponsoring Die Steigerung der Gesamterlöse ohne Spielertransfers auf ein Niveau, das 2002 mit 75,4 Mio. € und 2003 mit 80,6 Mio. € jeweils im vorderen Mittelfeld der PL liegt (s. auch Anlagen 4-11 334 Kapitel 5; West Ham United bis 4-14 und 4-29) und 2002 zur erstmaligen Aufnahme von West Ham in die „Rich List“ der 20 ertragsstärksten FC führte508, erlaubte es West Ham, solange es in der PL spielte, die meisten der erfolgreich in die 1. Mannschaft integrierten, zunehmend umworbenen Jungstars der eigenen Nachwuchsakademie (bis auf zwei: Rio Ferdinand, F. Lampard) längerfristig zu halten und zugleich weitere Spieler mit Führungsanspruch zu verpflichten. Die Personalkosten stiegen deutlich an (Rang 6 bis 8 in der PL in den Spielzeiten 1999 bis 2003). Dieses Vorgehen beruhigte jenen Teil der Anhänger, die seit längerem fordern, noch mehr in die Spielstärke der Mannschaft zu investieren. Das nun hohe Niveau der Spielerinvestitionen führte im Club und bei den Anhängern zu einer erhöhten Erwartungshaltung bezüglich neuer sportlicher Erfolge. Dem wurde West Ham dann jedoch (vorerst) nicht gerecht. T. Brown fand dazu bereits bei der Auswertung der Saison 2000/01 klare Worte: „Wir stehen wie alle Fußballclubs vor einem einfachen Rätsel. ... Wir nehmen im letzten Jahr Platz 15 nach Stadionkapazität, Platz 8 nach Gehältern und Platz 10 nach den Netto-Transferumsätzen der vergangenen fünf Spielzeiten (nur 100.000 GBP weniger als Arsenal in dieser Zeit) ein. Wenn wir außerdem berücksichtigen, daß wir jährlich 4 Millionen GBP in unsere Fußball-Nachwuchsentwicklung investieren, die Rio Ferdinand, Frank Lampard Jn., Michael Carrick und Joe Cole, alle englische Nationalspieler, in die Mannschaft brachte, dann machen ein 15. Platz in der PL, die Unfähigkeit, sich regelmäßig für einen europäischen Wettbewerb zu qualifizieren und die wiederholte Peinlichkeit des Ausscheidens aus den beiden nationalen Cupwettbewerben gegen unterklassige Gegner nicht einmal finanziell Sinn. Es gibt die falsche Auffassung, wonach unser Club beträchtliche Gewinne auf dem Transfermarkt gemacht habe. Die Wahrheit ist: Während der letzten sieben Jahre haben wir insgesamt 134 Spieler verpflichtet oder abgegeben. (Das ist praktisch das Äquivalent einer Mannschaft je Spieljahr). Das Netto-Defizit aus dem Transfergeschäft betrug 52,959 Mio. € (im Schnitt 7,8 Mio. € pro Saison), bevor wir nach der Verpflichtung von Rio Ferdinand durch Leeds United einen Transfererlös von 25 Mio. € erzielten. ... In derselben Periode stiegen die Lohnkosten von 8,6 Mio. € auf 43,8 Mio. € - ein Anstieg um 420 % in sieben Jahren. Ich habe eine Zusammenfassung dessen für unsere Aktionäre und Anhänger beigefügt. ... Um voranzukommen muß die Mannschaft Leistungen abliefern, die den hohen Investitionen entsprechen oder die Investitionen müssen auf das Niveau gebracht werden, das sie auf dem Rasen erreicht. Ihr Vorstand ist zum äußersten entschlossen, ersteres zu erreichen, doch viel hängt von Glenn Roeder und seiner Mannschaft ab. ... Schnell steigende Erlöse, die nicht auch zu schnell steigenden Gewinnen führen, sollten uns eine Warnung sein. Exzessive Kreditaufnahmen gegen zukünftige Erlöse oder der Verkauf von Anteilen am Club entweder an Mediengesellschaften oder an Anhänger, die sich über die finanziellen Risiken nicht voll im klaren sind, um dann die Eigenkapitalerlöse in laufende Ausgaben zu überführen, kann nicht gerechtfertigt werden durch das Streben nach Erfolg in der Liga oder im Pokal. Diese können jedes Jahr nur von vier oder fünf Clubs