Titelthema - Evangelischen Erziehungsverbandes in Bayern
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Titelthema - Evangelischen Erziehungsverbandes in Bayern
7 Jahrg. Nr.. 1 - Okt. 200 2007 25. Jahr g. - Nr Evangelischer Erziehungsverband in Bayern e.V. Aufwachsen begleiten eev-aktuell Titelthema: Faszination und V erführung Verführung Herausforderung neuer Medien ISSN 1439-3360 Halt geben Impressum Den eev-aktuell erhalten: z z z z z Alle dem Evang. Erziehungsverband in Bayern e.V. angeschlossenen Rechtsträger Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit Alle bayerischen Jugendämter und Heimaufsichten Die Mitglieder der Arbeitskreise des Evang. Erziehungsverbandes in Bayern e.V. Interessierte Einzelpersonen Der eev-aktuell wird herausgegeben vom Evangelischen Erziehungsverband in Bayern e.V., Fachverband im Diakonischen Werk Bayern, 90408 Nürnberg, Pirckheimerstr. 6; Geschäftsführer: Diakon Bernhard Zapf Der eev-aktuell erscheint zweimal im Jahr. Jede Einrichtung des Verbandes, alle bayerischen Heimaufsichten und Jugendämter erhalten pro Ausgabe ein Exemplar kostenlos. Weitere Exemplare können zum Bezugspreis von jährlich 6.- Euro incl. Versandkosten bestellt werden. Die Bestellung gilt zunächst für ein Jahr und verlängert sich, wenn das Abonnement nicht bis zum 15. Nov. des jeweiligen Jahres gekündigt wird. Redaktionskreis: Sabine Baumgarten, Leiterin der HPT im „Kastanienhof“, Kinder- Jugend- Familienhilfe Ansbach Martin Bügler, Leiter des Wilhelm-Löhe-Heimes inTraunreut Andreas Hüner, Stellvertretender Gesamtleiter, Evangelische Kinder- und Jugendhilfe Feldkirchen Barbara Jekeli, Leiterin des Annakolleg in Augsburg Günter Schmidt, Leiter des Kinder- und Jugendhilfeverbundes „Sonnenhof“ in Feuchtwangen Bernhard Zapf, Fachreferent für Jugendhilfe im Diakonischen Werk Bayern „Hotline“ der Redaktion: Tel: 09852/6774-12, Fax: 09852/6774-67 eMail: [email protected] Namentlich gekennzeichnete Beiträge werden von den Autoren/innen verantwortet. Gestaltung: Günter Schmidt Infos aus den Einrichtungen, sowie Beiträge und Leserbriefe senden Sie bitte an: Evangelischer Erziehungsverband in Bayern, Redaktion eev-aktuell, Pirckheimerstr. 6, 90408 Nürnberg, Tel: 0911/9354-283 o. 284, Fax: 0911/9354-299 ISSN 1439-3360 2 Inhalt Editorial 4 Titelthema: Auf Tastendruck durchs Universum 5 Umgang mit Medien 11 Medienpädagogik als erzieherischer Jugendschutz 14 „Neue Medien – neue Gefahren für unsere Kinder ?“ 18 Medien Bilden 24 „Kinder und Medien“ 27 Virtuelle und reale Lebenswelten verbinden 29 Geocaching 33 Faszinierende Medienwelt 35 Aus dem Verband 37 ab Seite 3 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, wenn unsere pädagogischen Bemühungen wieder einmal ins Leere laufen, haben wir schnell eine Erklärung: „Schuld sind nur die Medien“. Allerdings vergessen wir dabei, dass die Kinder und Jugendlichen die partout kein Wohlverhalten zeigen wollen, alle Eltern oder in irgendeiner Weise Erziehungsberechtigte haben, die die angeblich schädigende Mediennutzung doch wohl zugelassen haben. Wie in allen anderen Bereichen der Erziehung, ist auch beim Umgang mit Medien das Vorbild und die kritische Begleitung der Kindern und Jugendlichen durch Eltern und Erzieher dringend notwendig. Wie sollen Kinder einen bewussten Umgang mit den Medien lernen, wenn Erwachsene es nicht vormachen. Wenn z. B. Radio- und Fernsehapparate den ganzen Tag vor sich hinlaufen, wird ein Kind nicht lernen Sendungen, die von Interesse sind, bewusst auszusuchen. Noch schwieriger wird es beim Umgang mit den sogenannten „neuen Medien“ wie z. B. dem Internet. Hier sind häufig die Kinder und Jugendlichen den Erwachsenen in der Handhabung der Technik überlegen. Es kehrt sich die Vermittlung von Lerninhalten um, plötzlich sind wir die Lernenden und können uns von unseren Kindern etwas zeigen lassen. Diese Chance sollten wir durchaus wahrnehmen, es wäre fatal zu resignieren und die Kinder und Jugendlichen allein zu lassen. Selbst wenn wir Technik nicht perfekt beherrschen, bei der Bewertung und Auswahl der Inhalte können wir die Kinder begleiten. Und das ist dringend notwendig. Eine Schlüsselqualifikation der Zukunft wird Medienkompetenz sein. Diese Erkenntnis zieht sich wie ein roter Faden durch die Beiträge in diesem eev-aktuell. Neben der Aneignung der Techniken bedeutet Medienkompetenz unter anderem entscheiden zu können: – Welche Informationen und Inhalte sind für mich wichtig? – Wie und wo finde ich die gewünschten Informationen und Inhalte? – Wie bewerte ich die Informationen und Inhalte? – Ist die Informationsquelle glaubwürdig? Medienkompetenz erwerben Kinder und Jugendliche nur im Umgang mit den Medien. Deshalb sind bloße Verbote der falsche Weg. Die Beiträge im Heft zeigen Wege auf wie Kinder und Jugendliche Medienkompetenz erwerben können. So lernen Kinder und Jugendliche die z. B. selbst einen Videofilm drehen oder eine Internetseite erstellen, welche Möglichkeiten der Manipulati- 4 on technisch möglich sind. Sie werden lernen, dass man auch bei fotografierten oder gefilmten Bildern seinen Augen nicht unbedingt trauen kann und sie werden lernen kritisch hinzuschauen, um die Absicht hinter der angebotenen Information zu erkennen. Praxisbeispiele wie die netzcheckers.de oder das Geocaching zeigen, dass es möglich ist Medienkompetenz und spannende Unterhaltung zu verbinden. Es kann einen Riesenspaß machen sich Kenntnisse im Umgang mit neuen Medien anzueignen und dabei gibt es eigentlich keine Altersgrenze. Beiträge der Aktion Jugendschutz und der Polizei zeigen auf wo die Gefahren im Umgang mit den neuen Medien, machen aber auch deutlich, dass sie nicht überbewertet werden sollten. Wenn es gelingt den Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen, sich die notwendige Medienkompetenz zu erarbeiten, dann werden sie möglicherweise von den neuen Medien fasziniert sein, aber sich nicht verführen lassen. Wir hoffen, dass es uns mit diesem eev-aktuell gelungen ist Hinweise zu geben, was bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und dem Umgang mit den Medien wichtig ist. Günter Schmidt Titelthema Auf Tastendruck durchs Universum Hinweise auf einen gesunden Medien-Umgang von Mädchen und Jungen Immer mehr Kinder erfahren ihre Welt über Fernsehen, über die Beschäftigung mit Videospielen oder über den PC. Welche Auswirkungen hat das auf die Arbeit mit Kindern? Vorbemerkung Das mir gestellte Thema ist Jahre nach den ersten intensiven Diskussionen um Spielkonsolen- und Computernutzung immer noch ein sehr (ge)wichtiges und ich hoffe, dass die folgenden Überlegungen genug Anregung bieten, sich weiterführend mit der Problematik zu beschäftigen. Eine Wahrheit allerdings - das schon vorneweg -wird es nicht geben. Mein Beitrag wird erstens eine kurze Einführung in die mediale (Er)Lebenswelt von Mädchen und Jungen sein und die Verbreitung bestimmter Medien benennen. Dann will ich zweitens einiges über deren »Wesen« benennen sowie Hinweise geben, wie damit umgegangen werden kann. Schließlich spreche ich drittens an, welche Bedeutung das Thema im Kontext von Arbeit mit Mädchen und Jungen haben kann. Erstens Die Mediensituation von Mädchen und Jungen im Jahr 2007 Die Welt - und hier meine ich die in der Regel finanzkräftige, mediennutzende Welt - entwickelt sich zu einer »Informations- und Mediengesellschaft«. Noch nie zuvor gab es - neben dem schon fast »klassischen« und nicht mehr weg zudenkenden Fernsehen - so viele Medien, insbesondere auch so genannte „kommunikative“ Medien wie Mobiltelefone und auf Verbindung unter- und miteinander angelegte Spielkonsolen oder computergebundene Möglichkeiten. Auch existierte noch nie zuvor eine derartige unergründliche Menge an Wissen abrufbar in weltweit vernetzten Datenbanken. Das sagt natürlich nichts über Qualität oder Zugang zu Informationen aus, auch nicht über die Nutzbarkeit oder Notwendigkeit von Informationen. Es sagt lediglich aus, dass es sie gibt. und Wissensprogramme für Uli Geißler den Computer und andere mehr. In hohem Maße werden Diakon, Spiel- und KulturMädchen und Jungen schon pädagoge, im Kleinkindalter angespro- Referent für Arbeit mit Kinchen. Sie sollen frühzeitig an dern/Kinder- und JugendkulturMediennutzung gewöhnt arbeit im Amt für Jugendarbeit werden, um so später Nürnberg reibungsarm als zahlungskräftige Konsumenten die elektronischen Kommunikationsmedien zu nutzen (und zu bezahlen!). Wer Kinder hat oder kennt, weiß, dass dieses Prinzip der Manipulation schon lange nicht mehr aufzuhalten ist und insbesondere Kinder massiv als »Hidden Persuaders«1 agieren, also schlicht ihre fremdbestimmten Bedürfnisse mit gehörigem Nachdruck einfordern und Erziehungsberechtigte durchaus in finanzielle und vor allem pädagogische Nöte bringen. Mediennutzung von Mädchen und Jungen „…Nach den Ergebnissen der aktuellen KIMStudie 2006 zählen 81 Prozent der Kinder zwischen sechs und 13 Jahren zu den Computernutzern – wobei der Anteil bei Jungen (85 %) neun Prozentpunkte höher liegt als bei Mädchen (76 %). Bereits bei den Sechs- bis Siebenjährigen zählen 57 Prozent zu den Nutzern, bei den 12bis 13-Jährigen sind es dann mit 96 Prozent fast alle. Allerdings ist die Zuwendung zum Computer nur bei einem Teil der Kinder fester Bestandteil des Alltags. Knapp ein Drittel der Nutzer beschäftigt sich fast täglich mit dem Computer. Der größere Anteil (54 %) sitzt nur ein- oder mehrmals pro Woche am Rechner, 16 Prozent noch seltener. Die häufigsten Nutzungsmotive sind Computerspiele, das Arbeiten für die Schule und Lernprogramme. …“2 Der nächste eev-aktuell erscheint im Dezember 200 7 2007 Daneben gibt es für jede Gruppe passend aufbereitet Medien unterschiedlichster Art wie beispielsweise – langsam verschwindend – Musikkassetten. CD, elektronische Bücher, Spiel- 5 Titelthema Darüber hinaus besitzen 6-13jährige Mädchen und Jungen: CD-Player 57 Kassettenrecorder 53 48 Radio 44 Fernsehgerät 43 Walkman/Discman 43 tragbare Spielkonsole 36 Handy Mp3-Player 29 Nicht-tragb. Spielkonsole 22 Computer 17 Kindercomputer 15 DVD-Player 14 Videorecorder 13 Playstation Portable 12 8 Internet-Anschluss 0 20 40 60 Grafik: mpfs / JIM-Studie 2006, Angaben in Prozent Dennoch zeigt sich: „ … Lässt man die Kinder aus den vorgegebenen Freizeitaktivitäten ihre drei liebsten Tätigkeiten auswählen, entscheidet sich knapp die Hälfte für das Treffen mit Freunden, dann folgt das Spielen im Freien, erst an dritter Stelle kommt das Fernsehen, das 31 Prozent der Kinder angeben. Für ein Viertel ist Sport und für ein Fünftel die Beschäftigung mit dem Computer eine der beliebtesten Aktivitäten, sieben Prozent zählen das Spiel mit dem Gameboy zu ihren liebsten Beschäftigungen. …“3 Konsolen- und Computerspiele Es ist erfahrungsgemäß festzustellen, dass Kinder, die angeben, sich mit dem Computer zu beschäftigen, oftmals nicht unterscheiden, ob sie Surfen, Recherchieren, Informationen sammeln oder Spielen. „…42 Prozent beschäftigen sich regelmäßig mit Konsolenspielen oder mit dem Gameboy (43 %). …“4 Allerdings sagt das noch nichts über die Besitzlage aus. Da die Konsolen inzwischen hochpreisige High-TechGeräte sind, liegt diese Zahl etwa bei 22 Prozent. Die Verbreitung von hochwertigen Spielkonsolen ist jedoch ungebrochen zunehmend und es gibt lediglich unterschiedliche Spitzen bei den jeweiligen Neuerscheinungen der konkurrierenden Systeme. Für die Konsolennutzung ist das eher unerheblich: alle Altersklassen spielen vermehrt mit bildschirmgebundenen elektronischen Spielgeräten. Geräte werden dabei oftmals an die jüngeren Geschwister oder auch Kinder 6 weiter gegeben, wenn die älter gewordenen Kinder oder Eltern Neuanschaffungen und Aufwertungen ihrer Spielkonsolen vornehmen. Somit steigen zwangsläufig die Verbreitung und die Spielnutzung. Aktuelle Geräte können verfügen über Vernetzungs- und Verbindungsmöglichkeiten an das Internet und es gibt eine Vielzahl an Nutzerinnen und Nutzern, welche sich inzwischen in kostenlosen oder auch gebührenpflichtigen Communities treffen und zeitgleich vor den Bildschirmen rund um die Welt miteinander oder gegeneinander spielen. Entsprechende Fehlleitungen und Abhängigkeiten sind hier vorprogrammiert, allerdings gehe ich hier auf dieses Krankheitsbild mit seinen entsprechenden Folgen für die Einzelnen nicht weiter ein. Sonstige Audio-visuelle Medien Wie schon angedeutet, kennen Kinder viele andere Medien: Hörspielkassetten stapeln sich in noch immer den Kinderzimmern, CD-und DVDRegale gehören zum Grundmobiliar eines Kinderzimmers und wer dort nicht mindestens acht Steckdosen eingeplant hat, wird schon vor Schuleintritt von seinen Kindern verständnislos angesehen. Nahezu jedes zweite deutsche Kind besitzt ein eigenes Fernsehgerät, die Bestückung der Haushalte in Deutschland liegt bei 100%. Das mag erklären, weshalb dieses Medium nach wie vor das wichtigste für Kinder ist. Aus Veröffentlichungen des Entwicklungspsychologen Rolf Oerter5 weiß ich, dass z. B. das Fernsehen Kindern einerseits Geschichten aus virtuellen Welten bietet, andererseits erkenntnisreiche Sachinformationen vermittelt und - fast verwunderlich - auch die Sprachentwicklung fördert. Er sagt auch, dass im Normalfall Kinder genau zwischen Fernsehwelt und realer Welt trennen können und auch nicht die Gegebenheiten verwechseln. Problematisch sei allerdings, wenn das Fernsehinhalte verarbeitende Rollenspiel zeitlich viel zu ausgedehnt wird. Es bestünde dann die Gefahr, dass dieses Spielen zur einzigen subjektivierenden Aneignung von Inhalten und Werten wird. Durch das zu viele Fernsehen sind also verstärkt Verarbeitungsprozesse von aufregenden Fernseherlebnissen durch z. B. Nachspielen notwendig. Damit stellt der Entwicklungspsychologe Oerter fest, dass Kinder zu viele Erfahrungen im Spiel machen und zu wenige im realen Leben. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang, dass durch das Fernsehen Modelle für konkrete Formen der Aggression vermittelt werden und tatsächlich aggressives Handeln stimuliert wird.6 Titelthema Bei Bildschirmspielen konnte diese Wirkung bisher nicht gesichert festgestellt werden. Selbstverständlich lesen Kinder auch heutzutage noch. Oder sie vertreiben sich ihre Zeit mit vielfältigen weiteren Möglichkeiten, die vermutlich auch der heutigen Elterngeneration geboten wurden. Dennoch ist die Kindheitsphase im Vergleich zu früher deutlich eine andere. Das Vorhandensein und die Nutzungszeiten elektronischer, bildschirmorientierter Medien sind um ein vielfaches Maß angestiegen. Daher ist es zwingend notwendig, den Medienkonsum zeitlich und inhaltlich zu dosieren, damit andere Aktivitäten - insbesondere soziale Spiele nicht zu kurz kommen. Das Interesse der Kinder ist – wie die Grafik zeigt – ungebrochen groß: Grafik: mpfs / JIM-Studie 2006, Angaben in Prozent Die traditionellen Spielformen können durch die neuen Medien nicht ohne Wirkungen wie beispielsweise Einbußen im mentalen und psychosozialen Gleichgewicht ersetzt werden. 7 Zweitens Wesen und Umgang mit Bildschirmspielen Zu bemerken ist in jedem Fall, dass Spielen - in welcher Form auch immer -absolut notwendig und unterstützenswert ist. Im Spiel können wesentliche Erfahrungen für die Bewältigung des Lebens gemacht werden. Mädchen und Jungen können sich orientieren, ihre Persönlichkeit wird gestärkt. Ohne »ernsthafte« Konsequenzen können sie unterschiedlichste Lösungswege erproben und entdecken. Schulbezogenes Lernen und permanente Leistungsforderung dürfen nicht zu den allmächtigen und ausschließlichen Werten in unserer Gesellschaft erhoben werden. Für ein gelingendes Leben ist es doch vielmehr notwendig, einen eigenen Standpunkt zu finden, sich für andere einzusetzen, Ideen für die Zukunft zu entwickeln, kreativ und phantasievoll zu sein, mutig neue Wege zu beschreiten oder eigenes Handeln kritisch zu reflektieren. Spiel und Spiele fordern häufig genau das von den Spielenden. Gründe für die Beliebtheit der Bildschirmspiele8: Bildschirmspiele bieten sich als schnelles, jederzeit verfügbares und ansprechendes Freizeitvergnügen für jede Situation an, die »nichts Besseres« bietet! Spielpartner/innen sind nicht unbedingt erforderlich. Bei Systemen, die zu mehreren gespielt werden können, steigt durch diese Möglichkeit aber die Attraktivität des Spieles. Der Aufforderungscharakter ist hoch und spricht wesentliche Bedürfnisse und Wünsche der Spieler/innen an. Damit meine ich zum Beispiel die Abenteuer-und Entdeckungslust oder die Möglichkeit der Auseinandersetzung, verbunden mit einer Siegchance. Wer bestimmte Spiele besitzt oder kennt, verbessert damit auch seine Position in der »Peer-Group« (Gleichaltrige, ihresgleichen), also der Gruppe, an der sich Mädchen und Jungen am meisten orientieren. Der Besitz bestimmter Spiele vermittelt zudem ein »Up to date«-Gefühl, vor allem bei aktuell beworbenen Produkten. Auch werden in den Spielen bekannte Gefühle angesprochen oder es darf Verbotenes getan werden. Persönliche Leistung wird augenblicklich anerkannt, Spielende verspüren das Gefühl von Macht und Kontrolle. Reaktionsvermögen, Konzentration, Ausdauer und das Zusammenspiel von Wahrnehmen, Denken und Handeln (Sensomotorik) werden trainiert. Umgang mit elektronischen Medien bereitet aufgrund neuer Entdeckungsund Erfahrungsmöglichkeiten Spaß. Neue und ständig wechselnde Spielverläufe, -ebenen und unterschiedliche Schwierigkeitsgrade, Bilder und Musik bieten Spannung, Abwechslung und Unterhaltung. Die passend komponierten Musikstücke unterstützen das »Abtauchen« in eine andere Welt. Die über das TV-Gerät abspielbaren Spiele bieten ausgezeichnete Bild- und Tonqualität. Aufgrund des größeren Bildschirmes sind sie augenschonender und bei gleicher Spieldauer gegenü- 7 Titelthema ber den »Handheld«-Geräten bedeutend weniger anstrengend. »Handheld«-Video-Spielgeräte (Garne Boy) können andererseits leicht überall mitgenommen werden, die Spiele sind preislich taschengeldfreundlicher und leichter zu tauschen, als die der teuren stationären Geräte. Wirkungen, die den elektronischen Spielen zugeschrieben werden (Senso)Motorisch Positiv (+), Negativ (-): + Die motorische Geschicklichkeit wird gefördert. + Sensomotorische Fähigkeiten können weiterentwickelt werden (Wahrnehmen-DenkenHandeln). + Das Reiz-Reaktionsvermögen wird qualifiziert und geübt. - Die einseitige Beanspruchung der Sinne hemmt die umfassende Entwicklung. - Der natürliche Bewegungsdrang wird eingeschränkt, die körperliche Vitalität wird geschwächt. - Häufiges Spielen und die eingeschränkt motorische körperliche Beanspruchung kann schlimmstenfalls zu Haltungsschäden, Sehnenüberlastung oder anderen gesundheitlichen Schäden führen. - Technisierte Wahrnehmungsformen bestimmen die Sinnesentwicklung, d.h. natürliche Sinnesreize (Vogelgezwitscher, Lichtstimmungen in der Natur, Blütenduft, lauer Wind usw.) werden zu selten erlebt. Kognitiv Positiv (+), Negativ (-): + Logisches und planerisches Denken wird unterstützt und gefördert. + Die Phantasie und realitätsüberschreitende Vision wird angeregt. + Schwierige Zusammenhänge werden leichter nachvollziehbar dargestellt. - Gestaltende Kreativität spielt häufig keine Rolle. - Meinungsvielfalt und die Entwicklung eigener Haltungen ist zum Erreichen des Spielzieles nicht gefragt. - Kritische Reflexion kann nur sehr eingeschränkt stattfinden. - Das Denken wir instrumentalisiert und »computergerecht« (Ja/Nein, Strom an/Strom aus). - Die Vorstellungsgabe (Phantasie) wird nur eingeschränkt angeregt und lässt kaum Freiräume. 8 Emotional Positiv (+), Negativ (-): + Ventil für angestaute Aggression (Katharsis-9 bzw. Inhibitionsthese10). + Der Umgang mit Gefühlen in vielfältigen Situationen kann kennen gelernt werden. - Die Identifikation mit den oft einfallslos handelnden Spielfiguren lässt die Spieler/innen gedankenlos und gleichgültig werden (Gefühlsabflachung). - Negative Spielbotschaften oder negative Weltsichten werden möglicherweise verinnerlicht. Beispiele sind die Diskriminierung von Menschen, Gewaltverharmlosung oder rechtfertigung, frauenverachtende Positionen, Fremdenfeindlichkeit usw. - Scheinwelten vermitteln viele positive Erlebnisse und kompensieren somit den Alltag. Das fördert die gedankliche Flucht und kann auch in die Spielsucht führen. - Die Emotionalität und Meinungsvielfalt können verkümmern, da differenzierte Reaktionen und Lösungswege fehlen. - Der sich im Spiel aufbauende Leistungsdruck kann zu starker Anspannung, Stress oder auch Wut bzw. negativen Aggressionen führen. Dabei muss nicht unbedingt das Spiel oder Spielthema aggressiv sein, es reicht, eine Spielaufgabe nicht erfüllen zu können. - Spieler/innen gewöhnen sich möglicherweise an Gewalt als Lösung bei Konflikten oder als Handlungsziel (Habitualisierungsthese11). Sozial Positiv (+), Negativ (-): + Durch den Mehr-Spieler/innen-Modus wird der Gemeinsinn gefördert. + Die Interaktion über das Medium hinaus kann angeregt werden. - Wichtige soziale Kontakte zu anderen werden vernachlässigt, die zur Identitätsfindung erforderlichen Beziehungen reduzieren sich auf Spieletausch und -themen. - Die Fähigkeit, sich solidarisch zu verhalten oder mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, also zu kommunizieren wird verhindert. - Der Verlust realer Kontakte kann zu Vereinsamung und Isolation führen. - Der sich abnutzende Spielreiz führt unweigerlich zu andauernder Konsumlust. Die daraus resultierenden Konflikte mit möglichen »Geldgebebenden« (Eltern, Großeltern, Erziehungsberechtigten) sind vorprogrammiert. Empfehlungen zum Umgang mit Medien in der Praxis einer Arbeit mit Mädchen und Jungen12 Mit Kindern gemeinsam das Medium erforschen und kennen lernen (Technikvertrautheit). Das Medium gemeinsam mit Mädchen und Jungen »anwenden« bzw. nutzen. Titelthema Spielprogramme und Spiele gemeinsam auswählen. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung um Inhalte und Wesen eines Spieles. Gemeinsam sollte eine von allen Beteiligten akzeptierte Einigung erzielt werden. Eventuell müssen miteinander Regeln vereinbart werden, wer wann und wie lange an den PC, Fernseher oder die Spielkonsole darf. Die frühere Empfehlung, nicht länger als etwa 20 Minuten (bei 6-9jährigen) bis 45 Minuten (bei den 912jährigen) oder sogar 60 Minuten (bei den 1315jährigen) vor einem Bildschirm zu verbringen, lässt sich heutzutage angesichts der weiten Verbreitung und auch bei der ausgedehnten Nutzung der Medien bei Erwachsenen nicht mehr aufrechterhalten. Somit sind das lediglich Richtwerte, die jede/r für sich selbst erweitern oder einschränken kann. Manche Spiele erfordern schlicht längere Spielzeiten, um überhaupt dem Spielziel näher zu kommen oder eine erforderliche Stelle zur Spielspeicherung zu erreichen. Vielfältige nicht technisch-elektronische Angebote der Freizeitgestaltung anbieten (Spielen, Musizieren, Naturerlebnisse, kreatives Gestalten, Lesen, Gespräche und mehr). Für die Teilnahme an medienpädagogischen Angeboten werben. Aktuelle Entwicklungen des Medienmarktes wahrnehmen und einordnen, Beratung suchen. Einer der wichtigsten Punkte im Hinblick auf die qualifizierte Nutzung von Medien durch Kinder ist, dass Mädchen und Jungen ihre Medienerlebnisse verarbeiten können. Sie müssen über die Erlebnisse »aus zweiter Hand« reden oder das Erlebte nachspielen können. Das unterstützt die rationale und emotionale Bewältigung ihrer Medienerlebnisse13. Drittens Was gehen die neuen Medien Mitarbeitende im Arbeitsfeld Arbeit mit Kindern an? Weshalb wir uns mit den »Elektronischen, bildschirmgebundene Medien« und ihren vielfältigen Erscheinungsformen befassen müssen, hat nichts mit verkrampfter Aktualitätshörigkeit zu tun. Vielmehr ist es schlicht pädagogisch erforderlich, Mädchen und Jungen in ihrer Lebenswirklichkeit, ihren Entwicklungs- und Erlebniswelten wahrzunehmen, sie zu verstehen und in die Gemeinde, Gesellschaft, den Lebensalltag einzubeziehen. Medien gehören heutzutage zum ganz normalen Alltag der Kinder dazu - so wie das Telefon, die Spülmaschine oder der Fahrscheinautomat. Wer so tut, als wäre es anders, missachtet die gesellschaftlichen Entwicklungen unserer Zeit. Die Mediennutzung (Compu- ter, Fernsehen, SpielekonsolenAudio-Abspielgeräte usw.) zu verteufeln, ist also sicher der schlechtere Lösungsweg pädagogischer Einflussnahme. Die genannten Medien sind allesamt keine »selbstaktiven« Instrumente, sondern das, was sie vermitteln, kann durchaus von der sie nutzenden Person gesteuert werden. Es geht vielmehr darum, Mädchen und Jungen in der Nutzung der angesprochenen Medien zu beraten und zu begleiten, kurz gesagt also um »Medienkompetenz«. Medienkompetenz Ein starkes Wort, das vieles sagt - und vieles nicht. Zu »inflationär« wird der Begriff angewandt und genutzt und zu unterschiedlich sind die dahinter verborgenen Zielrichtungen. Ein Hersteller virtueller, multimedialer »Abenteuerspiele« wird schließlich eine ganz andere Medienkompetenz ersehnen, als meinetwegen ein ökologisch motivierter Anthroposoph. Medienkompetenz umfasst nach dem Medienwissenschaftler Prof. Dr. Werner Baake14 die »Medienkritik« (analytisch, reflexiv, ethisch), »Medienkunde« (informativ, instrumentelltechnischer Umgang), »Mediennutzung« (rezeptiv, interaktiv) und »Mediengestaltung« (innovativ, kreativ). Für mich haben sich für die Entwicklung von »Medienkompetenz« u.a. nachfolgende Ziele ergeben1815 Mädchen und Jungen sollen: — sich geschlechtsspezifisch an der medialen Gesellschaft beteiligen, — altersadäquat Zugang zu den unterschiedlichsten Medien erhalten und Erfahrungen damit machen können, — nicht sozial oder wirtschaftlich bedingt von der Nutzung der Kommunikationsmedien ausgeschlossen werden, — neue Techniken und deren Zweckmäßigkeit kennen lernen bzw. ihr Wissen darüber ausweiten, — ein kritisches Urteil zu den neuen Medien treffen können, — Ideen zur sinnvollen Nutzung der Medien für ihre Lebensgestaltung entwik-keln, also beispielsweise internationale Kontakte mittels emails pflegen, ihre Interessen in Form einer Kinderzeitung publizieren, sich auf ihre Weise entspannen oder Wissen aneignen u.a., — die Möglichkeiten eines selbst bestimmten, aktiven und kreativen Einsatzes von Medien entdecken, z. B. um ohne Notenkenntnis ein eigenes Musikstück zu komponieren, ein Hörspiel aufzunehmen, eine Geschichte zu schreiben, — eine eigene, altersadäquate und geschlechts- 9 Titelthema spezifische Kultur im Umgang mit Medien ausleben, — nicht zuletzt: nicht technisierte Erfahrungen machen können, wie menschliche Kontakte, Gespräche und Auseinandersetzungen, unterschiedlichste Sinneswahrnehmungen in der Natur, kreative Gestaltung oder Bewegung. Die Entwicklung einer eigenen Medienkultur scheint mir dabei einen besonderen Stellenwert einzunehmen. Schließlich können wir nicht so tun, als gäbe es all die flimmernden Informations- und Beschäftigungsangebote nicht. Wir müssen reagieren, aber dringend auch agieren. Reines Reaktionsverhalten wird unserem Wertevermittlungsauftrag sicher nicht gerecht. Wertevermittlung Es scheint erforderlich, in der Arbeit mit Kindern Medien aller Art »einzusetzen«, zuzulassen, gemeinsam zu entdecken, was »in ihnen steckt«. Kinder brauchen uns - Erwachsene, Jugendliche und auch Kinder - als Identifikationsmodelle, Vorbilder, Wertevermittler/innen. Das gemeinsame Erleben und Gespräch, das direkte Verarbeiten von Erfahrungen und Erlebnissen ist insbesondere bei der Medienrezeption maßgeblich. Ein gemeinsam kennen gelerntes (Computer- oder Video)Spiel oder auch ein Film können in der sicheren Runde ausgesprochen positiv meinungsbildend und -stärkend wirken. Diese Chance von Wertevermittlung in die reale Erlebniswelt der uns so wichtigen Mädchen und Jungen sollte man nicht ungenutzt lassen. Uli Geißler Diakon, Spiel- und Kulturpädagoge Referent für Arbeit mit Kindern/Kinder- und Jugendkulturarbeit Amt für Jugendarbeit der Evang.-Luth. Kirche in Bayern Gudrunstraße 33 90459 Nürnberg Telefon: 0911-4304-270, PC-Fax: 0911-450996-70 [email protected], www.ejb.de 1 »Versteckte Überzeuger/innen«, d. h., alle zur Verfügung stehenden Argumente werden gesammelt und unnachgiebig immer wieder vorgetragen, um das Gewünschte schliesslich zu bekommen. 2 Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, Herausgeber der JIM-Studie 2006: Pressemitteilung, 6. Februar 2007 3 KIM-Studie 2006, S. 13 4 Dto. 5 7) Rolf Oerter, Spiel und Medien aus entwicklungspsychologischer Sicht - 12 Thesen, 1995 6 Dto. 7 Rolf Oerter, Spiel und Medien aus entwicklungspsychologischer Sicht - 12 Thesen, 1995 8 Uli Geißler, »Voll auf Konsole« in SPIELMITTEL 3/1995 sowie »Computer- und Videospiele« in: SPIELEN UND LERNEN, Sonderheft »Spielen von A bis Z«, 1994 10 9 Katharsisthese: Am Bildschirm beobachtete und ausgeführte aggressive Handlungen bauen innere Spannungen ab. 10 Inhibitionsthese: Durch die am Bildschirm beobachtete und ausgeführte Aggression wird die Bereitschaft zur eigenen Gewalthandlung eingeschränkt. Die Thesen gelten zwar als durchaus umstritten, ihr Glaubwürdigkeitsgrad liegt allerdings stark im Bereich des Möglichen. 11 Habitualisierungsthese: Einzelne Seherlebnisse haben danach kaum Verhaltensänderungen zur Folge, vielfacher Konsum von Bildschirmgewalt führt jedoch zumindest zu einer emotionalen Abstumpfung gegenüber der Mediengewalt. Die Einschätzung, ob hiermit auch die Abstumpfung gegenüber realer Gewaltsituationen entsteht, ist allerdings noch nicht gesichert. 12 Uli Geißler, »Voll auf Konsole« in: SPIELMITTEL 3/1995; »Computer- und Videospiele« in: SPIELEN UND LERNEN, Sonderheft »Spielen von A bis Z«, 1994; MiKi - Magazin für die Arbeit mit Kindern 1/97 sowie in Johannes Blohm, Ulrich Walter (Hrsg.): Ich will mitten unter euch wohnen, Verlag Junge Gemeinde, 1998, S. 92 ff. 13 Vgl. Helga Theunert, Renate Pescher, Petra Best, Bernd Schorb, Zwischen Vergnügen und Angst -Fernsehen im Alltag von Kindern, Vistas Verlag 1992 14 Prof. Dr. Werner Baake(+1999?), Universität Bielefeld, Vortrag im Rahmen des 8. Remscheider Computerforum 18.5.1998 15 Siehe auch Ausschreibung zum Projekt INTERKIDS KINDER UND COMPUTER INTERNATIONAL (c), Amt für Jugendarbeit der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, Nürnberg, in Kooperation mit dem Kultur & Spielraum e.V., München, 1997 Titelthema Umgang mit Medien Wirkungsvolle Medienerziehung muss sehr früh beginnen Die mediale Beeinflussung von Menschen hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. In den 80er Jahren dominierte als Leitmedium neben Zeitungen und Zeitschriften das Fernsehen, gelegentlich kam das Abspielen von Videos hinzu. Heute haben Kinder, Jugendliche und Erwachsene intensiven Kontakt zum Computer, der übers Internet mit dem World-Wide-Web vernetzt ist. Sie telefonieren mit dem Handy, mit dem sie gleichzeitig Fotos machen oder Bilder auf andere Handys oder Computer übertragen. Natürlich ist Fernsehen als Unterhaltungs- und Informationsmedium nach wie vor bedeutend, aber Computer und (artverwandte) Geräte wie Gameboy und Playstation werden von Kindern und Jugendlichen oft ausschließlich zu Spielzwecken genutzt. Auf der anderen Seite ist der Computer als umfassendes Informations- und Kommunikatonsmedium aus vielen Bereichen gar nicht mehr wegzudenken. Im vergangenen Jahrzehnt ist die Frage nach der Wirkung von Gewaltdarstellungen im Fernsehen auf Betrachter und die Wirkung einer exzessiven Nutzung von Gewaltspielen an Computern auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene neu in die öffentliche Diskussion gekommen. Denn spektakuläre Gewalttaten von Jugendlichen z. B. der Amoklauf des 19-jährigen Steinhäuser in Erfurt, der 17 Menschen niederschoss und zum Schluss sich selbst tötete, wurden in Verbindung zum exzessiven Spielen von Gewaltspielen gebracht. Dies hat zu neueren Literaturstudien der Bundesregierung (BM für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kunczik & Zipfel, 2004) und der Landesregierung Bayerns (Lukesch u. A. 2004) Anlass gegeben. Auch die Fortentwicklung in der Hirnfor-schung und damit die Möglichkeit, bioelektrische Impulse in unterschiedlichen Gehirnregionen bei Computer spielenden Personen sichtbar zu machen, haben Neuropsychiater und -Psychologen zu Stellungnahmen über mediale Wirkungen auf Menschen veranlasst (Hüther 2002, Spitzer 2005, 2006, Besser 2007). Zwei Dimensionen des medialen Gebrauchs scheinen für die Wirkungsforschung von besonderer Relevanz: - die Dauer der Nutzung und - die Inhalte, die gesendet werden respektive die in Spielen genutzt werden. Gelegentlicher oder/ und zeitlich auf eine oder wenige Stunden begrenzter Gebrauch der Medien wie Fernsehen, Computer, Computerspiele, Playstation u. Ä. scheinen für Dr eter Dillig Dr.. PPeter Jugendliche eher weniger geDipl. Psychologe, fährdend, unabhängig vom Inhalt der medialen Botschaf- bis 30.09.07 Leiter der Erten. Eine tägliche Betrachtung ziehungsberatungsstelle von gewaltver-herrlichenden Stadt u. Landkreis Ansbach Sendungen und zudem noch tägliche exzessive Nutzung von gewaltorientierten Computerspielen über viele Stunden hinweg bei gleichzeitiger Vernachlässigung von Kontakten der jungen Menschen zu Gleichaltrigen oder anderen Menschen und ihr extremer Rückzug auf sich selbst muss als höchst bedenklich angesehen werden. Hier steigt die Gefahr, dass sich jemand ein eigenes Weltbild aufbaut, das zunehmend den Bezug zur Wirklichkeit verliert. Als besonders „wirkungsvoll“ werden Gewaltdarstellungen im Fernsehen eingestuft, in denen schwerste aggressive Handlungen (Mord, Totschlag) oder Schädigung der Opfer (schwere Köpeiverletzungen bei brutalen Schlägereien) dargestellt werden. Und Computerspiele, in welchen der Spieler als Akteur mit der Waffe auf Alles schießt, um selbst zu überleben (Ego-Shooter) und das Umbringen von den Menschen das alleinige Ziel des Spieles ist, werden ebenfalls als bedenklich für junge Menschen eingeschätzt. Zur differenzierten Beantwortung der Frage, wie sich gewaltverherrlichende Darstellungen und Spiele auf junge Menschen unter welchen Bedingungen und in welchem Ausmaß auswirken, werden wir auf die oben genannten Expertisen zurückgreifen. Als ein prominenter Vertreter der Gehirnforscher, der zudem pointiert zur Wirkungsweise von gewaltorientiertem Fernsehkon-sum auf das Gewaltverhalten der Rezipienten Stellung bezieht, gilt Spitzer (2006). Ein Interview mit ihm in der Zeitschrift „Psychologie heute“ wird betitelt: „Wer seinem Kind Gutes tun will, kaufe ihm bitte keinen Computer“. In diesem Interview sagt er: „ Neueste Studien zeigen zum Beispiel, dass der Fern-sehkonsum im Kindesalter vorhersagt, ob jemand einen Universitätsabschluss bekommt oder in welchem Ausmaß er als Jugendlicher in der Schule versagt. Längsschnittunter-suchungen zeigen eine klare Kausalität: ein größerer Konsum von Bildschirmmedien führt zu einem schlechteren Bildungsabschluss“ (2006, 36). Kinder und Ju- 11 Titelthema gendliche, die gehäuft Computerspiele spielen, würden gegenüber realer Gewalt abstumpfen, und ihre eigene Gewaltbereitschaft würde zunehmen. Und er äußerst sich weiter: „Wenn jeder wüsste, dass der Konsum von Bildschirmmedien langfristig dick, dumm und gewalttätig macht, .... wären wir vorsichtiger im Umgang damit.“ (2006, 37). Von Kunczik & Zipfel 2004 wurden im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die neusten Forschungsergebnisse seit 1998 zum Thema „Medien und Gewalt“ zusammengetragen. Sie gehen zuerst der Frage nach, welche Zuwendungsmotive die Rezipienten veranlassen, gewaltorientierte Filme im Fernsehen zu konsumieren. Hier müssen als mögliche Faktoren der Persönlichkeitszug des „Sensation-seeking“ bei einer Person angeführt werden, wonach Mediengewalt als sensationell und attraktiv erlebt wird. Die Dispositionstheorie postuliert, ein Rezipient genieße Gewalthandlungen, die einem von ihm als unsympathisch wahrgenommenen Menschen widerfahren. Weiterhin müssen vor allem bei jugendlichen Betrachtern der Druck der Peergroup und dadurch verbunden die Stärkung des Gruppenzusarnmenhaltes bei gemeinsamen Konsum von Mediengewalt als Element der Identitätsbildung gesehen werden. Und letztlich können aggressive Prädispositionen bei einem Rezipienten das Betrachten von aggressiven Filminhalten für ihn besonders attraktiv machen. Als nächstes werden die verschiedenen Wirkungstheorien auf ihre Relevanz hin untersucht. Die Katharsisthese - das Betrachten von gewaltverherrlichenden Filmen führt zur Abfuhr und Reduktion aggressiver Impulse - kann als eindeutig widerlegt gelten. Die Habitualisierungsthese geht von einer abstumpfenden Wirkung durch gehäuften violenten Medienkonsum aus. Hier lägen nach den Recherchen von Kunczik & Zipfel nicht genügend Studien vor, um diese Ausnahme zu bestätigen,wenngleich sie plausibel erscheint. Ebenso könne nach Meinung der Autoren die Nachahmungstheorie nicht bestätigt werden. Allerdings scheint nach dem generellen Aggressionsmodell von Anderson u. A. (bei einem Rezipienten) die Ausübung von Gewalt dann erhöht zu sein, wenn bei ihm durch „Lernen, der Aktivierung und der Anwendung aggressionsbezogener, im Gedächtnis gespeicherter Wissensstrukturen“ gegeben sind. Dabei müssen als moderierende Einflussfaktoren die Medieninhalte (Rechtfertigung der Gewalt, Art der Gewaltdarstellungen, Wirkung auf das Opfer u. Ä.), die Person des Rezipienten (siehe oben, aber auch Alter, Geschlecht sozioökonomischer Status) und 12 das soziale Umfeld (Einflüsse von Familie, Schule, Peers etc.) mit in Betracht gezogen werden. Leider fehlen vor allem Längsschnittstudien» um die langfristigen Effekte von gewaltorientiertem Medienkonsum zu ermessen. Hier ist ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen medialem Gewaltkonsum, aggressiver Disposition und gesteigertem Gewaltverhalten bei Rezipienten zu vermuten. Die vorliegenden Meta-Analysen, die mehrere Studien zu Medienkonsum und Gewalt auswerten, führen zur Aussage, dass der Beitrag von Mediengewalt zur Erklärung des Gewallverhaltens, „höchstens 9 %“ betrage. Damit stellt dieser Einflussfaktor eine nicht zu vernachlässigende Größe dar. Die Wirkung von Gewaltdarstellungen, bzw. Gewaltspielen in anderen Medien - hier insbesondere bei Computerspielen - wurden in einigen neueren Studien untersucht. Die oben genannten Einflussfaktoren müssen ebenfalls hier mitbetrachtet werden, was leider in den vorliegenden Untersuchungen nicht erfolgte. In ihren Schlussfolgerungen fassen die Autoren die Ergebnisse ihrer Recherchen wie folgt zusammen: .Auswirkungen von Mediengewalt auf das Aggressionsverhalten von Rezipienten sind am ehesten bei - jüngeren, männlichen Vielsehem zu erwarten, die in Familien mit hohem Femseh- (Gewalt) konsum aufwachsen und - in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld (d. h. in Familie, Schule und Peergroup) viel Gewalt erleben, - bereits ein violente Persönlichkeit besitzen und - Medieninhalte konsumieren, in denen Gewalt auf realistische Weise und/oder in humorvollem Kontext gezeigt wird, die - gerechtfertigt erscheint, - von attraktiven .... Protagonisten ausgeht, die erfolgreich sind und für ihr Handeln belohnt werden und - dem Opfer keinen sichtbaren Schaden zufügen („saubere Gewalt“). (Kunczik & Zipfel, 2004, 10-11) Lukesch (2004) sollte im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung eine inhaltsanalytische Auswertung von verschiedenen Sendern und ihren Sendungen vornehmen. Hierfür hat er insgesamt 438 Stunden die unterschiedlichen Programme an unterschiedlichen Zeiten auswerten lassen. Zudem erhielt er den Auftrag zu einer Literaturrecherche über die Wirkungsforschung von violentem Medienkonsum auf Rezipienten. Hier seine wesentlichen Ergebnisse aus dem Literaturstudium in Stichpunkten: Es liegen konsistente Befunde über eine gewaltstimulierende Wirkung des Konsums solcher (gewaltorientierter) Titelthema Medien auf den Betrachter vor. Die Effektstärken liegen „etwa in der Größenordung der Bedeutung des Rauchens für die Entstehung von Lungenkrebs und sind somit weit höher als andere Effekte im pädagogischen Bereich“ (Lukesch 2004, S. 5). Diese Wirkungen sind in Realsituationen, in Langzeitstudien, für männliche und weibliche Rezipienten eindeutig nachgewiesen worden. Vor allem Comics, in denen Gewalt in „lustiger Einkleidung“ für die jüngeren Rezipienten dargeboten wird, wirken besonders auf Kinder stimulierend durch die Ausbildung antisozialer Gedächtnisskripts. Und aus der Medienforschung ist im Übrigen auch belegt, dass mit Gewaltstimulation eine Reduktion von Prosozialität einhergeht. (Lukesch, 2004, 7) Fazit von Lukesch: „Gewalthaltiger Medienkonsum ist ein nicht in Abrede zu stellender Faktor, der eine Zunahme des Aggressions- und Gewaltpotentials auf individueller und auch auf gesellschaftlicher Ebene bewirkt.“ Was ist also zu tun? Welche Konsequenzen müssen wir als Eltern oder Berater/innen aus diesen Befunden ziehen? Die Eltern-, Jugend- und Familienberatungsstelle bietet seit 1985 für Eltern von Kindergartenkindern Vorträge und Gesprächsabende an, in welchen Regeln im Umgang mit Medien bereits in diesem Alter vorgeschlagen werden. Es wird ein restriktiver zeitlicher Urnfang von einigen Stunden Medienkonsum in der Woche für die Kinder im Kindergartenalter angeraten. Auch wird ein gemeinsamer Fernsehkonsum der Kinder mit ihren Eltern nahe gelegt. Dann können Eltern (-teile) den qualitativen Inhalt der Sendungen prüfen und gewaltorientierte Sendungen abschalten, wenn sie beim Kind Angst auslösen oder die Gewaltdarstellungen zumindest eindeutig negativ kommentieren. Die gemeinsame Auswahl von geeigneten Sendungen zusammen mit dem Kind/ den Kindern in der Familie können das permanente „Bitten“ um zunehmenden Fernsehkonsum verhindern oder eindämmen helfen. Wenn restriktive Maßnahmen eingesetzt werden, sollten sie für alle dem Kind zur Verfügung stehenden Medien gelten: TV, Computer, Playstation, Gameboy, etc.) In allen Studien wird hervorgehoben, dass mit Medienerziehung schon sehr früh begonnen werden müsse, „um eine Basis für die Zeit zu legen, in der die Heranwachsenden stärker von ihrem Freundeskreis als von Elternhaus und Schule beeinflusst werden“ (Kunczik und Zipfel, 2004). Der Altbundeskanzler Helmut Schmidt hatte schon 1974 angeregt, einen fernsehfreien Abend in den Familien zu praktizieren. Für Jugendliche im Alter von 14 Jahren und älter können allein restriktive Zeitbeschränkungen kontraproduktiv wirken und/ oder die Beziehungen zwischen Eltern und Kind(ern) belasten. Die Jugendlichen können durch Erstellen eigner Videofilme zu einer kritischen Haltung Medien gegenüber hingeführt werden. Auch die Sensibilisierung für die Opferperspektive kann sich als sinnvoll erweisen (ähnlich der Wirkung von Antigewalttrainings). Ebenso kann die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema durch das Verfassen eines Aufsatzes oder durch kritische Diskussionen erreicht werden. Diese oben aufgeführten medienpädagogischen Interventionsstrategien zur Beschränkung des Medienkonsums sind mögliche Ideen für die Einflussnahme von Eltern auf ihre Kinder. Letztlich müssen die verschiedenen Maßnahmen auf spezielle Zielgruppen hin ausgewählt und eingesetzt werden. Es könnte eine weitere interessante Forschungsaufgabe sein, verschiedene pädagogische Maßnahmen auf ihre Wirkung für ausgewählte Zielgruppen zu erproben. Literaturliste Anderson, G., A.: General Aggression Model. Zit. nach M. Kunczik & A. Zipfel; Medien und Gewalt. 2004, 5. Besser, L.; Seminar: Wirkung von gewaltverherrlichenden Medien auf die Gehirnentwicklung des Kindes. 2007. Hüther, G. & Bonney, H.: Neues vom Zappelphilipp, Walther, Düsseldorf, Zürich, 2002. Kunczik, M,, & A. Zipfel: Medien und Gewalt. Befunde der Forschung seit 1998 (Kurzfassung). Hrsg.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin, Stand Juli 2004, www.bmfsfi.de Lukesch, H., Bauer, Chr., Eisenhauer, R.& Schneider, l: Das Weltbild des Femsehens. Eine Untersuchung der Sendungsangebote öffentlich-rechtlicher und privater Sender in Deutschland. Synopse der Weltbildstudie. S. Roderer, Regensburg, 2004. Spitzer, M.: Vorsicht Bildschirm! Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft. Klett, Stuttgart, 2005. Spitzer, M.: „Wer seinem Kind Gutes tun will, kaufe ihm bitte keinen Computer.“ Psychologie heute, 2006, 34, 1, 34 -37. 13 Titelthema Medienpädagogik als erzieherischer Jugendschutz Positive Inhalte und Einsatzmöglichkeiten der Medien kennen lernen Irmgar d Hainz Irmgard Mediennutzung durch Kinder und Jugendliche Referentin für Medienpädago- Kinder und Jugendliche sind gik und Jugendmedienschutz, heute in einer vielfältigen Medienlandschaft eingebunAktion Jugendschutz Die Ausstattung mit unLandesarbeitsstelle Bayerne.V. den. terschiedlichen Medien in den Haushalten, in denen Kinder aufwachsen, ist mittlerweile weitreichend ausgeprägt, so dass ihnen ein breit gefächertes multimediales Unterhaltungs- und Informationsangebot zur Verfügung steht. Der Fernseher ist mittlerweile in jedem Haushalt vorhanden, wobei in ca. 44 % der Kinderzimmer ein eigenes Fernsehgerät steht. In fast allen Familien sind Telefon, Handy, Radio und CD-Player verfügbar. Videorecorder, Computer und Internet besitzen ebenfalls vier Fünftel der Haushalte. CD-Player 57 Kassettenrecorder 53 48 Radio Fernsehgerät Immer mehr Kinder haben auch die Möglichkeit das Internet zu nutzen: Vier Fünftel der Haushalte mit Kindern sind online und über die Hälfte der Kinder zwischen sechs und 13 Jahren hat bereits Erfahrungen im Netz gesammelt. Meistens werden dabei Informationen gesucht, online gespielt oder spezielle Kinderseiten angesurft. 