Nicht zur Veröffentlichung bestimmt! - Landtag Sachsen

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Nicht zur Veröffentlichung bestimmt! - Landtag Sachsen
Landtag von Sachsen-Anhalt
Ausschuss für Inneres und Sport
Textdokumentation 6/INN/51
Textdokumentation
zur Veröffentlichung im Internet
über die öffentliche Anhörung
in der 51. Sitzung des
Ausschusses für Inneres und Sport
am 2. Oktober 2014
in Magdeburg, Landtagsgebäude
Tagesordnung:
Seite:
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalabgabenrechtlicher Vorschriften
Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 6/3419
Anhörung
Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt
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Wasserverbandstag e. V.
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Stadtwerke Aschersleben GmbH
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Stadtwerke Halle GmbH
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Landesverband Haus & Grund Sachsen-Anhalt e. V.
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Verband Deutscher Grundstücksnutzer e. V.
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Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau
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Initiativennetzwerk Kommunalabgaben Sachsen-Anhalt (INKA)
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Anwesende:
Ausschussmitglieder:
Abg. Herr Dr. Brachmann, Vorsitzender
Abg. Herr Bönisch
Abg. Herr Bommersbach
Abg. Herr Borgwardt (i. V. d. Abg. Herrn Kolze)
Abg. Herr Krause (Zerbst)
Abg. Herr Wunschinski
Abg. Herr Grünert
Abg. Frau Quade
Abg. Frau Tiedge
Abg. Herr Erben
Abg. Frau Schindler
Abg. Herr Herbst (i. V. d. Abg. Herrn Striegel)
SPD
CDU
CDU
CDU
CDU
CDU
DIE LINKE
DIE LINKE
DIE LINKE
SPD
SPD
GRÜNE
Ferner nimmt Abg. Herr Scheurell (CDU) an der Sitzung teil.
Des Weiteren nehmen Abg. Herr Scharf (CDU) als Mitglied des Ausschusses für Umwelt, Abg. Herr Barthel (CDU) und Abg. Herr Henke (DIE LINKE) als Mitglied des Ausschusses für Finanzen an der Sitzung teil.
Von der Landesregierung:
vom Ministerium für Inneres und Sport:
Staatssekretär Herr Prof. Dr. Gundlach
Textdokumentation:
Stenografischer Dienst
Vorsitzender Herr Dr. Brachmann eröffnet die Sitzung um 10.04 Uhr und stellt die
Beschlussfähigkeit fest.
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Zur Tagesordnung:
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalabgabenrechtlicher Vorschriften
Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 6/3419
Anhörung des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt
Unter Vorlage 13 liegt eine schriftliche Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände vom 1. Oktober 2014 vor.
Herr Leindecker trägt vor, der Städte- und Gemeindebund vertrete die Auffassung,
dass die Grundsteuermessbescheide nicht im Wege des Amtshilfeverfahrens von den
Städten und Gemeinden versandt werden sollten. In anderen Bundesländern sei derzeit ein Roll-back in diesem Bereich zu konstatieren. Die Städte und Gemeinden seien
zum Teil mit Widersprüchen überflutet worden, die sie selbst nicht hätten behandeln
können, da dafür eigentlich die Finanzbehörden zuständig seien.
Der Städte- und Gemeindebund schlage vor, auf die Privilegierung übergroßer Wohngrundstücke bei der Beitragsbemessung zu verzichten. Das sei logische Konsequenz
daraus, dass im Finanzausgleich „kein Pfennig“ für die Refinanzierung der Deckungslücken, die dadurch bei den Zweckverbänden aufträten, verwendet werde.
Der Städte- und Gemeindebund bitte darum, die Höchstverjährungsfrist deutlich zu
verlängern. Denn die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts lasse sich aufgrund der
Rechtsprechung in Sachsen-Anhalt nicht so schnell umsetzen, wie im Gesetzentwurf
vorgesehen. Die Städte und Gemeinden seien nicht in der Lage, bis zum 31. Dezember 2015 alle ausstehenden Bescheide in rechtssicherer Form auszustellen, zumal die
Verwaltungsgerichte und das Oberverwaltungsgericht in den vergangenen Jahrzehnten
ein Stück weit dazu beigetragen hätten, dass die Städte und Gemeinden immer wieder
in rechtshängige Situationen geraten seien, was zu dem Rückstau in den betreffenden
Bereichen geführt habe.
Was den Stand der Abarbeitung angehe, so bestünden erhebliche Unterschiede im
Land. Einige Verbände hätten den Rückstau bereits über Jahre abgearbeitet, während
andere Verbände signalisiert hätten, dass sie im kommenden Jahr das Zehnfache an
Bescheiden abwickeln müssten, dazu jedoch nicht in der Lage seien.
Der Gesetzentwurf gehe zum Teil auf die Initiativen des Städte- und Gemeindebundes
zurück. So habe er darauf hingewiesen, dass es bei der Einbringung von Gewerbegebieten in ein Kalkulationsgebiet immer wieder zu Problemen komme. Fördermittel,
die speziell für die Ansiedlung von Gewerbe und Industrie vergeben worden seien,
müssten zweckgebunden für solche Gebiete verwendet werden. Ein Einschleifen in die
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Globalkalkulation sei hierbei nicht möglich. In der Regel würden die Aufwendungen für
die innere Erschließung solcher Gebiete durch Dritte finanziert, sodass sie nicht zu
Lasten der übrigen Einwohner eines Globalkalkulationsgebietes gingen. Daher müsse
diese Fördermittelsituation in die Beitragskalkulation mit einbezogen werden. Einen
entsprechenden Formulierungsvorschlag habe der Städte- und Gemeindebund in seiner schriftlichen Stellungnahme unterbreitet.
In diesem Zusammenhang müsse darauf geachtet werden, dass die ausschließlich für
die entsprechenden Fördergebiete vergebenen Mittel auch tatsächlich diesen Gebieten
zugutekämen. Das führe nicht zu einem Ansteigen der Beiträge für den Bereich der
übrigen Einwohner, sondern die Beiträge blieben stabil entsprechend den vorgegebenen Kalkulationen.
Ein neues Problem sei der dramatische Rückgang des Wasserverbrauchs insbesondere im ländlichen Bereich. Die Leitungsnetze seien ursprünglich für einen Pro-KopfVerbrauch von 250 l ausgelegt worden. Heute würden weit unter 100 l pro Kopf und in
ländlichen Bereichen teilweise sogar unter 70 l pro Kopf verbraucht. Bei Wasser, das in
den Leitungen stehe, beginne nach etwa 20 bis 25 Tagen eine Verkeimung. Um dem
entgegenzuwirken würden zusätzliche Betriebsaufwendungen nötig. Ziel sei es, mit
einer möglichst degressiven Gebühr bei der Trinkwasserversorgung leistungsadäquat,
aber insbesondere mit Blick auf den Verbrauchsrückgang die bestehende öffentliche
Wasserversorgung effizienter zu nutzen.
So sei es den Stadtwerken Magdeburg ein Anliegen, mit Blick auf die Trinkwasserversorgung Magdeburg, die die ganze Region mit Trinkwasser versorge, die Möglichkeit
zu schaffen, langfristige Verträge mit Großabnehmern in das System der öffentlichen
Wasserversorgung einzuschleifen. Wenn das nicht gelinge, werde es infolge des demografischen Wandels zu erheblich höheren Betriebskosten und zur Notwendigkeit
von Redimensionierungen kommen.