erreicht werden. Auch das Handeln unter dem Damoklesschwert zur Vermeidung des Abstiegs rechtfertigt nicht die genannten Vorgehensweisen. Sehen wir unseren eigenen Fall an: Eines der Leihgeschäfte des letzten Spieljahres kostete uns 1,12 Mio. € an Leihgebühr und Gehalt – er spielte ganze 85 Minuten. Eine Verpflichtung ‚ohne Ablöse’ kostete uns dann beinahe so viel an Gehalt, wie wir aus den Eintrittskarten der Osttribüne im ganzen Spieljahr eingenommen haben. Ein anderer Spieler kostet den Club 6,85 Mio. € an Transferausgabe und Gehalt für seine Vertragsperiode, doch er hat bisher lediglich drei Einsätze in zwei Spieljahren gehabt. Solche Ausgaben können nicht mehr gerechtfertigt werden. Wir werden uns nicht dafür entschuldigen, wenn wir in künftigen Transfergesprächen wesentlich strukturierter und wirtschaftlich bewußter handeln. ... Ungeachtet der Gefahren, auf die ich aufmerksam gemacht ha508 2003 wurde ein erneuter Listenrang als 21. nur knapp verfehlt. Vgl. Deloitte & Touche Sports und Football Business International, Heft 11, März 2004, S. XIV. Kapitel 5; West Ham United 335 be, können Sie versichert sein, wir und unsere Kollegen in der PL sind entschlossen, einen Teil des Geldes, das durch unsere Hände geht zu erhalten, anstatt einfach als ‚Durchleiter’ zu handeln und große Summen lediglich an Spieler und ihre Agenten weiterzureichen. Ich bin überzeugt, alles ist jetzt am Platze, um unserem Club eine große Zukunft zu sichern...“509 Auch wenn der West Ham-Vorsitzende damit noch einmal indirekt auf frühere Kritik an der Entlassung von H. Redknapp (2001) reagierte, so verdeutlichen seine Erläuterungen den Zwiespalt, der sich sowohl im allgemeinen zwischen wirtschaftlicher Stärke und Erfolg auf dem Rasen als auch in der konkreten Widerspiegelung dieses vielschichtigen Wirkungskomplexes bei West Ham United auftut. Unter den Zielsetzungen des o.g. Geschäftsplans nahmen die Erreichung besserer Plazierungen und Pokalergebnisse eine herausgehobene Position ein. T. Brown schrieb dazu: „Vom neuen Manager wird erwartet, daß er die Zugehörigkeit zur PL gewährleistet, vorzugsweise in der oberen Tabellenhälfte einkommt und die Mannschaft zu erfolgreichen Pokalergebnissen führt, in der Hoffnung auf eine Qualifikation für Wettbewerbe der UEFA. ... Der Trainerwechsel widerspiegelt auch den Wunsch des Vorstandes, ein besseres Training zu sehen, speziell für unsere jungen Spieler. ...“510 In der PL-Mannschaft von West Ham standen dann im Spieljahr 2002/03 - selbst nach dem Verkauf von Rio Ferdinand (zu Leeds, inzwischen bei ManU) und Frank Lampard (zu Chelsea) - 13 Nationalspieler (England 3, Schottland 2 Nordirland 2 und je einer Tschechien, Slowakei, Kamerun, Guinea, Bulgarien, Trinidad) und fünf U-21 Auswahlspieler (England 3, je einer Irland und Australien) sowie der Kapitän der englischen U-18-Auswahl. Doch diese Mannschaft erreichte 2003 nur Rang 18 der PL und stieg ab - mit derselben Punktzahl wie zwei Jahre zuvor, als das noch für Rang 15 gereicht hatte. Die folgende Gegenüberstellung von regelmäßigen Transferinvestitionen, steigenden Personalaufwendungen und mäßigen sportlichen Ergebnissen der letzten Jahre, wie sie der Vorstand den Anhängern in den Jahresberichten 2001 und 2002 sowie in Schreiben an die Fanclubs zugänglich machte, verdeutlicht das sportliche Dilemma. Tab. 5-7 West Ham United, Spielstärkeinvestitionen und Ergebnisse 1994-2002 Spielertransfers (in Mio. €) Platz FA-Cup Liga-Cup in bis Runde Liga des Gegners bis Runde Liga des Gegners Einnahmen Ausgaben Gehälter (netto) (Mio. €) PL 94/95 10,0 5,3 4,7 8,6 14 4 PL 4 FL 1 95/96 9,2 5,0 4,2 9,5 10 4 FL 1 3 PL 96/97 24,0 12,3 11,7 12,9 14 3 FL 2 4 FL 2 97/98 15,4 8,1 7,3 17,4 8 6 PL 5 PL 98/99 22,4 16,6 5,8 27,6 5 3 FL 3 2 FL 2 99/00 19,6 16,4 3,2 39,1 9 3 FL 1 5 PL 00/01 22,0 34,1 (12,1) 43,8 15 6 PL 4 FL 1 01/02 25,2 18,1 7,1 51,6 7 4 PL 2 FL 2 115,9 31,9 210,4 Ø10,25 - - - - Jahr Ausgaben ges. 147,8 Nachfolgende Einschätzung, wie sie der Clubvorsitzende im November 2002 zog, kennzeichnet das Herangehen der Führung von West Ham und ihren Blick auf die jetzige Phase der Fußballindustrie: „Ein Schwerpunkt muß es jetzt sein, die finanziellen Ergebnisse zu verbessern, weil 509 510 Bericht des Vorsitzenden, Jahreshauptversammlung, 25.10.2001, Geschäftsbericht 2001, S. 5 bis 7. Schreiben von T. Brown vom 5.6.2001. 336 Kapitel 5; West Ham United kein Unternehmen seine Geschäfte führen kann, indem es Geld borgt, um über eine längere Zeit Verluste zu finanzieren. Kredite müssen aus den Gewinnen unserer Wirtschaftstätigkeit bedient und zurückgezahlt werden. Glücklicherweise wird unsere Aufgabe durch die finanziellen Zwänge, die jetzt in die Fußballindustrie zurückkehren, erleichtert. Vorstände vieler Fußballclubs balancieren auf einem dünnen Seil zwischen den Forderungen der Anhänger nach Erfolg auf dem Rasen und den finanziellen Gegebenheiten. ... Wir haben viele Anhänger, die sich ehrlich bemühen, die neuen finanziellen Realitäten zu verstehen. Andere tendieren dazu, das vorsichtige Agieren bei Ausgaben und den Verzicht auf rücksichtslose Kreditaufnahmen als Mangel an Ambitionen anzusehen. Erstere sind in der Lage, eine ausgewogene Sicht auf das kollektive Denken zu entwickeln, das unseren Club umgibt und beeinflußt. Ich hoffe sehr, daß bald alle Anhänger verstehen werden, daß es notwendig ist, den Gürtel enger zu schnallen, und erkennen, daß es wichtig bleibt für ihren Vorstand, zu gewährleisten, daß der Club eines Tages in bestmöglichem Zustand an die nächste Generation von Stakeholdern (Anhänger, Mitarbeiter und Aktionäre) übergeben werden kann.“511 West Ham hatte zuletzt mit der beschleunigten Verstärkung seines PL-Teams, den überdurchschnittlichen Anstieg der Personalkosten in Kauf nehmend, auf den schnelleren Vorstoß in die nationale Spitzengruppe gesetzt und verloren. Zwar verringerte sich der Verzehr der Gesamterlöse durch Personalaufwendungen von 80 % (2001) auf 64,5 % (2003) vor allem durch die überdurchschnittliche Steigerung der Erlöse und das Abbremsen der Gehaltssteigerungen (s. Abb. 5-13c, oben), doch hatte die teure Mannschaft erneut die sportlichen Vorgaben verfehlt. Die Verluste durch Minderung der Erlösanteile aus der Vermarktung der PL (TV, Radio und Ligasponsoren) gegenüber der der FL für Division 1 sind für die Saison 2003/04 trotz der Überbrückungszahlungen (ca. 9 Mio. € in zwei Jahren) für Absteiger512 beträchtlich. Hinzu kam die Notwendigkeit, den Personalaufwand in Richtung eines erreichbaren Ertragsniveaus in der 2. Liga zurückzufahren und die jährliche Tilgung der Kredite zum Stadionbau (ca. 10 Mio. € p.a.) zu sichern, ohne den Kreditrahmen der Banken zu überschreiten. Deshalb erhielten zehn Spieler, deren Verträge ausliefen, keinen neuen Vertrag (u.a. di Canio, T. Sinclair). Deshalb mußten Nationalspieler Joe Cole, der nach eigener Darstellung gegenüber dem Vorstand sowieso nur im Fall des Erreichens eines Platzes zur Champions League Qualifikation verlängert hätte, sowie U18 Talent Glen Thompson (beide an Chelsea) abgegeben werden, um die finanziellen Folgen des Abstiegs zu