EINKOMMEN GRÖSSER ALS GEDACHT
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EINKOMMEN GRÖSSER ALS GEDACHT
JOB & KARRIERE unternehmensjurist GEHALTSSTUDIE EINKOMMEN GRÖSSER ALS GEDACHT Das große Geld verdienen Juristen in Unternehmen nicht, soviel schien bislang sicher. Doch nun hat sich eine Strategieberatung die Juristengehälter einmal genauer angesehen. Für Personaler in Unternehmen und Kanzleien hat sie eine Überraschung parat. Kluge Köpfe sind teuer – wieviel ein Jurist verdient, ist daher für beide Seiten eine brandwichtige Frage: Wer das Gehalt bezieht, wüsste gern, ob noch mehr drin ist. Wer es bezahlt, möchte sichergehen, dass es gut investiert ist. „Für das erfolgreiche Recruiting ist auch eine marktgerechte Vergütung wichtig“, unterstreicht Dr. Dirk Lorenz von der Kanzlei Taylor Wessing in München. „Die Gehaltsstrukturen in Wirtschaftskanzleien sind durch die Veröffentlichungen in der ‚Azur‘ weitgehend transparent, allerdings gilt dies gerade nicht für Unternehmen.“ Teilweise fehlt auch die Selbsterkenntnis: „Den Unternehmen ist teils selbst nicht bekannt, wieviel sie im Schnitt etwa an Zusatzleistungen an die Mitarbeiter zahlen“, wundert sich Andreas Bong, Geschäftsführer der Otto Henning GmbH (OHC) in Frankfurt. Zusammen mit dem Kollegen Philipp Stenzel hat Bong eine Gehaltsstudie ausgearbeitet – und damit Neuland betreten. „Bisherige Untersuchungen geben meist zwar die Einstiegsgehälter an“, erläutert Bong, „aber die volle Transparenz fehlt!“ Die neue Studie bezieht nun Gehälter auf allen Karrierestufen ein. Außerdem bilden die Unternehmensberater sämtliche Bestandteile des Gehaltes ab. „Alle anderen Studien beschränkten sich auf Fixgehalt und Bonuszahlungen“, kritisiert Bong. Gerade den Unternehmensjuristen würden jedoch hohe sonstige Leistungen gezahlt, also etwa Gewinnbeteiligungen oder Nebenleistungen in Form von Firmenwagen oder Einzahlungen in die Betriebliche Altersvorsorge. EURO UND CENT UND FIRMENWAGEN Das Ergebnis verblüfft: „Die Kanzleien zahlen auf den höheren Ebenen nicht so viel wie die Unternehmen“, fasst Bong zusammen. Der Graph (Seite 63) ist zunächst eindeu- DARSTELLUNG DER VIER BETRACHTETEN GEHALTSBESTANDTEILE Die Einordnung der Antworten erfolgte nach den Gehaltsbestandteilen Grundvergütung, STI, LTI und Sozial-/Nebenleistungen Gehaltsbestandteile Jahres-Bar-Vergütung (fix) Jahres-Bar-Vergütung (gesamt) Direktvergütung (gesamt) Gesamtvergütung Sozial- und Nebenleistungen 4) Langfristige variable Vergütung (LTI) 3) Kurzfristige variable Vergütung (STI) 2) Grundvergütung 1) 1) Jahresfixgehalt, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld 2) Performancebasiert (Individuell, Team, Gruppe, Firma), stückbasiert (Anzahl Verträge), allgemeine STI (u.a. zusätzliches Urlaubsgeld) 3) Stock Options, restricted Stock Units, Performance Shares, long Term Cash Bonus 4) Betr. Altersvorsorge, Firmenwagen, Versicherungen (z.B. Invalidität, UV), Hinterbliebenenschutz bei Todesfall Quelle: Otto . Henning 60 Ausgabe 1/2012 unternehmensjurist tig: Einsteiger werden mit höheren Gehältern in die Kanzleien gelockt, die Kollegen aus den Unternehmen