Mindestens 80 % der Beitragsschuldner hätten im Vertrauen auf die Gültigkeit der Satzung ihren Beitrag unmittelbar nach der Beitragsveranlagung entrichtet. Sofern die
Satzung aufgrund einer Gerichtsentscheidung unwirksam geworden sei, erfolge eine
erneute Beitragsbescheidung. Das könne im Einzelfall zu unverhältnismäßigen Belastungen führen. Auf Seite 5 der schriftlichen Vorlage sei deshalb ein Vorschlag unterbreitet worden, wie in solchen Fällen aufgabenadäquate Lösungen gefunden werden
könnten. Derjenige, der im Vertrauen auf eine rechtswirksame Satzung Beiträge gezahlt habe, solle nicht über Gebühr belastet werden. Das sei auch für die Stärkung des
Rechtsfriedens in den Bereichen wichtig, in denen ordnungsgemäß gehandelt worden
sei.
Allerdings sei auch zu bedenken, dass die Gebührenrelation nicht mehr stimme, wenn
ein Beitragsschuldner bereits einen Beitrag sozusagen als Vorausleistung gezahlt ha-
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be, sein Nachbar jedoch nicht. Dies könne möglicherweise dazu führen, dass Gebührensatzungen rechtlich angegriffen würden. Daher sei es wichtig, zu einer Lösung zu
kommen, die auch die bereits erbrachten Leistungen berücksichtige und ein hohes
Maß an Gerechtigkeit im System gewährleiste.
Anhörung des Wasserverbandstages e. V.
Unter Vorlage 6 liegt eine Stellungnahme des Wasserverbandstages e. V. vom
30. September 2014 vor.
Herr Mauer trägt vor, die mit dem Gesetzentwurf in § 5 Abs. 3a vorgesehene degressive Gebühr werde vom Wasserverbandstag außerordentlich begrüßt. Die Gebührendegression sei dem Wasserverbandstag schon seit Jahren ein Anliegen. Die Wasserwirtschaft sei sehr stark fixkostenlastig, sodass es bei steigender Menge stets zu einer
Kostendegression komme.
Der Wasserverbandstag schlage vor, die Degression nicht anhand der juristischen
Person, sondern pro Anschluss auszuweisen. Eine Firma könne ja in einem Verbandsgebiet durchaus mehrere Anschlüsse haben.
Ein weiteres Anliegen sei es, den Degressionspunkt in das Gesetz oder zumindest in
die Gesetzesbegründung mit aufzunehmen. Hintergrund dafür sei folgende Überlegung: Die Kostendegression beginne schon bei der kleinsten Menge und wachse bei
steigenden Mengen an. Die Wasserverbände müssten jedoch irgendwo einen Startpunkt für die Gebührendegression setzen, zum Beispiel ab einer Menge von
100 000 m³. Sie liefen damit aber Gefahr, dass die Gerichte ihnen vorhielten, diesen
Startpunkt willkürlich gegriffen zu haben. Insofern wäre ein Hinweis im Gesetz zu begrüßen, ab welcher Menge die Verbände die Gebührendegression beginnen könnten.
In § 6 Abs. 3 werde die Möglichkeit geschaffen, Teilbeiträge durchzuführen. Das stelle
einen Paradigmenwechsel im Beitragsrecht in Sachsen-Anhalt dar. Bislang gehe die
Rechtsprechung vom Gesamtanlagenprinzip aus, auch bei der Vorgabe, dass eine
Anlage fertiggestellt sein müsse, bevor Beiträge erhoben werden könnten. Das Gesamtanlagenprinzip liege auch dem System von Beiträgen und Gebühren zugrunde.
Beiträge und Gebühren korrespondierten miteinander. Sofern, wie vorgesehen, ein Teil
der Beitragspflichtigen volle Beiträge, ein anderer Teil jedoch nur Teilbeiträge zahle,
werde dies auch Auswirkungen auf die Gebührensätze haben.
In § 6 Abs. 5 des Gesetzentwurfs werde im Zusammenhang mit dem Vorteilsbegriff
nicht mehr nur auf die bauliche Nutzungsmöglichkeit abgestellt, sondern auch auf
„sonstige Nutzungsmöglichkeiten“. Unklar bleibe aber, was damit gemeint sei. Hierbei
werde die Kreativität der Gerichte gefordert sein, mit einem solchen Begriff umzugehen.
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Kritisch beurteile der Wasserverbandstag, dass über die Verteilung der Zuwendungen
im Beitragsrecht nun Wirtschaftsförderung betrieben werden solle. In die Beitragskalkulation gingen die Kosten für die Erschließung mit ein. Die Kosten würden sozialisiert.
Dagegen würden die Zuwendungen künftig bei der Beitragskalkulation unberücksichtigt
bleiben.
Darüber hinaus nehme die Formulierung nicht explizit Bezug auf Zuwendungen aus
der Wirtschaftsförderung. In der Umweltförderung könne beispielsweise die abwasserseitige Erschließung einer Gemeinde gefördert werden. Da die Gruppe, der diese Zuwendungen zuflössen, eindeutig bestimmt sei, müssten auch in diesem Falle die Zuwendungen aus der Beitragskalkulation herausgenommen und bei der Veranlagung
berücksichtigt werden. Letztlich würden dadurch alle Beitragskalkulationen betroffen
sein. Der Weg der Umsetzung über das Beitragsrecht sei vielleicht nicht der beste.
Im neuen § 13b - Zeitliche Obergrenze für den Vorteilsausgleich - gehe es um die Beitragsverjährung. Der Wasserverbandstag teile die Ansicht des Städte- und Gemeindetages ausdrücklich, dass diese Frist sehr kurz bemessen sei, insbesondere für die
„Altanschlussnehmer“. Es liege nicht an den Aufgabenträgern, dass die Bescheidung
für den Herstellungsbeitrag II erst jetzt beginnen könne, sondern an der Rechtsprechung. Der Herstellungsbeitrag II stehe erst seit dem Jahre 2008 fest.
Zudem seien Aufwendungen, die in das bestehende Kanalnetz zur endgültigen Fertigstellung der Anlage nach dem Stand der Technik gingen, als beitragsfähiger Aufwand
mit einzubeziehen. Daher müssten auch Aufwendungen aus jüngster und aktueller Zeit
mit berücksichtigt werden.
Die Frist bis 2015 sei „sehr sportlich“. Sachsen-Anhalt weise damit im Bereich der
„Altanschlussnehmer“ die kürzeste Frist aller ostdeutschen Länder auf. Die Verbände
stellten sich dieser großen Herausforderung. Das Jahr 2015 werde in Sachsen-Anhalt
das Jahr der Beiträge werden. Tausende von Beitragsbescheiden würden ausgegeben
werden.
Änderungen im Beitragsrecht führten immer zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung. So habe es etwa im Zusammenhang mit der Abgrenzung übergroßer Grundstücke nach § 6c mehr als sieben Jahre gedauert, bis durch die entsprechenden OVGUrteile endgültig geklärt worden sei, wie dieser Paragraf anzuwenden sei. Angesichts
der knappen Frist bis 2015 rege der Städte- und Gemeindebund an, bis zur Abarbeitung der anstehenden Bescheide noch den Rahmen der heutigen Rechtssicherheit im
Gesamtanlagenprinzip beizubehalten und die vorgesehenen Änderungen im Zusammenhang mit der Wirtschaftsförderung und den Teilbeiträgen erst nach Abschluss des
Jahres 2015 wirksam werden zu lassen.