mildern. Gehälter von Spielern, die blieben, wurden nicht verändert, aber die Vorstandgehälter wurden, wie für den Abstiegsfall beschlossen war, um 50 % reduziert (s. dazu auch Anlage 5-14b). Durch die Banken wie auch durch unabhängige Experten in Fragen der Insolvenzverwaltung von Fußballproficlubs wurde der Gesamtheit der Maßnahmen des Clubs zur Aufrechterhaltung von Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit ein erstklassiges Zeugnis ausgestellt.513 Zwischenfazit, Aktuelles und Ausblick: Mit der soliden Vermögensbasis (Nettovermögensposition 55,9 Mio. € in der konsolidierten Bilanz 2005, mit Eigentum an Stadion und Hotel, Superstore, Parkfläche, Trainingszentrum u.a., sowie den in den beiden Zweitligajahren um ein 511 T. Brown, Erklärung des Vorsitzenden, 11.11.2002, Geschäftsbericht 2002, S. 4. S. dazu auch Kapitel 4, Punkt 2 und Anlage 4-21. 513 Lee Manning, geschäftsführender Partner bei Kroll Limited und erfolgreicher Administrator bei der Sanierung diverser englischer Proficlubs, schrieb dazu u.a.:“ I am firmly of the view that no matter how bitter a pill the club was forced to swallow, the underlying objective of achieving the survival of West Ham United plc as a going concern was of paramount importance. What you have done by embracing the financial constraints following the club’s relegation from The Premier League can only be upheld as an example to be followed by others. The directors of West Ham United have acted in a professional manner with regard to the best interest of the creditors and were, in my opinion, correct in avoiding the dangers of gambling the club’s future success on the playing field against its financial viability and arguably its ultimate survival.” Geschäftsbericht 2003, S. 3. 512 Kapitel 5; West Ham United 337 Drittel gesenkten Bankverbindlichkeiten514) und der guten Positionierung in wichtigen strukturellen, wirtschaftlichen und sportlichen Bereichen verfügt West Ham für die Zukunft über sichtbar bessere Voraussetzungen als vor einem Jahrzehnt. Vor allem die Wettbewerbsstärke seiner wirtschaftlichern Ertragskraft aus mehren Geschäftssektoren erlaubten es, anfangs mehr als die Hälfte der Spieler der 1. Mannschaft zu halten und schrittweise erforderliche Spielerwechsel zu realisieren, um eine zügige Rückkehr in die PL durchzusetzen. Seit Amtantritt von Team-Manager Pardew im Oktober 2003 bis zum Aufstieg am 30.5.2005 wurden 35 Spieler abgegeben und 26 neue verpflichtet. Gleichzeitig war der Personalaufwand gesenkt und leistungsorientiert auf die Rückkehr in die PL ausgerichtet worden (vgl. Abb. 5-14c)515. Einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den meisten Konkurrenten in der PL hat sich West Ham mit seiner kontinuierlich hohen Qualität der Nachwuchsausbildung erarbeitet. Diese Rahmenbedingungen in Verbindung mit der Fortsetzung der Neuaufstellung können den Club in der PL wettbewerbsfähiger machen als zuvor. Will es seine langfristigen Ziele erreichen, wird West Ham jedoch noch einiges mehr tun müssen, als den „Betriebsunfall“ Abstieg nur durch Wiederaufstieg zu heilen. Wo liegen dafür Ansatzpunkte? — — — 514 Die Nachwuchsarbeit, speziell die Qualität der Ausbildung, kann sicherlich auch längerfristig als Wettbewerbsvorteil wirken, wenn es gelingt, das Niveau weiter zu erhöhen. West Ham verfügt über eine Vielzahl hochveranlagter Talente, was sich u.a. auch im zweimaligen Gewinn der Jugendmeisterschaften in den letzten Jahren widerspiegelt. Im Kader von erster Mannschaft und Reserve (33 Spieler) stehen 2005/06 zehn junge