44 Walkman/Discman 43 tragbare Spielkonsole 43 36 Handy Mp3-Player 29 Nicht-tragb. Spielkonsole 22 Computer 17 Kindercomputer 15 DVD-Player 14 Videorecorder 13 Playstation Portable 12 Internet-Anschluss 8 0 20 40 60 Das Fernsehen ist bei Kindern nach wie vor das beliebteste Medium. Die Kinder von 6 bis 13 Jahre könnten am wenigsten auf das Fernsehen verzichten. Bei den Jugendlichen zwischen 13 bis 19 Jahren wählen 26 Prozent den Computer und jeweils 19 Prozent Fernseher und Internet als liebstes Medium. Obwohl der Fernseher noch immer das am meisten genutzte Medium ist, wird er in der persönlichen Wichtigkeit der Jugendlichen erstmals durch den Computer vom Spitzenplatz verdrängt (JIM-Studie 2006). Die zweithäufigste Beschäftigung mit Medien ist für Kinder die Computernutzung. Nach den Ergebnissen der KIM Studie 2006 des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest zählen 81 Prozent der Kinder zwischen sechs und 13 Jahren zu den Computernutzern – wobei der 14 Anteil bei Jungen (85 %) neun Prozentpunkte höher liegt als bei Mädchen (76 %). Bereits bei den Sechs- bis Siebenjährigen zählen 57 Prozent zu den Nutzern, bei den bis 19-Jährigen sind es dann mit 98 Prozent fast alle. Allerdings ist die Zuwendung zum Computer nur bei einem Teil der Kinder fester Bestandteil des Alltags. Knapp ein Drittel der Nutzer beschäftigt sich fast täglich mit dem Computer. Der größere Anteil (54 %) sitzt nur ein- oder mehrmals pro Woche am Rechner, 16 Prozent noch seltener. Die häufigsten Nutzungsmotive sind Computerspiele, das Arbeiten für die Schule und Lernprogramme. Über ein Drittel der Internetnutzer hat bereits Chaterfahrung. Vor allem ältere Kinder nutzen bereits diese Kommunikationsform. Bei den Jugendlichen besitzen 60 Prozent der 12- bis 19-Jährigen einen eigenen Computer, 38 Prozent haben einen eigenen Internetanschluss im Zimmer. Noch vor dem Arbeiten für Schule und Beruf und der Nutzung von Computerspielen stellt Musikhören die häufigste Offline-Tätigkeit am Computer dar, ebenso ist das downloaden überaus beliebt. Mehr als zwei Drittel aller Jugendlichen gehen mehrmals pro Woche oder häufiger online. Das Internet wird dabei vor allem als Kommunikationsmedium genutzt, die häufigsten Tätigkeiten sind der Austausch über Instant Messenger und E-Mail, mehr als ein Viertel der Jugendlichen die online sind sucht aber auch regelmäßig Chatrooms auf. Betrachtet man die Internetnutzung unter den Aspekten Kommunikation, Information und Spiele, so entfallen nach Einschätzung der Jugendlichen 60 Prozent ihrer Nutzungszeit auf den Bereich Kommunikation, 23 Prozent auf die Informationssuche und 17 Prozent wird für Online-Spiele verwendet. Titelthema Probleme und Gefährdungsbereiche durch Medien Kinder und Jugendliche nutzen heutzutage die ihnen zur Verfügung stehenden Medien und kombinieren diese ihren Bedürfnissen entsprechend. Unbestritten ist, dass die Präsenz von Medien und der verantwortungsvolle Umgang damit eine Bereicherung für Kinder und Jugendliche hinsichtlich Unterhaltung, Bildung und weltweiter Informationen darstellen kann. Kinder, die in die heutige multimediale Welt hineingeboren werden, gehen mit den multimedialen Angeboten viel selbstverständlicher als die Erwachsenen um und stellen sich ihren Mediengebrauch individuell nach ihren Bedürfnissen zusammen. Die Heranwachsenden werden dementsprechend von den Produzenten und Anbietern der Medien und der Werbeindustrie umworben. Die sogenannte medienkonvergente Mediennutzung der Heranwachsenden wird vermarktet und auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Neben vielfältigen sinnvollen und interessanten Anwendungsmöglichkeiten haben aber auch die Problematiken und Gefährdungen die von Medieninhalten auf Kinder und Jugendliche ausgehen können, zugenommen und sich gewandelt. Vor allem das Internet, das national nicht umfassend kontrolliert werden kann, bereitet durch die weltweite Verbreitungsmöglichkeit von jugendgefährdenden oder strafrechtlich relevanten Inhalten zunehmend Sorge. Die Multifunktionalität, die von den neueren Handys gewährleistet ist, gewährt den Zugang zum Internet und zum Fernsehen und ist bislang kaum zu kontrollieren. Der Besitz von gewalthaltigen Computerspielen, die in Deutschland auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien stehen oder von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) keine Jugendfreigabe in Deutschland bekommen haben, können vom Internet heruntergeladen werden. Nationale Gesetze können die Anbieter aus dem Ausland nicht davon abhalten, ihre Produkte ins weltweite Netz zu stellen. Es gibt keinen weltweiten, nicht einmal einen europäischen Standard für einheitliche Jugendmedienschutzgesetze. Aufgrund der unterschiedlichen kulturellen, sozialen und politischen Anschauungen der einzelnen Länder sind in absehbarer Zeit keine rechtlichen internationalen Standards zu erwarten. Weitere problematische Angebote für Kinder und Jugendliche finden sich im Fernsehen, da sowohl in öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, als auch bei den privaten Sendern vielfach Sendeformate und Filme gezeigt werden, die von den Jugendschutzbehörden wegen der Überschreitung der Sendezeitbeschränkung gemäß dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) geahndet werden. Durch die Digitalisierung des Fernsehens ist zu erwarten, dass weitergehende internationale Nutzungsmöglichkeiten folgen, die durch Jugendschutzgesetze nicht mehr geregelt werden können. Viele Eltern und Pädagogen sind darüber hinaus der Meinung, dass etliche Sendungen, die im Tagesprogramm ausgestrahlt werden, für Kinder nicht geeignet sind. Die Beurteilung für das verantwortungsvolle „Kinder-Fernsehen“ ist bei den Familien angesiedelt, die sich häufig überfordert sehen. Die medialen Angebote, die entwicklungsbeeinträchtigende, jugendgefährdende oder strafrechtlich relevante Inhalte anbieten, wie z.B. Kinderpornographie, extreme Gewaltdarstellungen oder Gewaltverherrlichungen sind in unterschiedlichster Form und in vielen Medien zu finden. Aber auch die auf den ersten Blick weniger spektakulären Inhalte, wie z.B. die Vermittlung vom Rollenverständnis der Geschlechter, der herabsetzende Umgang zwischen den Familienmitgliedern oder Partnern oder die problematischen Darstellungen einiger Talkshows in den Sendungen sind für den Jugendmedienschutz interessant. Viel zu sorglos wird mit den Chats im Internet umgegangen, die über sexuelle Belästigungen bis hin zu persönlichen Kontaktaufnahmen zu Kindern und Jugendlichen gehen. Hier ist besonders Vorsicht geboten, da die Identitäten der Chatpartner im Internet nicht der realen Person entsprechen müssen. Die Frage, welche Auswirkungen jugendgefährdende und sonstige problematische Medieninhalte auf Kinder und Jugendliche haben, ist durch die unterschiedlichsten internationalen Studien untersucht worden und wird seit vielen Jahren diskutiert. In der Fachwelt besteht größtenteils Einigkeit, dass es keine monokausalen Erklärungsmuster für Gefährdungsauswirkungen durch den Medienkonsum geben kann. Die Wirkungsdimensionen der medialen Welt sind eingebunden in komplexe Wechselspiele zwischen Medien und Rezipient. Sowohl die Darbietungsform der Medieninhalte wie auch die Rezipienten bezogenen Faktoren, wie Alter, Geschlecht und Erfahrungen der Heranwachsenden sind für die emotionale Verarbeitung von gefährdenden medialen Inhalten und 15 Titelthema das Verstehen wichtig. Weiterhin sind für die Risikoabschätzung die Persönlichkeit und die Umfeldfaktoren wie z.B. familiäre Erlebnisse, Eingebundensein in peer-groups, persönliche Kompetenzen wichtig, die sich eher stabilisierend oder gar destabilisierend auswirken können. Um die Problematik der medialen Gefährdung differenziert anzugehen wird im Jugendschutz von einem sogenannten „Drei-Faktoren-Modell“ ausgegangen, in dem die medial vermittelte Gefährdung, der Rezipient und die Umfeldbedingungen miteinander verflochten sind und sich in ihrer Bedeutsamkeit gegenseitig beeinflussen. Diesem Drei-Faktoren-Modell entsprechend wird in der aktuellen Kinder- und Jugendschutzarbeit auch von den ‚3 Säulen des Kinder- und Jugendschutzes‘ gesprochen. Zu diesen 3 Säulen gehören der: · ordnungsrechtliche Jugendschutz · strukturelle Kinder- und Jugendschutz · erzieherische Kinder- und Jugendschutz. Dem ordnungsrechtlichen Jugend(medien)schutz werden alle Maßnahmen zugeschrieben, die jugendbeeinträchtigende, jugendgefährdende oder strafrechtlich relevante Medieninhalte in Deutschland durch Gesetze greifbar und handhabbar machen wollen. Dazu gehören z.B. der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV), das Jugendschutzgesetz (JuSchG) oder einzelne Paragrafen des Strafrechts (StGB). Der strukturelle Kinder- und Jugendschutz sieht gesellschaftspolitische Fragestellungen im Mittelpunkt der Bemühungen, da gesellschaftliche Entwicklungen und Strukturen für Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hinderlich sein können. Für den Medienbereich sind entsprechende Stellungnahmen und Einflussmöglichkeiten auf Medienproduzenten denkbar, wie auch die Unterstützung medienrelevanter Medienangebote, z.B. Förderung der Strukturen der aktiven Medienarbeit für Heranwachsende. Gesetzliche Regelungen im Jugendmedienschutz sowie die Förderung einer medialen Infrastruktur für Kinder und Jugendliche sind notwendig und wichtig. Da aber nationale Gesetze in einer vernetzten Welt nur bedingt greifen wird dem erzieherischen Kinder- und Jugendschutz eine wachsende Bedeutung zugemessen und er ist unabdingbar verflochten mit gesetzlichen Vorhaben. 16 Medienpädagogik als erzieherischer Kinderund Jugendschutz Die medienpädagogische Aufgabenstellung der Aktion Jugendschutz Bayern entspricht den Vorgaben des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes des §14 KJHG (Kinder- und Jugendhilfegesetz). Dabei sollen junge Menschen befähigt werden, sich vor gefährdenden Einflüssen zu schützen und selbstverantwortlich damit umzugehen. Auch Eltern und Erziehungsberechtigte sollen in die präventiven Maßnahmen miteinbezogen werden. Im Referat Medienpädagogik/Jugendmedienschutz der Aktion Jugendschutz werden pädagogische Fachkräfte in Jugendhilfe und Schule sowie Eltern über positive und/oder problematische Entwicklungen und Auswirkungen zu den verschiedenen Medienbereichen informiert, beraten und Hilfestellungen angeboten. Vor allem über diese Multiplikatoren und Multiplikatorinnen sowie Eltern sollen Kinder und Jugendliche zu einem sinnvollen Gebrauch der Medien herangeführt werden, negative Erscheinungen der Medieninhalte kritisch einschätzen lernen und Medienkompetenz erwerben. Doch was bedeutet es medienkompetent zu sein und zu handeln? Medienkompetenz ist ein umfassender Begriff und es gibt zahlreiche Definitionen und Interpretationen. Zusammenfassend wird Medienkompetenz von Bernd Schorb wie folgt definiert: „Medienkompetenz ist die Fähigkeit auf der Basis strukturierten zusammenschauenden Wissens und einer ethisch fundierten Bewertung der medialen Erscheinungsformen und Inhalte, sich Medien anzueignen, mit ihnen kritisch, genussvoll und reflexiv umzugehen und sie nach eigenen inhaltlichen und ästhetischen Vorstellungen, in sozialer Verantwortung sowie in kreativem und kollektivem Handeln zu gestalten“. Bei der Medienkompetenz geht es um einen selbstbewussten, selbstbestimmten und verantwortlichen Umgang mit den Medien. Dazu gehört, sich in einer immer mehr von Medien durchdrungenen Welt kompetent orientieren zu können. Es reicht vom praktischen Umgang mit Medienangeboten im Alltag über das Wissen um technische, historische, politische, kulturelle, ökonomische und nicht zuletzt ethische Bedingungen. Insgesamt gesehen kann Medienkompetenz als die Fähigkeit verstanden werden, sich in der immer medialeren Welt gut zurechtzufinden und sie für seine Bedürfnisse und Wünsche adäquat nutzen zu können. Aufgrund er vielfältigen Medien und deren schnell wachsenden, immensen Angebote sind viele Eltern, Pädagogen, Kinder und Jugendliche überfordert einen Überblick zu erlangen. Titelthema Der Begriff der Medienpädagogik im Sinne eines erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes wird für die medienpädagogische Arbeit in der Aktion Jugendschutz dahingehend definiert, dass Pädagogen und Eltern über die relevanten negativen, jugendschützerischen Medienangebote informiert werden und vor allem die sinnvollen und positiven Inhalte und Einsatzmöglichkeiten der Medien kennen lernen, um für Kinder und Jugendliche als Multiplikatoren fungieren zu können. Medienpädagogische Angebote der Aktion Jugendschutz Um eine möglichst große Zahl an Multiplikatoren zu erreichen werden medienpädagogische Angebote der Aktion Jugendschutz durch das Referat Medienpädagogik/Jugendmedienschutz folgendermaßen durchgeführt: Publikationen und Webangebote: Erstellung und Herausgabe verschiedener Publikationen und Webangebote zu unterschiedlichen Schwerpunktbereichen, z.B. „Kinder und Internet. Informationen und Tipps für Eltern“ Die Broschüre informiert Eltern und Pädagogen über die wichtigsten Anwendungsmöglichkeiten des Internets, beschreibt die Gefahren und gibt Tipps für einen sinnvollen Umgang im Netz. Flyer „Kinder im Kino“. Eine Information für Eltern, - bietet Informationen über das altersgerechte Filmerleben von Kindern und Jugendlichen, über die Bedeutung der Filmfreigaben der FSK und gesetzlicher Bestimmungen. „Aufwachsen in Actionwelten ist ein Materialpaket zum Thema gewalthaltige Spielwelten und Medienverbünden“. In fünf Broschüren werden pädagogische Fachkräfte zu medialer Gewalt, zu Computerspielen, zur Mehrfachvermarktung sowie zum Jugendmedienschutz informiert. Für den Einsatz in Schule, pädagogischen Einrichtungen und zu Elternabenden stehen die Materialien auf einer CD-ROM zur Verfügung sowie eine Informationsbroschüre für Eltern. Kinder sehen fern – 5 Bausteine zur Fernsehrezeption von Kindern. Broschüre und AV-Materialien (Video und CD-ROM mit Beispielen) als Anregung und Orientierungshilfe zur Fernseherziehung für Pädagogen und Jugendschutzfachkräfte. Die Webseite „Kinder und Internet“ unter www.bayern.jugendschutz.de aufzurufen, stellt Internetanwendungen und deren Bedeutung für Kinder und Jugendliche vor, geht auf Fragen zum Jugendmedienschutz ein und weist auf empfehlenswerte Webseiten hin. „Handy in Kinderhand. Informationen und Tipps für Eltern“ sowie die Webseite www.Handy-in-Kinderhand.de - der Elternratgeber, beantwortet häufig gestellte Fragen rund ums Handy. Fachzeitschrift proJugend: durch regelmäßige Schwerpunktthemen und Informationen in der Fachzeitschrift der Aktion Jugendschutz wird über neue medienrelevante Entwicklungen, gesetzliche Änderungen im Medienbereich und Vorstellung medienpädagogischer Projekte informiert. Themenhefte z.B. proJugend 1/2007: Spiel ohne Grenzen? Computerspiele in der Diskussion, proJugend 1/2006: Vom Lesefrust zur Leselust. Bitte weiterlesen, proJugend 1/2005: Kinder im Netz der Vermarktung. Über die Verzahnung zwischen Medien- und Konsumwelt. 17 Titelthema Materialdienst der Aktion Jugendschutz: Bereitstellung und Versand von empfehlenswerten Broschüren und Arbeitsmaterialien über Medienthemen der Aktion Jugendschutz und bundesweiten Institutionen. Fachtagungen zu medienrelevanten Themen, z.B. „Gewaltige Medien“ Tagungen für Fachakademien für Sozialwesen für angehende Erzieher/innen sowie Zentrale Fortbildung für Dozenten in Fachakademien. Mitwirkung im Bayerischen Filmgutachterausschuss, sowie der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), Jugendschutzsachverständige für Bayern. Ein weiteres Projekt ist „ELTERNTALK“ ein Angebot in Bayern, das Eltern über medienpädagogische Fragestellungen miteinander ins Gespräch bringen will. Dieses Projekt wird von zwei Projektarbeiterinnen bei der Aktion Jugendschutz betreut und vom Bayerischen Sozialministerium unterstützt. Quellen: Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (mpfs) (Hrsg.): KIM-Studie 2006. Kinder + Medien, Computer und Internet, Stuttgart 2007 und JIM-Studie 2006.Jugend, Information, (Multi-) Media, Stuttgart, 2006 Schorb, Bernd: Medienkompetenz, in: (Hüther/ Schorb (Hrsg.): Grundbegriffe Medienpädagogik, S. 257-262, München 2005 Elisabeth Seifert: Enquete-Kommission „Jungsein in Bayern“. Jugendinformation, Kultur und Medien; Stellungnahme der Aktion Jugendschutz Bayern, 2007 Irmgard Hainz (Referentin für Medienpädagogik und Jugendmedienschutz) „Neue Medien – neue Gefahren für unsere Kinder ?“ Verbindliche Regeln für die Medienutzung gemeinsam erarbeiZiel dieses Artikels zu meinem gleichlautenden Vortrag ist es, Kriminalhauptmeister beim Eltern, Lehrer und Pädagogen Kommissariat 314 für das Thema „Neue Medien“ zu sensibilisieren. Zu den einPolizeipräsidium München zelnen Medien (Handy, Computerspiele, PC und Internet) werden neben Hintergrundinformationen auch verhaltensorientierte Tipps gegeben. Stefan Ther Aktuell bezeichnet man Medien als „Neu“, wenn sie im Zusammenhang mit digitaler Technik stehen bzw. in digitaler Form vorhanden sind (z. B. analoge Videokamera und digitaler Camcorder). Die beiden derzeit vorhandenen Langzeitstudien (JIM und KIM) in Deutschland beschäftigen sich mit dem Medienkonsum von Kindern bzw. Jugendlichen und deren Verhalten. So steht bei den Freizeitaktivitäten von Kindern (6-13jährig) das Fernsehen auf Platz 1 der Liste – noch vor dem Treffen mit Freunden. Auch andere mediale Beschäftigungen wie telefonieren oder der Compu- 18 ter allgemein sind in der Beliebtheitsskala weit oben anzutreffen und verdeutlichen den Trend der letzten Jahre. Gleichzeitig ist dies ein Hinweis auf die technische Ausstattung der Kinder: Fernseher finden sich in allen Haushalten mit Kindern, dicht gefolgt vom Handy. Nach wie vor auf dem Vormarsch ist das Internet, welches immerhin schon in 81 Prozent der Haushalten mit Kindern vorhanden ist und seit ca. 2 Jahren auch die MP3-Abspielgeräte. 1. Das Handy Kein anderes Medium im technischen Sinne hatte eine derart explosionsartige Verbreitung erlebt. Dies gilt insbesondere bei Jugendlichen. Mittlerweile nennen etwa 92 Prozent aller Jugendlicher (12-19jährig) und 44 Prozent der Kinder (6-13jährige) ein Handy ihr eigen! 1998 lag der Anteil bei 8 Prozent, 2001 schon bei 75 Prozent. Durchgängig ist eine knappe Mehrheit der Titelthema Mädchen unter den jugendlichen Handy-Besitzern festzustellen. 2/3 der Jugendlichen favorisieren dabei die Guthabenkarte (Prepaid). In pädagogischer Hinsicht speziell als Einstieg sehr sinnvoll, da die anfallenden Telefonkosten besser überschaubar sind. Wenn später der verantwortungsbewusste Umgang erlernt wurde, ist der Umstieg zum Vertrag problemlos. Im Durchschnitt geben die Jugendlichen ca. 20 Euro im Monat für „mobiles“ telefonieren aus. Die Frage nach dem Einstiegsalter für das Handy, beantworten Pädagogen durch eine Gegenüberstellung der Für und Wider. Im Grundschulalter sprechen im Wesentlichen nur zwei Kriterien dafür: entweder als sog. „Notfallhandy“ oder die Möglichkeit, das Handy per GPS orten und damit auch den Standort des Kindes bestimmen zu können. Ob diese jederzeit mögliche Ortung pädagogisch sinnvoll ist, bleibt offen. Gegen ein eigenes Handy spricht beispielsweise die Verwendung als Spielzeug oder als Statussymbol. Gerade in diesem Alter spielen Jugendschutz und die Strahlenbelastung eine gewichtige Rolle. Eltern sollten genau hinterfragen, welche Bedürfnisse und Wünsche hinter dem Wunsch nach einem Handy stecken und sich ausführlicher zu informieren (z. B. mit der Broschüre Handy-in-Kinderhand, kostenlos unter www.handy-in-kinderhand.de). Vor allem unter den Jugendlichen hat es sich herumgesprochen, dass die aktuelle Generation von Mobilfunktelefonen nicht nur zum Telefonieren geeignet ist. Vielmehr trifft hier das Wort „Multimedia-Gerät“ zu. Möglichkeiten wie fotografieren (bis zu 5 Mio. Pixel), Videos aufnehmen und abspielen, Musik hören (Radio oder MP 3), Navigation und GPS-Ortung, Internetzugang etc. sind mittlerweile Standard. Diese Möglichkeiten bieten aber nicht nur Vorteile. Problematisch sind die Möglichkeiten, eine Vielfalt von Daten (Filme, Musik, Fotos, Text etc.) per Bluetooth (drahtlose Übertragung per Funk bis zu 100 Meter) zu verschicken. Rechtliche Konsequenzen sind dabei keineswegs auszuschließen. Als Beispiel dafür eignet sich das sog. „Happy Slapping“ (engl. für fröhliches draufschlagen), ein neues Phänomen, das überwiegend bei Jugendlichen erst durch Mobiltelefone neuerer Bauart auftauchte. Rechtlich gesehen handelt es sich häufig um ein selbstgedrehte Video einer Körperverletzung, die überwiegend nur wegen des Filmes begangen wird. Die Verbreitung per Bluetooth über andere Handys oder das Internet wird für das Opfer zusätzlich eine psychische Belastung. Ist ein solches Video erst einmal im Umlauf, ist die Verbreitung kaum mehr zu stoppen. Durch einen derartigen Film kann eine Vielzahl Straftatbeständen erfüllte werden: Körperverletzungsdelikte, Nötigung, Bedrohung etc.. Speziell für die Handy-Filmer und Fotographen gilt der 2004 neu geschaffene § 201a des Strafgesetzbuches: Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen (z. B. in Schultoiletten oder Umkleidekabinen). Alleine das bloße Herstellen eines solchen Fotos ist unter Strafe gestellt. Daneben ist im Kunsturheberrechtsgesetz der Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild geregelt. Die Verbreitung oder die öffentlich Zurschaustellung von Bildern (z. B. im Internet), aber auch das bloße Zusenden, Anbieten oder Verbreiten von Bildern mit Gewaltdarstellungen, pornografischen oder rechtsextremistischen Inhalten, stellen bereits Straftaten dar. Das Fazit zum Thema Handy lautet wie folgt: 1. Jeder Nutzer muss Kompetenzen erlernen, insbesondere aber Eltern, deren Kinder Handys benutzen. 2. Die Vorbildfunktion spielt neben der Information über Gefahren und Möglichkeiten eine wesentliche Rolle. Bei Bedarf sollten sich die Eltern informieren, beispielsweise über VHS-Kurse, sonstige Institutionen, Zeitschriften und Broschüren, Internet , Herstellerinformationen etc.. Oder noch sinnvoller: sie lassen sich die Geräte, Spiele und Anwendungen von ihren eigenen Kindern erklären. 2. Computerspiele Die Geschichte der Computerspiele beginnt um 1950, als die ersten Computer und mit ihnen die ersten Spiele entstanden. Diese waren damals nur Adaptionen bekannter Kartenspiele wie Dame oder Poker. Mit dem berühmten Spiel „PONG“ welches aus dem „Tennis for two“ (2 Balken und ein Punkt, der über den Bildschirm fliegt) übernommen wurde, ging 1972 der Boom der Videospielbranche los. Mittlerweile werden Computerspiele in drei Kategorien gegliedert: 1. Spiele für den PC 2. Spiele für Spielkonsolen (nutzen den Fernseher als Bildschirm) 3. Spiele mit tragbaren Geräten, sog. Handhelds (z. B. Nintendo Gameboy). 19 Titelthema Auch hier hat der technische Fortschritt nicht halt gemacht. So können sich die Spieler aller drei Kategorien mittlerweile über Internetanschluss und Bluetooth miteinander verbinden und spielen, kommunizieren und Daten austauschen. Wurde die Branche für Videospiele früher belächelt, werden mittlerweile Umsätze gemacht, die man niemand für möglich gehalten hatte. Bereits 2004 wurde die mächtige Filmindustrie von den Herstellern der Computerspiele überholt! Das zu der Zeit beliebteste Computerspiel „Die Sims 2“ brachte weltweit mehr Umsatz als der beliebteste Kinofilm „Spiderman 2“. 