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Auf eine Frage des Abg. Herrn Erben legt Herr Mauer dar, der Formulierungsvorschlag zum Umgang mit den Nacherhebungsfällen, der soeben vom Städte- und Gemeindebund vorgetragen worden sei, sei ihm vorher nicht bekannt gewesen, sodass er
seine Einschätzung zu diesem Vorschlag schriftlich nachreichen werde.
Seit 2008 bestehe Rechtssicherheit beim Thema Herstellungsbeitrag II. Bislang habe
es allerdings keinerlei Veranlassung gegeben, anzunehmen, dass die Durchführung
unter Zeitdruck vorgenommen werden müsse. Die meisten Aufgabenträger hätten nach
der Wende zunächst die Neuanschlüsse baulich umgesetzt und beschieden. Es seien
Kläranlagen und neue Netze gebaut worden. Anschließend habe man in die bestehenden Netze investiert. Insofern gebe es einen fließenden Übergang, und es habe kein
Zeitdruck bestanden, dies bis zu einem bestimmten Zeitpunkt umzusetzen. Konzeptionell sei es mit der Umsetzung des Abwasserbeseitigungskonzeptes und mit der Umsetzung des Sanierungskonzeptes für die Altkanalisation einhergegangen.
In Beantwortung einer Nachfrage der Abg. Frau Schindler, ob eine Umwandlung der
in Sachsen-Anhalt im Gegensatz zu anderen Ländern - etwa Sachsen - bestehenden
Beitragserhebungspflicht in eine Kann-Regelung einige der genannten Probleme lösen
würde, führt Herr Mauer aus, er hielte die Umsetzung eines solchen Paradigmenwechsels für schwierig. Insbesondere würde sich die Frage stellen, wie eine Gleichbehandlung derjenigen, die bereits Beiträge gezahlt hätten, mit denjenigen, die noch keine Beiträge gezahlt hätten, erreicht werden könne. Ein Großteil der Beitragspflichtigen
habe bereits Beiträge gezahlt, was sich auf die Höhe der Gebühren auswirke. Man
käme dann zu zum Teil dauerhaft gesplitteten Gebührensätzen.
Eine Kann-Vorschrift wäre in den frühen 1990er-Jahren sicherlich hilfreich gewesen.
Aber angesichts der seitdem erfolgten Entwicklung halte er, Mauer, einen Wechsel zu
einer Kann-Vorschrift heutzutage für schwierig.
In den vergangenen 25 Jahren seien insbesondere im ländlichen Raum immense Investitionen umgesetzt worden. Wenn diese immensen Investitionen allein über Gebühren hätten abgewickelt werden müssen, lägen die Gebühren deutlich höher.
Abg. Herr Grünert unterstreicht, bereits seit 1991 schreibe das Kommunalabgabengesetz in § 2 vor, dass kommunale Abgaben nur aufgrund einer Satzung erhoben werden dürften. Mit Verweis auf die Einnahmebeschaffungsgrundsätze sei im Jahr 1999
begründet worden, dass eine Pflicht zum Erlass einer Satzung bestehe. Dennoch sei
bis heute in vielen Gemeinden keine Satzung erlassen worden. Es stelle sich die Frage, ob das an mangelnder Kontrolle liege oder ob man es einfach nicht für sinnvoll erachte.
Der Landtag habe im Jahr 1996 beschlossen, dezentrale Anlagen zuzulassen. Dennoch sei auch danach noch umfassend zentral angeschlossen worden, obwohl jedem
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bekannt gewesen sei, dass das im ländlichen Bereich zu immensen Kosten führe, die
nicht über Gebühren zu kompensieren seien. Ihm, Grünert, erschließe sich nicht, warum jetzt gesagt werde, aufgrund der hohen Investitionen müssten alle Herstellungsbeiträge II gezogen werden.
Er könne auch die Darstellung nicht nachvollziehen, dass die Verbände zunächst die
neuen Anschlüsse abgearbeitet und danach die Altanschlüsse in den Blick genommen
hätten. Seiner Erfahrung nach seien stets ganze Züge in Angriff genommen worden, in
denen sowohl alte Anschlüsse erneuert, als auch neue Anschlüsse vorgenommen
worden seien.
Sicherlich treffe es zu, dass der Wasserverbrauch unter 100 l pro Kopf sinke. Allerdings habe doch wohl bereits im Jahr 1991 die Pflicht bestanden, über ein Abwasserkataster hinaus die zukünftige Entwicklung zu ermitteln. Bis heute werde auch im Zusammenhang mit der Fortschreibung der Abwasserbeseitigungsprämie die Frage des
Abwasserkatasters und damit die zukünftige Entwicklung nur mangelhaft abgebildet.
Wenn gesagt werde, jetzt liege eine völlig neue Rechtssituation vor, dann wolle er darauf hinweisen, dass das Bundesverfassungsgericht klargestellt habe, dass Grundlage
der Rechtsprechung der entsprechende Verfassungsgrundsatz sei, der aber bislang
unverändert geblieben sei. Offensichtlich sei die Landesregelung nicht mit diesem
Grundsatz des Grundgesetzes in Übereinstimmung zu bringen gewesen.
Herr Mauer macht deutlich, der Herstellungsbeitrag II, um den es hier schwerpunktmäßig gehe, sei erst mit den Urteilen des OVG in den Jahren 2005 bis 2008 entstanden. Bis zu diesem Zeitpunkt sei davon ausgegangen worden, dass Altanschlussnehmer nicht heranzuziehen seien. Für den Kläranlagenbereich habe die Möglichkeit des
Verbesserungsbeitrags bestanden. Das OVG habe diesen im Nachhinein mit als Herstellungsbeitrag anerkannt. In den anderen Bundesländern sei dies nicht anders gehandhabt worden.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, auf das der Abgeordnete Bezug genommen habe, sei erst im Jahr 2008 gefasst worden. Es sei für Sachsen-Anhalt wie auch
für die anderen Bundesländer neu gewesen. Auch kalkulatorisch müsse zwischen dem
Herstellungsbeitrag I und dem Herstellungsbeitrag II unterschieden werden, da unterschiedliche Kalkulationsgrundsätze anzuwenden seien.
Was die Frage angehe, ob der Rückgang des Wasserverbrauchs nicht hätte vorhergesehen werden können, so sei er, Mauer, nach wie vor davon überzeugt, dass der
Großteil der Abwassererschließungen auch im ländlichen Bereich sinnvoll gewesen
sei, auch wenn es an einigen Stellen in der Euphorie der 90er-Jahre vielleicht zu Übertreibungen gekommen sei. Auch bei Zugrundelegung aller Statistiken könnten lediglich
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Annahmen über die Höhe des künftigen Wasserverbrauchs gemacht werden. Wissen,
wie hoch er tatsächlich sein werde, könne man es jedoch immer erst im Nachhinein.
Anhörung Stadtwerke Aschersleben GmbH
Herr Eicken stellt das System der degressiven Gebührenbemessung der Stadtwerke
Aschersleben anhand einer PowerPoint-Präsentation (Vorlage 16) vor.