Spieler, die in der West Ham Akademie ausgebildet wurden. Daneben kann West Ham Stärken wie die Kontinuität in der Führungsarbeit (inhaltlich wie personell), die Erfahrungen bei der Überwindung von Entwicklungsproblemen und Rückschlägen sowie die Systematik und langfristige Anlage seiner Entwicklungsstrategie nutzen. Es hat in den letzten Jahren mit dem rekonstruierten Stadion und dem Ausbau der Wirtschaftstätigkeit annähernd Konkurrenzfähigkeit zur Verfolgergruppe (Liverpool, Newcastle, Tottenham, Aston Villa, Manchester City) des Spitzentrios Chelsea/Arsenal/ManU erreicht. Doch haben auch andere Clubs, die vordere Plätze für eine internationale Qualifikation anstreben, bessere Voraussetzungen geschaffen. Die Intensität dieses Kampfes hat deutlich zugenommen, wer da außer Tritt kommt, kann dann schon einmal absteigen. West Ham wird vor allem die sportliche Arbeit qualitativ weiterentwickeln müssen und dabei für Herausforderungen wie Zusammenstellung der Mannschaft, Auswahl der Führungsspieler, Mannschaftszusammenhalt, Qualität der Sichtung und Beurteilung der charakterlichen Paßfähigkeit der Spieler wie auch Trainingsprozeß in der Saisonvorbereitung und Saisonplanung noch bessere Antworten finden müssen. Daß hier ein Führungsschwerpunkt liegt, wurde von West Ham erkannt. Nach dem Abstieg hat es z.B. Spielerverpflichtungen stärker als früher unter dem Aspekt der charakterlichen Paßfähigkeit als Führungsspieler vorgenommen und die Beurteilung unter Einbeziehung von Experten in einer Gruppe getroffen.516 Nicht zuletzt dadurch gelang eine bessere Mischung von spielerischen und kämpferischen Elementen, was auch zum Wiederaufstieg im Play off Finale 2005 beitrug und einer guten Saison 2005/06 zugrunde liegt. Fällig werden in einem Jahr ca. 17,5 Mio. GPB, langfristig ca. 26 Mio., dann sind die Kredite des Ausbaus zurückgeführt. Das Gesamtvermögen nach Verbindlichkeiten belief sich lt. Bilanz zum 31.5.2005 auf 65,8 Mio. GBP. 515 2004/05 lag die Personalquote (hier: Anteil des PA, gesamt, an den Erlösen, ohne Spielertransfers) bei 63,7%. 516 Nach Gesprächen mit T. Brown, 23.9.2004 und 27.4.2005 sowie P. Barnes am 23.9.2004 und 26.9.2005. Die kurzzeitig geschaffene Position eines Sportdirektors wurde nicht dauerhaft eingerichtet, weil der gewählte Experte (ein früherer Spieler West Hams) vom Verband engagiert wurde. Inzwischen wird Expertise auch zu solchen Themen systematisch eingeholt. 338 — Kapitel 5; West Ham United Parallel dazu wird sich West Ham energischer dem weiteren wirtschaftlichen Wettbewerb gerade im Großraum London mit seinen zahlreichen Proficlubs stellen müssen. Das Bemühen, sich stärker als „Londoner Fußballclub“ zu präsentieren und seine Anhängerschaft zu erweitern, ist ein interessanter Ansatz, der weiterer Ergänzung bedarf. Dabei wird es wichtiger, die eigene Marke deutlicher auszuprägen. Nachdem Rückstände aufgeholt worden sind, sollten Initiative, Führungsqualität und die Kreativität der Wirtschaftstätigkeit an Stellenwert gewinnen. Die Ambition, künftig häufiger in internationale Wettbewerbe vorzustoßen, wird nur realisierbar und finanzierbar werden, wenn weiterführende Perspektiven im Selbstverständnis und im Handeln des Clubs, wenn neue Facetten im Marketing erschlossen, neue Anhänger und Kunden gewonnen werden. Das setzt auch voraus, bereits die laufende kommerzielle Arbeit qualitativ zu verbessern und dafür das Fachpersonal qualitativ zu entwickeln und zielorientiert zu führen. (Hinweis: Die oben gezeigten und weitere Charts, auch in Farbe – siehe „CD zum Buch“)