2006 wurden alleine in Deutschland 44 Mio. Computer- und Videospiele verkauft. Das entspricht einem Umsatz von 1,1 Mrd. Euro! Weltweit wurden sogar über 31 Mrd. Euro erwirtschaftet. Alleine daran ist zu erahnen, wie mächtig dieser Markt geworden ist und wie wichtig ihr dabei die Kunden (überwiegend Kinder und Jugendliche) sind. Sie nehmen direkten Einfluss auf die Gestaltung des Endprodukts. Über Zeitschriften und Internet werden kostenlose Testversionen gestreut, um Rückmeldungen zu bekommen. In den Spielen selbst hat die gezielte Vermarktung von Produkten, das sog. „product placement“, längst Einzug gehalten. Ein Verfahren, das früher noch Schleichwerbung hieß. So kann der Spieler die Kleidung seines virtuellen Helden im nächsten Kaufhaus kaufen oder per Mausklick im Internet bestellen. Erfolgreiche Spiele werden jährlich neu aufgelegt und mit verbesserter Grafik angeboten (z. B. Sportspiele). Aber auch eigene Serienhelden entstehen im virtuellen Leben wie Lara Croft aus der TombRaider-Serie. Die Inhalte der Spiele lassen hervorragend vermarkten, wobei erstaunlicherweise kritische Themen wie der zweite Weltkrieg, Vietnamkrieg etc. nach wie vor beliebt sind. Doch nicht nur Kinder und Jugendliche verbringen ihre Freizeit vor dem Bildschirm. Nach der Studie, eines der weltweit größten Hersteller von Computerspielen sind 54 Prozent der sog. „Freizeitspieler“ im Durchschnitt über 40 Jahre alt. Männer und Frauen sind gleich oft vertreten. Lediglich 5 Prozent werden den sog. Intensivspielern zugerechnet, die Anfang 20 Jahre und bis zu 80 Prozent männlich sind. Die Studie geht allerdings nicht darauf ein, wie die Hersteller sich neue Kundenstämme erschließen. Bislang waren hauptsächlich Kinder und Jugendliche die Zielgruppe. Auch der weibliche Anteil bei den Spielern war bislang insgesamt geringer. Den Trend versucht man nun mit neuen 20 Spielinhalten zu verändern. Dabei wird mehr Wert auf Kommunikation und Gestaltung gelegt, um Mädchen und Frauen besser anzusprechen. Erste Erfolge wie z. B. „Die Sims“ oder „Nintendogs“ (bei dem virtuelle Haustiere ähnlich dem Spiel „Tamagotchi“ gepflegt, erzogen und gefüttert werden) konnten bereits verbucht werden. Aber nicht nur der weibliche Anteil der Spieler soll erhöht werden, sondern auch Anteil der älteren Bevölkerung (sog. Grey-Gamer), also die Generation, die noch ohne Computer und Spiele aufgewachsen ist. „Gehirnjogging“, also kleine Übungen wie Rechenaufgaben oder visuelle Übungen, sollen die Aktivitäten der Gehirnhälften anregen und so die Konzentrations- und Merkfähigkeit von Senioren deutlich verbessern. Neu daran ist, dass sich diese Übungen auf den Handheld-Geräten (tragbaren Spielkonsolen) der Enkel durchführen lassen. So hat die ganze Familie, vom Kleinkind bis zu den Großeltern, Spaß mit den Videospielen. Die Marktlücken schließen sich! Bei allen Gefahren darf der positive Nutzen von Computerspielen nicht vergessen werden. Spezielle Lernprogramme zu Themen wie Mathematik, Sprache, Musik u.s.w. können den Übenden sehr wohl unterstützen und sind sinnvoll. Aber auch hier muss der Zeitaufwand in einem gesunden Verhältnis zu Hausaufgaben, Familie, Freunde, Sport etc. stehen. Zwei Themen werden immer wieder in der Öffentlichkeit diskutiert: Medien, insbesondere Computerspiele im Zusammenhang mit Sucht und Gewalt. Durch die Amokläufe von Bad Reichenhall und Erfurt drehte sich die Diskussion in erster Linie um die Entstehung von Gewalt nach dem Konsum von sog. „Killerspielen“ und „Ego-Shootern“ gesprochen. Bei der zweiten Kategorie handelt es sich um Spiele, in denen der Teilnehmer aus der Ich-Perspektive mit verschiedenen Waffen gegen seine Feinde kämpft. Während man im Offline-Modurs gegen den Computer spielt, kann man online mittels Internet gegen andere angemeldete Gegner vorgehen. Das Bedürfnis der meisten Spieler geht dahin, dass die virtuelle Welt (Aussehen, Geräusche und Funktionsweise der Waffen, Umgebung, Fahrzeuge, Verhalten der Gegner) so realistisch wie möglich gestaltet wird, um sich mit seiner Spielfigur zu identifizieren. Mittlerweile kann man die Spielfigur nach eigenen Wünschen optisch gestalten. Sogar das Einkopieren eigener Fotos, um ein perfektes Ebenbild in der virtuellen Welt zu erschaffen, ist möglich. Aktuell gibt es nach Einschätzungen von Experten ca. 5000 Studien zu dem Thema Medien und Ge- Titelthema walt. Neueste Meta-Analysen, also Studien über diese Studien, zeigen ein eindeutiges Ergebnis: „Der Konsum von Gewalt in den Medien wirkt unter ungünstigen Bedingungen gewaltfördernd.“ Als ungünstige Bedingungen wurden anhaltende eigene Gewalterfahrungen, Misserfolge in Beruf und Schule, ein niedriges Bildungsniveau, aber auch die Erfahrung männlicher Jugendlicher, dass Gewaltanwendung das einzige Mittel ist, sich kurzfristig Respekt zu verschaffen, genannt. Ein weiteres Ergebnis dieser Analysen zeigt, dass es auch einen direkten Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Werten, dem Bildungsgrad einer Gesellschaft sowie Art und Umfang des Medienkonsums gibt. Auch spielt es offenkundig keine Rolle, ob junge Menschen Gewalt im Fernsehen, im Computerspiel oder in anderen Medien begegnen. Nicht die Art des Mediums ist entscheidend, sondern die Inhalte. Als weiteres Fazit werden die unterschiedlichen Reaktionen der Geschlechter genannt. Während männliche Jugendliche aggressiv reagieren und deswegen besonders in den Fokus der Präventionsbemühungen fallen sollten, wird bei jungen Frauen die Furcht vor Gewalt verstärkt. Über den Zusammenhang von Computerspielen und Sucht wird interessanterweise erst in letzter Zeit vermehrt berichtet. Offensichtlich ist bislang nur die Spitze dieses Berges sichtbar. Es mehren sich die Berichte über exzessiven Konsum von Computerspielen, begleitet von einem steigenden Suchtpotential und den daraus entstehenden Problemen. Bereits seit zwei Jahren gibt es in Amsterdam eine Klinik, die ein spezielles Programm zu dieser Suchtform entwickelt hat. Ziel ist es, den Patienten in vier bis acht Wochen die verlorengegangenen Sozialkompetenzen zurück zu geben und Wege zu zeigen, Bestätigung im wahren Leben finden. Die ersten Erfahrungen verheißen nichts Gutes. Denn genau dies sind Dinge, die durch das stundenlange Spielen am Computer verlernt wurde: über die Flucht vor dem realen Leben mit Stress und Erwartungshaltung, hinein in die bunte virtuelle Welt, in der man auf Knopfdruck Anerkennung und Glücksgefühle erhält. Eine regelrechte Konditionierung findet statt, bis es kein Auskommen mehr gibt. Die Kräfte des Verstandes werden dem Verlangen nach dem Spiel und dem Erreichen des nächsten Levels untergeordnet. Spielzeiten von mehreren Tagen ohne Unterbrechung und Essen werden geschildert. Wer würde da nicht mehr von Sucht sprechen? Eine Münchner Suchtberatungsstelle verzeichnet eine signifikante Zunahme der Beratungen zu Computersucht. Alleine im Jahr 2006 betrug der Anstieg 35 Prozent zum Thema Spiel- sucht, darunter ein hoher Anteil wegen einer Abhängigkeit von PC und Internet. Empfehlungen für besorgte und verunsicherte Eltern: 1. Beachten Sie die Dauer und der Inhalt der Spiele! Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Medien ist dabei unbeachtlich, die Gesamtzeit der Medienkonsums ist ausschlaggebend. Eine Faustregel gibt es nicht, ein Überhang zu Gunsten der Medien sollte aber vermieden werden. Befragungen in Münchner vierten Klassen ergaben, dass der tägliche Durchschnittskonsum an Schultagen bei etwa 1 ½ Stunden liegt. Weit höher ist Wert an schulfreien Tagen. Prüfen Sie also genau, ob Fernseher und/oder Computer nicht besser im Wohnzimmer als im Kinderzimmer aufgehoben sind. 2. Schaffen Sie genügend Alternativen wie Sport, Bewegung, Freunde, gemeinsame Unternehmungen und überprüfen Sie, welchen Stellenwert der Medienkonsum hat. 3. Medienkonsum, insbesondere Computerspiele, sollten nicht als Bestrafung oder Belohnung eingesetzt werden, da so eine erhöhte Bedeutung erzeugt wird, die sich im Bewusstsein der Kinder festsetzt. 4. Achten Sie auf Inhalte der Spiele. Lassen Sie sich Spiel und Handlungsabläufe erklären und spielen Sie einfach mit. Die KIM Studie ergab, dass bereits 6-7jährige im Schnitt 10 eigene Computerspiele besitzen, die sie in erster Linie von den Eltern geschenkt bekommen! Aber nicht nur auf Quantität, auch auf die Qualität bzw. die Inhalte der Spiele ist zu achten. Eltern sollten sich an den USK-Vorgaben (Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle) zur Altersfreigabe des jeweiligen Spiels halten. 2004 wurde das Jugendschutzgesetz überarbeitet. Dabei wurde festgelegt, dass alle in Deutschland erhältliche Computerspiele begutachtet werden und eine entsprechende Altersfreigabe erhalten. Wird beispielsweise einem 13jährigen ein Spiel verkauft, welches erst ab 16 Jahren freigegeben ist, macht sich der Verkäufer strafbar, ähnlich wie beim Verkauf von Videos oder Alkohol. Spiele, die besonders jugendgefährdend erscheinen, werden indiziert, d. h. dass die Verbreitung und Werbung für diese Spiele an Minderjährige untersagt wird. Nähere Informationen gibt es im Internet unter 21 Titelthema www.usk.de oder www.bundespruefstelle.de (Bundesprüfstelle jugendgefährdender Medien). 3. Computer und Internet Das Internet entstand 1969 aus einem Projekt des US-Verteidigungsministeriums. Ziel war es, Universitäten und Forschungseinrichtungen miteinander zu vernetzen. Bereits zu Anfangszeiten zeigte sich, dass ein Kommunikationsmittel besonders beliebt war: die E-Mail. 20 Jahre später wurde das Internet als Kommunikationsplattform der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung gestellt, daher auch das Kürzel www (world wide web). Ab 1993 startete ein rasanter Höhenflug des Internets. Allein von 2000 – 2005 stieg die Anzahl der Internet-Nutzer in Deutschland um 96 Prozent! Einer Studie zufolge sind aktuell etwa 65 Prozent der Bundesbürger (ca. 47 Mio. Personen) online. Dies ist im Vergleich zu anderen EU-Ländern allenfalls guter Durchschnitt. Vor allem die nördlichen Länder sind mit Internetanschlüssen gut ausgerüstet: in Island liegt der Anteil bei 76 %, in Schweden bei 73 % und in Dänemark bei 69 %. Kindern in Deutschland steht einem Zugriff auf das Internet wenig im Wege. In über 80 Prozent aller Haushalte mit Kindern, steht ein PC mit Internetzugang. Lt. Ergebnis der KIM – Studie gehen durchschnittlich 43 Prozent der Kinder mehrmals pro Woche ins Internet. Bereits ein Drittel der 6-7jährigen nutzt die Möglichkeiten des Internets. Zu der Frage, was die Kinder im Internet machen, kam es zu folgendem Ergebnis: Fast die Hälfte (48 Prozent) aller Kinder sucht nach Informationen für die Schule. Danach folgt die Suche nach allgemeinen Informationen. An dritter Stelle steht bereits das Online-Spielen. Weiter werden E-Mails geschrieben, Chatrooms aufgesucht sowie Musikdateien runtergeladen und angehört. Die Möglichkeiten des Internets sind ungemein vielfältig und erweitern sich ständig. Daher wurde auch das Kunstwort „Web 2.0“ geprägt. Damit sind interaktive Angebote wie Tauschbörsen, Kommunikationsmöglichkeiten u.s.w. gemeint, die per Internet genutzt werden. Während früher Internet-Seiten nur zum Lesen aufgerufen wurden, können heutzutage Bankgeschäfte oder Behördengänge erledigt werden. In einigen Bundesländern können Strafanzeigen per E-Mail erstattet werden. Hinter all diesen Möglichkeiten stecken aber auch eine Menge potentieller Gefahren, derer sich nur wenig Erwachsene bewusst sind und um so weniger sich deren Kinder Gedanken machen. 22 Nach Expertenmeinung sollten Kinder unter 10 Jahren grundsätzlich nicht ohne Aufsicht ins Internet, da die auf dem Markt befindlichen Schutzprogramme und Einrichtungen alleine nicht ausreichen. Internetseiten mit pornografischen und Gewalt verherrlichenden Inhalten sind in unglaublicher Anzahl vertreten. Es genügt bereits ein Tippfehler bei der Suche, um unbeabsichtigt eine derartige Seite zu öffnen. Daher gehören weder Computer noch Spielkonsole ins Kinderzimmer! Dies gilt auch für Jugendliche. Ein generelles Verbot macht keinen Sinn, jedoch helfen offene Gespräche über die Gefahren und Hinweise für eine sichere Benutzung. Oft sind es nur kleine Hinweise, wie nie Mails von unbekannten Absendern zu öffnen, um so Außenstehenden über Viren unbemerkt Zugriff auf den heimischen PC zu ermöglichen . Besonders heikel ist die Nutzung von Chatrooms. So viel bei Erwachsenen über Datenschutz und Datenspeicherung diskutiert wird, so wenig ist dies ein Thema bei der jüngeren Generation. Dabei muss gerade mit den Kindern und Jugendlichen besprochen werden, dass speziell die Herausgabe von persönlichen Daten wie Telefonnummer, Anschrift, Bilder, Bankverbindung u. ä. ungeahnte Folgen haben kann. Im Rahmen der Befragung zur JIM-Studie gaben bedenkliche 38 Prozent der Jugendlichen an, telefonischen Kontakt mit ihrer Chat-Bekanntschaft zu suchen. Ein Viertel dieser Jugendlichen hat sich sogar persönlich mit dem bis dahin Unbekannten getroffen! Viele können oder wollen sich offensichtlich nicht vorstellen, dass es auch unangenehme Kontakte gibt. Streitereien und Beleidigungen sind Alltag wie im realen Leben auch. Im Rahmen der JIMStudie wird dies durch die Hälfte aller ChatroomNutzer bestätigt. Dabei sind besonders Mädchen häufig Ziel von Belästigungen durch allgemein gehaltenen Beleidigungen. Im schlimmsten Fall nutzen pädokriminell geneigte Personen die anonymen Gelegenheiten und die Unbefangenheit der Kinder und Jugendlichen im Internet aus, um einen Kontakt herzustellen. So verschickten in einigen Fällen überwiegend männliche und erwachsene Chat-Partner per E-Mail hoch aufgelöste Fotos ihres erigierten Geschlechtsteils, das sie mit dem Namen der Chat-Partnerin beschriftet hatten. Auch werden per Web-Kamera sexuelle Aktivitäten live übertragen oder pornografische Texte per SMS verschickt. Daher sollten Kinder und Jugendliche auf Folgendes achten: Titelthema 1. Nicht in Chatrooms für Erwachsene gehen oder sich älter machen. Es gibt spezielle Seiten für Kinder und Jugendliche, die mit besonderen Sicherheits-vorkehrungen versehen sind. 2. Einen guten Spitznamen (Nickname) einfallen lassen! Dieser darf nicht den wirklichen Namen, Alter oder Adresse enthalten. 3. Nie Adresse, Telefonnummer und Namen verraten! 4. Nicht mit Leuten aus dem Chat treffen ! 5. Wenn dich jemand oder etwas ärgert, beende den Dialog. Sage deinen Eltern Bescheid ! Eltern und Pädagogen sollten auf die folgenden Kriterien und Vorkehrungen zusätzlich achten: 1. Begleiten sie Ihre Kinder im Chat regelmäßig. Kinder müssen nicht ständig überwacht werden, aber Sie sollten Interesse zeigen, was Ihr Kind dort tut und mit wem es sich unterhält. 2. Informieren Sie sich über den Chatroom, für den sich Ihr Kind interessiert. Gibt es einen ständigen Moderator ? Gibt es Hilfen wie einen Alarm-Button etc. ? 3. Beschränken Sie die Zeiten, denn es handelt sich auch um Medienkonsum (siehe oben!). 4. Melden Sie Auffälligkeiten und Verstöße. Je nach Art sollten Auffälligkeiten sofort dem ChatBetreiber, der Polizei oder über www.jugendschutz.net oder www.internetbeschwerdestelle.de gemeldet werden. 5. Informationen und Tipps über Chatrooms gibt es jede Menge. Eine gute Orientierungshilfe bietet die Broschüre „Chatten ohne Risiko?“, die es kostenlos im Internet unter www.chatten-ohnerisiko.net gibt. 4. Urheberrecht Ständiges Thema unter Jugendlichen ist das Herunterladen verschiedener Daten aus dem Internet. Was ist erlaubt, was ist verboten? Seit der letzten Änderung des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) im Jahr 2003 ist die Wiedergabe, Verbreitung und Vervielfältigung von Werken aller Art, insbesondere von Filmen, Musikstücken und Software, ohne Zustimmung des Urhebers verboten. Ebenso verboten ist das Umgehen und Aushebeln bestehender Kopierschutzmechanismen (Standard bei den meisten, aktuelle erscheinenden DVD und CD‚s). Selbst das Kopieren von „offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vorlagen“ ist strafrechtlich zu ahnden. Wurden früher noch Programme, teilweise in Fachzeitschriften verkauft, die das Kopieren trotz Kopierschutz möglich machten, ist dies mittlerweile ebenfalls verboten. Auch Verkauf, Herstellen oder Bewerben von sogenannten Kopier-Tools über Fachzeitschriften – wie in der jüngeren Vergangenheit üblich – ist jetzt strafbar. Neben einer Geldstrafe droht auch eine Freiheitsstrafe zwischen 1 und 3 Jahren, bei gewerbsmäßiger Handlung sogar bis zu 5 Jahren. Zusätzlich stehen weitreichende zivilrechtliche Folgen in Form von Schadensersatzforderungen der geschädigten Firmen und von der Schadenshöhe abhängigen Anwaltskosten ins Haus. So wurde aktuell der Streitwert bei nur einem illegal kopierten Song auf nahezu 7000 Euro festgelegt. Zu den obigen Ausführungen gibt es lediglich zwei Ausnahmen: 1. Jede rechtmäßig erworbenen Audio-CD und FilmDVD, die nicht kopiergeschützt ist, darf kopiert und an persönlich verbundene Personen (Familie, Freunde, Mitbewohner etc.) weiter gegeben werden. Ein kommerzielles Interesse muss ausgeschlossen sein. 2. Bei Software-Programmen für Computer ist nach wie vor die Erststellung einer Sicherungskopie, auch unter Umgehung des Kopierschutzes, erlaubt. Diese darf allerdings weder verliehen, verschenkt noch verkauft werden. Zudem muss man das Original auch besitzen. Fazit und Zusammenfassung zum Thema „Neue Medien“: Der kompetente Umgang mit den neuen Medien ist der Schlüssel zum Erfolg. Alle gesellschaftlichen Gruppen – Familie, Freunde, Schule, Polizei u.s.w. – sind gefordert, einen verantwortungsbewussten und sinnvollen Umgang mit dem Computer, dem Handy oder der Spielkonsole zu lernen. Die Frage, ob die neuen Medien auch neue Gefahren für Kinder und Jugendliche mit sich bringen, kann mit „Nein“ beantwortet werden, denn letztlich bleibt alles beim Alten. Gefahren lauern nach wie vor – allerdings hinter geschickt aufgemachten Verpackungen. Die Zugänge sind 23 Titelthema benutzerfreundlich und einfach. Umso wichtiger sind Gespräche der hauptverantwortlichen Eltern über die Gefahren, Vereinbarungen über verbindlicher Regeln für die Benutzung und das Bemühen vor allem der Erwachsenen um die notwendige Medienkompetenz. Tipps und Informationen finden Sie auch unter www.polizei-beratung.de. Stefan Ther Medien Bilden Aktive Medienarbeit als Methode der Bildungsarbeit Die Schule als Bildungsinstitution ist in Deutschland Medienpädagoge, Päd. Leiter durch die Ergebnisse der Pisades Medienzentrums Parabol, studie stark in die öffentliche Kritik geraten. Aber Bildung Nürnberg ist mehr als nur Schule. Neben der Schule gewinnen andere Lebensbereiche wie Gleichaltrigen-Gruppen, Vereine, die Medien oder die Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit im Bildungsprozess immer stärker an Bedeutung (vgl. Cathleen Grunert in Kompetenzerwerb von Kindern und Jugendlichen im Schulalter).Vor allem die offene Jugendarbeit bemüht sich verstärkt, mit unterschiedlichen Methoden Jugendliche für Bildungsprozesse zu motivieren. Der Bildungsbegriff der offenen Kinder- und Jugendarbeit umfasst die Förderung autonomer Persönlichkeiten, die ihre Bedürfnisse artikulieren, ihre Interessen durchsetzen können und kognitiv in der Lage sind, schrittweise die Regeln zu erfassen, nach welchen die soziale und geschichtliche Wirklichkeit sich konstituiert. (vgl. Rudolf Tippelt in Kinder- und Jugendarbeit als Bildungsprojekt). Klaus Lutz Grundsätzlich richtet sich jeder Bildungsprozess in der Jugendarbeit aber an dem Prinzip der Freiwilligkeit aus. Alles was gelernt wird ist freiwillig und durch die Jugendlichen selbst bestimmt. Dieses Prinzip verhindert aber zugleich, Bildungserfolge zu messen oder gar zu erzwingen. Gleichzeitig stellt dies aber die große Stärke der Jugendarbeit dar, da sie darauf angelegt ist, den Findungsprozess Jugendlicher zur Entwicklung einer komplexen Persönlichkeit zu begleiten und zu unterstützen. Die Bildungsprozesse finden dabei zum einen „ungeplant“ in unterschiedlichsten Situationen statt, die sich spontan ergeben, wie auch durch gezielte Angebote, die absichtsvoll Lernchancen vermitteln. Eine Methode, Jugendliche für Bildungsprozesse zu motivieren, stellt die aktive Medienarbeit dar. 24 Zentraler Ankerpunkt der aktiven Medienarbeit ist dabei der Wechsel von der passiven Nutzung von Medien hin zum aktiven Gestalten mit Medien. Jugendliche werden also zu Medienproduzenten/innen und durchlaufen im Prozess der Produktgestaltung eine Vielzahl von Lernfeldern. Diese Form des projektorientierten Lernens gilt in der außerschulischen Medienarbeit meist als der „Königsweg“ medienpädagogischer Arbeit. (vgl. Roland Bader in Bildung in virtuellen Welten, S. 366) Die hohe Anziehungskraft der Medienarbeit für Jugendliche liegt sicherlich auch in der Tatsache begründet, dass Jugendliche von Medien an sich in hohem Maße fasziniert sind. Aber das wesentliche Motivationsmoment der aktiven Medienarbeit liegt in dem Potential, das jeder pädagogischen Arbeit innewohnt, die es schafft, Jugendliche zur Entwicklung und selbständigen Umsetzung eigener Ideen zu motivieren. In einer so ausgestalteten Medienarbeit manifestiert sich dieser schöpferische Akt in den Produkten, welche die Kinder und Jugendlichen erstellen, und die – auch wenn sie natürlich häufig Züge der Reproduktion aufweisen – etwas einzigartig Neues darstellen. Dieses Erlebnis, etwas Eigenständiges geschaffen zu haben, hinterlässt einen nachhaltig prägenden Eindruck, vor allem wenn Kinder und Jugendliche diesen schöpferischen Prozess erstmals erleben. Ausgehend von diesen Prinzipien aktiver Medienarbeit bieten sich drei große Stränge für die Bildungsarbeit mit Medien: 1. Das Lernfeld Medienkompetenz, das das Erfassen und kritische Bewerten von Medienangeboten ebenso beinhaltet wie den selbstkritischen, kritisch reflexiven Umgang mit Medienangeboten und die Fähigkeit, Medien als kreatives Ausdrucksmittel zu nutzen. Titelthema 2. Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Themen wie z.B. Toleranz, Fremdenfeindlichkeit oder Sexualaufklärung. Ohne dass dies zunächst für die Teilnehmer/innen zu sehr in der Vordergrund rückt, beinhaltet die Erstellung eines Medienprodukts automatisch auch eine intensive Beschäftigung mit dem gewählten Thema, die für die Erstellung eines attraktiven Produkts unerlässlich ist. Und ein attraktives Produkt wollen meist alle: Man will sich schließlich nicht blamieren, wenn z.B. der Film auf einer großen Leinwand der Klasse oder gar der ganzen Schule vorgeführt wird. Der dritte Strang nutzt die Medien in der direkten Verknüpfung mit Lernfeldern wie z.B. der Sprachförderung, der Vermittlung naturwissenschaftlicher Phänomene oder dem Erlernen des Umgangs mit Zahlen. Die Methode der aktiven Medienarbeit bietet aber noch weitere Erfahrungs- und Lernfelder. Fred Schell beschreibt die Bandbreite der möglichen Lernerfahrung folgendermaßen: Die Planung und Realisierung eines Medienprodukts zwingt dazu, intensiv in die gewählte Thematik einzusteigen und sich tiefgehend mit den eigenen Erfahrungen, Einstellungen, Werthaltungen und Normen zu befassen. Im Verlaufe des Produktionsprozesses ergibt sich fast zwangsläufig die Notwendigkeit, das gewählte Thema von vielen Seiten zu betrachten sowie die Rollen unterschiedlicher Akteure einzunehmen und zu hinterfragen. Das fertige Medienprodukt ermöglicht es dann, unterschiedliche Positionen mit mehr Distanz als in einer Gesprächssituation zu präsentieren, wodurch auch die Diskussion über die eigenen Einstellungen und die der Anderen erleichtert wird. Identität entwickelt sich vor allem durch die Übernahme kritischer Reflexion und Modifizierung von Einstellungen, durch die Auseinandersetzung mit den Konflikten, die unterschiedliche Rollen mit sich bringen, und durch das Erlernen der Fähigkeit, die aus solchen Konflikten resultierende Frustration zu ertragen. Aktive Medienarbeit ist immer ein Gruppenprozess. Das ständige Aushandeln von Themen, Meinungen, Wertungen, die Verteilung von Aufgaben, das Verfolgen von gemeinsamen Zielsetzungen und das Erleben des aufeinander angewiesen-Seins im Team sind beste Voraussetzungen für Prozesse sozialen Lernens. Durch die vielfältigen Aufgaben, die bei der Erstellung eines medialen Beitrags zu vergeben sind, bietet aktive Medienarbeit allen Beteiligten mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen die Möglichkeit für Erfolgserlebnisse. Gefördert wird zudem die Entdeckung eigener Kreativität, die in vielfältigen Rollen erprobt werden kann. Wer selbst ein Medienprodukt herstellt, lernt zwangsläufig die Sprache des jeweiligen Mediums kennen, seine Gestaltungsmittel wie auch seine Manipulationsmechanismen. Damit besteht die Chance zu lernen, Medien insgesamt besser entschlüsseln und ihre Botschaft kritisch-reflexiv hinterfragen zu können. Dies ist ein wichtiger Schritt hin zur Entwicklung von Medienkompetenz, die in unserer Gesellschaft zu den Grundqualifikationen gehört und ein integraler Bestandteil politischer Bildungsarbeit ist. Medienprodukte sind immer für eine Öffentlichkeit geschaffen, ganz gleich, wie groß diese ist. Mit der Präsentation des eigenen Produkts erfolgt eine Konfrontation der eigenen Position mit der Anderer und damit ein Überprüfen eigener Sicht-, Verhaltens- und Handlungsweisen. (vgl. Fred Schell, Aktive Medienarbeit mit Jugendlichen) Fazit Bildungsarbeit ist immer auch Medienarbeit, denn ohne Medienkompetenz ist eine aktive Teilnahme an einer modernen, demokratischen Gesellschaft nicht mehr möglich. Die aktive Medienarbeit stellt aber auch eine geradezu ideale Methode für die Bildungsarbeit dar. Vor allem Jugendliche, die in schulischen Zusammenhängen viel Frustration erleben, gelangen durch den vielschichtigen Prozess der Mediengestaltung zu Erfolgserlebnissen und lassen sich so für Bildungsprozesse motivieren, die die Schule mit ihren Methoden oft nicht in der Lage ist in gang zu setzen. Diese Form des Lernens ermöglicht es, alles über die Medien selbst zu lernen – von ihrer technischen Bedienung bis hin zu ihren Manipulationsmöglichkeiten. Die projektorientierte Lernform der aktiven Medienarbeit ist aber zugleich ein Rahmen für soziales Lernen, denn die gemeinsame Produkterstellung fordert und fördert die Fähigkeit, Sozialbeziehungen einzugehen und die sich daraus ergebenden Konflikte im Hinblick auf das gemeinsame Ziel zu lösen. Literatur: Bader, Roland in: Schindler, Wolfgang/Bader, Roland/ Eckmann, Bernhard (Hrsg.): Bildung in virtuellen Welten, Frankfurt am Main 2001 Fred Schell, aktive Medienarbeit mit Jugendlichen, München 1993 Günther Anfang / Fabian Fiedler / Bernd Kammerer / Klaus Lutz (Hrsg.:) Aufwachsen in Medienwelten, Nürnberg 2003. Sachverständigenkommission zwölfter Kinder- und Jugendbericht (Hrsg.) Kompetenzerwerb von Kindern und Jugendlichen im Schulalter Band 3, München 2005 Werner Lindner, Werner Thole, Jochen Weber (Hrsg.), Kinderund Jugendarbeit als Bildungsprojekt 25 Titelthema „Kinder und Medien“ Stellungnahme und Forderungen der Kinderkommission des Bundestages Der Alltag der Kinder und Jugendlichen wird wesentlich geprägt durch elektronische Medien. Neben den herkömmlichen technischen Geräten wie dem Fernsehenoder dem Radio gehören das Internet, das Handy oder Spielekonsolen zum jugendlichen Alltag. 92 Prozent aller Jugendlichen verfügen mittler-weile über ein eigenes Handy. Die virtuelle Welt kann neurobiologische und psychologische Auswirkungen bei den Kindern und Jugendlichen verursachen. Die daraus erwachsenen Gefahren sind keineswegs zu unterschätzen. Eine neue Welle der Diskussion wurde zuletzt durch die Funde von gewalthaltigen und pornographischen Inhalten auf den Handys von Jugendlichen ausgelöst. Sogenannte HappySlapping-Filme oder Snuff-Videos treten immer häufiger auf. Diese Videos mit brutalen, teilweise illegalen Inhalten auf den Handys von Kindern verunsichern zunehmend Eltern, Kinder und Pädagogen. Maßnahmen, wie ein Handyverbot an Schulen, reichen aber bei weitem nicht aus, um diesem Problem effektiv begegnen zu können. Aufgrund dieser Tatsachen hat sich die Kinderkommission des Deutschen Bundestages mit dem Thema „Kinder und Medien“ auseinandergesetzt. In den Mittelpunkt wurden dabei die Auswirkungen einer missbräuchlichen Handynutzung sowie eines erhöhten Medienkonsums gestellt. Ebenfalls thematisiert wurde die Frage, wie man am besten die Problemfamilien erreichen kann. Nach Expertenanhörung hat die Kinderkommission zahlreiche Forderungen zu diesen Bereichen formuliert, die im Folgenden aufgezählt werden. Der Ausgangspunkt für die Kinderkommission waren folgende Erkenntnisse von eingeladenen Experten: • der einfachste und wirksamste Weg ist die Reduktion des Medienkonsums; • trotz der bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen wie dem JugendmedienschutzStaatsvertrag der Länder oder dem Jugendschutz-Gesetz des Bundes bestehen enorme Defizite, um Kinder und Jugendliche vor den negativen Folgen der Medien wie Fernseher, Internet oder Handys effektiv schützen zu können; • in Deutschland gibt es kein anerkanntes Jugendschutzprogramm für das Internet, das einen sicheren Schutz der Kinder und Jugendlichen gewährleistet; • Computerspiele oder jugendgefährdendes Material wie Gewaltvideos sind für die Jugendlichen einfach aus dem Netz zu besorgen, 26 insbesondere auch aus dem Ausland; • die technischen Vorkehrungen der Handys, die den Erhalt dieser brutalen Videos unterbinden könnten, sind häufig unzureichend; • männliche Jugendliche spielen eher die brutalen Computerspiele, was sich dann unter Umständen in einem aggressiveren Verhalten bemerkbar machen kann; • die Nutzungsintensität und -häufigkeit der jungen Mediennutzer korreliert mit deren Wissen und schulischen Leistungen, das heißt, je mehr man fernsieht, desto schlechter können die Schulnoten ausfallen; • psychologische Auswirkungen wie z. B. Schlafstörungen können bei denjenigen Jugendlichen auftreten, die mit Snuff-Videos oder Happy-Slapping-Filmen unmittelbar konfrontiert werden; • weitere negative Auswirkungen sind z. B. gesundheitliche Folgeschäden wie Essstörungen oder ein Hang zur Selbstüberschätzung; • weitere wichtige Potentiale der Kinder und Jugendlichen gehen zudem verloren bzw. werden nur ungenügend gefördert, Möglichkeiten zur Entwicklung des persönlichen Vorstellungsvermögens werden eingeschränkt; • Eltern, Erzieher und Pädagogen können häufig die Handys der Kinder und Jugendlichen nicht auf jugendgefährdende Inhalte überprüfen, da ihnen hierzu oftmals ein Überblick über die technischen Vorkehrungen der Handys fehlt; • ein großes Gefahrenpotential geht vom Internet aus – neben einer möglichen Abhängigkeit (Online -Sucht), ist dieses Medium am wenigsten kontrollierbar, denn zukünftig können Kinder und Jugendliche vermutlich immer und überall online sein, auch außerhalb des Elternbereichs, was deren Kontrollmöglichkeiten deutlich einschränkt; • in Problemfamilien entwickelt sich der Fernseher als Ersatz für gemeinsame Freizeitaktivitäten oder Gesprächsrunden im Familienkreis, oftmals dient er lediglich dazu, das Familienleben „aufrechtzuerhalten“; • neben einer schwach ausgeprägten Medienkompetenz, verfügen die Eltern dieser Familien über ein unzureichendes Problembewusstsein sowie über keine Risikoabschätzung über die Folgen der falschen Mediennutzung, was die Startchancen ihrer Kinder z. B. aufgrund schlechter schulischer Leistungen stark einschränken kann; • bestehende pädagogische Angebote und Maß- Titelthema nahmen werden häufig von den Problemfamilien als Eingriff in ihre Privatsphäre verstanden und daher abgelehnt; • umstrittene Sendungen wie z. B. die „Super Nanny“ werden von den Problemfamilien häufig gesehen. Vor diesem Hintergrund und den aktuellen Entwicklungen ergeben sich für die Kinderkommission Forderungen, die sich an unterschiedliche Bereiche und Adressaten richten: Bereich der Gesetzgebung und institutioneller Einrichtungen: • während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2007 sollten Regelungen und Maßnahmen zum Schutz vor rechtswidrigen und sonstigen jugendgefährdenden Inhalten in den Netzen durch Vereinbarungen über internationale Mindeststandards und Aktionsprogramme initiiert werden; • die rechtlichen Grundlagen im Bereich des Jugendmedienschutzes sind hi nsichtlich ihrer Wirksamkeit und Aktualität vom Gesetzgeber zu überprüfen und ggf. zu novellieren; • der Dialog mit den Bundesländern ist zu intensivieren, um folgende Eckpunkte zu beraten: - über ein Verbot von sog. Killerspielen muss nachgedacht werden - die Altersgrenzen für die Freigabe von Filmen und Spielen sowie die Alterskennzeichnung von Computerspielen muss überprüft werden; • die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften sollte sowohl technisch als auch personell adäquat ausgestattet werden, um konsequent und umfassend auf neue Herausforderungen im Bereich der neuen Medien reagieren zu können; • Kinder und Jugendliche benötigen eine vernünftige Tagesstruktur, daher sollten z. B. Ganztagsschulen nachhaltig gefördert werden; • auf die Gefahren und Konsequenzen einer Spielsucht oder eines missbräuchlichen HandyUmgangs ist durch den Gesetzgeber und die Spielindustrie mittels einer Aufklärungskampagne, die bis in die Kindergärten und Schulen reichen sollte, gezielt aufmerksam zu machen; • über eine höhere Besteuerung von Computerspielen mit gewalthaltigem Charakter ist nachzudenken; Bereich der Betreuung und Beratung: • Beratungs- und Betreuungsangebote, die sich an Eltern richten, sollten auf ihre Effektivität überprüft und ggf. erweitert werden; • sozialpädagogische und therapeutische Beratungs- und Betreuungsmaßnahmen sollten ge- fördert werden, um Familien in ihren Bestrebungen, sich Medienkompetenz anzueignen, zu unterstützen; • Eltern-Coaching, gerade von Müttern aus Problemfamilien, kann hier eine sinnvolle Alternative bieten; • um die Effektivität dieser Maßnahmen zu erhöhen, sollte die Vernetzung von Elternhaus, Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Bildungs- und Beratungseinrichtungen sowie der Austausch von Medienschaffenden, Medienpädagogik und Medienwissenschaft intensiviert werden; • Beratungs- und Betreuungsangebote sollten möglichst wohnortnah und im sozialen Umfeld (z. B. in Arztpraxen oder Bäckereien) der betroffenen Familien zur Verfügung gestellt werden; • die Vermittlung von Medienkompetenz sollte möglichst früh beginnen, so könnten z. B. in Schulen Medienarbeitsgruppen eingesetzt werden, in denen Kinder ganz praktisch den Umgang mit den Geräten lernen können; • die Kontaktaufnahme bzw. die aufgenommene Betreuung der Problemfamilien muss behutsam und gezielt stattfinden, um eine ablehnende Haltung dieser Familien gegenüber den Betreuern und Pädagogen zu verhindern; • individuelle pädagogische Beratungsangebote (z. B. Telefon-Hotlines) oder Internetangebote sind zu begrüßen, denn sie können einen wirksamen Beitrag leisten, die Eltern in den Problemfamilien besser anzusprechen; • Informationsmaterialien sind zielgruppenorientiert anzubieten, beispielsweise an die Eltern in Form von DVD´s in Kliniken, Postern oder „Junior-Tüten“; • grundsätzlich sollten die Angebote niederschwellig, mehrsprachig und elterngerecht ausgerichtet sein; Bereich der Anbieter und Hersteller von Medien: • der Zugriff auf jugendgefährdende Internetseiten muss von den Anbietern durch die Implementierung entsprechender technischer Standards stärker verhindert werden, wie sie schon zum Teil von Suchmaschinen berücksichtigt werden, deren Anbieter eine entsprechende Vereinbarung mit der Bundesprüfstelle haben; • die Gerätehersteller von Handys und mobilen Endgeräten sollten diese in einer kindersicheren Grundkonfiguration ausliefern, bei der riskante, beeinträchtigende und jugendgefährdende Angebote jeweils erst von befugten Personen freizuschalten sind; • die Einrichtung einer „Elternhotline“ durch die Mobilfunkanbieter kann dies unterstützen; 27 Titelthema • die Mobilfunkanbieter sollten ihre Marketingstrategie dahingehend ändern, dass Aspekte wie Jugendschutz oder Sicherheit vor allem in das Blickfeld der Eltern gelangen, um sie so schon vorab für diese Probleme sensibilisie- ren zu können; • die Bereitstellung der Informationsmaterialien sollte durch Medienschaffende gefördert werden. Virtuelle und reale Lebenswelten verbinden netzcheckers-Action-Tour 2007 Das Jugendportal netzcheckers .de war im netzcheckers.de Online Redakteur Sommer 200 7 mit Multi2007 netzcheckers-Redaktion, media-Spielaktionen unterwegs unterwegs.. Medienbildung Bonn für und mit Jugendlichen br aucht V ermittler in der offenen Jugendarbraucht Vermittler beit. Christian Herrmann stützung benötigen. Sie brauchen direkte persönliche Ansprache. Jugendeinrichtungen eröffnet dies die Möglichkeit mit Hilfe von netzcheckers.de mit einfachen Mitteln Medienbildung zu betreiben und eigene medienpädagogische Angebote zu gestalten. Um diesen Gedanken in die pädagogische Praxis zu tragen, war netzcheckers.de mit der „netzcheckers-Action-Tour 2007“ vom 11. Juni bis 31. Juli exemplarisch in 15 Jugendeinrichtungen im Bundesgebiet unterwegs. Mit Multimedia-Spielaktionen rund um das Jugendportal wurde der Zusammenhang zwischen jugendlichen Lebensund Medienwelten, Medienbildung und Medienpädagogik vor Ort lebendig und mit hohem Spaßfaktor verdeutlicht. Netzcheckers.de ist ein Jugendportal, das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird. Über 19.000 registrierte Benutzerinnen und Benutzer zählt die Community. Der Schwerpunkt des Portals liegt in der Vermittlung der vielfältigen Möglichkeiten des Internets. Im geschützten Raum der Community können Jugendliche Weblogs und Podcasts anlegen, Bilder in ihre Fotoalben laden, per Cellcast1 Audiobotschaften erstellen und eigene Klingeltöne und Handylogos generieren. Die Redaktion des Portals diagnostiziert zwei Typen von Nutzerinnen und Nutzern: Diejenigen, deren Bildungshintergrund es erlaubt, sich die Möglichkeiten von netzcheckers.de ganz selbstverständlich zu erschließen, und diejenigen, die in der Mediennutzung und –gestaltung Unter- 28 Die Tour führte durch Moormerland an der Nordseeküste, Herzogsägmühle in Oberbayern, Remagen im äußersten Westen und Elsterwerda in Brandenburg. Vertreten waren Großstädte wie Köln und Berlin, Städte wie Osnabrück und Eisenach und kleine Gemeinden wie Karlsfeld bei München und Wathlingen bei Celle. Partner vor Ort waren Jugendzentren in kommunaler, kirchlicher und freier Trägerschaft, in einem Fall auch eine Elterninitiative. Trotz der geringen Anzahl der Tourstationen kann die Auswahl der Einrichtungen als Querschnitt örtlicher Jugendarbeit gesehen werden. Die netzcheckers-Action-Tour hatte klare Ziele und Zielgruppen: Titelthema - - - Jugendlichen sollte in direktem Kontakt das Portal und seine Möglichkeiten nahe gebracht werden. Zugleich sollten sie Anleitung und Hilfe bei komplexeren Anwendungen wie Audio und Video erhalten. Nicht zuletzt sollten ihre Freizeitinteressen erweitert werden. Medienkritisches Verhalten sollte durch eigene gestaltende Medienerfahrung gestützt werden. Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeiter sollten netzcheckers als Werkzeug für die tägliche pädagogische Praxis erfahren und nutzen lernen. Örtliche Politik und Verwaltung sollten netzcheckers kennen lernen, um das Portal in ihre medienpädagogischen Überlegungen und jugendschützerischen Aufgaben integrieren zu können. Aktionen zwischen virtuellen Welten und realem Erleben Mit der Entwicklung und Konzeption der Spielideen wurde bereits im Herbst 2006 begonnen. Vorgabe war, in eine Rahmenhandlung mit Zügen eines Rollenspiels Workshop-Einheiten zu integrieren, in denen Jugendliche die neuen interaktiven Möglichkeiten des Internets kennen lernen und erproben können. Im Rahmen der Ausschreibung im März 2007 wurden den Jugendeinrichtungen drei Aktionen zur Auswahl angeboten, zwei Aktionen wurden für die endgültige Umsetzung ausgewählt. Die Einrichtungen konnten entscheiden, ob sie eine Ganztags- oder Halbtags-Variante der Spielaktion wünschten. Die Halbtags-Aktionen fanden vorwiegend zu Anfang der Tour statt (6 mal), mit dem Beginn der Sommerferien in den meisten Bundesländern wurden vermehrt ganztägige Aktionen (9 mal) durchgeführt. Mit der Gestaltung der Rollenspielelemente wurde bewusst an die Medienwelten von Jugendlichen angeknüpft. Mit „Agent 0815“ wurde das Genre von Action- und Fantasy-Welten aufgegriffen, mit „Deine Stadt sucht den Multistar“ wurde auf populäre Casting-Shows angespielt. Rahmenhandlung „Agent 0815“ Die Welt ist in Gefahr! Von Öffentlichkeit unbeobachtet planen dunkle Mächte die Menschheit zu vernichten! Das Tor zur magischen Welt wurde wieder geöffnet und damit sind Wesen in diese Dimension zurückgekehrt, welche die Menschen nur noch aus Legenden und Phantasyfilmen kennen. Lediglich die Geheimdienste der Welt haben diese Entwicklung beobachtet und setzen ihren besten Mann auf die Sache an: den Agenten 0815. Wirklich ihren besten Mann? Wohl kaum, denn der Agent hat sich jahrelang mit fremden Federn geschmückt und benötigt nun Hilfe. Die kann nur von den teilnehmenden Jugendlichen kommen. Rahmenhandlung „Deine Stadt sucht den Multistar“ Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich für die neue Staffel „Deine Stadt sucht den Multistar“ beworben und werden in den Sender eingeladen. Vor Ort angekommen, sollen sie die letzten Vorbereitungen für die Final-Show treffen. Als es dann an die Aufzeichnung der Show geht, kommt es im Sender zur Katastrophe – sämtliche Schauspieler der Serie SZTZ (Schnulzige Zeiten/triefende Zeiten) liegen aufgrund des schlechten Kantinenessens im Krankenhaus und deshalb müssen nun die zukünftigen Multistars in die Bresche springen. Auf ihre Aufgaben eingestimmt wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch das Action-Team, das in passender Verkleidung und unterstützt durch Video-Einspieler in die Spielgeschichte einführte. In den jeweils zweistündigen Workshop-Einheiten entstanden in der Folge Handy-Klingeltöne und –Logos, Audio- und Videobeiträge, digital bearbeitet Fotocollagen und Cellcasts, mit deren Hilfe die Spielhandlung vorangebracht und zum glücklichen Ende gebracht werden konnte. Großer Spaß für die Jugendlichen Mit der netzcheckers-Action-Tour ist es gelungen, sozial- und bildungsbenachteiligte Jugendliche direkt anzusprechen und im Rahmen der Aktionen zu Gestaltern der Inhalte auf netzcheckers zu machen. Bei der Anmeldung zu Beginn jeder Aktion wurde die Schulform abgefragt, Gymnasiasten bildeten hier eine Minderheit. Die überwiegende Mehrheit besucht Förder-, Haupt- und Realschule, befindet sich in Ausbildung oder hat sich von jeglicher Bildungs- und Ausbildungsaktivität verabschiedet. Die von diesen Jugendlichen erstellten Inhalte dominierten über den gesamten Tour-Zeitraum die Useraktivität auf dem Portal. Dies ist auch nach Abschluss der Tour noch spürbar. Unterschiede in der Nutzung von netzcheckers ließen sich bei der Tour nicht nach Schulform differenzieren, wohl aber nach Altersgruppen. 29 Titelthema Während der Tour wurde deutlich: Wenn bildungsbenachteiligte Jugendliche Unterstützung bei der Nutzung des Portals und des Internets erfahren, macht ihnen die Nutzung der unterschiedlichen Tools genau soviel Spaß wie anderen Jugendlichen. Sie kommen zu ebenso kreativen Ergebnissen und sie sind stolz auf das, was sie gestaltet haben. Das klingt auch nach Ende der Tour noch nach. Bis zu 3.000 mal wurden einzelne Aktionsseiten monatlich auch nachträglich noch abgerufen. Jugendliche, Betreuerinnen und Betreuer zeigen Freundinnen und Freunden, Kolleginnen und Kollegen mit nicht nachlassender Begeisterung ihre Audio- und Videodateien, Collagen, Klingeltöne und Handylogos. 284 Jugendliche wurden mit den Aktionen direkt erreicht, erfreulicherweise fast genau soviel Mädchen wie Jungen. Etwa 550 neue Userinnen und User registrierten sich im Zeitraum der Action-Tour. Stellvertretend für viele andere sagt netzcheckerin „knoddel“ über die Action-Tour in Lonsheim: „Hammer mäßig!! Das war echt geil!!! Hat mir gut gefallen.“ Auf die Rückfrage, was ihr gefallen hat und ob es auch Dinge gab, die sie kritisch sieht, schreibt sie: „Positiv ist mir aufgefallen, dass das Team sich immer wieder so verkleidet hat und dass am Ende alle Multistar geworden sind.“ Netzcheckers gefällt ihr, „weil ich es allein oder mit meinen Freunden so einrichten kann wie ich es will. Ich kann dann meinen eigenen Chatroom erstellen. Eigene Berichte schreiben … also da alles machen was und wie ich es will. Außerdem können dann da auch alle anderen ihre Meinung zu z.B. Politik, Musik, … sagen und vielleicht kuckt ja irgendjemand wichtiges irgendwann mal rein und ändert was.