Abg. Herr Grünert will wissen, ob es nach der Einführung der neuen Gebührenbemessung zu Unterdeckungen gekommen sei. Er fragt zudem, ob aus der Sicht der
Stadtwerke Aschersleben Probleme hinsichtlich der im Gesetzentwurf vorgesehenen
Regelung zu erwarten seien, dass eine Degression nicht zu einer Subventionierung
des industriellen Bereichs durch den Siedlungsabwasserbereich führen dürfe.
Herr Eicken führt aus, die Stadtwerke Aschersleben hätten im Jahr 2011 mit ersten
Analysen dahin gehend begonnen, wie sich die Preise entwickeln müssten, um weiterhin eine Kostendeckung sicherzustellen. Dazu sei unter anderem die Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamtes herangezogen worden. Diese Analyse habe
ergeben, dass der damalige Nettopreis pro Kubikmeter in den folgenden drei bis vier
Jahren von 2 € auf 3,50 € hätte angehoben werden müssen, um eine Kostenunterdeckung abzuwenden. Zum Zeitpunkt der Umstellung des Tarifsystems habe noch keine
Kostenunterdeckung vorgelegen. Allerdings seien weitere Preissteigerungen absehbar
gewesen, da die Mengen weiter abnähmen.
Dies sei der Auslöser für den Entschluss gewesen, deutlich höhere Erlöse über feste
Preisbestandteile zu generieren, ohne soziale Verwerfungen zu riskieren. Mit einem
linearen Preissystem wäre dies nicht möglich gewesen. Hierüber sei ein breiter Konsens mit der Politik, der Wohnungswirtschaft und der Wirtschaftsförderung einschließlich der Unternehmen erzielt worden.
Dieses degressive System sei erstmals im Jahr 2012 in Nordrhein-Westfalen eingeführt worden. Die Stadtwerke Aschersleben hätten daher eine enge Kooperation mit
den Rheinisch-Westfälischen Wasserwerken aufgenommen, die mehr als
800 000 Einwohner und große Industrie versorgten. Die Stadtwerke Aschersleben hätten ein sehr positives Feedback erfahren, da sie sich aktiv mit den Herausforderungen
des demografischen Wandels und bezahlbarer Infrastruktur auseinandergesetzt hätten.
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Anhörung der Stadtwerke Halle GmbH
Herr Lux weist zu Beginn darauf hin, dass seine Ausführungen mit der Stadt Halle abgestimmt seien und auch deren Meinung wiedergebe. Im Wesentlichen trägt er sodann
vor, in § 6 Abs. 9 des Kommunalabgabengesetzes sei geregelt, dass Beiträge als öffentliche Last auf dem betreffenden Grundstück ruhten. Das erleichtere die Durchsetzung der Ansprüche in Insolvenzfällen. Eine parallele Regelung für Gebühren fehle
jedoch. Hier biete sich an, § 5 - Benutzungsgebühren - um einen weiteren Absatz zu
ergänzen, in dem geregelt werde, dass auch Gebühren als öffentliche Last auf einem
Grundstück ruhten.
In § 5 Abs. 3a werde die Gebührendegression auch im Abfallbereich geregelt. Dabei
werde im Gesetzentwurf von der „Beseitigung und Verwertung von Abfällen“ gesprochen. Im Kreislaufwirtschaftsgesetz werde inzwischen zusätzlich das Recycling aufgeführt. Da Abfallströme heutzutage nicht mehr nur beseitigt oder verwertet, sondern
auch recycelt würden, biete es sich an, diese Stelle im Gesetzentwurf in Analogie zum
Kreislaufwirtschaftsgesetz zu gestalten.
Im Gesetzentwurf sei keine Degression in der Abfallgebühr vorgesehen, sondern ausschließlich eine lineare Staffelung. Bis zum vergangenen Jahr habe die Abfallsatzung
der Stadt Halle eine Degression für einen bestimmten Fall vorgesehen, der durch das
folgende Beispiel verdeutlicht werde.
Zwei Grundstückseigentümer benötigten jeweils ein Abfallentsorgungsvolumen von
1,1 m³ und eine wöchentliche Abfuhr. Der eine Grundstückeigentümer beschaffe einen
Behälter zu 1,1 m³, der andere neun Tonnen zu 120 l. Bei der Entsorgung falle bei einem Behälter nur ein Lade- und Schüttvorgang an, bei neun Tonnen fielen dagegen
fünf Vorgänge an - auf einem Weg könne ein Mitarbeiter zwei Tonnen bewegen - und
ein erheblich größerer Zeitaufwand.
Nach der im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelung müssten die beiden Kunden exakt
identisch behandelt werden, obgleich die im Sammelsystem jeweils anfallenden Kosten
nicht identisch seien. Das stelle insbesondere bei größeren Wohnungseinheiten ein
Problem dar.
Auf eine Frage des Abg. Herrn Wunschinski hin erläutert Herr Lux, nur das sachsenanhaltische KAG sehe im Bereich der Abfallgebühren überhaupt eine Regelung zum
Thema Linearität oder Degression vor. Alle anderen Bundesländer verzichteten auf
eine solche Regelung.
Abg. Herr Grünert gibt zu bedenken, die wichtigste Aufgabe sei nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz die Abfallvermeidung. Diese werde im Gesetzentwurf zum KAG aber
ebenfalls nicht erwähnt. Wenn das KAG um den Begriff des Recyclings erweitert wer-
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den solle, wäre es eventuell auch angeraten, auch das Prinzip der Abfallvermeidung in
den Vordergrund zu stellen.
Wenn die Entsorgungskosten für einen Behälter zu 1,1 m³ günstiger wären als für eine
120-l-Tonne, würden natürlich alle Grundstückseigentümer nur noch die Behälter zu
1,1 m³ bestellen. Bislang habe er es jedoch immer so erlebt, dass die Abfallverbände
sehr sorgsam mit der Frage umgegangen seien, wie eine vernünftige, sozial gebundene Gebühr erreicht werden könne, und ihre Entsorgungsrhythmen und Tonnengrößen
danach ausgerichtet hätten. Einen zwingenden Grund zu einer degressiven Gebühr in
diesem Bereich erkenne er nicht.
Herr Lux antwortet, sein Vorschlag sei nicht, die Formulierung im Gesetzentwurf nur
um den Begriff des Recyclings zu ergänzen, sondern stattdessen sollte generell nur
noch von Entsorgung gesprochen werden. Damit würde die komplette Abfallhierarchie
des Europarechts und auch des Kreislaufwirtschaftsgesetzes abgedeckt.
Die Gefahr, dass Kunden statt einer 120-l-Tonne künftig einen Behälter zu 1,1 m³ bestellten, sehe er nicht. Denn ein Behälter zu 1,1 m³ wäre natürlich in jedem Falle teurer
als eine 120-l-Tonne. Worauf es ihm, Lux, ankomme, sei es, die Degression in der Abfallsammlung zuzulassen, auch wenn in der Abfallentsorgung weiterhin die Pflicht zur
Linearität bestehen bleibe. Durch eine solche Regelung könne einerseits ausgeschlossen werden, dass der Anfall von viel Müll durch geringe Preise sozusagen belohnt
werde, aber andererseits dennoch an den Kunden weitergegeben werde, dass es viel
günstiger sei, einen 1,1-m³-Behälter zu bewegen als neun 120-l-Tonnen.