überholen die Anwälte jedoch auf ihrem Weg nach oben. Ein zweiter Blick zeigt: Nicht das Grundgehalt, sondern die Nebenleistungen sind für das Ergebnis ausschlaggebend – und so erklärt sich der Vorsprung der Unternehmen. DER TEUFEL IM DETAIL Das Ziel der beiden Autoren ist ambitioniert: Sehr unterschiedliche Sachverhalte müssen zunächst erhoben und bewertet werden, bevor man an einen Vergleich denken kann. Konkret: Wie viel Mehrgehalt ist denn der 3er BMW als Firmenwagen wert? Wie vergleicht man Rechtsabteilungen, die mal acht und mal – wie etwa bei großen DAXUnternehmen in Deutschland – dreihundert Mitarbeiter beschäftigen? JOB & KARRIERE Die Autoren entwickelten fünf Kriterien für hierarchische Ebenen, etwa „Fachliche Qualifikation“, die sich wiederum aus verschiedenen Unterkriterien zusammensetzen. Die genauen Faktoren und ihre Gewichtung sind so etwas wie die Coca-Cola-Rezeptur der Autoren – und bleiben geheim. So viel darf verraten werden: Das Kriterium „Fachliche Qualifikation“ setzt sich etwa aus unterschiedlich gewichteten Faktoren wie Position, Berufserfahrung, Führungsfunktion zusammen. Jede Position wird anhand einer Skala für jeden Faktor bewertet, woraus eine Gesamtpunktzahl errechnet wird. Selbst wenn Juristen im Unternehmen die gleiche Position haben, werden sie auf „künstliche Hierarchieebenen“ eingeordnet, erläutert Bong. Darauf erstellten Bong und Stenzel einheitliche Musterprofile für Juristen – praktisch eine einheitliche Sprossenweite der Karriereleiter, die dann als Maßstab für alle untersuchten Unternehmen gilt. Diese einheitliche Karriereleiter umfasst fünf Stufen vom Berufseinsteiger bis zum General Counsel (Abbildung unten). MUSTERPROFILE DER JURISTEN . . . . . . Junior Counsel Besitzt keine, oder nur sehr wenig Berufserfahrung Ist Volljurist und verbrachte zumindest eine kurze Zeit im Ausland Bewältigt das Arbeitspensum in einem überschaubaren Zeitrahmen Bearbeitet mäßig anspruchsvolle und regelmäßig wiederkehrende Aufgabenstellungen Lässt erfolgte Arbeiten grundsätzlich von Vorgesetzten prüfen und frei geben Pflegt selten/kaum Kontakt zu Dienstleistern und Kunden . . . . . . Counsel / Associate Besitzt ca. 2-3 Jahre Berufserfahrung, zumindest teilweise einschlägig Verbrachte kurze Zeit im Ausland Bewältigt partiell schwierige Aufgabenstellungen, die in ihrer Tragweite von größerer Bedeutung sind Ist flexibel bzgl. der Arbeitszeiten und unternimmt regelmäßig Dienstreisen Verantwortet Ergebnisse fachlich eigenständig, im Rahmen der Befugnisse besteht i.d.R. Mitzeichnungsrecht Vertritt den Arbeitgeber im Rahmen von Veranstaltungen und ist Bindeglied zwischen Unternehmen, Dienstleistern und Kunden Senior Counsel / Senior Associate . . . . . . . Besitzt ca. 5-6 Jahre Berufserfahrung und übernimmt Führungsverantwortung (fachlich und/oder disziplinarisch) Verbrachte mindestens sechs Monate im Ausland Muss ein hohes Maß an Eigeninitiative und Wissbegierigkeit zur Bearbeitung der komplexen Fragestellungen einsetzen Führt regelmäßig länger andauernde Dienstreisen durch Bearbeitet nahezu ausschließlich Aufgaben mit gesteigertem Schwierigkeitsgrad