Medienrecht - Universität Koblenz · Landau
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Medienrecht WS 2012/2013 Prof. Dr. Tobias Keber +49 711 8923 2718 [email protected] www.hdm-stuttgart.de/mw https://twitter.com/datenreiserecht Gliederung 1. Kapitel: Einführung 2. Kapitel: Presserecht 3. Kapitel: Urheberrecht 4. Kapitel: Telemedienrecht 5. Kapitel: Domainrecht 6. Kapitel: Europäisches und Internationales Medienrecht 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 2 Literatur und Links I. Literatur 1. Rechtstexte Fechner/Mayer (Hrsg.), Medienrecht, Vorschriftensammlung, 8. Auflage (2012) Wolfgang Schulz (Hrsg.): Gesetzessammlung Information, Kommunikation, Medien (pdf-file, 1,8 MB) 13. Auflage, August 2012 Landesmediengesetz Rheinland Pfalz Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 4 I. Literatur 2. Lehrbücher und Handbücher • • • • • • • Dörr/Schwartmann, Medienrecht, 4. Auflage 2012 Fechner, Medienrecht, 13. Auflage 2012 Fink/Cole/Keber, Europäisches und Internationales Medienrecht, 2. Auflage im Erscheinen Dörr/Kreile/Cole (Hrsg.), Handbuch Medienrecht, Recht der elektronischen Massenmedien, 2. Auflage 2010 Spindler/Schuster (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien, 2. Auflage 2011 Schiwy/Schütz/Dörr (Hrsg.), Medienrecht, Lexikon für Praxis und Wissenschaft, 5. Auflage 2011 Schwartmann (Hrsg.), Praxishandbuch Medien-, ITund Urheberrecht, 2. Auflage 2011 Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 5 I. Literatur 3. Zeitschriften 14.12.2012 Medien & Recht International, MR-Int MultiMedia und Recht, MMR Computer und Recht, CR Kommunikation und Recht, K&R Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil, GRUR Int Internet-Zeitschrift für Rechtsinformatik und Informationsrecht, JurPC Medien Internet und Recht, MIR Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 6 I. Literatur 4. Online Angebote • • • • • • www.presserecht.de www.urheberrecht.org www.telemedicus.info www.gesetze-im-internet.de www.emr-sb.de www.mainzer-medieninstitut.de Telemedicus Beck-Blog Multimediarecht International Telecommunication Union ITU Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ICANN Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 7 1. Kapitel Einführung Medienrecht – was ist das? Quelle: FR-Online 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 9 Medienrecht – was ist das? Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 10 Medienrecht – was ist das? 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 11 Medienrecht – was ist das? Quelle: Heise 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 12 Medienrecht – was ist das? 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 13 Medienrecht – was ist das? Lies: Techdirt 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 14 Medienrecht - Überblick Recht Zivilrecht 14.12.2012 Öffentliches Recht Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Strafrecht 15 Medienrecht - Überblick Öffentliches Recht • Verfassungsrechtliche Grundlagen der Rundfunk-, Presse- und Filmfreiheit; in öffentlich-rechtlichen Spezialgesetzen näher ausgestaltet • Medienregulierung als wichtige ordnungsrechtliche Funktion Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 16 Medienrecht - Überblick Strafrecht • Delikte mittels oder durch informationstechnische Systeme: • • • • • Datum: 14.12.2012 Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, § 86 StGB Volksverhetzung gemäß § 130 StGB Verbreitung pornographischer Schriften §§ 184 ff. StGB Ehrverletzungsdelikte gemäß §§ 185 ff. StGB. Computerkriminalität: Bsp.: § 202a StGB (Hacking) und Computerbetrug nach § 263a StGB Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 17 Medienrecht - Überblick Zivilrecht • • • • Spezialgesetzlich: Urheberrechtsgesetz Im BGB spezielle und allgemeine Vorschriften mit medienrechtlicher Relevanz Fernabsatz, §§ 312b-312f BGB allgemeines Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB: • Persönlichkeitsrechtsverletzungen bei Prominenten durch Medienberichterstattung • (P) „Schmerzensgeld“? Wenn ja, wie hoch? Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 18 Grundgesetz Völkerrecht (Transformation gem. Art. 59 II GG), Bundesgesetze Europarecht Anwendungsvorrang (kein Geltungsvorrang) Rechtsverordnungen des Bundes Landesverfassungen Landesgesetze Rechtsverordnungen der Länder, Satzungen 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 19 Medienrecht - Überblick Völkerrechtlich: • • • • • Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen Datenschutzabkommen des Europarats Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 10 EMRK Internationale Organisationen: WTO, WIPO, ITU (P) Internet Governance Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 20 Medienrecht - Überblick Unionsrechtlich: • Primärrecht • Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV • Bsp.: staatliches Glücksspielmonopol rechtmäßig? • Beihilfenkontrolle, Art. 107 AEUV • Bsp.: Rundfunkfinanzierung durch Gebühren rechtmäßig? • Sekundärrecht • • • • • Datum: 14.12.2012 Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste E-Commerce-Richtlinie 2000 Multimedia-Richtlinie 2001 TelekommunikationsRiLi-Paket 2002 (Reform 2009, bis Mitte 2011 umzusetzen) VorratsdatenspeicherungsRiLi Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 21 Medienrecht - Überblick Medienrecht im Mehrebenensystem • Zusammenspiel Völkerrecht, Europarecht, nationales Recht am Beispiel des „neuen“ Rechts der Öffentlichen Zugänglichmachung • 14.12.2012 Lies: 19 a UrhG, Artikel 3 MultimediaRiLi, Artikel 8 WIPO Copyright Treaty (WCT) Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 22 UrhG § 19a Recht der öffentlichen Zugänglichmachung Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 23 RICHTLINIE 2001/29/EG Artikel 3 Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände (1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 24 WIPO Copyright Treaty 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 25 2. Kapitel Presserecht Übersicht • • • • • • • Historische Entwicklung des Presserechts Der Begriff Presse Rechtsquellen des Presserechts Die Pressefreiheit im Gefüge des Artikel 5 GG Presseordnungsrecht Privilegien und Pflichten der Presse Recht der Gegendarstellung und Haftung der Presse für rechtswidrige Veröffentlichungen Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 27 Historische Entwicklung des Presserechts • • • • Um 1450 erfindet Johannes Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen Lettern Berthold von Henneberg (Erzbischof v. Mainz) bedient sich um 1485 (erstmals) der Vorzensur (nihil obstat, imprimatur) 1644 England:Areopagitica. A Speech of Mr. John Milton for the Liberty of Unlicens´d Printing. Deutsche Bundesakte (1815) Art. XVIII:” Die Bundesversammlung wird sich bei ihrer ersten Zusammenkunft mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Pressefreiheit und die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck beschäftigen. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 28 Artikel 118 WRV (1919) Jeder Deutsche hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern. An diesem Rechte darf ihn kein Arbeits- oder Anstellungsverhältnis hindern, und niemand darf ihn benachteiligen, wenn er von diesem Rechte Gebrauch macht. Eine Zensur findet nicht statt, doch können für Lichtspiele durch Gesetz abweichende Bestimmungen getroffen werden. Auch sind zur Bekämpfung der Schund- und Schmutzliteratur sowie zum Schutze der Jugend bei öffentlichen Schaustellungen und Darbietungen gesetzliche Maßnahmen zulässig. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 29 Schriftleitergesetz 1933 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 30 Artikel 5 Grundgesetz (1)Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. (2)Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 31 Rechtsquellen des Presserechts • Verfassungsrechtliche Grundlage: • Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG • Presserecht im engeren Sinne • Presse-bzw. Mediengesetze der Länder • Presserecht im weiteren Sinne: • Strafrecht, Prozessrecht, Urheberrecht, Arbeitsrecht, Wettbewerbs-und Kartellrecht etc. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 32 Exkurs: Allgemeine Grundrechtsdogmatik Das Schrankenmodell der Freiheitsrechte: Drei Prüfungsschritte: −Schutzbereich des Grundrechts −Eingriff in den Schutzbereich −Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 33 Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 34 Exkurs: Allgemeine Grundrechtsdogmatik Grundrechtsberechtigung: • • • Jedermannrechte Deutschengrundrechte Grundrechtsschutz juristischer Personen • Art. 19 Abs. 3 GG Grundrechtsverpflichtete: • • Art. 1 Abs. 3 GG: alle Träger öffentlicher Gewalt Keine unmittelbare Grundrechtsbindung Privater Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 35 Exkurs: Allgemeine Grundrechtsdogmatik Schutzbereich eines Grundrechts •Persönlich • • • Wer wird geschützt? Jedermanns-oder Deutschenrecht? Juristische Personen? •Sachlich • Welches Verhalten wird geschützt? Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 36 Exkurs: Allgemeine Grundrechtsdogmatik Eingriffe in den Schutzbereich • Finaler Eingriff: gezielte rechtsförmige Freiheitsbeschränkung • • Bsp.: gesetzliches Verbot Sonstige (faktische oder mittelbare) Eingriffe: • Datum: 14.12.2012 Bsp.: Genehmigungen von emittierenden Anlagen, Staatliche Warnungen im Gesundheitsschutz oder vor Sekten Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 37 Exkurs: Allgemeine Grundrechtsdogmatik Rechtfertigung I Gesetzliche Grundlage des Eingriffs Formelle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes: aufgrund (einfachen oder qualifizierten) Gesetzesvorbehalts aufgrund verfassungsimmanenter Beschränkung Gesetzgebungskompetenz Gesetzgebungsverfahren materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, insbesondere Verhältnismäßigkeit Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 38 Exkurs: Allgemeine Grundrechtsdogmatik Rechtfertigung II • Verhältnismäßigkeitsprüfung • • • • Datum: 14.12.2012 Legitimer Zweck Geeignetheit Erforderlichkeit Angemessenheit Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 39 Pressefreiheit und Art. 5 GG Standort der Pressefreiheit in Art. 5 GG • Kommunikationsfreiheiten • • • • • −Meinungsfreiheit −Informationsfreiheit −Pressefreiheit −Freiheit von Rundfunk und Film Freiheiten des Art. 5 Abs. 3 GG • • Datum: 14.12.2012 −Kunstfreiheit −Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 40 Pressefreiheit und Art. 5 GG Pressefreiheit aus Art. 5 GG: • • Rechtscharakter Individuelle und institutionelle Pressefreiheit • Der Einzelne darf seine Tätigkeit ohne staatliche Beeinflussung ausüben • Abwehrrechtliche Komponente, insoweit Gleichlauf mit Meinungsfreiheit • Freie Presse steht als Institut unter staatlichem Schutz • Objektivrechtliche Dimension, insoweit Abweichung von Meinungsfreiheit • Presse = Vermittler Volk - Staat • Öffentliche Aufgabe, Kontrollfunktion Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 41 Pressefreiheit und Art. 5 GG Pressefreiheit aus Art. 5 GG: • Schutzbereich • Sachlich – was ist geschützt? • Begriff • Wertgebundener Pressebegriff – nur solche Veröffentlichungen, die öffentlicher Aufgabe gerecht werden? (-) Arg.: systemwidrig – in dubio pro libertate • Periodisch erscheinende Druckwerke + Bücher • Erzeugnisse der Buchdruckerpresse, alle zur Verbreitung geeigneten u. bestimmten Vervielfältigungen (z.B. Plakate) sowie alle Informationsträger (z.B. Videobänder, CD), die nicht unter den Film- und Rundfunkbegriff fallen • Weit und entwicklungsoffen • Vs: körperliches Trägermedium Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 42 Pressefreiheit und Art. 5 GG Pressefreiheit aus Art. 5 GG: • Schutzbereich • Sachlich – was ist geschützt? • Geschützte Tätigkeit • Tätigkeiten von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung einer Nachricht • Redaktionsgeheimnis + Informantenschutz • Tatsacheninformationen + Meinungsäußerungen • (P) erfundenes Interview (Soraya) und falsche Zitate (Böll) • Wertung auf Schutzbereichs- oder Rechtfertigungsebene? Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 43 Pressefreiheit und Art. 5 GG Pressefreiheit aus Art. 5 GG: • Schutzbereich • Persönlich – wer ist geschützt? • Alle Personen, die produktiv, vermittelnd oder rezeptiv an der geistig-inhaltlichen Kommunikation durch die Presse teilnehmen • Herausgeber, Redakteure, Korrespondenten, freie Mitarbeiter, Verleger, der einzelne Journalist • Auch Minderjährige (z. B. als Redakteure einer Schülerzeitung) • Auch Juristische Personen des Privatrechts (Art. 19 Abs. 3 GG) Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 44 Pressefreiheit und Art. 5 GG Exkurs: Verortung von www.spiegel.de und www.zdf.de in Artikel 5 Abs. 1 GG • Problem: Begriff „Presse“ setzt nach tradiertem Konzept Element der Verkörperung voraus • t.v.A.:Entwicklungsoffenheit ist wesentliches Kriterium. Presse ist im Gegensatz zu Rundfunk und Film neutral hinsichtlich des Vebreitungswegs. RF: E-Presse=Presse • A.A.: E-Presse als Annex zum Stammbereich. RF: spiegel.de= Presse, zdf.de = Rundfunk • A.A.: Verbreitungsweg ist entscheidend. Bei E-Presse keine Verkörperung - wie Rundfunk (unter Benutzung elektrischer Schwingungen) RF: E-Presse=Rundfunk Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 45 Pressefreiheit und Art. 5 GG Exkurs II: Übungsfrage Während einer Verhandlung in einem Strafverfahren gegen einen Prominenten verbietet der vorsitzende Richter einem Journalisten (J) im Zuschauerraum, aus der laufenden Gerichtsverhandlung heraus mittels seines I-Phones zu „twittern“. Zu Recht? Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 46 Pressefreiheit und Art. 5 GG § 169 GVG Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. Ton- und FernsehRundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 47 Pressefreiheit und Art. 5 GG Grammatikalische Auslegung • • F1: Twitter = (verfassungs- oder einfachgesetzlich) Rundfunk? F2: kommt es darauf an? Historische Auslegung • Ohne Aussage: Bei Erlass der Vorschrift im Jahr 1964 war eine entsprechende Berichterstattung durch den Wortjournalismus nicht möglich Teleologische Auslegung • § 169 S. 2 GVG schützt • • • • • das Persönlichkeitsrecht der am Verfahren Beteiligten ihren Anspruch auf ein faires Verfahren die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege, insbesondere die ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung Lies: BVerfG, 1 BvR 2623/95 vom 24.1.2001 (n-tv) Lies: Twittern im Gerichtssaal Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 48 Pressefreiheit und Art. 5 GG Eingriffe in die Pressefreiheit • Final: • Verbot der Berufsausübung als Redakteur, Beschlagnahme von Zeitungen, Durchsuchung von Redaktionsräumen, Einführung eines staatlichen Genehmigungsverfahrens • Mittelbar • Beispiel: Das Innenministerium des Landes NRW gibt jährlich Verfassungsschutzberichte zur Information der Öffentlichkeit heraus. Seit 1994 wird darin regelmäßig und ausführlich unter der Rubrik Rechtsextremismus u. a. über die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ berichtet. So heißt es etwa, der Verfassungsschutz habe „zahlreiche tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen.“ Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 49 Fall: „Junge Freiheit“ Eingriff? • • • VG Düsseldorf: (-) Arg: Die Veröffentlichung der Verfassungsschutzberichte hindern den Verleger nicht, die Zeitung herzustellen, zu verbreiten und über den Inhalt der Beiträge zu bestimmen. Demnach: Kein Eingriff in die Pressefreiheit. BVerfGE 113, 63: auch mittelbare Einwirkungen können einen Eingriff darstellen, wenn sie nach Zielrichtung und Wirkung einem Eingriff gleichkommen. Der Verfassungsschutzbericht hat den Charakter einer Warnung und ist in der Lage, potentielle Inserenten sowie Leser vom Erwerb der Zeitung abzuhalten. Die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht ist ein (mittelbarer) Eingriff in die Pressefreiheit! Lies:BVerfG, 1 BvR 1072/01 vom 24.5.2005 Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 50 Pressefreiheit und Art. 5 GG • Schranken • Art. 5 Abs. 2 GG • „Allgemeine Gesetze“ BVerfG: „Alle Gesetze, „die nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten [Sonderrechtslehre], sondern dem Schutz eines schlechthin ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen [Abwägungslehre].“ • Lies BVerfG, Beschluss v. 04.11.2009 – 1 BvR 2150/08 (Wunsiedel) • • Datum: 14.12.2012 Gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Jugend • Bsp.: Jugendmedienschutz, JugendmedienschutzStaatsvertrag (JMStV) Recht der persönlichen Ehre Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 51 Pressefreiheit und Art. 5 GG • Schranken-Schranken • (Vor-)Zensurverbots (Art. 5 Abs. 1, Satz 3 GG) • Wechselwirkungslehre • Datum: 14.12.2012 die allgemeinen Gesetze müssen in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung ihrerseits im Lichte der Bedeutung dieses Grundrechts gesehen und so interpretiert werden, daß der besondere Wertgehalt dieses Rechts, der in der freiheitlichen Demokratie zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen, namentlich aber im öffentlichen Leben, führen muß, auf jeden Fall gewahrt bleibt. (BVerfGE 7, 198 – Lüth) Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 52 Pressefreiheit und Art. 5 GG Exkurs: Das Bundesverfassungsgericht • • • • • • • • Verfassungsorgan Sitz: Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe Wahl der Richter (jeweils die Hälfte der Richter in einem Senat) durch Bundestag und Bundesrat) Verfahren kostenlos (aber Mißbrauchsgebühr!) Grds. kein Anwaltszwang (nur bei mündlicher Verhandlung) Keine Tatsacheninstanz Nur Verletzung spezifischen Verfassungsrechts Erfolgsquote VB: 2,5% Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 53 Übungsfall „Spiegel“ In Ausgabe 41/1962 der Zeitschrift Der Spiegel berichtete dieser unter dem Titel "Bedingt abwehrbereit" über die schlechte Lage der Bundeswehr. Es wurde mit Hinweis auf Ergebnisse einer NATO-Untersuchung berichtet, dass die Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Warschauer Pakt nicht abwehrfähig sei und dass ein Angriff nur mit Hilfe westlicher Atomraketen abgewehrt werden könne. Nach Ansicht des Bundesverteidigungsministeriums basierte dieser Artikel auf streng geheimen internen Dokumenten. Am 26. Oktober wurde die Redaktion des Spiegels durch die Polizei durchsucht. Der Durchsuchungsbefehl hatte u.a. folgenden Wortlaut: "In dem Ermittlungsverfahren gegen den Verlagsleiter Rudolf Augstein wegen Verdachts des Landesverrats wird auf Antrag des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof die Durchsuchung der Person, der Wohnung und der sonstigen Räume des Beschuldigten sowie sämtlicher Geschäftsräume in Hamburg und Bonn und seines Archivs und die Beschlagnahme der bei dieser Durchsuchung vorgefundenen Beweismittel und Gegenstände, die der Einziehung unterliegen, angeordnet. Die Durchsuchung ist auch zur Nachtzeit zulässig - §§ 94, 98, 102, 104, 105, 168a StPO -. Der Beschuldigte ist eines Verbrechens nach § 100 Abs. 1 StGB dringend verdächtig. (…) Die angeordnete Durchsuchung ist erforderlich, da zu vermuten ist, daß sie zur Auffindung von Beweismitteln führen wird, die für die Untersuchung von Bedeutung sind (…)." Der Verlag rügt eine Verletzung des Artikel 5 GG. Zu Recht? Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 54 Quelle: SPIEGEL 41/1962 Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 55 Lösung Fall Spiegel Verletzung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG? Schutzbereich • • Persönlich: jedermann, auch jur. Personen (+) Sachlich: alle Tätigkeiten von Informationsbeschaffung bis Verbreitung hier: Redaktionsschutz Eingriff: • Durchsuchung (+) Schranke: • Strafrechtliche Bestimmungen zum Landesverrat und Vorgaben der StPO = allgemeine Gesetze? (+) Schranken Schranken: • Datum: 14.12.2012 Vorschriften im Allgemeinen und im konkreten Fall verfassungskonform angewandt? Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 56 Lösung Fall Spiegel • Urteil im Fall Spiegel • • • Ähnlich: Fall Cicero • • 4 Richter des Bundesverfassungsgerichts erkannten einen Verstoß, 4 nicht. Die Verfassungsbeschwerde hatte demnach keinen Erfolg. Das Magazin Cicero veröffentlichte in seiner Ausgabe vom April 2005 einen Artikel mit dem Titel „Der gefährlichste Mann der Welt“, welcher sich mit dem Terroristen Abu Musab azZarqawi beschäftigte. In dem Artikel wurde ausführlich aus einem streng geheimen Auswertungsbericht des Bundeskriminalamtes (BKA) zitiert. Die Staatsanwaltschaft Potsdam leitete ein Ermittlungsverfahren gegen den verantwortlichen Journalisten sowie gegen den Chefredakteur wegen Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses gemäß §§ 353 b, 27 StGB ein. Im Rahmen des dieses Ermittlungsverfahrens beantragte die Staatsanwaltschaft eine Durchsuchungsanordnung der Redaktionsräume des Cicero sowie der Wohn-, Geschäfts- und Nebenräume des verantwortlichen Journalisten. Urteil im Fall Cicero • Datum: 14.12.2012 Hier aber im Ergebnis eindeutiger Verstoß (Entscheidung 7:1) Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 57 WikiLeaks = Presse? Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 58 Cable 09Berlin 1433 „Confidential Section 01 oft 03 Berlin 001433 – Subject: National Security Advisor Heusgen on (…) Nukes“ 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 59 Source: Cable 09Berlin 1433 (…) TACTICAL NUCLEAR WEAPONS ¶8. (C) In response to Gordon's question about how the government planned to take forward the commitment in the coalition agreement to seek the removal of all remaining nuclear weapons from Germany, Heusgen distanced the Chancellery from the proposal, claiming that this had been forced upon them by FM Westerwelle. Heusgen said that from his perspective, it made no sense to unilaterally withdraw "the 20" tactical nuclear weapons still in Germany while Russia maintains "thousands" of them. It would only be worth it if both sides drew down. Gordon noted that it was important to think through all the potential consequences of the German proposal before going forward. For example, a withdrawal of nuclear weapons from Germany and perhaps from Belgium and the Netherlands could make it very difficult politically for Turkey to maintain its own stockpile, even though it was still convinced of the need to do so. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 60 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als Schranke der Medienfreiheit Datum: 14.12.2012 Quelle: Zensur-archiv.de Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 61 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Quelle: rp-online 62 Art. 2 I i.V.m. 1 I GG: Allgemeines Persönlichkeitsrecht (APR) • • Abgrenzung von der Allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG Gewährleistung des Schutzes der Privatsphäre • Angelegenheiten, die typischerweise als privat eingestuft werden - räumlich und thematisch bestimmter Bereich, der grundsätzlich frei von unerwünschter Einsichtnahme bleiben soll • Sphärentheorie (Intim, Privat, Sozialsphäre) • Recht auf informationelle Selbstbestimmung • • Datenschutz (BDSG) Recht am eigenen Wort • geschriebenes Wort: Tagebücher; • • gesprochenes Wort: heimliche Tonbandaufnahmen (§ 201 StGB) • Datum: 14.12.2012 (P) Beweisverwertungsverbote im Prozess? Dazu: BVerfGE 80, 367 ff. (P) Beweisverwertungsverbote im Prozess? Dazu: BVerfGE 34, 238 ff. Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 63 APR • Recht am eigenen Namen • • Recht am eigenen Bild • • Anspruch auf Namensnennung § 13 UrhG Einwilligung § 22 KUG Neue „Spielart“: Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme – „IT-Grundrecht“ • „Online Durchsuchung“ • Vgl. dazu nachfolgender Exkurs. Hintergrund: Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (VSG NRW) In § 5 Nr. 11 wurde eine Vorschrift eingefügt, die dem nordrheinwestfälischen Landesamt für Verfassungsschutz zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung den heimlichen Zugriff auf informationstechnische Systeme erlaubt. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 64 IT Grundrecht EXKURS zum „IT-Grundrecht“ BVerfG 1 BvR 370/07 vom 27.2.2008 „Geschützt vom Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme ist zunächst das Interesse des Nutzers, dass die von einem vom Schutzbereich erfassten informationstechnischen System erzeugten, verarbeiteten und gespeicherten Daten vertraulich bleiben. (…) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der hier behandelten Ausprägung schützt insbesondere vor einem heimlichen Zugriff, durch den die auf dem System vorhandenen Daten ganz oder zu wesentlichen Teilen ausgespäht werden können. Der Grundrechtsschutz umfasst sowohl die im Arbeitsspeicher gehaltenen als auch die temporär oder dauerhaft auf den Speichermedien des Systems abgelegten Daten. Das Grundrecht schützt auch vor Datenerhebungen mit Mitteln, die zwar technisch von den Datenverarbeitungsvorgängen des betroffenen informationstechnischen Systems unabhängig sind, aber diese Datenverarbeitungsvorgänge zum Gegenstand haben. So liegt es etwa bei einem Einsatz von sogenannten Hardware-Keyloggern oder bei einer Messung der elektromagnetischen Abstrahlung von Bildschirm oder Tastatur. (..) Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme ist nicht schrankenlos. Eingriffe können sowohl zu präventiven Zwecken als auch zur Strafverfolgung gerechtfertigt sein. Der Einzelne muss dabei nur solche Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die auf einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage beruhen.