Abg. Frau Schindler merkt an, ihrem Verständnis nach sehe das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle durchaus die Möglichkeit vor, auf der Grundlage von unterschiedlichem Aufwand bei der Abfallsammlung eine differenzierte Gebühr zu berechnen.
Herr Lux erwidert, das Verwaltungsgericht Halle habe zwar die ökonomische Begründung anerkannt, dass ein großer Behälter weniger Kosten verursache als mehrere
kleine mit entsprechendem Volumen. Mit Verweis auf das gegenwärtige KAG habe es
die degressive Gebührenordnung dennoch für nicht möglich erklärt. Eine Belohnung
dafür, dass ein Kunde einen größeren anstelle vieler kleiner Behälter verwende, sei
nach KAG nicht zulässig.
Landesverband Haus & Grund Sachsen-Anhalt e. V.
Unter der Vorlage 11 liegt eine schriftliche Stellungnahme des Landesverbandes
Haus & Grund e. V. vom 1. Oktober 2014 vor.
Herr Dr. Neumann trägt vor, die wohnungswirtschaftlichen Verbände hätten bereits im
Vorverfahren die Möglichkeit erhalten, zum Gesetzesvorhaben Stellung zu nehmen. In
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diese Stellungnahme seien allerdings auch die Vorstellungen und Vorschläge der
Wohnungsbaugesellschaften und Wohnungsgenossenschaften eingeflossen. Er,
Dr. Neumann, sei gebeten worden, auch deren Standpunkte heute mit zu vertreten.
Mit dem Gesetzesvorhaben werde versucht, eine Reihe von Punkten aufzugreifen, die
in der Rechtsprechung jahrelang strittig gewesen seien oder die auf Vorschlägen des
Städte- und Gemeindebundes beruhten. Das Vorhaben sei kompliziert, unter anderem
deshalb, weil Änderungen dieser Art nicht vorhersehbare Auswirkungen in der Rechtsprechung, aber auch in der Handhabung hervorrufen könnten.
Bislang sehe das KAG in § 6c Abs. 2 eine begrenzte Veranlagung für übergroße
Grundstücke vor, die vorwiegend Wohnzwecken dienten oder in Zukunft dienen würden. In der Gesetzesnovelle sei eine begrenzte Veranlagung nur noch für jene übergroßen Grundstücke vorgesehen, die aktuell bereits Wohnzwecken dienten. Eine
Übergangsfrist sei nicht vorgesehen. Als Konsequenz werde für alle diejenigen, die in
der Vergangenheit nach der aktuellen Rechtsprechung eine Begünstigung erfahren
hätten, wieder eine Beitragspflicht entstehen. Da die Verbände einer Beitragserhebungspflicht unterlägen, wären sie verpflichtet, in diesen Fällen eine Nacherhebung
durchzuführen. Abgesehen davon könnten sich dadurch auch Auswirkungen auf die
Beitragskalkulationen ergeben.
Auch was die degressive Gestaltung von Abwassergebühren angehe, sei eine recht
komplizierte Rechtslage zu beachten. Es sei noch nicht klar, wie tatsächlich kontrolliert
und sichergestellt werden könne, dass nicht sozusagen der Einfamilienhauseigentümer
für den Großbetrieb zu zahlen habe.
Was die Fragen der Teileinrichtung und der Definition des Vorteilsbegriffes angehe,
schließe er sich den Ausführungen des Wasserverbandstages an. Die Begriffe in diesem Bereich seien durch die jahrzehntelange Rechtsprechung nicht nur in SachsenAnhalt sondern auch des Bundesverwaltungsgerichts geprägt. Insofern müsse sehr
behutsam vorgegangen werden, wenn beabsichtigt sei, in diesem Feld neue Akzente
zu setzen.
Der Kerngedanke der Gesetzesnovelle sei die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts bzw. die Verjährungsfrist. Die wohnungswirtschaftlichen Verbände
hätten den Fraktionen bereits vor Monaten einen Vorschlag zu einer möglichen Umsetzung unterbreitet. Dabei hätten sie sich an der bisher vorhandenen Festsetzungsverjährungsfrist von vier Jahren in der Abgabenordnung orientiert. Nun sei im Gesetzentwurf im neuen § 13b die Einführung einer zehnjährigen Verjährungshöchstfrist vorgesehen. Dies entspreche dem derzeitigen Stand der Diskussion der Rechtsprechung im
Land. In diesem Zusammenhang ergäben sich aus der Sicht der Wohnungswirtschaft
zwei Probleme.
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Das erste Problem sei die Übergangsfrist, das zweite Problem sei die Tatsache, dass
der Beginn der Verjährung nicht exakt definiert worden sei. Denn es sei nicht ganz klar,
was unter dem „Eintritt der Vorteilslage“ zu verstehen sei. Bislang gehe die Rechtsprechung davon aus, dass ein Grundstückseigentümer möglicherweise erst mit der endgültigen Realisierung der abwassertechnischen Konzeption eines Verbandes Rechtssicherheit über seine Abwasserentsorgung erlange. Der Landesverband Haus & Grund
vertrete die Auffassung, dass der Vorteil grundstücksbezogen sein müsse und schlage
deshalb nochmals vor, in § 13b Satz 1 das Wort „grundstücksbezogen“ einzufügen,
sodass der Satz folgende Fassung erhielte:
„Eine Abgabenerhebung ist unabhängig vom Entstehen einer Abgabenpflicht zum Vorteilsausgleich mit Ablauf des
10. Kalenderjahres, das auf den Eintritt der grundstücksbezogenen Vorteilslage folgt, ausgeschlossen.“
Diese Ergänzung der Formulierung würde dazu beitragen, in Zukunft viele Rechtsstreitigkeiten zu verhindern. Noch besser wäre es, wenn die Verwirklichung der Vorteilslage
durch einige Beispiele im Gesetz konkretisiert würde.
Die vorgesehene Übergangsregelung lehne der Landesverband Haus & Grund ab.
Wenn eine Verjährungshöchstfrist von längstens zehn Jahren verfassungsgemäß sei,
dann könne der Gesetzgeber nicht aus fiskalischen Gründen eine längere Verjährungsfrist zulassen. Darüber hinaus teile der Landesverband die Auffassung, dass in den
Jahren von 2005 bis 2008 eine gesicherte Rechtslage bestanden habe, in der die Verbände Abgaben hätten erheben können.
Der vom Landesverband Haus & Grund unterbreitete Vorschlag für eine Übergangsregelung, der auf das Halbteilungsprinzip abstelle, sei von der Landesregierung relativ
simpel mit der Aussage abgebürstet worden, er entspreche nicht der Systematik des
Kommunalabgabenrechts. Dagegen sei darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht Magdeburg selbst in einem Beschluss zu einem Rechtsstreit des Wasser- und
Abwasserzweckverbands Gommern das Halbteilungsprinzip als Einigungsgrundlage
vorgeschlagen habe. Der Verband strebe aktuell einen Kompromiss mit den Beitragspflichtigen auf Grundlage ebendieses Halbteilungsprinzips an. Er, Dr. Neumann, sei
überzeugt, dass dieser Verband seine Probleme in diesem Bereich erfolgreich lösen
werde. Der Verband schwebe jedoch in Unsicherheit, solange eine derartige Formulierung nicht im Gesetz verankert sei.