“ Hohe Zufriedenheit in den Einrichtungen – aber auch Grenzen werden deutlich Die Einrichtungen, die sich an der Tour beteiligten, waren durch eigene Recherche oder funktionierende Netze gut informiert, konnten die von netzcheckers.de angebotene Aktion einschätzen und sich für sie begeistern. Sie waren oft mit Räumen und technischem Equipment gut ausgestattet, verfügten bereits über einen Medienschwerpunkt oder nutzten die Action-Tour, um einen solchen zu schaffen oder sich für die eigene Arbeit inspirieren zu lassen. Trotz zurückhaltender Ausschreibung der Tour meldeten sich etwa 30 Einrichtungen, die die Tour gerne zu Gast gehabt hätten. Netzcheckers.de fragte nach Ende der Tour mit 30 einem Fragebogen die Zufriedenheit der Einrichtungen ab. Die Stellungnahmen waren durchweg positiv bis überschwänglich. Einige Beispiele: Für die Einrichtung war es die erste Veranstaltung dieser Art und hat für Jugendliche sowie für Betreuer einen bleibenden Eindruck hinterlassen, wie mit einfachster Technik effektive Ergebnisse schnell erzielt werden konnten. Da wir gerade dabei sind, ein Subportal über Netzcheckers einzurichten war die Veranstaltung ein guter Start, um auf diese Seite aufmerksam zu machen und die einzelnen Tools kennen zu lernen. Sehr positiv zu werten war auch, dass wir auf unsere Arbeit den Vertretern der Stadt gegenüber aufmerksam machen konnten. Die Veranstaltung war Motivation, die Medienarbeit weiter auszubauen. Die Aktion hat allen beteiligten Spaß gemacht und war eine gelungene und nachhaltige Veranstaltung. Martin Hahne, Eierclub, Eisenach Uns hat besonders der partnerschaftliche Umgang mit Betreuern und Jugendlichen gleichermaßen sehr gut gefallen. Die Jugendlichen nutzen die Internet-Seite auch jetzt noch, soweit wir das beurteilen können. Der Spaßfaktor war extrem hoch, was sich alleine an der wachsenden Teilnehmerzahl während der Veranstaltung zeigte und die Veranstaltung war von der Struktur her gut auf unsere Jugendlichen zugeschnitten. Beate Hartmann, Jugendhaus Karlsfeld Durch die eingebrachte Dekoration wurden die TeilnehmerInnen angeregt, sich auf etwas Neues einzulassen. Die Veranstaltung wurde thematisch stringent durchgeführt, es wurde aber auch problemlos flexibel auf die Interessen der Teilnehmer eingegangen. Dies alles ist bei den Jugendlichen gut angekommen, was man an ihrem Elan erkennen konnte. Sie haben die interaktiven Möglichkeiten, die Netzcheckers bietet, erkannt und können sie kompetent anwenden. Wir Betreuer haben neben einem Einblick in Gimp gelernt, wie wichtig „Kleinigkeiten“ (Dekoration, Überreichung von Urkunden, Spieleinlagen, etc.) für die Gestaltung eines optimalen Lernsettings sind. Zusätzlich haben wir erfahren, wie wichtig Camouflage (Perücken, Stimmverzerrung etc) dafür ist, dass die Jugendlichen in ihrer Mediengestaltung aus sich heraus gehen. Spaß hatten wir alle. Stefan Apel, Forum Osnabrück Titelthema Besonders große Zustimmung fand das netzcheckers-Action-Team in den Einrichtungen. Gelobt wird die Kompetenz des Teams, seine Einsatzfreude, die hohe Flexibilität und die Bereitschaft auf Jugendliche zuzugehen und sie zu motivieren. Die Idee, medienpädagogische Elemente in eine Rahmenhandlung zu packen, war toll und könnte so in vielen Einrichtungen kaum ohne externen Input realisiert werden. Die Lernerfolge für die Jugendlichen waren sehr hoch, die Begeisterung für die Aktion und das Portal ebenso. Sehr gut war die positive Haltung des Teams gegenüber den Jugendlichen, wodurch viele „mitgerissen“ werden konnten. Daniel Seitz, Herzogsägmühle, Peiting In der Auswertung wurden jedoch auch die Grenzen des Möglichen deutlich. Trotz der Begeisterungsfähigkeit der Einrichtungen gelang es manchen von ihnen nicht, die erforderliche Mindestteilnehmerzahl zu erreichen. Weitere Einrichtungen konnten das geforderte Mindestalter von 11 Jahren nicht einhalten. Viele Einrichtungen sind inzwischen personell und materiell so ausgedünnt, dass die Ressourcen für die Arbeit mit „schwierigen“ Jugendlichen nicht mehr vorhanden sind. Angebote werden vielfach dort umgesetzt, wo sie auf Grund einer „lenkbaren“ jüngeren Klientel Erfolg versprechen und die Möglichkeiten der Einrichtung nicht übersteigen. Auch gibt es immer noch Vorbehalte gegenüber Medienangeboten. Im Gegensatz zu den Erfahrungen früherer Jahre werden sie zwar als „sinnvoll“ und „wichtig“ erachtet, auch die Ausstattung der Einrichtungen hat sich in Bezug auf Rechner, Internetzugang, Digitalkameras und verfügbarer Software deutlich verbessert, die Qualifizierung und Vernetzung von Jugendarbeiterinnen und –arbeitern hat jedoch nicht im selben Maße Schritt gehalten. Medienarbeit wird weiterhin als zusätzliche Aufgabe verstanden, nicht als Querschnittsaufgabe und Methode, die alle Bereiche der pädagogischen Praxis umfasst. Oft sind die Medienangebote Aufgabe desjenigen, der scheinbar dafür qualifiziert ist: Der Zivildienstleistende. Er betreut das Netzwerk und macht Angebote in Sachen „Homepage selber machen“. Die anderen Bildungs- und Freizeitangebote bleiben davon oft unberührt. Das neue Internet – Web 2.0 – gibt Jugendarbeiterinnen und Arbeitern jedoch viele einfache Mittel an die Hand. Die Homepage muss nie- mand mehr selbst bauen, sie steht mit Weblogs bei netzcheckers zur Verfügung. Audio- und Videoangebote lassen sich als Podcast realisieren. Das Mysterium des Handy-Klingeltons lässt sich mit dem Handysound-Designer von netzcheckers entzaubern. Der Bericht von der Jugendzentrums-Party kann auch als Cellcast generiert werden. Jugendarbeiterinnen und –arbeiter können sich damit auf ihre pädagogischen Kernkompetenzen besinnen: Sie können per Weblog Beteiligungsprojekte initiieren, Nettiquette im netzcheckersChat einüben und per Fotoalbum den Sozialraum von Jugendlichen erforschen und thematisieren. Wem diese Lösung zu klein ist, kann ein eigenes netzchecker-Subportal mit eigener Community betreiben. Dabei kann ein mit zahlreichen interaktiven Modulen und einem komfortablen Content Management System ausgestattetes Softwarepaket mit einem eigenen Layout versehen werden. Wenige Klicks erlauben den Austausch von Inhalten mit dem „Mutterschiff“ netzcheckers.de. Gestaltung und Administration eines Subportals werden in Kooperation mit dem Studienzentrum Josefstal geschult. Als Folge der hohen Zufriedenheit mit der Action-Tour 2007 möchten alle beteiligten Einrichtungen den Kontakt mit netzcheckers.de halten. Eine Mehrheit dieser Einrichtungen möchte ein Subportal betreiben, einige haben bereits damit begonnen. Die Redaktion von netzcheckers.de verbindet damit auch die Hoffnung auf ein Netzwerk, in dem kreative Ideen für die pädagogische Praxis entwickelt und umgesetzt werden können. Das müssen nicht immer Aktionen mit großem Aufwand sein. Netzcheckers.de initiiert daher immer wieder kleinere Mitmach-Aktionen, die Gegenstand von Medienangeboten vor Ort sein können. Alle Aktionen richten sich nicht nur an die Einrichtungen, die bereits jetzt Teil des wachsenden medienpädagogischen Netzwerks rund um netzcheckers.de sind. Wer sich beteiligen oder Kontakt aufnehmen möchte, findet weiterführende Informationen unter www.jugend.info. Christian Herrmann 1 Cellcast: Eine Audiodatei, die durch Anrufen einer Telefonnummer und Sprechen einer Nachricht erzeugt wird und auf einer Webseite als mp3-Datei und Podcast unmittelbar zur Verfügung gestellt wird. 31 Titelthema Geocaching Spielerisch Medienkompetenz aufbauen Daniel Seitz Medienpädagoge im Fachbereich Kinder, Jugendliche und Familien der Herzogsägmühle, Peiting-Herzogsägmühle Satellitengestützt und handygeführt entwickelt sich Geocaching zu einer sehr praxisnahen Methode, um Erlebnisse in der Natur mit Themen der Medien- und Umweltpädagogik zu verknüpfen. Geocaching? Geocaching kann man als die moderne Form der Schnitzeljagd bezeichnen. Ausgestattet mit einem GPS-Empfänger und GPS-Daten, die man sich aus dem Internet lädt, begibt man sich auf die Suche nach versteckten Schätzen. Hat man den Schatz gefunden, so darf man sich zur Belohnung etwas aus der versteckten Box nehmen – gleichzeitig lässt man auch etwas da, so geht das weltweite Spiel immer weiter. Mit Aufhebung der Verschlüsselung und der damit einhergehenden Genauigkeit des GPS-Signals im Jahre 2000 wurde es möglich, Caches zu verstecken und die Genauigkeit des Ortes relativ exakt anzugeben – damit entwickelte sich ein weltweites Spiel, das, weitestgehend unbemerkt vom Mainstream, mittlerweile mehr als 300.000 Verstecke, davon allein über 28.000 in Deutschland, hervor gebracht hat. Es gibt kaum eine Region in Deutschland, in der keine Schätze gefunden werden können. Die Faszination des Geocaching Die Faszination des Geocaching ist schwer in Worte zu fassen, soll aber dennoch versucht werden. Ein starker Anreiz ist, das man durchs Geocachen an unglaublich tolle und spannende Orte gelotst wird – es besteht unter den Geocachern ein „Wettkampf“, die bisher vorhandenen Caches oder Touren dorthin zu übertreffen – und so bemüht sich jeder, einen Cache an einer landschaftlich besonders attraktiven Stelle zu platzieren oder Geocacher an so genannte „Lost Places“, lange vergessene Stellen, wie z.B. stillgelegte Bergwerke oder dergleichen zu führen. Auch kann man sich über Caches unbekannte Städte sehr gut erschließen, da mit der Schatzsuche auch bestimmte Aufgaben verknüpft werden können – so gibt es z.B. ganze Stadtrundgänge mit Stationen an verschiedenen Sehenswürdigkeiten, an denen jeweils Fragen beanwortet werden, historische Tatsachen herausgefunden wer- 32 den müssen usw. - für Jugendliche eine völlig neue Art, eine Stadt zu erkunden, die sie in hohem Maße beteiligt, fern von langweiligen Monologen eines Stadtführers. Weiter übt die Tatsache, einem Hobby nachzugehen, von dem die meisten Menschen noch nie etwas gehört haben, das sogar direkt vor ihren Augen stattfindet, ohne das sie etwas ahnen, eine besondere Faszination (nicht nur) auf Jugendliche aus – in der Geocaching-Szene hat sich hier ein Begriff heraus gebildet: analog zu Harry Potter, wo die nicht-magische Welt als Muggel bezeichnet wird, werden Menschen, die von Geocaching keine Ahnung haben, als Geomuggel bezeichnet – ein durch Muggel unbemerktes Finden und wieder Verstecken eines Caches bietet eine zusätzliche Herausforderung. Die Bedeutung des Technik-Aspekts wird ebenfalls häufig von Jugendlichen hervor gehoben, so das Jugendliche, die sich sonst kaum für „Wandern in der freien Natur“ erwärmen lassen, vor lauter Technik-Faszination anfänglich gar nicht bemerken, das sie eben dies tun – mit dem häufigen Effekt, das im Verlauf die Technik zunehmend in den Hintergrund rückt und das Erlebnis in der Gruppe stärker im Vordergrund steht. Auch fördert die GPS-Technik, die ein exaktes Bestimmen der Position auf der Erde ermöglicht, eine stärkere Orientierung der Jugendlichen in ihrer Umgebung, und im übertragenen Sinne auch in Bezug auf ihr Leben – dieser Effekt kann noch durch Visualisierung, durch Tools wie beispielsweise GoogleEarth, verstärkt werden. Der Vorrat an „Themen-Caches“, die lokale/regionale Themen, wie Erdkunde-Phänomene (sogenannte Earth-Caches), bis hin zu Rätsel-Caches, bestückt mit kognitiven Aufgaben, Mathe-Caches usw., ist riesig. Je nach Lust und Laune der Adressaten kann hier auf eine Vielzahl an vorbereiteten Spielen zurück gegriffen werden, wobei es natürlich nicht in jeder Region unbegrenzt viele Caches gibt. Einen besonderen Reiz bieten auch NachtCaches, die eben nur in der Nacht, bestückt mit Taschenlampen gefunden werden können. Was braucht man zum Geocachen? Am Spiel kann jeder weltweit teilnehmen, es wird lediglich ein Internetzugang und ein GPS-Gerät benötigt. Man meldet sich kostenlos bei einem der Geocaching-Portale, wie z.B. geocaching.com oder auch opencaching.de, der deutschsprachigen Alternative zum weltweit größten Portal, an. Mit Titelthema diesem Account kann man eine Umkreisssuche starten und bekommt eine Liste aller Caches in der näheren Umgebung angezeigt. Ebenso ist es natürlich möglich, Caches in einer bestimmten Region oder Stadt anzeigen zu lassen, um z.B. in einer Freizeit die Region kennen zu lernen. Zu jedem Cache gibt es eine Beschreibung, mit Angaben wie Koordinaten (die man dann ins GPS-Gerät überträgt), ungefähre Dauer, Schwierigkeit des Geländes, Besonderheiten vor Ort, besondere Ausstattung (es gibt Kletter-Caches, Abseil-Caches, Tauch-Caches, manche sind nur per Boot zu erreichen usw.). Ausserdem sind natürlich die Aufgaben beschrieben, die es zu lösen gilt, um den Cache zu finden. Die Gruppe berät sich, irgend wo hier muss der Cache sein Hier, genauso wie beim gesamten Vorgang des Geocachens ist ein hoher Grad an Beteiligung der Jugendlichen möglich, gemeinsam können Caches gesucht und beurteilt werden und man entscheidet sich als Gruppe für den Attraktivsten. Recherchieren im Internet, Bedienung einer OnlinePlattform, Beurteilung von Kommentaren anderer Nutzer, sicheres Bewegen in einem Medium werden hier quasi nebenbei geschult. Aktuell ist das GPS-Gerät noch die Zugangshürde, damit Jugendliche selbständig cachen könnten. Jedoch gehört dieses Thema durch die rasante Entwicklung im Handy-Sektor bald der Vergangenheit an, erste Geräte mit eingebautem GPSEmpfänger sind schon auf dem Markt, in (sehr) wenigen Jahren wird kein Handy mehr ohne GPSEmpfänger auf dem Markt sein. Weiter etabliert sich geocachingspiel.de, ein vom Autor initiiertes Wiki für Geocaching als erlebnisund medienpädagogische Methode – eine Anlaufstelle für (Medien-)Pädagogen, Lehrer und Sozialarbeiter zum Thema. Ausserdem bietet netzcheckers.de, das Jugendportal zum Mitmachen des BMFSFJ, kostenlose Spielaktionen und Informationen für Jugendeinrichtungen an. Das Studienzentrum für evangelische Jugendarbeit in Josefstal bietet im Oktober eine Fortbildung zum Thema an, bei Bedarf kann diese nächstes Jahr wiederholt werden. In Herzogsägmühle gibt es ebenfalls Tagesfortbildungen zum Thema. Ausblick Geocaching ist eine sehr gute Methode, um spielerisch Medienkompetenz im Umgang mit dem Internet und GPS aufzubauen. In eigens konzipierten Spielen können beliebige Themenkomplexe in einer einfachen Spielhandlung behandelt werden, um so ein hohes Maß an Beteiligung der Adressaten zu erreichen. GPS ist eine Zukunftstechnologie, die in verschiedenste Bereiche unseres Lebens vordringen wird. Internet-Dienste werden zunehmend lokalisiert, Kartendienste wie GoogleMaps weisen uns auf die nächstgelegene Tankstelle ebenso wie auf Restaurants und kulturelle Veranstaltungen hin – mit mobiler Internetnutzung und GPS im Handy wird dieser Bereich zunehmend ausgebaut werden. Veranstaltungen werden nicht mehr mit Adresse, sondern mit Geotags und Koordinaten, beworben werden. Geocaching kann heute schon eine gute Vorbereitung auf diese mögliche Entwicklung sein, neben viel Spaß und einem sehr sinnvollen Instrument aktiver Freizeitgestaltung. Autor: Daniel Seitz Medienpädagoge im Fachbereich Kinder, Jugendliche und Familien der Herzogsägmühle Von-Kahl-Strasse 4 86971 Peiting-Herzogsägmühle [email protected] 08861/219-340 Einstieg ins Geocachen Abgesehen von der Anschaffung eines GPS-Geräts sind die Einstiegshürden ins Thema sehr gering. Eine Vielzahl an Informations- und Austauschplattformen zum Thema Geocaching haben sich etabliert, so z.B. geocaching.de, eine Einstiegsseite der Deutschen Wanderjugend, auf der man alle relevanten Informationen findet, um beginnen zu können. 33 Titelthema Faszinierende Medienwelt Zur Medienkompetenz von Kindern Bundesministerium für Familie, Senior en, Fr auen Senioren, Frauen und Jugend, Berlin Junge Menschen wachsen heute ganz selbstverständlich mit einer unüberschaubaren Vielfalt an Medien auf, eine faszinierende, rasante Entwicklung. „Dran bleiben“ heißt es da in Schule und Jugendarbeit, im Kindergarten, in den Erziehungseinrichtungen der Jugendhilfe, aber auch in den Medien selbst. „Anleitung zu einem (selbst)bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit Medien“ ist daher die Herausforderung in vielen Bereichen. Sowohl Eltern als auch ErzieherInnen müssen sich immer wieder mit dem Thema „Medien“ auseinandersetzen: „Wie lange soll/darf mein Kind fernsehen?“, „Welche Computerspiele sind für mein Kind geeignet?“, „Was tun, wenn mein Kind stundenlang vor dem Computer hockt?“, “ Wie kann ich den Umgang im Internet überprüfen“, uvm. Gegen Klassiker wie die Sesamstraße, Löwenzahn oder die Sendung mit der Maus, aber auch neue Formate wie den knuddeligen Baumeister Bob, ist pädagogisch nichts einzuwenden - das wissen Eltern. Aber wissen sie auch warum? Was macht eine Fernsehsendung oder einen Kinofilm eigentlich pädagogisch wertvoll? Die Erwartungen an Film und Fernsehen sind hoch: Es muss unterhaltend sein, aber auch lehrreich. Pädagogisch wertvoll eben, meinen Eltern. So wie die Lach- und Sachgeschichten mit der Maus und dem Elefanten, die nicht nur Spaß vermitteln, sondern auch die Neugier und den Wissensdurst der Kinder stillen. Fernsehen soll Kindern helfen, die Welt zu begreifen, aber natürlich auch unterhalten. Damit sich die kleinen Zuschauer auch angesprochen fühlen, müssen die Film- und Fernsehgeschichten „kindliche Bedürfnisse“ aufgreifen, sagen Medienpädagogen. Das gilt für Animationsserien gleichermaßen wie für Spielfilme. Je näher das Thema an der Lebenssituation des Kindes ist, desto eher wird der Film das Kind erreichen. Medienhelden als Identifikationsfigur en Identifikationsfiguren Kinder brauchen also Anknüpfungspunkte zu ihrem alltäglichen Leben. Themen wie das Großwerden, die Auseinandersetzung mit dem Geschlecht oder auch der alltägliche „Kampf“ Klein gegen Groß, spielen im Kindesalter eine wichtige Rolle. Oft sind es die Medienhelden, mit denen sich Kinder identifizieren, denn sie sind Projektionsfläche für eigene Wünsche und Ängste. Fernsehhelden verkörpern Mut, List, Stärke und Fantasie, sagt Dr. Jan Uwe Rogge, Medien- 34 pädagoge und Autor des Ratgebers „Kinder können fernsehen“. Kinder müssen ihr e Alltagserfahrungen in den ihre Filmen wiederfinden Kinder finden in ihren Helden das wieder, was der Alltag nur in Grenzen zulässt. Das lässt sich besonders gut am Beispiel der altbekannten Zeichentrickserie Tom und Jerry erklären, die Kinder noch heute begeistert. Die kleine Maus Jerry gegen den großen Kater Tom - diesen Kleinkrieg finden Kinder amüsant und kennen ihn nur zu gut aus ihrem Alltag, wenn sie sich mal wieder gegen Mama, Papa oder den großen Bruder durchsetzen müssen. Oder der kleine Wikinger Wicki, der seinem Vater Halvar immer wieder beweist, wie pfiffig er ist. In vielen Zeichentrickfilmen kämpft Klein gegen Groß oder auch Gut gegen Böse und am Ende des Tages geht der Kleine immer als Sieger hervor. Das finden Kinder toll. Auch wenn der Kampf zwischen den Komikhelden, wie z.B. bei Tom und Jerry, nicht gerade harmlos verläuft, sind „Gewaltdarstellungen“ in Animationsfilmen klar als Fiktion erkennbar, die Kinder leicht verdauen können. Realistische Darstellungen von Brutalität und Gewalt, mit deutlichen Folgen für das „Opfer“, können bei Kindern hingegen Ängste und Verunsicherung auslösen. Ein Happy End ist wichtig Kinder reagieren oft sensibel auf Spannungen, die nur dann erträglich sind, wenn es auch immer wieder Phasen der Entspannung gibt. Dazu gehört auch das Happy End. Ein offenes Ende, das viele ungeklärte Fragen hinterlässt, tragen Kinder meist noch lange mit sich herum. Vor allem Filmgeschehnisse, die das Kind beängstigen können, wie zum Beispiel die Bedrohung einer Filmfigur, müssen sich am Ende „zum Guten“ wenden. Auch ein logischer und einfacher Aufbau der Geschichte, sowie eine überschaubare Anzahl an Figuren, sind wichtige Elemente in der Dramaturgie von Kinderfilmen. Nur wenn Kinder verstehen, was sie sehen, können sie sich mit den Inhalten auseinandersetzen. Kein Wunder also, dass Animationsfilme auf der Hitliste der Kinder ganz oben stehen. Sie greifen das auf, was die Kleinen begeistert: Pfiffige Figuren, die mit Witz und Geschick kleine Schwierigkeiten meistern. Die Handlungsabläufe sind leicht zu verstehen und die Wechsel aus spannenden Szenen und Entspannungsmomenten für Kinder angenehm. Pädagogisch wertvoll eben! Aufwachsen begleiten Titelthema Tipps zum Medienkonsum von Kindern Im Rahmen der Kampagne „SCHAU HIN!“ - Was deine Kinder machen.“ gibt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Zusammenarbeit mit dem ZDF-online Tipps zur Medienerziehung, bezogen auf die Bereiche „Fernsehen“, „Internet“, „Computerspiele“, „Lesen“ und „Handy“. In „50 Fragen und 50 Antworten“ werden Ratschläge u. a. zu folgenden Fragen gegeben: Wie lange dürfen Kinder fernsehen? Wie gefährlich sind gewalthaltige Computerspiele? Wie können Eltern ihren Kindern einen bewussten Umgang mit dem Internet vermitteln? Familien sollen dadurch Anregungen für einen bewussten Umgang mit den Medien bekommen. Die Kampagne SCHAU HIN! gibt Eltern praktische Orientierungshilfen zur Mediennutzung und erziehung und fördert den Dialog zwischen Eltern und Kindern. An der Aktion beteiligen sich neben dem ZDF und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die ARD, die Programmzeitschrift TV Spielfilm und das Telekommunikationsunternehmen Arcor. Aktion Jugendschutz Das Projekt ELTERNTALK der Aktion Jugendschutz Bayern geht neue Wege in der Elternbildungsarbeit. So laden hier Eltern andere Eltern ein, um im privaten Rahmen über die Mediennutzung ihrer Kinder zu sprechen. Die Eltern werden von ge- schulten Moderatorinnen und Moderatoren begleitet. Dieses Projekt gibt es mittlerweile bereits in 20 Regionen in Bayern. Die bisherigen Ergebnisse belegen eindeutig, dass bei den Eltern ein großer Bedarf besteht, sich über die Mediennutzung ihrer Kinder auszutauschen sowie in „elterngeleiteten Fachgesprächen“ konkrete Tipps für den Erziehungsalltag zu erhalten. Die Mediennutzung steht in der Freizeitbeschäftigung von Kindern und Jugendlichen an erster Stelle. Der passive Fernsehkonsum aber auch der aktive Mediengebrauch durch Computer- und Multimedianutzung ist als zunehmende Tendenz erkennbar. Informative, kommunikative unterhaltungs- und bildungsrelevante Angebote und Möglichkeiten in und durch die Medien faszinieren Kinder und Jugendliche und eröffnen ihnen vielfältige Möglichkeiten. Daneben gibt es jedoch auch zahlreiche Offerten, die für Kinderund Jugendliche als problematisch oder gar kriminell bewertet werden müssen, wie z.B. Kinderpornographie, extreme Gewaltdarstellungen oder Gewaltverherrlichungen. Schwerpunkt der Arbeit der Aktion Jugendschutz im Bereich Medienpädagogik und Jugendmedienschutz ist: Kinder, Jugendliche, Eltern und pädagogische Fachkräfte in Schule und außerschulischen Einrichtungen über positive und/oder problematische Entwicklungen und Auswirkungen zu den verschiedenen Medienbereichen zu informieren, zu beraten und Hilfestellungen zu geben. 35 Aus dem Verband Geld nur für Hilfe die wirkt Gemeinsamer Fachtag mit dem LVKE Am 4. Mai diesen Jahres fand der gemeinsame Fachtagung mit dem Landesverband der katholischen Einrichtungen und Dienste in München statt. Die Tagung stand unter dem provokanten Titel: Geld nur für Hilfe die wirkt. Im Mittelpunkt des fachlichen Diskurses, der unter der Mitwirkung von Dr. Klaus Schulenburg vom Bayerischen Landkreistag und Frau Isabella Gold, Leiterin des Referats VI Jugendpolitik / Jugendhilfe im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung stattfand, stand die Auseinandersetzung mit der Fragestellung ob und vor allem wie die Wirkung erzieherischer Hilfen gemessen werden kann. In seiner Begrüßung, ging der Vorsitzende des EEV Bayerns der Frage nach ob man aus dem Gleichnis des barmherzigen Samariters (“Des anderen Tages zog er heraus zwei Silbergroschen und gab sie dem Wirt und sprach zu ihm: Pflege sein, und so du was mehr wirst dartun, will ich’s dir bezahlen wenn ich wieder komme.“) ein quasi theologisch legitimiertes, ohne nach der Wirkung fragendes biblisches Selbstkostendeckungsprinzip ableiten könne. Den über 100 Fachleuten der öffentlichen und freien Jugendhilfe präsentierten zunächst Prof. Dr. Michael Masceneare (Institut für Kinder und Jugendhilfe in Mainz) und Dr. Harald Tornow (e/l/ s-Institut, Wülfrath und Mitglied des EREV Bundesvorstandes) Ergebnisse ihre Untersuchungen. Prof. Dr. Mascenaere stellte ausgewählte Befunde aus einer EVAS-Sonderauswertung vor, die bayerische Tagesgruppen nicht-bayerischen gegenüberstellt. Danach zeigen bayerische HPT‚s eine erheblich höhere Effektivität; es gelingt ihnen während des Hilfeverlaufes in erheblichen Maße die Ressourcen der Klienten zu steigern, die Defizite zu reduzieren und damit insgesamt eine hohe Effektstärke zu erreichen. Im Fokus der Untersuchung von Dr. Tornow steht die Fragestellung wie die Wirkung von Hilfen zur Erziehung beurteilt werden kann. Zwei seiner Thesen seinen hier exemplarisch genannt: erfahrungen und handhabbare, wissenschaftlich fundierte Messinstrumente. 