“ 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 65 Übungsfall „Fixe Feder GmbH“ Die Fixe Feder GmbH hält unter www.kritisch-und-das-zu-recht.de die „N. Zeitung online“ zum Abruf bereit, auf der tagesaktuell journalistisch-redaktionell aufbereitete Artikel erscheinen. Einer dieser Artikel beschäftigt sich in der Ausgabe vom 12.06.2009 mit einem anhängigen Rechtsstreit um das Buch „der Bankier“, das einer der für die fixe Feder tätigen Jounalisten verfasst hat und das kritisch über Leben und Wirken des Chefs einer der größten Privatbank Europas berichtet. Der Bericht steht vor folgendem Hintergrund: Bankhaus und Erben des verstorbenen Bankiers haben einstweilige Verfügungen gegen die Veröffentlichung des Buches erwirkt. Mit der Prozessvertretung der Bank und der Erben war (Star)Anwalt Emsig betraut worden. Da der Artikel vom 12.06.2009 bebildert werden sollte, hat der verantwortliche Redakteur zuvor schriftlich in der Kanzlei des Emsig angefragt, ob ein auf der Kanzleihomepage vorhandenes Foto für die Veröffentlichung verwendet werden dürfe. In der für die N.Zeitung online ebenso typisch wie speziellen Art hieß es in der Anfrage des Redakteurs: • „Noch eine Frage: Da ich in der nächsten N.-Ausgabe einen Artikel über Ihren hübschen Gerichtstermin veröffentlichen werde, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir erlauben würden, das Foto von Ihrer Website (…) dafür zu verwenden. Teilen Sie mir doch bitte auch gleich mit, an welcher Stelle Sie zu sehen sind. Dann wissen unsere LeserInnen auch, wie Sie und Ihre Kollegen sich öffentlich präsentieren…“ Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 66 Übungsfall „Fixe Feder GmbH“ Emsig antwortete per E-Mail, dass er der Nutzung von Bildnissen seiner Person widerspreche und drohte mit rechtlichen Schritten. Er formulierte: • „…ich widerspreche ausdrücklich jedweder Nutzung von Bildnissen meiner Person. Sollten Sie hiergegen verstoßen, werde ich eigenständige rechtliche Schritte einleiten. Ich weise darauf hin, dass ich unlängst auch anderen Medienunternehmern die Veröffentlichung von Bildnissen meinerseits verboten habe.“ In dem Artikel vom 12.06.2009 wird über den Verlauf der mündlichen Verhandlung in dem Rechtsstreit berichtet, wobei das Auftreten des Emsig, aber auch seine äußere Erscheinung abfällig kommentiert werden. Dem Text ist darüber hinaus eine Anmerkung der Redaktion beigefügt, in der mitgeteilt wird, dass Emsig auf Anfrage „ein eindrucksvolles Homepage-Foto seiner Kanzlei“ nicht habe freigeben wollen. Zudem wird der Inhalt der E-Mail Emsigs wörtlich wiedergegeben. Emsig nimmt die Fixe Feder hierauf erfolgreich vor dem örtlich zuständigen Landgericht auf Unterlassung wörtlicher Zitate aus anwaltlichen Schreiben in Anspruch. Das LG bejahte einen Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB und seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, denn Emsig werde durch die öffentliche Wiedergabe seiner Worte vorgeführt. Ein Interesse der Öffentlichkeit, den genauen Wortlaut seiner E-Mail zu erfahren, bestehe dagegen nicht. Rechtsmittel der Fixen Feder haben allesamt keinen Erfolg. Das Unternehmen fragt sich, ob ein Verfahren gegen diesen „herben Schlag der Justiz gegen die Pressefreiheit“ vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg hätte. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 67 Lösung (P):Schutzbereich • Abgrenzung Meinungs- / Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 / Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) • Wenn Pressefreiheit gegenüber Meinungsfreiheit spezieller ist , muss zunächst Pressefreiheit untersucht werden • Persönlicher Schutzbereich der Pressefreiheit • Alle im Pressewesen tätigen Personen und Unternehmen, bsp. Verleger, Herausgeber, Redakteur und Journalist • Sachlicher Schutzbereich der Pressefreiheit • Begriff der Presse umfasst alle zur Verbreitung geeigneten und bestimmten Druckerzeugnisse. Erfasst sind sowohl periodisch erscheinende als auch einmalig gedruckte Publikationen. • (P) kann Begrifflichkeit der Landespressegesetze, die weiterem Konzept folgt (auch Ton- und Bildträger) fruchtbar gemacht werden? i.E. (-) • Hier: kein gedrucktes Erzeugnis – Schutzbereich daher sachlich nicht eröffnet Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 68 Lösung II Schutzbereich der Meinungsfreiheit • Persönlich • Jede Person, die die geschützte Tätigkeit ausübt, auch jur. Pers. des Privatrechts • Sachlich • Begriff der Meinung ist grds. weit zu verstehen. Erfasst sind Werturteile und Tatsachenbehauptungen, sofern sie zur Bildung von Meinungen beitragen können. • Nicht geschützt sind falsche Tatsachenbehauptungen sowie falsche Zitate (dazu BVerfG, Böll). Vorliegend wurde richtig zitiert • (P) ist Zitat Tatsachenbehauptung oder Werturteil? • Hier: Tatsachenbehauptung mit Meinungsbildungsrelevanz. Die Wiedergabe der ablehnenden Antwort war geeignet, zu einer Bewertung des Klägers beizutragen. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 69 Lösung III • Eingriff (+) • (P) Drittwirkung Schranken • „Allgemeine Gesetze“, Artikel 5 Absatz 2 • • • Datum: 14.12.2012 T.v.A.: Nach der Sonderrechtslehre sind „allgemeine Gesetze“ nur diejenigen Vorschriften, die sich nicht gegen eine bestimmte Meinung als solche richten. T.v.A.: Die Abwägungslehre versteht unter diesem Begriff alle Gesetze, die deshalb Vorrang vor Art. 5 I 1 GG haben, weil das von ihnen geschützte Gut wichtiger ist als die Meinungsäußerung. Rechtsprechung: Das BVerfG hat im Lüth-Urteil beide Lehren kombiniert (sog. „Kombinationsformel“) und versteht seither in std. Rspr. unter „allgemeinen Gesetzen“ solche Gesetze, die nicht eine Meinung als solche verbieten, sondern vielmehr dem Schutze eines schlechthin zu schützenden Rechtsguts dienen, das gegenüber der Betätigung der Meinungsäußerung im konkreten Fall den Vorrang hat. Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 70 Lösung IV • Allgemeines Gesetz • Im vorliegenden Fall §§ 823, 1004 BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG) des Emsig. Schranken-Schranken • Verhältnismäßigkeitsprüfung (Wechselwirkungslehre) • Datum: 14.12.2012 Die allgemeinen Gesetze sind ihrerseits im Lichte der besonderen Bedeutung des Art. 5 I 1 GG für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung und der freiheitlichen Demokratie auszulegen. Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 71 Lösung V Bei der Abwägung ist zunächst zu berücksichtigen, in welcher Sphäre das APR Emsigs betroffen ist • • • Intim, Privat, Sozialsphäre • Hier: Sozialsphäre Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seinem Träger jedenfalls keinen Anspruch darauf, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es ihm selbst genehm ist Unzulässige Prangerwirkung ? • Datum: 14.12.2012 Nach Rspr. der Zivilgerichte soll sie vorliegen, wenn ein - nach Auffassung des Äußernden - beanstandungswürdiges Verhalten aus der Sozialsphäre einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wird und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen auswirkt. Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 72 Lösung VI Prangerwirkung?: (+/-) Kann sich die Mitteilung, dass sich jemand in scharfer Form gegen die Veröffentlichung des eigenen Bildes verwahrt, abträglich auf seine Ehre oder sein Ansehen auswirken? Wie weit besteht ein öffentliches Informationsinteresse an der streitgegenständlichen Äußerung? BVerfG: die Meinungsfreiheit steht nicht unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses – sie verstärkt die Meinungsfreiheit, ist aber nicht Voraussetzung für ihre Ausübung Ergebnis: je nach Abwägungsergebnis. Das BVerfG hat die angegriffenen zivilgerichtlichen Entscheidungen aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. BVerfG, 1 BvR 2477/08 vom 18.2.2010 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 73 Übungsfall „Caroline“ Die E GmbH & Co KG (E) verlegt die Zeitschrift „Frau im Spiegel“. In dieser Zeitschrift werden im Rahmen verschiedener Beiträge Fotos veröffentlicht, auf denen Prinzessin Caroline von Monaco (C) in verschiedenen Lebenssituationen abgebildet ist. In der Ausgabe Nr. 9/03 berichtet die Zeitschrift über einen Winterurlaub der (C) in St. Moritz unter Beifügung von Bildern, die die (C) und ihren Ehemann, Prinz Ernst August von Hannover, auf öffentlicher Straße in St. Moritz unter vielen Menschen zeigen (Bildserie 1). In Ausgabe Nr. 13/03 ist eine Bilderserie abgedruckt (Bildserie 2), zu der ein Bericht gehört, der titelt: „In Prinzessin Carolines Bett schlafen - kein unerfüllbarer Wunsch! Caroline und Ernst August vermieten ihre TraumVilla“. Gezeigt werden mehrere Aufnahmen von dem Ferienanwesen Ernst Augusts in Kenia und ein Lichtbild, das Caroline und ihren Ehemann während eines Aufenthalts in Kenia auf einer öffentlichen Straße zeigt. In dem Begleittext wird (sachlich zutreffend) ausgeführt, die Ferienvilla werde in Zeiten der Abwesenheit der Eheleute an Interessenten vermietet. In einer deutlich hervorgehobenen Unterzeile heißt es: „Auch die Reichen und Schönen sind sparsam. Viele vermieten ihre Villen an zahlende Gäste“. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 74 Übungsfall „Caroline“ Schließlich erscheint in Ausgabe Nr. 15/03 eine weitere Serie von „Urlaubsfotos (Bildserie 3), auf denen die Prinzessin in einer Großaufnahme zusammen mit ihrer Tochter (4 Jahre) in einem Paddelboot zu sehen ist. Diese Bilderserie entstand im Rahmen eines Sommerurlaubs der Fürstenfamilie in Frankreich. Der seitliche Begleittext zu dem Bild lautet: "Es ist ein heißer Tag in diesem Sommer. Prinzessin Caroline paddelt mit ihrer jüngsten Tochter auf der Sorgues“. Der (C) gehen diese Bilderserien allesamt entschieden zu weit. Sie verklagt die (E) daher auf Unterlassung, die entsprechenden Bildserien (1-3) erneut zu veröffentlichen. Leider bleiben ihre entsprechenden Klagen vor den Zivilgerichten in allen Instanzen ohne Erfolg. Das Urteil des BGH, das der (C) ordnungsgemäß zugestellt wird, enthält u.a. die folgenden Erwägungen: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 75 Übungsfall „Caroline“ „Vorliegend scheitert ein Unterlassungsanspruch im Hinblick auf alle Bildserien schon daran, dass (C) an einem öffentlichen Ort aufgenommen worden ist, der jedermann zugänglich ist. Soweit man aus seinem privaten Bereich heraustritt und sich bewusst in die Öffentlichkeit begibt, muss man, wenn man wie die Klägerin eine Person von hohem Bekanntheitsgrad ist, die Anfertigung entsprechender Lichtbilder von sich selbst und seinen Kindern hinnehmen. Ein Unterlassungsanspruch der (C) scheitert mit Blick auf Bildserie (2) auch und vor allem deshalb, weil nicht nur eine Szene des Urlaubs dargestellt wird, sondern über veränderte Verhaltensweisen einer kleinen Schicht wohlsituierter Prominenter berichtet wird. Da diese Personen Leitbild- und Kontrastfunktionen für große Teile der Bevölkerung haben, kann die Berichterstattung Anlass für eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte sein. Diese Debatte mitzugestalten ist Aufgabe der Presse als Medium und Faktor öffentlicher Meinungsbildung. Der Schutz der Privatsphäre der Klägerin muss vorliegend zurückstehen. Diesem Ergebnis steht der von Klägerseite zitierte Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht entgegen. Dieser bindet unmittelbar nur die Bundesrepublik Deutschland, nicht aber deren Organe und namentlich nicht die Gerichte.“ Caroline hat nun endgültig den Glauben an die ordentliche Gerichtsbarkeit verloren und sieht einen letzten Hoffnungsschimmer in Karlsruhe. Sie beauftragt mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen die Kanzlei Prince & Partner in Hamburg. Mit Erfolg? Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 76 Auszug aus dem Kunsturhebergesetz §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG) lauten: § 22 . Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, dass er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. (…) § 23 . (1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: 1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte; 2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen; 3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben; (…) (2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 77 Übungsfall „Caroline“ Frühere Rechtsprechung: • • • Foto einer absoluten Person der Zeitgeschichte = Bildnis der Zeitgeschichte Absolute Personen der Zeitgeschichte = Person, die für sich genommen und ereignisunabhängig Aufmerksamkeit findet RF: Veröffentlichung kann nur durch ein berechtigtes Interesse nach §23 II KUG verhindert werden • Datum: 14.12.2012 (+) bei Abbildung gemeinsam mit den Kindern oder in Situation örtlicher Abgeschiedenheit Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 78 Rechtsprechung des EGMR : Abwägung zwischen Art. 8 EMRK (Schutz des Privatlebens) und Art. 10 EMRK (Meinungsfreiheit) • • • • • • • Figur der absoluten Person der Zeitgeschichte ist zu starr und unbestimmt für einen wirksamen Schutz des Privatlebens i.S.d. Art. 8 EMRK Der EGMR unterscheidet zwischen 1. Politikern ("politicians/personnes politiques") Schutz -2. sonstigen im öffentlichen Leben oder im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Personen ("public figures/personnes publiques") Schutz -+ 3. gewöhnlichen Privatperson ("ordinary person/personne ordinaire") Schutz ++ Soweit 2 und 3 betroffen, bei der Abwägung entscheidend: „public watchdog“ Funktion der Presse wird nur ausgelöst, wenn Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse besteht Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 79 Reaktion der dt. Rechtsprechung: • • • • • Aufgabe der Figur der absoluten Person der Zeitgeschichte Ob ein Bildnis der Zeitgeschichte (§23 I Nr. 1) vorliegt, bestimmt sich nach dem Informationswert im konkreten Fall Flexibler als EGMR: auch unterhaltende Beiträge können einen Informationswert begründen Presse muss Informationswert im Gerichtsprozess darlegen Anhaltspunkte für die Abwägung: • • • • Bekanntheitsgrad der Person Zusammenhang mit einer Wortberichterstattung Vorverhalten der fotografierten Person Umstände der Anfertigung des Fotos Für den Fall bedeutet das: Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 80 Bildserie 1: St. Moritz Bildserie 1 wurde an einem öffentlichen Ort in St. Moritz aufgenommen. Dem Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, ob die Aufnahme heimlich angefertigt wurde. Hinterfragenswert bleibt, ob die Berichterstattung zu einer Debatte von allgemeinem Interesse beiträgt, der über die Befriedigung bloßer Neugier hinausgeht. Hier hat das Bild selbst (Caroline + Ehemann auf einer Straße in St. Moritz) keinen erkennbaren Informationsgehalt. Die Wortberichterstattung bezieht sich nur auf den Skiurlaub. Ein Anknüpfungspunkt zu einer öffentlichen Funktion Carolines oder derjenigen eines ihrer Familienangehörigen lässt sich nicht herstellen. Es überwiegt kein berücksichtigungswertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, das eine Bildveröffentlichung entgegen dem Willen des Abgebildeten erlaubte. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 81 Bildserie 2: Traumvilla Hierzu das BVerfG: „Werden der Leserschaft im Gewand eines unterhaltenden Beitrags in dieser Weise auch Informationen über veränderte Verhaltensweisen einer kleinen Schicht wohlsituierter Prominenter gegeben, die in anderen Kontexten und mit eigenem Zutun im Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit stehen und in der Folge Leitbild- oder Kontrastfunktionen für große Teile der Bevölkerung haben, so vermag dies in einer demokratischen Gesellschaft Anlass für eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte zu geben und es grundsätzlich auch zu rechtfertigen, die in dem Beitrag behandelten prominenten Vermieter des Anwesens im Bild darzustellen.“ BVerfG, Entscheidung vom 28.02.2008, 1 BvR 1602/07 vom 26.2.2008, Absatz-Nr. 105. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 82 Bildserie 3: Kinder Dazu das BVerfG (bereits vor und unabhängig von der Entscheidung des EGMR) „Für die kindliche Persönlichkeitsentwicklung sind in erster Linie die Eltern verantwortlich. Soweit die Erziehung von ungestörten Beziehungen zu den Kindern abhängt, wirkt sich der besondere Grundrechtsschutz der Kinder nicht lediglich reflexartig zugunsten des Vaters und der Mutter aus (vgl. auch BVerfGE 76, 1 [44 ff.]; 80, 81 [91 f.]). Vielmehr fällt auch die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern grundsätzlich in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfährt dann eine Verstärkung durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, der den Staat verpflichtet, die Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind und zu denen insbesondere die elterliche Fürsorge gehört (vgl. BVerfGE 56, 363 [384]; 57, 361 [382 f.]; 80, 81 [90 ff.]).“ BVerfGE 101, 361, Ziffer 84. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 83 Übungsfall Haschpflanze Übungsfall nach BVerfG, Beschluss v. 09.03.2010, Az. 1 BvR 1891/05, B. betreibt eine Internetseite, die mehrere nichtkommerzielle Unterseiten enthält. Darunter befindet sich eine Seite mit dem Titel „Gefunden. Aus der Wunderwelt des Rechts. Juristische Nachrichten für kritische Leute.“ Wegen einer dort verbreiteten Meldung über ein Ermittlungsverfahren gegen den Sohn der damaligen Generalsekretärin der F. Partei, Frau P., nahm dieser (X.) den B. auf Unterlassung in Anspruch. Dem lag im Einzelnen folgender Sachverhalt zugrunde: Im August 2003 suchten zwei Journalisten der Zeitschrift „Stern“ die P. in ihrem privaten Wohnhaus auf, um eine so genannte „Homestory“ zu erstellen. Bei diesem Besuch war auch der damals 18 Jahre alte X. anwesend; dieser war selbst in der Jugendorganisation der F. engagiert und kandidierte im April 2004 für ein kommunales Mandat in seinem Heimatort. Die Journalisten bemerkten auf dem Verandatisch im Haus der Politikerin einen Blumentopf mit einer Hanfpflanze. Hierauf angesprochen äußerte Frau P., es handele sich um „die grüne Aufzucht meines Sohnes“. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 84 Übungsfall Haschpflanze Am 23. Oktober 2003 erschien die Homestory im „Stern“. Darin wurde auch - unter Nennung des X - über die Hanfpflanze berichtet. Am Folgetag veröffentlichte die „Bild-Zeitung“ einen Artikel mit der Schlagzeile: „Huch! Im Wohnzimmer von P. wächst Hasch“. Aufgrund dieser Berichte leitete die Staatsanwaltschaft H. gegen X ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ein und veranlasste eine Durchsuchung im Haus der Familie P. Nach Abschluss der Durchsuchung veröffentlichte die Staatsanwaltschaft unter der Überschrift „Haschpflanze im Hause P.“ eine Pressemitteilung über das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger. Darin wurde auch mitgeteilt, dass bei der Durchsuchung keine Hinweise auf weitere illegale Pflanzen vorgefunden worden seien. Zeitgleich veröffentlichte die F. eine Pressemitteilung, in der der Bericht der Bild-Zeitung als unzutreffend zurückgewiesen wird; richtig sei, dass der 18-jährige Sohn der Generalsekretärin „verschiedene Samenkörner (…) eingepflanzt habe“, von denen sich einer zu einer Hanfpflanze entwickelt habe. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 85 Übungsfall Haschpflanze In den folgenden Tagen berichteten zahlreiche inländische und ausländische Medien, darunter auch Nachrichtenportale im Internet, über den Vorfall. B veröffentlichte am 30. Oktober 2003 auszugsweise eine Meldung aus den „t-online Nachrichten“, die ihrerseits auf den Meldungen der Presseagenturen beruhte. Die Nachricht auf der Website des B lautete: „Polizei sucht Hasch im Hause P. F.-Generalsekretärin P. hat Ärger mit der Justiz: Im Blumentopf ihres 18-jährigen Sohnes X. wächst eine Hanf-Pflanze. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wurden Räume der Familie in H. durchsucht. Gegen X. wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet. ...“ Hierauf verklagte X den B instanzgerichtlich erfolgreich auf Unterlassung, § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB. Mit Erfolg? Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 86 Presseordnungsrecht Für den Pressebereich gilt der Grundsatz der Länderkompetenz! Landespresse- bzw. Landesmediengesetze (Rheinland Pfalz, Saarland) der Länder Übersicht unter www.presserecht.de Fechner: Mustergesetz mit anschließender Synopse Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 87 LMG Übersicht Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 88 Kernbestimmungen des Presseordnungsrechts • • • • • • Presse ist zulassungsfrei, § 4 Abs. 2 LMG (§ 2 MusterG) Impressumspflicht, § 9 Abs. 1, 2 LMG (§ 7 MusterG) Transparenzgebot, § 9 Abs. 4 LMG (§ 11 MusterG) Trennungsgrundsatz, § 13 LMG (§ 9 MusterG) Pflichtexemplar, § 14 LMG (§ 12 MusterG) Gerichtsberichterstattung, § 169 GVG Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 89 Kernbestimmungen des Presseordnungsrechts §4 Abs. 2 LMG Die Tätigkeit der Medien […] ist vorbehaltlich der nachfolgenden Bestimmungen und im Rahmen der Gesetze zulassungs-und anmeldefrei. §9 LMG (1)Auf jedem in Rheinland-Pfalz erscheinenden Druckwerk (§ 3 LMG) müssen Name oder Firma und Anschrift derjenigen Personen genannt sein, die das Werk gedruckt und verlegt haben, beim Selbstverlag derjenigen Personen, die das Werk verfasst haben oder herausgeben. (2)Auf den periodischen Druckwerken (§ 3 Abs., 2 Nr. 2 LMG) sind ferner Name und Anschrift der redaktionell verantwortlichen Person anzugeben. Sind mehrere für die Redaktion verantwortlich, so muss das Impressum Name und Anschrift aller redaktionell verantwortlichen Personen angeben; hierbei ist kenntlich zu machen, wer für welchen Teil oder sachlichen Bereich des Druckwerks verantwortlich ist. Für den Anzeigenteil ist eine verantwortliche Person zu benennen; für diese gelten die Vorschriften über die redaktionell verantwortliche Person entsprechend. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 90 §9 LMG (4) Wer ein periodisches Druckwerk verlegt, muss in der ersten Nummer eines jeden Kalenderhalbjahres im Druckwerk offen legen, wer an der Finanzierung des Unternehmens wirtschaftlich beteiligt ist; bei Tageszeitungen ist bei Veränderungen der wirtschaftlichen Beteiligung dies zusätzlich in der nachfolgenden ersten Nummer jedes Kalendervierteljahres offen zu legen. Wirtschaftlich beteiligt im Sinne des Satzes 1 ist, wer mit mehr als 5 v. H. am Kapital beteiligt ist oder über mehr als 5 v. H. der Stimmrechte verfügt. Für die nach Satz 1 offen zu legenden Angaben ist die Wiedergabe der aus dem Handelsregister und aus den zum Handelsregister eingereichten Schriftstücken zu entnehmenden Beteiligungsverhältnisse ausreichend. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 91 § 13 LMG Hat diejenige Person, die ein periodisches Druckwerk verlegt oder für den Anzeigenteil verantwortlich ist, für eine Veröffentlichung ein Entgelt erhalten, gefordert oder sich versprechen lassen, so ist diese Veröffentlichung, soweit sie nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist, deutlich mit dem Wort "Anzeige" zu bezeichnen. Dazu folgende Beispiele (Quelle: Presserat.de) Aktueller Fall: Presserat und Bravo Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 92 Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 93 §14 LMG (1 ) Von jedem Druckwerk, das in Rheinland-Pfalz verlegt wird, ist ohne Rücksicht auf die Art des Textträgers und das Vervielfältigungsverfahren von der Person, die das Druckwerk verlegt, unaufgefordert unmittelbar nach Beginn der Verbreitung unentgeltlich und auf eigene Kosten ein Stück (Pflichtexemplar) in marktüblicher Form an die von dem für das wissenschaftliche Bibliothekswesen zuständigen Ministerium bezeichnete Stelle abzuliefern. Satz 1 gilt nicht für 1. Druckwerke, die in einer geringeren Auflage als zehn Exemplare erscheinen, sofern es sich nicht um Druckwerke handelt, die einzeln auf Anforderung verlegt werden,[…] Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 94 Privilegien und Pflichten der Presse • Privilegien • • • • • Informationsanspruch, § 6 LMG Datenschutzrechtliches Medienprivileg, § 12 LMG Spezielle Verjährungsregeln, kurz! § 37 LMG Zeugnisverweigerungsrecht, § 53 StPO Pflichten • Publizistische Sorgfaltspflichten • Presserat und Pressekodex Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 95 Privilegien und Pflichten der Presse §6 LMG (1) Die Behörden sind verpflichtet, den Medien die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. (2) Auskünfte können verweigert werden, soweit 1. hierdurch die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte,2. Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen,3. ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde oder4. ihr Umfang das zumutbare Maß überschreitet. (3) Allgemeine Anordnungen, die einer Behörde Auskünfte an Medien verbieten, sind unzulässig. (4) Bei der Erteilung von Auskünften an Medien ist der Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 96 Privilegien und Pflichten der Presse § 12 - Datenschutz (1) Soweit Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse oder vergleichbare Anbieter von Telemedien personenbezogene Daten ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken erheben, verarbeiten oder nutzen, gelten von den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes nur die Bestimmungen über das Datengeheimnis, die technischen und organisatorischen Maßnahmen, die Verhaltensregeln zur Förderung der Durchführung datenschutzrechtlicher Regelungen sowie den Schadensersatz mit der Maßgabe, dass nur für Schäden gehaftet wird, die durch eine Verletzung des Datengeheimnisses oder durch unzureichende technische oder organisatorische Maßnahmen eintreten. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 97 Privilegien und Pflichten der Presse § 37 LMG (1)Die Verfolgung von Straftaten nach diesem Gesetz oder von Straftaten, die mittels eines Druckwerkes oder durch die Verbreitung von Sendungen oder Angeboten strafbaren Inhalts begangen werden, verjährt bei Verbrechen in einem Jahr, bei Vergehen in sechs Monaten. […](3)Die Verjährung beginnt mit der Veröffentlichung oder Verbreitung. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 98 Privilegien und Pflichten der Presse §53 StPO (1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt 5. Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken [...] berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben. Die in Satz 1 Nr. 5 genannten Personen dürfen das Zeugnis verweigern über die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen. Dies gilt nur, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations-und Kommunikationsdienste handelt. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 99 Pressekodex Der Presserat hat die publizistischen Grundsätze in einem Pressekodex zusammengefasst. Darin finden sich Regeln für die tägliche Arbeit der Journalisten, die die Wahrung der journalistischen Berufsethik sicherstellen, so z.B.: Die Wahrung der Menschenwürde Gründliche und faire Recherche Klare Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen Vermeidung unangemessen sensationeller Darstellung von Gewalt u. Brutalität Ergänzt werden die Grundsätze durch zusätzliche Richtlinien, die aufgrund aktueller Entwicklungen und Ereignisse ständig fortgeschrieben werden. Wichtig in der Praxis: Ziffern 2, 8, 11 Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 100 Presserat Freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien Lobbyarbeit für die Pressefreiheit in Deutschland Bearbeiten von Beschwerden aus der Leserschaft Organisation ergibt sich aus Satzung Trägerverein mit folgenden Mitgliedern: Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), der Deutsche JournalistenVerband (DJV) und die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 101 Beschwerdeverfahren Maßgeblich: Beschwerdeordnung § 1 – Beschwerdeberechtigung (1) Jeder ist berechtigt, sich beim Deutschen Presserat allgemein über Veröffentlichungen oder Vorgänge in der deutschen Presse zu beschweren. Beschwerde kann zudem einreichen, wer der Ansicht ist, dass die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu journalistischredaktionellen Zwecken im Rahmen der Recherche oder Veröffentlichung das Recht auf Datenschutz verletzt. (2) Der Deutsche Presserat kann auch von sich aus ein Beschwerdeverfahren einleiten. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 102 Presserat 1. 2. 3. 4. Der Presserat besitzt vier Sanktionsmöglichkeiten: die öffentliche Rüge (mit Abdruckverpflichtung) die nicht-öffentliche Rüge (auf Abdruck wird verzichtet, z.B. aus Gründen des Opferschutzes) die Missbilligung den Hinweis 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 103 Presserat Quelle: Presserat Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 104 Presserat 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 105 Presserat BILD-Online (BK1-447/09) Ziffern 8+11+9 TITANIC-Online (BK1-451/09) Ziffer 1 BILD-Online (0017/10/1) Ziffer 8 TV14 (BK2-409/09) Ziffer 7 GESUNDE MEDIZIN (BK2-414/09) Ziffer 7 EXPRESS-Online (BK2-442/09) Ziffern 8+ 11 GONG (BK2-464/09) Ziffer 7 KÖLNER EXPRESS (0037/10/2) Ziffern 1+2+9 BAD SODENER ZEITUNG (BK1-390 + 391/09) - nicht-öffentlich - Ziffern 2+8+9 B.Z.-Online (BK2-431 + 432/09) - nicht-öffentlich - Ziffern 8+13 MITTELBAYERISCHE ZEITUNG (BA2-19-09) - nicht öffentlich - Ziffer 8 RHEINISCHE POST (0208/10/1) Ziffer 7 VOGTLAND-ANZEIGER (0224/10/1) Ziffern 2 +9 SINDELFINGER ZEITUNG (0272/10/1) Ziffer 7 DIE AKTUELLE (BK2-441/09) Ziffern 8 +2 (…) 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 106 Presserat Quelle: Presserat 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 107 Fall „sensationelles Motiv“ Drei Regionalzeitungen berichten über den Unfall am Kraftwerk Neurath in Grevenbroich. Beim Einsturz eines mehr als 100 Meter hohen Gerüstes kommen fünf Menschen ums Leben, mehrere werden schwer verletzt. Allen Beiträgen beigestellt ist das Foto eines toten Arbeiters, der in einem Sicherheitsgurt hängt. Die Fotos sind jedoch nicht identisch, es wurden jeweils unterschiedliche Bildausschnitte gewählt. Bei Zeitung A (Fulda) ist neben dem Toten ein Retter zu sehen, der versucht, den Arbeiter zu bergen. Bei Zeitung B (Wiesbaden) ist der Tote herangezoomt. Zeitung C (Köln) zeigt den Arbeiter ebenfalls seitlich von hinten. Insgesamt sechs Beschwerdeführer sind der Ansicht, dass der Abdruck des jeweiligen Bildes gegen den Pressekodex verstößt, da die Abbildung des toten Arbeiters unangemessen sensationell sei. Es handele sich „um einen sterbenden und in höchsten Maße körperlich und seelisch leidenden Menschen“. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 108 Fall „sensationelles Motiv“ Der Chefredakteur der Zeitung A (Fulda) sieht in der Wiedergabe des Bildes keinen grundsätzlichen Verstoß gegen die Ziffer 1 des Pressekodex, da die Darstellung so zurückhaltend erfolgt, dass das Opfer nicht einmal im Ansatz erkennbar oder identifizierbar sei. Wegen der „besonderen dramatischen Umstände“ des Unglücks sei eine diskrete Illustration zu dokumentarischen Zwecken erlaubt. Der Chefredakteur der Zeitung B (Wiesbaden) sieht eine Verletzung des Pressekodex nicht gegeben, „da die Dokumentationsabsicht im Vordergrund stand und das Foto im Inneren des Blattes erschienen sei. Die Verlagsleitung der Zeitung C (Köln) räumt ein, mit Abdruck des Bildes „eine am Ende wohl eher falsche Entscheidung getroffen zu haben“. Die Zeitung bedauert die Veröffentlichung und entschuldigt sich einen Tag später auch bei ihren Lesern. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 109 Fall „sensationelles Motiv“ Entscheidung Presserat: Nach Ansicht des Beschwerdeausschusses sind alle drei Beschwerden begründet aufgrund eines Verstoßes gegen die Richtlinie 11.3 sowie Ziffer 1 des Pressekodex. Die exponierte Darstellung eines einzelnen Opfers in allen Zeitungen wird als unangemessen sensationell beurteilt. Die Berichterstattung über das Unglück wird sicherlich vom öffentlichen Informationsinteresse gedeckt, eine Dokumentation der dramatischen Umstände wäre allerdings zurückhaltender möglich gewesen. Einen sterbenden Menschen in einer solch qualvollen Pose zu zeigen widerspricht dem Pressekodex. Zeitung A (Fulda) erhält einen Hinweis, da die Redaktion das Opfer nicht bewusst herausgestellt hat, vielmehr die dramatische Rettungsaktion auf dem Gerüst dokumentiert hat. Zeitung B (Wiesbaden) erhält eine Missbilligung, da sie den Toten auch noch herangezoomt hatte. Bei Zeitung C wird auf eine Maßnahme verzichtet, da sich die Redaktion am folgenden Tag bei ihren Lesern entschuldigt hat. Praxisleitfaden zu Ziffer 7 Pressekodex Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 110 Ziffer 10 Pressekodex? (…) Nicht Jesus oder der christliche Glaube (werden) hier verhöhnt, sondern das Verhalten christlicher Würdenträger kritisiert, die sich ihren Schutzbefohlenen gegenüber falsch verhalten (haben)…. Bildquelle: Titanic Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 111 Gegendarstellungsrecht • Übersicht: • Ansprüche gegen die Presse bei potentiell rechtswidriger Wort- und Bildberichterstattung • • • • 14.12.2012 Gegendarstellung Unterlassung Berichtigung • Widerruf und Richtigstellung Schadensersatz • Vermögensschaden und Geldentschädigung Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 112 Gegendarstellungsrecht § 11 LMG Rheinland-Pfalz (1) Die redaktionell verantwortliche Person und die Person, die ein periodisches Druckwerk verlegt, sowie Rundfunkveranstalter sind verpflichtet, unverzüglich eine Gegendarstellung der Person oder Stelle, die durch eine in dem Druckwerk oder der Rundfunksendung aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist, ohne Kosten für die Betroffenen zum Abdruck zu bringen, zu verbreiten oder in das Angebot ohne Abrufentgelt aufzunehmen. Für die Wiedergabe einer Gegendarstellung zu einer im Anzeigenoder Werbeteil verbreiteten Tatsachenbehauptung sind die üblichen Entgelte zu entrichten. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 113 Gegendarstellungsrecht Anspruchsverpflichtet: • Verantwortlicher Redakteur: siehe Impressum • • 14.12.2012 Nicht: Verfasser einer Meldung, Herausgeber, nicht zwingend der Chefredakteur Verleger = derjenige, der die Vervielfältigung und Verbreitung im eigenen Namen durchführt, gleichgültig ob auf eigene oder fremde Rechnung. Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 114 Gegendarstellungsrecht Anspruchsberechtigt: „Person“ = Natürliche und juristische Personen „Stelle“= Behörden, Körperschaften, Verbände, aber auch Regierungen, Bürgerinitiativen, nichtrechtsfähige Vereine und Gesellschaften Betroffenheit= Individuelle, unmittelbare oder mittelbare Berührung der eigenen Interessensphäre • 14.12.2012 Beispiele: • Theaterintendant bei Berichten über Zustände im Theater, • Eltern bei Veröffentlichung über das minderjährige Kind im Haushalt Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 115 Gegendarstellungsrecht Anspruchsvoraussetzungen • Periodische Druckwerke • • 14.12.2012 Druckwerke, die in ständiger Folge und im Abstand von nicht mehr als 6 Monaten erscheinen (vgl. §3 Abs. 2 Nr. 2 LMG) Tatsachenbehauptungen • Wesentliches Kriterium als Abgrenzung zur Meinung: Beweiszugänglichkeit! • Die Abgrenzung von Meinungen/Tatsachen kann im Einzelfall sehr problematisch sein und ist daher ein hoher Unsicherheitsfaktor bei der Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs! Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 116 Gegendarstellungsrecht Anspruchsvoraussetzungen (P): mehrdeutige Aussagen • • • In einer Zeitschrift wird 2004 über die Verurteilung einer Frau zur Rückzahlung von 35,7 Mio. € berichtet, die zu Unrecht Leistungen für angeblich im 2. Weltkrieg verloren gegangenes Aktienvermögen, u.a. von Daimler-Benz-Aktien, erlangt hatte. In dem streitgegenständlichen Artikel heißt es: „Immer wenn im Hause B. das Geld knapp wurde, fanden sich auf wundersame Weise neue Belege für stattliche Wertpapierdepots. Einmal steckten solche Papiere in einer vergessenen Stahlkassette, ein anderes Mal in einem sperrigen Schiffskoffer im Keller, wo sich zwischen abgetragenen Kleidungsstücken Hinweise auf unbekannte Aktien unter anderem der IG Farben und der Automobilkonzerne Ford und Daimler-Benz fanden.“ Die ordentlichen Gerichte sprachen ihr einen Gegendarstellungsanspruch zu: Sie durfte entgegnen, dass die Daimler-Benz-Aktien, um deren Entschädigung gestritten worden war, nicht in einem Schiffskoffer, sondern in Akten des Lastenausgleichsamts aufgefunden worden waren. Der Artikel erwecke möglicherweise einen abweichenden Eindruck. Zu Recht? 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 117 Gegendarstellungsrecht (P): Mehrdeutigkeit einer Aussage Das BVerfG verneint im Ergebnis einen Gegendarstellungsanspruch und führt aus: „Die Pflicht zum Abdruck einer Gegendarstellung greift in den Schutzbereich der Pressefreiheit ein“. (…) „Das Grundrecht der Pressefreiheit findet seine Schranken gemäß Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. Hierzu zählt auch die Vorschrift des § 11 HbgPrG (entspricht § 11 LMG). Auslegung und Anwendung dieser Regelung ist Sache der Zivilgerichte. Diese haben hierbei jedoch die wertsetzende Bedeutung der von der Entscheidung berührten Grundrechte zu berücksichtigen.“ BVerfG gelangt dann im Lichte des: • Selbstbestimmungsrechts der Presse • Möglichen Einschüchterungseffekts zur Kernaussage des Urteils für das Gegendarstellungsrecht: • Die (einen Gegendarstellungsanspruch auslösende) Interpretation muss sich dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung aufdrängen! Hier (-), d.h. Gegendarstellungsanspruch (-) 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 118 Gegendarstellungsrecht § 11 LMG (3) Eine Verpflichtung zur Aufnahme der Gegendarstellung gemäß Absatz 1 besteht nicht, wenn 1. die betroffene Person oder Stelle kein berechtigtes Interesse an der Gegendarstellung hat, 2. der Umfang der Gegendarstellung unangemessen über den der beanstandeten Tatsachenbehauptung hinausgeht, 3. die Gegendarstellung sich nicht auf tatsächliche Angaben beschränkt oder einen strafbaren Inhalt hat, 4. die Gegendarstellung nicht unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Monaten nach der Aufstellung der Tatsachenbehauptung, der nach Absatz 1 Satz 1 verpflichteten Person schriftlich und von der betroffenen Person oder ihrer gesetzlichen Vertreterin oder ihrem gesetzlichen Vertreter unterzeichnet zugeht oder 5. es sich um eine Anzeige in einem periodischen Druckwerk handelt, die ausschließlich dem geschäftlichen Verkehr dient. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 119 Gegendarstellungsrecht Ausschlussgründe des Gegendarstellungsanspruchs: Fehlen eines berechtigten Interesses • Bei Belanglosigkeit (obj. Durchschnittsleser) •Bsp.: Bericht über einen Dachstuhlbrand, dessen Höhe mit 25 m statt 20 m angegeben wurde. • • Unverständlichkeit einer Gegendarstellung Irreführung durch Gegendarstellung • • berechtigtes Interesse soll auch fehlen bei offensichtlicher Unwahrheit der Gegendarstellung! • • 14.12.2012 Bsp.: Zeitung berichtet über Verurteilung wegen einer bestimmten Tat. Ist der Täter stattdessen richtigerweise wegen einer anderen Tat verurteilt worden, muss dies auch in der Gegendarstellung mitgeteilt werden. Aber: sehr enges Konzept, da Gegendarstellungsrecht vom Prinzip der Wahrheitsunabhängigkeit getragen wird! Die Unwahrheit muss für den unbefangenen Durchschnittsleser auf der Hand liegen! Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 120 Gegendarstellungsrecht Die Welt 2001: „Gregor Gysi, ein registrierter Stasi-Spitzel“ Frage: Hat Gregor Gysi einen Anspruch auf eine Gegendarstellung mit gegenteiligem Inhalt? TB zunächst (+), inbesondere liegt eine Tatsachenbehauptung vor • Möglicher Ausschlussgrund: Fehlen eines berechtigten Interesses •Ein berechtigtes Interesse könnte entfallen, wenn die Gegendarstellung unwahr wäre •Grundsatz: Bei der Gegendarstellung gilt das Prinzip der Wahrheitsunabhängigkeit Das bedeutet: weder muss Gysi beweisen, dass die Behauptung des Spiegels unwahr ist, noch muss er beweisen, dass seine Gegendarstellung wahr ist •Ausnahme: Das berechtigte Interesse fehlt bei offensichtlicher Unwahrheit der Gegendarstellung Für die Offensichtlichkeit gelten strenge Maßstäbe: Die Unwahrheit muss für den unbefangenen Durchschnittsleser auf der Hand liegen und gerichtsbekannt sein. • Offensichtlichkeit (-), d.h. Gegendarstellungsanspruch (+). Vgl. dazu BVerfG, 1 BvQ 35/01 Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 121 Gegendarstellungsrecht Weitere Ausschlussgründe Unangemessen großer Umfang der Gegendarstellung • • Es darf soviel Raum in Anspruch genommen werden wie für eine klare, konzentrierte Darstellung notwendig ist. • Jedenfalls zulässiges Minimum ist der Umfang der beanstandeten Erstmitteilung. Keine Gegendarstellung bei Anzeigen, die ausschließlich dem geschäftlichen Verkehr dienen. • • Grund: Dort steht nicht der Informationszweck, sondern die Selbstdarstellung im Vordergrund.Außerdem: Keine Zeitung wird (kostenpflichtige) Gegeninserate ohne zwingenden Grund verweigern. •Keine Gegendarstellung bei amtlichen oder „harmlosen“ Schriften, vgl. §1 Abs. 4 LMG •Keine Gegendarstellung zur Gegendarstellung! 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 122 Gegendarstellungsrecht Weitere Ausschlussgründe • • 14.12.2012 Keine ausreichende Entgegnungserklärung (§ 11 Abs. 3 Nr. 4 LMG) • schriftliche Fixierung und Unterzeichnung der Gegendarstellung • Unterzeichnung muss von der betroffenen Person selbst oder ihrem gesetzlichemVertreter vorgenommen werden. Keine Unterzeichnung durch bevollmächtigten RA – höchstpersönlicher Charakter der Gegendarstellung Frist • „unverzüglich“ = ohne schuldhaftes Zögern • Faustregel: zwei Wochen Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 123 Gegendarstellungsrecht Inhalt und Form der Gegendarstellung § 11 LMG (2) Die Gegendarstellung hat ohne Einschaltungen und Weglassungen in gleicher Aufmachung wie die Tatsachenbehauptung zu erfolgen. Bei Druckwerken muss sie in der nach Empfang der Einsendung nächstfolgenden für den Druck nicht abgeschlossenen Nummer in dem gleichen Teil des Druckwerks und mit gleicher Schrift wie der beanstandete Text abgedruckt werden; sie darf nicht in der Form eines Leserbriefs erscheinen. Eine Erwiderung muss sich auf tatsächliche Angaben beschränken; dies gilt bei periodischen Druckwerken nur, sofern die Erwiderung in derselben Folge oder Nummer erfolgt. Verbreitet ein Unternehmen der in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b oder c genannten Art eine Gegendarstellung, so ist die Gegendarstellung gleichfalls unverzüglich so weit zu veröffentlichen, wie die behauptete Tatsache übernommen wurde. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 124 Gegendarstellungsrecht Gegendarstellung Beispiele Quelle: BildBlog.de Stefan Raabs Mettbrötchen Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 125 Fotomontage Quelle: Aufrecht.de Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 126 Fotomontage Gegendarstellung Auf der Titelseite von der "neuen Woche" Nr. 42 vom 15. Oktober 2010 ist ein Foto abgebildet, welches mich und meine Frau vor grünen Blättern zeigt. Hierzu stelle ich fest: Das Foto ist eine ohne mein Einverständnis hergestellte Fotomontage. Ein Einzelfoto von mir und ein Einzelfoto von meiner Frau wurden auf einen Hintergrund mit grünen Blättern gesetzt. Potsdam, 28. Oktober 2010-11-29 G. Jauch Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 127 Fotomontage Fotomontage gegendarstellungsfähig? LG Offenburg: Gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptungen beziehen sich grundsätzlich auf die sachliche Aussage eines Textes oder eines Bildes, soweit es sich um Tatsachen handelt, nicht aber auf die Art ihrer Herstellung. Im vorliegenden Fall könnte diese möglicherweise heißen: "Ehepaar [...] steht vor grünen Blättern", nicht aber "Ich bin eine echte Fotoaufnahme und keine Montage". Demgemäß könnte die Gegendarstellung allenfalls dahingehen, dass der Verfügungskläger nicht mit seiner Frau vor grünen Weinblättern stand, nicht aber, dass es sich um eine aus Einzelfotos hergestellt Fotomontage handelt. Eine entsprechende Anpassung des Textes ist dem Gericht allerdings nach dem von ihm vertretenen Grundsatz "ganz oder gar nicht" nicht möglich. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 128 Redaktionsschwanz Redaktionsschwanz Änderungen des § 1 SPresseG 1994 („Lex Lafontaine“) Die Gegendarstellung muß in der nach Empfang der Einsendung nächstfolgenden, für den Druck nicht abgeschlossenen Nummer an gleichwertiger, der Seite der Erstmitteilung entsprechender Stelle, mit gleicher Schrift und gleicher Aufmachung (bisher: in dem gleichen Teil des Druckwerks und mit gleicher Schrift wie der beanstandete Text) ohne Einschaltungen und Weglassungen abgedruckt werden (Streichung von: ;sie darf nicht in der Form eines Leserbriefes erscheinen). Sie soll bei Verwendung grafischer oder fotografischer Mittel, die in einem Zusammenhang mit dem beanstandeten Text stehen, bei einem berechtigten Interesse der betroffenen Person oder Stelle mit gleichwertigen grafischen oder fotografischen Bestandteilen erfolgen. Der Abdruck ist kostenfrei. Zusätze zur Gegendarstellung sind nicht statthaft. • • Änderungen 2000: Redaktionsschwanz auch im Saarland wieder möglich Anforderungen Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 129 Gegendarstellungsanspruch • Merke zum Gegendarstellungsanspruch: • • Die Gegendarstellung richtet sich gegen TATSACHENBEHAUPTUNGEN Prinzip der Wahrheitunabhängigkeit! • • Die h.M. in der Rechtsprechung wendet im Gegendarstellungsverfahren das so genannte "Alles oder- nichts-Prinzip" an. • 14.12.2012 In dem Verfügungsverfahren findet weder eine Prüfung der beanstandeten Behauptung auf ihre Richtigkeit noch auf die Behauptung der Richtigkeit der Behauptungen in der Gegendarstellung statt. Dies bedeutet, dass wenn nach Auffassung des Gerichts eine einzelne Formulierung unzulässig ist, dies dazu führen kann, dass der Anspruch auf Gegendarstellung insgesamt zurückgewiesen wird. Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 130 Unterlassungsanspruch Unterlassungsanspruch, analog §1004 BGB. • • Ziel: Abwehr künftiger Störungen! Voraussetzungen des Anspruchs: • Geschütztes Rechtsgut • Rechtsgüter d. § 823 Abs. 1 BGB • Individualinteressen, die durch Schutzgesetze i.S. d. § 823 Abs. 2 BGB geschützt sind (Bsp. UWG) • Drohender rechtswidriger Eingriff • Die Äußerung erwiesenermaßen unwahrer Tatsachen ist rechtswidrig. • Meinungsäußerungen sind nur dann rechtswidrig, wenn die Grenze zur Schmähkritik überschritten ist! • Begehungsgefahr • • • 14.12.2012 Wiederholungsgefahr (Unterlassungsanspruch nach Veröffentlichung) Erstbegehungsgefahr (Vorbeugender Unterlassungsanspruch Verschuldensunabhängige Haftung! Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 131 Unterlassungsanspruch Wiederholungsgefahr • • Ein begangener rechtswidriger Eingriff begründet grds. die Vermutung, dass auch in Zukunft gleichartige rechtswidrige Eingriffe bevorstehen Keine Wiederholungsgefahr besteht, wenn eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wird Erstbegehungsgefahr • Der Betroffene muss konkrete Umstände nachweisen, die eine Erstbegehungsgefahr belegen! • Bei Film-und Bildaufnahmen hängt es davon ab, ob der redaktionelle Rahmen und die Rechtswidrigkeit des Einsatzes schon konkret bewertet werden kann. (in der Regel nicht!) • Bsp. für Erstbegehungsgefahr: Jemand berühmt sich eines Rechts, eine bestimmte Veröffentlichung vornehmen zu dürfen. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 132 Unterlassungsanspruch Umfang des Unterlassungsanspruchs: • • Grundsätzlich: Kein Gesamtverbot eines Beitrages, rechtswidrige Inhalte müssen herausgestellt werden. Bestimmtheitserfordernis ist zu beachten! • Unterlassung „sinngemäßer Äußerung“ ist zulässig, nicht dagegen das Verbot, „den Eindruck zu erwecken,…“ oder das Begehren, alle Bildnisse „aus dem privaten Alltag“ zu unterlassen. Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs • Nicht zuletzt um Kosten i.S. des § 93 ZPO (sofortiges Anerkenntnis) zu vermeiden, bedarf es zunächst einer außergerichtlichen Abmahnung mit folgendem Inhalt: • • • • Datum: 14.12.2012 Benennung der konkreten Verletzungshandlung Forderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung Fristsetzung zur Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung Androhung gerichtlicher Schritte bei fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 133 Unterlassungsanspruch Beispiel Abmahnungsschreiben "Veröffentlichung in der Y-Zeitung vom 14.05.2008, Seite 51 "Die Machenschaften des Dr. Schmidt" Sehr geehrte Damen und Herren, unter Vollmachtsvorlage (im Original) zeige ich an, dass ich die rechtlichen Interessen von Dr. Schmidt vertrete. Der oben genannte Artikel enthält die unrichtige Behauptung, dass Herr Dr. Schmidt im Rahmen seiner Amtsgeschäfte Bestechungsgelder angenommen habe. Durch diese unrichtige Behauptung werden die Persönlichkeitsrechte meines Mandanten verletzt. Zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr fordere ich Sie daher namens und in Vollmacht meines Mandanten auf, beigefügte Unterlassungserklärung bis spätestens zum 28.05.2008, 24.00 Uhr hier eingehend, abzugeben. Nach fruchtlosem Ablauf der vorgenannten Frist werde ich meinem Mandanten empfehlen, seine Ansprüche gerichtlich durchzusetzen." Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 134 Unterlassungsanspruch Beispiel Unterlassungserklärung 1. Die Y-Zeitung GmbH vertreten durch (...) verpflichtet sich gegenüber Herrn Dr. Schmitt, wohnhaft (…), es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs fälligen Vertragsstrafe von EUR 5.100,00 zu unterlassen, zu behaupten, Herr Dr. Schmidt habe im Rahmen seiner Amtsgeschäfte Bestechungsgelder angenommen. 2. Die Y-Zeitung GmbH erkennt den Schadenersatzanspruch gegenüber Herrn Dr. Schmitt aus den Verletzungshandlungen grundsätzlich an. 3. Die Y-Zeitung GmbH verpflichtet sich gegenüber Herrn Dr. Schmitt, innerhalb einer Woche nach Abgabe der Unterlassungserklärung Auskunft über die Auflage der Y-Zeitung sowie darüber zu erteilen, wie viele Zugriffe das Online-Angebot unter (…) am Tag (…) hatte. 4. Die Y-Zeitung GmbH verpflichtet sich zur Übernahme der Kosten, die durch die Einschaltung der Rechtsanwaltskanzlei Dussel&Partner in dieser Sache entstanden sind auf Basis eines Streitwerts von EUR 15.000,00. Ort, Datum, Unterschrift Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 135 Unterlassungsanspruch Modifizierte Unterlassungserklärung • • • • Eine abgeänderte Unterlassungserklärung hat Vorteile, birgt aber auch Risiken: Einerseits soll die vorgegebene, im Zweifel zu weit gehende Formulierung des Abmahnenden korrigiert werden (Umfang der zu unterlassenden Handlung, Höhe der Vertragsstrafe) Wird zu viel herausgestrichen, beseitigt die Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr nicht. Ergebnis: der Abmahnende reicht Klage ein, es entstehen höhere Kosten. „Hamburger Brauch“ = Formulierung der Unterlassungserklärung wie folgt: (…) es zukünftig bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung von dem Unterlassungsgläubiger zu bestimmenden, im Streitfalle durch das zuständige Gericht zu überprüfenden, angemessenen Vertragsstrafe zu unterlassen (…) Die Formulierung"...unter Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs..." sollte man streichen. Das Fehlen des Fortsetzungszusammenhangs ist für die Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht schädlich. Fortsetzungszusammenhang = Zusammenfassung mehrerer einzelner Verstöße zu einem einzigen Verstoß. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 136 Berichtigungsanspruch •Ziel: Beseitigung einer fortdauernden Rechtsbeeinträchtigung durch eine Veröffentlichung • Voraussetzungen des Berichtigungsanspruchs aus §1004 BGB analog: • Rechtsgutbeeinträchtigung durch unwahre Tatsachenbehauptung • Die Beweislast für die Unwahrheit der angegriffenenTatsachenbehauptung liegt beim Anspruchsteller. • Fortdauer der Beeinträchtigung • BGH in Caroline von Monaco I: Auch nach einem Zeitraum von zwei Jahren kann bei einer auflagenstarken Zeitschrift noch eine verletzende Wirkung vorhanden sein. • Rechtswidrigkeit • • • • Verlangt wird nicht, dass der Störer rechtswidrig gehandelt hat; entscheidend ist, dass der Störzustand rechtswidrig ist. Beispiel: trotz erfolgter Wahrheitsprüfung kommt die Unwahrheit einer Meldung erst später ans Licht Dann: Richtigstellung Rechtsschutzinteresse • Bsp. (-) bei freiwilliger redaktioneller Richtigstellung, bei einer Berichtigung von Nebensächlichkeiten Nicht: Verschulden Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 137 Berichtigungsanspruch Arten der Berichtigung • Widerruf • • Der in Anspruch Genommene erklärt, dass er die unwahre Äußerung "widerruft" oder dass die Äußerung "unwahr" ist. Richtigstellung • Eine Richtigstellung erfolgt dann, wenn die beanstandete Behauptung zwar nicht in vollem Umfang zu widerrufen aber zumindest einzuschränken ist. Möglich auch: Ergänzung Form der Berichtigung • Wie bei Gegendarstellungsanspruch. Anspruchsverpflichteter • Derjenige, der die zu berichtigende Behauptung aufgestellt hat, ist auch zu ihrer Berichtigung verpflichtet. Soweit Behauptung nur (ohne sich zu Eigen machen) verbreitet wird, kann nur Distanzierung verlangt werden. Durchsetzung des Berichtigungsanspruchs • Der Berichtigungsanspruch kann – im Gegensatz zu Unterlassungsanspruch und Gegendarstellung – nur im Wege der Hauptsacheklage durchgesetzt werden. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 138 Berichtigungsanspruch Beispiel für eine Widerrufserklärung: Widerruf In den Lübecker Nachrichten vom 23. Januar 1996 erschien unter der Überschrift „Die Lübecker Brandkatastrophe und die Wahrheit“ ein Kommentar von A. H. mit der Überschrift „Verfluchte Stadt?“. Dieser Kommentar enthält eine falsche Tatsachenbehauptung:Falsch ist, dass für den Bürgermeister der Hansestadt Lübeck, Herrn Michael Bouteiller, schon wenige Stunden nach dem Brand festgestanden hat, dass dies ein Anschlag Rechtsradikaler gewesen ist. Die Lübecker Nachrichten widerrufen hiermit diese Falschmeldung.Die Redaktion Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 139 Schadensersatzanspruch • • • Ziel: Ausgleich von Vermögensnachteilen Rechtsgrundlage: §§ 823, 824, 826 BGB Anspruchsvoraussetzungen: • Rechtswidrige Verletzung geschützter Interessen • Rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, Recht am Unternehmen (§823 Abs. 1 BGB) z. B. durch Schmähkritik • Verschulden • § 276 BGB, Vorsatz und Fahrlässigkeit • Vermögensschaden • Verglichen wird die aktuelle Vermögenslage durch das Schadensereignis mit der hypothetischen Vermögenslage, die ohne das Ereignis vorläge - Materielle Schäden! Auch: entgangener Gewinn, § 252 BGB • Kausalität • Das Verhalten des Schädigers muss ursächlich sein für einen Schadenseintritt • Die Verletzung muss ursächlich sein für die gesamte Schadenshöhe! Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 140 Anspruch auf Geldentschädigung Bei schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen hat der Verletzte neben den Ansprüchen auf Gegendarstellung, Unterlassung, Berichtigung und Schadenersatz einen Anspruch auf Geldentschädigung, § 823 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG. Voraussetzung der Geldentschädigung • Schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung • • • • • • Verletzung der Intimsphäre Verletzung der Privatsphäre Erfundene Interviews und Zitate Schmähkritik Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Einsatz in der Werbung (Herrenreiter-Fall) Beeinträchtigung kann nicht in anderer Weise befriedigt werden. • • Datum: 14.12.2012 Berichtigung kann dazu führen, dass ein Geldentschädigungsanspruch ausscheidet. Höhe des Anspruchs: kann nach § 287 Abs. 1 ZPO vom Gericht "nach freier Überzeugung" bestimmt werden. Bei Verletzung Recht am eigenen Bild denkbar: Lizenzanalogie Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 141 Definition Schmähkritik • • • Eine Meinungsäußerung ist als Schmähkritik anzusehen, wenn sie – jenseits auch polemischer oder überspitzter Kritik- ausschließlich in der Herabsetzung einer Person besteht. Es genügt aber nicht allein die Herabsetzung. Die Kritik muss auch überzogen und ausfallend sein, so dass die Auseinandersetzung mit der Person oder Sache nicht mehr im Vordergrund steht, sondern lediglich die Diffamierung. Beispiele aus der Rechtsprechung: - Heinrich Böll sei ein „steindummer, kenntnisloser und talentfreier“ Autor, „einer der verlogensten, ja korruptesten“ und ein „zum Teil pathologischer, zum Teil ganz harmloser Knallkopf“ gewesen, bei seinen Werken handele es sich „häufig um wiederwärtigen Dreck“. - - Die Kritik an Gerichten eines Restaurants, die wie folgt formuliert war:„Gerichte, wie eine Portion Pinscherkot in die Teller hinein geschissen“, die „zum Kotzen“ seien und die Bedienung „radikal vor sich hindämmernd und vor dem Herzinfarkt stehend“ wäre, so dass die Zustände im Lokal ein„heilloses Chaos“ wären. - Datum: 14.12.2012 BVerfG ( 1. Kammer des Ersten Senats ), Beschluß vom 25-02-1993 - 1 BvR 151/93 OLG Frankfurt, Beschluß vom 24-11-1989 - 6 W 122/89 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 142 Lisa Beispiel für Geldentschädigung wegen schwerer Verletzung des Persönlichkeitsrechts: • • Stefan Raab und „Lisa L.“ (1:10) Das OLG Hamm sprach Lisa L. 70.000 € Geldentschädigung zu • (…) Es ist als besonders schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts anzusehen, wenn eine Minderjährige in einer Fernsehsendung (hier: "TVTotal") als für das Pornogeschäft geeignet angesehen wird. (…) Der Umstand, dass die Klägerin an einem Schönheitswettbewerb teilgenommen hat, einem anderen Fernsehsender in diesem Zusammenhang ein Kurzinterview gegeben und sich damit selbst in gewisser Weise medial präsentiert hat, ist nicht als freiwillige Interessenexponierung zu bewerten. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 143 3. Kapitel Urheberrecht Übersicht • • • • • • Urheberrecht im System des geistigen Eigentums(schutzes) Urheberrechtlich geschützte Werke Rechte des Urhebers Schranken Rechtsdurchsetzung Sonderfragen im Kontext „neuer“ Medien Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 145 Grundlagen Urheberrecht ist ein historisch junges Konzept: Rechtlicher Schutz in der griechischen noch in der römischen Antike (-). „Abschreiben“ ist lediglich gesellschaftlich verpönt. Mittelalter: Bücherfluch Datum: 14.12.2012 Um 1220 Eike von Repgow im Sachsenspiegel : "Allen, die unrecht verfahren und sündigen mit diesem Buch, denen sende ich diesen Fluch und denen, die Falsches hinzu erdichten: Der Aussatz soll sie dann vernichten [...]. Wer dem Teufel ohne Ende will zugehören, der sende ihm diese Urkunde und fahre zu der Hölle Grunde.“ (Hochdeutsche Übersetzung) Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 146 Grundlagen Entstehung von Urheberrechtsgesetzen 1710 England Statute of Anne den Urhebern wird das ausschließliche Vermarktungsrecht zugebilligt, das Verlegern abgetreten werden kann. Werk muß im Register der Buchhändlergilde eingetragen und mit einem Copyright-Vermerk versehen sein 1791 und 1793 Einführung des Propriété littéraire et artistique in Frankreich 1795 Einführung des Copyright- Regelung nach englischen Vorbild in den USA 1785 Immanuel Kants Schrift "Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks" unterstreicht erstmals das persönlichkeitsrechtliche Verständnis des Urheberrechts. 1837 Preußen führt einen Urheberrechtsschutz ein 1857 Einführung eines allgemeinen Urheberrechtsschutzes durch den Norddeutschen Bund; die Regelung wird 1871 vom Deutschen Reich übernommen 1907 Veröffentlichung des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (Kunsturheberrechtsgesetz – KUG, KunstUrhG) 1933 bis 1945 galten die Urheber in Deutschland als „Treuhänder des Werks“ für die Volksgemeinschaft. 1965 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz – UrhG) in Deutschland 1994 Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) durch die Welthandelsorganisation WTO 1996 WIPO-Urheberrechtsvertrag (WTC) und WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 147 Grundlagen Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 148 Quelle: DPMA Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 149 Patent PatG §1 Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Patente werden vom DPMA erteilt Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 150 GebrauchsmusterG GebrauchsmusterG §1 Als Gebrauchsmuster werden Erfindungen geschützt, die neu sind, auf einem erfinderischen Schritt beruhen und gewerblich anwendbar sind. Unterschiede zum Patent: Gebrauchsmuster ist ungeprüftes Schutzrecht. Im Eintragungsverfahren werden Neuheit, erfinderischer Schritt und gewerbliche Anwendbarkeit nicht geprüft. Verfahren deshalb schneller „Lebensdauer“. Patent zwanzig Jahre, Gebrauchsmuster maximal zehn Jahre Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 151 Geschmacksmuster GeschmacksmusterG § 1 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Gesetzes 1. ist ein Muster die zweidimensionale oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt; (…) § 2 Geschmacksmusterschutz (1) Als Geschmacksmuster wird ein Muster geschützt, das neu ist und Eigenart hat. (2) Ein Muster gilt als neu, wenn vor dem Anmeldetag kein identisches Muster offenbart worden ist. Muster gelten als identisch, wenn sich ihre Merkmale nur in unwesentlichen Einzelheiten unterscheiden. (3) Ein Muster hat Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Muster bei diesem Benutzer hervorruft, das vor dem Anmeldetag offenbart worden ist. Bei der Beurteilung der Eigenart wird der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Musters berücksichtigt. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 152 UrhG • Urheberrecht • • • • • UrhG 1966 Novelle I: Erster Korb 2003 (Umsetzung RiLi 2001/29 – Verbot Umgehung Kopierschutz) Novelle II: Zweiter Korb seit 1.1. 2008 in Kraft (Privatkopie und offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage) Seit 1.9.2008 Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums Gegenwärtig: Verhandlungen um Novelle III (Dritter Korb) • • • Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWG) • • „Kulturflatrate“? Provider und Urheberrechtsverstöße - Warnhinweismodell? Wahrnehmung der relevanten Rechte aus UrhG durch Verwertungsgesellschaften Gesetz über das Verlagsrecht (VerlG) Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 153 Geschützte Werke § 2 Geschützte Werke (1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: 1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme; 2. Werke der Musik; 3. pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst; 4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; 5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden; 6. Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden; 7. Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen. (2) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 154 Geschützte Werke § 4 Sammelwerke und Datenbankwerke (1) Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind (Sammelwerke), werden, unbeschadet eines an den einzelnen Elementen gegebenenfalls bestehenden Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts, wie selbständige Werke geschützt. (2) Datenbankwerk im Sinne dieses Gesetzes ist ein Sammelwerk, dessen Elemente systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind. Ein zur Schaffung des Datenbankwerkes oder zur Ermöglichung des Zugangs zu dessen Elementen verwendetes Computerprogramm (§ 69a) ist nicht Bestandteil des Datenbankwerkes. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 155 UrhG Kernbestimmungen • Gegenstand des Urheberrechts • • • Urheberpersönlichkeitsrecht • • §§ 15 -23 UrhG Verwertung in körperlicher / nicht-körperlicher Form „Schutzbereichskorrektur“ in § 24 UrhG • • Besondere Beziehung Urheber – Werk, §§ 12-14 UrhG Verwertungsrechte • • Texte, Bilder, Musik, Filme, Videos, § 2 UrhG Verwandte Schutzrechte / Leistungsschutzrechte, §§ 72 ff. UrhG (P) was bedeutet Schaffung in freier Benutzung? Nutzungsrechte, §§ 31 ff. UrhG • Datum: 14.12.2012 Ausschnitt eines Verwertungsrechts, vielfach zeitlich, räumlich oder inhaltlich beschränkt Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 156 UrhG Kernbestimmungen • Schranken des Urheberrechts • §§ 44 a bis 63 UrhG ermöglichen teilweise unentgeltliche Nutzung, teilweise erhält der Urheber einen Anspruch auf angemessene Vergütung • Verletzungshandlungen und Rechtsfolgen • • Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche, §§ 97 ff. Auskunftsanspruch, § 101 UrhG • Straf- und Bußgeldvorschriften, §§ 106 ff. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 157 Das Werk Werk = persönliche geistige Schöpfung, § 2 Abs. 2 UrhG • Datum: 14.12.2012 Rspr.: menschliche Schöpfung, die einen geistigen Gehalt, eine diesen repräsentierende sinnlich wahrnehmbare Formgestaltung und einen hinreichenden Grad an schöpferischer Eigentümlichkeit aufweist. Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 158 Das Werk Wassily Kandinsky, Komposition IV (1911) 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 159 Das Werk Congo, 1957 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 160 Das Werk (P) Vor allem: hinreichender Grad an schöpferischer Eigentümlichkeit? • individuelle geistige Leistung • BGH, Hundefigur Bill • Gestaltungshöhe • • Je nach Werkart unterschiedlich! Unbedeutend für den Werkbegriff: Herstellungsaufwand, Umfang des Werkes, Zweck, Rechtswidrigkeit der Werkinhalte • Anwaltschriftsatz als „Werk“? • • Vertragsformular als „Werk“? • 14.12.2012 BGH, Urteil vom 17. 4. 1986 - I ZR 213/ 83 OLG Brandenburg, Urteil v. 16.03.2010, Az. 6 U 50/09 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 161 Das Werk Sonder(P) urheberrechtlicher Schutz für Showformate? • • Format = Gesamtheit aller charakteristischen Merkmale, die geeignet sind, auch Folgen einer Show ungeachtet ihres jeweils unterschiedlichen Inhalts als Grundstruktur zu prägen und damit zugleich dem Publikum zu ermöglichen, sie ohne weiteres als Teil einer Sendereihe zu erkennen. Beachte: Eine konkrete fertige Sendung aus einer Spielshowreihe oder einzelne Bestandteile (Titelmusik) = Werk. Beim Formatschutz geht es um die Frage, ob die immer wiederkehrenden Gestaltungselemente einer Showserie als Konzept für die noch herzustellenden Folgen urheberrechtlich geschützt sind. Gestaltungselemente bei Spielshow z.B. Spielregeln, Titel, Bühnenbild, Art und Weise der Moderation Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 162 Das Werk BGH: Format einer Show ist kein Werk im Sinne des § 2 UrhG! Argumentation: • Ein Werk im Sinne des § 2 UrhG und damit Gegenstand des Urheberrechtsschutzes kann nur sein das Ergebnis der schöpferischen Formung eines bestimmten Stoffs. Daran fehlt es bei einer vom Inhalt losgelösten bloßen Anleitung zur Formgestaltung gleichartiger anderer Stoffe, mag diese auch ein individuell erarbeitetes, ins einzelne gehendes und eigenartiges Leistungsergebnis sein BGH, Kinderquatsch mit Michael Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 163 Das Werk Unterschied zu urheberrechtlichem Schutz von Fernsehserien, denen Fabel zu Grunde liegt? Fabel (die vom Urheber erfundenen Charaktere mit ihrer Lebensgeschichte, ihren Eigenschaften, ihrem Verhältnis untereinander und das Handlungsgefüge) ist schutzfähig! • Dazu: BGH Laras Tochter BGH in Kinderquatsch: Fernsehserien sind durch ihren fiktiven Inhalt gekennzeichnet. Sie erzählen typischerweise in einzelnen Folgen eine sich fortlaufend entwickelnde Handlung, die maßgeblich von dem Beziehungsgeflecht der auftretenden Personen und dem Milieu, dem diese zugeordnet werden, geprägt ist. Bei der Frage, ob derartige Fernsehserien urheberrechtlich gegen Nachahmungen geschützt sind, geht es regelmäßig darum, ob für Elemente der Serie - wie insbesondere die Fabel urheberrechtlicher Werkschutz geltend gemacht werden kann. Fernsehshowformate entwerfen dagegen im allgemeinen keine fiktive Welt, aus der heraus die einzelnen Sendungen als Folgen geschaffen werden. Nicht derartige inhaltliche Elemente verbinden die Sendungen einer entsprechenden Fernsehshowreihe, sondern das übereinstimmende Format. • Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 164 Urheberpersönlichkeitsrecht § 12 Veröffentlichungsrecht (1) Der Urheber hat das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist. (2) Dem Urheber ist es vorbehalten, den Inhalt seines Werkes öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben, solange weder das Werk noch der wesentliche Inhalt oder eine Beschreibung des Werkes mit seiner Zustimmung veröffentlicht ist. § 13 Anerkennung der Urheberschaft Der Urheber hat das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist. § 14 Entstellung des Werkes Der Urheber hat das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 165 Urheberpersönlichkeitsrecht Ellis K. ist Autorin der Pumuckl-Geschichten. Barbara von J. hat als Zeichnerin die ursprüngliche Pumuckl-Figur entworfen. In einem Vertrag hat J. 1977 allerdings der Verwertung der Zeichnungen in Büchern und Filmen zugestimmt und auf ihr Recht auf Namensnennung verzichtet. Nachdem die PumucklBücher und –Filme große Bekanntheit erlangt haben, möchte sie nun als Urheberin genannt werden. Zudem veranstaltet sie gemeinsam mit einem Radiosender einen Wettbewerb, in dem Kinder aufgefordert werden, eine Freundin für Pumuckl zu zeichnen. Dagegen wendet sich die K. J. schreibe unerlaubt die von Ihr (K) verfasste Geschichte fort. Zudem widerspreche der Wettbewerb dem literarischen Charakter der Pumuckl-Figur. Als Nachfahre der Klabauter könne Pumuckl weder sterben noch heiraten und treibe grundsäztlich keine Späße sexuellen Inhalts. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 166 Urheberpersönlichkeitsrecht 1. Wurde K´s Werk entstellt? LG München: Nein. Pumuckl darf Freundin haben! 2. Muß J´s Name genannt werden? OLG München: Ja. Anspruch auf Namensnennung der J (+) 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 167 Verwertungs- und Nutzungsrechte Verwertungsrechte §§ 15-23 UrhG Regeln die Befugnisse des Urhebers im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Verwertung. • In der Praxis wichtiger: die von den Verwertungsrechten abgeleiteten (abgespaltenen) Nutzungsrechte. • Die Verwertungsrechte bleiben beim Urheber, die Nutzungsrechte daran können Lizenznehmern eingeräumt werden. • „Neues“ Verwertungsrecht, § 19 a UrhG • Verwetungspraxis: • • • Große Bedeutung von Verwertungsgesellschaften Durch Wahrnehmungsvertrag zwischen Verwertungsgesellschaft und Urheber wird die Wahrnehmung der relevanten Rechte treuhänderisch auf die Verwertungsgesellschaft übertragen. Urheber räumt Gesellschaft die exklusiven Nutzungsrechte ein, damit Gesellschaft ihrerseits Dritten einfache Nutzungsrechte (Sublizenzen) einräumen kann. Näheres im UrhWG Einräumung der Nutzungsrechte durch § 31 ff. UrhG • Datum: 14.12.2012 Einfache und ausschließliche Nutzungsrechte Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 168 Unfreie Bearbeitung und freie Benutzung § 23 Bearbeitungen und Umgestaltungen Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen des Werkes dürfen nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes veröffentlicht oder verwertet werden. Handelt es sich um eine Verfilmung des Werkes, um die Ausführung von Plänen und Entwürfen eines Werkes der bildenden Künste, um den Nachbau eines Werkes der Baukunst oder um die Bearbeitung oder Umgestaltung eines Datenbankwerkes, so bedarf bereits das Herstellen der Bearbeitung oder Umgestaltung der Einwilligung des Urhebers. § 24 Freie Benutzung (1) Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden. (2) Absatz 1 gilt nicht für die Benutzung eines Werkes der Musik, durch welche eine Melodie erkennbar dem Werk entnommen und einem neuen Werk zugrunde gelegt wird. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 169 Unfreie Bearbeitung und freie Nutzung • „Schutzbereichskorrektur“ in § 24 UrhG • (P) was bedeutet Schaffung in freier Benutzung? • VS: ausreichender künstlerischer Abstand • BGH (-), wenn die Gesichtszüge und die typischen Merkmale einer urheberrechtlich geschützten Comicfigur (Asterix) in einen neuen Comic übernommen werden, in dem die Figur lediglich in einen neuen Zusammenhang (z. B. Neuzeit statt Antike) gesetzt wird • Denkbar dagegen: nur gweisse Merkmale der Figuren (Figur 1 klein + clever, Figur 2 stark + einfältig) dürfen frei übernommen werden Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 170 Schranken • Schranken des Urheberrechts • • • §§ 44 a bis 63 UrhG ermöglichen teilweise unentgeltliche Nutzung, teilweise erhält der Urheber einen Anspruch auf angemessene Vergütung Grds. enge Auslegung der Schrankenbestimmungen! Schranken des Urheberrechts • Bsp: § 51 UrhG Zitat (VS: bestimmter Zweck) • Fremde Sendungsausschnitte in TV Total zulässig ? • BGH: nein! Weder § 24 noch §§ 50, 51 Nr. 2 einschlägig. • § 50 UrhG: Tagesereignis? • § 51 Nr. 2: Voraussetzung für die Zulässigkeit des Zitats ist, dass es als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbstständige Ausführungen dient und eine innere Verbindung zu den eigenen Gedanken hergestellt wird • Raab muss zahlen! Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 171 Schranken § 53 Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch (1) Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird. Der zur Vervielfältigung Befugte darf die Vervielfältigungsstücke auch durch einen anderen herstellen lassen, sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt. • § 53 UrhG Privatkopie • Kopie nichtgeschützter CD für Familienangehörige (+) • In keinem Fall darf Kopierschutz umgangen werden! Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 172 Verletzungshandlungen und Ansprüche § 97 UrhG Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz (1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. (2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 173 Zivilrechtliche Ansprüche §§ 97 ff. UrhG Eingriff in ein geschütztes Recht Rechtswidrigkeit Besondere Voraussetzungen: Anspruch auf Beseitigung Verhältnismäßigk eit der Beseitigung nach Art und Umfang Anspruch auf Unterlassung Wiederholungsge fahr Verschulden Schaden Bsp.: Beseitigung der Entstellung eines Werkes; Nachholen der Anerkennung der Urheberschaft Datum: 14.12.2012 Anspruch auf Schadensersatz Kausalität Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 174 Übungsfall Übungsfall Die Klägerin ist die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst. Sie nimmt aufgrund eines Wahrnehmungsvertrags mit den Erben des Malers und Bildhauers Ludwig Gies die Rechte an der Adlerfigur - dem sogenannten Gies-Adler - wahr, die Gies 1953 geschaffen hat. Die nachstehend abgebildete Gips-Wiedergabe dieses Adlers hing von 1955 bis zu dessen Neubau an der Stirnseite des Plenarsaals des Deutschen Bundestags in Bonn: Die Beklagte gibt das Wochenmagazin „Focus“ heraus. Sie veröffentlichte in Heft 13 des Jahres 1999 unter der Überschrift „Der ‚unseriöse’ Staat“ einen Beitrag über einen angeblichen Mißbrauch des Steuerrechts, das vom Gesetzgeber immer häufiger dazu benutzt werde, „hastig Haushaltslöcher zu stopfen“. Diesem Artikel war die - nachfolgend in schwarzweiß und verkleinert wiedergegebene - farbige Darstellung eines Bundesadlers vorangestellt: Die Klägerin nimmt die Beklagte deswegen auf Unterlassung in Anspruch. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 175 Übungsfall Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 176 Übungsfall Gies Adler = Werk? • § 2 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 UrhG (+) Gies Adler = amtliches Werk? • § 5 Abs. 2 UrhG (-) § 23 Satz 1 UrhG oder § 24 Abs. 1 UrhG? • Wenn § 23 Satz 1 UrhG, dann • • • Datum: 14.12.2012 § 50 UrhG? § 51 Nr. 1 UrhG? § 59 Abs. 1 UrhG? Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 177 Unfreie Bearbeitung und freie Nutzung OLG Köln: Unfreie Bearbeitung! Focus-Adler wirkt zwar etwas weniger rundlich. Die wesentlichen Züge und die Silhouette ist aber weitgehend übernommen. • Die Übernahme der Silhouette ist auch nicht zwingend, nur weil ein Adler abgebildet wird; dies ließe sich auch in anderer Weise darstellen. § 50 UrhG (-), da Gies-Adler nicht im Rahmen der Berichterstattung über Tagesereignisse (im Original) gezeigt, sondern seine Bearbeitung als optischer Aufmacher für einen politischen Artikel eingesetzt worden ist. Zitatrecht des § 51 UrhG (-) Gies-Adler wird durch die angegriffene Darstellung nicht zitiert, sondern verfremdet wiedergegeben. § 59 Abs. 1 UrhG (-) Adler hat sich nicht auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, sondern innerhalb des früheren Gebäudes des Deutschen Bundestages befunden. • • • • • Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 178 Unfreie Bearbeitung und freie Nutzung • BGH: Freie Nutzung! • • • • Datum: 14.12.2012 Nicht nur die vordergründige Übernahme ist maßgeblich, sondern auch eine etwaige antithematische Auseinandersetzung ist zu berücksichtigen! Karikaturistische Darstellung Entscheidend ist die Verwandlung des würdigen, eher etwas träge, stets aber gutmütig wirkenden Gies-Adlers, der im Volksmund als „fette Henne“ bezeichnet wird, in einen gierigen, bösartigen Raubvogel, der trotz der gewollten Übereinstimmungen mit dem Original wenig gemein hat. deutlicher innerer Abstand zu Original (+) Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 179 Urheberrecht und neuen Medien Werke im Bereich des Internets Webpage / Weblog: Schutz einzelner Elemente (Sprach- / Musikwerk) oder der Gesamtpage nach § 2 UrhG VS: Individualität (keine Alltagserzeugnisse) + gestalterische Mindesthöhe (§ 2 Abs. 2 UrhG) Facebook, StudiVZ oder Xing Linksammlung kann Datenbank § 87 a UrhG sein (LG Köln bei 251 Links) Schutzfähigkeit virtueller Güter? Kölner Dom in Second Life – Portal (+) User-Präsenz wohl eher (-) LG Köln: § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG (-) Offline / Online Computerspiele: h.M. = Filmerk, § 2 Abs. I Nr. 6 UrhG Datum: 14.12.2012 Erschaffener Charakter (Avatar) - § 2 Abs. I Nr. 4 UrhG? Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 180 Urheberrecht und neue Medien Weitere typische Problemkonstellationen im Bereich des Internet • (P) Copy and Paste bei Ebay • • • Keine Verwendung fremder Lichtbilder! Kopieren der Produktbeschreibung – schöpferische Mindesthöhe? (P) Filesharing • Seit 2. Korb keine Berufung auf Privatkopie bei Nutzung eines p2p Netzwerks! • 19a UrhG! • (P) Kino.to • Datum: 14.12.2012 § 53 UrhG oder § 44 a UrhG? Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 181 Urheberrecht und neue Medien Kino.to • • • • • Filwerke = § 2 I Nr.6 UrhG Vervielfältigung i.S. d. § 16 UrhG durch anschauen des Streams? (+) Arg: „gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft“ Lizenz? (-) § 53 I 1 UrhG? § 44 a UrhG? Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 182 Urheberrecht und neue Medien § 53 Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch (1) Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird. Der zur Vervielfältigung Befugte darf die Vervielfältigungsstücke auch durch einen anderen herstellen lassen, sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 183 Urheberrecht und neue Medien 1. 2. § 44a Vorübergehende Vervielfältigungshandlungen Zulässig sind vorübergehende Vervielfältigungshandlungen, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist, eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder eine rechtmäßige Nutzung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 184 Urheberrecht und neue Medien § 53 I 1 UrhG (P) Rechtswidrigkeit der Vorlage 19a UrhG (+), daher § 53 I 1 UrhG i.E. (-) (P) Offensichtlichkeit der Rechtswidrigkeit keine oder ungewöhnlich niedrige Preise • • • Datum: 14.12.2012 Schlechte Qualität, fehlender Hinweis auf Lizenzierung Prominenz der Werke Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 185 Urheberrecht und neue Medien § § 44 a Nr. 1 UrhG privilegiert ausschließlich den Vermittler. § 44a Nr. 2 UrhG • erlaubt erlaubnisfreie Vervielfältigung, wenn ihr alleiniger Zweck eine rechtmäßige Nutzung ist. Rechtmäßig ist Nutzung, wenn sie vom jeweiligen Rechteinhaber erlaubt ist oder wenn sie im Rahmen gesetzlicher Schrankenbestimmungen zulässig und auch sonst nicht durch Gesetze beschränkt ist • Sinn der Vorschrift: Wenn eine bestimmte Werknutzung erlaubt ist, dann soll diese Erlaubnis nicht deswegen ins Leere laufen, weil bei der erlaubten Nutzung technische Hilfsspeicherungen erforderlich sind. § 44a Nr. 2 UrhG daher (-) • Beachte: Abweichung vom analogen Verwertungsumfeld: Rezeption einer rechtswidrig vervielfältigten Vorlage (Anhören unerlaubt vervielfältigte Audio-CD, Lesen kopiertes Buch) war bisher nicht unerlaubt. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 186 Urheberrecht 2.0 Ausgangspunkt: • Internet als natürlicher Feind des Urheberrechtss? • Datum: 14.12.2012 Vint Cerf: „Die Copyright-Problematik entsteht doch dadurch, dass das Netz durch Kopieren funktioniert. Ein Browser kopiert eine Datei von einem Webserver und interpretiert sie dann für die Darstellung im World Wide Web. Copyright hat historisch immer so funktioniert, dass der Vertrieb von Werken in physischer Form wie Bücher, CDs, DVDs, Magazine, Zeitungen, Videokassetten oder LPs kontrolliert wurde. Digitale Informationen können nun mal leicht kopiert und verteilt werden. Dadurch entsteht ein Problem mit dem herkömmlichen Urheberrecht.“ Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 187 Urheberrecht 2.0 Lösungsansatz 1: Three Strikes and you are out! Ansatz: neue Sanktionsmechanismen für Urheberrecht 1.0 Frankreich: « Lex Olivenne » Schaffung einer Überwachungsbehörde für Verbreitung und Schutz der Urheberrechte im Internet (HADOPI) Zeitweise Zugangssperre nach dreimaliger Urheberrechtsverletzung Entscheidung des Conseil Constitutionnel vom 10. Juni 2009 Datum: 14.12.2012 Lex Olivenne verletzt Artikel 11 der Menschen- und Bürgerrechtserklärung von 1789 (Meinungsfreiheit) Fehlen richterlicher Überprüfung der behördlichen Entscheidung rechtswidrig! Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 188 Urheberrecht 2.0 Three Strikes Ansatz auch in Deutschland? • • • Verfassungsrechtlich zulässig? • Artikel 14 GG (Rechteinhaber) • Artikel 12 GG (Provider) • Artikel 5 GG (User) Bei der Meinungs- und Informationsfreiheit der User ist die konstitutive Bedeutung dieses Rechts für die Demokratie zu berücksichtigen! Praktische Probleme des Three-Strikes Ansatzes • • • • Datum: 14.12.2012 „Sippenhaft“ in der WG? Baseballregel als Vorbild für quasistrafrechtlichen Sanktionsmechanismus? Wer entscheidet, ob Rechtsverletzung vorliegt? Triple-Play? Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 189 Urheberrecht 2.0 Lösungsansatz 2: • Schaffung eines „Urheberrechts 2.0“ • „Kulturflatrate“ - Einstieg in den Kultur-Sozialismus? • • (P) 1: rechtlich zulässig? • • • • Kulturflatrate = Legalisierung der nichtkommerziellen Weitergabe und Vervielfältigung von digitalen, urheberrechtlich geschützten Werken über das Internet bei Ausgleich durch pauschales Entgelt zur Entschädigung der Rechteinhaber T.v.A.: ja. (EMR Gutchten im Auftrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) A.A.: nein. (BMJ) Verfassungsrechtliche und internationale Vorgaben (P) Artikel 5 Absatz 5 RiLi 2001/29 (Drei Stufen Test) (P) 2: konkrete Ausgestaltung? • • • • Datum: 14.12.2012 (P) (P) (P) (P) wer erhebt Entgelt wie errechnet sich das Entgelt und wie hoch ist es? Manipulation des Verteilschlüssels Gebührenpflicht für Nichtdownloader? Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 190 4. Kapitel Telemedienrecht Telemedienrecht • • • • • Rechtsrahmen Abgrenzungsfragen Allgemeine Bestimmungen für Telemedien Pflichten der Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten Sonderfragen: Haftung für Links, Recht der Suchmaschinen, Haftung für Foreneinträge etc. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 192 Überblick • Telemedien – was ist das? • eine Vielzahl von unterschiedlichen Erscheinungsformen elektronisch gespeicherter und verbreiteter Inhalte • Typischerweise Kombination verschiedener Elemente der klassischen Medien • zum individuellen Austausch • zur massenmedialen Verbreitung • Hervorzuheben: zeitungs- oder zeitschriftenähnliche Angebote (z.T. bezeichnet als „elektronische Presse“) • Abgrenzung zum Rundfunk erweist sich als schwierig Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 193 Rechtsrahmen Unionsrechtliche Vorgaben: • E-Commerce-Richtlinie • • Insb. „Haftungsfilter“, Art. 12 ff. AVMD-Richtlinie • „Fernsehähnliche Telemedien“ Einfachgesetzliche Ebene • • Telemediengesetz (1.3.2007) Rundfunkstaatsvertrag §§ 54 ff. • Datum: 14.12.2012 Z.Zt. i.d.F. d. Vierzehnten RÄStV Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 194 Rechtsrahmen TMG § 1 Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz gilt für alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 des Telekommunikationsgesetzes oder Rundfunk nach § 2 des Rundfunkstaatsvertrages sind (Telemedien). Dieses Gesetz gilt für alle Anbieter einschließlich der öffentlichen Stellen unabhängig davon, ob für die Nutzung ein Entgelt erhoben wird. (2) Dieses Gesetz gilt nicht für den Bereich der Besteuerung. (3) Das Telekommunikationsgesetz und die Pressegesetze bleiben unberührt. (4) Die an die Inhalte von Telemedien zu richtenden besonderen Anforderungen ergeben sich aus dem Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag). Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 195 Rechtsrahmen RStV § 2 Begriffsbestimmungen (1) Rundfunk ist ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen. Der Begriff schließt Angebote ein, die verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind. Telemedien sind alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes sind, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen oder telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 des Telekommunikationsgesetzes oder Rundfunk nach Satz 1 und 2 sind. (3) Kein Rundfunk sind Angebote, die 1. jedenfalls weniger als 500 potenziellen Nutzern zum zeitgleichen Empfang angeboten werden, 2. zur unmittelbaren Wiedergabe aus Speichern von Empfangsgeräten bestimmt sind, 3. ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen, 4. nicht journalistisch-redaktionell gestaltet sind oder Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 196 Rechtsrahmen RStV § 54 Allgemeine Bestimmungen (1) Telemedien sind im Rahmen der Gesetze zulassungs- und anmeldefrei. Für die Angebote gilt die verfassungsmäßige Ordnung. Die Vorschriften der allgemeinen Gesetze und die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre sind einzuhalten. (2) Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen. Nachrichten sind vom Anbieter vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen. (3) Bei der Wiedergabe von Meinungsumfragen, die von Anbietern von Telemedien durchgeführt werden, ist ausdrücklich anzugeben, ob sie repräsentativ sind. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 197 Rechtsrahmen RStV § 58 Werbung, Sponsoring, fernsehähnliche Telemedien, Gewinnspiele (1) Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. In der Werbung dürfen keine unterschwelligen Techniken eingesetzt werden. (2) Für Sponsoring bei Fernsehtext gilt § 8 entsprechend. (3) Für Telemedien mit Inhalten, die nach Form und Inhalt fernsehähnlich sind und die von einem Anbieter zum individuellen Abruf zu einem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und aus einem vom Anbieter festgelegten Inhaltekatalog bereitgestellt werden (audiovisuelle Mediendienste auf Abruf), gelten § 1 Abs. 3 sowie die §§ 7 und 8 entsprechend. Für Angebote nach § 2 Abs. 3 Nummer 5 gelten zusätzlich die §§ 4 bis 6, 7a und 45 entsprechend. (4) Für Gewinnspiele in vergleichbaren Telemedien (Telemedien, die an die Allgemeinheit gerichtet sind) gilt § 8a entsprechend. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 198 Telemedien - Erscheinungsformen „Einfache“ Telemedien § 1 TMG Geschäftsmäßig angebotene Telemedien § 5 TMG Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten § 54 Abs. 2 RStV • inhaltliche, sprachliche, grafische oder akustische Bearbeitung eines Anegbots ist zur Einwirkung auf die öffentliche Meinungsbildung bestimmt Telemedien mit Inhalten, die nach Form und Inhalt fernsehähnlich § 58 Abs. 3 RStV • Hintergrund: AVMD RiLi Dienste sind auf das gleiche Publikum wie Fersehsendungen ausgerichtet Telemedien, die an die Allgemeinheit gerichtet sind § 58 Abs. 4 RStV Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 199 Telemedien mit journalistischredaktionell gestalteten Angeboten • Weitergehende Pflichten der Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten • Einhaltung journalistischer Grundsätze in Mediendiensten, § 54 Abs. 2 Satz 1 RStV • • Gegendarstellung, § 56 Abs. 1 Satz 1 RStV • • Erkenntnisquelle auch Pressekodex und Richtlinien des Presserats Orientiert sich an presserechtlichen Gegendarstellungsregeln Trennungsgebot, § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV • Datum: 14.12.2012 Großzügigere Maßstäbe wegen Gewöhnung der Nutzer an Werbung im Internet ? Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 200 Diensteanbieter § 2 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Gesetzes 1. ist Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt; bei audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf ist Diensteanbieter jede natürliche oder juristische Person, die die Auswahl und Gestaltung der angebotenen Inhalte wirksam kontrolliert, 2. ist niedergelassener Diensteanbieter jeder Anbieter, der mittels einer festen Einrichtung auf unbestimmte Zeit Telemedien geschäftsmäßig anbietet oder erbringt; der Standort der technischen Einrichtung allein begründet keine Niederlassung des Anbieters, 3. ist Nutzer jede natürliche oder juristische Person, die Telemedien nutzt, insbesondere um Informationen zu erlangen oder zugänglich zu machen, 4. sind Verteildienste Telemedien, die im Wege einer Übertragung von Daten ohne individuelle Anforderung gleichzeitig für eine unbegrenzte Anzahl von Nutzern erbracht werden, Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 201 Allgemeine Bestimmungen für Telemedien Diensteanbieter, § 2 TMG • • • Für Diensteanbietereigenschaft ist keine gerwerbliche Ausrichtung erforderlich Bereithaltung muss nicht einmal auf Dauer angelegt sein. Eigene Telemedien = Content Provider • • • auch private Homepages oder Inhalt auf YouTube! Diensteanbieter, die fremde Telemedien zur Nutzung bereit halten = Host Provider Zugangsvermittler i.S.d. § 2 Nr. 1, 1. Hs. = Access Provider Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 202 Herkunftslandprinzip Herkunftslandprinzip, § 3 TMG • • • In Deutschland niedergelassene Diensteanbieter und ihre Telemedien unterliegen den Anforderungen des deutschen Rechts auch dann, wenn die Telemedien in einem anderen Mitgliedstaat der EU angeboten oder erbracht werden. Gilt nicht für die in § 3 Abs. 3 und 4 genannten Bereiche Einzelfallausnahmen § 3 Abs. 5 Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 203 § 5 TMG § 5 Allgemeine Informationspflichten (1) Diensteanbieter haben für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien folgende Informationen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten: 1. den Namen und die Anschrift, unter der sie niedergelassen sind, bei juristischen Personen zusätzlich die Rechtsform, den Vertretungsberechtigten und, sofern Angaben über das Kapital der Gesellschaft gemacht werden, das Stamm- oder Grundkapital sowie, wenn nicht alle in Geld zu leistenden Einlagen eingezahlt sind, der Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen, 2. Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post, 3. soweit der Dienst im Rahmen einer Tätigkeit angeboten oder erbracht wird, die der behördlichen Zulassung bedarf, Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde, 4. das Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister oder Genossenschaftsregister, in das sie eingetragen sind, und die entsprechende Registernummer, 5. (…) (2) Weitergehende Informationspflichten nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 204 „Einfaches“ Impressum – fast richtig ! Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 205 Informationspflichten Verpflichtung zur Anbieterkennzeichnung, § 5 • • • • Informationspflichten für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien Entgelt: Bezug zu einer Wirtschaftstätigkeit Leicht erkennbar: einfach und effektiv optisch wahrnehmbar Unmittelbar: „one click“ Informationspflichten bei kommerzieller Kommunikation, § 6 • Zweck auch hier: Transparenz Besondere Informationspflichten nach § 55 Abs. 2 RStV • Angaben nach §§ 5, 6 TMG +Benennung eines inhaltlich Verantwortlichen! Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 206 „Qualifiziertes“ Impressum Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 207 Content Provider § 7 Allgemeine Grundsätze (1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. (2) Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 sind nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt. Das Fernmeldegeheimnis nach § 88 des Telekommunikationsgesetzes ist zu wahren. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 208 Access Provider § 8 Durchleitung von Informationen (1) Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie 1. die Übermittlung nicht veranlasst, 2. den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und 3. die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. (2) Die Übermittlung von Informationen nach Absatz 1 und die Vermittlung des Zugangs zu ihnen umfasst auch die automatische kurzzeitige Zwischenspeicherung dieser Informationen, soweit dies nur zur Durchführung der Übermittlung im Kommunikationsnetz geschieht und die Informationen nicht länger gespeichert werden, als für die Übermittlung üblicherweise erforderlich ist. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 209 Host Provider § 10 Speicherung von Informationen Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern 1. sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, oder 2. sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Nutzer dem Diensteanbieter untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 210 Haftungsfilter • Der Content-Provider, § 7 Abs. 1 TMG stellt eigene Inhalte zum Abruf im Internet bereit und haftet nach allgemeinen Grundsätzen. • Der Access-Provider, § 8 TMG vermittelt mit Hilfe seiner technischen Infrastruktur den Zugang zu fremden Inhalten und ist für fremde Informationen nicht verantwortlich. • Der Host-Provider, § 10 TMG stellt eine bestimmte Infrastruktur zur Verfügung (z.B. Webspace), auf die er faktisch einwirken kann. Speichert er dort strafbare Inhalte für einen Nutzer, die öffentlich abrufbar sind, so trifft ihn zunächst gem. § 10 TMG keine Verantwortung und er ist auch nicht verpflichtet, den Datenbestand auf seinen Servern auf unzulässige Inhalte zu kontrollieren. Verantwortlich wird er in dem Moment, in dem er positive Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten erlangt und diese nicht unverzüglich sperrt, § 10 Nr. 1, 2 TMG. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 211 Sonderfragen des Telemedienrechts • Die Legende vom Disclaimer (1) • • Auf Webpages findet sich bisweilen der Hinweis: „ mit Urteil vom 12. Mai 1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass man durch die Ausbringung eines Links die Inhalte der verlinkten Seite gegebenenfalls mit zu verantworten hat. Dies kann nur dadurch verhindert werden, dass man sich ausdrücklich von diesen Inhalten distanziert. Daher distanziere ich mich ausdrücklich von Inhalten der Internetseite Dritter ….. „ Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 212 Sonderfragen des Telemedienrechts Die Legende vom Disclaimer (2) Sachverhalt: A beleidigt auf seiner Webpage den B. C verweist auf seiner Webpage auf die Seite des A und macht deutlich, gleicher Auffassung zu sein. • Entscheidung: • LG Hamburg ( 312 O 85/98 ): „ kann das Verbreiten einer von einem Dritten über einen anderen aufgestellten herabsetzenden Tatsachenbehauptung dann eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen, wann derjenige, der die Behauptung wiedergibt, sich nicht ausreichend von ihr distanziert. Eine solche ausreichende Distanzierung hat der Beklagte jedenfalls nicht dadurch vorgenommen, dass er auf die eigene Verantwortung des jeweiligen Autors verweist. Dies ist keine Distanzierung sondern vielmehr eine nicht verantwortete Weitergabe und damit eine eigene Verbreitung. (…) Der Beklagte hat vielmehr hier eine Zusammenschau ehrverletzender Artikel über den Kläger erstellt. (…) • Haftung bei über Link zu Eigen gemachten Inhalt (+), da nur elegantere Art der Beleidigung. Dies kann man auch durch Disclaimer nicht „umschiffen“ • Das Gericht hat einen pauschalen Haftungsausschluss in diesem Fall gerade nicht für ausreichend erklärt • Fazit für rechtliche Bewertung von Disclaimern - LG Hamburg wurde missverstanden! • Distanzierung ist erforderlich – aber nicht durch (pauschalen) Disclaimer! Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 213 Haftung für Links Ausgangsfrage: Link im System der Haftungsfilter? • • • H.M. Haftungsfilter greifen nicht! Argumentation: in E-Commerce RiLi, die mit TDG und TMG umgesetzt wurde, wurde nur „Überprüfungsauftrag“ an Kommission erteilt, Links sollten gerade nicht geregelt werden. Grundsätzlich gilt nach h.M. daher folgendes: • • • • • • Haftung für Links jedenfalls dann, wenn sich der Linksetzer Information zu Eigen macht. Als taugliche Indizien können gelten die Art und Weise der Datenübernahme die Art der konkreten Darstellung des Links der Zweck des Links die konkrete Präsentation der fremden Inhalte durch den Übernehmenden, wie sie sich aus der Gesamtbetrachtung der Website des Anbieters für den objektiven Betrachter ergibt. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 214 Haftung für Links BGH: „marions-kochbuch“ Sachverhalt: • Bei chefkoch.de können Nutzer eigene Rezepte im Netz veröffentlichen und diese auch mit Fotos versehen. Vor Veröffentlichung werden diese Rezepte von einer Redaktion geprüft und aufbereitet. Mehrfach hatten Nutzer bei chefkoch.de Rezept-Fotos eingestellt, deren Nutzungsrechte bei den Betreibern der Konkurrenz-Webseite marions-kochbuch.de lag. Die Betreiber klagten daher gegen die Verantwortlichen von chefkoch.de und verlangten Unterlassung und Schadensersatz. Entscheidung: • • • • • chefkoch.de hat sich (rechstwidrigen) Inhalt der User zu Eigen gemacht – daher Unterlassung + Schadensersatz! Ob sich Webseitenbetreiber Inhalte zu eigen macht, ist Frage des Einzelfalls und kommt auf konkrete Darstellung an. BGH versetzt sich in die Lage eines durchschnittlichen Internetbenutzers und beurteilt danach, ob zumindest der Eindruck entsteht, dass sich der Plattformbetreiber mit den Inhalten identifiziert. Indizien: Die Inhalte werden vor der Veröffentlichung redaktionell geprüft. Auf der Webseite wird darauf hingewiesen, dass die Inhalte vorab von der Redaktion bearbeitet werden können. Die Fotos werden mit dem eigenen Logo als Wasserzeichen versehen. Die Betreiber der Plattform lassen sich ein sehr weit reichendes Nutzungsrecht an den Fotos der User einräumen. Die Rezepte der Nutzer stellen den „redaktionellen Kerngehalt” der Webseite dar. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 215 Haftung für Links (P) Hyperlinks und verfassungsfeindliche Kennzeichen – hierzu OLG Stuttgart, Urteil vom 24.4.2006, AZ.: 1 Ss 449/05 Sachverhalt: A ist Verfechter einer uneingeschränkten Informationsfreiheit im Internet. Sperrungen ins Netz gestellter Informationen lehnt er ab, weil die Meinungsfreiheit eine ungehinderte Information aus allen Quellen voraussetze. Er verfügt über eine eigene ins Internet gestellte Homepage. Dort ist eine über 100 Seiten starke Dokumentation über geplante und erlassene Sperrungen von Internetseiten zugänglich, die unter anderem die Sperrverfügungen des Regierungspräsidiums Düsseldorf, ergangene Widerspruchsbescheide, eine Materialiensammlung aus juristischen Kommentaren sowie Reaktionen der Öffentlichkeit und der Medien enthält. Mit ihr will der Angeklagte die Bevölkerung über die Einschränkungen der Internetnutzbarkeit aufgrund der Sperrverfügungen aufklären. Im Rahmen dieser Dokumentation setzte er zu zwei aus den USA stammenden - gesperrten Webseiten Hyperlinks, sodass sie durch bloßes Anklicken für jeden Internetnutzer erreichbar waren. Auf diesen Webseiten und ihren - über weitere Links erreichbare - Unterseiten werden Kennzeichen der NSDAP und ihrer Nebenorganisationen gezeigt, der Holocaust und die Existenz von Vernichtungslagern geleugnet und eine weitere Judenvernichtung propagiert. Dem Angeklagten waren die Inhalte bekannt, er billigte sie jedoch nicht. Die Dokumentation enthielt nicht nur seine ablehnenden Kommentare, etwa dass rassistisches Gedankengut das Gehirn zerfresse, sondern auch Literaturhinweise, die eine argumentative Auseinandersetzung mit Rechtsradikalen ermöglichten. Hat A sich strafbar gemacht? Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 216 Haftung für Links 1. 2. 1. § 130 Volksverhetzung (1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Schriften (§ 11 Abs. 3), die zum Haß gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, daß Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden, a) verbreitet, b) öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht (…) (6) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, und in den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt § 86 Abs. 3 entsprechend. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 217 Haftung für Links § 86 Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (1) Wer Propagandamittel (…) 4. (…) die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen, im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Propagandamittel im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche Schriften (§ 11 Abs. 3), deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist. (3) Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient. (4) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 218 Haftung für Links Entscheidunng des OLG Stuttgart (Leitsätze) 1. Das Setzen von Hyperlinks zu nach § 86a StGB strafbaren Internetinhalten begründet grundsätzlich eine strafrechtliche Verantwortlichkeit. Die unmittelbare Verlinkung stellt dabei regelmäßig ein täterschaftliches „Zugänglichmachen" dar. 2. Eine Strafbarkeit wegen Setzens von Hyperlinks ist in den Fällen der §§ 86, 86a, 130 StGB ausnahmsweise dann nicht gegeben, wenn die Verbreitung der staatsbürgerlichen Aufklärung oder ähnlichen Zwecken im Sinne des § 86 Abs. 3 StGB dient. Ob dies vorliegt, bestimmt sich nicht nur nach dem subjektiven Willen des Linksetzenden, sondern auch danach, ob der objektive Inhalt seines Angebotes erkennbar davon geprägt ist, dem entsprechenden Zweck zu dienen. Von Bedeutung sind insoweit der Kontext, die Begleitumstände sowie der Gesamtzusammenhang, in dem sich die gesetzten Links befinden. 3. Eine Einschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit aufgrund der Haftungsprivilegierungen nach §§ 8 ff. TDG / §§ 6 ff. MDStV kommt bei Hyperlinks nicht in Betracht. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 219 Haftung für Links Fall „Any DVD“ OLG München 29 U 5696/07 (23.10.2008) Sachverhalt: Am 19. Januar 2005 veröffentlicht der IT-Nachrichtendienst h. auf seiner Onlinepräsenz folgenden Artikel: AnyDVD überwindet Kopierschutz von DVDs Der in Antigua ansässige Hersteller S. hat ein Update für seinen Kopierschutzknacker AnyDVD veröffentlicht, das nicht nur den CSS-Schutz von DVDs entfernt, sondern auch drei weitere Kopiersperren aushebelt. [...] So rühmt sich S. , mit AnyDVD 4.5.5.1 Sonys DVD-Kopiersperre ARccOS aushebeln zu können zu können [...]. Wir knacken den Kopierschutz schneller, als ihn die Filmindustrie unter die Leute bringen kann, freut sich S. -Chef B. geradezu schelmisch über die wenig effektiven Schutzverfahren. Auch der nach ähnlichem Prinzip funktionierende koreanische DVD-Kopierschutz Settec- Alpha-DVD soll von AnyDVD bereits überwunden werden. Gleiches gilt für den bereits seit Frühjahr 2004 unter anderem bei den DVDs der Augsburger Puppenkiste genutzten DVD Kopierschutz, der als Puppenlock oder Puppetlock bekannt geworden ist. Vielleicht sieht die Filmindustrie ja dadurch ein, wie sinnlos so ein Kopierschutz eigentlich ist. Er ist kostspielig und führt oft zu Kompatibilitätsproblemen beim Kunden, kommentiert B. weiter. Eines erwähnt B. jedoch nicht: (…) es ist in vielen Ländern so auch in Deutschland und Österreich inzwischen verboten, den Kopierschutz auszuhebeln. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 220 Haftung für Links Sachverhalt Any DVD (2) • Die unterstrichenen Worte waren dabei als Link ausgestaltet; der Link bei dem Wort S. in der ersten Zeile des Artikels führte zum Internetauftritt von S. unter der Domain www.s. .com. Von dort wurde der als deutschsprachig erkannte Besucher automatisch auf den deutschsprachigen Auftritt von S. unter www.s. .com/de weitergeleitet, der neben Angaben zu den weiteren S. -Produkten CloneCD und CloneDVD auch einen Downloadlink zur Software AnyDVD enthielt. • Die Klägerinnen (Inhaber von Rechten an Bild- und Tonträgern) fordern die Beklagte (h. online) mit Schreiben vom 28. Januar 2005 auf, die rechtswidrige Verbreitung des Programms AnyDVD zu unterlassen. Die Beklagte veröffentlicht noch am selben Tag in h. online einen Beitrag über die Abmahnung, in dem ein Link auf den Beitrag vom 19. Januar 2005 gesetzt wurde, der seinerseits weiterhin den Link auf den Internetauftritt von S. enthielt. • Wie ist die Rechtslage? Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 221 Haftung für Links Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 222 Haftung für Links Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 223 Haftung für Links § 95a Schutz technischer Maßnahmen (1) Wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach diesem Gesetz geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes dürfen ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht umgangen werden, soweit dem Handelnden bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass die Umgehung erfolgt, um den Zugang zu einem solchen Werk oder Schutzgegenstand oder deren Nutzung zu ermöglichen. (…) (3) Verboten sind die Herstellung, die Einfuhr, die Verbreitung, der Verkauf, die Vermietung, die Werbung im Hinblick auf Verkauf oder Vermietung und der gewerblichen Zwecken dienende Besitz von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen sowie die Erbringung von Dienstleistungen, die 1. Gegenstand einer Verkaufsförderung, Werbung oder Vermarktung mit dem Ziel der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen sind oder 2. abgesehen von der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen nur einen begrenzten wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen haben oder 3. hauptsächlich entworfen, hergestellt, angepasst oder erbracht werden, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen oder zu erleichtern. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 224 Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 225 Haftung für Links Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 226 Sonderfragen des Telemedienrechts – Haftung für Links Fall Any DVD Lösung • Das OLG München führt in seiner Entscheidung vom 23.10.2008 auch aus: • Bemerkenswert auch ein weiterer Leitsatz des Urteils: • • • • Der Eingriff in die Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), der darin liegt, dass einem IT Nachrichtendienst die Setzung eines Hyperlinks verboten wird, kann durch § 95a Abs. 3 UrhG und die Grundsätze der Teilnehmerhaftung gerechtfertigt sein, wenn von dem Internetauftritt, auf den verlinkt wird, die Gefahr gewerbsmäßiger Verletzung urheberrechtlicher Schutzrechte in erheblichem Umfang ausgeht und dem Nachrichtendienst die Rechtswidrigkeit dieses Internetauftritts bei der Linksetzung bekannt war. Die Beschränkung der Zulässigkeit digitaler Privatkopien durch das Verbot der Umgehung wirksamer technischer Schutzmaßnahmen (vgl. § 95a UrhG) stellt keine Verletzung des Eigentumsgrundrechts des Besitzers einer Kopievorlage dar, sondern lediglich eine wirksame Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Ausführliche Dokumentation des Falles mit allen Entscheidungen BGH hat OLG aufgehoben, Urteil vom 14.10.2010, Aktenzeichen: I ZR 191/08, Urteil mit Gründen bis dato nicht veröffentlicht Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 227 Sonderfragen des Telemedienrechts – Haftungsfilter und Unterlassungsansprüche Haftungsfilter und Unterlassungsansprüche • • • • Unstreitig: Haftungsfilter schließen die strafrechtliche Verantwortlichkeit und zivilrechtliche Schadensersatzansprüche aus. (P) Unterlassungsansprüche BGH: verschuldensunabhängige Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gegen Access- und Hostprovider trotz Haftungsfilter möglich. Argument: § 7 Abs. 2 S. 2 TMG: „Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen bleiben auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt.“ Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 228 Sonderfragen des Telemedienrechts – Haftungsfilter und Unterlassungsansprüche BGH: Unterlassungsansprüche gegen Störer möglich. • Störer = derjenige, der ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Rechtsguts beiträgt. • Zur Vermeidung des Ausuferns dieser Störerhaftung verlangt der BGH dann zusätzlich eine Verletzung von zumutbaren Prüfpflichten. Zumutbarkeit und Umfang der Prüfpflichten sollen dabei variieren und sich nach den konkreten Umständen richten. Berücksichtigt werden u.a. • die Funktion und Aufgabenstellung des als Störer Inanspruchgenommenen, • die Eigenverantwortung des unmittelbar handelnden Dritten sowie, • ob Rechtsverstöße durch technische Maßnahmen wirksam verhindert werden können. Diesem Ansatz folgend hat sich mit Blick auf unterschiedliche Dienste (bspw. Foren, Blogs, Versteigerungsportale, Videoseiten) eine höchst facettenreiche instanz- und höchstgerichtliche Rechtsprechung herausgebildet. (P) was bleibt von dem in § 7 Abs. 2 S. 1 TMG geregelten Grundsatz übrig? • • • Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 229 Case Study: „Rapidshare“ Der Dienst „Rapidshare“ermöglicht es Nutzern, auf seinen Servern in einem einfachen automatisierten Vorgang Daten (etwa Fotos und Dokumente, aber auch Filme und Musiktitel) speichern zu können. Der Diensteanbieter teilt dem Nutzer daraufhin die genaue Adresse (URL) der Datei in Form eines Download-Links mit, mit dessen Hilfe sie abgerufen und anderweitig heruntergeladen werden kann, und ermöglicht ihm, den Download-Link zu verteilen, d.h. Dritten mitzuteilen. Ein Verzeichnis der auf ihrem Server gespeicherten Inhalte bietet Rapidshare nicht an, allerdings existieren im Internet Seiten, welche die Download-Links zugänglich und den Inhalt der betreffenden Dateien über Suchfunktionen identifizierbar machen (Link-Resourcen). Schätzungen zufloge sind 5 % bis 6 % der bei Rapidshare insgesamt ingestellten 28 Mio. Dateien, also 1,4 Mio. bis 1,68 Mio. Dateien, illegal öffentlich zugänglich gemacht. Muss Rapidshare den Dienst einstellen? Rechtsprechungsübersicht Revision bei BGH unter AZ.: I ZR 177/09 Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 230 Suchmaschinen Suchmaschinen Bei Suchmaschinen gelten grundsätzlich die gleichen Prinzipien wie bei manuell gesetzten Links. Wie dort und mit entsprechender Argumentation verneint die h.M. auch für Suchmaschinen eine direkte oder analoge Anwendung der Haftungsprivilegierungen des TMG. Auch hinsichtlich der Haftung von Suchmaschinenbetreibern findet sich eine äußerst facettenreiche Rechtsprechung. • Vor allem eine (Mit-)haftung der Suchmaschinenbetreiber bezüglich des Keyword-Advertisings, • für automatisch generierte Miniaturansichten von Bildern indexierter Seiten (Thumbnails) und • für Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf im Suchergebnis erscheinende Webseiten, werden diskutiert. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 231 Haftung und Foren Haftung von Forenbetreibern Heftig umstritten ist die Frage, ob und inwieweit neben dem Autor eines Beitrages in einem Internetforum auch der Forumsbetreiber selbst auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann. LG Hamburg 2005 Forenbetreiber sind verpflichtet, Beiträge Dritter vor Veröffentlichung zu überprüfen. Hanseatische Oberlandesgericht 2006: abgestufte Prüfungspflicht • Bei Abwägung der widerstreitenden Grundrechte der Meinungsäußerungsfreiheit einerseits und dem Persönlichkeitsrecht beziehungsweise dem Schutz des Eigentums andererseits ist eine spezielle Überprüfungspflicht des Betreibers dann angemessen, wenn dieser entweder durch sein eigenes Verhalten vorhersehbar rechtswidrige Beiträge Dritter provoziert hat oder wenn ihm bereits mindestens eine Rechtsverletzungshandlung von einigem Gewicht im Rahmen des Forums benannt worden ist und sich damit die Gefahr weiterer Rechtsverletzungshandlungen durch einzelne Nutzer bereits konkretisiert hat. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 232 Haftung und W-Lan Haftung für unverschlüsselte W-Lan Netzwerke Der BGH hat nun in seiner Entscheidung vom 12.5.2010 klargestellt, dass eine Störerhaftung besteht, wenn Prüfungspflichten verletzt werden, was in diesem Kontext das Ergreifen der gebotenen Sicherungsmaßnahmen bedeutet. Geboten ist die jeweils zum Zeitpunkt des Routerkaufs für den privaten Bereich marktübliche Sicherung. Die Übernahme der (eine Verschlüsselung vorgebenden) Werkseinstellungen mit Standardpasswort genügt diesen Sicherungspflichten, die zeitlich mit Inbetriebnahme des Routers entstehen, nicht. Der BGH hat in seiner Entscheidung ferner darauf hingewiesen, dass zwar eine Haftung auf Unterlassung (die auch das Einstehenmüssen für die in diesem Kontext entstandenen Abmahnkosten bedingt), jedoch keine Haftung auf Schadensersatz bestehe. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] Folie Nr. 233 5. Kapitel Domainrecht Nationales Domainnamenrecht • • • • • Frage, wem ein bestimmter Name also eine elektronische Adresse im Internet „gehört “ Domain als Wirtschaftsgut (Wert z.T. in Millionenhöhe). Adressvergabe erfolgt grundsätzlich nach Prioritätsprinzip Wer hat das Recht an „shell.de“, „epson.de“? Relevant sind Namensrechte, Markenrechte sowie das Wettbewerbsrecht Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 235 Das Domainnamensystem • • • • • • Internet wäre ohne Domainnamensystem nur schwer nutzbar. Jedem Rechner im weltweiten Netz ist eine bestimmte IPAdresse zugeordnet. IP = Zahlencode, der aus vier Zahlenblöcken mit jeweils Zahlen zwischen 0 und 255 besteht. So ist es möglich, jedem Computer eine eindeutige Adresse zuzuweisen und ihn im Internet identifizierbar werden zu lassen. Problem: Zwölfstellige Zahlencodes sind schwer zu memorieren. Lösung: Domain-Namen-System (DNS). In eindeutige Beziehung gesetzt werden der Name einer Domain, d.h. ein logisch abgegrenzter Bereich des Internets (Beispiel: www.uni-mainz.de) und eine IP (Beispiel: 123.254.126.23). Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 236 Top Level Domains • • • • • • • Domain ist hierarchisch aufgebaut und wird von rechts nach links gelesen. Die höchste Stufe steht am Ende der Domain, im Beispiel „.de“. Unter dieser Top-Level Domain (TLD) ist die Second-Level Domain (uni-mainz) angesiedelt. Es gibt zwei Typen von Top-Level Domains. Ländercodes, Country Code TLD’s, (ccTLD), sind einem Staat zugeordnet Generic Top Level Domains werden nach inhaltlichen Kriterien vergeben. „.org“ für Organisationen, „.edu“ für Bildungseinrichtungen, „.com“ für kommerzielle Aktivitäten Die Verwaltung der Top-Level Domains erfolgt durch die ICANN, sowohl mit Blick auf die Country Code TLD’s, als auch mit Blick auf die generischen TLD’s. Die Second-Level Domain unterhalb von Länderkennungen vergeben nationale Registrierungsstellen. Second-Level Domains unter generischen TLD’s werden von einer Vielzahl durch die ICANN akkreditierter Registrare verwaltet. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 237 DENIC • • • • Das Deutsche Network Information Center (DENIC) ist eine eingetragene Genossenschaft mit Sitz in Frankfurt am Main und wurde im Dezember 1996 gegründet. Ihre Mitglieder sind Unternehmen (ISP‘s, InternetService-Provider), die für ihre Kunden Domains verwalten und damit insgesamt den Betrieb der Registrierungsstelle für die deutsche Top-Level Domain .de stellen. DENIC prüft nicht, wie weit Antragsteller berechtigt ist; die Verantwortung für etwaige Rechtsverletzungen liegt allein beim jeweiligen Domaininhaber (§ 2 Abs. 2 der DENIC Domainbedingungen). http://www.denic.de/de/bedingungen Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 238 Namens- und Markenrechte • • • • • Ausgangssituation: Domainrecht existiert nicht in geschriebener Form – letztlich also: Case law. • Vorzügliche Recherchedatenbank bei Bettinger Domain - Namen können nach dem Namensrecht des § 12 BGB und den Vorschriften des Markengesetzes (z.B. §§ 4, 14; 5, 15 MarkenG) geschützt sein. Wenn und soweit ein Unternehmen sich auf Markenrechte beziehen kann, scheidet ein Rückgriff auf § 12 BGB im Regelfall aus (vgl. BGH, vossius.de). Fälle Heidelberg und Vallendar Fall Shell Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 239 „ambiente.de“ Stellung der DENIC in Domainstreitigkeiten Sachverhalt: die Messe Frankfurt AG, die unter der Bezeichnung "Ambiente„ eine Messe für Tischkultur, Küche, Wohn- und Lichtkonzepte veranstaltet und Inhaberin der Marke "Messe Frankfurt Ambiente" ist, klagt gegen einen Privatmann, der sich den Domain-Namen "ambiente.de" hatte registrieren lassen. Der Privatmann hatte sich zwar damit einverstanden erklärt, den Domain-Namen nicht mehr zu benutzen, weigerte sich aber den Domainnamen löschen zu lassen. Darauf verklagte die Messe Frankfurt die DENIC auf Löschung der Registrierung und Umschreibung der Domain. Es sei nichts dagegen einzuwenden, dass DENIC den Domain-Namen "ambiente.de" registriert habe. Nachdem die DENIC inzwischen aber von den bestehenden älteren Rechten an der Bezeichnung "ambiente" wisse, sei sie verpflichtet, die ursprüngliche Registrierung aufzuheben und den Domain-Namen nunmehr für die Klägerin zu registrieren. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 240 „ambiente.de“ (2) Entscheidung BGH: die DENIC, die die Aufgabe der Registrierung und Verwaltung von vielen Millionen Domain-Namen mit verhältnismäßig geringem Aufwand erledigt, trifft grundsätzlich keine Verpflichtung, bei der Registrierung zu prüfen, ob an der einzutragenden Bezeichnung Rechte Dritter bestehen. Aber auch wenn sie auf ein angeblich besseres Recht hingewiesen wird, kann die DENIC den Anspruchsteller im allgemeinen auf den Inhaber des beanstandeten Domain-Namens verweisen, mit dem – notfalls gerichtlich – zu klären ist, wer die besseren Rechte an der Bezeichnung hat. Datum: 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 241 6. Kapitel Europäisches und Internationales Medienrecht Grundprinzipien Fall Töben Frederick T ist australischer Staatsbürger deutscher Abstammung. Er gründet mit Gleichgesinnten das „Adelaide Institute“ und bekleidet dort die Funktion des Direktors. Im Rahmen der „Forschungen“ dieses „Instituts“ befasst er sich mit dem Holocaust. Im März 1999 veröffentlicht er auf der Website des Instituts drei englischsprachige Artikel, in denen er feststellt, dass die Zahl der in Auschwitz ermordeten Juden weitaus niedriger gewesen sei als die bisher angenommenen 4 Millionen. Des Weiteren leugnet er die Existenz von Massengaskammern und stellt fest, die Deutschen könnten daher ohne den „aufgezwungenen Schuldkomplex“ leben. Die Website, auf der die Artikel in englischer Sprache kommuniziert werden, ist auf einem Server in Australien gespeichert. Sie ist nicht passwortgeschützt und jedem Internetnutzer zugänglich. Kurz nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland wird T festgenommen und ein Verfahren gegen ihn wegen Volksverhetzung, § 130 StGB eröffnet. Zu Recht? 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 243 Grundprinzipien StGB - Auszug §3 Geltung für Inlandstaten Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Inland begangen werden. §4 Geltung für Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, für Taten, die auf einem Schiff oder in einem Luftfahrzeug begangen werden, das berechtigt ist, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen. §5 Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, für folgende Taten, die im Ausland begangen werden: (…) 2. Hochverrat (§§ 81 bis 83); 3. Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates a) in den Fällen der §§ 89, 90a Abs. 1 und des § 90b, wenn der Täter Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, (…) 6. Verschleppung und politische Verdächtigung (§§ 234a, 241a), wenn die Tat sich gegen einen Deutschen richtet, der im Inland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat; 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 244 Grundprinzipien §6 Auslandstaten gegen international geschützte Rechtsgüter Das deutsche Strafrecht gilt weiter, unabhängig vom Recht des Tatorts, für folgende Taten, die im Ausland begangen werden: (…) 2. Kernenergie-, Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen in den Fällen der §§ 307 und 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 2 und des § 310; 3. Angriffe auf den Luft- und Seeverkehr (§ 316c); §9 Ort der Tat (1) Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 245 Grundprinzipien „so tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg (§ 9 Abs. 1 3. Alternative StGB) im Inland ein, wenn diese Äußerungen konkret zur Friedensstörung im Inland geeignet sind.“ 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 246 Grundprinzipien Der genuine Link im Cyberspace Konzeption in Deutschland 14.12.2012 Erforderlich ist ein genuine Link (P) Sachverhalte im Internet Strafrecht (Fall Töben): Lösung des BGH über Schutzprinzip, auf die Frage der Interaktivität der Webpage kam es nicht an Markenrecht (Fall Hotel Maritime.dk) BGH: wirtschaftlich relevanter Inlandsbezug erforderlich Wettbewerbsrecht: BGH: bestimmungsgemäßer Abruf erforderlich (Arzneimittelwerbung im Internet) Urheberrecht: keine höchstrichterliche Entscheidung. OLG Köln: Webpage muss in Deutschland abrufbar sein und an Inländer gerichtet sein, wozu entweder die Sprache der Webseite, die Lieferung nach Deutschland oder die Zahlungsweise Hinweise liefern können. Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 247 Grundprinzipien Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet 1 Übungsfall: Der in Deutschland wohnhafte Kläger wurde 1993 zusammen mit seinem Bruder wegen Mordes an Walter Sedlmayr zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und im Januar 2008 auf Bewährung entlassen. Die Beklagte ist ein in Österreich niedergelassenes Unternehmen und betreibt unter der Adresse www.rainbow.at ein Internetportal, dass sich an Schwule, Bisexuelle und Transgender richtet. Auf diesem Internetportal hielt sie bis zum 18. Juni 2007 auf den für Altmeldungen vorgesehenen Seiten eine auf den 23. August 1999 datierte Meldung zum Abruf bereit, wonach unter Namensnennung des Klägers sowie seines Bruders und der Umstände der Tat mitgeteilt wurde, dass diese vor dem Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen ihr Urteil eingelegt hätten. Nachdem die Beklagte zur Unterlassung und zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung aufgefordert wurde, entfernte sie die streitrelevante Meldung am 18. Juni 2007 von ihrem Portal, ohne jedoch eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Die daraufhin erhobene Klage auf Unterlassung hatte in den ersten beiden Instanzen vor dem Landgericht Hamburg und dem Oberlandesgericht Hamburg Erfolg. Die Beklagte rügt im Rahmen des Revisionsverfahrens die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 248 Grundprinzipien Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO, „Brüssel I): Artikel 5 Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden: (…) 3. wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 249 Grundprinzipien Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet Die Entscheidungen des BGH VI ZR 217/08 und VI ZR 23/09 Vorlagebeschluss vom 10. November 2009, Az. VI ZR 217/08, ZUM-RD 2010, 249, (Volltext bei Beck Online) (…) 1. setzt die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats, in dem der Betreiber der Website nicht niedergelassen ist, voraus, dass ein über die technisch mögliche Abrufbarkeit hinausgehender besonderer Bezug der angegriffenen Inhalte oder der Website zum Gerichtsstaat (Inlandsbezug) besteht? 2. Wenn ein solcher besonderer Inlandsbezug erforderlich ist: Nach welchen Kriterien bestimmt sich dieser Bezug? Kommt es darauf an, ob sich die angegriffene Website gemäß der Bestimmung des Betreibers zielgerichtet (auch) an die Internet-Nutzer im Gerichtsstaat richtet oder genügt es, dass die auf der Website abrufbaren Informationen objektiv einen Bezug zum Gerichtsstaat in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen – Interesse des Klägers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts und Interesse des Betreibers an der Gestaltung seiner Website und an der Berichterstattung – nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der beanstandeten Website, im Gerichtsstaat tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann? Kommt es für die Feststellung des besonderen Inlandsbezugs maßgeblich auf die Anzahl der Abrufe der beanstandeten Website vom Gerichtsstaat aus an? 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 250 Medienfreiheiten und Europarat Fall: Vereinigung Bildender Künstler v. Austria Die Vereinigung Bildender Künstler Wiener veranstaltet 1998 eine Ausstellung zum Thema „Das Jahrhundert künstlerischer Freiheit“. Unter den ausgestellten Werken befindet sich auch ein Gemälde mit dem Titel „Apokalypse“, das der österreichische Maler Otto Mühl angefertigt hat. Das Bild zeigt verschiedene Personen des öffentlichen Lebens wie Mutter Theresa, Kardinal Hermann Groer oder den damaligen Obmann der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) Jörg Haider in sexuellen Stellungen. Den gemalten nackten Körpern sind Vergrößerungen von aus Zeitungen ausgeschnittenen Fotos angefügt. Die Augen mancher der gezeigten Personen sind durch schwarze Balken verdeckt. Zu den auf diese Weise dargestellten Personen zählt auch Walter Meischberger, der bis 1995 Generalsekretär der FPÖ und bis April 1999 Nationalratsabgeordneter war. Am 12.6.1998 wird ein Teil des Gemäldes in der öffentlich zugänglichen Ausstellung von einem Besucher mit roter Farbe übergossen. Dadurch werden der gemalte Körper und ein Teil des Gesichts von Herrn Meischberger mit Farbe überdeckt und somit unkenntlich gemacht. Mehrere österreichische Zeitungen berichten über den Vorfall und veröffentlichen Fotos des Gemäldes. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 251 Medienfreiheiten und Europarat Am 22.6.1998 beantragt Herr Meischberger gestützt auf § 78 UrhG ein Verbot der Ausstellung und Veröffentlichung des Werks sowie eine Entschädigung in der Höhe von ATS 20.000,– (€ 1.453,–). In zweiter Instanz wird im Februar 2000 entschieden, dass die Ausstellung des Gemäldes zu unterbleiben hat. Die Vereinigung wird ferner zur Zahlung der beantragten Entschädigung sowie der Verfahrenskosten verurteilt. Das OLG stellt fest, dass das Foto des Klägers nur teilweise mit Farbe überdeckt sei und er nach wie vor erkennbar sei. Das Gemälde falle nicht in den Anwendungsbereich des Art. 10 EMRK, da es nicht darauf abziele, in Form eines Gleichnisses oder übertriebener Kritik eine grundlegende Botschaft zu vermitteln. Die Revision der Bf. wird vom OGH am 18.7.2000 zurückgewiesen, da keine erhebliche Rechtsfrage vorliege. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 252 Medienfreiheiten und Europarat 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 253 Medienfreiheiten und Europarat • • • • Ausstellungsverbot = Eingriff Legitimes Ziel: Schutz der Rechte anderer (+) „Prescribed by law“(+) 78 UrhG Notwendigkeit (-) • Privatleben Meischbergers betroffen? (-) Politician Meischberger durch rote Farbe verdeckt Ausstellungsverbot weder zeitlich noch räumlich beschränkt Verletzung Art. 10 EMRK (+) 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 254 Medienfreiheiten und Europarat Europarat und Cybercrime Cybercrime Convention Inkrafttreten : 1. Juli 2004. z.Zt. 30 Mitgliedstaaten (offenes Abkommen, auch USA) Ratifikationsstand CCC = erste internationale Vereinbarung über mittels Internet oder sonstiger Computernetze begangene Straftaten Hauptzweck ist Verfolgung einer gemeinsamen Strafrechtspolitik zum Schutz der Gesellschaft vor Straftaten per Computer (sog. cybercrimes) Vorgaben zum materiellen Recht sowie verfahrensrechtliche Bestimmungen 14.12.2012 Materielle Vorgaben Straftaten gegen die Vertraulichkeit, Unversehrtheit und Verfügbarkeit von Computerdaten und –systemen (Artt. 2-6 CCC) Tatbestände der Computerdatenfälschung („Computer-related Forgery“, Artikel 7 CCC) und des Computerbetrugs („Computer-related fraud“, Art. 8 CCC) Vorgaben zu Straftaten mit Bezug zur Kinderpornographie („Offences related to child pornography“, Art. 9 CCC ) Straftaten im Zusammenhang mit der Verletzung von Urheber- und ähnlichen Schutzrechten („Offences related to Copyright and related rights“, Art. 10 CCC Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 255 Medienfreiheiten und Europarat Verfahrensvorschriften Ermächtigungen zur Sicherung von gespeicherten Computerdaten („Expedited preservation of stored computer data“, Art. 16 CCC) und zur umgehenden Sicherung und Teilweitergabe von Verkehrsdaten („Expedited preservation and partial disclosure of traffic data“, Art. 17 CCC Art. 18 Vorgaben für die Anordnung der Herausgabe von Daten, etwa den Bestandsdaten, die sich im Besitz eines Diensteanbieters befinden („Production order“). Durchsuchung und Beschlagnahme gespeicherter Computerdaten („Search and seizure of computer data“, Art. 19 CCC). Vorgaben für die Erhebung von Computerdaten in Echtzeit betrifft Verkehrsdaten („Real time collection of traffic data“, Art. 20 CCC) und Inhaltsdaten („Interception of content Data“, Artikel 21 CCC). Ergänzend zur CCC „Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art“ (Inkrafttreten 1. März 2006) 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 256 Medienfreiheiten und Europarat CCC wichtige Vorschriften (1) Artikel 2 – Rechtswidriger Zugang Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um den unbefugten Zugang zu einem Computersystem als Ganzem oder zu einem Teil davon, wenn vorsätzlich begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftat zu umschreiben. Eine Vertragspartei kann als Voraussetzung vorsehen, dass die Straftat unter Verletzung von Sicherheitsmaßnahmen, in der Absicht, Computerdaten zu erlangen, in anderer unredlicher Absicht oder in Zusammenhang mit einem Computersystem, das mit einem anderen Computersystem verbunden ist, begangen worden sein muss. (…) Artikel 5 – Eingriff in ein System Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um die unbefugte schwere Behinderung des Betriebs eines Computersystems durch Eingeben, Übermitteln, Beschädigen, Löschen, Beeinträchtigen, Verändern oder Unterdrücken von Computerdaten, wenn vorsätzlich begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftat zu umschreiben. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 257 Medienfreiheiten und Europarat CCC wichtige Vorschriften (2) Artikel 6 – Missbrauch von Vorrichtungen 1 Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich und unbefugt begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben: a das Herstellen, Verkaufen, Beschaffen zwecks Gebrauchs, Einführen, Verbreiten oder anderweitige Verfügbarmachen i einer Vorrichtung einschließlich eines Computerprogramms, die in erster Linie dafür ausgelegt oder hergerichtet worden ist, eine nach den Artikeln 2 bis 5 umschriebene Straftat zu begehen; ii eines Computerpassworts, eines Zugangscodes oder ähnlicher Daten, die den Zugang zu einem Computersystem als Ganzem oder zu einem Teil davon ermöglichen, mit dem Vorsatz, sie zur Begehung einer nach den Artikeln 2 bis 5 umschriebenen Straftat zu verwenden, und b den Besitz eines unter Buchstabe a Ziffer i oder ii bezeichneten Mittels mit dem Vorsatz, es zur Begehung einer nach den Artikeln 2 bis 5 umschriebenen Straftat zu verwenden. Eine Vertragspartei kann als gesetzliche Voraussetzung vorsehen, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit erst mit Besitz einer bestimmten Anzahl dieser Mittel eintritt. 2 Dieser Artikel darf nicht so ausgelegt werden, als begründe er die strafrechtliche Verantwortlichkeit in Fällen, in denen das Herstellen, Verkaufen, Beschaffen zwecks Gebrauchs, Einführen, Verbreiten oder anderweitige Verfügbarmachen oder der Besitz nach Absatz 1 nicht zum Zweck der Begehung einer nach den Artikeln 2 bis 5 umschriebenen Straftat, sondern beispielsweise zum genehmigten Testen oder zum Schutz eines Computersystems erfolgt. 3 Jede Vertragspartei kann sich das Recht vorbehalten, Absatz 1 nicht anzuwenden, sofern der Vorbehalt nicht das Verkaufen, Verbreiten oder anderweitige Verfügbarmachen der in Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ii bezeichneten Mittel betrifft. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 258 Medienfreiheiten und Europarat Partielle Umsetzung CCC und Rahmenbeschluss durch 41. StrÄndG Wesentliche Veränderungen durch das 41. StrÄndG: Bereits unbefugter Zugang zu besonders gesicherten Daten unter Überwindung von Sicherheitsvorkehrungen strafbar (§ 202a StGB). Vorher: Verschaffen von Daten notwendig Strafbarkeit bestimmter Vorbereitungshandlungen zu Computerstraftaten. Bsp. Herstellen, Überlassen, Verbreiten oder Verschaffen von „Hacker-Tools“, die nach Art und Weise ihres Aufbaus darauf angelegt sind, illegalen Zwecken zu dienen (§ 202c StGB). Auch private Datenverarbeitungen sind nun vor Computersabotage (§ 303b StGB) strafrechtlich geschützt. Störungen durch unbefugtes Eingeben und Übermitteln von Computerdaten „DoS-Attacken“ strafbar. 41. Strafrechtsänderungsgesetz v. 7.8.2007 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 259 Medienfreiheiten und Europarat 41. Strafrechtsänderungsgesetz § 202a StGB (alte Fassung von 1986): Wer unbefugt Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, sich oder einem anderen verschafft... Wann sind Daten verschafft? wenn heruntergeladen? Kenntnis der Verzeichnisstruktur reicht (weiter Verschaffensbegriff) Keine Strafbarkeit d. White Hacking § 202a StGB (Neufassung 41. StrRÄndG August 2007) Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft... 14.12.2012 White Hacking strafbar, soweit Zugangssicherung überwunden wird (+) bei Firewall Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 260 Medienfreiheiten und Europarat 202c StGB und Dual Use (BVerfG). BVerfG: 202c ist verfassungskonform. „1. a) Tatobjekt des § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB kann nur ein Programm sein, dessen Zweck die Begehung einer Straftat nach § 202a StGB (Ausspähen von Daten) oder § 202b StGB (Abfangen von Daten) ist. Danach muss das Programm mit der Absicht entwickelt oder modifiziert worden sein, es zur Begehung der genannten Straftaten einzusetzen. Diese Absicht muss sich ferner objektiv manifestiert haben. aa) Schon nach dem Wortlaut nicht ausreichend wäre, dass ein Programm - wie das für so genannte dual use tools gilt - für die Begehung der genannten Computerstraftaten lediglich geeignet oder auch besonders geeignet ist. Der allgemeine Sprachgebrauch versteht unter „Zweck“ „etwas, was jemand mit einer Handlung beabsichtigt, zu bewirken, zu erreichen sucht; Beweggrund und Ziel einer Handlung“ (…) Mit dieser finalen Dimension unterscheidet sich der Begriff des Zwecks deutlich von dem der Eignung; systematische und entstehungsgeschichtliche Erwägungen bestätigen diesen Befund. (…) bb) Schon die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht (…) deutlich dafür, die Absichten des Entwicklers des jeweiligen Programms als maßgeblich für dessen Zweckbestimmung zu erachten (…) Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a Nr. i des Übereinkommens des Europarats, auf den § 202c Abs. 1 Nr. 2 zurückgeht, bezieht sich ausdrücklich auf eine „Vorrichtung einschließlich eines Computerprogramms, die in erster Linie dafür ausgelegt oder hergerichtet worden ist, eine nach den Artikeln 2 bis 5 umschriebene Straftat zu begehen“ (im englischen Originaltext: „designed or adapted primarily for the purpose of committing any of the offences established in accordance with Articles 2 through 5“). Hier wird der Entstehungsvorgang des Programms in seiner konkreten Gestalt in den Blick genommen. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 261 Internationaler Datenschutz Überblick: Regelungen auf der Ebene des Europarechts im weiteren und im engeren Sinne Datenschutzübereinkommen Europarat Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft Datenschutzübereinkommen des Europarats 40 Mitgliedstaaten Staaten verpflichten sich, datenschutzrechtliche Mindestvorgaben einzuhalten, Art. 4 DatenschutzÜ . Personenbezogene Daten müssen für den Verarbeitungszweck relevant sein, Art. 5 DatenschutzÜ. Sensible Daten dürfen nur verarbeitet werden, wenn das innerstaatliche Recht einen geeigneten Schutz gewährleistet, Art. 6 DatenschutzÜ. Auskunftsrecht, Artikel 8 DatenschutzÜ. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 262 EU vs. Europarat • Kurzer Exkurs: Europäische Union und Europarat sind unterschiedliche internationale Organisationen! Die Mitgliedschaft ist nicht identisch! • Vgl. dazu die folgenden Schaubilder. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 263 EU Quelle: Bayerische Zeitschrift für Politik und Geschichte 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 264 Europarat Quelle:Centre d'Information sur les Institutions Européennes (CIIE) 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 265 EU vs. Europarat • • • • • • • • • • EU: aus 27 europäischen Staaten bestehender Staatenverbund. Kern: Europäischer Binnenmarkt Seit dem Vertrag von Lissabon besitzt die Europäische Union eigene Rechtspersönlichkeit Zwei Grundverträge: Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag) und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUVertrag). Das System beinhaltet sowohl supranationale (überstaatliche) als auch intergouvernementale (zwischenstaatliche) Elemente. Im Europäischen Rat und im nach Fachressorts tagenden Rat der Europäischen Union (Ministerrat) sind die nationalen Regierungen vertreten Das Europäische Parlament wirkt bei der Rechtsetzung der EU mit. Die Europäische Kommission ist Exekutivorgan Der Gerichtshof der Europäischen Union ist Rechtsprechungsinstanz (Sitz Luxemburg) 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 266 Europarat Europarat Gründung 1949, Sitz in Straßburg 47 Mitgliedstaaten Abgrenzung zu Europäischem Rat (Art. 15 EUV, ex Art 4 EU) und dem Rat (237 AEUV, ex Art. 204 EGV) als Institutionen des Unionsrechts. Gründungsdokument Satzung Organe 14.12.2012 Ministerausschuss (Außenminister der Mitgliedstaaten) Parlamentarische Versammlung (Vertreter werden von nationalen Parlamenten gewählt) Erarbeitung vr. Verträge bsp. CCC Wichtigstes Dokument des Europarats: EMRK Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 267 Europäische Datenschutzrichtlinie Europäische Datenschutzrichtlinie (Richtlinie 95/46/EG) Grundprinzipien zum Teil deckungsgleich mit Datenschutzübereinkommen Teilweise strenger: Bei dem Grundsatz der Zweckbindung geht die Datenschutzrichtlinie über das Datenschutzabkommen des Europarats hinaus, denn die Zweckbindung muss nach Art. 6 Abs. 1 b) der Richtlinie schon bei der Datenerhebung vorliegen und nicht erst bei Speicherung, wie es bei Art. 5 b) des Datenschutzabkommens der Fall ist. Zentrale Schaltstelle der Datenschutzrichtlinie: Art. 7, Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 268 Europäische Datenschutzrichtlinie Europäische Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (Richtlinie 2002/58/EG) Cookies: Die Datenschutzrichtlinie eKom sieht in Art. 5 Abs. 3 vor, dass die Benutzung elektronischer Kommunikationsnetze für die Speicherung von Informationen oder den Zugriff auf Informationen, die im Endgerät eines Nutzers gespeichert sind nur unter der Bedingung gestattet ist, dass der Nutzer klare und umfassende Informationen insbesondere über die Zwecke der Verarbeitung erhält und durch den Verantwortlichen auf das Recht hingewiesen wird, diese Verarbeitung zu verweigern. Spam: Nach Art. 13 Abs. 1 RiLi 2002/58/EG darf die Verwendung von automatischen Anrufmaschinen, Faxgeräten oder elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung gegenüber natürlichen Personen nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer gestattet werden. Zweck der Vorschrift ist es, dass natürliche Personen als Teilnehmer eines elektronischen Kommunikationssystems vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung geschützt werden. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 269 Europäische Datenschutzrichtlinie Fall Lindqvist (1) Frau Lindqvist ist als Katechetin in der Kirchengemeinde Alseda (Schweden) tätig. Nach dem Besuch eines Informatikkurses, in dessen Rahmen sie u. a. eine Startseite im Internet einzurichten hatte, erstellt sie Ende 1998 zu Hause auf ihrem eigenen Computer Internetseiten, um den Konfirmanden ihrer Gemeinde den Zugang zu „ausbildungsrelevanten Informationen“ zu erleichtern. Auf ihren Antrag stellt der Administrator der Website der Kirche von Schweden eine Verbindung zwischen den Seiten der Kirche und ihrer Website her. Die fraglichen Internetseiten enthalten Informationen über Frau Lindqvist und achtzehn ihrer Arbeitskollegen der Gemeinde. Dabei wird der vollständige Name genannt. Außerdem beschreibt sie in leicht humoriger Weise die Tätigkeiten und Freizeitbeschäftigungen ihrer Kollegen. Bei einigen von ihnen bezeichnet sie die Familienverhältnisse, nennt die Telefonnummer oder erteilt weitere Informationen. Bei einer Kollegin weist sie darauf hin, dass sich diese am Fuß verletzt habe und dass sie daher partiell krankgeschrieben sei. Frau Lindqvist hat weder ihre Kollegen vom Bestehen dieser Internetseiten unterrichtet noch deren Einwilligung eingeholt. Ihr Vorgehen hat sie auch nicht der Datainspektion (öffentliche Einrichtung zum Schutz von auf elektronischem Wege übermittelten Daten) gemeldet. Als sie erfährt, dass die fraglichen Seiten von einigen ihrer Kollegen missbilligt werden, entfernt sie die Seiten unverzüglich. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 270 Europäische Datenschutzrichtlinie Fall Lindqvist (2) Die Staatsanwaltschaft leitet hierauf gegen Frau Lindqvist Strafverfolgungsmaßnahmen wegen Verstoßes gegen das schwedische Gesetz über personenbezogene Daten ein, das die Richtlinie 95/46 umsetzt. Die Staatsanwaltschaft trägt vor, Frau Lindquist habe - personenbezogene Daten in einem automatisierten Verfahren verarbeitet, ohne dies zuvor der Datainspektion schriftlich gemeldet zu haben, - sensible personenbezogene Daten ohne Genehmigung verarbeitet, - ohne Genehmigung personenbezogene Daten in ein Drittland übermittelt. Frau Lindquist wird sodann erstinstanzlich zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt. Gegen diese Entscheidung legt sie Berufung ein. Das Berufungsgericht hat Zweifel hinsichtlich der Auslegung der Richtlinie 95/46, setzt das Verfahren aus und legt dem EuGH unter anderem folgende Fragen vor: 1. Fällt die Nennung einer Person (mit Namen oder mit Namen und Telefonnummer) auf einer Webpage in den Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46? 2. Gehört die Angabe auf einer Internetseite, dass ein namentlich genannter Arbeitskollege sich den Fuß verletzt hat und partiell krankgeschrieben ist, zu den personenbezogenen Daten über die Gesundheit, die nach Artikel 8 Absatz 1 nicht verarbeitet werden dürfen? 3. Liegt eine Übermittlung von Daten in Drittstaaten im Sinne der Richtlinie 95/46 vor, wenn jemand personenbezogene Daten auf einer Internetseite, die auf einem Server in seinem Heimatstaat gespeichert ist, veröffentlicht, wodurch diese Daten Personen in Drittländern zugänglich werden? 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 271 Europäische Datenschutzrichtlinie Richtlinie 95/46/EG - Auszug Artikel 2 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck a) "personenbezogene Daten" alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person ("betroffene Person"); als bestimmbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind; (…) 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 272 Europäische Datenschutzrichtlinie Artikel 3 Anwendungsbereich (1) Diese Richtlinie gilt für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einer Datei gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. (2) Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten, - die für die Ausübung von Tätigkeiten erfolgt, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, beispielsweise Tätigkeiten gemäß den Titeln V und VI des Vertrags über die Europäische Union, und auf keinen Fall auf Verarbeitungen betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates (einschließlich seines wirtschaftlichen Wohls, wenn die Verarbeitung die Sicherheit des Staates berührt) und die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich; - die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 273 Europäische Datenschutzrichtlinie Artikel 8 Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (1) Die Mitgliedstaaten untersagen die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie von Daten über Gesundheit oder Sexualleben. (2) Absatz 1 findet in folgenden Fällen keine Anwendung: a) Die betroffene Person hat ausdrücklich in die Verarbeitung der genannten Daten eingewilligt, es sei denn, nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats kann das Verbot nach Absatz 1 durch die Einwilligung der betroffenen Person nicht aufgehoben werden; oder b) die Verarbeitung ist erforderlich, um den Rechten und Pflichten des für die Verarbeitung Verantwortlichen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts Rechnung zu tragen, sofern dies aufgrund von einzelstaatlichem Recht, das angemessene Garantien vorsieht, zulässig ist; oder c) die Verarbeitung ist zum Schutz lebenswichtiger Interessen der betroffenen Person oder eines Dritten erforderlich, sofern die Person aus physischen oder rechtlichen Gründen außerstande ist, ihre Einwilligung zu geben (…) 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 274 Europäische Datenschutzrichtlinie Artikel 25 Grundsätze (1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, daß die Übermittlung personenbezogener Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind oder nach der Übermittlung verarbeitet werden sollen, in ein Drittland vorbehaltlich der Beachtung der aufgrund der anderen Bestimmungen dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften zulässig ist, wenn dieses Drittland ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet. (2) Die Angemessenheit des Schutzniveaus, das ein Drittland bietet, wird unter Berücksichtigung aller Umstände beurteilt, die bei einer Datenübermittlung oder einer Kategorie von Datenübermittlungen eine Rolle spielen; insbesondere werden die Art der Daten, die Zweckbestimmung sowie die Dauer der geplanten Verarbeitung, das Herkunfts- und das Endbestimmungsland, die in dem betreffenden Drittland geltenden allgemeinen oder sektoriellen Rechtsnormen sowie die dort geltenden Standesregeln und Sicherheitsmaßnahmen berücksichtigt. (3) Die Mitgliedstaaten und die Kommission unterrichten einander über die Fälle, in denen ihres Erachtens ein Drittland kein angemessenes Schutzniveau im Sinne des Absatzes 2 gewährleistet. (4) Stellt die Kommission nach dem Verfahren des Artikels 31 Absatz 2 fest, daß ein Drittland kein angemessenes Schutzniveau im Sinne des Absatzes 2 des vorliegenden Artikels aufweist, so treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit keine gleichartige Datenübermittlung in das Drittland erfolgt. (…) 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 275 CYBERWAR • Exkurs: CYBERWAR / Information Warfare (P) Informationsoperationen und ihre Verortung im Völkerrecht 14.12.2012 Vgl. zu den Geschehnissen in Georgien Report des Cyber Defence Center Stuxnet Stuxnet zielt darauf ab, die Siemens-Steuersoftware WinCC und PCS 7 zu manipulieren. WinCC - eine Abkürzung für Windows Control Center visualisiert in Raffinerien, Kraftwerken oder Fabriken Prozesse, PCS 7 überwacht und steuert die automatisierten Betriebsabläufe. Deutschland: Unter der Federführung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat am 1. April 2011 das Nationale CyberAbwehrzentrum mit zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Räumlichkeiten des BSI in Bonn seine Arbeit aufgenommen. Weiterführend via AG Friedensforschung und Study4Cyberwar sowie NATO Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 276 CYBERWAR Iran: „USA, Israel und Siemens haben Stuxnet programmiert, um iranisches Atomprogramm zu schädigen.“ Quelle: Symantec 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 277 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 278 Quelle: Cyber Defence Center Report 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 279 CYBERWAR Quelle: Cyber Defence Center Report 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 280 CYBERWAR Quelle: Cyber Defence Center Report 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 281 CYBERWAR Information Warfare und Internationales Recht Artikel 2 UN Charta 4. Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt. Artikel 39 UN Charta Der Sicherheitsrat stellt fest, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt; er gibt Empfehlungen ab oder beschließt, welche Maßnahmen auf Grund der Artikel 41 und 42 zu treffen sind, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 282 CYBERWAR Artikel 51 UN Charta Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 283 CYBERWAR Definition of Aggression (GA Res 3314) 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 284 Internet und Domainnamen Übersicht Historische Entwicklung: vom ARPANET zum Internet Physikalische und logische Struktur des Internets Internet Governance im weiteren und im engeren Sinne ICANN und Streitigkeiten um Domainnamen Streitigkeiten um .eu Domains 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 285 Internet und Domainnamen „Internet“ = weltweites, dezentrales Netzwerk voneinander unabhängiger Netzwerke. Definition (nach U.S. Federal Networking Council) "Internet" refers to the global information system that -- (i) is logically linked together by a globally unique address space based on the Internet Protocol (IP) or its subsequent extensions/follow-ons; (ii) is able to support communications using the Transmission Control Protocol/Internet Protocol (TCP/IP) suite or its subsequent extensions/follow-ons, and/or other IP-compatible protocols; and (iii) provides, uses or makes accessible, either publicly or privately, high level services layered on the communications and related infrastructure described herein." 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 286 ARPANET • • • • • Internet geht historisch auf das ARPANET zurück. ARPANET = Projekt der Advanced Research Projects Agency (ARPA). ARPA (1958) sollte im Dienste der Landesverteidigung den technologischen Vorsprung der Vereinigten Staaten durch Förderung geeigneter Projekte sichern. Problem: Möglichkeit, im Falle eines nuklearen Angriffs die Kommunikation aufrecht zu erhalten. Lösung: Kommunikationsnetz 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 287 Internet und Domainnamen P 1: wie kommunizieren Computer untereinander? 1965: erstes wide area network Circuit switching vs. packet switching 14.12.2012 Ein TX-2 am Massachusetts Institute of Technology MIT und ein Q-32 der System Development Corporation (SDC) in Santa Monica werden über eine fest zugeordnete Telefonleitung mittels Akkustikkopplern verbunden. Der Test zeigt zwar, dass Daten über Telefonleitungen übertragen werden können, macht aber auch deutlich, dass Bandbreite so nicht effizient genutzt wird. Leonard Kleinrock , Paul Baran (USA) und Donald Davies (UK) weisen nach, dass Packet Switching das geeignetere Verfahren ist. Die Leitungsvermittlung (circuit switching, CS) zwischen Sender und Empfänger wird physikalische Leitung geschaltet. Zum Verbindungsaufbau wird fester Leitungsweg gesucht. Die Verbindung steht nach dem Verbindungsaufbau mit ihrer vollen Übertragungsbandbreite bis zum Verbindungsabbau zur ausschließlich für die Kommunikation zwischen den beteiligten Partnern zur Verfügung. Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 288 Internet und Domainnamen 14.12.2012 Packet Switching: die zu übertragende Information wird in einzelne Pakete aufgeteilt. Jedes einzelne Paket trägt neben dem zu übertragenden Informationsfragment die komplette Absender- und Empfängeradresse sowie weitere Informationen (Anzahl der Pakete, Nummer innerhalb der Paketsequenz). So können die Pakete unabhängig voneinander im Netzwerk übertragen werden. Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 289 Talked to SRI • Am 29.10.1969 gelingt die die erste packet-switching basierte Übertragung einer Nachricht zwischen Hosts der University of California (L.A.) und dem Standford Research Institute. Nach und nach werden weitere Endpunkte (nodes) hinzugefügt und zu einer Netzstruktur ausgebaut. Das so begründete ARPANET operierte auf Grundlage des Network Control Protocols (NCP). 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 290 Internet und Domainnamen In der Folgezeit entstehen voneinander unabhängige Netzwerke. P2: gemeinsamer Kommunikationsstandard zwischen den Einzelnetzen erforderlich Lösung: einheitliches Datenformat und eine einheitliche Methode der Verbindungsherstellung. 14.12.2012 1974 entwickeln Vint Cerf und Bob Kahn das Transmission Control/Internet Protocol TCP/IP RFC 791, RFC 793 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 291 Internet und Domainnamen Physische und Logische Struktur des Internets • Physisch: • Logische Struktur: 14.12.2012 Einzelrechner und seine Verbindung zu Peripherie sowie anderen Rechnern, Local Area Network, Metropolitan Area Network, Wide Area Network Hochleistungsverbindungen zwischen Subnetzen (Glasfaser). Verbindung der Einzelrechner über Schmalband und Breitbandverbindungen Protokolle = Kommunikationsregeln. Protokolle abreiten auf verschiedenen Ebenen. Einteilung dieser Ebenen nach Open Systems Interconnections Modell (OSI) der International Standars Organization (ISO) oder nach dem Modell des Department oft Defense (DoD) Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 292 Internet und Domainnamen Landläufig werden das World Wide Web (WWW) und das Internet gleichgesetzt. Das WWW ist allerdings nur einer von verschiedenen Diensten, die das Internet stellt. Neben dem WWW, das auf ein 1990 abgeschlossenes Forschungsprojekt bei der European Organization for Nuclear Research (CERN) zurückgeht, stellt das Internet auch die Infrastruktur für weitere Dienste etwa E-Mail, den File Transfer Protocol-Service Internet Relay Chats (IRC), Instant Messaging Internet-Telefonie Zum Teil verschmelzen die Dienste heute mit dem WWW, so etwa, wenn E-Mails über ein Webmail System, also über den Webbrowser gelesen werden. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 293 Internet und Domainnamen • Internet Governance im engeren Sinne • Jon Postel, (Vater des DNS Systems) gründete zunächst die Internet Assigned Numbers Authority (IANA), die eng mit dem US Verteidigungsministerium zusammen arbeitete. Die am Information Sciences Institute der University of Southern California angesiedelte IANA war für die technische Seite des Internetzugangs zuständig. Sie vergab die IPAdressen und verwaltete die Root-Server. 1997 wurde unter Leitung des US Wirtschaftsministeriums ein Plan zur Gründung einer neuen gemeinnützigen Organisation entwickelt, die 1998 zur Gründung der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) führte. Die Beziehungen zwischen dem US Wirtschaftsministerium und der ICANN wurden über ein Memorandum of Understandigs MOU gesteuert. • • • 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 294 Internet und Domainnamen • • • • • ICANN Glossary Verzeichnis aller Country Code TLD´s Verzeichnis generischer TLD´s Liste akkreditierter Registrare Whois Anfrage bsp.: uni-mainz.de - denic http://www.denic.de/de/whois/index.jsp Neue Entwicklungen: 14.12.2012 Internationalized Domain Names (IDNs) New gTLD Program Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 295 Internet und Domainnamen • • • • • • • Organisationsstruktur der ICANN ergibt sich aus ihrer Satzung, den Bylaws for the Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (Bylaws). Die wesentlichen Entschlüsse durch das Board of Directors gefasst. 