In diesem Sinne werbe er, Dr. Neumann, noch einmal für den Vorschlag, bis Ende 2015 freiwillige Vereinbarungen über die Ablösung bereits gegebenenfalls verjährter
Beiträge zuzulassen.
Abschließend weist er darauf hin, dass § 171 Abs. 3a der Abgabenordnung vorsehe,
dass ein neuer Beitrag erlassen werden könne, solange ein Verfahren rechtsanhängig
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sei. Sofern gewünscht sei, dass tatsächlich zu Ende 2015 „Schluss“ sein solle, sei anzuraten, im Gesetz ausdrücklich festzulegen, dass § 171 Abs. 3a der Abgabenordnung
ausgeschlossen werde.
Abg. Herr Grünert merkt an, häufig würden Akten nach einer Aufbewahrungszeit von
zehn Jahren vernichtet. Für die Berechnung des Herstellungsbeitrags II könnten unter
Umständen Ausbaumaßnahmen herangezogen werden, die länger als zehn Jahre zurücklägen. Der Abgeordnete schließt daran die Frage an, wie belastbar die Berechnungen für die Herstellungsbeiträge II unter diesen Umständen seien.
Herr Dr. Neumann erklärt, die Rechtsprechung sei in der Vergangenheit in der Regel
recht großzügig gewesen. Sofern sich ein zunächst „gegriffener“ Beitrag im Verfahren
über die Globalkalkulation als richtig herausstelle, werde er von den Gerichten akzeptiert. Aber natürlich würden sich nach so langer Zeit Schwierigkeiten ergeben, den Herstellungsbeitrag II gerichtsfest darzustellen.
Auf eine Frage des Abg. Herr Erben hin legt Herr Dr. Neumann dar, der Vorschlag
des Städte- und Gemeindebundes zum Thema der Nacherhebung komme den Abgabepflichtigen sicherlich entgegen. Aus juristischer Sicht müsse allerdings angenommen
werden, dass der Vorschlag von den Gerichten verworfen werde. Die Grundsätze der
Beitragserhebung würden es verbieten, Sonderregelungen für einzelne Fälle vorzusehen.
Grundsätzlich berge der Gesetzentwurf so viel Zündstoff, dass versucht werden sollte,
in einer ruhigen Diskussion zunächst die einzelnen Probleme zu beleuchten und die
„Reparatur“ des Kommunalabgabengesetzes auf einen Zeitpunkt zu verschieben, bis
zu dem sich der Gesetzgeber in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten wirklich eine
umfassende Meinung zu allen schwierigen Punkten gebildet habe. Sollte der Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung beschlossen werden, werde er den Juristen viel
Beschäftigung bieten.
Verband Deutscher Grundstücksnutzer e. V.
Unter der Vorlage 10 liegt eine schriftliche Stellungnahme des Verbandes Deutscher
Grundstücksnutzer e. V. vom 30. September 2014 vor.
Herr Fischer trägt vor, mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei allen
vor Augen geführt worden, dass die Verfassungsgrundsätze der Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit, des Vertrauensschutzes und der Leistungsfähigkeit Grundlage der Beitragserhebung sein müssten.
Dabei gehe es nicht nur um den leitungsgebundenen Bereich, sondern auch um den
Bereich des Straßenbaus. Die Stadt Oranienbaum-Wörlitz habe im vergangenen Jahr
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Beitragsforderungen für eine straßenbauliche Maßnahme aus dem Jahre 1992 erhoben - also nach mehr als 20 Jahren. Es sei zweifelhaft, wie dies mit den vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Grundsätzen der Vorhersehbarkeit und des Vertrauensschutzes in Einklang gebracht werden könne. Anders als die Kanalnetze, die auf
eine Dauer von 40 bis 70 Jahren angelegt seien, akzeptierten Gerichte Erneuerungen
im straßenbaulichen Bereich, die beitragspflichtig gemacht würden, bereits nach
20 Jahren. Im vorliegenden Fall könnte also theoretisch bereits eine weitere Erneuerung erfolgen. Vielfach habe auch schon ein Generationenwechsel stattgefunden, sodass der Sohn für den Vater Beiträge entrichte.
Der Verband könne der vorgesehenen zehnjährigen Verjährungsfrist unter Vorbehalten
folgen. In der Abgabenordnung sei neben der vierjährigen Verjährungsfrist auch eine
zehnjährige Verjährungsfrist vorgesehen, allerdings nur bei Vorliegen einer strafbaren
Handlung.
Im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften gehe es um die Frage, ob das Grundstück lastenfrei sei, also frei von Beitragsforderungen. Sofern es nach zehn Jahren zu
einer Beitragserhebung komme, könne ein Erwerber eines Grundstückes nach BGB
keinerlei Schadensersatzforderungen gegen den Verkäufer herleiten. Daher sehe der
Verband Deutscher Grundstücksnutzer die gerade noch mögliche Verjährungshöchstfrist bei zehn Jahren.
Die Übergangsfrist lehne der Verband Deutscher Grundstücksnutzer hingegen in vollem Umfang ab. Für sie sei keinerlei Sachbezug erkennbar.
Die Argumentation für degressive Gebühren im Wasserbereich sei nachvollziehbar und
werde vom Verband Deutscher Grundstücksnutzer unterstützt. Darüber hinaus könne
eine degressive Gebührengestaltung auch positive Wirkung auf Grundwasserstände
erzielen. Durch immer geringere Wasserentnahme stiegen vielerorts die Grundwasserstände, was etwa zu überfluteten Keller führe. Dem könne unter anderem durch eine
höhere Wasserentnahme entgegengewirkt werden.
Die Einführung des Wiederbeschaffungszeitwertes als Grundlage für die Abschreibung
berge die Gefahr von Rechtsstreitigkeiten. Wenn eine Abschreibung zum Wiederbeschaffungszeitwert festgeschrieben werde, sei sie nicht kapitalverzehrend. Dies führe
möglicherweise zu einer Doppelbelastung der Beitragspflichtigen, weil am Ende der
Kalkulationsperiode für den Beitrag der Kapitalabzug über die Abschreibung nicht zu
einer Nullsetzung des Abzugskapitals führe.
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Anhörung der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau
Unter der Vorlage 15 liegt eine schriftliche Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau vom 10. September 2014 vor.
Herr Scholtyssek äußert sich im Sinne der Stellungnahme der IHK Halle-Dessau
(Vorlage 15).
Auf Fragen des Abg. Herrn Herbst hin erklärt Herr Scholtyssek, eine zehnjährige
Verjährungsfrist könne in einigen Fällen durchaus angemessen sein. Wichtig sei eine
klare Definition des Zeitpunktes, wann der Vorteil eingetreten sei. Problematischer sei
die im Gesetzentwurf vorgesehene Übergangsfrist zu sehen.
Die Frage, für welche Unternehmensgröße eine degressive Gebührengestaltung zu
Mehrbelastungen führe, sei nicht pauschal zu beantworten. Die Mehrbelastungen beträfen alle Unternehmen und ließen sich nicht an der Branche, am Umsatz oder an der
Unternehmensgrößenklasse festmachen.
