Unsere Religion heißt Metal

Transcription

Unsere Religion heißt Metal
KULTUR
MUSIK
»Unsere Religion heißt Metal«
Der israelische Gitarrist Chen Balbus über seine Band »Orphaned
Land«, arabische Fans und Rock als Friedensbringer
31.07.2014 - von Tobias Prüwer
Chen Balbus, das aktuelle Album Ihrer Band heißt »All is One«, übersetzt »Alles ist
eins«. Ist das ein politisches Statement?
Ja, wir wollen zeigen, dass Krieg und Hass keine Notwendigkeiten sind. Wir sind alle Menschen,
und wir müssen uns gegenseitig respektieren und für eine bessere Zukunft in Harmonie leben.
Auch im Nahen Osten?
Juden und Muslime sind beide Nachkommen von Abraham. Ein Song der CD, »Brother«,
handelt davon. Er erzählt die Geschichte Isaaks und Ismaels als Anspielung auf den Krieg
zwischen Juden und Arabern heutzutage. Wir sind alle Brüder, wenn man mal zurückschaut.
Sind Sie eine jüdische Band?
Alle Bandmitglieder sind jüdisch, aber »Orphaned Land« selbst hat keine Religion außer Metal.
»All is One« wurde in Israel, in der Türkei und in Schweden aufgenommen – Zufall,
dass es sich um je ein jüdisches, ein muslimisches und ein christliches Land handelt?
Ja, das war ein netter Zufall, zu sehen, dass das Album seinem Titel entsprechend in Ländern mit
den drei monotheistischen Religionen entstand.
Sie dürfen in arabischen Ländern nicht auftreten, haben dort aber viele Fans. Sind
Sie stolz darauf?
Mehr, als ich das mit Worten beschreiben kann. Eine israelische Band wird von unzähligen
arabischen Fans unterstützt, während unsere sogenannten politischen Führer uns kein Leben in
Frieden schaffen können. Orphaned Land bringt Menschen verschiedener Kulturen und
Religionen einander näher, als es die Politiker je getan haben. Fans haben sogar eine
Online-Petition gestartet, um uns für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen.
© Jüdische Allgemeine - Wochenzeitung für Politik, Kultur und Jüdisches Leben
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/19827
Seite (1/2)
KULTUR
Sie nennen Ihren Musikstil »Oriental Metal«. Können Sie das definieren?
So wie sich die Genres des schwedischen oder des finnischen Metals aus ihrer jeweiligen Kultur
entwickelt haben, ist es auch bei uns. Unser Bassist Uri Zelcha zum Beispiel hat ägyptische und
tunesische Wurzeln, ich bin zum Teil spanischer Herkunft. Als eine Band des Nahen Ostens haben
wir alles Mögliche aus unserer Herkunft und Kultur als Inspirationsquellen genutzt und das mit
unserer Musik kombiniert. Daraus ist Oriental Metal als Genre entstanden.
»All is One« ist musikalisch direkter und härter als Ihre vorherigen Alben. Warum?
Die früheren CDs waren sehr komplex und progressiv, hatten längere Songs und komplexe
Gitarrenriffs und so weiter. Da kam uns die Idee, mal etwas Neues auszuprobieren, etwas, dem
einfacher zuzuhören und das leichter zu verstehen ist. Das hatten wir zuvor noch nie gemacht –
und es ist das bis jetzt erfolgreichste unserer Alben geworden.
Heavy Metal wird oft mit Gewalt assoziiert. Sie verkünden eine versöhnliche
Botschaft. Sehen Sie da keinen Widerspruch?
Ich glaube, dass Metal das ehrlichste und raueste Genre von allen ist. Du bekommst hier die
Chance, der Welt deine eigene Wahrheit mitzuteilen. Metal ist der beste Weg, das Licht und das
Gute zu zeigen, statt nur die dunkle Seite.
Besonders im Black Metal gibt es auch antisemitische Fans und Bands. Hatten Sie
damit je Probleme?
Glücklicherweise haben wir nichts erlebt, an das man sich erinnern oder dem man zu viel
Aufmerksamkeit schenken müsste. Selbst wenn es ein paar böse Kommentare gab: Wir geben
denen einfach unseren Segen und hoffen, dass sie einen besseren Weg finden werden als den Hass.
Das Gespräch führte Tobias Prüwer.
© Jüdische Allgemeine - Wochenzeitung für Politik, Kultur und Jüdisches Leben
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/19827
Seite (2/2)