Jesus heilt Kranke und Zerbrochene

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Jesus heilt Kranke und Zerbrochene
Am Puls Gottes – Gott erfahren (2):
Jesus heilt Kranke und Zerbrochene
Bibeltexte:
Predigttext:
Psalm 34,2-9.19.23
Markus 1,40-45
Welche Farbe hat deine Erfahrung mit Gott?
Wie hast du in den notvollen Zeiten deines Lebens, in Lebenskrisen erlebt, dass Gott dir nahe
war? Welche Erfahrung mit Gott hat dich getragen, als dir der Boden unter den Füssen weggebrochen ist?
Diese Predigtreihe soll uns helfen, heraus zu
finden, wie wir Gott in entscheidenden Lebenssituationen erfahren haben. Warum das? Weil
es gut ist, wenn wir unsere Erfahrungen kennen
– für uns selber, weil die Erinnerung daran, wie
Gott uns begegnet ist, Mut macht, im Glauben
dran zu bleiben. Und für andere, weil andere
unsere persönliche Geschichte mit Gott interessiert und es in unserem Bekanntenkreis Leute gibt, die für Erfahrungen mit Gott offen sind.
Unsere Erfahrungsberichte sind für sie eine
unersetzliche Hilfe und ein Weg, selber Gott zu
erfahren.
Wie also hast du Gott erfahren? Vielleicht ist dir
Gott in einem Freund/einer Freundin begegnet,
und dir ging auf: So ist doch auch Gott. Wenn
du zurück schaust, stellst du vielleicht fest: Die
Erfahrung von Freundschaft, die Erfahrung,
jemanden zu haben, der rund um die Uhr da ist
für mich, die Erfahrung mit jemandem alles teilen zu können, die Erfahrung, selber jemandem
Freund sein zu können, die Erfahrung von
Freundschaft hat ganz viel mit meinem Glauben
zu tun – Jesus selber ist für mich wie ein
Freund – und in meinem Leben Freundschaften
sind etwas ganz Zentrales. Vielleicht ist das die
Farbe deiner Erfahrung mit Gott – davon hat
Thomas Humbel am letzten Sonntag gesprochen.
Vielleicht ist dir Gott aber auch ganz anders
begegnet, nämlich als der, der dich geheilt hat.
Gott sagt ja: „Ich bin der HERR, der dich heilt“
(2. Mose 15,26). Und um Gott, um Jesus, der
heilt, geht es heute.
Ein Aussätziger kam zu Jesus und bat ihn um
Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte:
Wenn du willst, kannst du machen, dass ich
rein werde. Jesus hatte Mitleid mit ihm; er
streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte:
Ich will es - werde rein! Im gleichen Augenblick
verschwand der Aussatz und der Mann war
rein. Jesus schickte ihn weg und schärfte ihm
ein: Nimm dich in Acht! Erzähl niemand etwas
davon, sondern geh, zeig dich dem Priester und
bring das Reinigungsopfer dar, das Mose angeordnet hat. Das soll für sie ein Beweis (meiner Gesetzestreue) sein. Der Mann aber ging
weg und erzählte bei jeder Gelegenheit, was
geschehen war; er verbreitete die ganze Geschichte, sodass sich Jesus in keiner Stadt
mehr zeigen konnte; er hielt sich nur noch außerhalb der Städte an einsamen Orten auf.
Dennoch kamen die Leute von überallher zu
ihm.
Markus 1,40-45
Zum biblischen Zusammenhang der Heilungsberichte
Jesu Heilungen sind untrennbar mit der Verkündigung von Gottes Neuer Welt verbunden:
Jesus predigte und heilte. Im Neuen Testament
sind die Heilungen sichtbare und bis ins Körperliche erfahrbare Zeichen von Gottes Nähe. Wo
Jesus einen Menschen gesund machte, da berührte Gott selber ihn, und da wurde Gottes
Neue Welt sichtbar: Jetzt ist sie da. Das Neue
Testament versteht eine Heilung als Vorgeschmack auf Gottes Neue Welt, denn in ihr
werden einmal alle heil sein. Wo Jesus einen
Menschen gesund machte, berührten sich
schon jetzt Himmel und Erde. Heilungen im
Neuen Testament machen also auf ein ganzheitliches Geschehen aufmerksam. Heilungen
betreffen nicht nur den menschlichen Körper
und die Psyche, sondern noch viel mehr das
Geistliche, die Beziehung des Menschen zum
Schöpfer. Heilungen haben nicht nur mit dem
irdischen, vergänglichen Leben, sondern vor
allem mit dem neuen, mit dem ewigen Leben zu
tun, das Gott schenkt. Dieses ganzheitliche
Heilungsverständnis bahnt sich schon im Alten
Testament an (z. B. Jesaja 61,1ff).