Abg. Herr Barthel führt aus, der Vertreter der IHK Halle-Dessau habe in seiner Stellungnahme dargestellt, die Novelle des KAG führe zu Mehrbelastungen für Unternehmen, und habe dies in eine Reihe mit tatsächlich zusätzlichen Regelungen wie etwa
dem Vergabegesetz gestellt. Im Zusammenhang mit dem KAG gehe es jedoch darum,
dass die Unternehmen tatsächlich eine Leistung erhalten hätten, die allerdings nicht
zeitnah abgerechnet worden sei. Insofern stehe eine werthaltige Forderung im Raum.
Vor diesem Hintergrund erschließe sich ihm nicht, warum es als eine zusätzliche Belastung gewertet werden solle, wenn einem eine Zahlung aufgrund der Verfristung erspart bleibe, die bei sachgerechter Abrechnung ohnehin hätte geleistet werden müssen. Hierbei gehe es auch nicht um eine zusätzliche „Regelungswut“ des Landes.
Herr Scholtyssek legt dar, der hohe Kostendruck, dem die Unternehmen unterlägen,
setze sich aus vielen einzelnen Bestandteilen zusammen. Einen dieser Bestandteile
könne das KAG darstellen. Für Unternehmen sei es kaum möglich, Rückstellungen für
eine Maßnahme zu bilden, die vor zwanzig Jahren stattgefunden habe. Zum damaligen
Zeitpunkt hätten noch keine Satzungen bestanden. Die dann aufgestellten Satzungen
seien in der Regel beklagt worden, seien dann nicht mehr gültig gewesen, und neue
Satzungen seien aufgestellt worden. Das Problem für die Unternehmen sei, dass jetzt
Rechnungen für Maßnahmen erstellt würden, die bereits zwanzig Jahre alt seien.
Er stelle gar nicht in Abrede, dass jemand, der eine Leistung bezogen bzw. einen Vorteil erlangt habe, hierfür auch zahlen müsse. Nicht in Ordnung sei hingegen der lange
Zeitraum, bis die Rechnung schließlich erstellt werde.
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Auf eine Nachfrage des Abg. Herr Grünert hin stellt Herr Scholtyssek dar, dem betroffenen Grundstückseigentümer sei es in der Regel egal, wann eine Maßnahme
- etwa im Straßenbau - im juristischen Sinne abgeschlossen oder fertiggestellt sei. Für
ihn sei entscheidend, dass er die Straße nutzen könne. Sofern dieser Zeitpunkt mehr
als zehn Jahre zurückliege, sei in der Regel kaum noch nachvollziehbar, dass er dafür
noch zahlen solle.
Abg. Herr Grünert merkt an, leider werde nicht die Nutzung durch den Grundstückseigentümer in den Vordergrund gestellt, sondern es gehe um die nachträgliche Heranziehung des Grundstückseigentümers. Teilweise betreffe dies Baumaßnahmen, die
bereits vor vielen Jahrzehnten erfolgt seien. So könne es durchaus zu immensen
Nachforderungen an Betriebe kommen, die im Betriebsergebnis nicht mehr abbildbar
seien.
Abg. Herr Bommersbach erklärt, wenn ein Unternehmen eine Rückstellung für eine
erhaltene Leistung gebildet, diese Rückstellung aber dann aufgelöst habe, stelle sich
die Frage, ob diese Rückstellung überhaupt hätte aufgelöst werden dürfen. Außerdem
habe das Unternehmen während der ganzen Zeit quasi einen Kredit bekommen, für
das es nichts gezahlt habe. Daher erschließe sich ihm die Argumentation des Vertreters der IHK Halle-Dessau nicht.
Herr Scholtyssek erwidert, er habe lediglich auf den Umstand hingewiesen, dass es
für ein Unternehmen schwierig sei, eine Rückstellung zu bilden, sofern die genaue Höhe der Forderung unbekannt sei.
Anhörung des Initiativennetzwerks Kommunalabgaben Sachsen-Anhalt (INKA)
Herr Dr. Beck trägt vor, im Jahre 2009 habe das INKA auf eine Anfrage hin eine Antwort einer Landtagsfraktion erhalten, in der ausgesagt worden sei, dass eine etwaige
Verjährung eines Anspruches auf Beitragserstattung nicht eintreten könne, solange
eine beitragsbegründende Satzung noch nicht vorgelegen habe. Die Bürger hätten das
Problem erkannt und den entscheidenden Gremien immer wieder vorgelegt. Es habe
jedoch der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedurft, um die in den Augen
des INKA grotesk rechtswidrige Entwicklung in diesem Bereich wieder in die richtigen
Bahnen zu lenken.
Das Kommunalabgabenrecht sei ein sehr sensibler Bereich, da die Bürger sehr massiv
davon betroffen seien, teilweise bis zur Existenzbedrohung. Aus diesem Grunde hätten
das Bundesverfassungsgericht und auch das Bundesverwaltungsgericht bereits vor
vielen Jahren deutlich gemacht, dass es der Vorhersehbarkeit und der Bestimmbarkeit
bedürfe und dass Rechtssicherheit bestehen sowie der Grundsatz des Vertrauens gewahrt werden müsse.
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Interessant sei, dass in den Debatten der Grundsatz des Vertrauens in der Regel nur
auf die Abwasserzweckverbände, nicht jedoch in Hinblick auf die betroffenen Bürger
angewendet werde. In der aktuellen Rechtswirklichkeit sei der Bürger mit einem Kommunalabgabenrecht konfrontiert, das im Beitragswesen vollkommen zersplittert und
unübersichtlich geworden sei.
Die Trinkwasserversorgung komme seit Langem nur mit Gebühren aus. Eine Beitragserhebung finde hier praktisch nie statt. Bei der Abwasserversorgung sei dies zumindest
die Regel. Bei Straßenbaumaßnahmen sei maßgeblich, ob es sich um Neu- oder um
Ausbau handele, da sich daran unterschiedliche Regelungen anschlössen. Beim Ausbaubeitragsrecht werde dann wieder intern danach differenziert, ob die Maßnahme vor
der Rechtsänderung 1999 oder danach erfolgt sei. Die Wenigsten dürften verstehen,
wie es genau gemacht und gedacht sei.
Die ursprünglich sehr klare und nachvollziehbare Regelung, dass Kommunalabgaben
nur aufgrund einer Satzung erhoben werden dürften und dass die Beitragspflicht mit
der Beendigung der beitragsfähigen Maßnahmen entstehe, sei aus fiskalischen Gründen verlassen worden. Bis heute bestehe in diesem Bereich eine große Rechtsunsicherheit, an der auch der vorliegende Gesetzentwurf nichts ändere. In ihm werde lediglich die Obergrenze von zehn Jahren festgelegt. Trotzdem wisse der Bürger nach wie
vor nicht, wann die regelmäßige Verjährungsfrist von vier Jahren beginne.
Auch in der Frage der Rechtsanwendung bestünden erstaunliche Unterschiede im
Lande. Große Städte wie Halle und Magdeburg seien privilegiert und müssten keine
Beiträge erheben, aber auch in kleineren Gemeinden wie etwa Weißenfels werde entgegen der geltenden Rechtslage ein Beitrag nicht erhoben. Auch der Herstellungsbeitrag II werde im Land völlig unterschiedlich durchgesetzt. Beim fusionierten Abwasserzweckverband Hettstedt gälten sogar innerhalb des Verbandes unterschiedliche Regelungen. Im Abrechnungsgebiet Hettstedt seien noch nie Herstellungsbeiträge erhoben
worden, während im Bereich Mansfeld-Schlenze Beiträge erhoben worden seien. Für
den Bereich Hettstedt habe selbst die Kommunalaufsicht die Rechtmäßigkeit der
Nichterhebung bestätigt. Auch andere Abwasserzweckverbände hätten Sonderregelungen, was den Herstellungsbeitrag II angehe. Man sei also weit davon entfernt, überall im Lande einheitliche Rechtsverhältnisse zu haben.