21 Direktoren, wobei stimmberechtigte (15) von nicht stimmberechtigten (6) Direktoren zu unterscheiden sind. Die entscheidungsbefugten Direktoren wählen aus ihrer Mitte einen ebenfalls stimmberechtigten Präsidenten (Chief Executive Officer, CEO). Drei ICANN-Unterorganisationen bestimmen insgesamt 6 stimmberechtigte Direktoren (Article VI der ICANN Bylaws): jeweils zwei Direktoren werden von der „Adress Supporting Organization“ (ASO, ihre Aufgabe ist die Verwaltung des IPAdressenraums), der „Generic Names Supporting Organization“ (GNSO, zuständig für generische TLD‘s) und der „Country Code Names Supporting Organization“ (CCNSO zuständig für ccTLD’s), bestimmt. Die verbleibenden 8 Direktoren werden durch das „ICANN Nominating Committee“ bestimmt, das seinerseits aus 18 Mitgliedern besteht (Article VII der ICANN Bylaws). Von diesen 18 Mitgliedern werden aber nur fünf direkt von den Internet-Benutzern (Usern) gewählt. http://www.icann.org/en/structure/ 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 296 Internet und Domainnamen Bylaws 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 297 Internet und Domainnamen Department of Commerce (DoC) Registry (Central directory, authoritative master database) .de : DeNIC .com: VeriSign I n f o s ICANN Registrant 14.12.2012 Registration Agreement (mit UDRP) Registrar Bsp. 1 & 1 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 298 Internet und Domainnamen • • • • • • Streitschlichtung Streitschlichtungsprovider für Verfahren nach der UDRP Ablauf des Verfahren Model Complaint Model Response Kosten Entscheidungen 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 299 Internet und Domainnamen Registrar Accreditation Agreement (RAA). RAA Section 3.8: Domain-Name Dispute Resolution. RAA Section 3.7.7.11: During the Term of this Agreement, Registrar shall have in place a policy and procedures for resolution of disputes concerning Registered Names. Until different policies and procedures are established by ICANN under Section 4, Registrar shall comply with the Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy identified on ICANN's website (icann.org/general/consensuspolicies.htm). The Registered Name Holder shall agree that its registration of the Registered Name shall be subject to suspension, cancellation, or transfer pursuant to any ICANN adopted specification or policy, or pursuant to any registrar or registry procedure not inconsistent with an ICANN adopted specification or policy, (1) to correct mistakes by Registrar or the Registry Operator in registering the name or (2) for the resolution of disputes concerning the Registered Name.” 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 300 Internet und Domainnamen Bsp: Ziffer 3.6 Domain Name Registration Agreement der Domain People, Inc. 14.12.2012 “Domain Disputes. You agree that if your Registration is challenged by a third party, you shall be subject to the provisions specified in the applicable Domain dispute policy, including the policies attached in the Exhibits to this Agreement. If DomainPeople is notified that a complaint or legal action has been filed with a judicial or administrative body regarding your Domain and/or your use of the DNR Services, you agree not to make any changes to your Domain record without DomainPeoples prior written approval. You further agree that DomainPeople may, at its sole discretion, place a hold on your Domain, otherwise prevent you from making any changes to the Registration, or transfer control over your Domain to the applicable Registry until (i) DomainPeople is directed to do so by the judicial or administrative body, or (ii) the dispute has been settled between you and the disputing party and DomainPeople received satisfactory documentation evidencing the settlement. ” Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 301 Internet und Domainnamen Artikel 4 UDRP a. Applicable Disputes. You are required to submit to a mandatory administrative proceeding in the event that a third party (a "complainant") asserts to the applicable Provider, in compliance with the Rules of Procedure, that (i) your domain name is identical or confusingly similar to a trademark or service mark in which the complainant has rights; and (ii) you have no rights or legitimate interests in respect of the domain name; and (iii) your domain name has been registered and is being used in bad faith. In the administrative proceeding, the complainant must prove that each of these three elements are present. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 302 Internet und Domainnamen Artikel 4 UDRP b. Evidence of Registration and Use in Bad Faith. For the purposes of Paragraph 4(a)(iii), the following circumstances, in particular but without limitation, if found by the Panel to be present, shall be evidence of the registration and use of a domain name in bad faith: (i) circumstances indicating that you have registered or you have acquired the domain name primarily for the purpose of selling, renting, or otherwise transferring the domain name registration to the complainant who is the owner of the trademark or service mark or to a competitor of that complainant, for valuable consideration in excess of your documented out-of-pocket costs directly related to the domain name; or (ii) you have registered the domain name in order to prevent the owner of the trademark or service mark from reflecting the mark in a corresponding domain name, provided that you have engaged in a pattern of such conduct; or (iii) you have registered the domain name primarily for the purpose of disrupting the business of a competitor; or (iv) by using the domain name, you have intentionally attempted to attract, for commercial gain, Internet users to your web site or other on-line location, by creating a likelihood of confusion with the complainant's mark as to the source, sponsorship, affiliation, or endorsement of your web site or location or of a product or service on your web site or location. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 303 Internet und Domainnamen Artikel 4 UDRP „legitimate interest“ c. How to Demonstrate Your Rights to and Legitimate Interests in the Domain Name in Responding to a Complaint. When you receive a complaint, you should refer to Paragraph 5 of the Rules of Procedure in determining how your response should be prepared. Any of the following circumstances, in particular but without limitation, if found by the Panel to be proved based on its evaluation of all evidence presented, shall demonstrate your rights or legitimate interests to the domain name for purposes of Paragraph 4(a)(ii): (i) before any notice to you of the dispute, your use of, or demonstrable preparations to use, the domain name or a name corresponding to the domain name in connection with a bona fide offering of goods or services; or (ii) you (as an individual, business, or other organization) have been commonly known by the domain name, even if you have acquired no trademark or service mark rights; or (iii) you are making a legitimate noncommercial or fair use of the domain name, without intent for commercial gain to misleadingly divert consumers or to tarnish the trademark or service mark at issue. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 304 Internet und Domainnamen Keyfacts UDRP • Tatbestandsmerkmale der UDRP werden durch die Panels autonom ausgelegt, d.h. die Rechtsprechung nationaler Rechtsordnungen oder vergleichbarer Panel-Entscheidungen entfalten keine Bindungswirkung. Aus Gründen der Gleichbehandlung der Parteien und im Interesse einer vorhersehbaren Entscheidungspraxis orientieren sich die Panels dennoch an der vorausgegangenen Entscheidungspraxis anderer Schiedskommissionen. Auch Judikatur nationaler Rechtsordnungen kann eine Rolle spielen: • insbesondere Panels mit US-amerikanischer Beteiligung verweisen häufig auf das zum Anticybersquatting Consumer Protection Act (ACPA) vom 29.11.1999 ergangene Fallrecht, da dessen Intention und Regeln mit der UDRP weitgehend übereinstimmt. • • • Kommentierung einzelner Elemente der UDRP: Overview of WIPO Panel Views on Selected UDRP Questions ("WIPO Overview 2.0") 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 305 Internet und Domainnamen „Trademark or servicemark“ • Paragraf 4 a) i) UDRP erfasst nicht nur eingetragene Marken, sondern auch unregistrierte common law trademarks im Sinne des angloamerikanischen Markenrechts,was unter bestimmten Vorzeichen auch die Bezeichnungen öffentlicher Einrichtungen und den Namen prominenter Personen erfasst. WIPO Case No D2000-1838 „celinedion.com“. Dort heißt es: „While the complainants in this case have not yet registered Celine Dion´s name as a trade mark, it is clear that her fame as a performing artist establishes the kind of reputation which can warrant protection against passing off. There is much in the course of the response which shows acceptance of the view that the complainant has, in her career, attained the status of a celebrity.” Nach h.m. reicht es für das Betreiben eines UDRP Verfahrens aus, dass ein Lizenznehmer sich auf Markenrechte beruft • 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 306 Internet und Domainnamen „Identical or confusingly similar“ • Identität- keine „milimetergenaue“ Übereinstimmung. So wurde in der Entscheidung Fiat Auto S.p.A. v. Italienska bil, die Identität zwischen dem zusammenhängend geschriebene Domainname „alfaromeo.biz“ und dem aus zwei Worten bestehenden Marke „ALFA ROMEO“ mit der Begründung bejaht, dass die Marke in der Schreibweise mit Leerzeichen nicht als Domainnamen eingetragen werden könne. WIPO Case No DBIZ2001-00030 „alfaromeo.biz“. Verwechslungsgefahr (confusing similarity) liegt vor, wenn eine klangliche, begriffliche oder (schrift-)bildliche Übereinstimmungen besteht, ferner ist entscheidend die „idea suggested by the trademark and the domain name“. Auch: Typosquatting (P) Sucks cases - Im Fall „Walmart“ und „wal-martsucks.com“ wurde confusing similarity bejaht, in der Konstellation „Wal-Mart“ und „wallmartcanadasucks.com“ dagegen verneint. WIPO Case No D2000-0662 „wal-martsucks.com“. WIPO Case No D2000-1104 „wallmartcanadasucks.com“. • • • 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 307 Internet und Domainnamen „No rights or legitimate interests“ • Paragraf 4 a) ii.) UDRP verlangt von dem Beschwerdeführer den Nachweis, dass der Domaininhaber keine Rechte oder ein berechtigtes Interesse an der Domain hat (no rights or legitimate interests). (P) wie beweist man das? Dazu der “Panel Consensus View”: While the overall burden of proof rests with the complainant, panels have recognized that this could result in the often impossible task of proving a negative, requiring information that is often primarily within the knowledge of the respondent. Therefore a complainant is required to make out a prima facie case that the respondent lacks rights or legitimate interests. Once such prima facie case is made, the burden of production shifts to the respondent to come forward with appropriate allegations or evidence demonstrating rights or legitimate interests in the domain name. If the respondent fails to come forward with such appropriate allegations or evidence, a complainant is generally deemed to have satisfied paragraph 4(a)(ii) of the UDRP [see also paragraph 4.6 below in relation to respondent default]. If the respondent does come forward with some allegations or evidence of relevant rights or legitimate interest, the panel then weighs all the evidence, with the burden of proof always remaining on the complainant. • • 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 308 Internet und Domainnamen „No rights or legitimate interests“ • (P) Domainregistrierung um Kritik zu äußern = legitimes Interesse? • View 1: The right to criticize does not necessarily extend to registering and using a domain name that is identical or confusingly similar to the complainant's trademark (…) it may be understood by Internet users as impersonating the trademark owner. Where the domain name comprises the protected trademark plus an additional, typically derogatory term (e.g., <trademarksucks.tld>), some panels have applied View 2. View 2: Irrespective of whether the domain name as such connotes criticism, the respondent has a legitimate interest in using the trademark as part of the domain name of a criticism site if such use is fair and noncommercial. • 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 309 Internet und Domainnamen View 3 Additional considerations: Some panels have opted to assess (…) additional considerations, including whether: (i) the domain name has been registered and is used genuinely for the purpose of criticizing the mark owner; (ii) the registrant believes the criticism to be well-founded and lacks intent for commercial gain; (iii) it is immediately apparent to Internet users visiting the website at the domain name that it is not operated by the owner of the mark; (iv) the respondent has refrained from registering all or most of the obvious domain names reasonably suitable for the owner of the mark; (v) where appropriate, a prominent and appropriate link is provided to the relevant trademark owner's website; and (vi) where there is a likelihood that email intended for the complainant will use the domain name in issue, senders are alerted in an appropriate way that their emails have been misaddressed. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 310 Internet und Domainnamen „No rights or legitimate interests“ (P) Fan Sites View 1: The registrant of an active and noncommercial fan site may have rights and legitimate interests in the domain name that includes the complainant's trademark. The site should be actually in use, clearly distinctive from any official site, and noncommercial in nature. View 2: A respondent does not have rights or legitimate interests in expressing its view, even if positive, on an individual or entity by using an identical or confusingly similar domain name, if the respondent is intentionally misrepresenting itself as being (or as in some way associated with) that individual or entity, or seeks to derive commercial advantage from its registration and use. Also, where the domain name is identical to the trademark, panels have noted that such respondent action prevents the trademark holder from exercising its rights to the trademark and managing its presence on the Internet. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 311 Internet und Domainnamen „Bad Faith“ • Die dritte Voraussetzung für eine stattgebende Entscheidung nach der UDRP ist, dass die Domain in bösem Glauben (bad faith) registriert und genutzt wird. Die UDRP gibt (nicht abschließend) Beispiele, wann böser Glaube im Sinne des Art. 4 a) vorliegt. So soll dies nach Paragraf 4 b) i.) UDRP der Fall sein, wenn dem Markeninhaber (Beschwerdeführer) der Domainname zu einem Preis angeboten wird, der über dem Anschaffungspreis liegt, die Registrierung vornehmlich in Ausschluss- oder Behinderungsabsicht erfolgt ist (Paragraf 4 b) ii.) und iii. UDRP) oder der Beschwerdegegner den Domainnamen irreführend nutzt, indem er Webuser darüber täuscht, dass sich hinter der Website tatsächlich nicht der Markeninhaber verbirgt (Paragraf 4 b) iv.) UDRP). • (P) Passive Holding (domain name is not actively used and the domain name holder has taken no active steps to sell the domain name or contact the trademark holder) allein begründet keine Bösgläubigkeit 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 312 Internet und Domainnamen Fall Deutsche Welle (1) Die „mediale Visitenkarte Deutschlands in der Welt“, die deutsche Welle (DW), möchte ihre journalistischen Angebote im Internet ausbauen. Unter www.dw.com möchte sie ein neues Onlineportal betreiben, um Menschen im Ausland zu informieren, den Dialog der Kulturen zu ermöglichen und sich insgesamt für Völkerverständigung und Toleranz einzusetzen. Der Schriftzug „DW“, in der Bundesrepublik Deutschland seit 1953 ein Begriff und seit den 80´er Jahren dort auch markenrechtlich geschützt, soll über das neue Portal nun noch weiter in die Welt getragen werden. Als der Justitiar der Deutschen Welle G. im Juni 2000 mit der Verwirklichung des Projekts betraut wird, stellt er zu seinem Entsetzen fest, dass die Domain www.dw.com bereits vergeben ist. Als Inhaber weist die Recherchedatenbank die Diamond Ware Limited in Arizona, USA aus. Nach Eingabe der URL in seinen Webbrowser findet G. die Online-Präsenz des Softwareunternehmens, das unter der Abkürzung „DW“ bereits seit 1994 Produkte der Informationstechnologie vertreibt und die Domain im gleichen Jahr bei einem Registrar in den USA registriert hat. Einen kurzen Augenblick enttäuscht das Prinzip „first come first serve“ reflektierend, erinnert G. sich seiner juristischen Brillanz gerade in aussichtslosen Fällen und setzt am 13. Juli 2000 ein Schreiben an den Chief Executive Officer (CEO) der DiamondWare Limited auf. Er formuliert: "It has come to our attention that you are in possession of the domain www.dw.com. As shown in the enclosed certification Deutsche Welle has a registered trade mark concerning "dw". Therefore you shall transfer this domain name over to us. Nevertheless we would be very grateful for your co-operation in resolving this matter and find an amicable solution. I look forward to hearing from you soon." 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 313 Internet und Domainnamen Fall Deutsche Welle (2) Die Antwort aus Arizona lässt nicht lange auf sich warten. Im Schreiben des CEO vom 10. August heißt es: "Thank you for your interest in our domain name, dw.com. We are not currently offering this property for sale on the open market, however it has recently been attracting enquiries. Therefore, we would consider an offer above $3,750,000 (three million, seven hundred fifty thousand US Dollars) from an accredited buyer. I look forward to your reply.„ G. ist schockiert und verzückt zugleich. Sofort verfasst er in englischer Sprache eine Beschwerdeschrift an das WIPO Arbitration and Mediation Center. Bestehende Markenrechte listet er auf, zur Begründung des Anspruchs verweist er auf das Schreiben der Diamond Ware vom 10. August und das dort unterbreitete Angebot. Die Offerte beweise, dass die Beschwerdegegnerin kein ernsthaftes Interesse an der Domain haben könne. Die Höhe des Angebots unterstreiche, dass es hier nur um Profit gehe. G staunt, als ihm die Erwiderung der Diamond Ware zugestellt wird. Der Deutschen Welle wird darin vorgeworfen, die Beschwerde „in bad faith and with no reasonable basis“ zu betreiben. Dies ergebe sich zunächst daraus, dass die Deutsche Welle keinerlei Rechte in den Vereinigten Staaten nachgewiesen habe und sich ihre Rechte auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkten. Weiter nutze die Diamond Ware die Domain und die Abkürzung schon seit 1994 und habe von der Existenz der Deutschen Welle und ihren Rechten in der Bundesrepublik bis dato überhaupt nichts gewusst. Von „bösem Glauben“ könne auf ihrer Seite keine Rede sein. Die Beschwerdeführerin dagegen hätte nach Aufruf der Internetseite www.dw.com sofort und leicht erkennen können, dass die Diamond Ware die Domain schon lange betreibt und sicher nicht erworben habe, um sie ein halbes Jahrzehnt später dem deutschen Auslandsrundfunk zu offerieren. Hat das Verfahren der Deutschen Welle Aussicht auf Erfolg? 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 314 Internet und Domainnamen • • UDRP und Rules – Review Process? Vgl. Hierzu: Preliminary Issue Report on the Current State of the Uniform Dispute Resolution Policy Webinar on the Current State of the UDRP 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 315 Internet und Domainnamen .eu Domains und Verfahren vor dem tschechischen Schiedsgerichtshof Hintergrund und Vergabeverfahren Sunrise I (2005) und II (bis Februar 2006), Landrush (seit April 2006) Rechtsgrundlagen: Verordnung 733/2002 („EinführungsVO“) und die Verordnung 874/2004 („FestlegungsVO)“ ADR Regeln und ergänzende Regeln Verfahren gegen Register (EURid) und Domaininhaber möglich Prüfungsmaßstab: 14.12.2012 Nach Art. 21 Abs. 1 der FestlegungsVO wird ein Domänenname aufgrund eines außergerichtlichen oder gerichtlichen Verfahrens widerrufen, wenn er mit einem anderen Namen identisch ist oder diesem verwirrend ähnelt, für den Rechte bestehen, die nach nationalem und/ oder Gemeinschaftsrecht anerkannt oder festgelegt sind und wenn der Domänenname von einem Domäneninhaber registriert wurde, der selbst keinerlei Rechte oder berechtigte Interessen an diesem Domänennamen geltend machen kann, oder in böser Absicht registriert oder benutzt wird. Nach Art. 22 der FestlegungsVO kann ein alternatives Streitbeilegungsverfahren von jedermann angestrengt werden, der geltend macht, dass eine Domainregistrierung spekulativ oder missbräuchlich im Sinne von Art. 21 FestlegungsVO ist oder eine Entscheidung des Registers gegen die Einführungs- und FestlegungsVO verstößt. Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 316 Internet und Domainnamen Artikel 21 Spekulative und missbräuchliche Registrierung (1) Ein Domänenname wird aufgrund eines außergerichtlichen oder gerichtlichen Verfahrens widerrufen, wenn er mit einem anderen Namen identisch ist oder diesem verwirrend ähnelt, für den Rechte bestehen, die nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkannt oder festgelegt sind, darunter die in Artikel 10 Absatz 1 genannten Rechte, und wenn dieser Domänenname a) von einem Domäneninhaber registriert wurde, der selbst keinerlei Rechte oder berechtigte Interessen an diesem Domänennamen geltend machen kann, oder b) in böser Absicht registriert oder benutzt wird. (2) Ein berechtigtes Interesse im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a) liegt vor, wenn a) der Domäneninhaber vor der Ankündigung eines alternativen Streitbeilegungsverfahrens den Domänennamen oder einen Namen, der diesem Domänennamen entspricht, im Zusammenhang mit dem Angebot von Waren oder Dienstleistungen verwendet hat oder nachweislich solche Vorbereitungen getroffen hat; b) der Domäneninhaber ein Unternehmen, eine Organisation oder eine natürliche Person ist, die unter dem Domänennamen allgemein bekannt ist, selbst wenn keine nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkannten oder festgelegten Rechte bestehen; c) der Domäneninhaber den Domänennamen in rechtmäßiger und nichtkommerzieller oder fairer Weise nutzt, ohne die Verbraucher in die Irre zu führen, noch das Ansehen eines Namens, für den nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkannten oder festgelegten Rechte bestehen, zu beeinträchtigen. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 317 Internet und Domainnamen (3) Bösgläubigkeit im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn a) aus den Umständen ersichtlich wird, dass der Domänenname hauptsächlich deshalb registriert oder erworben wurde, um ihn an den Inhaber eines Namens, für den ein nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkanntes oder festgelegtes Recht besteht, oder an eine öffentliche Einrichtung zu verkaufen, zu vermieten oder anderweitig zu übertragen; b) der Domänenname registriert wurde, um zu verhindern, dass der Inhaber eines solchen Namens, für den ein nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkanntes oder festgelegtes Recht besteht, oder eine öffentliche Einrichtung diesen Namen als entsprechenden Domänennamen verwenden kann, sofern: i) dem Domäneninhaber eine solche Verhaltensweise nachgewiesen werden kann; oder ii) der Domänenname mindestens zwei Jahre lang ab der Registrierung nicht in einschlägiger Weise genutzt wurde; oder iii) der Inhaber eines Domänennamens, für den ein nach nationalem und/oder Gemeinschaftsrecht anerkanntes oder festgelegtes Recht besteht, oder der dem Namen einer öffentlichen Einrichtung entspricht, zu Beginn eines alternativen Streitbeilegungsverfahrens seine Absicht erklärt hat, diesen Domänennamen in einschlägiger Weise zu nutzen, dies jedoch innerhalb von sechs Monaten nach dem Beginn des Streitbeilegungsverfahrens nicht getan hat; c) der Domänenname hauptsächlich registriert wurde, um die berufliche oder geschäftliche Tätigkeit eines Wettbewerbers zu stören; oder (…) 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 318 Internet und Domainnamen • • • • Entscheidung des tschechischen Schiedsgerichts Bösgläubigkeit (+) unbenannter Fall – Umgehung der Transkriptionsregel in Art. 11 VO 874/2004 Feststellungsklage des Domaininhabers vor ordentlichen Gerichten, dass Domainname (entgegen Entscheidung des tschechischen Schiedsgerichts) nicht zu übertragen ist OGH legt dem EuGH vor EuGH: 1. Art. 21 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 874/2004 der Kommission vom 28. April 2004 zur Festlegung von allgemeinen Regeln für die Durchführung und die Funktionen der Domäne oberster Stufe „.eu“ und der allgemeinen Grundregeln für die Registrierung ist dahin auszulegen, dass Bösgläubigkeit durch andere Umstände als die in den Buchst. a bis e dieser Bestimmung aufgeführten nachgewiesen werden kann. 2. Für die Beurteilung der Frage, ob ein bösgläubiges Verhalten im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Abs. 3 der Verordnung Nr. 874/2004 vorliegt, hat das nationale Gericht alle im Einzelfall erheblichen Faktoren und insbesondere die Umstände, unter denen die Eintragung der Marke erwirkt wurde, sowie die Umstände, unter denen der Name der Domäne oberster Stufe „.eu“ registriert wurde, zu berücksichtigen. 14.12.2012 Prof. Dr. Tobias Keber *Medienrecht* [email protected] 319