2. Die Ergebnisqualität (Effektivität, Nutzwert und Zufriedenheit der Adressaten) spielt in der Qualitätsentwicklung der Jugendhilfe nicht die Rolle die ihr eigentlich zukommen sollte. Dr. Klaus Schulenburg brachte die Position der öffentlichen Jugendhilfe ein.Dabei machte er deutlich, dass auch die Verantwortlichen in der öffentlichen Jugendhilfe dem permanenten Spannungsfeld zwischen Fachlichkeit und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der leistungsgewährenden Kommune ausgesetzt sind. In der sich anschließenden Podiumsdiskussion wurden die sowohl die konträren, wie auch verbindenden Positionen deutlich. Klar wurde einerseits, dass sich Wirkungsorientierung / Wirkungsmessung auf die Bewertung der Prozessqualität beziehen muss. Die Suche nach der Wirkung so Dr. Tornow erinnert ihn immer ein wenig an die Suche nach der Wahrheit. Budgetierung als ausschließliches Steuerungsinstrument erzieherischer Hilfen ist aus Sicht des EEV Bayern deshalb problematisch, weil darin die Gefahr besteht individuelle Hilfsansprüche ausschließlich nach Kassenlage zu bewerten. Wer heute die Jugendhilfe nach Kassenlage betreibt, der muss auch morgen bereit sein, für diese Menschen weiterhin Transferleistungen zu bezahlen – und der muss heute sagen wo er morgen hierfür das Geld hernimmt, so der Vorsitzende des EEV Bayerns. Deutlich wurde: der begonnen, gemeinsame Diskurs ist notwendig. Die Arbeit für junge Menschen und ihre Familien in den Erziehungshilfen stetig zu verbessern, war das Anliegen der Fachtagung. „Dies ist sowohl ein Schritt der Anpassung und Weiterentwicklung der erzieherischen Hilfen“, wie der 1. Vorsitzende des LvkE, Herr Prälat Grimme in seinem Schlusswort betonte. Christian Oerthel 1. Eine wissenschaftlich fundierte Darstellung der Wirkung von Hilfen zur Erziehung ist möglich. Dazu gibt es eine Reihe von Evaluations- 36 Aus dem Verband Fachbeirat neu konstituiert. Entsprechend der Diskussionen um die Ausgestaltung der Gremien des EEV Bayerns hat sich der Fachbeirat neu konstituiert. Im Fachbeirat spiegelt sich die regionale Gliederung des Verbandes und seiner Mitgliedseinrichtungen. Die Fachausschüsse übernehmen Aufgaben die sich aus der Struktur und Satzung des Verbandes ergeben. Darüber hinaus beraten die Mitglieder des Fachbeirates den Vorstand. Dem Fachbeirat gehören an: Der erweiterter Vorstand: - Sabine Baumgarten, Ansbach - Christian Oerthel, Rummelsberg - Günter Schmidt, Feuchtwangen - Bernhard Zapf, DW Bayern Die Sprecher der Regionalgruppen: - Martin Bügler – Regionalgruppe Süd; Traunreut - Helmut Raithel – Regionalgruppe Nord; Bayreuth - Hans Schenker – Regionalgruppe Mitte; Rummelsberg Die SprecherInnen der Fachausschüsse - Peter Bohn – Fachausschuss Fortbildung, Schweinfurt - Barbara Jekeli – Fachausschuss Öffentlichkeitsarbeit; Augsburg und der Vertreter im Fachbeirat des EREV Kai Garben; München Darüber hinaus hat der Fachbeirat auf Vorschlag des Vorstandes die Gründung eines interdisziplinären Fachausschusses Fachdienste beschlossen. Fachbeirat und Vorstand verfolgen damit folgende Zielsetzungen: 1. fachdienstliche Leistungen im Kontext der Weiterentwicklung erzieherischer Hilfen 2. Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit 3. gemeinsame Planung und Durchführung von Fachtagungen und Fachveranstaltungen Aus dem Fachbeirat ausgeschieden sind Herr Prof. Gunter Adams (AK: geschlossene Unterbringung) und Herr Richard Schirmer (Arbeitsgemeinschaft Psychologen) und Dietmar Geuthner (Fortbildung). Wir danken Herrn Adams, und Herrn Schirmer auch auf diesem Wege nochmals recht herzlich für die langjährige, ehrenamtliche Tätigkeit im Verband. Christian Oerthel Sozialberatung - Brief an einen Kollegen Lieber E., ich danke Dir für die aufschlussreiche Plauderei über Freud und Leid eines Heimleiters in unserer Zeit, die sich am Rande der Tagung ergab. Also ergeht es Dir auch nicht besser als mir. Das beruhigt mich. Natürlich bewältigt jeder auf seine Weise den Alltag des Dienstes, Aber da gibt es auch eine Frage, die jeden Heimleiter mehr, als ihm vielleicht lieb ist, zu beschäftigen scheint, ohne sie befriedigend beantworten zu können, die Frage nämlich: Wie gelingt es mir, die Einrichtung unter den schwierigen gegenwärtigen Bedingungen so zu führen, dass sie überlebt? Die Angst vorm Scheitern kennen alle Kollegenlnnen, die ich darauf ansprach. Auch ich bin nicht frei davon. Ich schilderte Dir, was mich bewegt und besorgt seit langem. Umgekehrt freute ich mich über die Offenheit, mit der Du zugabst, was Dich selber umtreibt. Vor allem berührte mich Deine Sorge, über kurz oder lang dem Konkurrenz- druck nicht mehr standhalten zu können vielleicht auch nicht zu wollen. Unsere Unterredung beschäftigte mich übrigens bis in den Schlaf hinein, Vergangene Nacht hatte ich folgenden (Alp) Traum, den ich Dir nicht vorenthalten möchte: Die seit Jahren schon rückläufige Belegung des Heimes drohte vollends einzubrechen. Von den Kostenträgern wurden nur noch wenige Plätze nachgefragt. Dazu stand die eine oder andere ungeplante Entlassung an. Auch zum Schuljahresende würden zahlreiche Jugendliche das Heim verlassen - und es bestand wenig Aussicht auf Ersatz. Das Szenario, das sich da ankündigte, musste beunruhigen. Es half nichts; Ich informierte meine Vorgesetzten während einer Sitzung über die Misslichkeit unserer Lage. Ratlosigkeit allenthalben. 37 Aus dem Verband Da meldete sich plötzlich ein Mann zu Wort, der mir unbegreiflicherweise bislang nicht aufgefallen war. Ich kannte ihn nicht. Er wirkte selbstbewusst, optimistisch und strahlte jene unwiderstehliche Zuversicht aus, die uns wie ein lauter Vorwurf erschien. Mit ernster Miene blickte er in die Runde, bevor er zu sprechen begann: „Meine Herren, ich will einmal wohlwollend unterstellen, dass Sie alles getan haben, um das Desaster abzuwenden, das sich, vor geraumer Zeit schon, abzuzeichnen begann. Offenkundig mit mäßigem Erfolg, wie man, bedauerlicherweise, sehen könne. Eine glückliche Wendung der Dinge aus eigener Kraft scheint unwahrscheinlich, um nicht zu sagen; ausgeschlossen zu sein. So kann es nicht weitergehen. Daher schlage ich vor, Hilfe und Beistand einzuholen und einen Sozialberater bis auf weiteres mit der Führung der Geschäfte zu beauftragen, bis die Krise beigelegt ist, in der Sie stecken.“ Eingeschüchtert von seinen Worten, die er mit einer Stimme von großer Autorität vorbrachte und mit energischen Gesten wirkungsvoll unterstützte, wagten wir nicht, zu widersprechen. Und schon benannte er auch einen geeigneten Kandidaten, bestens ausgewiesen durch beeindruckende Erfolge in der Beratung und Führung von sozialen Institutionen, die, wie wir, am Abgrund stünden. Unverzüglich könne er mit der Heilung des todkranken Patienten beginnen. Der Retter nämlich sei - er selber, haha.,. Ich erschrak ziemlich, als ich das hörte, hatte aber nicht den Hauch einer Chance zu protestieren; vielleicht auch nicht den Mut dazu. Als er begann, die Grundlinien seiner Agenda vorzutragen ( ich erinnere nur noch einzelne Worte wie: „professionellere Unternehmens- und Marktstrategie offensiveres Konkurrenzverhalten sozialpädagogische Sentimentalitäten verabschieden“); wachte ich auf - ein wenig um mich schlagend, wie ich bemerkte -: als müsse ich mich eines Angreifers erwehren. Lieber E., ein lächerlicher Traum nur, gewiss.. Entgegen dem, was er suggeriert, wäre es freilich unsinnig, Sozialberater zu dämonisieren. Das hindert mich aber nicht, Nutzen und Nachteil ihres Wirkens kritisch abzuwägen, Berater nähren zweifellos den modischen Irrglauben, es sei möglich, Schieflagen jedweder Art zu begradigen - die richtige Einstellung und Wahl der effektivsten Methoden und Strategien vorausgesetzt. Im Grunde gelte es, die Dinge nur geschickt zu „händeln“, wie es im Jargon heißt, um erfolgreich zu sein. Wenn man so will, ist dies die Grundprämisse ihres Selbstverständnisses und Leitmaxime ihres Handelns. Wer verpflichtet schon einen Berater, der sich getraut, die Erfolgsaussichten seines Tuns skeptisch zu beurteilen? 38 Propagandisten des Positiven Denkens schreiben das Versagen ihrer Rezeptologie gewöhnlich nicht dieser selbst zu, sondern dem Mangel an Willensstärke derer, die sie anwenden. Wer Misserfolg hat, ist selber schuld. Anders beim Erfolg: der wird als Triumph der Methode verbucht. So ähnlich ist’s auch mit den Beratern - sehr polemisch gesagt. Wie auch immer: Ich denke, wir sind uns einig, dass Wohl und Wehe einer sozialen Institution wie der, die wir leiten, mehr als von Beratern vom politischen Kontext abhängt, der den Raum der Selbstentfaltung gewöhnlich in einem viel höheren Maße begrenzt als vermeintliche oder tatsächliche Theoriedefizite. Es ist ärgerlich, dass von den (sozial)politischen Aspekten unserer Arbeit noch viel zu wenig gesprochen wird vielleicht auch, weil man meint oder sich hat einreden lassen, die politische Aktion könne durch technologisches Knowhow ersetzt werden. Ein Irrtum. Ich bitte Dich, mir nachzusehen, dass ich Dir solch elementare Hinsichten vortrage, als handle es sieh um unerhörte Neuigkeiten. Aber auch simple Erkenntnisse haben ja gelegentlich Wert und Wirkung. Jedenfalls: Lassen wir uns nicht mystifizieren und bleiben wir widerborstig, wo man uns zumutet, auf Wissen, Praxis-Erfahrung und eigenes Urteil zu verzichten - zugunsten jemandes, der glaubt, uns die Welt und wie es in ihr zugeht, erklären zu müssen. Das klingt hochmütig und arrogant? Meinetwegen. Jedenfalls macht es gelassen und hindert einen schon aus Prinzip daran, wie Du darüber nachzudenken, den Bettel ins Korn zu werten. Es grüßt Dich Gerhard Zimmermann, Diplom-Pädagoge, Gesamtleiter der Jugend- und Behindertenhilfe Oberlauringen Aus dem Verband Entwicklung und Umsetzung des Rahmenvertrags nach § 78 f SGB VIII Vor wenigen Wochen wurde der Rahmenvertrag nach dem § 78 a SGB VIII fortgeschrieben. Damit wurde nach langen Jahren erstmalig die gemeinsame Grundlage zur Verhandlung von Entgelten den Entwicklungen, die – vor allem bedingt durch die Einführung des TVöD - angepasst. Mit den nachfolgend dargestellten Ausführungen soll die Entwicklung des Rahmenvertrags in den wesentlichen Zügen nachgezeichnet sowie über den Verlauf und die Probleme im Verhandlungskontext informiert werden. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz SGB VIII wurde zum 1.1. 1991 in Kraft gesetzt. Am01. 01. 1999 wurden die §§ 78 a bis 78 g SGB VIII als neue Entgeltregelung in der Kinder- und Jugendhilfe eingeführt. Die Paragraphen dieses dritten Abschnitts im Kapitel V enthalten die Vorgaben zur Regelung von Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklung“ Damit wurden die bis dahin geltenden Regelungen aufgehoben, die der Begrenzung der Entgelte für die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe dienten (in der Zeit zwischen dem 1.1.1996 bis 31.12.1998 durften die Entgelte nur um je 1 Prozent angehoben werden). Dies diente der Kostendämpfung bei den Trägern der öffentlichen Jugendfürsorge. Vor dieser Deckelungsphase galt in Bayern die Pflegesatzvereinbarung von 1983, der entsprechend die Entgelte für Jugendhilfeeinrichtungen in den sieben Bezirksentgeltkommissionen vereinbart wurden. Nach der Gesetzesänderung wurde auf Länderebene die Arbeit an Rahmenverträgen mit durchaus unterschiedlichem Ergebnis aufgenommen. In Bayern machten die kommunalen Spitzenverbände und die Trägerverbände der Einrichtungen ebenfalls von den neuen Möglichkeiten zur Gestaltung eins Rahmenvertrages Gebrauch: Sie haben zunächst eine Vereinbarung über die Bildung von vier regionalen Kommissionen zur Vereinbarung der Entgelte gemäß § 78 e SGB VIII geschlossen und einen Rahmenvertrag nach § 78 f SGB VII über die Inhalte der maßgeblichen Vereinbarungen entwickelt. Das Verhandlungsergebnis für diesen Rahmenvertrag, der nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen vorgelegt wurde, war anfangs zwischen den Wohlfahrtsverbänden und auch in- nerhalb der Spitzenverbände und zugehörenden Einrichtungsträgern umstritten. Trotz intensiver Bemühungen alle Aspekte der Praxis aufzunehmen und über die Verhandlungsgrundlagen und Positionen zu informieren, war es nicht möglich, alle Wünsche in den Verhandlungen durchzusetzen. So war es nicht verwunderlich, dass das Ergebnis sehr kontrovers diskutiert wurde. Strittige Punkte waren vor allem die zu Grunde zu legende Auslastungsquote bei der Entgeltermittlung (also die Anzahl der Berechnungstage); die dabei vorgenommene Differenzierung nach der Platzzahl sowie die Regelung des Abwesenheitsentgelts und die Festlegung des Betrages für die individuelle Betreuungspauschale. Daher wurde der Rahmenvertrag zunächst nicht geschlossen von allen Verbänden der Wohlfahrtspflege unterzeichnet, sondern anfangs nur von Caritas und Diakonie. Nachdem sich abzeichnete, dass die den anderen Verbänden angehörenden Träger ebenso nach den Regelungen des Rahmenvertrages behandelt werden, unterzeichneten nun doch alle übrigen Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege. Aus Protest traten Unterzeichnung des Rahmenvertrages traten einzelne Träger, insbesondere Mitglieder des Paritätischen, des BRK und der AWO, aber auch einzelne Mitglieder des Diakonischen Werkes aus ihrer örtlich zuständigen Regionalkommission aus. Zwischenzeitlich sind alle Träger den Regionalkommissionen wieder beigetreten, da die örtlich zuständigen Jugendämter auch bei Trägern ohne Mitgliedschaft in einer Regionalkommission die Geschäftsstellen der Kommissionen mit der Verhandlung der Entgelte beauftragten und zum anderen von den kommunalen Spitzenverbänden die ernsthafte Drohung im Raum stand, andernfalls den Rahmenvertrag zu kündigen. In den Jahren 2001 und 2002 fanden für die meisten Einrichtungen die ersten Entgeltverhandlungen auf der Basis des neuen Rahmenvertrages statt. Nach der langen Phase der Deckelung kam es zu verhältnismäßig hohen durchschnittlichen Entgeltsteigerungen. Herr Hertlein, der damalige Verhandlungsführer für die kommunalen Spitzenverbände, beziffert in seiner Publikation vom November 2001 die Entgeltsteigerungen mit durchschnittlich 6 bis 13 %., Herr Beck, der damalige Geschäftsführer der Regionalkommission Schwaben, nannte bei 39 Aus dem Verband der Informationsveranstaltung des Diakonischen Werkes Bayern im April 2002 eine durchschnittliche Steigerungsrate von 10 % in Bayern. Im Jahr 2002 nahm die Verhandlungskommission Jugendhilfe ihre Verhandlungen wieder auf. Ziel der Einrichtungsträgerverbände war es, zu verbesserten Regelungen bei der Zahl der Berechnungstage zu kommen. Erreicht werden sollte, einheitlich für alle Einrichtungen 337 Tage zu erreichen, und verbesserte Regelungen bei dem Abwesenheitsentgelt sowie der Betreuungspauschale zu erreichen. Die kommunalen Spitzenverbände hingegen wollten eine Neuregelung bei der Ermittlung der Investitionskosten. Schon bei Abschluss des Rahmenvertrages wurde angekündigt, dass hier Nachverhandlungsbedarf gesehen wird. In einer Protokollnotiz wurde festgehalten, dass die Vertragspartner den Umstieg auf ein anderes System zur Berechnung der betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen ernsthaft vorantreiben müssen. Die Diskussion hierzu sollten in der Landeskommission Kinder- und Jugendhilfe geführt werden. Ein weiterer wesentlicher Punkt der Verhandlungen im Jahr 2002 war die Anpassung des Tabellenwerks (Anhanges H zum Rahmenvertrag), also die auf dem BAT-VKA basierenden Vergleichspauschalen, die zur Entgeltermittlung herangezogen werden. Dabei zeigte sich erstmalig ein zentrales Problem des Vertrages: Der Vertrag ging von einer Fortschreibung der Pauschalen jeweils zum 1. Januar eines Jahres aus. Die finanzielle Situation der öffentlichen Haushalte spitzte sich zu, die Tarifverhandlungen streckten sich lange hin und es wurden rückwirkende Lohnerhöhungen beschlossen. Der Verhandlungsführer der kommunalen Spitzenverbände zeigte – trotz massiver Proteste vor allem des Diakonischen Werk Bayern - wenig Bereitschaft zur zeitnahen Einberufung der Landeskommission. So konnten diese Tarif-Erhöhungen erst mit erheblicher Verzögerung in einem fortgeschriebenen Anhang H umgesetzt werden. Die verspätete Umsetzung wirkte zu Lasten der Einrichtungen aus und hat mit den gesetzlich intendierten Vorgaben zur „prospektiven“ Entgeltkalkulation nichts mehr gemein. Bereits Ende 2002 war die Unruhe bei den kommunalen Spitzenverbänden über die Entgeltentwicklung im Jugendhilfebereich sehr groß. Bei den Sitzungen der Regionalkommissionen wurde der Ton immer rauer. Im Frühjahr wurde 2003 erstmals von den kommunalen Spitzenverbänden das Einfrieren der Baukostenrichtzahl gefordert. 40 Dieser Forderung wurde von den Spitzenverbänden der Wohlfahrt zunächst nicht zugestimmt, doch in den Einzelverhandlungen akzeptierten es fast alle Träger. Der Verhandlungsführer Landkreistags forderte aber auch die Zustimmung der Wohlfahrt ein, da die Stimmung bei den Kostenträgern durchaus zu einer Kündigung des Rahmenvertrages hätte führen können. Der Landkreistag informierte daher seine Mitglieder im Juli 2003, dass er davon ausgehe, dass die Forderung nach Einfrieren der Baukostenrichtzahl seitens der Einrichtungsträgerverbände akzeptiert worden sei, da ihr nicht schriftlich widersprochen worden sei. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe reagierten unterschiedlich auf die extrem angespannte Kostensituation. Die Stadt München begann mit dem Projekt „Umbau statt Abbau“, andere Träger reagierten mit der Begrenzung von Zeitverläufen der Leistungsgewährung in den verschiednen Leistungsfeldern, andere wiederum mit einer rigorosen Deckelung der Jugendhilfebewilligungen oder anderen Maßnahmen zur Steuerung der knappen Mittel.. In der Verhandlungspraxis der Geschäftsstellen der Regionalkommissionen setzte sich ab dem Jahr 2003 immer mehr eine sogenannte ergebnisorientierte Verhandlung durch. Insbesondere für sogenannte Folgeangebote, bei denen sich an der Betriebserlaubnis nicht geändert hatte, wurden prozentuale Steigerungen der Entgelte gegenüber den vorherigen faktisch gedeckelt. Dies geschah mit unterschiedlichen Methoden, z.B. mit der Einrechnung fiktiver Einnahmen oder der Streichung einzelner Kostenpositionen weit unter die tatsächlichen Kosten. Dass vor diesem Hintergrund nicht zu einer deutlichen Mehrung von Schlichtungsverfahren gekommen ist, mag verwundern. Die Zahl der Jugendhilfe-Schiedsverfahren ist im Verhältnis zu anderen Einrichtungsarten ist in der Tat nicht hoch und ist vielleicht auch als Ergebnis bestehender Abhängigkeiten zu verstehen. In der Regel wird die Schiedsstelle nur von Trägern angerufen, die auf Grund ihrer Einrichtungsart, z.B. Spezialeinrichtung mit überregionaler Belegung oder Platzmangel am Einrichtungsort nicht einen akuten Belegungsrückgang zu befürchten haben. Einrichtungen, die gegen die Zustimmung des Hauptbelegerjugendamtes erhebliche Entgelterhöhung durchsetzten, müssen einen Belegungsrückgang befürchten und sind u. U. deshalb gezwungen mit neuen Anträgen zur Entgeltabsenkung während der vereinbarten Laufzeit der Vereinbarungen zu reagieren. Aus dem Verband 2004 wurde aus Bayern eine weitere Initiative zu einem „Kommunale Entlastungsgesetz (KEG)“ im Bundesrat gestartet, das auch für das Leistungsfeld der Jugendhilfe wesentliche Verschärfungen bei der Leistungsgewährung vorsah. Vor allem der bayerische Landkreistag wollte umfassende Möglichkeiten zur dringlichen Konsolidierung der Haushalte verankern, die unter anderem die Eingrenzung „ausufernder“ Sozialleistungen beinhalteten (z.B. die Einführung einer „Finanzkraftklausel“, Einschränkung des Wunsch- und Wahlrechtes oder Streichung der Intensivpädagogischen Betreuung im Ausland). 2005 wurde das KEG durch den Bundestag abgelehnt, stattdessen kam es im Rahmen des KICK zu der Aufnahme einer Kostenbeitrags–Verordnung, mit der die Leistungsempfänger zur Kostenbeteiligung herangezogen werden. Am 13.09.2005 wurde der TVöD mit Wirkung zum 1.10.2007 abgeschlossen. Damit war eine wesentliche Bezugsgröße des Rahmenvertrages zur Personalkostenberechnung neu geregelt. Zunächst ergaben sich keine unmittelbaren Auswirkungen, da für den öffentlichen Dienst keine tariflichen Steigerungen abgeschlossen wurden und die Vergleichspauschalen des Rahmenvertrages fortgalten. Vor diesem Hintergrund forderten die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände Anfang 2006 zur Verhandlung zur Anpassung des Rahmenvertrages auf. Der Druck von der politischen Seite auf die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände war auch deswegen groß, weil bei Fortgeltung des alten Rahmenvertrages weiterhin Altersvorrückungen möglich gewesen wären, die im Bereich des TVöD bereits seit 1.10.2005 eingefroren sind – das vertraglich formulierte „Besserstellungsverbots“ wäre Makulatur geworden. Im Laufe des Jahres 2006 fanden mehrere Sitzungen der Landeskommission Kinder- und Jugendhilfe statt, die durch sehr stark von einander abweichende Vorstellungen über die Umstellung des Rahmenvertrages auf die Bezugsgröße TVöD gekennzeichnet waren. Die Kostenträger wollten anfangs den „nackten“ TVöD für die Vergleichspauschalen anwenden ohne einen Bestandsschutz für bereits zur Gültigkeit des BAT-VKA beschäftigte Mitarbeitende aufzunehmen. Bei den folgenden Sitzungen wurden verschiedene Lösungsmöglichkeiten zur Frage der Überleitung diskutiert, dabei wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass nur ein „Gesamtpaket“ zum Abschluss kommen soll. Schließlich ist es gelungen, auch Besitzstandsregelungen in die Anpassung des Rahmenvertrags aufzunehmen. Als über die Umsetzung der Vergleichstabellen eine Einigung erzielt war, drohte die Vertragsanpassung an den - von den Kostenträgern geforderten – Vorgaben zur Aufnahme einer eigenen Rahmen – Qualitätsentwicklungsvereinbarung (QEV) und einem entsprechenden Formblatt für die Qualitätsentwicklung zu scheitern. Gerade zu diesem Formblatt und den einhergehenden Intentionen zur differenzierten Datenerhebung wurden noch langwierige und schwierige Verhandlungen geführt. Mit der Forderung, eine entsprechende Vorlage in den Rahmenvertrag aufzunehmen, verbindet die öffentliche Seite zwei Anliegen: Zum einen sollte durch die Aufnahme einer einheitlichen und verbindlichen Vorlage eine Vereinfachung auch für die Einrichtungen freier Träger erzielt werden: Diese müssen demnach eigene Differenzierungen zur QEV nur dann erstellen, wenn diese vom vorgegebenen Rahmen abweichende Teile beinhalten. Insofern ist die Aufnahme in den Vertrag zu begrüßen. Zum Anderen wird die Bereitschaft gefordert – im Einzelfall und auf konkrete Nachfrage hin – mit dem zur Vereinfachung gedachten Bogen über die Einrichtungsentwicklung zu berichten. Diese Regelungen sind problematisch, da sie nach unserer Vorstellung nicht der Gesetzesintention des SGB VIII entspricht, die auf einen Austausch über Qualitätsentwicklungsfragen unmittelbar zwischen den örtlich agierenden Partnern der Kinder- und Jugendhilfe zielt. Trotzdem schien es mit Blick auf das ansonsten angedrohte Scheitern der gesamten Verhandlung vertretbar, dem Anliegen zuzustimmen. Dies umso mehr, als eine Mitteilungspflicht (über Veränderungen in Leistungsbereichen und Betriebsgrundlagen einer Einrichtung) in ähnlicher Form bereits im Rahmenvertrag enthalten ist (s. hierzu §§ 4, 10 und 13 des Rahmenvertrages). Die Angaben im Kontext von Rückmeldungen aus der QEV dürften in der Praxis also lediglich dazu verwendet werden, Entwicklungen und Ausrichtungen spezifischer Leistungsangebote oder -inhalte zu diskutieren und bezüglich der Weiterentwicklung ggf. Veränderung ins Gespräch zu kommen. Die Notwendigkeit die Empfehlungen des LJHA zur Umsetzung der §§ 8a und 72 a SGB VIII (Kindeswohl und personelle Eignung) in den Rahmenvertrag aufzunehmen, brachte zusätzlich Dynamik. Örtliche Jugendhilfeträger warteten auf verbindliche Vorgaben bei der Vereinbarungsgestaltung, die nun in den Vertrag aufgenommen sind und zwischenzeitlich getroffene Vereinbarungen ersetzen. 