Mit der Brille der Bibel sehen wir, wenn Jesus
heilt, also immer mehr als ein medizinisches
Ereignis. Wir sehen, dass Gott, der das Leben
liebt und das Leben schön macht, da ist. Wir
sehen, dass seine Neue Welt, in der alle Not,
alles Leiden, alle Tränen, alles Böse überwunden sein wird, keine leere Versprechung ist,
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sondern kommt und verborgen, nur für die Augen des Glaubens sichtbar, schon jetzt da ist.
Wir sehen, dass er die alte Welt am Neuschaffen ist.
Aber gerade in dieser grossen Bewegung von
Gottes Heilshandeln, in das der ganze Kosmos
einbezogen ist, übersieht er uns kleine Erdenmenschen nicht, sondern nimmt uns nun auch
mit unseren innersten Nöten ernst. Das ist das
Wunderbare, dass Gott uns gerade im Leiden
an Krankheiten, seelische Verletzungen,
Schwachheit, Ausgebranntheit… am nächsten
ist. Damit wenden wir uns dem kranken, leidenden Menschen in unserer Geschichte zu.
Der Aussätzige
Er war ein Aussätziger. Aber seine Krankheit
war viel mehr als ein medizinisches Leiden.
Das wird sofort klar, wenn wir uns bewusst machen, welche Folgen seine Krankheit damals
hatte. Aussätzige galten als unrein. Deshalb
wurden sie aus der Gesellschaft, besonders
auch aus der Glaubensgemeinschaft ausgeschlossen. Sie waren gezwungen, irgendwo
ausserhalb der Dörfer zu leben. Und wenn sie
in die Nähe der Menschen kamen, machte man
einen grossen Bogen um sie. Mit ihnen durfte
man keinen Kontakt haben. Und im Gottesdienst hatten sie definitiv nichts zu suchen. Dieser Ausschluss muss auch in der Seele weh
getan haben. Zum körperlichen Schmerz kam
durch Isolation und Einsamkeit der seelische
dazu. Noch verstärkt wurde er dadurch, dass
sie auch aus der Glaubensgemeinschaft ausgeschlossen und damit gleich wie Sünder behandelt wurden.
Wenn ich versuche, mich in sie hinein zu fühlen, denke ich, dass sie in manchem Psalm
Worte fanden, die ihnen halfen, ihre unermessliche Not auszudrücken. Von quälenden Feinden ist da die Rede und von brüllenden Widersachern. Da ist die Rede von zerbrochenen
Herzen, von einem zerschlagenen Geist, von
schmerzenden Wunden, von Tränen, von erschöpften, schmachtenden Seelen. Und da ist
die Rede vom brennenden Verlangen nach
Rettung und Erlösung, von der Sehnsucht nach
Trost, vom Lechzen nach neuer Lebenskraft,
nach neuer Lebendigkeit, nach Lebensfülle,
nach Ganzheit.
Das sind Worte von Menschen, die von Krankheiten geplagt werden. Das sind Worte von
verletzten, an Leib und Seele verwundeten
Menschen. Das sind Worte von Menschen, die
ausgebrannt sind. Das sind Worte von bedräng-
ten und belasteten Menschen, von erschöpften,
von Menschen, die nicht mehr können.
Darf ich dich etwas fragen: Waren es vielleicht
auch schon deine Worte? Waren es vielleicht
sogar heute Morgen deine Worte? Hast du vorhin, als ich redete, gedacht: O, das kenne ich!
Ich weiss, wovon er spricht! – Wisst ihr, was ich
glaube? Ich glaube, hier drin ist niemand, der
nicht weiss, wovon ich spreche; niemand, der
nicht auch seine Last zu tragen hat, sei es die
Last einer körperlichen oder psychischen
Krankheit oder die Last einer seelischen Verletzung oder die Last von zerbrochenen Beziehungen oder die Last von Schuld.
