Mit „Gans“ viel Leidenschaft
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Mit „Gans“ viel Leidenschaft
Tier ■ BAUERNBLATT l 9. November 2013 Das Hobby zum Beruf gemacht Mit „Gans“ viel Leidenschaft Ab der dritten Lebenswoche dürfen die Gänse in den Mais laufen. Die Pflanzen dienen gleichzeitig als Schutz und Futter. Als wir auf den Hof Claßen fahren, wird im Garten gerade ein großes Zelt abgebaut. Dort fand am Tag zuvor eine Verkostung mit Geschäftspartnern statt. Qualität und intensive Kundenbeziehungen sind für Gänsehalter Michael Claßen der Schlüssel zum Erfolg. Die Leidenschaft für die Gans hatte er schon immer im Blut. Doch erst als er 1976 die alte Hofstelle kaufte, begann er, nach und nach das Hobby zum Haupterwerb auszubauen. fruchtete Ei. Auch er selbst kauft seine Küken von der Brüterei zurück. Pro Jahr zieht er, verteilt auf zwei Altersgruppen, 7.500 Gänse auf. Die Tiere sind eine hiesige Gebrauchskreuzung, in die die Dänische Rasse eingekreuzt wurde. In der Vermarktung setzt Claßen nur auf den Groß- und Einzelhandel, wie zum Beispiel Feinkostgeschäfte. Am Hof gibt es keinen Direktverkauf. Das passte nie ins Konzept, denn seine Frau ist ebenfalls berufstätig. Für Claßen hat sich dies als das Rezept zum Erfolg herausgestellt. Die Gänse werden auf dem Hof geschlachtet und im Ganzen vakuumiert mit einer Spedition versandt. Auf Bestellung, versteht sich. Die Zerlegung lohne sich nicht, erklärt Claßen. „Teilstücke kommen als Nebenprodukte der Stopfleberproduktion in Ungarn zu uns nach Deutschland.“ Dies sei konkurrenzlos günstig, da können deutsche Erzeuger nicht mithalten. Bedenklich, findet Claßen, denn: „Auf den Teilstücken findet sich kein Hinweis, dass sie ihren Ursprung in der Stopfleberproduktion haben.“ Zu Fuß zum Schlachten Doch zurück auf den Hof. Gänsehaltung ist ein Saisongeschäft, die Schlachtkapazitäten sind begrenzt. „Interessant wird es erst, wenn man selbst schlachtet und vermarktet“, erklärt Claßen. Inzwischen schlachtet er auf dem Hof 11.000 Tiere pro Jahr, drei kleinere Betriebe ziehen für ihn Tiere auf. 70 Gänse können pro Stunde geschlachtet werden. Dazu werden sie zu Fuß von den umliegenden Weiden bis vors Schlachthaus getrieben, ein Weg von etwa Inzwischen kann man seine Gänse im KaDeWe in Berlin, auf dem Münchner Viktualienmarkt oder beim Starkoch Alfons Schuhbeck kaufen. Claßens Sohn Johann-Michel hat ebenfalls Spaß an der Gans und perfektioniert die findige Vermarktung mit neuen Wurstkreationen. Michael Claßen war nach seiner kaufmännischen Ausbildung als Verkäufer von Wärmepumpen unterwegs. Nebenbei hielt er stets einige Gänse. Bei seinem Hobby blieb finanziell etwas übrig, das war irgendwann sein Ansporn, ganz auf die Gans zu setzen. Auf dem Hof werden mittlerweile 900 Zuchtgänse gehalten. Sämtliche Eier verkauft Claßen an eine örtliche Brüterei. Silage für die Gänse: Über der Ganzpflanzensilage aus Triticale und Der mit Elektrodraht und Kunststoffverstär1,30 € bekommt er für jedes be- Wicken wurde Pressschlempe einsiliert. kung gesicherte Zaun hält Füchse fern. 59 60 Tier BAUERNBLATT l 9. November 2013 ■ seiner Marke „Goosies“ verarbeitet er vor allem Altgänse aus der Zucht. Auch andere Züchterkollegen sind an einer entsprechenden Vermarktung interessiert, denn bislang können die Alttiere kaum verwertet werden. Dies alles hat bei Claßen den Gedanken an eine neue, größere Schlachterei reifen lassen. Der Plan steht bereits, Claßen hofft, im kommenden Jahr den Betrieb direkt an den Gänseställen aufnehmen zu können. Auslauf unter Mais Doch bevor die Gänse dort ihr Leben lassen, haben sie auf dem Hof ein anregendes Leben. Insgesamt stehen ihnen 4.000 m2 Stallfläche mit 100 % Gänsefleisch stecken in den ver- Stroh zur Verfügung. Diese verteilen sich auf einen alten Folienstall, in schiedenen Produkten. dem momentan die Zuchtgänse le500 m. In der Schlachterei arbeiten ben, und zwei Stahlhallen mit einer dann elf bis zwölf Personen, gerupft Fassade aus Lärchenholz. Die Dächer wird von Hand. Etwa 50 s pro Tier der 1999 und 2004 errichteten Ställe werden dafür benötigt. Das ist Ak- sind begrünt. Im Jahr 2006 wurden Letztere um großzügige kordarbeit und wird auch so