Übernimmt fachliche Verantwortung und hat Befugnis zur Anweisung v. Zahlungen, bzw. verfügt über geringes Budget Publiziert in bspw. Fachpresse Abteilungsleiter / Salary Partner . . . . . . Besitzt ca. 9 Jahre Berufserfahrung (u.a. im Führungskräftemanagement) Übernimmt dauerhaft fachliche und disziplinarische Führungsverantwortung über einen größeren Personenkreis und z.T. über Führungskräfte Besitzt beide Staatsexamina und darüber hinaus häufig eine weitere Qualifikation Trifft Entscheidungen von teils existentieller Bedeutung Bearbeitet höchst anspruchsvolle Aufgaben Weist Zahlungen in großer Höhe an und verfügt über sehr hohes internes Budget General Counsel / Partner . . . . . . . Übernimmt dauerhaft Führungsverantwortung über bspw. Abteilungen/ internationale Divisionen Reportet an Vorstand/ Geschäftsführung, ggf. Gesellschafter Trägt die Risiken des gesamten Rechtsbereiches/der gesamten Kanzlei Trifft Entscheidungen völlig frei, ohne sich vorab abstimmen zu müssen Ist mit Gesamt-Prokura ausgestattet sowie freier Befugnis über Budget/ Zahlungen Fördert die Wahrnehmung des Arbeitgebers z.B. durch das Bekleiden zusätzlicher Ämter aktiv Betreut Dienstleister/ Kunden und gibt Fachrat über alle Hierarchieebenen hinweg Ausgabe 1/2012 61 JOB & KARRIERE unternehmensjurist Unternehmensberater profitierten dabei von langjährigen Kontakten von OHC in die Führungsetagen der deutschen Vorzeigeunternehmen und -kanzleien in Deutschland. Seit fast 10 Jahren veröffentlicht das Unternehmen regelmäßig einen „Benchmarkt-Report“, für den sie Chefjuristen der 150 größten Unternehmen befragen. KONSEQUENZEN ZIEHEN Andreas Bong, Geschäftsführer, Otto Henning GmbH Dirk Lorenz, Taylor Wessing Eine mühevolle Untersuchung. Vier Monate haben die Autoren allein am Konzept gewerkelt. Dann folgten detaillierte, individuelle Abstimmungsrunden, man musste die Daten zunächst im Interview mit der Führungskraft erheben, dann gleichsetzen und gegenchecken, also Kennzahlen der Vergütungsstruktur im Unternehmen abgleichen. 125 Stellenprofile haben Bong und Stenzel nun abgefragt, dahinter stehen 5.000 arbeitende Juristen in Deutschland. Die Was bedeutet die Studie konkret für Unternehmen und Kanzleien? Bong und Stenzel raten ihnen, die eigenen Strukturen kritisch zu hinterfragen. Ob zu viel oder zu wenig gezahlt wird, ist dabei nicht allein entscheidend, sagt Bong, „die Frage ist auch: Ist den Mitarbeitern ihr Gehalt überhaupt bewusst?“ In einem Unternehmen hatten die Mitarbeiter ihr wahres Gehalt zu niedrig eingeschätzt, da ein großer Anteil durch Firmenwagen und Altersvorsorge gezahlt wird. Die Konsequenz laut Bong: „Ab April wird das Unternehmen eine ‚Total Compensation Mail‘ verschicken.