Wer so eine Last zu tragen hat, kennt die
Sehnsucht nach neuer Lebenskraft, nach neuer
Vitalität, nach Ganzheit, nach Heilung an Leib
und Seele, nach Heilung seiner Beziehungen,
nach neuer Nähe zu Gott. Und wer diesen
Hunger nach Heilung kennt, versteht auch die
Bitte des Aussätzigen an Jesus in unserer Geschichte: „Wenn du willst, kannst du mich rein
machen“. ‚Wenn du willst, kannst du mich gesund machen… Mache mich heil! Erlöse mich
von meinem Leiden! Ich will gesund sein. Ich
will leben! „Wenn du willst...“‘
Jesus, der Heilende
Und Jesus will! „Von tiefem Mitleid ergriffen,
streckte Jesus die Hand aus und berührte ihn.
‚Ich will es‘, sagte er, ‚sei rein!‘“ Damit sind wir
bei Jesus, der Kranke und Zerbrochene heilt.
Zerbrochene Herzen, schmerzende Wunden,
Tränen, erschöpfte Seelen und die Sehnsucht
der Menschen nach neuer Lebenskraft und
Ganzheit, nach neuer Nähe zu Gott – all das ist
Ausdruck davon, dass wir in die alte Welt hinein
geboren wurden, die noch unter den Einflüssen
von Kräften steht, die Leben hindern und zerstören. Gott aber schafft eine neue Realität,
eine Neue Welt, eine Welt ohne all das
Schreckliche und Lebenzerstörende. Darauf
wies Jesus hin, als er predigte und heilte. Wenn
wir also von Jesus reden, der heilt, reden wir
davon, dass er durchaus körperlich oder seelisch heilt, dass er aber auch unsere Beziehungen untereinander und vor allem unsere Beziehung zu ihm heilt, dass er uns also schon jetzt
hinein nimmt in Gottes Neue Welt.
Liebe Gemeinde, „Am Puls Gottes“ heisst es in
unserem Jahresmotto und im Obertitel zu dieser Predigtreihe. Jetzt, hier befinden wir uns
ganz nah am Puls Gottes. Dafür schlägt Gottes
Herz, dass die alte Welt neu wird, dass Himmel
und Erde sich berühren, schon jetzt. Dafür
schlägt Gottes Puls, dass Menschen gesund
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werden, dass Menschen heil werden, dass du
gesund wirst, dass du heil wirst.
Was meint ‚gesund/heil‘? Wir Menschen sind
Beziehungswesen und sind für Beziehungen
geschaffen. Ein gesunder Mensch ist einer, der
seine Beziehungen leben und entfalten kann:
die Beziehung zu sich selbst, zu den Mitmenschen, zur natürlichen Lebensumwelt, also zur
Schöpfung und zum Leiblichen, und als letzte
und wichtigste Beziehung natürlich diejenige zu
Gott. Gesundheit ist also viel mehr als die Abwesenheit von Krankheit im landläufigen Sinn.
Ein topfiter Extrembergsteiger, der aber nicht
fähig ist, mit anderen Menschen zusammen zu
leben, ist nicht gesund. Gesundheit ist auch
nicht ein Zustand, sondern ein Weg; ein Weg,
auf dem sich das Leben in all seinen Beziehungen entfaltet. Stillstand wäre dann Krankheit.
Und vor allem: Gesundheit hat aus biblischer
Sicht entscheidend mit der geistlichen Dimension, der Beziehung zu Gott zu tun; sie ist die
Grundlage für Gesundheit, die eben zuallererst
eine „Beziehungsgesundheit“ ist. Wie überragend wichtig sie ist, hat Paulus verstanden, als
er lernte, sich ganz auf Gottes Gnade zu verlassen und sein körperliches Leiden, den „Stachel im Fleisch“ zu akzeptieren.
Dafür schlägt Gottes Puls, dass Menschen auf
diese Weise gesund werden und zu sich selbst,
zum Nächsten, zur Schöpfung und zu Gott heilvolle Beziehungen aufbauen können, dass
kranke Menschenseelen geheilt werden, dass
schmachtende Seelen getränkt werden.
Dies beschreibt Psalm 23 mit einem wunderschönen, aber ganz alltäglichen Bild: „Du
deckst mir den Tisch. Du schenkst mir den Becher voll ein“, heisst es da. Aus dem guten Hirt
wird hier der gute Wirt. Mehr als genug ist da,
der Teller und der Becher sind voll, übervoll.