41 Aus dem Verband Die Verhandlungen waren sehr, sehr schwierig und drohten mehrmals zu scheitern. Kurz vor Abschluss ging die öffentliche Seite bereits vom endgültigen Scheitern der Verhandlungen aus und stellte ernsthafte Überlegungen an, den Rahmenvertrag zu kündigen. Um so erfreulicher ist es, dass die Fortschreibung des Vertrages ein- vernehmlich zu Ende gebracht werden konnte, alle Verhandlungsparteien haben unterschrieben und die fortgeschriebene Version des Rahmenvertrages ist damit - wie vorgesehen rückwirkend - zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Ute van Beuningen 425 Jahre Annakolleg Augsburg „Tradition ist nicht das Bewahren der Asche, sondern das Schüren der Flamme.“ „Dass keiner von hier fortgehe, außer er ist so gebildet, dass er von nun an das Maß seines Lebens selbst in die Hand nehmen kann.“ Dieses Bildungsziel formulierte Hieronymus Wolf, Rektor des 475 Jahre alten Gymnasiums bei St. Anna (1557-1580) und Ideengeber zur Gründung des Annakollegs im 16. Jahrhundert in seiner Schulordnung. Diesem denkbar klassisch formulierten Bildungsziel des bildungsgeschichtlich bedeutsamen Humanisten fühlt sich das Annakolleg heute nach wie vor verbunden, ist doch kaum trefflicher zu formulieren, woraufhin auch jede Form von Jugendhilfe orientiert sein muss. Mittlerweile 425 Jahre alt und in modernen Räumlichkeiten zu Hause, ist das Annakolleg heute ein Sozialpädagogisches Schülerheim und ein Hort für Mädchen und Jungen zwischen 10 und 18 Jahren im Zentrum der Stadt Augsburg. Zentrales Anliegen der Gründer der Trägerstiftung (1581) war, begabten Knaben aus armen familiären Verhältnissen den Besuch des Prot. Gymnasiums bei St. Anna durch gesicherte Unterkunft und Verpflegung sowie Unterstützung beim schulischen Studium im Annakolleg zu ermöglichen. Diese Verbindung von Bildungs- und sozialen Motiven, die Überzeugung, dass Bildungsarbeit die nachhaltigste Sozialarbeit ist, prägt noch heute das Selbstverständnis der Einrichtung. Doch natürlich sind die konkreten Herausforderungen in unserer Einrichtung mit ihrer äußerst heterogenen Schülergruppe heute ganz andere als vor 425 Jahren. Es bleibt unsere Aufgabe, in den nächsten Jahrzehnten kritisch zu verfolgen, ob unser Dasein in der Nische zwischen herkömmlichen Internaten und heilpädagogischen Heimen weiterhin so gut der Bedarfslage mancher Kinder und Jugendlicher entspricht, und ob unser Konzept und in welcher Form es dazu geeignet ist, Internatsschüler und Hortschüler bei der Erreichung ihrer Ziele angemessen zu unterstützen. Unsere lange Geschichte und unsere 42 Treue zum Gründungsanliegen, gleichermaßen Sozialeinrichtung und Bildungseinrichtung sein zu wollen, erlauben uns nicht, rückwärtsgewandt zu agieren, sondern verpflichten uns, kritisch und geschichtsbewusst zu denken und zukunftsorientiert zu handeln. So wollen wir gerade auch in der konzeptionellen Arbeit der Überzeugung des humanistischen Sozialisten Jean Jaurès folgen, die unserer großen Geburtstagsfeier im Oktober ihr Motto gibt: „Tradition ist nicht das Bewahren der Asche, sondern das Schüren der Flamme.“ Barbara Jekeli Leiterin Aus dem Verband Teile des HPZ Lohhof von Feldkirchen übernommen Betroffene Kinder und Familien nicht auf der Straße stehen lassen Als eine der größten Jugendhilfeeinrichtungen im Münchner Raum ist vielen das Heilpädagogische Zentrum Lohhof (Unterschleißheim) bekannt. Nach einer entsprechenden Entscheidung des Trägers schloss das HPZ zum Schuljahresende 2006 seine Pforten. Wie es mit den Angeboten, den teil- und vollstationären Gruppen weitergehen sollte, gab es viele auch in der Öffentlichkeit veröffentlichte Diskussionen. Letztlich kam es zu einer Zersplitterung der Einrichtung, da verschiedene Träger vom Paritätischen Wohlfahrtsverband und der Diakonie Einrichtungsteile übernommen haben. Insgesamt kann man dazu sagen, dass sich das Platzangebot im teilstationären und vollstationären Bereich damit für München auch verringert hat. Der Geschäftsführer der Inneren Mission München, Herr Dr. Bauer, signalisierte schon sehr frühzeitig, dass er die betroffenen Kinder und Familien nicht auf der Straße stehen lassen werde und bot die Übernahme von einzelnen Gruppen an. Nach den entsprechenden Verhandlungen mit dem bisherigen Träger, den Jugendämtern und der Heimaufsicht hat nun das Mädchenheim Pasing eine gemischte Wohngruppe für Kinder und Jugendliche in München-Obermenzing und die Evangelische Kinder- und Jugendhilfe Feldkirchen eine stationäre Wohngruppe in Lohhof/ Unterschleißheim sowie eine dreigruppige Heilpädagogische Tagesstätte in Garching (beides Landkreis München) zum 01.09.2006 übernommen. In Lohhof haben wir aus der alten Einrichtung Pädagogen übernommen, damit ist die Beziehungskontinuität für die Jugendlichengruppe gewahrt. Unsere nach Feldkirchen nunmehr zweite Heilpädagogische Tagesstätte in Garching bedeutet eine große Bereicherung für den gegenseitigen Austausch. Neues Terrain haben wir mit der Übernahme einer Vorschulgruppe übernommen. Wie sich die Anfrage- und Belegungssituation im Münchner Raum bei teil- und vollstationären Jugendhilfemaßnahmen entwickeln wird, bleibt offen. Um aber auf jeden Fall der Bedürfnissituation nach ambulanten Erziehungshilfen – vor allem im Landkreis München – Rechnung zu tragen, hat unsere Einrichtung die ambulanten Erziehungshilfen konsequent Jahr für Jahr ausgebaut. Diese an einen stationären Träger anzubinden, erweist sich als sehr förderlich. Die Tag- und Nachtbereitschaft der großen Einrichtung sowie die schnellen Möglichkeiten zu Inobhutnahmen und Kriseninterventionen sowie der gute fachliche Austausch unter dem therapeutischen und pädagogischen Personal erweist sich Tag für Tag als sehr hilfreich. So hat Feldkirchen zwar insgesamt am heimeligen Charakter etwas eingebüßt, mit den neuen Einrichtungsteilen aber viel hinzu gewonnen. Für die Feldkirchener schafften die neuen Einrichtungsteile erst einmal viele Umdenkungsprozesse sowie strukturelle Veränderungen. Genossen haben es die Feldkirchener immer, in einer historisch gewachsenen Einrichtung mit ihrem familiären Charakter zu leben und zu arbeiten. Mit nun über 100 Mitarbeitenden bedeutet es eine große Kunst, davon vieles zu bewahren, gleichzeitig aber neue Strukturen zu schaffen. Kannte früher noch jeder jeden, so werden wir bei der großen Anzahl von Mitarbeitenden zunehmend versuchen, durch einrichtungsübergreifende Angebote, Fortbildungen und Veranstaltungen, die interne Vernetzung aufrecht zu erhalten oder sogar noch zu verbessern. 43 Aus dem Verband Wechsel in der Gesamtleitung des Puckenhof Am Freitag, den 13. Juli 2007 wurde im Rahmen eines feierlichen Festaktes Herr Dittmar Geuthner als Gesamtleiter des Puckenhofes in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Dittmar Geuthner lenkte die Geschicke des Puckenhof 17 Jahre lang mit großem Engagement und sehr viel Geschick. In diese Amtsperiode fielen viele Veränderungen, Erweiterungen und Neuerungen, die er im Team mit seinem Abteilungsleitern unterstützte und begleitete, wie z.B.: Innenarchitektonische Veränderungen der Gruppen nach dem Würzburger Modell Bauliche Erweiterung der Schule zur Erziehungshilfe Konzeptionelle Errichtung der 3jährigen Eingangsstufe der Schule zur Erziehungshilfe Erweiterung der Heilpädagogischen Tagesstätte um eine Gruppe für Kinder im Vorschulalter Erweiterung des teilstationären Bereiches um eine zweigruppige Heil- pädagogisch orientierte Tagesstätte in Höchstadt und eine eingruppige Heilpädagogisch orientierte Tagesstätte am Förderzentrum in Spardorf Erweiterung der Arbeit des Puckenhofes um die Pädagogische Nachmittagsbetreuung an 6 Regelschulen Konzeptionelle Umgestaltung von zwei Heimgruppen in 5-Tage-Gruppen Die Mitglieder des Vereins „Der Puckenhof“ e.V. und des Vorstanden und vor allem die MitarbeiterInnen, für deren Belange und Anliegen er immer ein offenes Ohr hatte, danken Dittmar Geuthner für sein unermüdliches Engagement und die Unterstützung. Am 1. September übernahm Martin Leimert die Nachfolge von Dittmar Geuthner. Martin Leimert ist bereits seit 20 Jahren als Abteilungsleiter für die Heilpädagogische Tagesstätte und stellvertretender des Gesamtleiters im Puckenhof tätig. Neuer Leiter im Kinder- und Jugenddorf Martinsberg Ich bin von Beruf Dipl.-Sozialpädagoge und habe in Nürnberg studiert. Nach meinem Abschluss arbeitete ich ab 01.10.1983 im Kinderdorf Martinsberg in einer altersgemischten Gruppe (9 – 15 Jahre) als pädagogischer Mitarbeiter. Durch diesen zehnjährigen Gruppendienst als Mitarbeiter und Gruppenleiter habe ich Jugendhilfe in allen Schattierungen und Qualitäten kennen lernen können, viele Höhen und Tiefen durchlebt und durchgestanden. Die gesammelten Erfahrungen haben meinen weiteren beruflichen Werdegang bestimmt und bereichert. Im September 1994 wurde ich Erziehungsleiter des Kinderdorfes und habe gemeinsam mit Frau Birkmann, der damaligen Kinderdorfleiterin, die Einrichtung geleitet. Berufsbegleitend absolvierte ich eine vierjährige Ausbildung zum Gestalttherapeuten am Institut für Gestalttherapie in Würzburg und erwarb die Heilerlaubnis für den therapeutischen Bereich nach dem Heilpraktikergesetz. 44 Nach dem Ausscheiden von Frau Birkmann übernahm ich im August 2006 die Leitung der Einrichtung „Kinder- und Jugenddorf Martinsberg. Gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurden im Laufe des letzten Jahres in unserer Einrichtung grundlegende Veränderungen durchgeführt. So haben wir bspw. die geschlechts- und altersgemischten Gruppen differenziert und klientenzentrierter gestaltet. Wir haben nun eine Gruppe für 9 – 13-Jährige mit dem Schwerpunkt ADHS, eine Mädchengruppe, eine Jugendwohngruppe ab 15 Jahren mit dem Ziel, die Jugendlichen durch intensive Begleitung zu verselbständigen, eine intensiv-therapeutische Wohngruppe mit Schwerpunkt „Asperger Autismus“ und nach wie vor altersgemischte Gruppen. Zudem haben wir auch unsere pädagogische Konzeption neu formuliert und hinsichtlich Partizipation unserer Kinder und Jugendlichen - auch unter Berücksichtigung realer Anforderungen - Aus dem Verband überdacht. So ist u. a. ein sehr klares und transparentes Regelwerk entstanden, das den Kindern und Jugendlichen Orientierung und Sicherheit gibt. Im letzten Jahr ist auch unser Projektnachmittag entstanden - eine Eigenkreation, die erlebnispädagogische Angebote, persönlichkeitsbildende Werte sowie wissenstheoretische Inhalte durch Bearbeitung verschiedener Themen miteinander verbindet. Dieser Projektnachmittag findet wöchentlich in jeder Gruppe statt und orientiert sich zum Teil am Pfadfindertum. Es besteht ein ausgearbeitetes Curriculum, das nach verhaltenstherapeutischen Prinzipien wirkt. Den Kindern und Jugendlichen, aber auch den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, machen diese gemeinsa- men gruppenpädagogischen Unternehmungen, die sich sehr positiv auf die „Kinderdorfkultur“ ausgewirkt haben, sehr viel Spaß und Freude. Um den teilweise sehr schweren Problemlagen von jüngeren Kindern gerecht zu werden, sind wir zurzeit dabei, alternative Konzepte zu entwickeln, die den durch die Diagnosestellung geforderten hohen Betreuungsaufwand gerecht werden. Seit Juli 2007 ist Frau Dipl.-Psychologin Stark meine neue Kollegin und gemeinsam versuchen wir innovativ, kreativ und fachlich kompetent unsere Einrichtung zu leiten. Gez. D. Oelschlegel Schnittstellen SGB VIII und SGB XII Fachlicher Austausch am 23.Mai 2007 im Diakonischen Werk Nürnberg „Menschen sind nicht in Gesetze aufteilbar“ ist einer der Gedanken, der nach dem Fachgespräch in Erinnerung bleibt: Welche Hilfen gibt es insgesamt, wie sehen die Zuständigkeiten und die Zugänge zu den Hilfen aus, und wie können die Fachleute dafür sorgen, dass die richtige Hilfe für die Betroffenen zum richtigen Zeitpunkt gewährt werden kann? Und was passiert, wenn sich die gesetzlichen Zuständigkeiten ändern, beispielsweise wegen Erreichung des Schulalters oder der Volljährigkeit? Zu einem Austausch darüber hatten die beiden Fachreferenten im Diakonischen Werk Bayern eingeladen: Werner Fack für die Behindertenhilfe und Bernhard Zapf für die Kinder- und Jugendhilfe. Die gut besuchte Veranstaltung war grob vorstrukturiert, ließ aber viele Möglichkeiten der inhaltlichen Gestaltung offen, was der Vielfältigkeit der Themen angemessen war. Deren Bandbreite erstreckte sich dann auch von der Betreuung nach der Geburt bis hin zum Arbeiten und Wohnen erwachsener Menschen mit Einschränkungen. · Klärung von Rechts- und Kostenzuständigkeit · Zugänge zu den unterschiedlichen Hilfen · Eine Familie-unterschiedliche Hilfeformen- wie geht das zusammen? · Kooperation der Bereiche im Diakonischen Werk Bayern · Gemeinsame Veranstaltungen, z.B.: Der Mensch ist Mensch und nicht über Paragrafen definiert Allgemeiner Konsens am Ende des lebhaften Fachtages war, dass eine Fortsetzung gewünscht wird; mit welchen Inhalten und in welcher Form, ist noch offen, und hängt sowohl von der Auswertung der Veranstaltung als auch von aktuellen politischen Entwicklungen ab. Als Fazit aber bleibt: Menschen sind nicht in Gesetze aufteilbar. Und Fachleute sollten in der Lage sein, zum Wohle der Anspruchsberechtigten, formale Grenzen zu überschreiten und alle Ressourcen vor Ort zu nutzen. Sabine Baumgarten Angesprochen wurden unter anderem folgende Inhalte: · Vernetzung regionaler Angebote der Jugendund Behindertenhilfe 45 Aus dem Verband Partizipation von Kindern und Jugendlichen in Internaten und Heimen: Ein paar kurze Gedanken zu den paradoxen Effekten von institutionalisierter Partizipation oder: Worauf es eigentlich ankommt?! Partizipation ist konstitutiver Bestandteil einer gesetzeskonformen, modernen Jugendhilfe. Partizipation ist Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und Auseinandersetzung. Möglichkeiten von Partizipation zu suchen, zu finden und ihre Realisierung zu fördern, ist Aufgabe aller in der Jugendhilfe Tätigen. All das finde ich sehr gut. Und Einrichtungen, die sich dem Thema durch alle hierarchischen Ebenen intensiv widmen und dauerhaft nennenswert Ressourcen investieren, um ihrem hohen Anspruch an Partizipation gerecht zu werden, arbeiten nicht nur substantiell an ihrer pädagogischen Qualität, sondern haben allen Respekt verdient. Ich zweifle nur bisweilen am Focus, der für die Analyse und Bewertung von Beteiligungsqualität gewählt wird und an den Kriterien, an denen üblicherweise Beteiligung orientiert wird. Ich denke, dass dabei zu häufig und oft zu ausschließlich an die institutionalisierten Formen von Partizipation gedacht wird und zu selten an eine Beteiligung der Kinder und Jugendlichen durch die Art und Weise, wie wir täglich miteinander umgehen, wie wir miteinander sprechen, welches Klima wir in den Einrichtungen pflegen. Dass ein Grund dafür im sehr unterschiedlichen Maß der Objektivier- und insofern Untersuchbarkeit der verschiedenen Formen von Beteiligung liegt, ist klar. Und dennoch: Denke ich an gelungene Partizipation von Kindern und Jugendlichen, kann ich sie in dem Wunsch zusammenfassen, dass sich jedes Kind und jeder Jugendliche meiner Einrichtung traut, an meine Tür zu klopfen, wenn ihn etwas stört, wenn er ein Problem hat, wenn er etwas braucht. Ich denke also, die Ermöglichung von Teilhabe ist in erster Linie eine Frage der Haltung all derer, die Verantwortung tragen. Entscheidend ist, ob das Kind oder der Jugendliche spürt, dass er respektiert wird, dass seine Meinung und seine Kritik, wirklich interessieren und ernst genommen werden. Entscheidend ist, ob ihm geholfen wird, diese zu artikulieren, wo es ihm 46 seine analytischen und intellektuellen Fähigkeit oder die Strukturen oder die Einstellung anderer Beteiligten im System nicht erlauben, angemessen wahrgenommen zu werden; und natürlich, dass dann auch etwas weitergeht. Als euphorischer Anhänger von SMV-Arbeit (Schülermitverantwortung), also einer institutionalisierten Form der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Schulen, Internaten und Schülerheimen, bin ich unverdächtig, etwas gegen geregelte Vertretung und Beteiligung zu haben. Ich finde es im Sinn von Übung und Praxis demokratischer Prinzipien ungeheuer wichtig, dass Schüler Vertreter wählen, dass deren Rechte, Pflichten und Einflussmöglichkeiten klar definiert sind, dass auch ihre Unterstützung durch Erwachsene gesichert ist und ihnen Raum (im wörtlichen Sinn, im finanziellen Sinn und im übertragenen Sinn) gegeben ist. Wir müssen aber auch aufmerksam sein für die unerwünschten Nebeneffekte von Institutionalisierung von Partizipation und nach Möglichkeit gegensteuern. Wir können im Kleinen dieselben Beobachtungen machen wie auf der Ebene der nationalen Politik. „Die da“ sind zuständig; „die“ sollen machen; „die da“ sind verantwortlich. Eine Institutionalisierung – z.B. SMV – soll nicht dazu führen, dass der Einzelne verlernt bzw. nicht lernt, sein Anliegen selbst zu formulieren, sein Behagen oder Unbehagen direkt zu benennen. (Ähnliches gilt übrigens auch für die Mitarbeitervertretung, die allzu oft missverstanden wird als die Personengruppe, die alles Unpopuläre zu tun und Sprachrohr zu sein hat auch für höchstindividuelle Anliegen…) Es ist ein echtes Risiko überall, wo Vertretungsgremien gewählt werden, dass eine Person oder eine Gruppe den Auftrag bekommt, Wünsche zu formulieren und Interessen zu vertreten, alle anderen sich aber aus der Verantwortung zurückziehen. Jeder aber soll mündig werden und muss das üben. Trotz Vertretungsgremien vertritt sich zunächst jeder selbst. Jedes unserer Kinder und alle Jugendlichen müssen lernen, sich kritisch zu äußern und dafür eine angemessene Form bzw. einen angemessenen Tonfall zu finden. Und jeder Mitarbeiter in unseren Einrichtungen muss sie verstehen wollen und schuldet ihnen angemessene Antworten und Reaktionen. Aus dem Verband Ein ähnliches Risiko sehe ich beim Einsatz von Fragebögen und sog. Kummerkästen, deren Sinn und Zweck zur Auslotung von Stärken und Schwächen der Arbeit und als Hinweis auf Veränderungsbedarf in unseren Einrichtung ich hoch schätze; auch als Kommunikationsmöglichkeit in einem großen Personenkreis und als besonderen Vorteil für eher zurückhaltende Menschen halte ich Fragebögen für unverzichtbar. Sie können aber die Kommunikationskultur verzerren. Die anonyme Form des Fragebogens oder der Botschaft per Zettel im Briefkasten darf uns nicht verlernen oder zu erlernen hindern, dass ich zu meiner Haltung auch stehen können sollte, mich zu meiner Kritik auch bekennen können sollte, meine Position mit meinem Namen versehen können sollte. Um Kinder und Jugendliche auch informell, aber ernsthaft und aufrichtig zu beteiligen, müssen wir uns folgenden Fragen besonders kritisch stellen: 9 Welcher Sprache bedienen wir uns im Gespräch? 9 Wie begleiten wir im Hilfeplanprozess? Helfen wir dem Schüler durch altergemäße Vorbereitung und Nachbereitung von Hilfeplangesprächen zu verstehen, was ihn betrifft, und im Rahmen seiner Möglichkeiten Einfluss zu nehmen? 9 Wie transparent machen wir Entscheidungen und Prozesse in unseren Einrichtungen, die unsere Betreuten betreffen, auch wenn wir sie nicht beteiligen können? Wollen wir in unseren Motiven verstanden werden, selbst wenn sie unpopulär sind? Sind wir dabei ehrlich? 9 Wie erreichbar – im wörtlichen und im übertragenen Sinn – sind Leitungskräfte für die Kinder und Jugendlichen? Und wenn wir merken, jemand hat Angst vor uns: bemühen wir uns darum, ihm diese Angst zu nehmen? Kommen wir entgegen? 9 Wie helfen wir auch dem Schüchternen oder dem intellektuell Schwachen, seine Kritik und seine Anliegen alltäglich zu artikulieren? Was tun wir dafür, dass er in seiner Gruppe nicht untergeht? 9 Was tun wir dafür, dem „unbequemen“ Schüler, dem der opponiert, dazu zu befähigen, angemessene Wege der Kommunikation zu finden und ihn ernst zu nehmen auch dann, wenn es sehr anstrengend wird? 9 9 Welche Haltung wird für die Betreuten täglich spürbar? Welches Interesse an Bedürfnissen und Meinungen vermitteln die Mitarbeiter einer Einrichtung durch den Stil des täglichen Gesprächs? Welches Klima herrscht zwischen allen Personengruppen der Einrichtung – Leitung, Mitarbeiterschaft in Pädagogik, Hauswirtschaft, Verwaltung und Schülerschaft – und prägt die gesamte Beteiligungskultur in der Einrichtung? Eine echte Verantwortungsgemeinschaft in unseren Einrichtungen können wir nicht mit den besten Formen institutionalisierter Partizipation herstellen und so auch nicht Mündigkeit lehren, unabhängig wie groß oder klein die Einrichtung ist. Institutionalisierte Formen von Partizipation können in einem Klima, in dem Mitverantwortung aller als durchgängiges Prinzip verstanden wird, organisatorische Stütze sein, um das Gewollte besser zu erreichen und werden gewiss wichtiger, je größer Einrichtungen sind; an sich aber sind sie niemals hinreichend; das Eigentliche ist nicht institutionalisierbar. Barbara Jekeli Leiterin Annakolleg 47 Aufwachsen begleiten Halt geben Landesfachtagung 2007 Evangelischer Erziehungsverband in Bayern e.V. Evangelischer Erziehungsverband Bayern e.V. 29. November 2007 Im Annahof 4 86150 Augsburg Rückkehr der W erte….? Werte….? Erkenntnisse und Konsequenzen für qualifiziertes Arbeiten im Feld erzieherischer Hilfen im Anschluss: Mitgliederversammlung Evangelischer Erziehungsverband Bayern e.V. Tagung der Einrichtungsleitungen 2008 Die nächste Tagung für Einrichtungsleitungen wird wieder gemeinsam mit dem LVKE in der Woche Invokavit vom ??. 02. – ??. 03. 2007 stattfinden. Bitte den Termin bereits vormerken!