“ Dann können die Mitarbeiter im Detail einsehen, was sie vom Arbeitgeber erhalten – und so ihr eigenes Gehalt auch besser vergleichen. GESAMTVERGÜTUNG JE PUNKTECLUSTER 500.000 Ø Jahresgesamtvergütung in Euro 450.000 400.000 350.000 300.000 250.000 200.000 NL LTI STI Grundvergütung 150.000 100.000 50.000 0 Junior Counsel (25 P. – 40 P.) Counsel / Associate (41 P. – 55 P.) Senior Counsel / Senior Associate (56 P. – 70 P.) Abteilungsleiter / Salary Partner (71 P. – 85 P.) General Counsel / Equity Partner (86 P. – 100 P.) Hierarchieabstufung nach OH Punkten Quelle: Otto . Henning 62 Ausgabe 1/2012 unternehmensjurist Auch in Bezug auf die Organisationsstruktur können Unternehmen Konsequenzen ziehen. Bong beschreibt etwa das Problem, dass eine Fachkraft, etwa ein Spezialist ohne Personalverantwortung, oft nicht das Gehalt der Managementebene erreichen kann. Die Folge: Der Jurist wandert ab. Hier könnte etwa eine neue Karrierestufe geschaffen werden. CMS Hasche Sigle ist eine der wenigen Kanzleien, die einen solchen Weg eingeschlagen haben. Dort kann ein Anwalt, der nicht Salary Partner wird, als „Counsel“ der Kanzlei erhalten bleiben. Schließlich können Kanzleien durch die Bewertung genauer abschätzen, wie viel Geld sie für den Nachwuchs in die Hand nehmen müssen. Manchmal bestätigt die Studie auch die bisherige Gehaltspolitik: Christian Salge etwa ist mit dem – auch für ihn sehr überraschenden – Ergebnis sehr zufrieden. „Für uns ist das eine gute Nachricht“, sagt der Personal-Referent bei BMW, „wir zahlen, wie wir unser vergütungspolitisches Ziel gesetzt haben.“ Auch Harry Szameitat, Chief Operating Officer (COO) der Group Legal bei der Deutschen Bank in Frankfurt, ist zufrieden: „Wir fühlen uns im Markt unter den Corporates gut positioniert.“ Freilich bildet die Studie nicht alles ab, was für Jobwechsler relevant sein könnte. So tragen Kanzleianwälte bzw. Partner ein unternehmerisches Risiko, das sich auch in der Vergütung niederschlagen muss. Manche Unternehmensjuristen JOB & KARRIERE DIE STUDIE UND OTTO HENNING Otto Henning begleitet als international tätige Managementberatung namhafte Unternehmen in Europa bei Fragestellungen zu Strategie, Organisation und Informationsmanagement. In Zusammenarbeit mit General Counsel, Partnern und HR-Managern aus führenden Unternehmen und Wirtschaftskanzleien in Deutschland hat die Beratung ein Scoringsystem entwickelt, das es erlaubt, juristische Stellen von Unternehmensjuristen und Kanzleien mit einem Punktesystem zu bewerten und damit vergleichbar zu machen. Die Studie untersucht Hypothesen und hinterfragt Mythen. Entstanden ist ein bislang unerreichtes Gesamtbild der juristischen Vergütung in Deutschland. wollen hingegen in einer ganz bestimmten Firma oder Branche arbeiten, „da sind 10 Prozent mehr oder weniger nicht entscheidend“, schätzt Szameitat. „Viele wechseln auch deshalb aus der Kanzlei in Unternehmen, um ihre Work-LifeBalance geradezurücken.“ Immerhin, die Punktestruktur liegt „gefühlt richtig“, lobt Szameitat. Hendrik Wieduwilt VERGLEICH DER GESAMTVERGÜTUNG VON UNTERNEHMEN UND KANZLEIEN JE KARRIERESTUFE 500.000 Jahresgesamtvergütung in Euro 450.000 400.000 350.000 300.000 250.000 200.000 150.000 100.000 Unternehmens-Juristen Kanzlei-Juristen 50.000 0 Junior Counsel (25 P. – 40 P.) Counsel / Associate (41 P. – 55 P.) Senior Counsel / Senior Associate (56 P. – 70 P.) Abteilungsleiter / Salary Partner (71 P. – 85 P.) Hirarchieabstufung nach OH Punkten General Counsel / Equity Partner (86 P. – 100 P.) Quelle: Otto . Henning Ausgabe 1/2012 63