beWintergärten erzahlt. Die Federn verkauft weitert. „Damit Claßen an ein Bettenhaus. habe ich AusDie Kapazität des Kühlweichmöglichkeihauses bremse ihn moten, falls hier in der mentan in seiner EntGegend ein Geflüwicklung, verrät er. gelvirus wütet und Auch Johann-Michel, die Tiere nicht rausder zurzeit noch Wirtdürfen“, begründet schaftsingenieurweClaßen den Bau. Übersen Lebensmithaupt liegt ihm die Getelprosundheit seines Bestandes duktion studiert, sehr am Herzen. möchte sich gerne mit seinen ei- Eine totale Mischration (TMR) für Regelmäßige genen Kreationen Gänse: So sieht die fertige Mi- Impfungen sind Standard, auch wie Gänsebrat- schung aus. ein betriebsspewurst mit Trockenobst oder paniertem Gänsehack am zifischer Impfstoff wird verabreicht. Spieß weiter verwirklichen. Unter Claßen hält viel davon vorzubeugen, Michael Claßen hat mit den Gänsen sein Hobby zum Haupterwerb ausgebaut. er begründet: „Wir sind nur einmal Futtermischung ohne Soja im Jahr am Markt, da darf nichts schieflaufen.“ Claßen verzichtet in der Fütterung Generell seien Gänse vollkommen auf Sojaschrot. Er hat sehr robust, doch wenn sich der Erzeugung von Lebensmitetwas durch den Bestand teln ohne Gentechnik verlaufe, dann sei der Schaschrieben. In den ersten den oft sehr groß. Regudrei Lebenswochen erlär haben seine Gänse halten die Küken pelleab der dritten Lebenstiertes Fertigfutter. Anwoche Zugang zum schließend erstellt er in Auslauf, das ist meist ab einem stationären Futetwa Juli. Dieser ist für termischwagen sein die Tiere etwas BesonFutter selbst, täglich deres, denn rund um frisch. Vor allem Ganzdie Ställe hat Claßen pflanzensilage, zum auf etwa 12 ha Mais Beispiel aus Triticale mit Grasuntersaat und Wicken oder aus angebaut. Er freut Hafer, sowie gesich an ihrem Treiben schrotetes, säurekonunter den hohen Pflanserviertes Getreide und zen: „Es ist schön Corn-Cob-Mix (CCM) zu beobachten, Der unter Schutzatmosphäre werden dann verarwie die Tiere wach- verpackte Gänsebraten wird beitet. Neben einer sen und nach und auf Bestellung per Spedition speziellen Mineralnach von unten die versandt. stoffmischung darf Blätter wegfresClaßen als Proteinsen“. Als Vorteil sieht er es an, dass träger auch Hämoglobinpulver einder Mais jetzt, wo die Tiere gehalt- mischen, für dessen Verarbeitung er volles Futter benötigen, reichlich eine Zulassung hat. Das fertige FutKolben bereithält. Im Gegensatz zu ter wird nun per Radlader in die Stälherkömmlichen Weiden, deren Fut- le transportiert und dann per Hand terwert im Herbst immer mehr nach- verteilt. Dort dienen beispielsweise lässt. Außerdem biete der Mais ei- umgebaute Schweineautomaten nen hervorragenden Schutz gegen als Tröge. Die Mischungen variieren Sonne und Raubvögel. Ein um den in Abhängigkeit von der Nachfrage Mais gezogener Stromdraht, der im nach Gänsen. „Wir können die Tiere unteren Bereich noch mit Kunststoff erst schlachten, wenn der Markt sie verstärkt ist, hält Füchse ab. „Die aufnimmt“, erläutert Claßen. WichGänse fressen den Mais total weg“, tig sei deshalb, dass sie nicht verfetsagt Claßen. Wenn die letzten Tiere ten, wenn sie etwas älter werden. geschlachtet sind, steht auch auf Dann komme vermehrt Haferschäldem Feld nichts mehr. Im Frühjahr kleie zum Einsatz, wohingegen pflügt er die Parzellen um und legt CCM am Ende der Aufzucht ungewiederum Mais. Vor dem Auflaufen eignet sei, weil es das Fett weich der ersten Keimblätter drillt er dann macht. Die ersten Gänse waren bei die Weidemischung ein. Claßen schon schlachtreif. Unter der Marke „Stoppelgans“ verkauft Claßen die acht bis neun Wochen alten Jungtiere. Jeweils eine Partie von 300 Tieren schlachtet er pro Altersgruppe. Die Schlachtkörper haben ein Gewicht von 2,8 bis 3 kg und gelten in Restaurants als Spezialität. Die anderen Gänse dürfen ihr Leben unter Mais noch etwas länger genießen. Ende Oktober startet die reguläre Gänsesaison, natürlich auch zu Sankt Martin. Etwa Mitte Dezember sind die Weiden verwaist, nur die Zuchtgänse bereiten sich dann schon wieder auf die neue Legesaison vor. Fotos: Birgit Waterloh/wf Birgit Waterloh Landwirtschaftliches Wochenblatt Tel.: 0 25 01-8 01 84 10 birgit.waterloh@ wochenblatt.com