Keine Menschenseele muss hungrig oder durstig von Gottes Tisch. ‚Greif zu! Nimm davon! Iss
und trink’, lädt dich der gute Wirt ein.
Der Prophet Elia hat es so erfahren: Als er weit
draussen in der Wüste nur noch sterben wollte,
schickte Gott einen Engel mit knusprigem Brot
und frischem Wasser. Und Elia ass und trank
und kam wieder zu Kräften und liess sich von
Neuem von Gott beauftragen.
Diese Einladung darf Jeremia auch dem ermüdetem Gottesvolk zusprechen: „Allen, die vor
Durst erschöpft sind, gebe ich zu trinken, allen,
die von Hunger gequält sind, gebe ich reichlich
zu essen!“ (Jeremia 31,25).
„Ich bin der Herr, der dich heilt“ – Diese Beispiele zeigen, dass da wirklich Gottes Puls
schlägt.
In all diesen Gedanken ist deutlich geworden:
Wenn wir von der Erfahrung reden, dass Jesus
Kranke und Zerbrochene heilt, kann das heissen: Du hast erlebt, dass er dich körperlich geheilt hat. Wunderbar! Aus unseren Gemeinden
könnten wir eine ganze Reihe von Beispielen
erzählen. Es kann heissen: Du hast erlebt, dass
er eine seelische Verletzung, die dir in der
Kindheit zugefügt wurde, zu heilen angefangen
hat. Wunderbar! Auch dies erleben wir unseren
Gemeinden. Es kann heissen: Zwischen dir und
einer anderen Person ist Versöhnung geschehen; es kann heissen: Er hat dir ein Ja zu deinen Grenzen im Bereich deiner Gaben und
Fähigkeiten geschenkt; es kann heissen, dass
du wie Paulus ein Ja zu deiner Krankheit, ein
Ja zu deinen Schmerzen, ein Ja zu deinen Lebens-Narben gefunden hast, weil du entdeckt
hast, wie Gott gerade in deiner Schwachheit
besonders nahe ist und sie in Stärke verwandelt; es kann heissen: Jesus hat dir den Mut
geschenkt, zu deiner Vergangenheit Ja zu sagen, für die Gegenwart Verantwortung zu übernehmen und für die Zukunft Entscheidungen zu
treffen, die dein Leben in eine bessere Richtung
führen. Wunderbar! Wir könnten von mancher
Geschichte aus unseren Gemeinden berichten.
All dies sind Heilungserfahrungen. Es ist wahr:
„Gott heilt die gebrochenen Herzen und verbindet ihre schmerzenden Wunden“ (Psalm 147,3)
– auch unter uns, weil es seine Leidenschaft ist.
Zum Schluss – der Zeuge
Am Anfang sagte ich: Es ist gut, wenn wir unsere Erfahrungen kennen – für uns selber, weil
die Erinnerung daran, wie Gott uns begegnet
ist, Mut macht, im Glauben dran zu bleiben, und
für andere, weil sie unsere persönliche Geschichte mit Gott interessiert und unsere Erfahrungsberichte für sie ein Weg sind, selber Gott
zu erfahren.
Das Leben des Aussätzigen hat sich durch die
Erfahrung mit Jesus dramatisch verändert. Er
war ein anderer geworden – und davon musste
er einfach weiter erzählen: „Der Mann ging
weg, doch er fing sofort an, überall zu erzählen,
wie er geheilt worden war“.
Die Menschen um uns müssen unsere Geschichten mit diesem Jesus doch unbedingt
auch kennen lernen, oder nicht? Sie müssen
doch die Einladung Gottes auch hören und
auch erfahren, dass Gottes Puls für sie schlägt!
Jesus heilt Kranke und Zerbrochene – wenn du
selber in einer notvollen Situation Heilung erfahren hast oder wenn dich Berichte von geheilten Menschen immer wieder von Neuem be3
geistern, wenn dir Kranke und Zerbrochene
besonders am Herzen liegen und es dein tiefster Wunsch ist, dass sie geheilt und getröstet
werden, dann hat das mit deiner Geschichte mit
Jesus zu tun. Eine wunderbare Geschichte zum
Weitererzählen. Amen.
4. März 2011
Pfr. Stefan Zürcher
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