Wer jedoch als Bürger den Nachteil habe, im Bereich beitragserhebender Verbände zu
wohnen, der könne auch zwei Jahrzehnte nach einer Baumaßnahme noch nicht davon
ausgehen, dass das eigentliche Verfahren beendet sei. Es könne jederzeit wieder aufgegriffen werden. Auch nach dem vorliegenden Gesetzentwurf sei es durchaus denkbar, dass bis zu 25 Jahre nach Erhalt eines Beitragsbescheides die Beitragserhebung
aufgegriffen werde. Damit werde der Beitragszahler noch wesentlich schlechter behandelt als ein Steuerhinterzieher, für den nach zehn Jahren „Schluss“ sei.
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Daher sei es aus der Sicht des INKA dringend erforderlich, die Systemwidrigkeiten im
Kommunalabgabengesetz zurückzuentwickeln und das Entstehen neuer Systemdifferenzen zu vermeiden. Systemfremde Veränderungen, die unter rein fiskalischen Gesichtspunkten in Erwägung gezogen würden, bedürften einer besonders kritischen Betrachtung. Für die unterschiedliche Umsetzung des Gesetzes müsse eine legalisierende und dem Gleichheitsgedanken entsprechende Regelung gefunden werden.
Darüber hinaus seien die gesetzlichen Grundlagen so auszugestalten, dass sie dem
Rechtsfrieden im Land dienlich seien und nicht zu einer Welle neuer Streitigkeiten und
einer neuen Prozesslawine führten, die Bürger und Verbände gleichermaßen belasten
würden.
Das INKA sei der Auffassung, dass die Beitragserhebungspflicht seit 1996 Teil des
Problems sei und rückgängig gemacht werden sollte. Dadurch würden den Kommunen
Spielräume eröffnet, auf legale Weise auf Beitragserhebungen zu verzichten, wie es
bisher mehr oder weniger „halblegal“ oder illegal erfolge, und die Refinanzierung über
Gebühren durchzusetzen. Diese Option würde auch dazu beitragen, das Problem des
Herstellungsbeitrags II erheblich zu entschärfen. In anderen Bundesländern wie Thüringen und Sachsen sei dieser Weg bereits beschritten worden. Für diejenigen, die
bereits Beiträge gezahlt hätten, bestünde die Möglichkeit, über einen bestimmten Zeitraum eine verminderte Gebühr festzusetzen. Im Ergebnis komme es darauf an, wieder
in die Systematik des Kommunalabgabengesetzes zurückzufinden.
Im Übrigen habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss nicht nur den
Weg einer Verjährungshöchstfrist aufgezeigt, sondern zum Beispiel auch darauf hingewiesen, dass der Satzungsgeber verpflichtet werden könne, die zur Heilung des
Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkraftsetzens der ursprünglichen, nichtigen Satzung in Kraft zu setzen. Er,
Dr. Beck, sei erstaunt, dass diese Möglichkeiten nicht erwogen worden seien. Denn
durch diese Lösung würde wieder an den Satzungszeitpunkt angeknüpft werden, und
der Bürger hätte ein konkretes Datum an der Hand, ab dem die Verjährungsfrist liefe.
Auch das Argument des Vertrauensschutzes spreche für eine solche Regelung. Denn
sobald ein Verband oder eine Gemeinde eine Satzung verabschiedet habe, müsse der
Bürger doch davon ausgehen, dass spätestens dadurch die vom Abgabenrecht vorgesehene Verjährungsfrist in Gang gesetzt werde.
Durch eine solche Rückwirkungsanordnung trete auch kein Nachteil gegenüber einem
Rechtszustand ein, der bestünde, sofern die ursprüngliche Satzung tatsächlich rechtsgültig gewesen wäre. Sofern die Sorge bestehe, dass eine solche Rückwirkungsanordnung zu einer Verjährung führe, könnten hierfür Übergangsregelungen geschaffen
werden. Darauf habe das Bundesverfassungsgericht hingewiesen.
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Die mit dem Gesetzentwurf vorgesehene Festsetzungshöchstfrist von zehn Jahren sei
verfassungsgemäß. Entsprechende Hinweise habe das Bundesverfassungsgericht
gegeben. Nicht zwingend begründbar sei jedoch die Übergangsfrist zum 31. Dezember
2015. Sie sei weder durch den Gleichheitsgrundsatz noch durch den Grundsatz des
Vertrauensschutzes geboten, da ein Vertrauen in die Rechtswidrigkeit eigener Satzungen nicht bestehen könne. Hier würden Fehlleistungen auf Verwaltungsseite vollkommen einseitig auf die Bürger abgewälzt, und es dränge sich der Eindruck auf, dass alle
Veränderungen des Kommunalabgabengesetzes immer auf fiskalischen Erwägungen
beruhten.
Durch die Verjährung werde keineswegs einseitig der Bürger privilegiert, sondern sie
diene auch dem Allgemeinwohl. Dr. Annette Guckelberger weise in ihrer Habilitationsschrift „Die Verjährung im Öffentlichen Recht“ ausführlich darauf hin, dass sie auch
dem öffentlichen Interesse diene, indem sie zu klaren Rechtsbeziehungen beitrage.
Die Verjährung diene dem öffentlichen Interesse, soweit sie die Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit bezwecke. Praktisch habe eine Verjährungsfrist disziplinierende Wirkung für die Verwaltung.
Bei dieser Gelegenheit wolle er, Dr. Beck, auch für eine Rückkehr zum kostenfreien
Widerspruchsverfahren plädieren.
Erhebliche Bedenken habe er im Zusammenhang mit degressiven Gebührensystemen.
Gebühren und Beiträge hingen miteinander zusammen. Das Oberverwaltungsgericht
Sachsen-Anhalt habe in zwei Entscheidungen im Jahre 2011 in Bezug auf Mehrverbraucher und Starkverschmutzer auf ein Problem mit dem Gleichheitsgrundsatz
hingewiesen. Unter Umständen sollten Mehrdimensionierungskosten in Erwägung gezogen werden. Sie seien jedoch im Kommunalabgabengesetz nicht verpflichtend geregelt.
So werde beispielsweise eine Verpflichtung zum Abschluss einer Mehrkostenvereinbarung bei einem Großverbraucher im Bereich des Abwasserzweckverbands UnstrutFinne abgelehnt. Dabei gehe es um ein einzelnes Unternehmen, dass eine Schmutzfracht in die Kanalisation einleite, die der von 10 000 Einwohnern entspreche. Der Abwasserzweckverband argumentiere gegen eine Mehrkostenvereinbarung mit dem
Verweis darauf, dass das Unternehmen lineare Abwassergebühren zahle. Sofern das
Gebührensystem auf degressive Gebühren umgestellt würde, würde das Unternehmen
sozusagen doppelt profitieren.
Schluss der Sitzung: 12.14 Uhr.